Wir frühstücken „richtiges“ Brot mit kuspriger Kruste! Das haben wir definitiv vermisst.
„Richtiges“ Brotmit Brombeer-Marmelade aus Chile
Für 9 Uhr haben wir uns beim Bauhaus in Birkenwerder einen Transporter reserviert. Wir sind ja über den von uns mitgegründeten Verein Carsharing Hohen Neuendorf schon lange regelmäßige Carsharing-Nutzer. Leider haben wir im Verein, buchbar über den neuen Buchungs-Partner Carsharing-Deutschland, bisher noch keine Transporter im Angebot. Aber über unseren ehemaligen Partner Flinkster können wir die Bauhaus-Transporter bundesweit nutzen.
Viktor fährt also um 8:30 Uhr mit seinem Fahrrad zu Bauhaus, um den Transporter abzuholen. Es ist verdammt kalt in Deutschland! Nur knapp über dem Gefrierpunkt. Die dicken, leuchtend-gelben Fahrradhandschuhe, die Viktor auf der gesamten Tour nur zwei oder drei Mal benutzt hat, leisten heute morgen gute Dienste. So beginnt schon einmal eine der „neuen Routinen“, die wir uns für das „Leben danach“ vorgenommen haben. Wir wollen unser privates Auto, das wir jetzt ein Jahr an den Carsharing-Verein verliehen hatten, nicht mehr zurücknehmen. Es läuft im Carsharing ganz gut und der Vereinsvorstand hatte schon vor einiger Zeit angefragt, ob wir das Fahrzeug wieder zurückhaben wollen oder dem Verein permanent überlassen können. Wir werden zukünftig das Fahrrad noch stärker in den Alltag einbauen und für die wenigen verbleibenden Fahrten ist das Carsharing einfach deutlich günstiger, als ein 98%-iges „Stehzeug“ vor unserer Türe zu finanzieren.
Der Bauhaus-Transporter kostet uns am Ende über 100 Euro ( 4 Stunden á 9,50 € plus 116 Kilometer á 0,55 €), denn Bauhaus bietet keine Gutschrift, wenn man das Fahrzeug früher zurückgibt. Wir schaffen es trotz Stau auf der Stadtautobahn heute in drei Stunden statt der befürchteten vier. Am BER brauchen wir allerdings länger als die 10 Minuten kostenloser Parkzeit vor dem Terminal und zahlen 7 Euro für die 16 Minuten, die wir benötigen, um den Tandem-Karton aus der Aufbewahrung abzuholen. Dort zahlen wir für die Aufbewahrung 3 x 15€ (45€), denn jeder Kalendertag zählt hier extra. Nun ja, diese allerletzen Kosten gehen in den Gesamtkosten des Jahres wohl unter.
Einfaches Carsharingnicht so günstig wie bei Carsharing Hohen NeuendorfAm BERTandem im TransporterZuhause
Den Zusammenbau des Tandems verschieben wir auf einen der nächsten Tage. Erstmal müssen wir unsere im Keller und unterm Dach gelagerten Kartons auspacken und alles wiederfinden, was wir im „normalen“ Alltag so brauchen. Das ist erschreckend viel, wenn man es mit dem vergleicht, was wir während des Jahres auf dem Rad dabeihatten. Wir nutzen das Auspacken der Kartons deshalb nochmal, um uns von Einigem zu verabschieden und es zu entsorgen. Bei Erinnerungsstücken fällt das besonders schwer, aber zum Glück kann man ja Fotos machen.
Auch Jan, Freund und Partner im Carsharing-Verein, Vater von Elias, den wir in Valparaiso und Chillán getroffen hatten, schaut am Abend kurz vorbei und wir erfahren schon die ersten Neuigkeiten aus dem Carsharing-Verein. Unser alter eGolf aus 2015 hat einen Käufer gefunden und wird demnächst aus dem Carsharing-Betrieb ausscheiden.
Am Abend freuen wir uns sehr über den Besuch unseres ältesten Kindes Jani. Wir essen rote Linsensuppe … Suppen oder Eintöpfe hatten wir unterwegs wirklich sehr selten … und reden lange über die Besorgnis erregenden politischen Zustände in U.S.A., Deutschland und der Welt. Viktor kann endlich mal wieder einen kräftigen spanischen Rotwein aus dem eigenen Weinkeller trinken (Juan Gil) bevor es ziemlich spät ins Bett geht.
DANKE!
Nun ist also der Zeitpunkt gekommen, an dem unser spannendes Jahr zu Ende geht, in dem wir unseren langgehegten Traum erfüllen konnten und ein Jahr auf und mit dem Fahrrad in der weiten Welt unterwegs waren.
Das wäre absolut unmöglich gewesen, wenn wir nicht so viele tolle Menschen um uns herum hätten, die uns die Möglichkeit gegeben haben, diesen Traum umzusetzen.
Unser Dank geht natürlich zuallererst an unsere Familien. Unseren Eltern können wir leider nur noch in einem Fall persönlich dafür danken, dass sie uns den Mut für ein solches Abenteuer in die Wiege gelegt oder auf andere Art für unser Leben mitgegeben haben. Uns ist bewusst, dass wir Dank unserer Eltern und Großeltern (und der Generationen davor) besonders gute (auch finanzielle) Startchancen hatten, die wir nutzen konnten, um dieses Jahr für uns möglich zu machen. Dafür können wir gar nicht genug dankbar sein.
Auch unsere Geschwister, unsere Kinder, Schwager und Lebensgefährten, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen und Neffen haben uns ermutigt und uns während dieses Jahres den Rücken freigehalten. Viele haben sich für uns um Dinge gekümmert, die wir selbst nicht erledigen konnten. Ohne Euch und Eure Unterstützung hätten wir uns das nie getraut! Danke!
Unseren Arbeitgebern und besonders unseren Kolleginnen und Kollegen gebührt ein besonderer Dank dafür, dass sie in dem Jahr an vielen Ecken und Enden für uns eingesprungen sind und zusätzliche Aufgaben übernommen haben. Die Sicherheit, dass wir zurückkehren können und von Euch wieder mit offenen Armen im Job aufgenommen werden, hat uns erst den freien Kopf ermöglicht, den wir unterwegs gebraucht haben.
Auch unseren Freunden, Bekannten, Nachbarn, Vereinsfreunden und ehrenamtlichen Unterstützern in Hohen Neuendorf (ADFC, Crossover Chor, Imkerverein, Jungimkerbetreuung, Sternsinger, Schulimkerei, Carsharing-Verein, etc.), aber auch in Berlin und ganz Deutschland wollen wir auf diesem Weg danken, besonders natürlich all denen, die unsere Aufgaben übernommen haben oder sich z.B. auch um unsere Bienen gekümmert haben.
Herzlichen Dank an Alle, die unsere Reise hier auf dem Blog mitverfolgt haben und uns immer wieder mit Kommentaren, Fragen und Hinweisen unterstützt und motiviert haben. Ein ganz besonderer Dank auch an die edlen Kaffee-, Eis- und Banana Split Spenderinnen und Spender!
Ergänzung: Den vielen freundlichen und hilfsbereiten Menschen, denen wir unterwegs begegnet sind und die unsere Reise erst zu dem schönen Erlebnis gemacht haben, das es für uns am Ende geworden ist, gilt natürlich ebenfalls ganz besonderes Dankeschön! Wie beenden dieses Jahr mit der Überzeugung, dass die „Guten“ überall auf der Welt in der Mehrheit sind. Allen Warnungen zum Trotz hatten wir unterwegs kein einziges schlimmes Erlebnis. Wir waren ganz im Gegenteil von der Hilfsbereitschaft und Unterstützung unterwegs tief beeindruckt und bewegt. Stellvertretend seien hier Andy und Susan aus Pacific Grove (Monterey) und Moises aus Chinandega (Nicaragua) genannt, die uns ganz besonders in Erinnerung geblieben sind. Vielleicht schaffen wir es ja im Laufe des Jahres hier im Blog eine kleine „Hall of Fame“ unserer Begegnungen aufzubauen.
Es ist für uns keine Selbstverständlichkeit, dass Ihr uns das ermöglicht habt und unsere bleibenden Erinnerungen an dieses tolle ereignisreiche Jahr werden immer auch mit Dankbarkeit an Euch alle verbunden sein!
Mittwoch 19.3.25 – Hohen Neuendorf
Heute kommen wir in Berlin-Frohnau auch dazu unsere letzte Eis-Einladung von Daniel B. anzunehmen. Das ist nun also wirklich der letzte offizielle Banana-Split unseres Sabattjahres. Danke Daniel!
Danke Daniel B.!
Donnerstag 20.3.25 – Hohen Neuendorf
Heute müssen wir erstmal mit dem Finanzamt Oranienburg telefonieren, die einfach unsere Steuerakten nach Hannover geschickt haben. Von dort haben wir überraschenderweise eine neue Steuernummer zugewiesen bekommen.
Wir hatten einen Nachsendeantrag zu Familie in Hannover eingerichtet und obwohl wir die Option „Vorübergehende Abwesenheit“ gewählt hatten, wurde die Nachsende-Adresse an das Finanzamt weitergegeben (die Option „Adressweitergabe“ war fälschlicherweise ebenfalls aktiviert, wie wir heute von unserer Briefträgerin erfahren). Das Finanzamt hat das dann als Umzug interpretiert und kann seine Daten offenbar nicht mit dem Einwohnermeldeamt abgleichen.
Nun muss also alles wieder zurückgenommen werden. Und der Steuerbescheid des letzten Jahres muss nochmal an uns abgeschickt werden. So kann man die Menschen im Finanzmat natürlich auch beschäftigen. 😉
Also aufgepasst, wenn Ihr so eine längere Abwesenheit plant: Genau aufpassen, dass der Nachsendeantrag richtig gestellt wird und das Finanzamt Bbescheid weiß, dass Ihr nicht umzieht!
Wir haben für heute keine Tour geplant sondern eventuelle Museumsbesuche. Tja, aber am heutigen Montag sind auch in Argentinien (fast) alle Museen geschlossen. Dann erwandern wir halt weiter die Stadt, gehen vielleicht durch den Japanischen Garten und in das Holocaust-Museum und buchen dann doch noch eine Tour: um 17 Uhr im Palacio Barolo.
Nachdem wir mit Julius kommuniziert haben (der etwas krank in Thailand liegt) machen wir uns also zu Fuß auf den Weg – immer unsere Straße weiter, auch mal rechts oder links parallel, Richtung City-Flughafen bzw. Fluss. Wir laufen durch schönere Ecken, aber auch durch nicht so schöne. Mitten in einer Hochhaussiedlung liegt eine Müllumladestation und es stinkt bis zum Umfallen. Auf dem Mafalda-Platz hält man leider umsonst Ausschau nach irgend etwas mit dem berühmten Comic-Mädchen. Endlich erreichen wir das große grüne Gebiet, das an den Flughafen angrenzt. Wir wenden uns nach rechts, erst über den Holland-Platz, dann am Rosengarten vorbei (der geschlossen ist) in Richtung des Japanischen Gartens. An einer Straßenüberquerung spricht uns eine Frau, die Sportgeräte verleiht, an, ob wir eben dorthin unterwegs seien. Als wir bejahen, meint sie, auch dieser wäre montags geschlossen – wie der Rosengarten und alle Museen. Da der Deutsche Platz noch weiter weg liegt, gehen wir trotzdem weiter, und siehe da, im Japanischen Garten sehen wir Menschen flanieren. Als wir am Eingang ankommen, ist uns der Eintrittspreis mit 13.500 Pesos aber zu hoch und wir lassen es. Wir gehen auch nicht noch einmal zu der Dame mit den Sportgeräten zurück, einfach, weil wir schon ziemlich weit in der Wärme gelaufen sind und jetzt eigentlich mal eine Pause brauchen könnten.
Den Deutschen Platz nehmen wir vor einer Pause dann aber noch mit. Den derzeit abgeschalteten Springbrunnen haben die „Deutschargentinier“ zum 100-jährigen Jubiläum bauen lassen, und es sind die Wappen der 16 Bundesländer angebracht, wenn auch nicht immer ganz richtig geschrieben (Landhessen, Wurtemberg).
„Landhessen“
Jetzt aber in Richtung eines Cafés! Die Wahl fällt auf die „Tea Connection“, die fälschlicherweise nach einem Teehaus klingt. Während wir unseren (nicht bitteren) Kaffee trinken, tragen zwei Herren unzählige Müllsäcke durch den Gastraum nach draußen, und es riecht schon wieder ziemlich müllig. Als alles draußen ist, versprüht ein Kellner reichlich Raumspray zur Neutralisation. Wir haben vermutet, dass es eventuell der gesammelte Müll des ganzen Hauses sein könnte, werden aber eines Besseren belehrt: es ist nur der Müll aus diesem Restaurant, aber von mehreren Tagen – wohl deshalb auch der strenge Geruch.
Etwas ausgeruht laufen wir in Richtung des Holocaust – Museums und des Barolo – Palasts, die in gleicher Richtung liegen. Plötzlich werden wir herzlich gegrüßt: der Guide Nahuel kommt uns entgegen und hat uns wiedererkannt – er wohnt in dieser Gegend.
Das Museum hat tatsächlich heute geöffnet, und montags ist der Eintritt sogar frei. Wir beschließen einen Besuch, müssen dafür unsere Reisepässe vorlegen und Telefonnummer sowie E – Mail – Adresse angeben, aber dann dürfen wir rein. Den mehrsprachigen Audioguide nutzen wir nicht, weil wir die zugehörigen Stellen in der Ausstellung nicht finden, statt dessen gucken wir selber und hören teilweise den englischsprachigen Guides verschiedener Besuchsgruppen zu.
am Ende kann man virtuell mit dieser Zeitzeugin chattenam Ende kann man virtuell mit dieser Zeitzeugin chatten
Die NSDAP hat in allen Ländern der Welt die Gründung von Auslandsorganisationen (AO) unterstützt, so auch in Argentinien. Es ist ein Foto der Feierlichkeiten zum Anschluss Österreichs aus der damals größten Kongresshalle von Buenos Aires, dem Luna Park ausgestellt. Ein Guide erklärt dazu, dass damals viele Tausende Argentinier vor der Halle mit dem Absingen der argentinischen Nationalhymne gegen diese Veranstaltung protestierten. Argentinien hat damals mehrere zehntausend jüdische Flüchtlinge aufgenommen. Ganz am Ende der Ausstellung gibt es einen Raum, in dem man mit einer argentinischen Zeitzeugin virtuell ins Gespräch kommen kann. Man spricht eine Frage in ein Mikrofon und ein passender (und manchmal auch nicht ganz passender) Videoclip mit einer Antwort wird abgespielt. Wir hören, dass sie die Deutschen nicht hasst, aber jeden Deutschen zur Begrüßung immer erst fragt, ob er denn ein Nazi sei. Insgesamt ein sehr interessantes Museum mit einem argentinischen Blickwinkel (Mengele und Eichmann wurden ja in Argentinien gefunden), auch wenn die Ausstellungsreihenfolge sich nicht so leicht erschließt und alles ausschließlich auf Spanisch beschriftet ist.
Anschließend geht es zum Barolo – Palast, wo wir unten im Café noch kurz Zeit finden für eine weitere Pause. Um fünf beginnt unsere knapp zweistündige Tour. Das zwischen 1919 und 1923 erbaute reine Bürogebäude ist voller Symbolismus, der sich auf die „Göttliche Kömodie“ von Dante Alighieri bezieht. Der Bauherr Luis Barolo und der Architekt Mario Palanti waren Freimaurer und wollten ursprünglich die Asche von Dante aus Ravenna nach Buenos Aires „retten“ und in diesem Gebäude bestatten, denn sie dachten, Europa und Italien seinen dem Untergang geweiht. Das Gebäude ist in Hölle, Fegefeuer und Paradies aufgeteilt. Mit den Fahrstühlen aus der Hölle kann man nur bis ins Fegefeuer im 14. Stock aufsteigen. Für den Weg nach ganz oben in dieLeuchtturmkuppel muss man in einen anderen Fahrtstuhl umsteigen, denn es gibt keinen direkten Weg aus der Hölle ins Paradies. Wir müssen die Treppe nach ganz oben nehmen, denn der Fahrstuhl darf von Besuchsgruppen aus Denkmalschutzgründen nicht benutzt werden. Der Leuchtturm wird jeden Abend um 22:00 Uhr für 10 Minuten in Betrieb genommen. Anfangs war er die ganze Nacht in Betrieb, sorgte aber für viel Verwirrung bei den Schiffen auf dem Rio de la Plata und musste daher abgeschaltet werden.
Abends gehen wir bei PUNY italienisch essen, ein Zufallsfund direkt im Theaterviertel von Buenos Aires in der Nähe der U-Bahnstation, von der wir zurück in unsere Wohnung wollen. An der Wand hängen die Fotos verschiedener Showgrößen, die hier schon gegessen haben.
im vierten Stockman darf nicht SpuckenBalkon im 20. StockLeuchtturm – 22. StockTja die Höhenangst …
Dienstag 11.3.25 – Buenos Aires
Der drittletzte vollständige Tag in Südamerika!
Die Nacht ist ziemlich unruhig, diesmal aber nicht wegen des Wetters sondern wegen der Nachbarn. Schon vor dem Zubettgehen dringt aus der Nachbarwohnung Musik und der Geruch von Räucherstäbchen zu uns hinüber, obwohl wir alle Fenster und Türen verschlossen haben. Zunächst bemerkt Viktor den Geruch, wenn er nahe an der Wand zu den Nachbarn steht, später dann auch Jutta am weiter entfernten Esszimmer-Tisch. Entweder sind die Wände so dünn, dass starke Gerüche es hindurchschaffen oder die Steckdosen hinter dem Fernseher haben irgendwie eine atmosphärische Verbindung in die Nachbarwohnung. Auch die Wände zu den Nachbarn bestehen hier aus Gipskarton-Platten, wie wir sie aus Santa Barbara von unserem damaligen Reihenhaus in Goleta kennen. In Deutschland ist sowas als Trennwand zu den Nachbarn fast undenkbar. Die Musik ist drüben jedenfalls laut genug, dass Viktor sich irgendwann die Ohrstöpsel von der Maschinenraum-Besichtigung auf der Esperanza-Fähre in die Ohren steckt und danach immerhin einschlafen kann, auch wenn man von einer echten Nachtruhe nicht sprechen kann. Das ganze dauert bis 3 oder 4 Uhr morgens … genau wissen wir es am Ende nicht mehr, als Jutta zwischen 7 und halb 8 Uhr mehr oder weniger ausgeruht aufsteht.
Jutta besorgt in der nahegelegenen Panaderia (Baguette-)Brötchen und wir frühstücken gemütlich, bevor wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle machen. Wir wollen den Sightseeing-Tag im Museum Evita beginnen und dann mal schauen, was der Tag noch so zu bieten hat. Dazu müssen wir den 93-iger Bus zur Plaza Italia nehmen, an der auch der Zoo und der Botanische Garten liegen. Als wir 100 Meter von der Bushaltestelle entfernt sind, kommt der Bus gerade, fährt an uns vorbei und nimmt an der Haltestelle Passagiere auf. Wir gehen langsam weiter, denn den haben wir ja wohl definitiv verpasst. Als wir näherkommen, 60 Meter … 50 Meter … 40 Meter … steht er immer noch da, denn die Ampel direkt vor der Haltestelle hat eine echt lange Rotphase. Also entscheidet sich Viktor bei 30 Metern dann doch zu rennen … kaum rennt er los, wird die Ampel grün und der Bus ist weg. Danach stehen wir wirklich lange an der Haltestelle, es kommt kein 93-iger Bus, dafür aber mehrere 111-er, die wir alle vorbeifahren lassen. Irgendwann schaut Viktor nochmal bei GoogleMaps nach und findet heraus, dass der 111-er genau die gleiche Strecke bis zur Plaza Italia fährt. Nun denn, wir warten also ab jetzt auf 111-er oder 93-iger. Und dann kommt natürlich ein … 93-iger … richtig 😉 !
In Buenos Aires gibt es wirklich unglaublich viele Busse in sehr kurzen Abständen, teilweise fahren die Busse einer Linie im Minutenabstand oder sogar direkt hintereinander her. Auf den Hauptstraßen sind am Straßenrand so viele Bushaltestellen, dass an jeder Haltestelle immer nur zwei oder drei Linien halten, denn wären es mehr, gäbe es an der Haltestelle einen Stau. Entsprechend schwierig ist es, die Haltestellen zu finden, denn teilweise sind die aufgeklebten Nummern der Buslinien an den Haltestellen nicht mehr erkennbar, wurden vielleicht vergessen oder auch abgerissen.
Ja, hier fährt der 93iger Bus
Im Museo Evita wird uns empfohlen, den Audioguide (Englisch) auf unserem eigenen Handy zu nutzen. Der QR-Code zum Einscannen ist jedoch an entscheidender Stelle sehr verwischt und funktioniert nicht, so dass uns am Ende die Frau an der Kasse helfen muss, die richtige URL einzutippen. Wir loggen uns vorher in das kostenlose WIFI des Museums ein, denn unser Datenvolumen möchten wir mit den Audiodateien nicht verbrauchen. Das ist aber vermutlich ein Fehler, denn während des gesamten Besuches kämpfen wir nun mit langsam ladenden Webseiten und mit Audiodateien, die ständig abbrechen oder immer wieder von vorne beginnen. Das macht den Museumsbesuch zu einem gemischten Erlebnis. Das Museum ist dem Leben der charismatischen Eva Duarte de Perón gewidmet, die in ihrem kurzen Leben (sie starb mit 33 Jahren an Gebärmutterhals-Krebs) zur einer nationalen Ikone Argentiniens wurde. Sie war eigentlich „nur“ die „First Lady“ und wurde nie in Wahlen demokratisch legitimiert, war aber unter anderem für die Einführung des Frauenwahlrechts und für fast alle Sozialprogramme der Regierung Perón verantwortlich. Sie genoss so große Popularität, dass die Gewerkschaften und viele Argentinier*innen noch ein Jahr vor ihrem Tod auf die Straßen gingen, um sie dazu zu bewegen, bei den anstehenden Wahlen als Vizepräsidentin zu kandidieren. Ihr Verzicht ging als Día del Renunciamiento in die Geschichte Argentiniens ein. Wir verlassen das Museum, das sich in den Räumlichkeiten eines von ihr gegründeten Frauenhauses befindet, beeindruckt von der Persönlichkeit, aber ein wenig verwirrt über die politischen Zusammenhänge, die in der Ausstellung wenig Raum einnehmen.
schon damals war es klar, dass die fossilen Treibstoffe endlich sindin der damaligen Küche gab es einen Schrank, der unserem „Pastaschrank“ ähnelt, bzw. umgekehrt
Im nahegelegenen Café Simona machen wir eine Stärkungspause, bevor wir den Botanischen Garten besuchen. Der Eintritt ist kostenlos, und es ist ein Sammelsurium vor allem an Bäumen, die auch meistens beschriftet sind und aus vielen Gegenden der Erde kommen. Wir gehen gezielt auch zu den Gewächshäusern, die erstens gar nicht zugänglich (per Vorhängeschloss verschlossen) und zweitens nicht mit dem bepflanzt sind, was draußen angeschlagen steht (Beispiel: es stehen Zwiebelpflanzen dran, wir sehen durch das Glas Kakteen, an einem anderen stehen Kakteen dran, drinnen sind Leguminosen?). Es ist trotzdem ein netter Spaziergang!
Araucaria bidwilliiYerba Mate Sträucher/Bäume
Wir nehmen einen anderen Ausgang und gehen ein kurzes Stück, bis wir einen Eingang zum ehemaligen Zoologischen Garten von Buenos Aires erreichen. Auch hier kommen wir kostenfrei durch das Drehkreuz. Die Parkanlage wirkt auf den ersten Blick fast gepflegter als im Botanischen Garten. Wir sehen gleich einen Teich mit Schildkröten und Fischen, und auf den Wegen und Grasanlagen Pfauenvögel und viele Pampashasen, bevor wir immer mehr Schilder mit der Aufschrift „Ecoparc“ sehen. Nach der Schließung des Tierparks 2016 soll hier seit 2018 eine Forschungs- und Bildungseinrichtung geschaffen werden, die diesen Namen trägt. Allerdings scheint es beim weiteren Durchlaufen, dass sämtliche Schaubilder oder interaktiven Elemente schon wieder im Verfall sind … Es leben noch einige Tiere in Gehegen (zwei Flusspferde, zwei Giraffen zusammen mit zwei Straußen, viele Flamingos, zwei Bisons, einige Nandus), aber viele Gehege und alle Häuser (Reptilien, Amphibien, Affen) sind leer. Im ehemaligen Affenhaus kann man gegen Bezahlung einen virtuellen Condorflug durchführen… . Ob hier wirklich noch geforscht wird, können wir nicht feststellen – vielleicht. Der Park ist aber sehr gut besucht, und selbst das alte Karussell auf dem Spielplatz ist in Betrieb. Dass die derzeitige Regierung es weiterhin akzeptiert, dass es keinen Cent kostet, ist eigentlich ein Wunder.
Flamingo Austral – hier sehen wir ihn dann doch nochSpannweite Condor – hinten im Vogelhaus sitzt noch ein CondorAufgrund eines Staudamms ausgestorbene Schnecken vom Oberlauf des Flusses ParanáAlle interaktiven Elemente des Zoos scheinen seit Jahren defekt und vernachlässigtRecycle – reuse – repair – share
Nach dem „Zoobesuch“ halten wir auf dem Weg zur Bushaltestelle noch einmal in einem Café. Und dann finden wir die richtige Haltestelle nur durch Fragen, denn genau an dieser fehlt an der Bürgersteigseite die Linienangabe. Es dauert wieder einige Zeit, bis der 93-iger kommt, aber der bringt uns dann zuverlässig wieder zurück.
Haltestelle RückfahrtHaltestelle RückfahrtDie alte Wilhelmshavener Postleitzahl wurde offenbar nach Argentinien verkauft 😉 – Lieben Gruß an Barbie
Mittwoch 12.3.25 – Buenos Aires
Der vorletzte vollständige Tag in Südamerika!
Jutta geht um sieben Uhr zum Bäcker, damit wir es pünktlich zu 8:45 Uhr zum Denkmal von San Martín schaffen (mit U-Bahn und längerem Fussweg), denn in der Bestätigung zu unserer heutigen Tour steht genau dieses! Als wir um 8:44 Uhr dort ankommen, werden auch gerade die Fahrräder gebracht – wir haben nämlich eine Tour zum Tigre – Delta mit dem Rad reserviert. Als wir gefragt werden, ob wir die Tour um halb zehn oder um zehn Uhr gebucht haben, beginnen wir zu zweifeln. Und dann stellt sich schnell heraus, dass heute gar keine Tour zum Tigre – Delta führt, da der Zug, mit dem wir fahren sollen, nur Donnerstags bis Sonntags fährt. Da muss die Person, die uns die Bestätigung geschickt hat, leider einen Fehler gemacht haben! Na, toll!
Wir bekommen angeboten, heute eine andere Tour mitzufahren, wir entschließen uns aber, bis morgen auf unsere Wunschtour zu warten – die allerletzte Möglichkeit überhaupt für uns.
Und so machen wir uns also stattdessen zu Fuß auf den Weg, in Richtung des Recoleta – Friedhofs mit Zwischenhalt in einer der schönsten Buchhandlungen der Welt. Die „Ateneo“ – Filiale nutzt die über 100 Jahre alten Räumlichkeiten eines ehemaligen Theaters, und es gibt sogar richtige Besichtigungs-Touren.
Havanna-Café auf der Bühnealter Sicherungskasten für die Bühnenbeleuchtungman darf hier nirgendwo etwas hinkleben!
Trotz der noch frühen Stunde trinken wir auf der Bühne einen Kaffee, bevor wir weitergehen.
Beim Erreichen des Friedhofs kommen wir erst am Eingang für Reisegruppen vorbei, wo unzählige Reisebusse ihre Touristen ausspucken – wir befürchten schon, dass es sehr überfüllt sein könnte. Am Eingang für Einzelpersonen geht unsere Laune zum zweiten Mal heute den Bach hinunter: während Argentinier kostenlos auf den bekannten Friedhof gehen dürfen, müssen Touristen (heute) 17.620 Pesos (ca. 17 Euro) bezahlen – morgen vielleicht noch mehr! Auch wenn es hier tolle Mausoleen und interessante Architektur zu entdecken geben soll – das ist uns zu teuer! Außerdem sind wir von dieser Preispolitik in Argentinien sowieso schon angefressen, denn immer sollen die ausländischen Touristen ein Vielfaches von dem zahlen, was Einheimische zahlen. Das war schon in sämtlichen Nationalparks und Museen so. Wir haben uns immer wieder gesagt, dass die Gelegenheit nicht wiederkommt und wir auf dieser Jahrestour ja schon so viel Geld ausgegeben haben, dass es darauf jetzt auch nicht mehr ankommt. Aber irgendwann ist einfach mal Schluss und man wird bockig. Heute ist das bei uns so. Wir fühlen uns hier nicht Willkommen, denn in einem marktwirtschaftlich organisierten System sendet man vor allem über den Preis eine Botschaft, und über einen vielfach erhöhten Preis eben die Botschaft: „Du bist uns nicht willkommen“. Viktor fragt noch, wie es wäre, wenn wir dort einen Verwandten liegen hätten, aber dann wären wir ja offensichtlich Argentinier und müssten nichts zahlen… Also wieder einmal umplanen!
Wir könnten mit einem der blauen Mietfahrräder zur Reserva Ecologica fahren! Da wir nur ein Handy mithaben, müssen wir dafür zunächst klären, ob man trotzdem zwei Räder ausleihen kann. Die WhatsApp-Hotline ist wohl nur ein Chatbot und antwortet nicht ohne Hochladen einer argentinischen DNI (Personalausweis). Also versucht Viktor, einen Account bei BA Ecobici zu erstellen. Es klingt gut, 30 Minuten sind immer kostenlos (laut Wikipedia sollte es komplett kostenfrei sein, aber das ist wohl veraltet), und es gibt sehr viele Stationen. Beim Weitermachen stellt sich aber heraus, dass Touristen (haben keine DNI) pro Ausleihe schon mal 2100 Pesos zahlen müssen! Das ist sogar mehr, als eine Metrofahrt! Die spinnen doch, die Argentinier! Wir beschließen, doch lieber einen Bus zu nehmen. Später kommt dann doch noch eine Antwort auf die Frage: mit einem Handy kann man eh nur ein Rad ausleihen, es wäre also in jedem Fall der Bus geworden.
Im Bus freuen wir uns, dass wenigstens die Nutzung der Öffis für alle das Gleiche kostet:
Und als wir am Reservat ankommen, können wir uns wieder freuen: der Eintritt ist für alle kostenfrei! Wir gehen eine etwa fünf Kilometer lange Runde (siehe Tagesbild) und genießen die Natur:
Die Strecke führt uns erstmals direkt bis an den Rio de la Plata, den breitesten Fluß der Welt. Das Wasser ist auf argentinicher Seite extrem verschmutzt und das kann man tatsächlich am Ufer sogar riechen. Viktor fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt, denn es riecht genauso wie in den 60iger und 70iger Jahren in den Rheinwiesen von Duisburg-Rheinhausen. Es liegt ein leicht beißender, chemisch-kloakiger Geruch in der Luft.
Kostenloses heißes Wasser für Mate-Trinkerprofessionelle Warnung vor Schlangenhört sich an wie am Meer, riecht bloß ganz andersGefährlich verschmutztes Wasserwaren die Rohre auch Bauschutt – eine Funktion erfüllen sie jedenfalls nichtim Hintergrund der Hafen
Als wir wieder in der Zivilisation sind, ist es fast zwei Uhr und wir suchen uns etwas für eine Pause. Die erste Möglichkeit ist das Café La Juana und wir kehren ein. Juttas Avocadotoast ist eine Toastscheibe mit Avocado plus Rührei – und das Ganze eiskalt aus dem Kühlschrank – unglaublich! Gestern bei Simona der Käsetoast war doppeltes Brot, frisch, warm und billiger! Wir stärken uns also etwas und gehen dann zu kurz vor drei in das Kulturzentrum, dass im Oktober 2024 von der Regierung Milei in Palacio Libertad, Centro Cultural Domingo Faustino Sarmiento umbenannt wurde. Überall hängen Kunststoffschilder mit dem neuen Namen, oben am Gebäude steht aber noch Néstor Kircher, der alte Name.
Mittwochs ist hier keine Tour um 15 Uhr, wie wir eigentlich dachten, aber man kann sich für die um 16 Uhr anmelden. Jetzt entdecken wir, dass es täglich wechselnde Touren zu wechselnden Zeiten gibt – aber alle sind kostenlos, wie alles hier im Haus, auch die zahlreichen Konzerte im Konzertsaal. Die Stunde bis dahin gehen wir durch das Gebäude und besuchen einige Räume – es ist irgendwie alles ziemlich leer an Besuchern, aber Aufpasser und Wegweiser gibt es jede Menge.
DictaphoneDictaphoneSiemens FernschreiberSiemens FernschreiberSphäre von Julio Le ParcSphäre von Julio Le Parc
Um vier Uhr beginnt dann die Führung durch einen Herren, der entweder sehr nuschelt oder dessen Gebiss etwas locker sitzt – man versteht ihn sehr schlecht. Aber er erklärt mit Leib und Seele dieses alte Postgebäude, dessen Bau 40 Jahre (1889 – 1928) gedauert hat und dessen „vordere Hälfte“ inklusive der Fassade heute unter Denkmalschutz steht.
Unser Führer wiederholt mehrfach, dass er eigentlich gar kein „Guide“ ist, dass er aber schon lange hier arbeitet und den Umbau des Gebäudes (2005 – 2015) zum größten Kulturzentrum Lateinamerikas vollständig miterlebt hat. Er scheint auch für alle Führungen und die Guides verantwortlich zu sein, denn die sind alle nach seiner Aussage absolut großartig. Morgen wird er erstmals zusammen mit einem anderen Guide die neu entwickelte thematische Führung „Sinfonischer Escape-Room“ in der walförmigen Konzerthalle leiten und ist scheinbar schon ganz aufgeregt. Normalerweise ist unsere heutige Führung 45 Minuten lang, aber bei ihm sind die Führungen viel, viel länger, denn er ist authorisiert uns auch Dinge zu zeigen, die uns sonst niemand zeigen darf.
Das gesamt Gebäude ist ein Prunkbau, der für die Argentinische Post gebaut wurde. Das Büro des Präsidenten der Post ist ein riesiger Saal, der sich in exakt der gleichen Höhe befindet wie das Büro des argentinisches Präsidenten in der Casa Rosada in Sichtweite gegenüber an der Plaza de Mayo. Damals war die Post eben noch der monopolistische Kommunikationsanbieter und der Präsident der Post war entsprechend mächtig (und wurde vom Staatspräsidenten ernannt). Gleichzeitig befand sich im Untergeschoss des Gebäudeteiles, den unser Führer den „industriellen“ Teil nennt (im Gegesatz zum „administrativen“), auch die Postverteilanlage. In dem Gebäude arbeiteten damals 10.000 Personen, das Untergeschoss wurde von Postlastern befahren und im Boden des Erdgeschoss befinden sich heute noch die großen Glasbausteine, die bei einem Brand in der Postverteilanlage (das war ja alles leicht brennbares Papier) von der Feuerwehr zerschlagen worden wären, um Löschwasser hinein zu leiten.
In der Eingangshalle befindet sich an der Wand eine große Weltkarte, die Europa noch in den Grenzen von … na ja … jedenfalls in ziemlich alten Grenzen zeigt.
Das Prunkstück des Gebäudes ist heute die moderne Konzerthalle, auch „Ballena“ („Wal“) genannt, die mitten im Gebäude auf riesigen Neopren-Lagern steht und damit akustisch vom Rest des Gebäudes entkoppelt ist. Keinerlei Vibrationen (z.B. von der U-Bahn, die unter dem Gebäude fährt) können das Konzerterlebnis in der Halle stören. Alle 100 Jahre müssen die Neoprenlager ausgetauscht werden. Die Konzerthalle ist mit einer Art Metallnetz überzogen, das in Deutschland hergestellt wurde, und alle elektromagnetischen Wellen abschirmt (Faradayscher Käfig). Deshalb muss hier vor den Konzerten nicht angesagt werden, dass alle ihre Mobiltelefone abschalten sollen, denn hier drin wird niemals ein Anruf angenommen werden können. Die Orgel des deutschen Orgelbauers KLAIS ist leider kaum zu sehen, weil sie heute von den beweglichen, akustischen Reflektoren verdeckt wird, die je nach Orchestergröße und Position herauf- und heruntergefahren werden können, um so eine der angeblich besten Akustiken der Welt zu garantieren. In dem Saal gibt es keine nummerierten Sitzplätze, weil die Akustik angeblich auf allen Plätzen gleich gut ist.
Unser Guide erkärt uns die zwei Tonnen schwere Lampe, die über dem Konzertsaal hängt, aber nur dessen Außenhülle beleuchtet, und wie schwierig es war, diese ins Gebäude einzubauen, da die denkmalgeschützen Fassaden ja stehen bleiben mussten und alles mit einem riesigen Kran von oben ins Gebäude herabgelassen werden musste. Die Lampe ist begehbar und enthält einen großen Ausstellungsraum, den wir später noch besuchen. Es ist sehr moderne Kunst darin: Durchlöcherte Gipskartonplatten, die uns an unser AirBnB-Apartment und die unruhigen Nächte erinnern.
Wir werden noch in den Keller mit den Postfächern geführt, sehen ein Museum mit alten Telekommunikationsgeräten, u.a. einen Fernschreiber von Siemens, und erfahren von den Tränen in den Augen der Konzertmusiker, als sie ihre Instrumente zwischen zwei Probentagen einfach im Probensaal belassen durften, der ebenfalls Sinfonieorchester-Größe hat. Sie hätten sich erstmals in ihrem Leben nicht wie Nomaden gefühlt und hatten Tränen der Freude und Dankbarkeit in den Augen. Unser Guide hat definitiv einen kleinen Hang zu Dramatik. 😉
Glas im Boden, das im Fall eines Brandes für die Feuerwehr zerschmettert werden sollteeine zwei Tonnen schwere, zweistöckige, begehbare Lampedirekt unter der Lampeder schwebende Konzertsaal – „Wal“ genanntmit Metall aus Deutschland „eingepackt“ – Faradayscher Käfig – Mobiltelefone sind im Konzertsaal nutzlosdas Innereeine verdeckte Orgel ist auch vorhanden – Orgelbauer KLAIS aus Deutschland Europa in den 1920-er JahrenDeutschland in den Grenzen von …Heizung im alten PostgebäudeSchließfächer im UntergeschossGipskarton-KunstJutta
Zum Abendessen gehen wir ins Pétalo – Pizzeria direkt am U-Bahnhof Florida. Jutta bestellt Spagetti mit Pesto, und zum zweiten Mal heute ist es fast unverschämt, was kommt: ein Teller mit verkochten Spagetti mit ein paar zerpflückten, trockenen Basilikumblättern, kleinen Walnussstücken und etwas Reibekäse, dazu drei Tüten „Parmesan“. Satt werden wir zumindest beide! Nach dem heutigen Tag hat Argentinien aber keine Chance mehr, doch noch unter die ersten drei Länder unseres Reise- und Radfahrland-Rankings zu kommen!
hier wachsen auch StrelizienEigentlich der Startpunkt der Rad-TourEigentlich der Startpunkt der Rad-TourSchulausflug – seit Montag sind die langen Ferien zuendeCasa Rosada – Regierungspalast – Gruß an Michael P.die Beton-Hocker gibt es auch in anderen GrößenRezept für einen glücklichen Tagdas Pétalo hätte Banana-Split, aber zu welchem Preis!der Obelisk im Abendrot – Gruß an Michael P.
Heute checken wir aus unserem AirBnB in Buenos Aires aus und holen unsere gestern ausgefallen „Radtour“ nach. Wir stehen also relativ früh um 6:15 Uhr auf, nachdem wir wieder eine eher unruhige Nacht hatten. Irgendjemand über, unter oder neben uns hat am sehr frühen Morgen offenbar eine Videokonferenz abgehalten und genauso ins Telefon gebrüllt, wie es Viktor immer tut, wenn er mit seiner Mutter telefoniert … also so als müsse es seine Stimme ganz ohne technische Hilfsmittel bis nach Spanien schaffen. Der Mann nebenan spricht kein Spanisch, Viktor vermutet eher eine slawische Sprache, es könnte also ein anderer AirBnB-Bewohner gewesen sein.
Wir schaffen es beim Frühstück ziemlich gut, unsere Reste (Butter, Marmelade, Käse) zu verbrauchen. Dann wird wieder alles in unsere Bordgepäck-Taschen zusammengepackt, und um kurz vor acht Uhr verlassen wir die Wohung und gehen zum U-Bahnhof Dorrego. Unsere SUBE-Karte haben wir gestern noch so passend aufgeladen, dass wir sie bis auf weniger als 400 Pesos verbrauchen können. Erstmals fahren wir heute mit Umstieg (Linie B –> Linie C) und erreichen das Fahrradlager der Bike Tours Buenos Aires mit großem zeitlichem Puffer. Unser Guide „Gérman“ (nein das steht nicht für „Deutsch“, sondern ist ein spanisch-baskischer Name und kommt von „hermano“ oder „germano“ und bedeutet „Bruder“) ist leider verspätet, andere Mitarbeiter sitzen vor den heruntergelassenen Rolläden und kommen nicht hinein. Gérman kommt irgendwann etwas abgehetzt auf seinem Brompton-Klapprad angeradelt. Er musste am Ende sogar noch ein Taxi nehmen, weil die Züge einfach zu viel Verspätung hatten. Und etwas später – Viktor kauft sich gerade nebenan noch etwas Süßes – kommen dann auch diejenigen mit den Schlüsseln. Jetzt geht es schnell: unsere Taschen werden eingeschlossen, wir bekommen jeder ein Rad und einen Helm, und zu dritt – es wird eine private Tour 😉 – radeln wir die kurze Strecke zum Retiro – Bahnhof, einem sehr schönen, alten Sackbahnhof. Bevor wir in den Mitre-Zug nach Tigre steigen, sollen wir uns das Burger-King von innen anschauen.
Dann geht es in die Bahn. Gérman hängt unsere Räder in die Halterung – diesen Service haben wir wohl mitgebucht – und wir fahren eine gute Stunde bis zur Endstation Tigre, einer Stadt am Flussdelta, die Naherholungsgebiet für die Region von Buenos Aires ist.
Hier machen wir eine kleine Radrunde auf dem Festland, sehen etliche Rudervereine der argentinischen „Hauptstadt des Ruderns“ und das ehemalige Casino, in dem heute ein Kunstmuseum untergebracht ist, und fahren dann in den Ortsteil Puerto de Frutos, um dort eine Bootstour zu beginnen. Hier werden heute keine Früchte mehr verkauft, sondern vor allem Inneneinrichtungen – der Name ist aber geblieben.
Nach einem schnellen Kaffee im örtlichen „Havanna“ gehen wir mit „Minitourismo Bambi“ und nur wenigen anderen Gästen auf Rundfahrt zwischen den vielen kleinen Inseln des Deltas. Sie sind (fast) alle bewohnt, nur per Boot zu erreichen und nicht an die Trinkwasserversorgung angeschlossen. Jedes Haus hat einen eigenen Bootssteg mit Flussnamen und Hausnummer, es ist fast wie ein Straßennetz an Land. Die Kinder fahren (kostenfrei, staatlich subventioniert) mit dem Busboot zur Schule, die inklusive Mittagessen nur von 10 bis 14 Uhr dauert. Das Wasser ist nur rund 1,50 m tief, es gibt Passagen, durch die bei etwas niedrigerem Wasserstand keines der Motorboorte fahren kann – heute geht es aber und wir fahren ganz langsam durch eine der „Angosturas“ (Engstellen). Die Ansagen sind alle auf Spanisch und Englisch, und es wird viel erklärt.
Zwischen den Inseln fahren die ganze Woche über verschiedene Supermarkt-Boote, deren Betreiber an den auf den Stegen herausgehängten Taschen und Körben erkennen, dass jemand einkaufen möchte. Das Brauchwasser (auch zum Duschen) wird aus Flusswasser erzeugt, indem es gefiltert und gechlort wird. Das Trinkwasser wird in Kanistern angeliefert, das Gas zum Kochen und Heizen in Gasflaschen. Ein Gesundheitsboot mit Allgemeinmediziner, Kinderarzt und Augenarzt dreht ebenfalls werktags seine Runden. Die meisten Bewohner haben aber ein eigenes Boot. Auf einigen Inseln wird auch noch Forstwirtschaft betrieben, vor allem Weiden. Viele Inseln sind aber Erholungszentren mit Hütten, Campingplätzen, Sportplätzen und künstlich angelegten Stränden (denn hier gibt es natürlicherweise nur Sedimente und keinen Sand), zum Teil im Besitz von Gewerkschaften (z.B. Lehrergewerkschaft), die günstige Erholungsprogramme für ihre Mitglieder anbieten.
An einer Stelle passieren wir ein kleines Haus, das in einem Glaskasten steht. Hier hatte Sarmiento ein Grundstück mit drei Gebäuden – dieses ist ein Replikat, das auf diese Weise der Witterung nicht ausgesetzt ist. Sarmiento war einer der Präsidenten Argentiniens, der u.a. die Schulpflicht einführte und Bibliotheken eröffnete.
Nach einstündiger Tour legen wir wieder an. Mit Gérman gehen wir in die „Parilla La Ranchera“, wo wir bei angeregtem politischen Austausch eine Kleinigkeit zu uns nehmen. Die Bedienung ist ganz entzückt, als sie erfährt, dass dies heute der letzte Tag einer elfmonatigen Reise durch Lateinamerika ist.
Mit den Rädern geht es zurück zum Bahnhof, und wieder fährt eine Bahn ohne lange warten zu müssen. So langsam sie auch fährt, und auch nicht an allen Tagen, aber der Takt ist ziemlich eng, zumindest zu den Stoßseiten. Auf dieser Fahrt kommen sehr, sehr viele fliegende Händler mit den unterschiedlichsten Angeboten durch die Wagen. Die Preise liegen immer weit unter denen in Läden, und wir fragen uns, wie das sein kann. Gérman sieht darin von Allem ein Indiz für die unverschämten Aufschläge und Profite, die in den normalen Geschäften gemacht werden. Mit einem Augenzwinkern gibt er aber auch zu, das vielleicht auch geklaute Ware dabei sein könnte.
In Retiro fahren wir die Räder zum Fahrradlager und erhalten unser Handgepäck zurück. Wir gehen die Esmeralda runter, biegen ab zur Plaza de Mayo und wollen schauen, ob wir dort nicht noch die Großmütter antreffen, die dort donnerstags lange Zeit stumm demonstriert haben. Stattdessen ziehen heute jüngere Frauen laut gröhlend im Kreis herum und demonstrieren gegen die Entführung von Kindern durch Pädophile.
Auf Empfehlung von Gérman gehen wir in der Italienischen Bar D’Oro (die ein Restaurant ist) am letzten Abend sehr lecker Pasta essen. Das Rufen eines Ubers nach Ezeiza gestaltet sich etwas schwierig, bis wir herausfinden, dass die Bezahlung hier immer in bar erfolgen muss – ausschließlich in Argentinien. Durch viel Stau werden wir nach Ezeiza (Barrio Uno) zum Guga-Hotel gebracht, das seit zwei Wochen unser Gepäck und das Tandem lagert und in dem wir die letzte Nacht verbringen.
vor dem AirBnBU-Bahn-Eingangdas noch geschlossenen FahrraddepotFahrradständer im NahverkehrSelfie mit Gérmandas Innere der Kathedrale von Buenos Airesnoch einmal die Casa RosadaMaradonna-Trikot im D’Oroletztes Abendessen
Freitag 14.3.25 – Buenos Aires – Abflug nach Deutschland
Nach dem spärlichen Frühstück in unserem Guga-Hotel (Zwieback, Tee, Frischkäse, Marmelade) checken wir um 10 Uhr aus und ziehen den Transfer zum Flughafen von 14:30 auf 11:30 Uhr vor, denn im Barrio Uno finden wir kein Café, in dem wir bis 14:30 Uhr würden warten wollen. Die einzigen Cafés (fast alles Starbucks) sind drei bis vier Kilometer entfernt, einige davon befinden sich sowieso am Flughafen (EZE). Wir gehen also nur eine kleine Runde durch das Barrio Uno, sehen in dieser offensichtlichen Schlaf-Vorstadt einige Häuser eher gut betuchter Einwohner, kommen an einem Neubauviertel mit angrenzendem Park vorbei und bewundern (und riechen) die nach Erbrochenem stinkenden Früchte eines weiblichen Gingko-Baumes, der hier als Straßenbaum angepflanzt wurde. In diesem verschlafen wirkenden Nest kurvt die ganze Zeit ein Polizeiauto herum, und wir denken schon, jemand hätte uns gemeldet als Fremdkörper.
Gingko Stinkende Gingko-FrüchteCheck-Out im HotelBarrio Uno Zentralplatz
Als um 11:30 Uhr die angebliche „Camioneta“ (Transporter) vor dem Hotel steht sind wir wieder einmal negativ überrascht, obwohl wir doch nun wirklich mittlerweile damit hätten rechnen können. Der Wagen ist ein Toyota Hillux mit kurzer Ladefläche und reicht natürlich wieder nicht aus, um den Karton mit dem Tandem vollständig darin unterzubringen.
Toyota Hillux mit …… kurzer Ladefläche
Der Fahrer hat außerdem keinerlei Spanngurte oder Seile dabei, mit denen man die Ladung sichern könnte. Wir müssen den Karton also flach auf die Ladefläche legen, was wir eigentlich verhindern wollten, damit kein Öl aus dem Rohloff-Getriebe austreten und auf die Bremsen tropfen kann. Die Ladeklappe des Wagens muss hinten offen bleiben und der Fahrer fährt die paar Kilometer zum Flughafen langsam mit eingeschaltetem Warnblinklicht, benutzt dabei aber fleißig den völlig sinnlosen Blinkerhebel ;-). Wir haben während der Fahrt immer ein Auge auf die Ladefläche, um ein mögliches Verrutschen des Tandem-Kartons und der drei Taschen sofort zu bemerken. Zum Glück bleibt aber alles in Position.
Am Flughafen besorgt Jutta zwei Koffer-Trolleys, wir hieven den Karton und die Taschen von der Ladefläche und zahlen der vereinbarten Preis. Dann geht es ins Flughafengebäude, und wir suchen nach den Check-in-Schaltern für Lufthansa. Unser Flug geht um 17:50 Uhr, der Check-in ist erst vier Stunden vor Abflug möglich. Wir werden gebeten um 13:50 wiederzukommen. Ach, was war das damals am BER doch toll, als wir am Vorabend bereits das Tandem als Sperrgepäck einchecken konnten.
Am Flughafen angekommenAbfertigungshalleAbfertigungshalleAbfertigungshalleWarten bei StarbucksWarten bei StarbucksCheck-In-SchalterCheck-In
Wir setzen uns also ins Starbucks in der Nähe der Check-in-Schalter, trinken einen Kaffee und essen eine Kleinigkeit, haben aber keine rechte Lust, am Blog zu schreiben oder noch irgendwas anderes zu tun. Immerhin könnten Gewicht oder Größe des Tandem-Kartons noch zu Problemen führen und einer von uns ist da zumindest noch etwas nervös.
Tatsächlich started der Check-in schon um 13:40, und als wir an den Schaltern ankommen steht dort schon eine lange Menschen-Schlange. Wir werden aber in eine separate „Schlange“ gebeten, die für Passagiere mit Sondergepäck gebildet wird. Vor uns steht dort zwar nur ein weiterer Fluggast, aber wir beobachten mit etwas Verwunderung, dass der Check-In seeeeehr lange benötigt. Die lange Schlange der „normalen“ Passagiere bewegt sich im Vergleich dazu recht schnell. Zwischenzeitlich sieht es kurz so aus, als würde noch ein zweiter Schalter für uns öffnen, aber das ist dann doch nur Wunschdenken.
Als wir endlich dran sind, werden zunächst unsere drei in Schrumpffolie gewickelten, rosafarbenen Plastiktaschen mit den Radtaschen gewogen und auf die Reise geschickt. Die größte davon bleibt auf dem Förderband nicht mehr richtig stehen, passt aber wegen des drangewickelten Zeltes und der Rückenlehnentasche nicht in eine der Transportkisten für das Gepäckförderband. Nach mehreren Versuchen geht es dann doch ohne so eine Kiste, aber wir machen uns ein bisschen Sorgen, ob das Gepäckstück heil in Berlin ankommen wird.
Dann wird der Karton mit dem Tandem gewogen und mit viel gutem Willen als 32 kg schwer angenommen (die Waage zeigt je nach Position des Kartons zwischen 32,5 kg und 35 kg). Der Mitarbeiter fragt nochmal nach, ob wir wirklich bereits 600 Dollar für das Sperrgepäck bezahlt haben, was wir wahrheitsgemäß mit „Ja“ beantworten. Wahrscheinlich hat er dann Mitleid bekommen und den Karton ohne weitere Beanstandung des Gewichtes angenommen, denn so viel haben wir für das Tandem weder auf dem Hinflug (250 Euro) noch dem Inlandsflug von Ushuaia (unter 20 Euro) bezahlt.
Der Karton erhält also seinen Gepäckaufkleber und wir werden zur Sperrgepäck-Annahme am Ende des Terminals geschickt. Wir sollen aber zunächst noch 10 Minuten warten, uns dann nochmal am Schalter melden und erst danach zur Sperrgepäck-Annahme gehen. Wir drücken uns also etwas mehr als zehn Minuten in der Nähe des Check-In-Schalters herum und gehen dann nochmal zu dem jungen Mitarbeiter am Schalter. Der ruft irgendwo an und schickt uns dann los. Wir gehen recht zügig durch die Halle bis nach ganz hinten und treffen dort auf eine junge Frau, die einen der kleinen Barcode-Aufkleber, die gerade erst aufgeklebt wurden, vom Karton entfernt und auf ein Formular klebt. Dann trägt sie irgendwas in das Formular ein und bemerkt einen Fehler, fummelt den Aufkleber wieder vom Formular ab, steht nochmal auf, klebt den Aufkleber wieder zurück auf den Karton und sucht nach dem zweiten kleinen Barcode-Aufkleber. Sie erklärt, dass der erste für den Flug von Frankfurt nach Berlin gilt, sie benötigt aber den für den Flug von Buenos Aires nach Frankfurt. Sie findet den richtigen Aufkleber auf der anderen Seite des Kartons, klebt und schreibt alles ins Formular und teilt uns mit, dass wir nun eine unbestimmte Zeit warten müssen, bis an der Sperrgepäck-Annahme ein Mitarbeiter von Lufthansa erscheint.
Während wir warten kommt ein anderer Fluggast mit einem Gepäckstück für seinen FlyBondi-Flug, wird ebenfalls formular-technisch abgefertigt und wartet nur wenige Minuten, bis ein FlyBondi Mitarbeiter das Rollfenster öffnet und er seinen Karton auf das Band legen darf.
Sperrgepäck-AnnahmeRollfenster der Sperrgepäck-AnnahmeDas Förderband in den KellerWunschdenken
Ooooookeeeeey … da soll also nachher unser Tandem-Karton hinunterfahren? Aufrecht passt der hier schon mal nicht durch. Viktor misst oben die Breite des Bandes, circa 100 cm, also könnte es liegend funktionieren. Allerdings sieht das Röntgengerät da unten ziemlich schmal aus … wie schmal wissen wir nicht. Unser Karton ist 90 cm hoch, passt also liegend aufs Band … aber passt er auch durch das Röntgengerät?
Erstmal schließt sich das Rollfenster wieder und wir warten weiter. Nach circa 20 Minuten teilt uns die Mitarbeiterin mit, dass vorhin – etwa drei Minuten bevor wir hier auftauchten – ein Mitarbeiter der Lufthansa das Fenster geöffnet und nach einem Fahrradkarton gefragt hätte. Da niemand hier war, sei er dann wieder abgezogen. Es könnte also sinnvoll sein, ein weiteres Mal am Check-In-Schalter nachzufragen, ob sie von dort nochmal bei Lufthansa Bescheid geben könnten. Ja „Herrschaftszeiten!“ … hätte sie uns das nicht gleich sagen können? Viktor geht also wieder durch die Halle zurück zum Check-In, es wird nochmal telefoniert und als Viktor wieder an der Sperrgepäck-Annahme auftaucht, geht auch schon bald das Rolltor auf. Wir hieven den Karton auf das Band und legen ihn flach darauf. Rechts und links bleiben wenige Zentimeter Abstand. Der Karton fährt hinunter und …. … bleibt natürlich am Eingang des Röntgengerätes hängen. Das kennen wir ja schon aus Ushuaia. Wieder erhält der Karton einige Tritte, das Band wird angehalten, der Karton hin- und hergeschoben. Und dann passt er doch tatsächlich ganz knapp durch die Eingangspforte des Röntgengerätes. Kaum steckt er allerdings halb drin bleibt er offenbar am Ausgang des Gerätes hängen. Wieder wird das Band angehalten. Es folgen weiteres Schieben, Drücken, Boxen und Treten. Schließlich ist das Ding irgendwie drin und kommt offenbar an der anderen Seite auch wieder heraus. Es folgt ein zufrieden klingendes Geräusch der Keller-Person, die wir nie zu Gesicht bekommen, und das Rollfenster schließt sich wieder. Puh – geschafft!
Endlich können wir zur Sicherheitskontrolle. Wir folgen den Schildern zu „Departures International“, verlaufen uns dabei fast, weil wir die Treppe nach oben verpassen, erreichen dann aber den Wartebereich der Sicherheitskontrolle. Es ist eine dieser typischen Zick-Zack-Gassen aufgebaut, in denen man wie ein dummes Schaf sinnlos durch Gassen laufen muss, obwohl noch alles leer ist. Viktor hat keine Lust, sein Bordgepäck im Zick-Zack durch einen leeren Raum zu tragen und stellt seine Tasche so ab, dass er sie nach dem einmaligen Auf-und-Ab-Laufen ein Stückchen weiterstellen kann. Kaum wendet er am Ende der ersten Doppelgasse, sieht er auch schon eine der Security-Mitarbeiterinnen, die seine Tasche ergreifen will. Er ruft hinüber, dass es seine ist, und erntet einen deftigen Rüffel, dass er die Tasche da nicht einfach abstellen dürfe. Also geht es nun mit Bordgepäck durch die etwa 20 leeren Zick-Zack-Gassen. Dann geht es aber ganz schnell. Hier in Buenos Aires dürfen wir bis zu einem Liter Wasser und alle Powerbanks im Bordgepäck lassen, nur Laptop und Handies müssen separat durch die Röntgengeräte.
Jetzt erst kommt die Passkontrolle, für die zahlreiche Automaten aufgestellt sind. Nach dem Einscannen des Passes und der Bestätigung, dass alles stimmt, wird der Daumenabdruck genommen und das Gesicht gescannt. Jutta ist ganz schnell durch, Viktor muss zur manuellen Kontrolle, weil sein Daumenabdruck nicht funktioniert. Das Tor in den Wartebereich öffnet sich dann nach einem Gesichtsscan.
Mit allem fertig setzen wir uns nochmal hin, trinken etwas und warten darauf, dass das Gate angezeigt wird, an dem wir an Bord gehen sollen. Viktor genehmigt sich ein letztes Schinken-Käse-Croissant und will noch an einem aufgestellten alten Pacman-Arcade-Spielgerät eine Runde spielen. Aber wie meist in Argentinien steht dort – und auch am Tischfußball in der Nähe – „No funciona“.
Wir geben am Flughafen unser letztes Bargeld aus, unter anderem kauft sich Viktor zwei 300-Gramm Cofler-Block-Schokoladentafeln, seine Lieblingsenergiequelle beim Eintreten eines Hungerastes während des Radfahrens.
Letztes Bargeld „raushauen“Nur noch ein paar hundert Pesos bleiben übrigViktors Cofler Blocks
Als es an Bord geht, sehen wir neben dem Flugzeug einen Krankenwagen stehen. Das Boarding ist ziemlich chaotisch und von seltsamer Hektik begleitet. Es werden bestimmte Passagiergruppen aufgerufen, dann aber von anderen Mitarbeitern wieder gestoppt und umsortiert. Selbst in der Gangway kurz vor der Türe des Flugzeugs werden bestimmte Sitzreihen durchgelassen, andere dann zunächst nicht. Auf Viktors Nachfrage, ob wir einen Krankentransport an Bord hätten (seine Schwester arbeitet in diesem Bereich), ist die Antwort eines Flugbegleiters: „Ja, sogar mehrere“. Das erklärt die seltsame Hektik.
Sphäre Kunstwerk am FlughafenWie mögen Argentinien …… auch wenn vieles …… nicht ….… funktioniert.Krankentransport in unserem FliegerKrankentransport in unserem FliegerUnser FlugzeugtypPremium Economy war kaum teurer
Wir fliegen mit einer Boeing 747-8 (also einem klassischen Jumbo-Jet neuerer Generation) und haben uns beim Buchen wegen des geringen Preisunterschiedes für Sitze in der Premium Economy entschieden, die 17 cm mehr Beinfreiheit bietet. Zum Glück! Denn die Frau, die vor Viktor sitzt, wirft direkt nach dem Abendessen ihre Rückenlehne so weit nach hinten, wie es irgendwie geht. Natürlich tut sie das, wie fast alle Fluggäste, ohne sich auch nur einmal kurz umzudrehen und nachzuschauen, ob das gerade vielleicht ungünstig sein könnte. Bei einem normalen Sitzabstand wäre jetzt wieder ein kurzer Schmerzensschrei von Viktor erfolgt, weil seine Kniescheiben in Richtung Scheinbein verschoben worden wären. Heute aber ist genug Platz und der Rotwein ist zum Glück auch schon ausgetrunken, so dass kein größeres Malheur passiert. Nur Jutta muss anschließend über Viktors Sitz klettern, um ins Bad zu gehen, weil auch ihr Vordermann die Lehne komplett hinten hat.
Hier also die Bitte an die Vielflieger unter den Mitlesenden (also die, die Economy fliegen … Du nicht Stefan 😉 ): Einmal kurz Umdrehen, Nachschauen und Vorwarnen kostet nix. Auf dem Flug von Ushuaia nach Buenos Aires saß ein ziemlich großgewachsener Niederländer vor Viktor und hat – da er diese Erfahrung wohl öfter selbst gemacht hat – erst freundlich nachgefragt und die Lehne dann langsam und vorsichtig nach hinten bewegt. Natürlich hat er nach der Landung im Bus zum Terminal ein extra Dankeschön von Viktor erhalten – „positive Verstärkung“ hieß das damals im Abiturfach „Erziehungswissenschaften“.
Die Crewmitglieder, die für uns zuständig sind, sind super freundlich und zum Scherzen aufgelegt. Viktor hat viel Spaß mit ihnen, denn die spanischen Ansagen macht ein deutsches Crew-Mitglied, das ganz offensichtlich die spanische Sprache in Argentinien erlernt hat. Zum Abendessen gibt es „Pollo“ zu Auswahl, also Huhn. Das Doppel-L wird in Argentinien – und besonders in der Region Buenos Aires – „Poscho“ (mit ganz weich genuscheltem „SCH“) ausgesprochen. Auch „Caballero“ hört sich immer wie „Cabaschero“ an. Auf unserer Tour ins Tigre-Delta haben wir gestern gelernt, dass dieser Dialekt auch „Porteño“ heißt, denn er wird in der Region Buenos Aires und Montevideo (Uruguay) rund um den Rio de la Plata gesprochen und ist dort in den Häfen (Puerto –> Porteño) als Spanisch mit italienischen und portugiesischen Einschlägen entstanden. Die Porteños sind ganz stolz darauf, dass sie wie die Italiener beim Reden viel gestikulieren und von italienischen Muttersprachlern sehr leicht verstanden werden, selbst wenn sie einfach nur ihren Spanisch-Akzent sprechen. Das Scherzen und die Neckereien mit der Crew bescheren Viktor einen zusätzlichen Rotwein zum bereits gelieferten Bier, so dass er nach dem Essen sogar ein wenig schlafen kann, was sonst auf solchen Flügen eher eine Seltenheit ist.
Samstag 15.3.25 – Buenos Aires – Frankfurt – Berlin
Die Flugroute (LH511) nach Frankfurt führt uns diagonal über den Atlantik und eigentlich in direkter Linie mitten über die iberische Halbinsel. Wir knicken aber heute über Afrika nach Osten ab und fliegen stattdessen über Mallorca. Wir sind schneller als vom Flugkapitän avisiert und landen schon kurz nach dem Frühstück um 10:43 Uhr (statt 11:00 Uhr) in Frankfurt. Es kommt sogar eine Durchsage für die Crew: “ Es geht schneller als gedacht!“. Die Crew muss sich richtig beeilen, um alle Tabletts wieder einzusammeln, bevor sie sich hinsetzen und anschnallen müssen.
Direkt nach der Landung prüfen wir, ob es unsere Gepäckstücke nach Frankfurt geschafft haben. Wir haben im Tandem-Karton und in den drei Gepäckstücken jeweils ein AirTag verstaut und wissen so relativ schnell, dass es alle Gepäckstücke nach Frankfurt geschafft haben.
In Frankfurt werden wir mit unserem Handgepäck nochmal durch eine Sicherheitskontrolle geleitet. Hier müssen alle elektronischen Geräte, Powerbanks und Flüssigkeiten separat aufs Band gelegt werden und unser Wasser, das in Buenos Aires noch problemlos mitgenommen werden durfte, sollen wir hier austrinken oder wegschütten. „Welcome in good old Germany“ trifft auf jeden Fall auf die Geräte in der Sicherheitskontrolle zu. Eine der Mitarbeiterinnen bestätigt uns, dass die Geräte hier so alt sind, dass sie die Flüssigkeiten und Batterien nicht von Sprengstoff und brennbaren Flüssigkeiten unterscheiden können. Wenn das in Buenos Aires anders war, läge das an den moderneren Geräten dort.
Nach der Sicherheitskontrolle geht es zur Passkontrolle. Wir kommen wieder an automatische Schranken, die diesmal bei Viktor sehr schnell funktionieren, während Jutta etwas länger braucht. In Buenos Aires war Viktor an ähnlichen Schranken noch hängengeblieben, weil sein Daumenabdruck nicht erkannt wurde und er zur manuellen Passkontrolle umgeleitet wurde. Hier in Frankfurt wird nicht mit dem Fingerabdruck, sondern nur mit einer Gesichtserkennung gearbeitet.
Schließlich laufen wir zum Gate A15, an dem unser Flug nach Berlin boarden soll (nachdem zehn Minuten vorher noch A11 angezeigt war) und besorgen uns dort nochmal etwas zu trinken. Viktor „versüßt“ sich die Wartezeit mit der BILD und kennt nun so wichtige Dinge wir die neue Liebe von Meryl Streep und das geplante XXL-Investitions- bzw. Schuldenprogramm (je nach Perspektive).
Warten am GateKostenlose BILD … FAZ und SZ waren schon alle weg.
Zunächst kommt eine Durchsage, dass das Flugzeug vollständig ausgebucht ist und wir gebeten werden, größere Handgepäckstücke kostenlos am Gate einzuchecken. Jutta nutzt das Angebot. Dann wird irgendwann angesagt, dass es ein technisches Problem gibt und wir auf ein Ersatzflugzeug warten müssen. Das soll von der Fluglinie SWISS bereitgestellt werden. Es wird also auf jeden Fall Verzögerungen geben. Am Ende wird es noch ein Lufthansa-Flugzeug an einem anderen Gate auf der anderen Seite des Gebäudes. Viktor beobachtet interessiert, ob es alle Gepäckstücke von dem einen Flugzeug auf die andere Seite in die neue Maschine schaffen. Am Ende scheinen 3 von 4 an Bord zu sein, beim letzten Gepäckstück ist es nicht ganz eindeutig. Mit einer Stunde Verspätung fliegen wir los und landen kurz darauf auch schon wieder.
Am BER wartet Jutta am Gepäckband, Viktor geht gleich zum Sperrgepäck. Als das Band zu laufen aufhört, stehen noch einige Passagiere dort, denen etwas fehlt, so auch Jutta. Sie muss es Viktor aber gar nicht erzählen, denn beim Sperrgepäck hat die Mitarbeiterin erst gedacht, der Fahrradkarton wäre in Frankfurt geblieben, während Viktor auf seinem Handy sehen kann, dass es „nur“ eine der Taschen ist. Anders herum wäre es uns lieber, denn das Tandem können wir heute gar nicht mitnehmen, und die Einlagerung am BER ist zwar möglich, kostet aber. Die fehlende Tasche, die wir problemlos mitnehmen könnten, wird uns dagegen kostenfrei nach Hause gebracht.
Wir benötigen für die zwei Trolleys zwei Münzen, haben aber nur eine. Jutta geht schon einmal zum Ausgang, bis die Tür aufgeht, bleibt aber dort stehen und fragt die wartende Verwandtschaft sofort nach ’nem Euro. Da müssen die schon so lange auf uns warten, und dann kommen wir erst einmal für so etwas heraus! Kurz darauf werden wir dann aber wirklich herzlich willkommen geheißen, und das Pappplakat wird hinterher sogar noch von anderen Wartenden für Ankommende weiterverwendet – sehr nachhaltig!
die Familie auf der Warteterasse„Unser“ Willkommensplakat mit FamilieKathrin fotografiert die Ankunft
Die S-Bahn fährt gerade nicht, aber wir fahren alle gemeinsam im überfüllten Regionalexpress zum Ostbahnhof, wo wir eine Nacht im Schulz-Hotel bleiben wollen. Ziemlich übermüdet beziehen wir unser Zimmer, machen uns aber nur etwas frisch, und dann sitzen wir in der Lobby und haben viel zu erzählen mit Schwestern/Schwägerinnen, Schwagern und Neffen. Der Kicker-Tisch im Nebenraum wird für eine Partie „MSV Duisburg“ (Viktor) gegen „Hannover 96“ (Hanno und Theo) genutzt. Die Zebras gewinnen ;-).
Zu 19 Uhr gehen wir zu Jäger und Lustig und Joshua kann sogar doch dazukommen – zu unserem Glück ist eine Sängerin krank und er hat heute Abend überraschenderweise frei. So verbringen wir einen tollen letzten Abend, bevor es morgen wieder richtig „nach Hause“ geht.
Sonntag 16.3.25 – Berlin – Hohen Neuendorf
Die Nacht ist erstaunlich ruhig, obwohl das Hotel direkt gegenüber vom Ostbahnhof liegt. Wir schlafen trotz Zeitverscheibung recht gut. Es war eine gute Entscheidung, möglichst lange wach zu bleiben, so kommen wir scheinbar recht gut in der neuen Zeitzone an.
Um 10 Uhr treffen wir uns alle zum Frühstück und sitzen gemeinsam im Wintergarten des Hotels. Das üppige Frühstücksbüffet bietet viel Gutes und damit auch viel Zeit und Gelegenheit, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Leider können wir unsere Mitbringsel nicht verteilen, denn die befinden sich natürlich in dem Gepäckstück, das in Frankfurt hängengeblieben ist. Aber immerhin können alle mal von den Alfajores probieren, die wir am Flughafen in Buenos Aires vom Restgeld gekauft haben, eine typische Süßigkeit, die natürlich mit Dulce de Leche gefüllt ist, wie könnte es in Lateinamerika auch anders sein.
Gegen Mittag trennen sich dann unsere Wege leider schon wieder, denn die Familie muss zurück nach Hannover und Hameln. Wir bestellen uns ein UBER nach Hause, das wir bar bezahlen müssen, weil wir die Einstellung in der App noch aus Argentinien übernommen haben. Zum Glück hatten wir auf der Navimag-Fähre ja mit den anderen deutschen Reisenden genügend Euro gegen unsere überschüssigen Pesos eingetauscht.
Unser letztes Hotelzimmer auf der TourUnser letztes Hotelzimmer auf der TourDieser Tagebucheintrag hängt gerahmt in unserem Zimmer und erinnert uns an unsere Überfahrt von Panama nach KolumbienEs hätte auch einen Fahrradparkplatz gegebenIm Hotel: Kriegsfahrrad in Cambodia – Stefan Ellis
So erreichen wir also relativ unspektakulär mit dem UBER-Taxi und ohne unser Tandem unser Zuhause. Vor der Haustür steht schon das angelieferte dritte Gepäckstück und wir können gleich mit dem Auspacken und dem Bilden der Wäschestapel für die Waschmaschine beginnen. Unsere Mieter haben Haus, Garten und Grundstück im Top-Zustand hinterlassen. Die Hecken und unsere Kiwipflanzen sind sogar besser gestutzt als wir das sonst hinbekommen haben. Wir sind sehr froh, dass das so gut geklappt hat, und die beiden mit ihrer Bungalow-Renovierung so weit waren, dass sie sogar schon umziehen konnten.
Vor der HaustüreErstes Auspacken
Auch die ersten Kartons packen wir heute schon aus und können so endlich mal wieder in bunte Socken und unsere Birkenstock-Hausschuhe schlüpfen. Unsere Fußgewölbe haben auf der Radtour scheinbar ordentlich gelitten, denn die Birkenstock drücken mächtig unter den Füßen.
Keine einfarbigen Socken mehr Keine Badelatschen oder Radfahrschuhe mehrDie brauchen wir nicht mehrDas brauchen wir auch nicht mehr
Am Nachmittag machen wir noch einen kleinen ersten Spaziergang durch Hohen Neuendorf und schauen unter anderem an den Baustellen am S-Bahnhof (Kulturbahnhof), dem Wildbergplatz und der Unterführung Karl-Marx-Straße vorbei. Es hat sich dort zwar einiges getan, aber irgendwie wird uns auch klar, dass ein Jahr gar keine sooo lange Zeit ist. Zum Abschluß der Runde schauen wir im Kunst & Filterkaffee vorbei, trinken Milchkaffee, Viktor isst einen Kalten Hund und wir reden mit der Besitzerin Kirsten über die laufende Entwicklung ihres kleinen Cafés zum Musikcafé mit grüner Künstler-Couch.
Viktor pflanzt am Nachmittag noch die gekeimten Araukarie-Kerne, die er aus Chile schon angekeimt im Zip-Beutel mitgenommen hatte, in einen Topf. Mal schauen, ob die hier wohl überleben. Jedenfalls haben sie die zwei Monate in der Radtasche überstanden. Die ersten Waschladungen sind durchgelaufen und tagsüber ist es sonnig genug zum Trocknen auf der Terasse. Abends steht unser Wohnzimmer dann voller Wäscheständer.
Zum Abendessen gibt es Vollkorn-Spaghetti mit Pesto, die unsere Mieter uns dankenswerterweise besorgt haben. Vollkornspaghetti … endlich wieder! Und zum Wiedereinstieg in den Alltag dürfen natürlich am Sonntagabend weder Tagesschau noch Tatort fehlen. Kommissar Borowski (Axel Milberg) klärt seinen letzten Fall.
Kunst & Filterkaffee Hohen NeuendorfNeues Kunstwerk am KreisverkehrErste Araukarie im Topf
Montag 3.3.25 – El Chaltén – Tagestour von El Calafate
Zeit in Bewegung war 3:38:59 und 4,3 km/h Geschwindigkeit
Da alle Tagestouranbieter für das Wanderparadies El Chaltén die Touren mit mehr als 1,5 Stunden-Wanderung nur für Personen zwischen 14 und 50 Jahren anbieten (aus Versicherungsgründen, wir fühlen uns diskriminiert und gemobbt 😉 ), haben wir beschlossen, auf eigene Faust loszuwandern. So benötigen wir auch nur das Busticket!
Da wir um 7:45 am Busbahnhof sein müssen, um den 8-Uhr-Bus nach El Chaltén zu nehmen, frühstücken wir mal wieder um 6:30 Uhr, nehmen wieder eine Lunch-Tüte mit und machen uns um 7:15 auf den zwei Kilometer Fußmarsch zum Busbahnhof. Nachdem wir die zusätzlichen 2.000 Pesos pro Nase Busbahnhof-Steuer bezahlt haben, können wir an Bord gehen. Die vorderen Plätze im oberen Stock sind schon besetzt, also bleiben wir unten. Wir haben einen sehr modernen Bus mit funktionierendem Wifi und leider auch sehr gut funktionierender Heizung. Gegen Ende der ansonsten ereignisarmen Fahrt durch die patagonische Steppe zeigt die elektronische Anzeige eine Innentemperatur von 33 Grad Celsius an. Die Fahrt geht lange Zeit über die Ruta 40, die in El Calafate beginnt bzw. endet, bevor wir an einem Unterstand links auf eine Regionalstraße Richtung El Chaltén abbiegen. In dem Unterstand sehen wir einen Bikepacker (mit Hund und Hundeanhänger) sein Zelt zusammenpacken. Auch hier sind die Orte und Unterkünfte so rar gesät, dass es nur mit wildem Zelten an solchen Unterständen möglich ist, längere Strecken mit dem Rad zu überwinden. Das ist Nichts für uns, wie wir auf dieser Tour gelernt haben. Auf der Rückfahrt sehen wir am Abend, dass der Unterstand gut mit Bikepackern gefüllt ist. Um diese Jahreszeit sind hier einfach zu viele von uns unterwegs.
Wir kommen in El Chaltén sogar 10 Minuten vor der geplanten Zeit an und machen uns auf den Weg quer durch den Ort, der 12 Blöcke lang sein soll und an dessen anderem Ende der Wanderweg zum Fitz Roy beginnt, den wir bis zur Laguna Capri hinaufwandern wollen. Da die Navigatorin in unserem Team heute mal frei hat, weist Viktor den Weg und prompt laufen wir eine Extraschleife durch den Ort, die uns aber an einem netten Café vorbeiführt, wo wir einen Milchkaffee trinken. Die vorgetäuschte Absicht des kleinen Umweges zum Café wird aber leider nicht anerkannt. Gegenüber des Cafés – wir haben nur draußen einen Sitzplatz – läuft ein Fuchs herum, erst im Garten, dann kommt er auf die Straße.
An der Pforte zum Nationalpark direkt hinter dem großen Parkplatz müssen wir unsere bereits gekauften Nationalpark-Tickets vorweisen, stellen uns unnötigerweise an der Schlange für den Ticketkauf an und können dort beobachten, wie vor uns ein junges Paar – nach zwei erfolglosen Bezahlversuchen mit ihren Kreditkarten – kostenlos eingelassen wird, da hier nicht mit Bargeld bezahlt werden kann.
Nach drei Tagen mit mäßigem Wind bläst er heute wieder „normal stark“. Deshalb sind wir ziemlich eingepackt mit langer Unterhose oder Regenhose unter oder über der Hose, und zu mehreren Oberteilen (immer schön in Schichten kleiden – die klassische Zwiebelmethode) auch noch mit Mütze und Handschuhen. So machen wir uns mit vielen anderen auf den Weg. Der ist heute wesentlich trockener als der zur Lagune Esmeralda bei Ushuaia, dafür aber zum Teil steiler, näher am Abhang (nichts für Viktor) und eben auch viel bevölkerter. Irgendwo liegt ein Kopfhörer-Paar in einer Leopardenmuster-Hülle auf dem Boden. Viktor nimmt es mit, fragt einige andere Wanderer, ob sie es verloren hätten, und legt es letztendlich gut sichtbar auf einen Baumstumpf (auf dem Rückweg ist es später weg). Außerdem überholt uns ein Jogger – und kommt uns später wieder entgegen – in Shorts uns T-Shirt – das muss ein Patagonier sein – nicht wegen seiner Füße (die sind normalgroß), sondern wegen seiner augenscheinlichen Kälte-Unempfindlichkeit. „Wegen seiner Füße?“ … ja genau … wie wir soeben bei Wikipedia gelernt haben, bedeutet „Patagon“ auf Spanisch „Großfuß“ … Viktor schlägt sich im Geiste vor die Stirn … stimmt ja … „Pata“ bedeutet „Fuß“.
Um circa halb zwei gelangen wir an einen Campingplatz, der an der zu erwandernden Lagune Capri liegt. Hier hat man einen guten Blick über die Lagune und auf den legendären Berg Fitz Roy, der aber ziemlich im Nebel liegt. Die Ureinwohner hatten den Berg seinerzeit Chaltén genannt, was in ihrer Sprache „der Rauchende“ bedeutet, eben weil die Spitze so gut wie immer in den Wolken liegt. Den heutigen Namen hat er erst 1877 von Perito Moreno bekommen…
Wir suchen vergeblich nach einem Picknikplatz im Windschatten, verzehren unser Lunchpaket dann auf einem windigen, kalten Baumstamm. Die Mayonnaise und das Öl sind natürlich dieselben Chargen wie gestern. So schnell kann ja auch nichts Frisches aus der Hauptstadtregion hier nach Patagonien transportiert worden sein!
Dann laufen wir nicht denselben Weg zurück, denn es gibt eine kleine Runde über einen weiteren Aussichtspunkt, die wir gehen wollen, und die dann wieder auf den Hauptweg trifft. Hier ist der Weg nicht immer gut zu erkennen, und irgendwann denken wir, wir wären wohl schon im Kreis gelaufen, aber schließlich landen wir (ohne falsch gegangen zu sein) an der richtigen Stelle, von der wir wieder runter nach El Chaltén kommen. Um halb vier verlassen wir den Nationalpark und kommen in den Ort.
Es sind noch gute zwei Stunden Zeit, bis wir wieder am Busterminal sein müssen, eine weitere Wanderung schließen wir aus. Schließlich sind wir hier heute schon 15 km mit über 400 Höhenmetern gewandert, und dazu kommen die zweimal zwei – ebenfalls mit Steigungen – in El Calafate, das reicht uns. Also setzen wir uns in eine Microbrauerei (mit den deutschen Bezeichnungen „Biergarten“ und „Hausbrauerei“), die auch Cafébetrieb anbietet. Hier nutzen wir bei kostenfreiem Popcorn (mit Nachschlag) beide Angebote und Viktor guckt sich auch noch die Braustube an.
auch ein 10 DM-Schein ist dabei
Nachdem wir während der Wanderung das Hotel Patagonia Eco Domes aus der Ferne gesehen haben, schauen wir zum Preisvergleich auch noch nach den auf Plakaten angepriesenen „Eiern“ – Ovos -, die mit Blick auf den Fitz Roy am Felsen hängen und nichts für Menschen mit Höhenangst oder Schwindel sind. Ganz ähnliche haben wir ja auch schon in Peru nahe Machu Picchu gesehen.
Schnäppchen!Zugang über diese Stufen…
Pünktlich gelangen wir zum Terminal, müssen auch hier wieder die Terminalsteuer zahlen (hier sogar 3.000 Pesos pro Nase – zur Instandhaltung und den Betrieb des Gebäudes), bevor wir in einen fast leeren Bus einsteigen. Überpünktlich fahren wir los. Auf der Fahrt sehen wir viele tote Tiere (Schafe) im Zaun hängen, Skelette auf dem Boden liegen, ein totes Stinktier auf der Mittellinie, aber auch sehr, sehr viele lebendige Guanakos.
Außerdem überholen wir trotz der fortgeschrittenen Zeit noch drei Bikepacker, die anscheinend ihr heutiges Ziel noch nicht erreicht haben.
Der Busfahrer ist schnell, und so kommen wir ganze 35 Minuten vor der geplanten Zeit in El Calafate an, laufen die zwei Kilometer zurück (Juttas Schrittzähler zeigt für heute 31.548 Schritte an!) und gehen ohne Abenessen ins Hotelzimmer. Zum Glück ist das Frühstücksbuffet hier gut, da müssen wir morgen einfach ein wenig mehr frühstücken.
morgens im Morgengrauenauf dem Weg zum Busterminalunser Bus auf dem Hinwegnoch ein Bikepacker am Morgenabends sind es viel mehrdie berüchtigte Strecke von Villa O’Higgins nach El Chaltén als TourCondor im Terminal in El Chalténder Rio Las Vueltasdie Laguna CapriHände waschen im eiskalten WasserEl Chaltén abends eine gefüllte Bushaltestelle
Dienstag 4.3.25 – El Calafate – Fahrradtour
Der zehntletzte vollständige Tag in Südamerika! Wir wollen noch einmal Radfahren, heute auf geliehenen Individualrädern. Die bekommen wir ab halb neun Uhr beim BAFT Reisebüro (backpacking free travel). Die äußere Türklinke ist noch abmontiert (das Büro ist noch geschlossen), aber man öffnet uns (der Fahrradverleih öffnet früher), und nachdem wir digital einige Angaben gemacht und Bedingungen akzeptiert haben, bekommt Viktor ein XL Specialized Rad und Jutta ein Raleigh. Die Wetterprognose ist gut, es soll erst nachmittags windig werden und nicht regnen.
Wir fahren direkt zur Küstenstraße und biegen zuerst einmal nach links ab – Richtung Westen, um am Lago Argentino den „Buchtradweg“ von Anfang bis Ende abzufahren. Vorher halten wir an den Calafate-Buchstaben, wo gerade eine Reisegruppe aus Deutschland fotografiert. Anschließend macht ein Teilnehmer Bilder von uns, und wir tauschen uns ein wenig aus. Die deutschsprachige Guide gibt uns noch Tipps für heute mit dem Rad.
Der Radweg beginnt aus dem Nichts! Kein abgesenkter Bordstein, man muss sein Rad zum toll gemalten „Anfang/Ende“ tragen. Aber dann kann man sehr schön am Wasser auf dem Zweirichtungsradweg entlang fahren und die Aussicht genießen. Nach ca. fünf Kilometern endet er in einem Wendekreis. Wir schieben die Räder auf die nahegelegene Straße und fahren noch ein ganzes Stück weiter, auch noch, nachdem die befestigte Straße sich in Schotter wandelt. Erst, als es nur noch Sand wird, drehen wir um.
Der Himmel sieht plötzlich sehr dunkel aus. Jutta zieht die Regenjacke an, und als sie weiterfahren will, springt die Kette ab. Mit ölbeschmierten Fingern holt sie Viktor wieder ein, und dann beginnt es auch schon zu regnen. Dabei ist keiner angesagt, und angeblich regnet es hier doch nur max. 250 mm im Jahr! Wir fahren Richtung Ort und werden ziemlich nass und auch kalt. Die Möglichkeiten an der Küstenstraße, eventuell ein Heißgetränk zu bekommen, sind alle noch geschlossen, also biegen wir in den Ort ab und landen im Mabra-Café, wo die Bedienung Jutta sofort mit ihren verschmierten Fingern zur Toilette lotst. Mit unseren nassen Hosen trauen wir uns gar nicht, auf die mit Stoff bezogenen Stühle zu setzen, also nehmen wir nebeneinander auf der Bank aus Kunstleder Platz. Inzwischen scheint die Sonne schon wieder, die Fenster des Cafés werden geputzt, die Tische und Stühle draußen abgewischt, als wäre nichts gewesen.
Wir wärmen uns etwas auf, trocknen aber nicht komplett – das muss jetzt der Fahrtwind machen. Es geht zurück zur Küstenstraße, und diesmal biegen wir nach rechts (Osten) ab. Unser nächstes Ziel ist das Open-Air-Museum Punta Walichu. Dafür verlassen wir am Ende der Küstenstraße jegliche befestigte Straße – es geht über sehr groben Schotter, abwechselnd mit tiefem Sand – mehrere Kilometer bis zur archeologischen Stätte. Zu Beginn sind wir noch genauso schnell wir ein Touristenvan (der hier wegen der riesigen Steine nicht wirklich gut fahren kann), aber irgendwann müssen wir schieben und fallen zurück.
Nach einer sehr netten Begrüßung und Erklärung neben der Bezahlung bekommen wir jeder einen Audioguide in Form eines Handys und per Blootooth verbundene Kopfhörer. Per VLC-Player können wir an 27 Stationen die Erklärungen zu den Steinen und den über 4.000 Jahre alten Höhlenmalereien anhören und uns in die damalige Zeit zurück versetzen.
schwarze Witwe im Museumscafédas nette Team
Nach einem Kaffee wollen wir aufbrechen. Caesar (rechts auf dem Bild) „autorisiert“ uns, an einem Verbotsschild vorbeizufahren, weil der Weg direkt an der Küste besser sein soll als der, über den wir gekommen sind. Weil gerade wieder dunkle Regenwolken einen Guss vorhersehen lassen, zieht Jutta ihre Regenhose über, und wir machen uns auf den Weg. Den beschriebenen Weg an der Küste verpassen wir anscheinend ungesehen, denn wir landen doch wieder irgendwie weiter oben am offiziellen Ausgang. Und so fahren wir auch auf dem Rückweg etliche Kilometer über Schotter.
Eine lange Straße in Richtung Stadt sieht aus, als sollte hier schon vor längerer Zeit eine Siedlung entstanden sein: älter aussehende Masten für Straßenlaternen alle paar Meter und Stromkabel gibt es, aber weder Häuser noch eine befestigte Straße. Es zieht sich, bis wir endlich wieder im Ort ankommen, aber auch hier bestehen die Straßen noch aus Schotter, bis wir endlich eine Hauptstraße erreichen.
Gegen vier Uhr geben wir die Räder wieder ab, auch, wenn wir sie bis abends behalten dürften – wir haben keine Idee und auch keine wirkliche Lust auf noch eine andere Tour. Nach einem Eis auf die Hand (Jutta probiert Calafate-Eis) geht es ins Hotel. Viktor will/muss auch noch einmal zum Friseur.
Im Barber-Shop gegenüber gibt es einen Haarschnitt und eine Rasur für 10.000 Pesos. Der junge Friseur aus Buenos Aires, der nur die Sommersaison hier arbeitet, hat gerade Ärger mit einer Mutter, deren Sohn er einen schlechten Haarschnitt verpasst hat. Und das, wo doch nächste Woche Einschulung ist. Der Kleine hat aber auch hinten ein Menge Haare abstehen, während der Rest des Kopfes ziemlich kurz geschoren ist. Der Vater war vorher mit dem Sohn hier und hat vermutlich eine heftige Standpauke zu hören bekommen, als er nach Hause kam. Auch Viktors Anweisung „überall mit der Maschine, 4 mm“ wird nicht eingehalten. Oben muss Viktor mehrfach nachfordern, dass es bitte noch kürzer geschnitten werde, obwohl da ja eigentlich kaum noch Haare vorhanden sind. Die Hoffnung auf eine tolle Nassrasur wird brutal enttäuscht, als plotzlich ein elektrischer Rasierapparat in Viktors Gesicht gedrückt wird … oha ! … na gut, jetzt ist es eh zu spät.
Beim Apotheker unseres Vertrauens – direkt gegenüber vom Hotel – kauft Viktor noch eine Clotrimazol-Salbe gegen eine kleine juckende Hautstelle an der Hüfte. Als der Apotheker erfährt, dass die Gattin Apothekerin ist, bestellt er „Grüße an die Kollegin“ und spart sich jegliche Anwendungshinweise. Und hier in Argentinien ist Clotrimazol verschreibungspflichtig, wie wir dann auf der Verpackung lesen, das hat ihn auch gar nicht gekümmert.
Zum Abendessen gehen wir ins Nativa, die ebenfalls selbstgebrautes Bier anbieten. An der Tafel über der Theke werden acht Biere angepriesen, von denen genau eines tatsächlich gerade verfübar ist. Das Stout-Fass wird für Viktor zwar noch angeschlossen, aber das Bier ist noch zu warm und schäumt am Zapfhahn noch viel zu stark. Jutta geht es bei den vegetarischen Optionen ähnlich. Auch da gibt es heute eigentlich nur eine der Optionen aus der Speisekarte. Das Essen ist nicht schlecht und auch das IPA schmeckt gut, aber Viktor erklärt zum Abschied der freundlichen Bedienung, was man unter „Management of Expectations“ versteht. Denn während wir auf die Rechnung warten, beobachten wir einen neuen Gast dabei, wie er sich die Tafel über der Theke genau anschaut und dazu sogar mehrfach von seinem Tisch aufsteht. Die Bedienung hält es nicht für nötig, ihm einen kurzen Hinweis zu geben, dass es heute nur eine der Biersorten gibt.
Dann geht es durch stürmische Straßen zurück ins Hotel. Der Mond steht am Himmel und hat seit gestern zugenommen, jedenfalls erscheint uns die Sichel breiter als gestern. Aber gestern waren wir uns sicher, dass die Form der Sichel unserer Eselsbrücke für ein „a“ (also abnehmend) entspricht, und nicht dem altdeutschen „z“ (also zunehmend). Und wie schon in Costa Rica bei der Sonnenuhr, lernen wir auch heute wieder etwas Überraschendes dazu (Reisen bildet!). Auf der Südhalbkugel sehen wir zwar die gleiche Mondphase (logisch, denn es geht ja um den Schatten der Erde auf der Mondoberfläche), aber die Mondsichel ist spiegelverkehrt, weil wir sie aus einer anderen Perspektive sehen. Eine gute Erklärung zu dem Thema findet man hier.
Nur eines der acht Biere gibt es heute frisch aus dem Zapfhahnzunehmend oder abnehmend?etwas viel SandEis zum Abschluss
Mittwoch 5.3.25 – El Calafate
Der neuntletzte vollständige Tag in Südamerika!
Wir schlafen aus, frühstücken gemütlich und gehen dann erst einmal in den Park an der nahegelegenen Touristen-Information vom Gletscher-Nationalpark, in dem kurioserweise alte Motoren, Zapfsäulen etc. ausgestellt sind. Aber auch mehrfach Charles Darwin und Perito Moreno. Außerdem gibt es dort Birken, europäische Eichen, Douglasien und viele andere autochtone und allochtone Pflanzen der Region.
Zapfsäule von 1971 – Warum die hier steht?Zapfsäule von 1950 – Warum die hier steht?
Anschließend gehen wir ein zweites Mal zum Naturreservat der Lagune Nimez. Mit unserem Ticket vom letzten Mal kommen wir kostenlos hinein, leihen heute aber ein Fernglas zum besseren Beobachten der Vögel. Es ist schön sonnig, aber sehr, sehr windig, und viele Vögel sind wohl entweder ausgeflogen oder haben sich im Windschatten des Schilfs versteckt. Was wir sehen, sind hauptsächlich verschiedene Entenarten – eine davon taucht richtig lange und über weite Strecken – und Blesshühner. Außerdem ein Gänsepaar und einen Ibis jeweils ganz aus der Nähe, aber leider keine Flamingos, die es hier ab und zu auch zu sehen gibt, aber eher in der Dämmerung.
Heute gehen wir auch durch das originelle selbstschließende Tor an den Lago Argentino, wo man bei weniger Wind einen Strandspaziergang hätte machen können.
Um die Mittagszeit verlassen wir ziemlich durchgefroren das Reservat und gehen gleich gegenüber im La Cantina Kaffee trinken. Hier im Haus hinter einer großen Glasscheibe in der Sonne ist es fast schon wieder zu warm, es ist also nur der Wind, der alle frösteln lässt. Sie sammeln hier im Restaurant anscheinend gerne, es hängen etliche Bierkrüge aus deutschen Städten an der Decke, aber es gibt auch mehrere Gitarren, Getränkedosen und Einiges mehr verteilt im Raum.
Bierkrüge mit deutschen StädtenamenGenderneutrale Toilette im La Cantina
Nach einem „Umweg“ über die Hauptstraße hin und her (auf der Suche nach einem Nackenkissen für unsere Flüge) gehen wir ins Hotel, wo wir beginnen, die Tage in Buenos Aires zu planen. Gegen vier brechen wir noch einmal auf zum „Centro de Interpretación Histórica Calafate„, einem Museum zur Naturgeschichte Südpatagoniens mit Dinosaurierfossilien bis hin zu menschlichen Artefakten. Es gibt einen Audioguide (mit eigenem Handy und eigentlich Kopfhörern) in verschiedenen Sprachen. An einigen Stellen spricht die künstliche Stimme des Sprechers den deutschen Text US-amerikanisch-englisch aus (bei 0:36 kommt der erste so ausgesprochene Text – wir glauben „hieraus erlernen“, „Vergangenheit“ und „Gegenwart“ zu verstehen), was dann immer etwas schwer zu verstehen ist, besonders weil der deutsche Text offenbar eine Goole-Übersetzung des spanischen Textes ist. Der gesprochene Audioguide ist auch nur ein Überblick – die Details stehen auf etlichen Tafeln, die leider nur auf spanisch sind. Aber die Ausstellung behandelt die gesamte Zeitspanne seit dem Urkontinent Gondwana bis heute und setzt sich auch sehr kritisch mit der Behandlung der Indigenen Bevölkerung Patagoniens auseinander. Es wird unverblümt von Genoziden gesprochen, die hier stattfanden. Und auch Deutsche haben sich hier an Genoziden, Entführungen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt, u.a. wurden in Hagenbecks Völkerschau entführte Menschen aus Patagonien in Berlin und München „zur Schau gestellt“.
Kann man einscannen wenn man mal reinhören will – DeutschWie kam der homo sapiens nach Patagonien?Kawesqar Ureinwohner wurden aus Patagonien entführt und im Zoologischen Garten Berlin „ausgestellt“, erst lebend, als sie starben dann sogar ihre Skelette – Hagenbecks Völkerschau
Als wir das Museum verlassen, ist es schon fast Abendessenszeit, also gehen wir direkt ins Restaurant „Mako“ – eigentlich vor allem aufgrund des Namens und der Ähnlichkeit mit unserem Nachnamen. Viktor bestellt eine „Promo“ mit Guanaco-Burger und einem inkludierten kleinen Porter-Bier, das sich aber als nicht so leckeres geräuchertes Bier (Smoked Porter) herausstellt. Im Fleisch findet er Knorpelteile und hat ordentlich daran zu kauen. Da Juttas Ravioli sehr übersichtlich sind, wollen wir uns noch einen Nachtisch teilen. Die erste Wahl, Mousse au Chocolat, gibt es heute nicht, die zweite – Tiramisu – auch nicht. Das kennen wir ja schon – wir sind schließlich ziemlich nah am Ende der Welt. Wir zahlen – nicht ohne dass Viktor noch einen freundlichen Gruß an die Küche ausrichtet und dringend empfiehlt, den Fleischwolf etwas feiner einzustellen, wenn schon der ganze Knorpel mit in den Burger kommt – und gehen statt dessen noch in einer Chocolateria eine heiße Schokolade trinken.
Aus dem Hotelzimmer hören wir abends sehr lange Automotorenlärm vor dem Fenster. Die drinnensitzende Familie scheint mehrere Panchos nacheinander zu bestellen und zu essen – bei laufendem Motor. Viktor versucht es erst rufend, dann geht er nach draußen und bittet darum, dass sie den Motor ausmachen. Statt dessen fahren sie um die Ecke. Kurz danach erklingt erneut Motorenlärm. Als Viktor aus dem Fenster nach unten ruft, lässt der Fahrer den Motor extra ein paar Mal laut aufheulen.
Klinker – erinnert uns an NorddeutschlandBrüchiger Gehweg vor unserem Hotel Kalken – hier halten die Tourbusse mit den Reifen auf dem Gehweg – wir werden an unsere Nachbarn erinnertEinen Flamingo sehen wir dann doch nochdas Restaurant mit fast unserem NamenGlühwein (mit Orange, Nelke, Zimt…) im Sommer Patagoniens
Donnerstag 6.3.25 – El Calafate – Buenos Aires
Der achtletzte vollständige Tag in Südamerika!
Wir stehen um sieben Uhr auf und packen dann alle unsere wenigen Sachen ein, da wir nach dem Frühstück auschecken müssen. Gegen neun Uhr werden wir mit einem PKW zu einer letzten Tour abgeholt: wir reisen in eine unwirkliche Welt – einen versteinerten Wald.
Bis zur Parada La Leona sind wir alleine mit dem Guide Pablo, genannt Pol, und dem Fahrer, dort treffen wir auf vier Kanadier aus Toronto, die mit einem Leihwagen unterwegs sind, und nach einer kurzen Pause fahren wir zunächst über sehr viel Schotter und danach die letzten Kilometer hinter einem verschlossenen Tor auf einem Privatgrundstück bis zum Startpunkt der Wanderung.
Wir blicken uns um. Und sehen „fifty shades of grey“, eine an die Mondoberfläche erinnerde graue, hügelige Wüste. Zu sechst – ein Kanadier fühlt sich nicht wohl (zittert als hätte er Schüttelfrost) und bleibt im Auto – machen wir uns auf den Weg.
Schon bald bekommen wir den ersten Dinosaurierknochen zu sehen, einen Femur (Oberschenkelknochen) im Vergleich zu einem darauf abgelegten Rinder-Femur.
Rinderknochen auf versteinertem (und zersprungenem) Dinosaurierknochen
Pol ist total begeistert vom Wunder der Versteinerung, das uns eine 100%ige Kopie des Ausgangsmaterials liefert, aber eben als Stein. Die Versteinerung beginnt immer von außen und geht nach innen weiter, manchmal mit unterschiedlichen Mineralien, meist Silikat, aber auch Eisen, Kohlenstoff oder Quarz. Alle Formen und Strukturen werden so eins zu eins abgebildet, bei Baumstämmen kann man die Jahresringe zählen, bei Knochen kann man die feinen Trabekel im Inneren erkennen. Selbst die kleinsten Fossilien haben schon ein hohes Gewicht, weil sie eben versteinert sind.
versteinerter Baumstammverschiedene Knochen/Baumteile und ein Meteoritenstückversteinerte Araukanieein paar Pflanzen wachsen hier auch manchmal
Für eine Mittagspause halten wir an einer Stelle mit „Tisch und Stühlen“ in Form von versteinerten Baumteilen und machen ein Picknik. Ab dort liegen die Bäume nun gehäuft herum. Der letzte Anstieg zum Parkplatz hat es in sich, in Serpentinen geht es steil hinauf. Nach etwa drei Stunden sind wir wieder an den Autos und fahren noch einmal gemeinsam zur Parada La Leona. Dort tauschen wir Telefonnummern, Bilder und Videos mit den Kanadiern, bevor wir in unterschiedliche Richtungen weiterfahren, nicht ohne uns gegenseitig nach Berlin und Toronto einzuladen.
Auf der Rückfahrt überholen wir richtig viele Bikepacker, die heute alle noch lange fahren müssen, bis sie irgendwo eine Übernachtungsmöglichkeit finden werden. Pol bietet in seiner Wohnung und seinem Wohnwagen in El Calafate auch vielen Radfahrenden Unterschlupf (über Air B&B), wird heute sogar noch zwei Pärchen beherbergen. Außerdem sehen wir drei Nandus recht nah und dürfen sie kurz filmen.
Wir werden direkt zum Flughafen gefahren, wo wir um halb fünf ankommen für unseren für 20:25 Uhr geplanten Flug nach Buenos Aires. Die Anzeigetafel zeigt leider schon eine Verspätung an. Wir setzen uns ins Café „Coffee is in the air“ und warten… Um 19 Uhr heißt es, wir fliegen um 21:45, mal schauen. Außerdem investieren wir in einem Souvenirshop am Flughafen doch noch in ein Nackenkissen für den Flug, da mit Juttas Nacken nicht zu spaßen ist. Viktor lädt die Bilder und Videos des Tages auf den WordPress-Server und auf YouTube hoch. Jutta beginnt schon mal mit dem heutigen Blog-Beitrag.
Irgendwann erledigen wir unseren Check-In und bestellen uns Burger, mittlerweile zeigt die Anzeigetafel für unseren Abflug eine Zeit nach 22:00 Uhr. Da wir den Securityleuten nicht den Feierabend vermiesen wollen, gehen wir schon einmal durch die Sicherheitskontrolle und setzen uns in den Abflugbereich. Dort finden wir eine Steckdose, in die unsere Ladegerät mit europäischem Stecker passt, laden Viktors Mobiltelefone und schreiben weiter am Blogbeitrag.
Es wird spät … um 22:00 Uhr hängen wir immernoch am Flughafen El Calafate fest. Um etwa 20 nach zehn landet unsere Maschine, bis wir wieder abfliegen, ist es fast 23 Uhr. Um zehn vor zwei landen wir am EZE an einer Außenposition, haben zum Glück nur unser Handgepäck und können gleich zum Taxistand. Beim Bestellen eines offiziellen Taxis wird hier am Flughafen im Vorraus ein fester Preis – egal, wohin in der Stadt – bezahlt, und auch hier werden 10% aufgeschlagen, wenn man mit Karte zahlt.
Um drei Uhr werden wir an der Adresse abgesetzt, finden schnell den an einem Mülleimer am Straßenrand befestigten Schlüsseltresor und gelangen problemlos in das Apartment im vierten Stock. Noch schnell eine Nachricht an die Vermieterin, dass der Techniker für die defekte Klimaanlage bitte noch nicht um neun Uhr kommt, wie vorgeschlagen, und dann schnell ins Bett.
Abfahrt am Hotel KalkenAbfahrt am Hotel KalkenGeschichte des Paradors – DeutschGeschichte des Paradors – EnglischGeschichte des Paradors – SpanischRuta 40 – Argentiniens WirbelsäuleGeschichte der Ruta 40Geschichte der Ruta 40
Freitag 7.3.25 – Buenos Aires
Der siebtletzte vollständige Tag in Südamerika!
Um acht Uhr morgens kommt eine laut trommelnde und grölende Demonstration durch unsere Straße und weckt uns. Jutta steht auf, Viktor dreht sich noch einmal um und schläft noch eine ganze Weile weiter.
Wir haben heute erst für nachmittags unsere erste Free Walking Tour gebucht. Der Techniker für die Klimaanlage soll zwischen 12:00 und 12:30 Uhr kommen. Also geht Jutta erst ziemlich spät zum Dia-Markt und besorgt ein paar Dinge zum Frühstück, wir frühstücken und warten auf den Handwerker. Hierbei erfahren wir, dass es in der letzten Nacht nur auf 27°C abgekühlt ist, es die weiteren Nächte aber besser werden soll. Der Unterschied zwischen der Kälte Patagoniens und hier hätte also kaum größer sein können.
Als um 12:45 Uhr immer noch niemand gekommen ist, schreiben wir der Vermieterin, dass wir nicht länger warten und den Schlüssel in den Tresor legen. Dann fahren wir mit der U-Bahn (Subté = Subterráneos) schon einmal in die Nähe des Nationalkongresses, wo die Tour losgehen soll, laufen ein wenig durch die Straßen, immer auf der Schattenseite, gehen ins Café Martinez, laufen weiter, bis es kurz vor drei ist.
Die beiden Guides schicken alle ankommenden Touris um die Ecke in den Schatten – selbst sie sagen, dass es ungewöhnlich heiß ist. Dann wird eine kleine spanischsprachige und eine sehr große englischsprachige Gruppe gebildet. Unser Guide ist Martin (Wasserman mit Nachnamen), ist in Buenos Aires geboren und hat offenbar deutsche Vorfahren. Wir bekommen eine sehr engagierte und in Teilen auch emotionale und humorvolle Führung durch das Stadtzentrum.
Er geht besonders auf den Palacio Barolo, den Denker und die Madres de la Plaza de Mayo ein. Besonders emotional wird es, als er erzählt, dass die Abuelas de la Plaza de Mayo es geschafft haben, über 100 während der Militärdiktatur von 1976–1983 zwangsadoptierte Kinder wieder in Kontakt mit ihren leiblichen Großmüttern zu bringen. Dazu wurde eines der besten DNA-Labore der Welt in Buenos Aires aufgebaut und zweifelnden Kindern aus Militär- und Polizeifamilien (die damals in der Regel die Adoptiveltern wurden) die Möglichkeit gegeben, ihre DNA mit der von „Großmüttern“ abzugleichen, deren schwangere Töchter damals spurlos verschwanden. Diese wurden nach der Geburt ihrer Kinder von der Militärdiktatur exektuiert und die Kinder zwangsadoptiert.
Auch den Peronismus erklärt uns der studierte Soziologe Martin auf unnachahmliche, wenn auch extrem vereinfachende Art, besonders die Tatsache, dass der Peronismus sowohl von der extremen Linken als auch von der extremen Rechten abgelehnt wurde. Die extremen Linken wollten eine marxistische Revolution mit Produktionsmitteln in Arbeiterhand statt im Privateigentum, die extremen Rechten wollten keinerlei staatliche Interventionen und ein freies Aushandeln der Arbeitsbedingungen ohne Streikrecht und Gewerkschaften, die unter Peron legalisiert wurden (allerdings erst nach der Verhaftung einiger Gewerkschaftsführer).
Ebenfalls erwähnt werden auf der Tour die Todesflüge während der letzten Militärdiktatur, bei denen politische Gegner nach Erhalt einer Betäubungsspritze aus großer Höhe über dem Rio de la Plata abgeworfen und so ermordert wurden. Der „Erfinder“ dieser Flüge, Adolfo Scilingo, sitzt in Spanien in Haft.
Am Emotionalsten wird Martin, als es um den Obelisken geht: Auf dem Platz am Obelisken treffen sich spontan die Menschen, wenn es etwas zu feiern gibt, und 2022 nach der Fußball-Weltmeisterschaft waren es 5 Millionen, die den neuen Weltmeister feierten. Und dann erzählt er, wie wichtig der Fußball in diesem Land ist, mit einer wahnsinnigen Inbrunst. Er ist Anhänger das Fußballvereins River Plate, einem der beiden beliebtesten Vereine Argentiniens, zusammen mit den Boca Junios. Beide Vereine sind aus Buenos Aires und die Rivalität zwischen ihnen ist enorm. Die Spiele zwischen den beiden werden Superclasico genannt und sind das bekannteste Stadtderby der Welt. Martin erzählt von dem wichtigsten Derby, bei dem es 2018 sogar um die Copa Libertadores ging, also den Südamerika-Pokal, der vergleichbar mit der Champions League in Europa ist. Das Rückspiel des Finales musste in Madrid ausgetragen werden, weil die Sicherheit in Buenos Aires nicht gewährleistet werden konnte. Er erzählt mit besonderem Grinsen von den „toten Augen“ der Boca Fans, die er nach dem Sieg seiner River Plate Mannschaft so sehr genossen habe.
Abendessen gehen wir in der Panera Rosa, die „Rosa Brotkammer“ (nicht zu verwechseln mit Pantera Rosa = rosaroter Panter), wie sich herausstellt eine Restaurant-Kette, die es auch in Spanien, Uruguay, Chile und Paraguay gibt.
Frühstück im AirBnBStraßenbänke aus Stein bzw. BetonMartinDer DenkerDer DenkerPalacio Barolo im Hintergrund – mit LeuchtturmkuppelArchitektonische Juwele direkt neben …… architektonischen SündenPalacio BaroloEvita PeronÄltestes Café der StadtSymbol der Abuelas de la Plaza de Mayo Wirkt irgendwie verloren – die Kirche
Samstag 8.3.25 – Buenos Aires
Der sechstletzte vollständige Tag in Südamerika!
Die Nacht ist ziemlich unruhig, denn draußen scheint es richtig heftig zu regnen und zu stürmen. Wie wir später während der ersten Tour des Tages erfahren, waren die letzten 14 Tage in der Region Buenos Aires von großen Temperturschwankungen, Starkregen und Sturm geprägt. Überall liegen abgerissene Äste herum und einige Parks sind gesperrt, weil Aufräumarbeiten erforderlich sind. In der Hafenstadt Bahia Blanca (ca. 600 km südlich) gab es bei Überschwemmungen sogar Todesopfer.
Die Wetter-App schreibt, dass es heute zehn Grad Celsius kälter als gestern ist und wird. Kalt es es trotzdem nicht – wir nehmen nur vorsichtshalber die Regenjacken und langen Hosenbeine unserer multifunktionalen Hosen mit. Da die Free Walking-Tour in den Vierteln Recoleta & Retiro erst um halb elf statt wie (von Jutta) vermutet um zehn beginnt, sind wir schon etwas früh am Treffpunkt, dem Teatro Colón, weshalb wir die Zeit nutzen, im nahegelegenen Café Petit Colón einen schnellen Kaffee zu trinken. Man kommt sich ein wenig wie in Paris vor, allerdings ist der Kaffee hier wieder einmal so stark geröstet, dass Viktor nach dem Süßen (was er sonst nie benötigt) ein noch nie dagewesenes Geschmackserlebnis hat: viel zu bitter und gleichzeitig viel zu süß.
Nahuel ist der Guide für die wieder sehr viel gößere englischsprachige Gruppe. Wegen seines „schwierigen“ indigenen Namens hört er auf mehrere andere Namen, unter anderem Jenny, wie er sich heute mehrfach auch selber nennen wird. Die erste Erklärung gibt es zum Teatro Colón, einem Theater und Opernhaus mit einer der besten Akustiken der Welt. Plácido Domingo, Luciano Pavarotti und andere haben dieses bestätigt. Fast nebenan befindet sich das Teatro Cervantes, nur ein weiteres der sehr vielen Theater hier in der Stadt.
Dann bekommen wir etwas über die Geschichte des Landes zu hören. Es gab eine Zeit, als innerhalb von nur 20 Jahren die Bevölkerung der Stadt Buenos Aires von 200.000 Menschen auf 1,5 Millionen Menschen gestiegen ist – durch Einwanderer aus vielen Europäischen Ländern, vor allem Italien und Spanien. Und da alle Einwanderer ihre Architektur und Kultur (besonders die Musik) mitbrachten, hat Argentinien heute eine so vielfältige Kultur.
Aus der Kolonialzeit findet man hier nur noch vereinzelte Gebäude. Statt dessen finden sich hier in Recoleta eher prunkvolle Villen im Pariser Stil, weshalb es auch das Paris Argentiniens genannt wird. Als die Patrizierfamilien die Häuser während der Weltwirtschaftskrise nicht halten konnten, wurden viele von Staaten gekauft. Heute sind in diesem Viertel die Botschaften vieler Länder.
Wir gehen weiter ins Viertel Retiro. Dieses heißt so, weil es zunächst die Ruhestends – oder Urlaubsresidenzen der Reichen waren – es lag damals noch auf der anderen Flussseite. Während der Gelbfieberepedemie wollte man der engen Innenstadt entkommen und zog permanent dorthin – damals war es eine große Entfernung, von der man dachte, dass die Mücken sie nicht zurücklegen. Es wurde immer mehr Land dem Fluss abgewonnen. Ein Block macht über die gesamte Strecke eine Steigung nach unten – hier war vor der Landgewinnung das Ufer.
Die Tour endet an einem Platz vor dem Recoleta-Friedhof, wo der älteste Baum der Stadt steht (bzw. botanisch gesehen ist es ein australischer Busch – die Gomera de la Recoleta). Die Äste werden teilweise von Metallstützen getragen, an einem Ast schultert eine Atlas-Skulptur einen dicken Ast – oder die ganze Erde.
Atlas
Noch schnell ein Kaffee …… im Petit ColonExtrem bittere …Plazoleta CatalunyaPlazoleta CatalunyaAus Rache verbaute KircheDie Straße trägt den Namen der RächerinAustralischer FeigenbaumAustralischer FeigenbaumAustralischer FeigenbaumNahuel
Um halb zwei endet die Tour. Wir wollen mit dem Bus in die Nähe des Hafens fahren, wo um drei die Nachmittagstour beginnt. Immerhin gibt es Bushaltestellen mit angeschlagenen Linien in der Stadt, das wollen wir ausnutzen. Nach etwas Suchen finden wir die richtige Station und winken auch brav zwei passenden Bussen, die leider nicht anhalten, aus welchem Grund auch immer. Erst der dritte lässt uns einsteigen. Langsam wird die Zeit knapp!
Nach relativ kurzer Fahrt sind wir da und gehen dorthin, wo es mehrere Cafés geben soll. Die ersten scheinen nur wochentags geöffnet zu haben, aber immerhin gibt es ein geöffnetes Starbucks, das uns eine kurze Stärkungspause ermöglicht.
Um 15 Uhr treffen wir vor dem Kulturzentrum Kirchner auf die Guide Paloma und eine relativ kleine Gruppe. Diese Tour durch den Puerto Madero gibt es nur in spanischer Sprache. Dieser Hafen wurde in den 1880-er Jahren gebaut, weil der erste, weiter südlich liegende Hafen (Boca), zu klein für den wachsenden Schiffsverkehr geworden war. Eduardo Madero, der keinerlei Erfahrung mitbrachte, aber wohl der Schwiegersohn des Präsidenten war, durfte ihn bauen – und nach ihm ist er benannt. Schon 40 Jahre später waren die Schiffe zu groß für die engen Einfahrten, und weiter im Norden wurde ein größerer, neuer Hafen gebaut, diesmal von dem Mann, der Madero seinerzeit im Wettbewerb unterlegen war (Luis Huergo). Dieser kammförmige Hafen erfüllt auch heute noch zuverlässig seinen Dienst.
Wir gehen über die Puente de la Mujer und bekommen den Drehmechanismus erklärt (wie bei der Kaiser-Wilhelm-Brücke in Wilhelmshaven ;-)). Santiago Calatrava, der die Brücke entworfen hat, stammt aus Valencia und hat unter anderem erklärt, dass sie ein tango-tanzendes Paar darstellen soll. Unsere Guide gibt sich alle Mühe, die Linien der Brücke mit Tangopositionen darzustellen, aber so ganz klar wird es uns nicht.
Jetzt sind wir im neuesten Wohnviertel von Buenos Aires mit lauter luxuriösen Hochhäusern und bekommen zum Beispiel das gezeigt, in dem das Penthouse keinem Geringeren als Messi gehört. Auf der Promenade gab es Skulpuren von ihm und anderen Berühmtheiten, aber nachdem sie in Teilen oder ganz geklaut wurden, hat man sie abgebaut, und es gibt nur in den Boden eingelassene Erinnerungssteine – eine Art Walk of Fame.
das Kulturzentrum, seinerzeit als Postgebäude gebautSarmiento – Museumsschiff, früheres SchulschiffPuente de la Mujerganz oben: MessiSkulptur eines Bandoneons – Denkmal für den TangoGoethe Institut
Wir machen eine kleinen Zwischenstopp an einem Denkmal für den Tango, dessen wichtigstes Instrument das Bandoneon ist, das in Deutschland erfunden wurde, und in dem Denkmal dargestellt wird. Der Tango ist im Großraum „Rio de la Plata“ in Buenos Aires und Montevideo entstanden. Er ist aus einer Mischung sehr vieler unterschiedlicher Tanz- und Musikrichtungen enstanden und ist damit ein typisches Multi-Kulti-Produkt der Einwandergeschichte von Buenos Aires.
Wir schließen gegenüber der Reserva Ecológica de Buenos Aires. Hier befand sich bis 1960 eine große Badeanstalt, die dann aufgrund der starken Kontamination des Flusses geschlossen werden musste. Der Bauschutt besonders des Autobahnbaus von Buenos Aires wurde im Fluss versenkt, um dort ein neues Regierungsviertel bauen zu können. Dieses Projekt wurde 1984 fallengelassen, da der Boden nicht ausreichend stabil war. Seitdem hat sich die Natur dieses gewonnene Land erobert, und heutzutage findet man dort eine vielfältige Flora und Fauna. Nur ist der Eintritt gerade heute wegen des nächtlichen Unwetters verboten – vielleicht kommen wir an einem anderen Tag noch einmal wieder.
Wir laufen zur Enthaltestelle unserer Metro und fahren zu unserer Station „Dorrego“. Dort gehen wir im Condarco essen, auch wenn es die eigentlich von Viktor avisierten Gerichte um diese Zeit nicht gibt, sondern nur Kleinigkeiten, denn die online gefundene Abendkarte ist erst ab 20 Uhr gültig. Wir teilen uns eine spanische Tortilla und ein Sandwich mit Kimchi, müssen relativ lange darauf warten und sind aber überraschend zufrieden damit.
Im Appartment schaffen wir heute nicht mehr viel.
Sonntag 9.3.25 – Buenos Aires
Der fünftletzte vollständige Tag in Südamerika!
Nach einer ruhigeren Nacht frühstücken wir in aller Ruhe, denn wir haben erst für 11 Uhr eine Free Walking Tour im Viertel San Telmo reserviert. Wir entdecken auf dem Milch-Tetrapack den argentinischen Impfkalender und sind überrascht, was man so alles auf Tetrapacks unterbringen kann.
Impfkalender auf Milchtüte
Gegen 10 Uhr machen wir uns auf den Weg, und es wird fast ein wenig knapp, denn sonntags fährt „unsere“ U-Bahn-Linie scheinbar nur alle 10 Minuten. Der Fahrpreis, der von unser SUBE-Karte abgebucht wird, ist schon wieder höher als in den vergangenen Tagen. Heute sind es 1.500 Pesos. So ein Land mit galoppierender Inflation bietet schon ganz besondere Erfahrungen. Dabei war die Inflation im vergangenen Jahr schon deutlich niedriger, z.B. nur noch 84,5% (Februar 2025 gegenüber Februar 2024) im Vergleich zu zeitweise über 200% in den Jahren davor.
Die U-Bahn ist hier in Buenos Aires schon ziemlich in die Jahre gekommen. Während der Fahrt hat man das Gefühl, dass sie beim Anfahren und Abbremsen nur die Zustände „An“ und „Aus“ kennt. Es ist ein ständiges Rucken, das uns im Stehen immer wieder vor- und zurückschwanken lässt. Sanftes Beschleunigen und Abbremsen scheint hier völlig unmöglich, vermutlich gibt es die Technik einfach nicht her. Viktor wird daran erinnert, dass die zeitliche Ableitung des „Weges“ (m) die „Geschwindigkeit“ (m/s) ist, die zeitliche Ableitung der „Geschwindigkeit“ (m/s) die „Beschleunigung“ (m/s²), und die zeitliche Ableitung der „Beschleunigung“ (m/s²) der „Ruck“ (m/s³). Jede Änderung der Beschleunigung erzeugt also immer einen Ruck. Die zeitliche Ableitung des „Rucks“ ist übrigens der „Knall“.
Die Walking Tour beginnt am Rande des Viertels San Telmo an der Kirche San Ignacio de Loyola, die als eine der ersten Kirchen von Buenos Aires von den Jesuiten erbaut wurde. Unter uns befindet sich noch das Tunnelsystem, dass in der Kolonialzeit von den Spaniern errichtet wurde. Man sagt, dass die Schüler des Collegs nebenan „die Ratte gemacht“ haben, wenn sie schwänzen wollten, weil sie sich – wie die Ratten – in die Tunnel statt in die Schule begeben haben.
In San Telmo sind die Straßen am Sonntag ziemlich voll und wir wundern uns, dass diese Tour nur einmal in der Woche und dann gerade am Sonntag angeboten wird. Am Ende ist es auch gar keine Free Walking Tour, denn wir zahlen jeder 10 US-$ und nicht – wie bei einer Free Walking Tour üblich – einen selbst gewählten Betrag, der bei uns meist höher als diese 10 US-$ ausfällt. Unser Guide ist Juan, der uns sehr engagiert durch das Viertel führt und sogar die Stimmen von Comic-Figuren imitiert, die hier an vielen Stellen am Straßenrand stehen. Die wichtigste davon ist Mafalda, die in der ganzen spanischsprachigen Welt sehr bekannt ist und hier in Buneos Aires „geboren“ wurde. Ihre Figur am Straßenrand ist jedoch sonntags so belagert, dass wir nicht mal nah genug herankommen, um sie zu sehen.
Mafalda
Unsere Tour endet auf der sonntäglichen Feria de San Telmo, einem Antiquitätenmarkt auf der Plaza Dorrego, der es mit seiner Einführung 1957 geschafft hat, den Abriss des gesamten Stadtviertels zu verhindern, weil es durch den Markt neuen touristischen Zulauf gab. Heute ist es eines der beliebtesten Stadtviertel mit hohen Immobilienpreisen.
Schon heute morgen hatten wir uns vorgenommen, wenigstens eine der beiden Eis-Einladungen „abzuarbeiten“, die wir noch in „Reserve“ haben. Hier in Buenos Aires ist es wenigstens wieder warm genug, so dass wir auch Appetit auf Eis haben. Allerdings ist ja Argentinien das Land, in dem sie zwar die Eissorte „Banana Split“ kennen, aber nicht unbedingt den Banana Split, der aus drei Kugeln Eis auf einer der Länge nach geteilten Banane besteht. Während der Walking Tour ist Viktor schon in einige Eisläden gesprungen und hat vergeblich nach „Copas de Helado“ und Banana Split gefragt. Überall wird das Eis nur in Wegwerfbechern oder Waffeln serviert, aber nicht im Glasbecher. Bei Google finden wir La Veneciana am Puerto Madero, und auf den Fotos sind Eisbecher in Glasschalen zu sehen. Und tatsächlich erhalten wir dort sogar Banana Split, es gibt sogar zwei Varianten mit gleichem Namen. Wir bedanken uns herzlich bei den treuen Lesern und Spendern – Familie Rühle aus Hohen Neuendorf.
Mit herzlichem Dank an Familie Rühle
Banana SplitBanana Split 2 – mit „Dulce de Leche“ Eis
Viktor hat schon den ganzen Tag über Kopfschmerzen und es kommen links am Nachmmittag auch noch Ohrenschmerzen hinzu. Die Schluckbeschwerden der letzten Tage scheinen nun doch langsam dorthin zu wandern, wo es ungemütlich wird. Also machen wir uns nach dem Banana Split auf den Rückweg in unsere Wohnung, wo er eine Ibuprofen einehmen und sich für zwei Stunden hinlegen kann, während Jutta an den Blog-Beiträgen der letzten Tage arbeitet, die noch nicht ergänzt und korrigiert waren.
Für das Abendessen finden wir nur ein geöffnetes Restaurant in der Gegend, das La Farola de Dorrego. Für die Speisekarte müssen wir – wie so oft – einen QR-Code einscannen. Gedruckte Speisekarten ergeben in einem Land mit hoher Inflation auch wenig Sinn, hier müssen die Preise schließlich wöchentlich erhöht werden. Da wir nur ein Telefon ohne Internetzugang dabei haben, benötigen wir das Passwort für das WIFI im Lokal, um die Speisekarte aufzurufen. Die Bedienung wiederholt mehrfach für Viktor das Passwort „Corriente 6196 – todo minuscula“, also „Corriente 6196 – alles in Kleinbuchstaben“, aber es will auch nach mehrmaligem Nachfragen und Eintippen nicht funktionieren. Beim allerletzen Nachfragen steht zum Glück ein Kollege unserer Bedienung in der Nähe und sagt „Corrientes – no te trages la ‚S‘ !“ , also „Corrientes – verschluck doch nicht das ‚S‘ !“. 😉 Ja so ist das hier in Argentinien und besonders in Buenos Aires. Das Spanisch, das hier gesprochen wird, erinnert stark an Südspanien, wo das „S“ am Ende der Worte auch oft weggelassen wird, z.B. „Vamo!“, statt „Vamos!“. Jedenfalls funktioniert das Passowrt „corrientes6196“ natürlich auf Anhieb. Wir bestellen uns zwei Pizzen, die fett mit Käse belegt sind und auf jeden Fall gut sättigen.
Bei der Rückkehr in die AirBnB-Wohnung dokumentieren wir noch unser Eintreten am Hauseingang. Das Sicherheitssystem ist so geschaltet, dass man nur circa 3 Sekunden Zeit hat, um die Tür wieder zu schließen, bevor ein ohrenbetäubender Alarmton losgeht. Wir schaffen es nur jedes zweite Mal, schnell genug zu sein, aber diesmal gelingt es.
Der abendliche Versuch, auf Amazon Prime den Film „Argentinien 1985 – Nie wieder“ anzuschauen schlägt fehl. Die Amazon Prime App behauptet, der Film sei „derzeit nicht verfügbar“ … was auch immer das genau bedeuten mag. Später (also jetzt beim Schreiben dieser Zeile) bemerken wir, dass wir den Film auf dem Laptop problemlos anschauen könnten, aber da stecken wir schon mitten im Blog-Schreiben.
Free Walking TourComic-Figuren mit Mate-TeeHäuser mit rechtem Winkel an der Hausecke …… stammen noch aus der KolonialzeitSpanisches Königspaar war zu BesuchVon hier wurde während der letzten Militärdiktatur ein Mensch verschlepptAntiquitätenmarkt San TelmoStarbucks – auf spezielle Nachfrage auch in KeramiktassenAbends in unserer Straße