Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Monat: Februar 2025

Woche 48 (24.2.25 – 2.3.25) – Ushuaia – El Calafate

Montag 24.2.25 – Ushuaia

Am Tag nach der Bundestagswahl in Deutschland haben wir unseren letzten kompletten Tag hier am Ende der Welt, denn morgen abend geht es weiter nach Buenos Aires. Nach dem Frühstück gehen wir in das „Museo Marítimo y del Presidio de Ushuaia„, das in den Räumlichkeiten des damaligen Gefängnisses einige verschiedene Museen enthält. Netterweise kann man mit dem (recht teuren) Ticket noch ein zweites Mal am Folgetag Eintritt erhalten, denn für einen einzelnen Besuch ist es fast zu groß.

Wir beginnen mit dem Besuch des Maritimen Museum, das gleich hinter der Kasse beginnt und dann aber in einem der Gefängnistrakte im ersten Stock weitergeht.

Es gibt den Audioguide sogar in deutscher Sprache, und wir hören uns die Erklärungen so lange an, bis der Akku des Handys leer ist. Unklar bleibt uns aber auch nach dem Besuch dieses Museums der Status der Falkland-Inseln/Malvinas. Auf den hier gezeigten Karten ist die Hauptstadt Stanley mit einem kleinen Papier mit „Puerto Argentino“ überklebt, der direkt danebenliegende Hafen heißt aber „Stanley Harbour“. Es ist alles sehr seltsam! Offensichtlich befindet sich der Streit um die Inseln zwischen Argentinien und Großbrittanien nach wie vor in einer Art Schwebezustand, der uns gar nicht bewussst war. Überall stehen hier in der Region Schilder oder hängen Plakate – so z.B. vor allen Polizeistationen und Kasernen -, die besagen, dass die Malvinen schon immer Argentinisch waren, es immernoch sind und auch immer sein werden – trotz des verlorenen Falkland-Krieges gegen Großbrittanien 1982. Bei den Vereinten Nationen erklärt Argentinien seit Jahrzehnten jährlich seine Besitzansprüche. Gleichzeitig waren die Falklandinseln bis 2020 Teil der überseeischen Länder und Gebiete der Europäischen Union, als Großbrittanien noch Teil der EU war.

Im Gefängnismuseum ist es gleich wesentlich kälter, obwohl alles im selben Gebäude ist, besonders in dem noch alt belassenen ersten Originaltrakt ist es fast kälter als draußen.

In einem halben Trakt, noch hinter dem Museumsladen versteckt, gibt es eine kleine Ausstellung über die Indigenen Völker dieser Gegend. Wir erfahren unter anderem, wie gespendete Kleidung aus Europa mit dazu beigetrug, dass die Yagan innerhalb weniger Jahrzehnte ausstarben.

Nach drei Stunden verlassen wir das Museum erst einmal und gehen in einer Tante Sara-Filiale Kaffee trinken, bevor wir uns wieder ins Hotel begeben. Hier packen wir das Tandem abschließend fertig und bleiben dieses Mal (der Karton ist nicht ganz so schwer wir letztes Jahr) gut unter den erlaubten 32 kg.

Als dieses erledigt ist, beschäftigt Viktor sich mit den Aufzeichnungen des PAJ der letzten Wochen, insbesondere der Schiffsreise von Puerto Montt nach Puerto Natales, die mangels Handynetz nur unvollständig aufgezeichnet wurde und in unerer Google MyMap nicht richtig dargestellt wird, während Jutta liest.

Zum Abendessen gehen wir ins Augusto Ushuaia – hier in Ushuaia kann man tatsächlich locker jeden Tag woanders essen, das wäre auf unserer langen Reise längst nicht überall möglich gewesen. Zurück im Hotel schauen wir die Tagesthemen vom Tag eins nach der Wahl, bevor wir uns dem Blog und dem Packen des restlichen Gepäcks – aller Radtaschen – widmen.

Dienstag 25.2.25 – Ushuaia – Flieger nach Buenos Aires

Vor dem Frühstück versuchen wir, unsere gepackten Taschen in die pink-bunten gekauften Jumbotaschen zu packen – leider bleiben Teile übrig, die beim besten Willen (ein Reisverschluss ist schon gerissen) nicht mit hineinpassen. Also doch lieber einen preiswerten Koffer kaufen gehen? Wir wollen im Frühstücksraum überlegen. Der Hotelbesitzer hätte einen alten Koffer, der allerdings nicht leer ist, schlägt aber vor, doch einfach alles mit Schrumpffolie zu umwickeln, eine Idee, die Jutta auch schon hatte, aber von Viktor vehement verworfen wurde.

Genau das machen wir dann aber nach dem Frühstück, denn wir hören ja auf die Ratschläge der „Locals“, bringen die drei Taschen in den Gepäckraum und das Tandem in den Flur, um alles bis abends dort stehen zu lassen.

Bei immer noch andauerdem Regen gehen wir noch einmal zum Museo Marítimo y del Presidio de Ushuaia, wo es heute anscheinend sogar noch voller ist als gestern. Bei dem Dauerregen und den dazu niedrigen Temperaturen (unter 5°C) kein Wunder. Wir beginnen im Trakt mit dem Antarktis-Museum. Hier geht es vorwiegend um die Entdeckung und spätere Erforschung des weißen Kontinents, untergebracht wieder in den kleinen ehemaligen Gefängniszellen.

Im Anschluss gehen wir in einen nur nummerierten Trakt, in dem komischerweise zwei der Entdecker der Antarktis, Larson und Amudsen, und deren Expeditionen ziemlich durcheinander auf Bannern erklärt werden.

Am Skurrilsten ist schließlich ein Trakt, in dem Gefängnisse aus aller Welt vorgestellt werden, und zwischendrin ohne größere Erklärung das ehemalige KZ Sachsenhausen sowie das KZ Auschwitz-Birkenau.

Viktor geht alleine noch ganz kurz durch die Kunstgalerie, während Jutta im Mehrzweckraum in der Mitte wartet. Der ausgestellte lokale Künstler scheint irgendwie Schlipsträger und die Mittelschicht zu verabscheuen und sich ganz den sozialen Fragen der Ureinwohner zu widmen.

Durch den Regen gehen wir ins Café der Tourist Box, da wir noch einen 10%-Gutschein hierfür haben, und bleiben dort für eine ganze Zeit. Hier im WIFI können wir noch ein wenig mit Julius hin und her schreiben, bevor dieser morgen für fünf Wochen in Richtung Thailand aufbricht und also nicht zuhause sein wird, wenn wir wieder zurück kommen.

Am späteren Nachmittag sitzen wir im Hotelfoyer und ruhen uns ein wenig aus – der Abend wird noch lang und wir haben letzte Nacht nicht so gut geschlafen – sind offenbar beide etwas nervös wegen des Tandem-Transports! Für 18 Uhr ist ein großes Taxi bestellt, das uns zum Flughafen bringen soll, da das Auto des Hotels nicht groß genug für den Tandemkarton ist. Schon eine gute Viertelstunde früher steht der Taxifahrer auf der Straße. Wir sehen sofort, dass auch dieses Auto nicht groß genug ist. Na super, er hatte die genauen Maße des Kartons erhalten und bestätigt, dass es passen würde. Nachdem alle Sitze umgeklappt bzw. die Vorderen ganz nach vorne geschoben sind, passt der Karton dann doch liegend hinein. Nur für uns beiden muss jetzt noch ein weiteres Taxi her! Und besonders glücklich sind wir mit dem eingequetschten Karton nicht!

Wir werden also mit zwei Autos zum Flughafen gefahren, laden dort im Regen alles wieder aus und bringen es zum Schalter. Hier können wir den großen Karton nicht zu einem extra Schalter für Sperrgepäck bringen, statt dessen hieven die Mitarbeitenden ihn auf das normale Transportband für Gepäck, um es irgendwie durch das Röntgengerät zu quetschen. Der Karton erhält dabei einige paar Fußtritte. Wir mögen kaum hinsehen!

Wahrscheinlich benötigen wir in Buenos Aires noch einen neuen Karton, so, wie hier schon damit umgegangen wird. Positiv ist, dass uns das Extragewicht keine 20 Euro kostet, das wird bei Lufthansa definitiv teurer werden.

Die Zeit bis zum Abflug verbringen wir im einzigen Flughafencafé. Wieder gibt es ganz in der Nähe im Terminal ein Schild zum Falkland/Malwinen-Konflikt und eine Vitrine mit der Fahne Argentiniens, die dereinst auf den Malwinen gehisst werden soll, wenn sie wieder unter argentinischer Kontrolle stehen.

Am Flughafen: Die Malwinen sind Argentinien

Als wir an Bord gehen schaut Viktor routinemäßig auf das Typenschild des Flugzeugs, das sich in der Einstiegstüre befindet. Wir fliegen mit einer Boeing 737-8. Viktor behält diese Tatsache bis zur Landung lieber für sich, denn die geringen Turbulenzen beim Start machen Jutta schon nervös genug.

Boeing 737-8
An Bord

Mittwoch 26.2.25 – Buenos Aires – Ezeiza Flughafennähe (EZE)

Wir landen gegen 1:00 Uhr in Buenos Aires. Die schnelle Überprüfung der Apple AirTags, die wir im Gepäck haben, zeigt uns – noch im Flugzeug sitzend -, dass alles im Flieger mitgekommen ist, auch unser Tandem. Das ist schon mal sehr gut. Wir halten auf einer Außenposition und werden mit einem Bus zum Terminal gefahren. Dort wird auch das Sperrgepäck über das normale Gepäckband angeliefert und unser Tandemkarton ist tatsächlich das Erste, was auf dem Band herausgefahren kommt.

Am Gepäckband werden wir auf Englisch angesprochen, ob wir im Hotel Austral waren. Jutta versteht es erst gar nicht, aber der U.S.Amerikanische Herr war in Ushuaia im selben Hotel und hat uns und auch das Tandem dort gesehen. Er fragt aber erst jetzt, tausende Kilometer weiter, nach unserer Tour.

Wie erwartet sieht der Karton ziemlich mitgenommen aus. Er scheint länger auf dem Vorfeld in Ushuaia im Regen gestanden zu haben. Er ist unten stark eingedrückt und feucht. Oben ist er an dem von uns gebastelten Griff stark eingerissen. Das werden wir wohl nochmal mit weiteren Pappkarton-Stücken reparieren und verstärken müssen, damit er den Flug nach Berlin mit Umladen in Frankfurt überleben kann.

Zu allem Überfluss besteht unser gebuchter Abholservice aus Vater und Sohn mit zwei normalen Autos. Kann es vielleicht einmal klappen, wenn man doch schon die Abmaße mehrfach per Whatsapp schickt, Fotos vom Karton anhängt und darauf hinweist, dass man mit einem riesigen Fahrradkarton unterwegs ist? Offenbar nicht! 🙁
Das Auto, in dem das Tandem transportiert werden soll, hat im Kofferraum außerdem noch weniger Platz als normal, weil es auf Gasbetrieb umgebaut wurde und sich dort eine große gelbe Gasflasche befindet. Irgendwie kriegen wir den Karton hinein und die Heckklappe mit porösen Gummibändern so festgezurrt, dass zumindest eine gewisse Chance besteht, dass der Karton während der Fahrt nicht einfach hinten herausrutscht und von einem Lasterwagen überrollt wird. Der Vater fährt die 40 Autobahnkilometer vor uns her und nutzt die gesamte Spurbreite seiner Autobahnspur.

Wir sitzen beim Sohn im Auto und unterhalten uns unter anderem auch über Fußball. Er spielt in einer Hobbyliga in Buenos Aires bzw. Ezeiza, und die Mannschaften tragen die Namen deutscher und baskischer Fussballvereine (viele Menschen in Buneos Aires haben Vorfahren aus dem Baskenland in Spanien), um die Rivalität zwischen den einzelnen Stadtvierteln nicht zusätzlich anzuheizen. Er spielt für „Paderborn“ und kennt auch Vereinsnamen wie „FC Saarbrücken, „Leipzig“ und „Fortuna Düsseldorf“. Sogar den MSV Duisburg kennt er und aussprechen kann er die Vereinsnamen und die Umlaute auch sehr gut.

Um nach drei Uhr morgens können wir uns endlich schlafen legen, nachdem sowohl die Taxifahrer als auch das Hotel noch bezahlt wurden – bar und das Hotel in US-Dollar. Und um halb neun stehen wir wieder auf. Das Frühstück in diesem wirklich nicht billigen Hotel besteht aus Zwieback mit Frischkäse und Marmelade, etwas enttäuschend. Aber die Möglichkeit, unser Tandem und Gepäck hier für zwei Wochen unterzustellen, ist es wirklich wert und das Zimmer ist auch in Ordnung. Und trotz Flughafennähe ist es nicht besonders laut hier.

Wir machen uns auf einen Rundgang durch das „Barrio Uno„, um nach Pappe zur Stabilisierung unseres Kartons und neuer Schrumpffolie zu schauen. Weder der Supermarkt noch die Ferreteria haben etwas Passendes, aber wir finden eine Bushaltestelle mit einigen Wartenden, die in „die Stadt“ nach Ezeiza fahren (so, wie der Flughafen auch heißt). Die benötigte SUBE-Karte haben die Läden hier gerade auch nicht im Verkauf, aber zwei Fahrgäste sind so nett, jeweils einen von uns gegen Bargeld (400 Pesos = 40 Cent) auf ihrer Karte mitzunehmen, also fahren wir einfach mal mit. Die Fahrt dauert recht lange, obwohl der Weg gar nicht so weit wäre.

In der Nähe des Bahnhofs von Ezeiza steigen wir aus. Da wir auf der Navimag-Fähre mit den Deutschen dann doch etwas zu viele Argentinische Pesos in Euro zurückgetauscht haben, gehen wir als Erstes in eine Western Union Niederlassung und besorgen noch ein letztes Mal etwas Bargeld: für 300 Euro bekommen wir heute 382.000 Pesos in 1000 Pesos-Scheinen, also 382 Geldscheine. Gut, dass die jetzt in keine Radtasche mehr gepackt werden müssen…

Auf der Suche nach Pappe fragen wir in mehreren Geschäften, werden fündig im Fahrradladen Royal Bikes, wo die Besitzerin und ihr Sohn so nett sind, uns sogar zwei ganze Fahrradkartons mitzugeben, die einfach deutlich stabiler sind als die Kühlschrank-Kartons aus Ushuaia. Sie kleben uns die Kartons sogar mit Klebeband zusammen und sind total begeistert von unserem Tandem-Sabbatjahr.

Beladen mit den Kartons gehen wir zum Bahnhof, wo wir an einem Kiosk erst die SUBE-Karte erwerben und diese dann am Bahnhofsschalter mit Geld aufladen können – am Bahnhofsschalter kaufen kann man die SUBE-Karte nicht – eigenartiges Vorgehen!

Jetzt wollen wir nach dem schon länger zurückliegenden Zwiebackfrühstück eine Kaffeepause machen und begeben uns (mit den beiden Kartons) auf die Suche. Wieder hat es die laut GoogleMaps vorhandenen Cafés (u.a. ein McCafe) auf der anderen Seite der Gleise offenbar noch nie gegeben, und Einheimische scheinen sich auch gar nicht auszukennen, denn plötzlich entdecken wir ein Café, obwohl uns gerade gesagt worden war, dass es in der Gegend gar keines gäbe. Auch wenn es die angepriesenen Waffeln nicht gibt, bekommen wir im Serendipia immerhin Milchkaffee und je einen Keks zur Stärkung.

Anschließend geht es bei inzwischen über 30°C wieder unter dem Bahnhof zurück in Richtung Schreibwarenladen und/oder einem Bus zurück. Man schickt uns immer weiter bis zu dem Ort, an dem wir ausgestiegen sind, von dort allerdings schickt uns ein Mann wieder in eine ganz andere Richtung zum Bus 518 Richtung Flughafen. Ganz eigenartig! Immerhin kommen wir direkt an einer Papeleria vorbei, die Schrumpffolie hat. Als wir die Haltestelle für die Linie 518 endlich gefunden haben, ist der Bus wohl gerade weg, und wir müssen mit 30 Minuten Wartezeit rechnen. Diese versüßen wir uns mit je einer Eiskugel von Yummi, bei denen die Auswahl riesig ist. Viktor überquert mehrfach die Straße zur Bushaltestelle, bis wir unsere Eissorten gewählt haben.

Auswahl bei Yummi

Als der Bus endlich kommt, verpassen wir ihn fast, weil er gar nicht in der Straße der Haltestelle fährt und hält. Jutta sieht ihn per Zufall in der Querstraße (an einer anderem Haltestelle) halten. Wir laufen schnell hin, und netterweise wird die Tür noch einmal geöffnet und wir werden glücklicherweise auch mit den großen Kartons mitgenommen.

Im „Collectivo“ Bus 518

Nach wieder ebenso langer Busfahrt zurück verbringen wir am Hotel die Zeit damit, das Tandem für die weiteren zwei Flüge transportbereit zu packen. In einem Carport nutzen wir diverse Latten, Podeste, einen Dachbalken zum Aufhängen und hoffen, dass die Versteifungen oben und unten und das vollständige Einwickeln in Folie jetzt ausreichend Stabilität und Schutz vor Regen bieten. Leider landen wir jetzt knapp über den zugelassenen 32 Kilogramm Gesamtgewicht, aber wir wollen beim Lufthansa-Check-In einfach „Aerolineas Argentinas“ die Schuld geben, weil sie den leichteren Karton zerstört haben. 😉

Jetzt können wir den Karton und unsere Jumbotaschen in einen Abstellraum schaffen, wo sie bis zum 14. März bleiben dürfen. Und der Taxifahrer von gestern versucht, für diesen Tag doch ein größeres Auto zu besorgen.

Obwohl wir eigentlich um 20 Uhr schlafen gehen wollen – morgen früh um vier werden wir wieder abgeholt – müssen wir uns mit dem Abendessen bis 19:30 Uhr gedulden – dann erst öffnet das einzige Restaurant am Ort, das keine grottenschlechten Rezensionen bei Google hat. Es wird ein richtig gutes Abendessen bei Ivana Cocina mit frittierten Tintenfischringen und Knoblauchmajonaise, Pizza und Tortilla Española (Kartoffel-Tortilla mit Chorizo-Stückchen). Und natürlich mit einem Craft Stout-Bier für Viktor.

Donnerstag 27.2.25 – Ezeiza Flughafennähe (EZE) – El Calafate

Schon bevor um 3:15 Uhr der Wecker klingelt, sind wir wach, weil shon weit früher zwei U.S.-Amerikanische Frauen lauthals im Flur diskutieren, unter anderem darüber, wir man „Ushuaia“ richtig ausspricht (nicht mit „SCH“ sondern mit relativ scharfem „S“). Um vier Uhr kommt uns das Taxi abholen, und es bleibt vorher sogar noch etwas Zeit, in der Viktor seinen Wanderschuh mit Éccole-Kleber repariert – jetzt glänzt die Stelle als habe jemand draufgespuckt.

Geklebter Riss im Obermaterial des nagelneuen Wanderschuhs

Als wir um zehn nach vier Uhr morgens am Terminal ankommen, könnte man meinen, es wäre mitten am Tag – es wimmelt von Menschen. Wir checken kontaktlos am Automaten ein und haben dann noch sehr viel Zeit, die wir bei Starbucks mit einer Tasse Tee verbringen. Hier an der Security muss der Laptop nun doch wieder ausgepackt und separat geröntgt werden (in Ushuaia musste Viktor ihn sofort wieder einpacken, als er ihn aus der Tasche nehmen wollte – da soll man draus schlau werden). Die Nagelschere und das mitgenommene Wasser sind aber auch heute kein Problem. An den Gates ist es so voll, dass wir keine Sitzplätze finden können. Gerade, als Jutta mal zur Toilette aufgebrochen ist, wird unser Name (mit vielen anderen) aufgerufen, und sie geht erst wieder zurück. Erst jetzt werden unsere Pässe und Identitäten abgeglichen, da wir ja am Automaten eingecheckt hatten, wo keine Passkontrolle stattfand.

Der recht turbulenzenreiche Flug ist pünktlich, und so kommen wir zwischen neun und halb zehn in El Calafate an, bzw. an dessen Flughafen. Die gar nicht mal kurze Strecke (ca. 16 km) durch die Steppe in die Stadt kann man nicht zu Fuß gehen, und Busse gibt es erst gar nicht. Also lassen wir uns per Taxi zum Hotel fahren, wo wir das Einchecken schon erledigen und unsere Taschen abstellen können. Im nahen Zentrum gehen wir dann erst einmal frühstücken. Dieses recht große Frühstückscafé Don Pietro hat Marmelade und Frischkäse in den Portionspackungen aus Plastik wie in manchen Hotels und Viktor trinkt nicht einmal die kleine Tasse Milchkaffee zuende aus, weil dieser so schlecht schmeckt. Hier werden wir wahrscheinlich nicht noch einmal herkommen.

Müde, wie wir sind, entscheiden wir uns dann gegen einen Museumsbesuch und für einen längeren Spaziergang zum und im Landschaftsschutzgebiet Laguna Nimez, auch, weil die Sonne ganz toll scheint und wir das ausnutzen wollen. Die Eintrittskarte (für Touristen zwölfmal so teuer wie für Menschen aus dieser Provinz) ist eine ganze Woche gültig, und das Gebiet ist schön zu durchlaufen, so dass wir eventuell noch öfter hierher kommen werden. Heute leihen wir uns kein Fernglas, so dass es mit dem Vögel-Beobachten nicht so toll klappt, wo hier doch je nach Jahreszeit bis zu 100 Vogelarten leben, aber das können wir noch nachholen. Die Flamingos, die man am besten in der Abenddämmerung finden können soll, werden wir eher nicht zu sehen bekommen, denn die Abenddämmerung ist z.Z. an diesem Ort deutlich nach der Schließung am Abend. Den Flyer mit Erklärungen gibt es sogar auf Deutsch – die Übersetzungen sind aber so schlecht, dass Jutta überlegt, für eine Neuauflage eine korrigierte Version an die Macher zu schicken. Mal schauen, ob bzw. wann sie dazu kommt!

zur Veranschaulichung des bekannten Kinderliedes „Alle meine Entchen“

Nach den zwei Stunden dort laufen wir an der Küstenstraße zurück ins Zentrum und müssen teilweise gegen den starken Wind ankämpfen. Inwischen ist es fast zwei Uhr und wir machen eine Pause in einer Bäckerei mit Café, bevor wir zum Hotel zurückgehen und unser Zimmer beziehen. Dort ruhen wir uns zwar etwas aus, gehen aber dann noch eine Runde durch den Ort, um wachzubleiben. Beim Schlendern über die Hauptstraße halten wir schon Ausschau nach potentiellen Restaurants für heute und die kommenden Tage. Und um etwa 18 Uhr gehen wir dann auch schon Abendessen, im zweiten Versuch, da es beim ersten Restaurant nicht das richtige Bier gibt. Und im „Schwarzen Schaf“ (La Oveja Negra) ist dafür das Essen nicht so toll und es liegen immer wieder verschiedene Hunde zu unseren Füßen. Hunde liegen hier sowieso erstaunlich viel an und auf den Straßen und in Cafés und Restaurants. Sie liegen eigentlich mehr, als dass sie streunen würden!

El Calafate ist ein Touristenort – so steht es geschrieben – und wir hören ziemlich viel Deutsch auf den Straßen. Und plötzlich auch ein „Viktor und Jutta, Hallo“! Sehr lustig – es haben uns Johanna und Loik, die Münchener, die wir auf der Carretera Austral im Regen getroffen haben, erkannt, die ihre Tour nach Villa O’Higgins pannenfrei geschafft haben und jetzt hier auch noch ein wenig Sightseeing machen, bevor sie nach Deutschland zurückfliegen.

Freitag 28.2.25 – El Calafate

Gleich morgens hat Viktor eine WhatsApp von seinem guten Studienfreund Holger im Eingangskorb. Der Artikel in der NRZ ist erschienen. Jetzt wissen wir auch, wer der NRZ den Link zu diesem Blog „durchgesteckt“ hat. 😉 Holger war mit dem Chefredakteur Skifahren 😉

Für heute haben wir eine Ganztagestour in den Parque Nacional Los Glaciares gebucht. Deshalb stehen wir um sechs Uhr auf, frühstücken um halb sieben und werden dann mit einem Bus von der Tourgesellschaft abgeholt. Nach etwa 40 Kilometern steigen wir auf einen geräumigen Katamaran (Maria Turquesa), werden zu einem Paar aus Puerto Rico (die in der Nähe von Boston leben) an den Tisch gesetzt und bald darauf fahren wir los.

Auf dieser Busstrecke landet nicht weit von der Straße gerade ein Condor – aus solcher Nähe haben wir bislang noch keinen gesehen. Und das, obwohl in dieser Gegend nur ein Paar ständig lebt, weitere nur geflogen kommen, wenn es hier gerade totes Getier gibt, wie wir später erfahren. Leider ist der Bus so schnell, dass es für ein Foto nicht reicht!

Auf dem größten See Argentiniens, dem Lago Argentino, fahren wir den höchsten (Spegazzini), den größten (Upsala) und den bekanntesten – weil am leichtesten zugänglich und mit den spektakulärsten Formationen – (Perito Moreno) Gletscher dieses Nationalparks an.

Gleich am ersten Gletscher werden vom Personal mehrere Eisbrocken aus dem Wasser gefischt, denn einer der Gags an Bord ist es, dass die Getränke mit Gletschereis serviert werden.

Wir lernen heute unter anderem, dass das Südliche Patagonische Eisfeld die drittgrößte Eismasse der Welt ist (nach Antarktis und Grönland). Das Gletschereis bildet sich hier besonders schnell (10 – 15 Jahre), während es woanders teilweise tausend Jahre und älter sein kann. Dies liegt unter anderem an den großen Niederschlagsmengen, die hier auf den Gipfeln fallen und an den nicht so sehr tiefen Temparaturen.

Zwischendurch steigen wir am Puesto Las Vacas aus, laufen in einer englischsprachigen Gruppe ein Stück und erfahren, warum es hier an einigen Stellen Rinder oder Pferde gibt, obwohl im Nationalpark keine Menschen mehr leben: als der Nationalpark in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts (1937) beschlossen wurde, wurden die wenigen hier lebenden Menschen umgesiedelt – eigentlich mit dem Vieh zusammen. Die Tiere waren aber so schwer vollständig mitumzusiedeln, dass man einige „vergessen“ hat. Im Laufe der Jahrzehnte haben sie sich zu Wildtieren entwickelt, und da sie keine natürlichen Feinde haben, vermehren sie sich recht gut. Zur Zeit leben wohl ca. 3.500 Tiere im ganzen Park. Man müsste sie eigentlich umsiedeln, es fehlt aber das Geld für diese sehr mühselige Aktion.

So schafft es die Vegetation nicht mehr, sich nach den Brandrodungen der frühen Siedler hier wieder zu erholen. Der verbliebene Baumbestand wird immer älter und es wachsen keine jungen Bäume mehr nach, da sie sofort abgefressen werden. In 30 bis 50 Jahren wird das hier ein großes Problem sein, erzählt uns der Guide. Hier scheint es definitv Raum für ein Crowdfunding mit anschließender „Freiwilliges ökologisches Jahr in Patagonien“-Aktion zu geben. Und an die Jagdfreunde unter Euch: Nein, die Tiere sollen und können hier nicht geschossen werden.

Am Perito Moreno Gletscher (in Deutschland lange Bismarck-Gletscher genannt) bleiben wir wirklich lange, sehen aber leider keine größeren Teile abfallen, obwohl das sehr häufig passiert, da er sich täglich etwa zwei Meter fortbewegt. Einen kleinen Platscher bekommen wir allerdings mit.
Aber auch ohne das erhoffte „Kalben“ ist der Anblick des ewigen Eises einfach ein geniales Erlebnis: dieses Blau des Gletschereises, das ja nur aus komprimiertem Schnee besteht, die skurrilen Formen, die monumentale Größe über und unter Wasser, die Breite und Höhe der Eiswand, die im Wasser des türkisfarbenen Sees schwimmenden Eisberge, das bedrohlich tiefe Knacken der Gletscherfront …

Ganz rechts am Bildrand schauen
10% geringere Dichte des Gletschereises als des Wassers bedeutet, dass nur 10% des Eisberges aus dem Wasser schauen. Man sieht also wirklich nur die Spitze des Eisbergs.

An Bord beobachten wir den Tag über zwischendurch immer wieder zwei jüngere Kinder, ein argentinisches Mädchen und einen niederländischen Jungen (oder belgisch?), die die ganze Zeit wunderbar miteinander spielen, obwohl sie kein Wort von dem verstehen, was sie zueinander sagen. Viktor muss an diesen Videoclip denken:

Frage: Gibt es in Deinem Kindergarten viele Ausländer?
Antwort des Kindes: Nein da sind nur Kinder!

Wir haben heute einen Tag mit wenig Wind und ruhigem Wasser, was uns sehr entgegen kommt, dafür ist es nicht sehr sonnig und ziemlich kalt.

Um 17 Uhr landen wir wieder an Land und werden im Bus zum Hotel zurückgebracht, nachdem wir einige andere zu den abgelegensten Hotels gefahren haben, und so ist es halb sieben, als wir zurück sind.

Auf der Busfahrt erleben wir noch etwas Lustiges: Nach uns steigt vorne ein deutschsprachiges Paar in den Bus, das ungefähr in unserer Altersklasse sein dürfte. Er geht vor und fragt, auf welche Seite des Busses sie denn gerne möchte. Sie antwortet “rechts” und er geht kurz hinter der Mitte des Busses logischerweise in Laufrichtung nach links und setzt sich ans Fenster. Es entspinnt sich zwei Reihen hinter uns ein lustiger Dialog darüber, wo denn im Bus „rechts“ sei, und dass man seiner Meinung nach die Seite des Busses natürlich in Fahrtrichtung angibt, er also sehrwohl den Platz rechts gewählt habe. Wir grinsen uns an, denn das kommt uns sehr bekannt vor. Jutta hat als Navigatorin unterwegs häufiger angesagt, wir müssten uns eher links halten, meinte damit aber auf einer genordeten Landkarte den Westen (denn so zeigt Komoot die geplante Route nun mal auf einer Karte an). Dieser Westen lag aber meist in Fahrtrichtung rechts von uns, da wir hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung unterwegs waren. Viktor war jedesmal entsprechend verwirrt. „Ach … das andere Links!“ 😂

Samstag 1.3.25 – El Calafate

Wir schlafen aus, denn Viktor ging es gestern nicht so richtig gut. Wir waren früh und ohne Abendessen im Bett. Erst um 9 Uhr erscheinen wir beim Frühstück.

Nach dem Frühstück gehen wir einmal die Hauptstraße von El Calafate entlang und schauen in den einzelnen Agenturen nach weiteren Touren und Wanderungen, die wir noch unternehmen wollen. Insbesondere suchen wir nach einer Tour, die uns noch erlaubt, El Chaltén zu besuchen und eine Wanderung zum Berg Fitz Roy bzw. Cerro Chaltén zu unternehmen, die uns ja vorgestern auch nochmal von Johanna und Loik empfohlen wurde. Nach längerem Überlegen entscheiden wir uns dann für eine eigenständige Busfahrt und selbstgeführte Wanderung, bei der wir uns dann tagesformabhängig entscheiden können, wie weit wir wandern wollen. Die Bustickets kaufen wir direkt im Stadtbüro von CalTur. Der junge Mann hat einen Geldschein-Zählautomaten auf dem Schreibtisch stehen, denn viele Touristen zahlen bar und alle haben das gleiche Problem, das wir in den letzten Wochen hatten: Sie haben bündelweise 1.000-Peso-Scheine, mit denen sie die Bustickets bezahlen. Wir zahlen unsere Tickets heute aber nicht mit 152 Scheinen sondern nutzen unsere Kreditkarte.

Nachdem das erledigt ist, gehen wir erstmal einen Kaffee trinken und suchen online noch nach weiteren Touren, die uns hier interessieren könnten, weil wir schnell entscheiden müssen, ob wir noch mehrere Touren im Nationalpark unternehmen werden, denn die Eintrittskarten-Preise sind etwas kompliziert gestaffelt. Der erste Tag kostet 45.000 Pesos, der zweite Tag 22.500, aber nur bei Vorlage der ersten Eintrittskarte und auch nur innerhalb von 48 Stunden nach dem ersten Besuch, drei Tage kosten 90.000 (aber nur beim Online-Kauf), sind dann aber beliebig innerhalb eines Jahres nutzbar. Und dann gibt es noch 7-Tage-Pässe. Da wir nur noch zwei weitere Eintritte benötigen, werden wir wohl nochmal eine Tageskarte zum vollen Preis und eine weitere zum halben Preis kaufen müssen. Wenn man einmal nicht mehrere Tage im voraus plant und spontan bzw. flexibel sein will, fällt man doch gleich wieder finanziell auf die Nase … na ja.

Die nachfolgende Aktivität in der Yeti Bar, die wir online finden, buchen wir dann lieber nicht, obwohl Viktor die Eisbar schon interessiert hätte. Aber da wir dort mit Flaschen jonglieren müssten, um Spirituosen probieren zu dürfen, lassen wir es lieber 😉 :

Die Groß- und Kleinschreibung ist schon wichtig. „Sie“ oder „sie“ jonglieren mit Flaschen?

Heute ist das Wetter hier sensationell gut. Strahlender Sonnenschein und wenig Wind. Eigentlich wäre es ideal zum Radfahren gewesen, was wir eigentlich auch noch mit geliehenen Fahrrädern vorhaben. Stattdessen wollen wir heute ins Glaciarium Museum, eigentlich eher etwas für mieses Wetter, aber wir haben für heute nichts weiteres geplant. Vom Stadtzentrum gibt es einen stündlichen kostenlosen Shuttlebus, den wir um 14 Uhr nehmen.

Wir sind völlig überrascht, am Eingang des Museums eine ostfriesische Wetterstation vorzufinden. Bei genauerem Hinschauen stellen wir aber fest, dass die uns bereits bekannte Version hier in Patagonien um Erdbeben und Tornados erweitert wurde.

Für das Glaciarium kaufen wir die etwas teurere Kombikarte, in der auch ein Besuch inklusive Getränk in der „Glaciobar“ enthalten ist. Diese befindet sich im Keller und ist auf gemütliche -18 Grad Celsius temperiert.

Zunächst gibt es aber eine kurze Führung durch die Ausstellung, und wir erhalten die wichtigsten Erklärungen zur Gletscherbildung, zum Gletscher Perito Moreno und zu den Patagonischen Eisfeldern (Nord und Süd). Unser Führer ist Glaciologe, eine Fachrichtung, die es noch nicht sehr lange gibt. Hier erfahren wir auch, dass der Perito Moreno Gletscher nicht nur so bekannt ist, weil er für den Tourismus sehr gut zugänglich ist, sondern auch, weil er in unregelmäßigen Abständen ein ganz besonderes Naturschauspiel bietet, das es so bei keinem anderen Gletscher weltweit gibt. Alle paar Jahre versperrt der Gletscher einen Zulauf zum Lago Argentino und bildet einen natürlichen Eisdamm. Das aufgestaute und immer weiter ansteigende Wasser des Rio Rico lässt dann irgendwann die Gletscherfront aufschwimmen (denn Eis ist leichter als Wasser) und das Wasser kann dann unter der Gletscherfront wieder abfließen. Dadurch wird ein Tunnel in das Eis gespült, der immer größer wird. Irgendwann ist es ein Eistor bzw. eine Eisbrücke, die dann unter großem Getöse kollabiert.

Am Ende der Führung gibt es einen zehnminütigen Film zu sehen, der wirklich gut gemacht ist und dieses Naturschauspiel mit dramatischer Musik und einem sonoren Männerstimmen-Kommentar aus der Ich-Erzähler-Perspektive des Gletschers untermalt.

Danach können wir die Ausstellung selbstständig besuchen und zwischendurch (um 15:30) die Glaciobar besuchen, denn Letzteres geschieht nur in festgelegten Gruppen, die vorher warme Kleidung und Handschuhe erhalten. Die Getränke werden in Bechern aus echtem Eis serviert und wir trinken mit Strohhalmen, damit wir nicht am Becherrand festfrieren können.

Beim weiteren Rundgang erfahren wir, dass es ein Insekt gibt, dass hier in den Gletschern lebt. Es heist Andiperla und ernährt sich von Algen.
Auch die Erklärung für die blaue Farbe des Gletschereises erhalten wir hier: Das Eis ist durchsichtig und nur die blauen Anteile des Sonnenlichtes (angeblich die energiereichsten) kommen durch. Alle anderen Wellenlängen werden herausgefiltert. Je nach Dicke des Eises ergeben sich auf diese Art viele verschiedene leuchtende Blauschattierungen, also sozusagen „50 Shades of Blue“.

Nach einem abschließenden Besuch im Museumscafé geht es mit dem Shuttle zurück in die Stadt. Wir bestellen für unsere morgige Aktivität an der Rezeption Lunchpakete, gehen noch ein paar Getränke und Snacks kaufen und beenden den Tag schließlich in einem der Parrilla-Restaurants, das patagonisches Lamm vom Grill serviert, aber auch ein paar vegetarische Optionen (Risottos, Grillgemüse, etc.) anbietet.

Tja … die Inflation …

Sonntag 2.3.25 – El Calafate

Wir haben für heute eine Tour gebucht, mit der wir auf den Paserelen am Perito Moreno Gletscher „wandern“ werden, deshalb müssen wir wieder zeitig frühstücken. Um halb acht werden wir von Iceberg-Tours abgeholt. Eigentlich haben wir die englischsprachige Version reserviert, da aber elf von zwölf spanischsprachig sind, verzichtet Jutta auf die Übersetzung.

Lucrecia macht ihren Fremdenführer-Job voller Elan und Motivation und beantwortet uns zudem noch so manche Frage. Wir fahren mit dem Bus quer durch ein sehr breites Tal, das in der letzten Eiszeit durch einen Gletscher geformt wurde und daher eine U-Form besitzt. Hier befinden wir uns noch im Regenschatten der Andenkette und die Vegetation ist noch reine Steppe. Die asphaltierte Straße wurde nur gebaut, um den Touristen eine Anfahrt zum Perito Moreno Gletscher zu ermöglichen. Entlang der Strecke sind abschnittsweise Weiden-Alleen gepflanzt, die die Straße vor dem heftigen Wind schützen sollen.

Im Nationalpark wird die Landschaft bergiger und wir kommen in die typischen Nothofagus-Wälder (Scheinbuchen) der Anden, die hier schon deutlich mehr Regen abbekommen. Während El Calafate gerade mal 250mm pro Quadratmeter im Jahr erhält, sind es hier schon 1.500mm. Jenseits der Andenkette auf der chilenischen Westseite sind es dann 3.000mm und in den Regenwäldern der gemäßigten Zonen, die wir in Chile kennengelernt haben, sogar 10.000mm und mehr.

Auf der Fahrt bemerken wir den sich bereits herbstlich verfärbenden Wald und Lucrecia merkt an, dass dies in diesem Jahr besonders früh passiert. An der Strecke sehen wir außerdem ein Stinktier und mehrere Feldhasen. Letztere wurden vom Menschen hier eingeschleppt, um weiterhin dem Hobby der Jagd nachgehen zu können, heute werden sie aber nicht mehr gejagt, denn niemand will sie essen. Wir erfahren ebenfalls, dass es in dieser Region nur ein Condor-Paar gibt, denn die nötigen Aufwinde für ihren Segelflug gibt es hier eigentlich nicht.

Als wir uns mit Lucrecia über unsere Sabattical-Tour unterhalten ist sie sehr interessiert und beglückwünscht uns mehrfach. Sie ist schon viel als Backpackerin gereist, auch alleine in muslimischen Ländern und in Asien (u.a. Indien), und hat ebenfalls nie schlimme Erfahrungen machen müssen. Außerdem ist sie Triathletin und trainiert gerade auf den halben Ironman. Sie erzählt uns von Eiswasser-Schwimm-Wettbewerben im Lago Argentino, an denen sie regelmäßig teilnimmt. Es werden ohne Anzug bei Wassertemperaturen zwischen 4 und 9 Grad Celsius Strecken von 25, 50 und 100 Metern geschwommen. Als „Eiswasser“ zählt alles unter 7 Grad Celsius. Demnächst gibt es auch ein Eiswasser-Langstecken-Rennen (10 – 25 km Strecken) in einem nahegelegenen Fluss. Dabei schwimmt man aber im Anzug und mit Handschuhen.

Nach 90 Kilometern Kleinbus-Fahrt – die Hälfte davon schon im Nationalpark – kommen wir erst an der unteren Station (mit Anleger, Restaurant, großem Parkplatz) an, werden dann aber noch zur oberen gefahren, wo es ebenfalls ein Restaurant gibt und drei verschiedene „Wanderwege“ losgehen, gelb, rot und blau.

Lucrecia läuft mit uns zum Fahnenplatz, erklärt uns, wie wir am besten gehen und dass wir um 14 Uhr unten wieder eingesammelt werden. Die Paserelen sind Wege aus Metallgitter mit Geländer, immer in Elementen mit sechs Stufen, wenn es rauf oder runter geht, und an den Pfosten sind Kreise mit der entsprechenden Farbe. Immer wieder gibt es Pläne, wo man sich gerade befindet und Tafeln mit Informationen zum Perito Moreno Gletscher, den patagonischen Eisfeldern und zur Flora & Fauna der Region.

Der Gletscher macht fast durchgängig richtig laute Geräusche – Knacken, Donnern, Knallen – und von den verschiedenen Balkonen hat man ständig wechselnde Sichten auf den Gletscher und ganz andere Perspektiven als vom Boot aus. Wir finden, diese Tour ist eine richtig gute Ergänzung zu der Bootstour und dem Glaciarium Museum.

Um halb eins machen wir uns über den blauen Weg auf den Rückweg nach unten, weil er eine Stunde dauern soll und wir noch einen Kaffee trinken wollen. Als wir unten ankommen ist es mal gerade ein Uhr, also haben wir noch viel Zeit. Im Restó del Glaciar trinken wir während einer musikalischen Darbietung eines jungen Streicherensembles aus El Calafate einen kleinen, vergleichsweise teuren Kaffee und ziehen danach um in den Selbstversorgerbereich, um den Salat aus unserem Lunchpaket zu essen. Sowohl das Maisöl als auch die Mayonnaise sind schon länger abgelaufen, die MHDs sind 12/23 bzw. 06/24. Viktor schaut etwas genauer nach, weil ihm das Öl ranzig vorkommt. Da hat wohl jemand nicht aufgepasst – wir melden es später an der Hotelrezeption und sind schon ganz gespannt auf unser morgiges Lunchpaket.
Als Viktor seinen 300-Gramm-Cofler-Block aus dem Rucksack holt, kommen wir ins Gespräch mit den Zwei vom Nachbartisch. Sie kommen aus Cordoba in Zentral-Argentinien, wo diese Milchschokolade mit Erdnüssen hergestellt wird. Sie sind in zwei Tagen über 3.000 Kilometer Auto gefahren, um das verlängerte Karnevalswochenende für einen Besuch in Patagonien zu nutzen.

Um 14 Uhr beginnen wir die Rückfahrt. Während dieser unterhält sich Viktor intensiv mit einem Argentinier, der in der Erdöl-Industrie arbeitet. Das Gespräch startet mit dessen Frage, ob Merkel denn Sozialistin war, weil Viktor kurz zuvor erwähnt hatte, dass die Mitte-Links-Regierung in Deutschland gescheitert sei und am vergangenen Sonntag eine Mitte-Rechts-Regierung gewählt worden sei. Scheinbar hatte sich die Ampel-Koalition noch nicht bis nach Argentinien herumgesprochen, geschweige denn deren Scheitern Ende letzten Jahres. Es wird ein interessantes Gespräch, in dem wieder mal deutlich wird, wie unterschiedlich doch die Perspektiven sein können. Viktors Gesprächspartner meint, dass es doch schon ein riesiger Fortschritt sei, dass das Erdgas an den Ölfördertürmen jetzt nicht mehr wie früher direkt am Förderturm abgefackelt, sondern aufgefangen und genutzt werde. Dadurch würden schon sehr viel CO2-Emissionen eingespart. Außerdem investiert seine Firma in diesel-freies Fracking, Carbon-Capture-and-Storage-Systeme und hat eine deutsche Geothermie-Firma gekauft. Es geht also richtig voran!

In El Calafate werden wir an einer deutschen Bäckerei herausgelassen, weil direkt daneben ein Reisebüro liegt, das eine Tour in den „Versteinerten Wald“ in der Nähe anbietet, die Lucrecia uns sehr empfohlen hat. Wir trinken also erst einmal noch einen Kaffee in der German Bakery Pantagonia – es ist niemand an der Theke, der Deutsch spricht – aber es gibt Apfelstrudel, Bretzeln und deutschprachige Bücher in der „Leihbücherei“ im Regal.

Nebenan reservieren wir für unseren Abreisetag die „petrified forest“ Tour. Der Veranstalter ist sehr stolz darauf, seit vielen Jahren einziger Anbieter dieser Tour zu sein, die über ein Privatgelände führt. Dort liegen angeblich noch sehr viele unerforschte Fossilien, mehr oder weniger offen auf dem Boden herum. Sogar Dinosaurierknochen (ein Femur) sollen dabeisein. Er hat überwiegend Interessenten aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich) und aus Belgien, die sich besonders für diese Fossilien zu interessieren scheinen. Für ihn ist diese Tour neben den Gletschertouren „die wichtigste“ in El Calafate.
Er hat italienische Vorfahren und erzählt uns davon, dass er kürzlich in Sizilien war, um seine italienische Staatsbürgerschaft zu erneuern, denn seine Kinder leben in Spanien und den U.S.A., deshalb will er sich alle Optionen offen halten. Er scheint kein Fan von Präsident Milei zu sein.

Im Hotel ruhen wir uns etwas aus, bevor wir um etwa 18 Uhr losgehen, um uns Wanderstöcke für morgen auszuleihen und zu essen. Nach mehreren Geschäften, die entweder nur Stöcke zum Verkauf anbieten oder gar keine haben, erfahren wir von einer Verkäuferin, dass wir auf den geplanten Wegen gut ohne Wanderstock laufen können. Also lassen wir das Projekt und laufen statt dessen zum Busbahnhof, damit wir wissen, wie wir morgen früh dorthin kommen.

Auf dem Rückweg gehen wir am Aussichtspunkt vorbei, oben auf einem sehr steilen Hügel mit ständig dort stehendem riesigen Metall-Weihnachtsbaum. Anschließend essen wir in „La Zorra“ – Die Füchsin – zu Abend.

Im Zimmer lassen wir den Tag Revue passieren und versuchen, zeitig schlafen zu gehen.

Woche 47 (17.2.25 – 23.2.25) – Puerto Natales – Ushuaia

Montag 17.2.25 – Puerto Natales – Ushuaia (Bus)

Wir verlassen das Hostal Nataly gegen sechs Uhr in der Früh, holen das Tandem von gegenüber, bepacken es und fahren zum Busterminal. Ein anderer Gast läuft zu Fuß und kommt fast gleichzeitig mit uns an. In der ziemlich vollen Halle bereiten wir unser Vehikel auf die Busfahrt vor und können dann schon fast zum passenden Bus von Bus Sur aufbrechen.

Ziemlich pünktlich fahren wir um fünf nach sieben los, unsere Plätze sind fast ganz hinten. Auf der Ruta 9 geht es ziemlich parallel zur Grenze nach Argentinien (ein langes Stück ist Ripio, also Schotterstrecke), bis wir dann Richtung Süden abknicken. An einer Tankstelle an der Gabelung mit der Ruta 255 müssen alle, die nach Ushuaia wollen, aus- und umsteigen. Jutta beginnt die Taschen schon zum anderen (falschen) Bus zu tragen, als noch ein weiterer einfährt, und das ist erst der Richtige. Dieser Bus ist etwas kleiner, und dort, wo das Tandem in den Gepäckraum soll, hängt etwas an der Decke, so dass die Höhe etwas zu klein ist – das Tandem muss ein wenig schräg stehen. Aber diese störende Box ist wohl für das WIFI zuständig, das es in diesem Bus tatsächlich einmal während der gesamten Fahrt gibt, dafür nimmt man das gerne in Kauf.

Um halb zehn fahren wir (weiter vorne sitzend) mit dem zweiten Bus weiter. Um 10:40 Uhr kommen wir nach einem Abbiegen auf die R-257 an einer gerade abgefahrenen Fähre an, die über den „Estrecho der Magellan“ – die Magellan-Meerenge fährt. Erst heißt es, wir dürften nicht aussteigen, aber da das Warten eine Stunde dauert, können wir doch noch einen Kaffee trinken und die Toilette benutzen. Auf der Fähre können wir im Bus sitzen bleiben entgegen der Vorhersage der Busgesellschaft. Die Überfahrt dauert nur 15 Minuten, aber wir sind durch die Warterei erst um 12:20 Uhr am anderen Ufer, auf der Insel „Feuerland“ – „Tierra del Fuego“. Weiter geht es!

In der versteppten Landschaft leben viele Guanacos und Nandus, die wir im Vorbeifahren zwar gut sehen, aber aus dem Bus schlecht fotografieren können. Rinder, Schafe, Pferde und natürlich viele Vögel (neben den Nandus) gibt es zwar auch, aber die sind nichts Besonderes…

Die Fahrt führt uns heute wieder nach Argentinien, und der Grenzübertritt dorthin ist für weitere Verzögerungen verantwortlich: einige Kilometer vor der Grenze ist die Chilenische Kontrolle (Complejo Fronterizo San Sebastián), wo viel zu viele Menschen in einem kleinen Raum darauf warten, ihre „PDI“ (Ausdruck des Einreisedatums) abgeben zu können – das dauert schon einmal fast eineinhalb Stunden. Dann fahren wir etwa 15 Minuten über eine schlechte Straße, deren Nummer sich an der Grenze ändert, bis zur Argentinischen Kontrolle (Módulo egreso San Sebastián), wo wieder alle anstehen, was hier aber wesentlich schneller geht, obwohl man sogar eine Adresse in Argentinien angeben muss. Und obwohl wir längst alle im Bus sitzen, bleibt der Bus noch sehr lange dort stehen, aus wechem Grund auch immer. Wenigstens konnte sämtliches Gepäck im Bus bleiben, also erfolgt hier keine Röntgenkontrolle wie bei der Einreise nach Chile.

Dank dem WIFI können die Fahrgäste jetzt schon absehen, dass wir wohl nicht nach den versprochenen elf Stunden in Ushuaia ankommen werden, sondern erst nach dreizehn Stunden. Etwas Puffer hat Bus Sur also wohl schon eingeplant!

Die lange versteppte, karge, platte Landschaft wandelt sich auf Feuerland, je näher wir dem Ziel kommen: erst Bäume (z.T. mit Flechten bewachsene), dann auch Berge, zum Teil mit schneebedeckten Gipfeln und Hängen.

Um 20 Uhr sind wir am kleinen Busterminal von Ushuaia. Wir machen das Tandem wieder fahrbereit und brechen zu einem reservierten AirBnB auf – das erste Mal nutzen wir diese Plattform und es geht auch prompt etwas schief. Wir haben statt des gewünschten großen „Atila“ das kleinste „Calido Studio“ gebucht. Der Parkplatz zu dem Appartmenthaus ist verschlossen, also geht Jutta erst einmal zur Wohnung. Als die Tür geöffnet ist, kommt aus dem einen Zimmer (reserviert hatten wir eigentlich zwei – dachten wir) total heiße Luft – tja „Calido Studio“ bedeutet übersetzt auch „Warmes Studio“. Die Fussbodenheizung heizt wie verrückt, obwohl das Thermostat auf „AUS“ gestellt ist. Einen weiteren Schlüssel für das Tor gibt es nicht, aber nach einigem Geschreibe mit dem Vermieter bekommen wir das Tandem durch das Haus hinten auf den Parkplatz. Da es in dem Zimmer nur ein Bett gibt, aus dem man noch ein niedrigeres wie eine Schublade herausziehen kann, und die einzige Möglichkeit, es kühler zu bekommen, das Öffnen der Fenster ist (Tipp vom Vermieter! Wir fühlen uns an DDR-Zeiten erinnert), buchen wir uns für die weiteren Nächte ein Hotelzimmer. Viktor geht abends um 21:30 Uhr los und besorgt Pizza und Getränke, mit denen wir den Tag dann beenden.

So wird die Ankunft am geplanten Zielort unserer langen Tour dann doch deutlich unspektakulärer als man sich das unterwegs manchmal ausgemalt haben mag. Das Eingangstor nach Ushuaia mit dem Namen der Stadt passieren wir mit dem Bus statt auf unserem Tandem. Wir sind nicht völlig erschöpft, auch nicht vom patagonischen Wind mehrfach von der Straße geweht worden, und nicht bis auf die Haut durchnässt und durchgefroren.

Wir wollen jetzt etwa eine Woche in Ushuaia bleiben, denn es gibt einiges zu sehen am „Ende der Welt“. Natürlich wollen wir auch noch ein wenig ohne Gepäck mit dem Tandem unterwegs sein, um das „Ende der Welt Schild“ und das Eingangstor der Stadt zu besuchen. Vielleicht bleiben wir auch länger, denn es gibt von viertägen Wanderungen bis zu mehrwöchigen Antarktis-Kreuzfahrten hier auch längere Abenteuer zu erleben. Bis zum 14. März, unserem Abflugtermin aus Buenos Aires, bleibt uns noch einige Zeit. Wir werden uns sicher eine Woche oder länger für Buenos Aires nehmen, denn wir haben auf dieser Tour auch gelernt, dass uns die größeren Städte meist positiv überraschen (z.B. Medellin, Valpariso, Cali).

Sollte uns noch mehr Zeit bleiben, haben wir auch noch El Calafate und die umgebenden Nationalparks als mögliche Zwischenstation vor dem Inlandsflug nach Buenos Aires ins Auge gefasst. Dorthin könnten wir über Punta Arenas mit chilenischen Bussen reisen (die – anders als die argentinischen – Fahrräder problemlos mitnehmen) und sie haben einen größeren Flughafen mit guten Verbindungen nach Buenos Aires.

Der Inlandsflug in Argentinien könnte sich aber auch noch als echtes Problem herausstellen, denn alle Airlines haben ein 15 kg oder 23 kg Limit für das Gepäck. 32 kg für Fahrräder, die wir mit dem Tandem nur knapp einhalten können (mit einem 10-kg-Extra-Karton abgebauter Zubehörteile), haben wir auf keiner Webseite gefunden. Sicherheitshalber haben wir gestern aus dem Bus schon per E-Mail ein Angebot der Luftfracht-Abteilung von Aerolineas Argentinas erbeten.

Dienstag 18.2.25 – Ushuaia

Irgenwann in der Nacht wird es in dem kleinen Apartment bei offenem Fenster dann doch wieder kühl genug, dass wir das Fenster schließen können. Die Fussbodenheizung scheint aber immer noch weiter zu heizen, nur nicht mehr so stark wie gestern abend.

Jutta ist schon früh wach, kann aber erst um 9:00 Uhr im Carrefour einkaufen gehen. Sie besorgt Brot (Baguette-ähnlich), Frischkäse und Käsescheiben fürs Frühstück, das wir auf Pastatellern einnehmen. Dazu gibt es den vorletzten Bünting-Schwarztee. Die Teebeutel sind in der Radtasche derartig vertüdelt, dass wir nach mehreren Minuten aufgeben und drei Teebeutel in die Kanne hängen und zwei außen hängen lassen. Später kommt ein Messer zum Einsatz, um die übrigen Teebeutel beim nächsten Mal verwenden zu können.

Zur Feier unserer Ankunft in Ushuaia packt Viktor seine letzte frische Rasierklinge auf den Nassrasierer, die nun schon über 10 Monate im Gepäck war. Die vergangenen zwei Wochen war das Rasieren mit der vorletzten stumpfen Klinge nicht mehr wirklich angenehm, was auf einigen Selfies auch erkennbar ist. Heute gibt es endlich wieder eine schmerzfreie und glatte Rasur.

Wir lassen uns beim Packen viel Zeit, denn wir wollen heute eigentlich nur zum „Fin del Mundo“- Schild am Passagierhafen, ins Museum und eventuell zum Flughafen, um das Flugticket nach Buenos Aires zu kaufen und gleichzeitig die Tandem-Frachtproblematik zu lösen. Außerdem ziehen wir aus dem AirBnB in das Hotel Austral um. Wir konnten das AirBnB stornieren (bis auf die ersten zwei Nächte) und gehen doch lieber in ein Hotel mit Doppelbett und Frühstück.

Da wir ab 12:30 Uhr einchecken können, machen wir uns gegen Mittag auf dem wieder komplett gepackten Tandem auf den Weg zum Hotel. Vorher essen wir noch so viel von den gestrigen Pizzen, wie wir schaffen können, aber leider landet einiges im Müll, denn sie ist kalt noch ungenießbarer als gestern. Der Weg zum Hotel führt am Ufer entlang und wir kommen an den großen Ushuaia-Buchstaben vorbei, die wir natürlich für ein Foto nutzen. Da wir schon mal dabei sind, fahren wir auch gleich noch ein Stück weiter und machen auch am „Fin del Mundo“-Schild ein Foto mit bepacktem Tandem.

Da dort auch direkt die Ticketbuden für die Schiffstouren sind, informieren wir uns über die angebotenen Touren und erhalten überraschenderweise die Info, dass für die nächsten zwei Tage so starke Winde vorhergesagt sind, dass die Schiffstouren aller Voraussicht nach im wahrsten Sinne des Wortes „abgeblasen“ werden müssen. Wenn wir sicher gehen wollen, sollen wir lieber heute noch die Pinguin- und Seelöwen-Tour durch den Beagle-Kanal vor Ushuaia machen. Spontan, wie wir in diesem Jahr nun mal sind, kaufen wir sofort die Tickets für die 15:00 Uhr-Tour.

Wenn wir vorher noch einen Kaffee trinken wollen, müssen wir uns jetzt aber ranhalten und im Hotel einchecken, denn ab 14:30 können die Fahrgäste an Bord gehen. Punkt 15 Uhr wird abgelegt. Wir machen uns also auf den Weg zum Hotel Austral, dass zweieinhalb Straßenblöcke vom Ufer entfernt liegt. Als wir in die Straße einbiegen schauen wir auf eine Steigung, die uns stark an San Francisco erinnert. Die letzten zwei Straßenblöcke sind derartig steil, dass wir bereits weit davor absteigen, um zu schieben. Viktor hat wirklich Bedenken, ob wir das überhaupt schaffen können, oder möglicherweise jetzt erstmals die Taschen abnehmen und einzeln hochtragen müssen, bevor wir das Tandem hinaufschieben können. Kaum beginnen wir zu schieben, kommt von hinten plötzlich eine Frau angelaufen und beginnt, uns beim Hinaufschieben zu helfen.

Wir können es kaum glauben, aber vor uns steht Hanne, die wir auf der Schiffsfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales kennengelernt haben. Sie und ihr Mann Thomas saßen zufällig im Eckcafe unten an der Straße und haben uns gesehen, als wir in die Straße einbogen. Sie sind gestern auch mit Bus-Sur um circa 20 Uhr in Ushuaia eingetroffen, saßen aber in einem anderen Bus. Wir können fast nicht glauebn, dass wir uns gestern an den Grenzkontrollen nicht gesehen haben. Thomas zahlt gerade noch im Café und kommt dann hinterhergespurtet, zu Viert schieben wir das Tandem ratz-fatz bis zum Hotel hinauf. Was für ein genialer Zufall! Die beiden sind ab morgen mit dem Bus unterwegs Richtung Buenos Aires. Letztendlich haben sie sich gegen eine Verlängerung ihrer Tour entschieden, denn sie scheinen zuhause dringender gebraucht zu werden. Schade eigentlich, sonst hätten wir uns vielleicht noch öfter getroffen oder gar Buenos Aires gemeinsam erkundet.

Nach einem nochmaligen herzlichen Abschied von den Beiden (und dem abermaligen Versprechen, sich in Deutschland gegenseitig zu besuchen) checken wir ein – jetzt wirklich unter Zeitdruck, denn natürlich haben wir uns mit Hanne und Thomas wieder völlig verquatscht. Trotzdem schaffen wir es noch auf einen schnellen Kaffee in das Eckkaffee „Ana y Juana“ bevor es zum Anleger geht.

Jutta muss sogar nochmal schnell ins Hotel zurück, denn heute soll die Tablette gegen Seekrankheit dann doch lieber vorher eingeworfen werden. Wir schaffen es rechtzeitig zum Boarding an den Anleger und steigen über ein zweites Schiff hinweg in den Katamaran „Chonek“ von Tolkeyen Patagonia, der uns auf der sehr schönen Pingüinera-Tour durch den Beagle-Kanal an Puerto Williams (dem „wahren Ende der Welt“ auf chilenischer Seite, also noch weiter südlich, das aber nur noch per Schiff erreichbar ist) vorbei zu einer Pinguin-Insel fährt.

Hier ergänzen: , Name Ushuaia Bay that penetrates to the West ,

Die erste Station der Schiffstour ist die Isla de Los Lobos, auf der wir von Bord aus Seelöwen beobachten können. Dann geht es weiter zur Isla de Los Pájaros, auf der wir Kormorane (Cormoran Magallanico oder Cormoran Roquero = Felsenscharbe und Cormoran Imperial = Blauaugenscharbe) und Riesensturmvögel sehen. Die Kormorane sehen an Land fast aus wie Pinguine, sie haben aber Federn und etwas längere Flügel. Sie sind recht schlechte Flieger und fliegen nur in geringer Höhe über der Wasseroberfläche. Dafür sind sie um so bessere Taucher. Die Riesensturmvögel rund um die Insel haben es zu dieser Jahreszeit auf die jungen Pinguine abgesehen, die erstmals alleine ins Wasser gehen und ein wollkommenes Fressen darstellen.

Danach geht es weiter zum Leuchtturm „Les Eclaireurs„, der fälschlicherweise immer wieder als der Leuchtturm am Ende der Welt (Faro del Fin del Mundo) bezeichnet wird und auch auf vielen Souvenirs in Ushuaia so bezeichnet wird. Der wahre „Ende-der-Welt-Leuchturm“, der im Roman von Jules Verne beschrieben wird, ist aber der 300 Kilometer entfernte Faro San Juan de Salvamento. Auf der Insel befinden sich auch noch sehr viele weitere Seelöwen und die Luft riecht so fischig, dass Viktor kurzzeitig denkt, an Bord würden irgendwelche Fischgerichte angeboten.

Dann geht es über eine längere Strecke durch den Beagle-Kanal, der zwischen der Insel „Tierra del Fuego“ (in diesem Teil Argentinien) und der Insel „Navarino“ (Chile) liegt. Der Kanal entstand nach der letzten Eiszeit, als sich ein Gletscher zurückzog und Meerwasser nachströmte. Wir fahren bis zur Pinguin-Insel Isla Martillo, wo wir vom Katamaran aus eine halbe Stunde lang Pinguine (Magellan-Pinguine und Gentoo-Pinguine = Eselspinguine) beobachten können. Die Eselspinguine, die man an den orangenen Füßen erkennen kann, können wir aber beim besten Willen nicht sichten. Dafür stehen zwischen den Pinguinen sehr große braune Vögel, die im Boden picken, und von denen niemand weiss, wie sie heißen.

Wir unterhalten uns auf dem langen Rückweg des Bootes nach Ushuaia mit Samantha aus Rhode Island, die uns gegenüber sitzt und mit einem tiefen Seufzer reagiert, als Viktor auf dem Handy (auf Deutsch) für Jutta die Nachricht vorliest, dass Trump die Journalisten von Associated Press zukünftig nicht mehr im Weißen Haus an Pressekonferenzen teilnehmen lassen wird, weil diese sich geweigert haben, den „Golf von Mexiko“ in ihren Nachrichten zukünftig „Golf von Amerika“ zu nennen. Ihre Mutter stammt aus Polen, und sie will sich jetzt auch mal um ihre polnische Staatsbürgerschaft kümmern, denn sie kann ihre Arbeit für eine US-amerikanische Firma im Bereich „Disaster Recovery“ und Offshore Windenergie von überall dort machen, wo es stabiles Internet gibt. Es ist nicht das erste und vermutlich auch nicht das letzte Mal, dass wir Amerikaner treffen, die mit dem Gedanken spielen, das Land zu verlassen.

Um 20 Uhr landen wir wieder im Touristenhafen von Ushuaia an. Wir gehen sofort im Hard Rock Cafe essen und denken zunächst, dass das die teuersten Burger sind, die wir auf der ganzen Tour gegessen haben werden. In den Folgetagen stellt sich aber heraus, dass hier wirklich alles extrem teuer ist und die Burger auch in anderen Restaurants ebenso teuer sind. Es muss hier unten im tiefsten Süden halt praktisch alles eingeflogen werden. Das hat natürlich seinen Preis.
Viktor hat den „Classic Burger“ bestellt und wundert sich, dass da oben drei Garnelen auf dem Fleischpatty liegen, die es schärfemäßig ganz schön in sich haben – Viktors „Kopfhautjuckgrenze“ ist erreicht. Es stellt sich heraus, dass er den „Surf & Turf Burger“ erhalten hat. Die Bedienung entschuldigt sich, eine Garnele wandert an den Tellerrand und zum Glück zahlen wir später nur den Classic-Preis. Das „gesparte“ Geld wird daraufhin sofort in ein Hardrock-T-Shirt für Viktor investiert 😉

Mittwoch 19.2.25 – Ushuaia

Heute steht ein organisatorischer Tag auf dem Programm. Wir wollen Kartons für unser Tandem besorgen, den Inlandsflug nach Buenos Aires buchen und klären, ob wir unser Tandem mit 32 kg Gewicht überhaupt auf dem Inlandsflug mitnehmen können. Alternativ müssen wir Luftfracht, Versand per LKW oder einen One-Way-Mietwagen nach Buenos Aires in Erwägung ziehen, die entsprechenden Preise herausfinden und entscheiden, was wir mit der restlichen Zeit bis zum 14. März anfangen wollen.

Wir wollen nach dem Frühstück zu einem etwas entfernten Fahrradladen, wo es angeblich gerade große Kartons zu kaufen gibt, wie ein anderer Radfahrer mit Spezialfahrrad aus der WhatsApp-Gruppe gestern geschrieben hat. Beim Verlassen des Hotels gibt uns der Rezeptionist den Tipp, doch erst einmal in der Ferreteria die Straße hoch zu fragen, bzw. an deren Lager (der Herr im Laden sei etwas unfreundlich), dort hätte letztens jemand kostenlose Kartons bekommen. Wir laufen zunächst daran vorbei und können deshalb das beschriebene Tor zum Lager nicht finden, überlegen schon, weiter zu dem Radladen zu laufen, aber Jutta gibt nicht auf und will lieber noch einmal im Hotel fragen. Beim Zurücklaufen entdecken wir doch noch die beschriebenen Gefahrensymbole an einem Tor und klingeln dort. Der Mitarbeiter fährt mit einem großen Aufzug eine Etage nach oben und kommt mit zwei Fahrradkartons zurück. Die sind alleine zwar etwas klein, aber wir müssen eh basteln, und wir dürfen auch noch einmal wiederkommen, wenn wir mehr benötigen.

Als wir die Kartons im Zimmer abgestellt haben, fragen wir als nächstes bei einem Mietwagenbüro nach One-Way-Autos nach Buenos Aires. Dort bieten sie das gar nicht an, nennen uns aber drei andere mit diesem Service und machen uns noch den Vorschlag, das Tandem mit einer Spedition im LKW zu schicken. Bei „Tiger“ erkundigen wir uns nach dem Preis für eine Mietwagen-Ausleihe, entscheiden aber sofort, dass dieses der allerletzte Strohhalm sein muss, so teuer wie das würde. Da war sogar das teure Luftfrachtangebot noch deutlich billiger!

Jetzt machen wir uns zu Fuss auf den Weg zum Flughafen, weil es das Büro von Aerolineas Argentinas im Ort nicht mehr gibt. Die Sonne scheint, der Weg ist immer nur der Straße folgend, also ein schöner Spaziergang. Denkste! Der Wind ist wirklich sehr heftig, in einer Laufrichtung bläst es ins eine Nasenloch hinein und kommt aus dem anderen heraus, ein Gefühl wie eine Kaltwasser-Nasenspülung, aber eben mit Luft. So einen eigenartigen Wind haben wir noch nie gehabt. Die Strecke zieht sich etwas, aber wir kommen irgendwann am Terminal an – mit Sand im Mund und in den Augen, weil es kurz vor dem Ziel eine Baustelle mit kleinem Sandsturm gibt. Wir suchen vergeblich nach Verkaufsschaltern, landen dann an einem Check-In und Viktor erklärt unser Problem. Der Mitarbeiter geht kurz nach hinten, kommt dann mit einer für uns beruhigenden Antwort zurück: Wenn wir beim Einchecken nach Buenos Aires das Lufthansa-Ticket nach Berlin vorzeigen können, gilt auch auf dem Inlandsflug die 32 kg- Gewichtsgrenze, die für Auslandsflüge gilt. Puh! Kein LKW, kein Frachtversand oder gar Mietwagen scheint notwendig! Aber ein Flugticket hier am Flughafen kaufen, das geht heutzutage auch nicht mehr, das sollen wir bitte online machen! Viktor macht zur Absicherung lieber noch ein Foto von dem Mitarbeiter, denn online kann man halt so spezielle Dinge wir das zu schwere Fahrrad nicht anmelden, sonst hätten wir das schon gemacht….

Der Aufenthalt im Terminal ist so kurz und der Weg so weit, dass wir uns für den Rückweg in den Ort ein Taxi nehmen. Dort setzen wir uns ins Café „Tante Sara“ und stellen fest, dass die Preise anscheinend überall in Ushuaia so hoch sind, wie wir es gestern abend erstmals erlebt hatten. Hier kann man ein Continentales Frühstück, also nichts Besonderes, für umgerechnet über 40 € bekommen. Wir machen nur eine – teure – Kaffeepause.

„Cabrales“ ist hier kein Käse, sondern eine Kaffee-Marke

Nachdem wir auf dem Weg zum Hotel noch Tickets für eine Tour in den Nationalpark für morgen gekauft haben, machen wir uns im Zimmer an den Ticketkauf und auf die Suche nach Unterkünften in Buenos Aires. Das dauert sehr viel länger als vermutet, da der Bezahlvorgang häufige Male schiefgeht und wir danach immer alle Daten (Passnummern, Geburtsdaten, E-Mail Adressen, Telefonnummern, etc.) wieder neu eingeben müssen. So kann man einen ganzen Nachmittag herumbringen! Irgendwann haben wir die Flugtickets und auch schon Extragepäck angemeldet und entscheiden, dass wir auch noch nach El Calafate „zurückfliegen“ (über El Calafate nach Buenos Aires geht wegen des Tandems dummerweise nicht, also müssen wir hin und her). Außerdem geben wir AirB&B noch eine Chance und reservieren die Wohnung, die wir von Klemps empfohlen bekommen haben (auch wenn einer der Gründer von AirBnB jetzt gerade ins DOGE-Team von Elon Musk aufgenommen wurde, und die ersten Boykottaufrufe laut werden).

Am späten Nachmittag machen wir uns noch einmal zu Fuss auf den Weg zur „Paseo del Fuego“ Shopping-Mall, um eventuell große Taschen zu finden, mit denen wir unser restliches Gepäck verpacken können. Ein Bürgersteig existiert nur auf Teilen dieser Strecke, und bei dem Sturm muss man teilweise aufpassen, nicht auf die Straße „geweht“ zu werden. Die Mall ist relativ klein, und einen Laden wie eine „Mall Chino“ in Chile, die so große Taschen verkaufen, gibt es hier nicht. In einem Elektroladen bekommen wir aber noch einen großen Kühlschrank-Karton geschenkt. Nach den ganzen WhatsApps hätten wir uns das Besorgen von Kartons tatsächlich wesentlich schwieriger vorgestellt… Der Rückweg mit diesem Karton geht auch etwas besser als gedacht, da der Wind inzwischen abgeflaut ist. Wir hatten schon überlegt, dass Jutta (hinten) den Karton loslässt, wenn sie ihn nicht mehr halten kann, und Viktor (vorne) ihn dann entweder windabgewandt halten kann oder auch loslässt, aber wir kommen relativ gut zurück ins Zentrum. Dort kaufen wir in einem „Free Store“ sogar noch eine große Tasche zum Ausprobieren, ob sie groß genug für zwei große und eine kleine Radtasche ist, und bringen dann beides ins Hotelzimmer.

Danach machen wir uns sofort zum Abendessen auf den Weg. Während diesem fragen wir in diversen Läden nach einer Waage, weil wir unser Gepäck ja irgendwie wiegen müssen, und finden eine kleine Kofferwaage, die bis 50 kg wiegen kann. Essen tun wir im Barcelit 1912: Juttas Spagetti mit Tomatensauce sind die Geschmacklosesten, die man sich vorstellen kann, und Viktors Wolfsbarsch mit Roquefort-Sauce ist zwar ganz lecker, hat aber so viele Gräten, dass Viktor sich an seinen Opa erinnert: „Da isst man sich ja hungrig“ (eigentlich auf Fondue bezogen).

Donnerstag 20.2.25 – Ushuaia

Um halb zehn Uhr hat Viktor ein Telefonat mit einer Journalistin von der NRZ, die ihn interviewen will. Sie hat den Link zu diesem Blog erhalten mit der Information, dass er aus Duisburg stammt. In zwei Tagen soll ein Artikel in der Zeitung stehen, die im westlichen Ruhrgebiet unter dem Namen Neue Ruhr Zeitung und am Niederrhein als Neue Rhein Zeitung erscheint. Dieses Telefonat dauert so lange, dass wir noch nicht beide abfahrbereit sind, als wir gegen zwanzig vor elf zu unserer heutigen Tour abgeholt werden – wir müssen heraustelefoniert werden. Nachdem noch einige andere Unterkünfte angefahren sind und der Van voll ist, geht die Fahrt in Richtung des Nationalparks Tierra del Fuego.

Obwohl Jutta (wegen der unerwünschten Müdigkeit) keine Reisetablette genommen hat, geht es ihr während der Fahrt erstaunlich gut: sie kann vorne auf die Straße gucken und Caesar, der Fahrer, fährt sehr, sehr vorsichtig und mit angepasster Geschwindigkeit über den kurvenreichen Schotter. Geht doch! 🙂
Der erste „Halt“ ist am Parkeingang, wo alle ihr Ticket vorzeigen bzw. noch kaufen müssen. Ziemlich schnell kommen wir zur Ensenada Zaratiegui, einer Bucht im Beagle-Kanal, mit schönen Ausblicken und einem Postamt. Wir lassen unsere Pässe stempeln und Jutta schreibt eine Postkarte. Der dort arbeitende ältere Herr hat mütterlicherseits sowohl katalanische als auch baskische Wurzeln (wie Viktor), väterlicherseits sizilianische – und er arbeitet jetzt hier am Ende der Welt.

Von hier fahren wir weiter zum Ende der Ruta-3/Panamericana, wo auch ein klitzekleiner Hafen mit eigenem Namen (Puerto Arias) liegt, und wo wir Chile ganz in der Nähe im Rücken haben.

Wir sind mit dem Tandem ja schon am Kilometer Null der Panamericana gewesen – in Quellón auf der Chiloé-Insel. Aber Argentinien und Chile haben wohl beide eine Panamericana und ihre eigenen „Nullpunkte“ definiert. Und dieser Nullpunkt heute liegt definitiv weiter südlich. Man kann ihn allerdings über Land nur auf Straßen durch Chile erreichen, da auf der Argentinischen Seite das offene Meer zu überqueren wäre, auf dem wetterbedingt keine Fähre fahren kann.

An einer Station machen wir eine kurze Einkehrpause mit Blick auf einen See, und an den sehr windigen und aufgewühlten „Lago Roca“ (oder Lago Acigami) fahren wir danach dann auch.

Der letzte Programmpunkt der Tour ist die Fahrt mit dem „Tren del Fin del Mundo“ , die zu den beliebtesten Touristenattraktionen der Welt gehören soll (unter den oberen 10%). Die Strecke wurde von 1909 bis 1952 von einem Gefängniszug befahren, denn Ushuaia begann als Strafgefangenenkolonie und bestand nur aus Gefangenen (zum Teil mit ihren Familien) und ihren Wärtern (mit ihren Familien). Die Gefangenen mussten die Wälder in der Umgebung als Energiequelle für Strom und Heizung abholzen und das Holz mit dem Zug nach Ushuaia schaffen. Entlang der Gleisstrecke sehen wir noch die Baumstümpfe, die aus dieser Zeit stammen. An der Höhe der Stümpfe und der Schnittfläche ist noch zu erkennen, wie hoch der Schnee gerade lag, und mit welchen Werkzeugen (Axt oder Säge) die Bäume gefällt wurden.
Seit 1994 wird eine Teilstrecke als Touristenattraktion mit modernen Diesel- und Dampfloks betrieben (der Dampf wird mit Kerosin erzeugt statt mit Kohle). Und genau wie eine Touristenattraktion fühlt es sich hier heute auch an: es ist sehr voll, verkleidete Sträflinge bieten lustige Erinnerungsfotos an (die erstaunlich viele auch tatsächlich kaufen), der Zug (und mindestens sieben weitere, die im Abstand von 15 Minuten fahren) ist bis auf den letzten Platz besetzt, mit Kopfhörern in acht Sprachen. Nach kurzer Fahrt wird am Bahnhof Macarena gehalten, wo dann alle zum Wasserfall hochlaufen, um dort Bilder zu machen, und danach geht es im Zug weiter bis zur Endstation im Nationalpark.

An der Parkstation werden wir wieder von Pablo und Caesar eingesammelt und dann nur noch zurück in die Stadt gefahren.

Da wir am Zug alle einen Gutschein für eine heiße Schokolade bei „Laguna Negra“ bekommen haben, gehen wir auf dem „Nachhauseweg“ noch eine solche trinken. Im Hotel arbeiten wir etwas am Blog und brechen um 20 Uhr auf in die Brixbar zum Abendessen, weil wir auch für diese einen 10%-Gutschein haben. Die Karte ist sehr vielfältig und es ist sogar relativ preiswert, auch ohne den Discount (der Mensch an der Kasse hat allerdings statt des teuren dunklen Bieres nur eine günstige Süßigkeit, einen „Alfajor negro“, berechnet, das haben wir heute mal nicht berichtigt…)

Freitag 21.2.25 – (182) – Ushuaia

Heute radeln wir die letzten Kilometer dieser Tour durch Ushuaia, um noch einmal zum Ortseingang zu fahren und wenigstens das Einfahrtstor nach Ushuaia nochmal aus einer anderen Perspektive zu sehen als nur aus dem Busfenster heraus.

Vorher versuchen wir noch, ein Hotel am internationalen Flughafen von Buenos Aires (EZE) zu finden, das bereit wäre, unser Tandem für gut zwei Wochen (25.2. bis 14.3.) aufzubewahren. Alternativ wollen wir am Flughafen fragen, ob eine Lagerung dort – ähnlich wie am BER – gegen Gebühr möglich wäre. Ein Telfonat mit den Guga Suites macht zunächst Hoffnung.

Die etwa sieben Kilometer bis zum Ortseingang fahren wir bei Sonnenschein und Wind an der Küstenstraße. Der Wind scheint aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen, auch die Oberfläche des Wassers sieht irgendwie so aus. Am Ortseingang machen wir ein paar Bilder, kleben einen Aufkleber zu den vielen anderen an einen Mast und unterhalten uns mit einem Churros-Verkäufer, der uns beim Kommen gefilmt hat.

Dann beschließen wir, denselben Weg zurückzufahren. In dieser Richtung ist die Straßenqualität um einiges schlechter, da es aber mehr abwärts geht, sind wir trotzdem um einiges schneller.

Im Zentrum fahren wir weiter bis zu einem Damm auf die gegenüber liegende Seite, um noch eine andere Perspektive auf die Stadt zu haben.

Nach einer Kaffeepause im Ana & Juana wollen wir beginnen, das Tandem auseinanderzubauen und transportfertig in Kartons zu packen. Der Hotelbesitzer erlaubt es nicht im großen Flur, also stellen wir uns in einen Hauseingang gegenüber, der so groß ist, dass wir keinen Durchgang versperren. Das Abschrauben der extra zu transportierenden Teile geht recht zügig, bis wir an die Pedalen kommen.

Den Pedalschlüssel haben wir irgendwann auf das Drängen von Jutta zurückgeschickt, und ohne diesen großen Hebel bekommen wir die Pedale nicht lose (Viktor gibt zu, dass es trotzdem die richtige Entscheidung war). Viktor schiebt das Tandem also zu einem Fahrradladen, bei dem wieder einmal die Öffnungszeiten bei GoogleMaps nicht stimmen – er macht erst ab 16:30 Uhr wieder auf.

In der Zwischenzeit bringt Jutta also noch einmal Wäsche weg und kauft Powertape, und wir verpacken schon einmal Juttas Fahrradsitz (das größte Problem) und alle kleineren Teile in einer Tasche. Zur rechten Zeit geht Viktor noch einmal zum Radladen, wo sofort die vier Pedale gelockert werden. Jetzt nehmen wir das Tandem mit in unser geräumiges Zimmer und beginnen, die Kartons zurechtzubasteln. Außerdem misten wir schon ein paar Dinge aus, die wir nicht mit zurücknehmen werden.

Inzwischen hat sich auch das Hotel aus Buenos Aires zur Lagerung des Tandems bereit erklärt, so dass wir die Nächte dort auch jetzt buchen. Und sie sind sogar bereit, uns mitten in der Nacht mit all unserem Gepäck am Stadtflughafen abzuholen, dann müssen wir kein ausreichend großes Taxi suchen.

Da es inzwischen stark regnet, wollen wir zum Abendessen nicht so weit laufen. Das Nächstgelegene ist der Irish Pub „Dublin„. Wir sind ein paar Minuten vor 20 Uhr dort und wundern uns über die digitale Karte. Auf Nachfrage erfahren wir, dass sie sich um 20 Uhr ändert – sie haben eine Karte bis und eine ab 20 Uhr. Und wirklich erscheinen ein paar Minuten später andere Gerichte. Obwohl dieser Pub der südlichst gelegene Irish Pub der Erde ist, gibt es kein solches Schild – wie in La Paz (mit dem höchstgelegenen Irish Pub). Sie finden die Idee aber gut und wollen es sich überlegen.

In den Blog-Kommentaren (Andy) und auch in den Videotelefonaten mit unserer Familie erhalten wir nun häufiger die Frage, wie es sich denn anfühlt, dass die Tour nun zu Ende geht. Das ist gar nicht so leicht zu beschreiben, aber der Begriff „gemischte Gefühle“ trifft es wohl am Besten.
Einerseits ist es schade, dass die Tour nun zu Ende geht, denn es hat uns wirklich sehr viel Spaß gemacht und die Erlebnisse werden uns unser restliches Leben lang als Erinnerungen begleiten und beeinflussen. Sicherlich ist auch ein klein wenig Stolz dabei, dass wir einen Großteil der Strecke mit dem Rad geschafft und Ushuaia tatsächlich erreicht haben, ohne das Tandem irgendwo in die Ecke zu stellen. Dabei sind wir uns aber einig, dass uns weder das Erreichen Ushuaias noch die geradelte Kilometerzahl besonders wichtig sind. „Der Weg ist das Ziel“ war von Anfang an unser Motto und es ging uns mehr um die Erlebnisse und die buchstäblichen „Erfahrungen“ unterwegs, als um irgendwelche sportliche Höchstleistungen.
Andererseits freuen wir uns natürlich sehr darauf, endlich unsere Familien wiederzusehen, Freunde, Bekannte, Kolleginnen und Kollegen. Endlich können wir wieder unsere Kontakte pflegen, am Vereinsleben in unserem Heimatort teilnehmen und auch die ehrenamtlichen Tätigkeiten wieder aufnehmen, die uns so viel Freude bereiten.
Auch auf das eigene Bett im eigenen Zuhause und auf die Möglichkeit, sich im dunklen Schlaf- und Badezimmer wieder zurechtzufinden, ohne ständig anzuecken, zu stolpern oder sich blaue Flecke zuzuziehen, kann man sich tatsächlich freuen.
Mit etwas Nervosität schauen wir auf den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben, denn im Gesundheitswesen (Apotheke und Medizintechnik/Krankenkassen) kann in einem Jahr so viel passieren, was wir verpasst haben, da wir uns wirklich nicht gekümmert haben. Jeder Gesundheitsminister versucht ja, seinen Fußabdruck im Gesundheitssystem zu hinterlassen, und Lauterbach war da sicher keine Ausnahme. Außerdem haben wir schon von einigen Menschen gehört, die den Wiedereinstieg nicht so leicht geschafft haben und dann jahrelang mit dem Rad durch die Welt weitergereist sind. Wir sind überzeugt, dass uns das nicht passieren wird, aber Viktors Motto „Expect the worst and hope for best“ hinterlässt natürlich auch hier seine Fragezeichen.
Aber noch sind wir mit der Organisation der Rückreise und der verbleibenden zwei Wochen so beschäftigt, dass diese Gedanken nur zwischendurch immer mal wieder hochkommen. Schließlich gibt es in Buenos Aires und in El Calafate noch Einiges zu erleben.

P.S.: Wir haben heute auf der GoPro-Actioncam noch ein lustiges Video von einer Fährfahrt aus der Woche 45 gefunden (es ist dort auch nochmal eingefügt): Die Navigatorin macht klare Ansagen.

Samstag 22.2.25 – Ushuaia

Für den heutigen Tag haben wir uns eines der Museen vorgenommen und wir wollen einige Einkäufe tätigen, sowohl für das Verpacken des Tandems als auch für die etwas längeren Wanderungen, die wir in den letzten Wochen unserer Tour noch vorhaben.

Über Nacht haben wir das Öl aus der Rohloff-Schaltung abgelassen und ziehen den letzten Rest mit einer Spritze ab, denn im Flugzeug könnte es bei niedrigem Luftdruck im Laderaum austreten und je nach Transportposition des Tandems die Bremsen beschädigen.

Nach dem Frühstück beginnen wir im Zimmer mit dem Reservieren/Buchen von Touren zum Gletscher-Nationalpark von El Calafate aus.

Als wir damit fertig sind, laufen wir die Einkaufsstraße von Ushuaia (San Martin) fast komplett ab. In dem Fahrradladen (Ushuaia Extremo), in dem uns gestern die Pedale am Tandem gelöst wurden, fragen wir nach Verpackungsmaterial und werden an das Schreibwarengeschäft (Librería Rayuela) nebenan verwiesen. Dort erhalten wir Stretchfolie, Blasenfolie, A4-Papier für selbstgemalte „This Side UP ↑“-Schilder und einen Klebestift. Nur Luftballons, die wir auf dem Hinflug schon zur Polsterung das Tandems im Karton benutzt hatten, müssen wir noch in einem Geschäft für Party-Accessoires kaufen.

Danach geht es in den Outdoor-Laden „Cape Horn“, in dem wir uns wasserfeste Wanderschuhe zulegen. Solche haben wir auch zuhause in Deutschland noch nicht und mit unseren Radfahrschuhen, die unten wasserdurchlässige Gewindelöcher haben, in denen die Bindungen für die Fahrradpedale (Cleats) festgeschraubt sind, wollen wir die nächsten Wanderungen zu den Gletschern dann doch nicht wagen. So hängen wir also heute im Hotelzimmer offiziell unsere Radfahrschuhe an den Nagel (bzw. packen sie bis zum Heimflug in unsere Radtaschen).


Abschließend kaufen wir in einem Souvenirgeschäft noch einen Ushuaia-Aufkleber für unser Tandem und machen dann Kaffeepause im Café Martinez.

Auf dem Rückweg ins Hotel buchen wir an der Touristen-Information für morgen eine geführte Wander-Tour zur „Laguna Esmeralda“, die nur mit wasserfesten Schuhen und wetterfester Kleidung erlaubt ist. Der Reiseführer kontrolliert angeblich die Kleidung und entscheidet selbst, ob er uns mitnimmt.

Im Hotel beginnen wir mit dem Verpacken des Tandems. Als wir mit unseren Fortschritten zufrieden sind und glauben, dass wir es bis Dienstag problemlos schaffen können komplett transportsicher zu verpacken, machen wir uns auf den Weg ins Museum.

Das „Museo Fin del Mundo“ (Museum Ende der Welt) besteht aus zwei Gebäuden, der „Antigua Casa de Gobierno“ (Altes Regierungsgebäude) und dem eigentlichen Museum, zwei Straßenblöcke entfernt.

In der Antigua Casa de Gobierno gibt es eine kleine Ausstellung zur Architektur und zu den Bauphasen des Gebäudes. Ein Raum ist dem Untergang des Kreuzfahrtschiffes Monte Cervantes (auch „Titanic des Südens“ genannt) der Reederei Hamburg Süd im Jahr 1928 vor Ushuaia gewidmet. Alle Passagiere wurden gerettet und mehrere Tage lang von der Bevölkerung in Ushuaia beherbergt und versorgt, obwohl die Passagierzahl die Einwohnerzahl Ushuaias bei weitem überstieg.

Im eigentlichen Museum erfahren wir dann endlich erstmals etwas mehr über die Ureinwohner dieser Region und ihr trauriges Schicksal. Wie so oft wurde ihre ca. 5.000 Jahre alte Kultur beim Eintreffen der ersten Europäer als minderwertig und unzivilisiert angesehen und innerhalb von 50 bis 100 Jahren durch Krankheiten (vor allem Tuberkulose), Missionierung, Landnahme und Verdrängung ausgelöscht.

Die Ureinwohner Feuerlands gehörten zu vier großen Gruppen, die jeweils aus circa 3.000 bis 4.000 Menschen bestanden. Die Yámana, Haush, Selk’nam und Kawesqar. Die Yámana waren Wassernomaden und lebten überwiegend auf Kanus und an Stränden. Sie ernährten sich von Meeresfrüchten und Seelöwen, die sie mit Speeren jagten.

Auf dem Rückweg holen wir noch unsere saubere Wäsche ab. Wir haben nicht ausreichend Bargeld dabei, die Mitarbeiterin schaut in die Tüte und reduziert unseren Preis auf das, was wir noch haben – es sei ja gar nicht so viel Wäsche ;-). Wir hätten noch Geld geholt, aber bei dem Regenwetter muss es natürlich nicht sein… Vielen Dank an die Ecolaundry!

Im Hotel arbeiten wir dann weiter an der Verpackung des Tandems. Jutta bastelt im Flur vor dem Hotelzimmer das vordere und hintere Karton-Ende. Viktor bastelt den Schutz für das vordere Kettenblatt und die Kurbelarme. Außerdem fertigt er aus Pappe einige Quer“streben“, die das Tandem im Karton zentrieren und gleichzeitig den Karton stabilisieren sollen.

Zum Abenessen wollen wir auch nicht so weit durch den Regen laufen und gehen in die Fuego Restobar – ehemals Fin del Mundo. Es gibt keine vegetarische Auswahl, also isst Jutta das Stroganoff de Champignones mit Reis. Das schmeckt leider sehr stark nach etwas, was sie nicht mag, sie weiss nicht, ob es nur der Wein ist, mit dem es gekocht wurde oder noch etwas anderes. Die Jakobsmuscheln von Viktor sind umso leckerer!

Sonntag 23.2.25 – Ushuaia (Laguna Esmeralda)

Für heute morgen stellen wir uns mal wieder den Wecker, aber nur auf 7:15 Uhr. Das reicht für ein schnelles Frühstück bevor wir um 8:40 Uhr zu unserer Wanderung zur Laguna Esmeralda abgeholt werden. Viktor will seine noch nie getragene Daunenjacke mitnehmen, kann sie aber partout nicht finden. Sie wird wohl auf der Bootstour durch den Beagel-Kanal auf dem Schiff liegen geblieben sein.

Neben uns werden noch eine Reisende aus Buenos Aires und ein Paar aus dem Norden Mexikos eingesammelt, und nach einer nur 15-minütigen Fahrt werden wir mit unserem Guide (Marcelo ?) an einer Absperrung rausgelassen. Die Wanderung beginnt an einer Hundeschule und Zucht für Schlittenhunde (Huskys und eine weitere Rasse) und geht dann durch Wald und Moor, durch sehr viele Pfützen und Schlamm, über Baumstämme und Wurzeln (Viktor bleibt mit seinem neuen Wanderschuh an einer Wurzel hängen und reißt sich sofort einen Schaden ins Obermaterial), manchmal über Holzstege und immer etwas weiter bergauf. Der Tipp, sich nicht nur regendichte Schuhe, sondern auch Hosen anzuziehen, war absolut richtig: der Matsch spritzt die Hosenbeine hoch. Zu Beginn erinnert es Jutta an die kleine Wanderung mit den Hannoveranern in Costa Rica, als es auch nass und uneben war, aber hier wird es noch extremer. Marcelo gibt uns sowohl die Calafate-Frucht (Buchsblättrige Berberitze, nach deren Strauch die Stadt El Calafate benannt ist, die Frucht ist bitter/sauer) als auch Walderdbeeren zum Probieren und erzählt etwas über die Biber (den Wasserbau-Ingenieur unter den Tieren), während er uns die von ihnen angerichteten Baumschäden und das angestaute Wasser zeigt. Der Biber wurde aus Nordamerika vom Menschen nach Feuerland eingeführt und hat hier keine natürlichen Feinde. Dadurch hat er sich zu einer Plage entwickelt und darf gejagt werden. Es jagt ihn bloß niemand, weil er nicht schmeckt.

Nach circa eineinhalb Stunden kommen wir an der Lagune an, mit erstaunlich vielen Anderen. Auf dem Weg sind wir gar nicht so sehr vielen begegnet, aber wir sind auch nicht den Hauptwanderweg gelaufen. Wir machen eine einstündige Pause zur freien Verfügung, und wir beiden gehen ein Stück weiter am Ufer entlang, setzen uns auf einen umgekippten Baumstamm und verzehren das „Boxed-Lunch“ dort halbwegs in der Sonne.

Also ich habe meinen Atem gesehen – Warum das auf dem Video nicht der Fall ist, ist mir ein Rätsel.

Beim Abstieg gehen wir einen teilweise anderen Weg. Diesmal laufen wir auch über Moorboden, der richtig federt, und in dem Wasser wie in einem Schwamm gespeichert ist. Außerdem sehen wir richtig große Pilze.

Jutta bekommt auf dem Rückweg irgendwie das Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ in den Kopf. Dann vergeht die restliche Zeit damit, die erste und zweite Strophe textlich wieder zusammen zu bekommen – es hakt immer wieder. Erst an der Hundeschule, als sie es Viktor erzählt, fügt sich alles zusammen!

Das war doch mal eine richtig schöne Wanderung! Endlich mal wieder in bequemen Schuhen und mit trockenen Füßen. Wir freuen uns richtig auf ein paar weitere Wanderungen in und um El Calafate. Nach fast einem Jahr ziemlich einseitiger sportlicher Betätigung ist das auch kein Wunder.

An der Hundeschule geben wir alle unsere Wanderstöcke, die hier im Gelände sehr, sehr hilfreich waren, wieder ab und steigen in einen Jeep für den Rückweg nach Ushuaia. Beatriz aus Mexiko fragt nach unserem Blog und scannt während der Rückfahrt unseren Aufkleber mit dem QR-Code ein. Mal schauen, ob sie hier vielleicht einen Kommentar hinterlässt.

Wir lassen uns nicht zum Hotel bringen, sondern steigen am ersten Halt mit aus, um, dreckig, wie wir zwar sind, erst im Tante Sara Café einen Kaffee zu trinken und danach noch zum Ticket-Office von Tolkeyen zu gehen und nach Viktors Daunenjacke zu fragen. Dort wollen sie beim Reinigungspersonal nachfragen, und später kommt die Nachricht, dass die Jacke nicht gefunden wurde. Jetzt ist Viktor nach den zwei Kegoo-Trinkflaschen auch noch die Daunenjacke verloren gegangen. Aber bisher wurde uns nichts geklaut – außer vielleicht die Kreditkarte, die der Geldautomat in Cusco „gefressen“ (also uns geklaut) hat.

Schon bei Tante Sara verfolgen wir die ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl in Deutschland, später im Zimmer guckt Viktor Deutsches Fernsehen (Livetream auf YouTube inklusive „Elefantenrunde“ um 20:00 Uhr, hier 16:00 Uhr), während Jutta sich lesend in den Hotelflur setzt.

Zum Abendessen gehen wir später ins Marcopolo Freelife, das im gleichen Gebäude wie das Hotel Cap Polonio liegt. Das Schiff mit diesem Namen von der Reederei Hamburg Süd brachte wohl 1923 die ersten Touristen nach Ushuaia.

Historisches Originalschild vom Schiff

Viktor isst zum Nachtisch eine Schwarzwälder-Kirschtorte (Selva Negra), die schon etwas trocken und mit kandierten Kirschen zubereitet ist … na ja …

Den Abend verbringen wir schreibend im Hotelzimmer und immer wieder auf die Wahlergebnisse schauend. Es wird ein spannender Abend und kurz vor dem Schlafengehen – es fehlen bei der Auszählung nur noch drei Wahlkreise – rutscht das BSW unter die 5,0 Prozent. Um 1:33 Uhr deutscher Zeit (21:33 Uhr in Ushuaia) steht das vorläufige Wahlergebnis fest und das BSW liegt bei 4,972 %, was bedeutet, dass die neue Bundesregierung wohl eine große Koalition ohne grüne Beteiligung wird. Vemutlich ist so eine Regierung stabiler und nach dem Ampel-Hickhack der vergangenen Jahre für Deutschland auch besser als eine Koalition von CDU/CSU, SPD und Grünen, gerade in diesen unkalkulierbaren Zeiten mit Präsident Donald Trump als „Partner“ in den U.S.A.
Und es ermöglicht den Grünen vielleicht auch eine Erneuerung in der Opposition.

BSW unter 5% – Große Koalition ohne grüne Regierungsbeteiligung

Woche 46 (10.2.25 – 16.2.25) – auf See – Puerto Natales

Montag 10.2.25 – Nähe Volcan Corcovado bis Canal Pulluche kurz vor der offenen See (Navimag-Fähre Esperanza)

Wir wollen schon gegen 6:30 Uhr aufstehen, um den Sonnenaufgang um 7 Uhr an Deck erleben zu können, stellen aber keinen Wecker, denn wir wollen in der Achter-Kabine niemanden vorzeitig wecken. Jutta wacht sowieso immer früh auf und auch heute ist sie um 6:00 Uhr aufstehbereit. Gegen 6:30 Uhr tun wir das dann auch und gehen nach unten in den Speise- und Aufenthaltsraum, in dem sich praktisch alles an Bord abspielt, was mit den Passagieren zu tun hat. Draußen ist es nicht nur dunkel, sondern auch sehr bedeckt, so dass wir einen Sonnenaufgang heute sicher nicht zu sehen bekommen, jedenfalls keinen, bei dem man die Sonne am Horizont sieht. Außerdem beginnen wir kurz nach Sonnenaufgang mit der Fahrt über den Golf von Corcovado, der zum offenen Meer hin keine schützenden Inseln besitzt. Entsprechend stärker wird der Wind und die Wellen werden von Minute zu Minute größer.

Um 8:00 beginnt das Frühstück und schon beim Schlangestehen schwanken die Passagiere bedenklich hin und her. Wir müssen uns an den Tischen festhalten, bei einem der ersten 20 Passagiere rutscht das Tablett während einer größeren Welle vom Tisch und das gesamte Frühstück verteilt sich auf dem Boden. Der Supervisor und ein weiterer Helfer fegen und wischen alles auf und das übrige Personal verteilt zusätzlich zum Essen nun auch Gummi-Matten, die unter die Tabletts gelegt werden können, damit sie nicht mehr von Tisch rutschen können. Jetzt rutschen nur noch die Teller und Tassen auf den Tabletts hin und her, fallen aber zumindest nicht gleich vom Tisch, allerdings schwappen gut gefüllte Tassen und Saftgläser jetzt halt über. Die Ausstattung und die Auswahl beim Frühstück sind – anders als befürchtet -wesentlich besser als im Hotel Ibis in Puerto Montt.

Nach dem Frühstück bleiben wir noch lange mit Hanne (mit der Viktor sich schon vor dem Checkin-Hotel unterhielt) und Thomas, frisch verrenteten Deutschen vom Bodensee (er Anästhesist und Hobbyförster) und der jungen Lisa (aus dem Allgäu) sitzen und unterhalten uns, hören um 10:30 Uhr den Vortrag über das Schiff und die Highlights der Strecke, gehen bei trockenem Wetter zwischendurch nach draußen und sehen einige Wale aus der Entfernung. Diese lassen sich aber nicht bestimmen, weil sie sehr weit entfernt sind. Wir sehen ihren „Soplo“ (Blas) und erkennen einen Rücken ohne Rückenflosse (es sind also keine Schwertwale bzw. Orcas), aber mehr kann man nicht erkennen. Auch für Fotos mit dem Handy sind sie zu weit entfernt. Eine Weile puzzeln wir am gemeinschaftlichen Puzzle mit.

Mittagessen gibt es von 12 bis 13 Uhr, und da die See gerade sehr ruhig ist, wackelt oder rutscht jetzt nichts. Um 14 Uhr sind wir in einer Gruppe von 25 Personen an der Reihe, die Kommandobrücke zu besuchen. Der geräumige Raum ist schon sehr interessant, und da sich niemand outet, der oder die Älteste der Gruppe zu sein, darf eine junge Deutsche den grünen Knopf – die Hupe – drücken. Der Kapitän teilt uns nochmal mit, dass wir in der kommenden Nacht zehnfach schlimmere Bedingungen erwarten sollen, als wir sie heute beim Frühstück hatten. Eine Spanierin fragt besorgt, ob er damit zehnfach höhere Wellen meint. Der Kapitän präzisiert daraufhin, dass das Ganze nur 10-mal länger dauern wird.

Um 17:30 Uhr schließt sich Jutta der Yoga-Gruppe im Sportraum der Mannschaft an und dehnt nach dem ständigen Radfahren einmal wieder alle möglichen anderen Bänder und Gelenke.

Beim Abendessen und danach unterhalten wir uns mit Peter und Anne aus den U.S.A. (Kalifornien?), die sehr viel reisen und gerade auf der Suche nach einer neuen Heimat sind. Wegen der zweiten Amtszeit von Donald Trump wollen sie die U.S.A. verlassen. Potenzielle Länder scheinen Spanien, Portugal, Italien, Kroatien und Griechenland zu sein.

Ab 21 Uhr findet ein Karaoke-Abend statt. Dieser läuft etwas langsam an, entwickelt sich aber im Laufe der Zeit. Wir sitzen in einer größeren deutschsprachigen Gruppe an einem Tisch in einer Ecke des Speisesaales, haben schon vor dem Karaoke richtig Spaß und unterhalten uns bestens. Es werden Reise-Erfahrungen und Reisepläne ausgetauscht, aber auch viel von zuhause erzählt und darüber geredet, warum man gerade auf dieser Tour oder eben auf dieser Fähre ist. Wir sind überzeugt, dass hier ein paar längere Bekanntschaften oder gar Freundschaften beginnen.
Von „uns“ Deutschen trauen sich Benedikt (ein Lehrer und echter Kletterfreak) mit Piano Man (Billy Joel), Max (ebenfalls Kletterer – und Zimmermann) mit Griechischer Wein (Udo Jürgens) und Sophie (eine der drei Medizinerinnen) mit Perfekte Welle (Juli) ans Mikrofon und werden von dem Anderen stimmlich unterstützt – und das, obwohl wir alle nicht wirklich Karaoke-Freunde zu sein scheinen.

Später erhalten wir auf Nachfrage alle tolle Profi-Spuckbeutel, da es ab etwa Mitternacht auf die hohe See geht. So manche(r) nimmt auch schon Reisetabletten. Thomas und Hanne haben sogar Ondansetron und Lorazepam dabei…

Gegen 23:00 Uhr gehen wir alle gut gelaunt aber mit ordentlichem Respekt vor der bevorstehenden Nacht in unsere Kabinen.

Dienstag 11.2.25 – Offene See bis kurz vor der Angostura Inglesa (Navimag-Fähre Esperanza)

Die Nacht ist tatsächlich sehr unruhig, aber weniger schlimm als erwartet und wir bleiben vor der Seekrankheit bewahrt. Viktor schläft recht gut durch, aber Jutta kann lange nicht einschlafen, weil es nicht nur schaukelt, sondern auch ziemlich laut ist, wenn der Bug mit einem heftigen Schlag aufs Wasser aufschlägt. Als sie aber endlich einschläft geht das Schlafen sehr gut, und das erste Mal ohne jegliche Übelkeit. Genauso geht es auch vielen anderen diese Nacht, wie wir beim Frühstück um 8:00 Uhr erfahren, bei dem nur wenige (z.B. Hanne) nicht auftauchen und lieber liegenbleiben.

Nach dem Frühstück werden alle Fahrgäste überraschend im Speisesaal zusammengerufen. und wir erfahren, dass wir einen Tag später in Puerto Natales eintreffen werden als ursprünglich geplant. Wir sind in der Nacht wegen des Gegenwindes nicht schnell genug vorangekommen und werden eine Engstelle, die „Angostura Inglesa“, durch die man nur bei Tag navigieren kann, nicht mehr rechtzeitig erreichen. Wir werden also vor der Einfahrt in den „Canal Messier“ stehenbleiben und auf den Tagesanbruch warten müssen.

Wir sitzen nach dem Frühstück wieder an einem deutschsprachigen Tisch zusammen und unterhalten uns unter anderem über das Wahlhelfer-Dasein und die nervige Bürokratie, die wir in unseren unterschiedlichen Jobs in Deutschland erleben.

Währenddessen entwickelt sich ein hektisches Treiben an der „Rezeption“ hinten im Speisesaal, denn dort gibt es einen Computer, mit dem wir online unsere Hotelreservierungen und Tourbuchungen stornieren oder ändern können. Einige wollen auch eine kurze Nachricht an die Familien absetzen, damit sich keiner Sorgen macht, wenn sie einen Tag länger als geplant nichts von uns hören. Wir erhalten die Wartenummer 9 und sind irgendwann am späten Vormittag an der Reihe.

Wir wollen unser Hotel und eine Tour in den Nationalpark „Torres del Paine“ umbuchen. Unser Login bei Booking.com ist jedoch mit einer Zweifaktor-Authentifizierung gesichert. Also wird uns nach dem Login-Versuch angezeigt, dass wir nun bitte die sechsstelliger PIN eingeben sollen, die uns gerade aufs Handy geschickt wurde. Tja, irgendwie doof, wenn Du kein Netz hast. Zum Glück kennen die Mitarbeiterinnen das Problem schon und wissen, dass man mit der Reservierungsnummer aus der Bestätigungs-E-Mail und der darin angegeben PIN ebenfalls eine Buchungsänderung vornehmen kann. Das klappt dann auch tadellos. Für die Umbuchung unserer Tour müssen wir aber auf einen Link in der Bestätigungs-E-Mail klicken. Der Login in den Webmailer von IONOS gestaltet sich dann doch etwas schwierig, denn auf Anraten von Julius hat Viktor sich ein sehr sicheres Passwort für seinen Mailaccount zugelegt, 39 Zeichen lang, mit vielen Sonderzeichen. Und nun finde mal auf einer spanischen Tastatur auf Anhieb alle Sonderzeichen. Es klappt aber tatsächlich gleich beim ersten Versuch und wir können auch unsere Tour um einen Tag verschieben. Ein Login bei WhatsApp klappt auf dem Laptop hingegen nicht, denn dazu muss man mit dem Handy einen QR-Code einscannen, um sich zu authentifizieren – und richtig – dazu muss das Handy natürlich online sein. Also loggt sich Viktor bei Facebook ein und bittet Barbie in einem Beitrag darum, eine kurze Nachricht an die WhatsApp-Familiengruppe zu senden, damit sich keiner sorgt.

Das Gemeinschaftspuzzle wurde gestern Abend offenbar noch fertiggestellt, in das Logbuch auf der Packung wurden 10 Stunden als benötigte Zeit eingetragen. Viktor fragt an der Rezeption, ob es noch ein zweites Puzzle gäbe, und tatsächlich erhalten wir eine Schachtel mit einem 2.000-Teile-Puzzle, das nochmal deutlich schwieriger wirkt als das von gestern. Eine Engländerin erkennt die Burg von Bodiam. Die Teile sind fast nur blau oder braun.

Da wir ja mit allen unseren Geräten offline sind, probiert Viktor mal wieder die Motorola-Satelliten-Kommunikation aus, um den Checkin für die automatisch erstellte Karte auf der Blog-Homepage über Satellit zu senden. Leider funktioniert das Ganze mal wieder nicht. Der Motorola-Defy-Sender&Empfänger soll einen möglichst großen Abstand von hohen Gebäuden, Bergen und großen Metallstrukturen haben. Das stellt sich auf einer großen Metall-Fähre im patagonischen Fjord als relativ schwierig heraus. Unser Fazit zu dem Motorola-Teil: Rausgeschmissenes Geld – immer wenn wir es unterwegs hätten benutzen wollen, hat es nicht funktioniert.

Am späten Nachmittag wird die Geschwindigkeit gedrosselt, und schließlich bleiben wir fast stehen (es wird gemunkelt, dass es noch 5 km/h vorwärts geht).

Nach dem Abendessen sitzen wir nochmal mit Hanne und den drei Medizinerinnen (im November gerade fertig geworden und vor der ersten Stelle auf großer Reise) aus Würzburg zusammen und unterhalten uns angeregt über alles mögliche. Auch unsere Aufkleber mit der Blog-Adresse wechseln wieder die Seiten.

Ab 21 Uhr wird statt des eigentlich geplanten Bingo-Abends der Film ”Canoeing Living Memory” gezeigt, der von einer National Geographic Expedition im Jahr 2022 handelt, die zur Unterstützung Indigene der Kaweskar und der Yaganes mit dabeihatte. Leider sind die englischen Untertitel ziemlich klein in weißer Schrift geschrieben, so dass Jutta mehr die Bilder als die Sprache mitbekommt. Heute gehen wir anschließend schon in die Koje, um ein wenig Schlaf nachzuholen.

Mittwoch, 12.2.2025 – Angostura Inglesa bis Canal Sarmiento (Navimag-Fähre Esperanza)

Wir lassen uns vom Wecker um 5:45 Uhr wecken, da wir den Sonnenaufgang anschauen wollen. Die Fähre bewegt sich immer noch kaum, und draußen ist es gerade noch so dunkel, dass man nur schwarz sieht. Ganz, ganz langsam kommen die Silhuetten der Berge ins Blickfeld, aber je heller es wird, umso nebeliger ist es und man sieht leider keine Sonne aufgehen.

Um kurz vor acht erreichen wir eine Stelle, an der zwei Schiffswracks übereinander auf einem Unterwassergipfel liegen. Die ”Cotopaxi” ist 1889 hier innerhalb von 10 Minuten gesunken und der Kapitän ist als Held in die Geschichte eingegangen, weil kein Passagier bei dem Untergang starb. 1964 wollte ein Kapitän die ”Capitán Leonidas” hier absichtlich versenken. Das Frachtschiff hatte eine Ladung Zucker aus Brasilien nach Valparíso geladen, diesen aber bereits unter der Hand in Uruguay verkauft. Der Kapitän wollte nun zusätzlich die Versicherungssumme für Schiff und Ladung abkassieren. Aber das Schiff blieb auf der Cotopaxi liegen und ragt heute noch aus dem Wasser. Bei der Inspektion des Schiffs fiel dann natürlich das Fehlen des Zuckers auf und der Versicherungsbetrug platzte.

Um neun Uhr erreichen wir die engste Stelle des Tages, die ”Angostura Inglesa”, an der auf einer kleinen Insel neben der Fahrrinne eine Marienstatue (Stella Maris) steht. Wir werden auf dem Bug vorgewarnt, dass der Kapitän bei der Vorbeifahrt das Schiffshorn betätigen wird. Hier sind schon sehr viele Mobiltelefone und Fotoapparate ins Wasser gefallen, weil sich die Passagiere erschreckt haben. Heute ist das Dank der Warnung aber nicht der Fall.

Kurz nach dem Frühstück sichten wir erst Delfine, die teilweise ganz dicht neben der Fähre mit uns mitschwimmen. Als etwas später die Durchsage kommt, dass Orcas auf der rechten Bordseite zu sehen seien, hat sich Viktor gerade frisch rasiert und seine Zahnbürste steckt noch im Mund. Trotzdem schafft er es noch rechtzeitig zum Bug, um den Blas mehrerer Orcas zu sehen und mit dem Handy zu filmen (allerdings auf der linken Seite).

Auf der Weiterfahrt in Richtung Puerto Edén macht sich auf dem Bug unter den Passagieren plötzlich Unruhe breit. Es kommt regelrecht zu kleinen Jubelszenen, und die Leute starren auf ihre Mobiltelefone … wir haben Mobilfunknetz, das aus Puerto Edén bis zu uns herüberreicht! Unser Handy mit der Maya-eSIM-Karte hat aber natürlich keinen Empfang und wir können daher weiter der Entschleunigung und dem ”Digital Detox” fröhnen.

Gegen halb zehn Uhr erreichen wir Puerto Edén, ein kleiner Fischerort (der einzige in dieser Gegend) mit nur 100 Einwohnern und ankern in der Bucht. Dieser Ort wird von unserem Schiff mit allem versorgt, was sie nicht selbst anbauen, jagen oder herstellen können. Es steigt eine ganze Anzahl Passagiere hier aus, unter anderem eine Mutter mit zwei Kindern, die wohl hier wohnen und zwei Handwerker, die Arbeiten an der Kirche ausführen werden. 19 Passagiere und ihr Gepäck werden mit einem Boot herangebracht und die hintere Laderampe wird heruntergefahren, um sie an Bord zu nehmen und die anderen Passagiere aussteigen zu lassen. Es sind insgesamt zehn teilweise sehr kleine Boote, die neben den Passagieren und Lebensmitteln auch Styropor, Holzbalken, Latten, eine Holzplatte von der Fähre in das Dorf transportieren. Wir ankern dort mindestens eine Stunde.

Um 14:30 Uhr soll es endlich auf die Führung in den Maschinenraum gehen. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, denn es müssen Helme und Ohrenstöpsel getragen werden. Als wir alle mit Helm auf dem Kopf bereitstehen heißt es plötzlich ”Kommando zurück” … wir fahren jetzt doch erstmal durch den ”Paso del Abismo”, einer der schönsten Engstellen auf dieser Schiffsreise. Das Schiffshorn kommt dabei zweifach zum Einsatz und hallt als Echo an den Wänden der Schlucht wider. Das Baby an Bord erschrickt sich wieder mächtig und fängt an zu weinen. An der rechten Steilwand sind alle paar hundert Meter Wasserfälle zu sehen. Viktor nimmt kurze Videos auf und schießt ein Foto nach dem anderen. Aber eigentlich ist das sinnlos, denn den wahren Eindruck können diese Bilder sowieso nicht vermitteln. Und das Ganze sieht so irreal schön aus, dass wahrscheinlich jeder Betrachter denken wird, die Bilder stammen aus Photoshop oder von einer KI.

Danach geht es dann in Vierergruppen in den Maschinenraum. Viktor, Thomas und Benedikt haben sich auf eine Liste eingetragen. Martin aus der deutschen Gruppe hat es zu spät mitbekommen, aber mit einem Trick schafft Benedikt es, einen Platz mit einem Fahrgast der  zweiten Gruppe zu tauschen und Martin in unsere Vierergruppe hineinzuschmuggeln. Im Maschinenraum sehen wir einen 9-Zylinder-Diesel in Aktion, der vom Schweizer Hersteller Wärtsilä stammt, bei dem Thomas’ Neffe gearbeitet und an den Einspritzpumpen mitentwickelt hat. Die Männerrunde kehrt mit leuchtenden Augen von der Tour zurück und Viktor sagt scherzhaft: ”Vergesst die schönen Landschaften … das war das Highlight der Schiffsreise!”

Kurz vor 17:00 Uhr passieren wir eine Stelle, an der wir mehrere größere Eisbrocken im Wasser schwimmen sehen. Vor der Bergkette ist in größerer Entfernung im Wasser eine eigenartige weiße Linie zu erkennen, die in der Sonne leuchtet. Diese stellt sich schnell als Eiswand eines Gletschers heraus. Wir betrachten sie durch verschiedene Ferngläser und Fernrohre und machen mit aufgesetzten Mobiltelefonen sogar einige halbwegs gelungene Fotos vom Gletscher-Ende. Unsere Schätzungen variieren zwischen 5 und 15 Metern Höhe. Auf die Entfernung ist das schwer zu schätzen, aber wir sind glücklich, einen der Gletscher des ”Southern Patagonian Icefield” (Campo de Hielo Sur) gesichtet zu haben. Das ist bei den wechselnden Wetterbedingungen keine Selbstverständlichkeit.

Um 17.30 Uhr ist Jutta wieder beim Yoga angemeldet, mit einigen der anderen Deutschen (und anderen). Als wir uns sammeln, wird gesagt, dass es heute nach draußen geht. Dabei ist es heute viel kälter und windiger als vorgestern. Wir nehmen die Matten aus dem Sportraum und gehen auf das Vorderdeck. Und dann wird bei Wind und Kälte, mit immer wegwehenden Matten, aber einem atemberaubenden Blick Yoga gemacht. Im Anschluss gehen alle sofort zum Heißwasserbehälter und machen sich Kaffee oder Tee. Und Jutta geht sich heiß duschen. Viktor spielt derweil das Keltis-Kartenspiel mit Martin und Tanja. Das dritte Spiel gewinnt Viktor sogar.

Beim Abendesssen finden alle einen Umschlag für Trinkgelder für das Service – Personal auf dem Tablett. Nach dem Essen wird vom Personal einem französischen Paar zum 30. Hochzeitstag und einer Schweizerin zu ihrem 60. Geburtstag gratuliert. Und eigentlich wären wir inzwischen ja schon wieder an Land …

Da wir noch so viele Argentische Pesos haben, tauschen Lisa, Martin und Tanja bei uns Euros gegen Pesos, weil deren Reisen noch nach Argentinien gehen und wir immer noch viel zu viel Argentinische Pesos haben, die wir gar nicht mehr vollständig ausgeben können.

Der Abend endet mit Bingo im Speisesaal. Zu gewinnen gibt es Landkarten und Navimag-Fahnen. Eine Niederländerin, die ihr Essenstablett immer auf den fünf Fingern einer erhobenen Hand transportiert, gewinnt eine vom Kapitän signierte Fahne. Wir rätseln, was wohl ihr normaler Job sein könnte.

Donnerstag, 13.2.2025 – Canal Sarmiento bis Puerto Natales (Navimag-Fähre Esperanza)

Jutta steht früh auf, aber es gibt heute wieder keinen sehenswerten Sonnenaufgang. Also bleibt der Weckversuch bei Viktor eher zaghaft und er schläft bis zur Frühstückzeit um 8 Uhr durch.

Heute gibt es die letzten ”Highlights” der Route. Bei Sonnenaufgang sind wir am ”Paso Farquhar” und fahren dann durch den ”Canal Unión” bis zum südlichsten Punkt unserer Route, den ”Paso Sobenes”. Von dort geht es wieder nordwärts, bis wir die engste Stelle der gesamten Fahrt erreichen, die ”Angostura White”, an der rechts und links des Schiffes noch jeweils 17 Meter Abstand zum Ufer verbleiben. Wieder fließt überall an den Berghängen Wasser aus den Schneefeldern und Gletschern und wir sehen viele kleine Wasseerfälle.

Nach der Durchfahrt der Engstelle frischt der Wind merklich auf und wir lernen von Thomas den Begriff ”fliegendes Wasser”, das entsteht, wenn die Wellenkämme vom Wind abgerissen werden und als Gischt horizontal vor den Wellen herfliegen. Wenn man hier ins Wasser fällt, kann man trotz Schwimmweste an diesem Wasser ”ertrinken”, weil man das fliegende Wasser einatmet, wenn man den Kopf nicht vom Wind abwendet.

Am ”Deutschen Tisch” (zu zwölft) unterhalten wir uns unter anderem auch über das Wäschewaschen unterwegs. Da wir die Waschmittel-Blätter von „Sea to Summit“ in den ganzen Monaten nicht wirklich gebraucht haben, schenken wir sie jetzt den Medizinerinnen, damit sie damit eventuell ihre fleckigen Klamotten wieder sauberer bekommen 😉.

Um 12 Uhr gibt es ein letztes Mal Mittagessen, vorher sollen die Zimmer geräumt werden, das große Gepäck draußen gesammelt bzw. in die Autos gebracht werden. Nach dem Essen müssen alle ihre Schlüsselkarten abgeben – richtig mit Durchstreichen der Namen zur Kontrolle.

Gegen 15:30 Uhr – eigentlich ist das Anlegemanöver für diese Zeit geplant – taucht am Horizont Puerto Natales auf. Freudig erregt versammeln sich viele Fahrgäste auf dem Vorderdeck am Bug, um diesem zuzuschauen. Es dauert noch ein bisschen, aber dann fährt unser Schiff am Ufer entlang, wir sehen verschiedene Anlegestellen, an denen das Schiff vorbeifährt … dann sind wir auch schon schnell am Rand von Puerto Natales … und fahren vorbei! Alle schauen sich mehr oder weniger verwundert und fragend an, denn die Anlegestelle soll zwei Blöcke von der Ortsmitte entfernt sein. Die Einen vermuten, der Kapitän sei am Ruder eingeschlafen, Andere vermuten unbezahlte Hafengebühren. Tatsächlich stellt sich der starke Wind als Ursache heraus. Das Anlegemanöver ist bei diesem starken Wind nicht machbar, das Schiff würde vom Wind an Land gedrückt und könnte beschädigt werden oder die Hafenanlagen beschädigen. Wir müssen auf ein Nachlassen des Windes warten.

Wir hören, wie der Anker herabgelassen wird, und bald dreht sich des Schiff in den Wind und beginnt zu ”schwojen”, ein neues Wort, das wir heute von Thomas lernen. Es bedeutet, dass das Schiff an der Ankerkette in Windrichtung langsam hin und her schwingt. In dem Zuge machen wir die anderen auch noch mit den Worten ”begeiden” und ”sitt” bekannt, die im Deutschen Sprachgebrauch fehlen, die es aber noch nicht in den Duden geschafft haben.

Und dann beginnt das lange und völlig informationslose Warten. Auf so einem Schiff hat nur einer das Sagen und das ist der Kapitän. Der scheint sich für seine einsame Entscheidung sehr viel Zeit zu lassen und die gesamte restliche Crew auch nicht über seine Gedankenspiele zu informieren. Jedenfalls sagen alle Crewmitglieder auf Nachfrage immer wieder, dass sie auch keine Ahnung hätten, wie es jetzt weitergeht. Selbst der Supervisor, der für die Information der Passagiere zuständig ist, sagt lediglich, dass es zum Abendessen um 19:00 (mittlerweile dringen die ersten Kochgerüche aus der Küche herüber in den Speisesaal) weitere Informationen vom Kapitän persönlich geben soll.

Die meisten Passagiere haben mittlerweile wieder Mobilfunknetz, nur unser Handy scheint endgültig ”incommunicado”, denn wir haben vergessen die EMEI rechtzeitig in Chile anzumelden. Nach 30 Tagen werden Handies hier gesperrt, wenn sie nicht angemeldet wurden. Über Hotspots von Thomas und Lisa erfahren wir per Facebook – Messenger von Bekannten aus unserer Nachbarstadt Lehnitz (Heiner und Petra), die heute Abend in Puerto Natales an Bord der Esperanza gehen wollen und die wir eigentlich zum Kaffee oder Abendessen treffen wollten, dass ihr Boarding auf den nächsten Morgen 9:00 verschoben wurde.

Um 21:15 Uhr (!!) , also viel später als das Abendessen, bekommen wir von Alexia (nicht vom Supervisor oder vom Kapitän) die Information, dass alle noch eine weitere Nacht an Bord bleiben müssen. Um Mitternacht soll der erste Anlegeversuch starten, falls dieser misslingt, um drei Uhr in der Früh der nächste. Um sechs soll es Frühstück geben, und um sieben dürfen dann alle von Bord. Diejenigen mit Autos können ihre Autoschlüssel abgeben, dann werden sie schon nachts an Land gefahren, oder sie werden nach dem Anlegen geweckt und können selber fahren. Unsere Schlüsselkarten können bzw. müssen wir uns wieder an der Rezeption abholen.

Die nächste Viertelstunde nehmen alle ihre Gepäckstücke und beziehen die Zimmer wieder – ein richtiges Déjà vu – und setzen sich dann wieder in den Essensraum, um eventuell noch einmal einen Karaoke-Abend zu beginnen. Die Crew macht da aber nicht mehr mit, und so wird einfach noch weiter geredet – zum Glück ist es so eine nette Truppe, dass wir genug zu erzählen haben.

Um 23 Uhr wird der Motor gestartet, die Fähre beginnt sich fortzubewegen. Was ist das? Es ist noch noch nicht Mitternacht. Und tatsächlich legen wir jetzt an der Kaimauer an. Es lag wohl nicht an einer Entscheidung unseres Kapitäns, sondern am Hafenmeister von Puerto Natales, dass wir so lange warten mussten. Trotzdem dürfen wir jetzt noch einmal mit Urs und Ruth aus der Schweiz und Benedikt und Max in unserer Kabine Nr.625 übernachten.

Freitag, 14.2.2025 – Puerto Natales

Nach einem frühen Frühstück können wir nach 15 Stunden ”vor Ort” und fünf statt drei Nächten auf der Esperanza das Schiff verlassen. Der Abschied nicht nur von der Deutschen Truppe ist herzlich, auch die Familie mit dem Einjährigen Kind, die mit der US-Amerikanischen Austauschfamilie des Mannes und deren Nachbarn auf dieser Fahrt waren, verabschiedet sich noch total herzlich von uns, nicht ohne uns Gottes Segen zu wünschen.

Nachdem wir die Kette unseres Tandems wieder gerichtet haben, die beim Verspannen an Bord wohl abgefallen war, können wir losfahren und wollen zunächst schauen, ob wir nicht Heiner und Petra aus Lehnitz noch irgendwo treffen können. Im WIFI eines Hotels liest Viktor die frische Nachricht, dass sie in der Nähe im Café Darwin frühstücken. Wir schieben dorthin und verbringen eine nette Zeit des Austauschs, bevor die beiden gegen halb neun zum Einchecken aufbrechen müssen.

Wir fahren zu unserm Hostal Don Guillermo, wo wir auch sofort ins Zimmer können, weil wir ja eigentlich schon gestern kommen wollten. Die Dame an der Rezeption war zum Deutschlernen in einem Dorf in Sachsen-Anhalt und fährt auch immer wieder mal dorthin, daher spricht sie mit uns Deutsch. Uns steht auch ein Frühstück zu, aber Jutta ist plötzlich ziemlich übel inklusive Kopfschmerzen. Die Mitarbeiterin sagt sofort, das sei die Landkrankheit. Jetzt war Jutta in den viereinhalb Tagen auf der Fähre nicht seekrank, aber hier an Land landkrank, das soll mal jemand verstehen. Sie legt sich ins Bett, muss sich tatsächlich zweimal übergeben. Nach drei bis vier Stunden wird es besser, und gegen Mittag gehen wir dann beide eine Runde durch Puerto Natales.

Im Café Dulce Chulada machen wir eine Kaffeepause und gehen zum Busterminal für weitere Informationen über eine mögliche Weiterreise im Bus, denn in den nächsten Tagen soll es noch höhere Windgeschwindigkeiten bis 90 km/h geben. Wir laufen an der Promanade entlang bis zu den „Amores de Viento“ (wir lieben den Wind gerade nicht so sehr) und sehen die Esperanza immer noch am Kai liegen. Die große Fähre wirkt in diesem beschaulichen Ort ziemlich überdimensioniert. Im Ortszentrum treffen wir auf zwei der Schweizer vom Schiff.

Im Zimmer macht Viktor ein Nickerchen, während Jutta beginnt, die letzten Tage im Blog abzuarbeiten. Zum Abendessen gehen wir ins „Entre Pampa y Mar“, wo wir auf zwei Niederländer von der Esperanza treffen, mit denen wir uns einen Tisch teilen (die Zweiertische sind heute knapp und die Bedienung freut sich). Sie ist diejenige, die das Tablett immer so toll balanciert hat. Jetzt erfahren wir, dass sie diese mehrmonatige Reise machen kann, weil sie danach das Café de Pilaren in Alkmaar übernimmt, in dem sie schon lange arbeitet, und die Vorbesitzer sie förmlich aufgefordert haben, voher noch ordentlich zu reisen. Daher dieses professionelle Balancieren des Tabletts an Bord.

Hinterher müssen wir uns etwas Proviant für morgen besorgen und stehen sehr lange im Supermarkt an – blöde Zeit zum Einkaufen. Unsere Nachfrage beim Hostal, ob wir eine Nacht verlängern könnten, wird verneint, also werden wir noch in ein anderes Hostal ziehen. Der Abend bis zur Veröffentlichung der neuen Woche im Blog – immerhin ist schon Freitag – wird noch lang, obwohl wir morgen früh um sieben schon für eine Tour in den Nationalpark „Torres del Paine“ abgeholt werden.

Samstag 15.2.25 – Puerto Natales – Nationalpark Torres del Paine Tour

Für heute haben wir eine typische Touristen-Tagestour in den Nationalpark Torres del Paine gebucht. Alle Highlights werden an einem Tag mit einem Kleinbus abgefahren, Aussichtspunkt nach Aussichtspunkt, aber immerhin mit einer Stunde Wanderung um die Mittagszeit.

Zwischen 7:00 und 7:45 Uhr sollen wir an unserem Hostal abgeholt werden. Kurz vor sieben gehen wir hinunter, um die vorbestellten „boxed lunch“ (Frühstücks-Papiertüten zum Mitnehmen) am Küchentresen abzuholen und pünktlich abfahrbereit zu sein. Wir fragen die Mitarbeiterin, wo die Frühstückspakete denn sind und erhalten zur Antwort, dass die alle heute morgen auf dem Tresen bereitstanden. Na super! Die große Reisegruppe, die Jutta vor einer Stunde hat abfahren hören, hat offenbar unsere Tüten gleich mit eingepackt. Die Mitarbeiterin sagt zwar, das könne doch nicht sein, denn es hätte unsere Zimmernummer 21 draufgestanden, aber im selben Atemzug sagt sie, dass so etwas letzte Woche schon einmal passiert sei.
Sie bietet uns an, noch schnell zu frühstücken, denn sie hat kein zusätzliches Brot mehr übrig, um uns neue Tüten mit einem Sandwich zu packen. Da wir noch keinen Hunger haben, machen wir uns ein Toastbrot-Sandwich und packen es in eine Tüte, die sie uns schnell mit Apfelsine, Joghurt, einem leeren Coffee-To-Go-Becher mit Nescafe-Tütchen sowie ein paar Knabbereien und Süßigkeiten füllt.

Um 7:30 kommt unsere Fremdenführerin zur Hoteltüre herein und begleitet uns zum Kleinbus. Wir haben mal wieder Pech und sind die Letzten, die abgeholt werden. Also sind nur noch Sitze ganz hinten frei, in der einzigen Reihe mit vier Sitzen nebeneinander. Viktor sitzt trotz allen Gewichtsverlustes mit der rechten Po-Backe auf dem Hebel für das Zurückkippen der Rückenlehne, der aus unerfindlichem Grund zwischen den Sitzen hervorragt. Es fühlt sich an als versuche jemand, das rechte Hüftgelenk mit einem Meißel aus der Gelenkschale zu hebeln. Und das soll jetzt 11 bis 12 Stunden so gehen?

Schon die ersten paar Kilometer auf relativ gerader Strecke lassen erahnen, dass das heute nicht wirklich gutgehen kann. Der Fahrer fährt mit einem Affenzahn, schaltet und bremst extrem ruppig, nutzt in den Kurven die volle Fahrbahnbreite inklusive Gegenspur und weicht den großen Schlaglöchern auf der Straße immer wieder durch heftiges Zickzack-Fahren aus. Der heftige Seitenwind nötigt ihn außerdem immer wieder zu heftigem Gegenlenken, was die ganz Sache nicht besser macht.

Es dauert keine halbe Stunde und Jutta zückt die erste Spucktüte. Darauf waren wir heute echt nicht vorbereitet. Viktor schafft es mühsam mit einem starren Blick auf den Horizont oder die Berge links und rechts der Strecke, den eigenen Mageninhalt unter Kontrolle zu halten.

Am ersten Aussichtspunkt, an dem wir anhalten, fragt Viktor bei unserer Guide Nathalie nach, ob sie Tüten für Reiseübelkeit dabeihabe, was diese bejaht. Später stellt sich leider heraus, dass fast jede dieser Tüten ein Loch hat, weil sie diese etwas grobmotorisch von einer Rolle abreißt und nach hinten reicht. Zum Glück sind wir mittlerweile Spuckprofis und unterziehen jede Tüte vor der Benutzung durch kurzes Aufblasen einer sorgfältigen Qualitätskontrolle.

Am zweiten Aussichtspunkt spricht Viktor beim Aussteigen unsere Guide und den Fahrer an, ob wir denn schon sehr spät dran seien, oder warum wir so rasen müssten. Der Fahrer reagiert stinksauer, erzählt etwas von 30 Jahren Berufserfahrung und davon, dass er noch nie einen Strafzettel bekommen habe und sich immer an die Tempolimits halte. Sie hätten schließlich einen Fahrtenschreiber an Bord und das würde strikt kontrolliert. Viktor versucht noch zu erklären, dass wir normalerweise mit dem Rad reisen und er für uns „rapidissimo“ (sehr schnell) fahre, aber der Fahrer bleibt beleidigt.
Tja, so unterschiedlich können eben die Definitionen eines „guten Fahrers“ im Personentransport aussehen. Nicht der Komfort der Fahrgäste, sondern die maximal mögliche Geschwindigkeit sind für diesen Fahrer das Maß aller Dinge. Immerhin sagt er aber zu, dass er versuchen wird, das Tempo etwas zu drosseln.

Erstaunlicherweise haben die anderen Fahrgäste kaum Probleme mit dieser Fahrweise, obwohl es Touristen aus Asien und U.S.A. sind, also auch nicht unbedingt an so einen Fahrstil gewöhnt sein dürften. Wir scheinen tatsächlich empfindlicher zu sein als der Rest an Bord. Nach dem dritten Halt und weiteren gefüllten Spucktüten wird Jutta von einem amerikanischen Paar ein Platz weiter vorne im Bus angeboten, den sie dankend annimmt. Auch die von einem anderen amerikanischen Paar gereichte Kau-Tablette (mit Himbeergeschmack) gegen Reiseübelkeit nimmt sie an (und ein). Wenige Minuten später hat die Tablette den Magen jedoch schon wieder verlassen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Teufelskreis schon längst in vollem Gange und nicht mehr aufzuhalten. Jeder Tropfen Wasser und jede Nahrung (denn Jutta hat richtig Hunger … eine Nahrungsmittelvergiftung, Erkrankung oder Infektion ist also sehr unwahrscheinlich), die sie in den Pausen zwischen den Fahrstrecken aufnimmt, landet kurze Zeit später während der nächsten Fahrstrecke im Spuckbeutel.

Nach dem nächsten Halt zieht das amerikanische Paar aus Sacramento freiwillig in die letzte Reihe um (der Mann nennt es scherzhaft die „coach class“ und bedankt sich freundlich 😉 ) und Viktor setzt sich vorne neben Jutta, um beim Anreichen, Halten und Verstauen der Tüten zu helfen. Denn zu allem Unglück muss man im Nationalpark Torres del Paine sämtlichen Müll wieder mitnehmen. Es gibt keine Mülleimer, in denen man irgendwas entsorgen kann. So müssen wir also die Tüten in der freien Natur an den Haltepunkten leeren und dann benutzt in unsere Coffee-ToGo-Becher stopfen.

Es wird ein absolut unvergesslicher Tag. Denn wer kann schon von sich behaupten, einen der schönsten, farbenprächtigsten, kompletten Regenbögen seines Lebens gesehen zu haben, während er eine Spucktüte hielt bzw. füllte? Gute Fotos sind aus nachvollziehbarem Grund heute eher Mangelware, der Regenbogen ist ein Bild, das lediglich in unseren Gehirnwindungen gespeichert bleibt. Eigentlich nur in Viktors – Jutta sieht auf den Autofahrten gar nichts, nur bei den Zwischenhalten mit Aussteigen.

Ein paar Dinge sind dann heute aber doch noch im Gedächtnis geblieben:

Tourstationen: Lago Sarmiento, Laguna Amarga, Pehoé Camping, Salto Grande Wasserfälle, Salto Chico Wasserfälle, Lago Grey (südliches patagonischen Eisfeld), Milodon Höhle

Der Torres del Paine ist nach drei turmhohen, nah beieinander stehenden Bergen benannt, den „Türmen des Blaus“ (Torres = Türme, Paine = Blau in einer der lokalen indigenen Sprachen). Sie sind auf diesem Foto in der Mitte zu sehen.

Hinten mittig die „Torres del Paine“, vorne Wasserfälle

Christina Calderon, last Speaker of Yahgan language

Sociedad Explotadora de Tierra del Fuego committed genocide on the Selk’nam indigenous people (with the permission of the Chilean government). The Selk’nam had no concept of ownership and started hunting and eating the sheep, as their original source of food, the Guanacos, were displaced by the large sheep herds.

Die „Laguna Amarga“ (Bittere Lagune) hat keinen Zufluss oder Abfluss und speist sich nur vom Regenwasser. Das Wasser enthält eine hohe Konzentration an Kalziumkarbonat und ist daher sehr alkalisch (pH10). Wir dürfen „nur gucken, aber nicht anfassen), also nicht bis ans Ufer gehen.

Wie auf den Videos zu sehen ist, ist es den ganzen Tag extrem windig. Unsere Guide warnt uns immer wieder und fordert uns auf, vorsichtig zu sein, da die Windböen von bis zu 90 km/h uns umwerfen oder über die Kante eines Aussichtspunktes blasen könnte. In den nächsten paar Tagen soll der Wind weiterhin so stark bleiben. In uns reift die Entscheidung, uns das Radfahren bei diesen Bedingungen lieber nicht anzutun. Ab 30 km/h Windgeschwindigkeit gilt das Radfahren als schwierig, aber 35 km/h bereits als gefährlich. Windböen von 90 km/h sind auf dem Rad richtig gefährlich.

Abends gehen wir bei Ñandú essen. Viktor probiert Guanaco-Fleisch, das wirklich gut schmeckt, ähnlich wie Rindfleisch, aber mit einem leichten Wildgeschmack, der nicht so extrem ist wie z.B. beim Reh.

Sonntag 16.2.25 – Puerto Natales

Nach dem Frühstück packen wir unsere acht Radtaschen wieder „richtig“, als würden wir weiterradeln, nachdem wir für die Fährfahrt auf der Esperanza ja alles umgepackt hatten – so finden wir uns besser zurecht. Gegen zehn Uhr checken wir aus, dürfen aber die Taschen und das Tandem vor Ort lassen.

Bei leichtem Regen und – natürlich – Wind wollen wir noch ein wenig Puerto Natales angucken und eventuell ins Historische Museum gehen. Auf dem Weg zur Promenade kommen wir am Bus Sur-Büro vorbei und kaufen uns Tickets für eine Busfahrt nach Ushuaia für den morgigen Tag. Die Strecke wollten wir ursprünglich ja radeln, aber es gibt keine Möglichkeiten zum Übernachten (abgesehen vom Zelten) und der starke Wind in der eher kargen Landschaft kann uns auch nicht wirklich überzeugen, also haben wir beschlossen, dass die Fährfahrt mit der Esperanza eigentlich auch ein toller Abschluss unserer Tour gewesen sein könnte. Jetzt fahren wir mit dem Bus und überlegen, unten in Ushuaia vielleicht noch ein wenig ohne Gepäck radzufahren, die letzten Wochen aber eher noch sehenswerte Sachen anzuschauen (z.B. Pinguine, Gletscher, Buenos Aires) statt Kilometer auf dem Tandem zu machen.

Dann laufen wir die Promande entlang, häufig begleitet von drei Straßenhunden, die wir schon kennen, und die fast selbstmörderisch viele Autos anspringen und anbellen. Wir beobachten einen sehr lange bestehenden, sich ständig ändernden Regenbogen, Schwarzhalsschwäne und andere Vögel, besuchen die Skulptur „El Mano“ und das Denkmal „Monumento al Milodón“ und gehen danach noch einmal ins Darwin-Café zum Aufwärmen.

Regenbogen-Panorama

Das Museum hat dummerweise sonntags geschlossen, es öffnet sogar erst am Dienstag wieder, die Chance, es zu besuchen, haben wir leider verpasst. Weil wir noch einen kleinen Aufkleber für unser Tandem kaufen wollen, klappern wir ein paar Souvenier-Läden ab (finden aber nur viel zu große Sticker). Bevor wir im Hostal Nathalie, genau neben dem Don Guillermo, einchecken gehen, machen wir noch eine Kaffeepause im Angelica’s und Jutta will noch ein paar Getränke für heute und die morgige Busfahrt besorgen. Im Unimarc-Supermarkt sind die Regale ziemlich leer, sie warten wahrscheinlich auf die nächste Fähre, denn bis auf Salat und andere schnell wachsende Gemüse, die hier in Gewächshäusern angebaut werden, werden alle Lebensmittel aus der Hauptstadtregion hierher transportiert, und das sind ca. 3000 Kilometer (und in Chile nicht durchgängig durch Straßen verbunden). Wir sind hier bzw. weiter nördlich schon an Apotheken vorbeigekommen, an denen steht, dass sie nur die Bewohner versorgen, keine Touristen. Die bekommen wahrscheinlich auch nicht so häufig Nachschub…

In einigen Straßen im Ort gibt es sehr nette Mülleimer, von denen wir ein paar festgehalten haben:

Wir checken ein und bringen unsere Taschen von nebenan in unser neues Zimmer. Das Tandem kann bis morgen am alten Platz gegenüber stehen bleiben. Den weiteren Nachmittag verbringen wir schreibend und planend im sehr hellhörigen Hostal. Viktor hat noch einen WhatsApp-Videocall mit Mutter und Schwester.

Wir buchen danach über AirBnB eine Unterkunft in Ushuaia. Aus irgendeinem Grund wäre diese über Viktors Mobiltelefon-Profil viel teurer geworden als bei Errichtung eines neuen AirBnB-Profils auf dem Laptop. Also machen wir das und werden durch eine WebCam-Identifizierung gezwungen, die ziemlich lange dauert. Wir nehmen mehrmals die Vorderseite des Personalausweises auf, dann die Rückseite (beides ständig zu unscharf und zu schlecht ausgeleuchtet, denn unser Zimmer ist ziemlich dunkel), danach dann noch ein Selfie. Aber irgendwann ist die Buchung durch und wir haben relativ günstig eine Unterkunft in Ushuaia gefunden.

Zum Abendessen laufen wir noch einmal durch die Straßen und bleiben schließlich beim Koreanischen Restaurant „La W“ hängen, das nicht nur koreanisches Essen anbietet, sondern auch Guanaco und Vegetarisches. Der Quinoa-Tabouleh-Salat ist auf jeden Fall nachahmenswert – einfach Quinoa statt Bulgur, sonst alles gleich – und Viktors Guanaco-Burger ist ebenfalls sehr gut.
Wir rätseln während des Essens, wie denn noch die Besatzung des Segelbootes zwischen Panamá und Cartagena heißt und kommen nicht drauf. In unserem Blog finden wir nur den Schiffsnamen (Sophia), den des Hundes (Arya) und den des Kapitäns (André). Immerhin ein Name der Dreiercrew! Das kommt davon, wenn man nicht alles aufschreibt…

Wir recherchieren noch ein wenig, wie wir das Tandem per Flieger nach Buenos Aires bekommen, da die Argentinische Fluggesellschaft auf Inlandsflügen anscheinend nur 23 kg erlaubt und wir beim Hinflug ja schon Probleme hatten, die bei Lufthansa erlaubten 32 kg einzuhalten.

Woche 45 (3.2.25 – 9.2.25) – Puerto Cárdenas – auf See

Montag 3.2.25 – (177) – Puerto Cárdenas – Chaitén

Gesamt: 11.262,26 km

Wir schlafen aus, da unsere Strecke heute „nur“ wieder zurück nach Chaitén geht, lassen uns Zeit mit dem Frühstück und dem Packen, da es schon wieder regnet, und schauen viel aus dem Fenster, wo sich alle paar Minuten die Aussicht ändert. Sonne, Wolken und Regen sorgen für ein faszinierendes Schauspiel. Ein Fernsehgerät wäre in dieser Cabaña fast schon ein Verbrechen, denn man sollte hier eigentlich permanent am Fenster sitzen und hinausschauen.

Um kurz nach zehn ist es gerade trocken, und wir tragen erst alle Taschen hoch zum Parkplatz und schieben/ziehen dann das unbepackte Tandem, um es oben zu bepacken. Das ganze dauert eine Weile, so dass wir erst um kurz vor elf Uhr losfahren. Heute morgen fahren wir erst ein klitzekleines Stück die R-7 weiter bis zur Brücke über den Rio Yelcho, um von dort noch einen anderen Blick auf den See (und unsere Villa Gesell) zu haben. Von dort fahren wir den Weg zurück, den wir gestern erst gefahren sind.

Immer wieder schauert es, und wenn dann alles nass ist, hört es wieder auf. Zwischendurch können die Sachen mehrfach wieder trocknen – der langsam zunehmende Gegenwind hilft bestimmt dabei.

Am Supermarkt von gestern halten wir heute nur kurz, Viktor will den Betreiber nur fragen, wie er im Spnaischen nochmal den Regen genannt hat, der ja gar kein richtiger Regen ist. „Garuba“ oder „esta garubando“ ist der Begriff, den er dafür benutzt hat. Er steht für leichten Regen und wird so nur in Lateinamerica benutzt.

Statt eines längeren Haltes am Supermarkt wollen wir die Pause im gestern geschlossenen Café „El Avion“ machen und nur zurückkommen, wenn dieses heute auch wieder gschlossen sein sollte. Wir haben aber Glück: das Tor steht offen, und es regnet sogar gerade nicht. Beth ist ursprünglich aus England, ihr Mann aus Südafrika (mit Irischen und Deutschen Wurzeln), der Sohn ist Chilene. Sie macht uns Kaffee und erzählt mit Hilfe eines Tablet-PCs die Geschichte des Flugzeuges: diese DC-3 war im 2. Weltkrieg an der Landung der Aliierten in der Normandie beteiligt und wurde später von der Chilenischen Fuerza Aérea gekauft. Es wurde zur Kartografierung des Chilenischen Südens für den Bau der Carretera Austral genutzt und war sechs Kilometer vom heutigen Standort entfernt abgestürzt. Eine Familie hat es mit Hilfe von zwei Ochsen und Baumstämmen hierher, auf das eigene Grundstück, gezogen und dann von 1975 bis 1995 darin gelebt.

15 Jahre davon haben sie mit Macheten einen Weg zu einem anderen Grundstück am Flussufer freigemacht und sich dort ein Haus gebaut. Inzwischen sind sie ziemlich betagt und leben immer noch dort. Beth und ihr Mann Ignacio betreiben das Café nur im Sommer, den Rest des Jahres gehen sie anderen Jobs nach, wollen aber die Geschichte erhalten und ein richtiges Museum daraus machen. Es kommt zwischenzeitlich noch ein Vater mit seinem siebenjährigen Sohn Diego dort vorbei, die aus Puerto Varras sind. Diego besucht dort die Deutsche Schule.

Uns kommen mehrere andere Bikepacker entgegen, aber den meisten winken wir nur kurz zu, so z.B. auch Josefine und Lancelot aus Brüssel, die wir vor ein paar Tagen in Quemchi trafen. Jutta hat sich die Namen super einprägen können und nutzt dazu eine Eselsbrücke – „Sir“ Lancelot. Viktor hat es mit der gleichen Eselsbrücke versucht, aber ihm fällt dann immer nur „Voldemort“ statt „Lancelot“ ein, weil ihm leider zunächst immer „Lord“ statt „Sir“ einfällt.

In einer Trockenphase halten gegenüber gerade zwei Bikepacker am Straßenrand und wir fahren kurz rüber zu ihnen. Es sind Johanna und Loik aus München, und sie haben fünf Wochen Zeit, um von Puerto Montt bis Villa O’Higgins zu fahren. Als wir von unserem Plan erzählen, sagen sie sofort, dass wir den Weg bis zur Fähre in Caleta Gonzalo nicht in der erforderlichen Zeit schaffen können – es sind 32 Kilometer unbefestigt – Schotter mit dem berüchtigeten Ripio (Waschbrett). Sie haben mit ihren Mountain-Bikes vier Stunden für diesen Abschnitt benötigt. Wir bedanken uns (das war uns bislang entgangen) und wissen, dass wir wieder einmal umplanen müssen. Das war mal wieder einer dieser Glücksfälle unterwegs. Wenn die beiden nicht gerade gestanden hätten, um eine kurze Trinkpause zu machen, wären wir vermutlich einfach winkend aneinander vorbeigefahren. Auf der unerwarteten Schotterstrecke nach Caleta Gonzalo wären wir dann aber in zwei Tagen so richtig in Stress geraten, um unsere Fähre zu erreichen.

Auf der weiteren Strecke bis Chaitén beginnt es dann doch noch einmal richtig heftig und ausdauernd zu regnen, so dass wir unsere tropfnassen Sachen erst einmal zum Trocknen an eine unter dem Carport der Cabaña aufgehängte Wäascheleine hängen müssen als wir in Chaitén ankommen. Viktor wärmt sich mit einer heißen Dusche auf, bevor wir überlegen, wie wir jetzt am besten rechtzeitig nach Puerto Montt kommen. Die beste und risiko-ärmste Möglichkeit scheint eine Fähre von hier zu sein, und wir buchen diese für übermorgen. So können wir die für morgen reservierte Unterkunft in Santa Bárbara noch nutzen und übermorgen früh für die Fährfahrt hierher nach Chaitén zurückkommen. Von Puerto Montt aus können wir eventuell noch einen Tag Richtung Süden auf der Carretera Austral fahren, wenn alles glatt geht.

Anschließend gehen wir zu Fuß wieder hinaus in den Regen. Die Straßen sind ziemlich nass, das Wasser scheint nicht gut abzufließen, und unsere beim Radfahren durch die Schuhüberzieher relativ trocken gebliebenen Schuhe werden sofort pitschnass. Wir machen eine Kaffeepause im uns schon bekannten Café Buen Sabor, gehen Brot und Getränke kaufen und suchen dann noch den Outdoor-Laden hier in Chaitén auf. Das scheint uns der einzige Ort zu sein, in dem wir vielleicht ein Imprägnierspray für unsere Regenjacken erhalten können. Wir haben sie schon zu oft gewaschen, und nur einmal in Panamá imprägniert, und inzwischen saugen sie sich regelrecht mit Regenwasser voll und sind sehr durchlässig. Leider gibt es keinerlei Imprägnierzeug, nur wasserdichte Kleidung. Nach recht kurzen Überlegungen kaufen wir uns beide eine neue Regenjacke – die wenigen noch kommenden Wochen werden ziemlich nass sein, und wir wollen unbedingt trockener bleiben, als das gestern und heute der Fall war.

Neue Regenjacken von Patagonia, gekauft in Patagonien

Vom Outdoor-Laden gehen wir noch schnell in das Museo de Sitio Chaitén, an dem wir vor zwei Tagen noch vor verschlossenen Türen standen. Hier erfahren wir, dass der gesamte Ort Chaitén nach einem Vulkanausbruch 2008 eigentlich aufgegeben wurde und hier niemand mehr wohnen sollte. Stattdessen sollte der Ort in der Nähe von Santa Barbara (wo wir morgen hinradeln) neu aufgebaut werden. Die Bevölkerung ist aber nach dem Vulkanausbruch einfach in den zerstörten Ort zurückgekehrt, wo Unmengen von Asche und Schlamm den Fluss anschwellen ließen, den Ort als sogenannten Lahar überfluteten und ganze Straßenzüge zerstörten. Noch heute ist ein großer Teil der Kanalisation mit zementhartem Asche-Schlamm verstopft. Chaitén ist weiterhin ein nur „bedingt bewohnbarer“ Ort und Neubauten sind nicht erlaubt.

Auf dem Rückweg essen wir in der Pizzeria Chaitén wirklich gute Blauschimmel-Walnuss- bzw. Pesto-rote Zwiebel-Pizza, die wir uns beide zum Nachkochen merken wollen, und verbringen den restlichen Abend in der Cabaña.

Dienstag 4.2.25 – (178) – Chaitén – Santa Bárbara

Gesamt: 11.286,47 km

Weil wir keine andere Unterkunft gefunden haben, ist für heute nur eine kurze Tour bis Santa Bárbara geplant. Da wir morgen aber nach Chaitén zurückfahren müssen, um mit einer Fähre nach Puerto Montt zu fahren, nehmen wir uns vor, auf der Carretera Austral nordwärts zu fahren, bis wir die Stelle erreichen, die uns zur erneuten Umplanung gezwungen hat. Wir wollen also dorthin, wo der Asphalt endet und die schlechte Schotterstrecke beginnt.

Wir stellen uns keinen Wecker, sind aber kurz nach 8 Uhr auf den Beinen und frühstücken in unserer Cabaña mit ungetoastetem Toastbrot (leider kein Toaster da), Butter, Käse, Honig, Marmelade und Bünting-Tee. Zum Checkout um 10 Uhr sind wir gerade rechtzeitig abfahrbereit.

Schon gestern hatte Viktor beim Schalten bemerkt, dass es wieder ziemlich „hakt“, die Schaltvorgänge also ungewöhnlich schwergängig sind. Das hatten wir bei circa 4.000 Kilometern schon einmal und kurz darauf ging dann gar nichts mehr, weil eine Litze des Schaltzuges gerissen und aufgedröselt war. Eigentlich wollte Viktor gestern Abend noch nachschauen und eventuell den Schaltzug wechseln, aber weil alle Klamotten so nass waren und wir auch noch ins Museum wollten, wurde das Vorhaben nochmal um einen Tag verschoben. Tja, und wie es das Schicksal so will, passiert das Befürchtete schon auf dem Hinweg genau in der letzten Steigung vor Santa Bárbara. Die Schaltung bewegt sich gar nicht mehr. Wir fahren an den Straßenrand auf die Sonnenseite der Straße – ja wir haben mit dem Wetter Glück und die Sonne scheint – und überprüfen die Schaltzüge in der Schaltbox der Rohloff-Schaltung. Wie erwartet ist eine Litze gerissen, aufgedröselt und verknotet, und blockiert so die Schaltung. Da wir nur wenige Kilometer von unserer Unterkunft für die kommende Nacht entfernt sind, lösen wir nur den Knoten und entfernen die aufgedröselten Teile. Den Schaltzugwechsel wollen wir an unserer Unterkunft vornehmen. Wir fahren die letzten zwei Kilometer bis zur Unterkunft und beginnen dort mit dem Schaltzugwechsel.

Und dann nimmt das Drama seinen Lauf. Wir wollen keine halben Sachen machen und gleich beide Züge wechseln. Es sind also zwei Schaltzüge, einer fürs Hochschalten und einer fürs Herunterschalten. Wir ziehen erst einen alten Schaltzug heraus, schieben einen neuen durch die Schaltzughülle, bis er unten übersteht und schneiden ihn auf genau 20 cm Länge ab. Zum Abmessen der Länge benutzen wir einen exakt 20 cm langen Kabelbinder, den wir beim letzten Mal vorbereitet haben, denn wir haben kein Maßband im Gepäck. Der Kabelbinder sieht so aus:

Mit dem zweiten Schaltzug machen wir es genauso. Als wir alles zusammenbauen wollen, stellen sich die neuen Schaltzüge als zu kurz heraus. Wir rätseln und rätseln, was wir falsch gemacht haben könnten. Beim Einfädeln der Schaltzüge am Lenker-Drehgriff kann man Einiges verkehrt machen, was dann beim Abschneiden zu einer falschen Länge führen kann, aber eigentlich nie zu einer zu kurzen Länge, sondern eher zu einer zu langen. Wir ziehen den ersten Schaltzug heraus und vergleichen die Länge mit den alten, ausgebauten Schaltzügen. Tatsächlich ist er circa zwei Zentimeter zu kurz. Wir ziehen nochmal einen neuen Schaltzug ein. Jetzt muss es aber klappen, denn wir haben nur zwei Paar Ersatz-Schaltzüge dabei, die uns Julius in das Paket nach Medellin gepackt hatte. Wir schneiden den dritten Schaltzug ebenfalls auf 20 cm Länge ab, aber es passt alles immer noch nicht.

Und dann wird uns klar, was wir die ganze Zeit falsch machen. Wir verwenden das Kabelbinder-„Maßband“ falsch. Der Kabelbinder ist genau 20 cm lang, aber wir haben immer an der schwarzen Linie geschnitten, also immer zu kurz. Das bemerken wir erst, als wir die Putzfrau nach einem Zentimetermaß fragen. Wir finden gemeinsam in der Werkstattecke einen Winkel mit Zentimetermaß. Damit überprüfen wir unseren Kabelbinder und stellen den Fehler schließlich fest.

Wir sind am Boden zerstört, denn wir haben soeben drei von vier verfügbaren Schaltzügen zu kurz abgeschnitten und somit ist eine Reparatur der Schaltung jetzt unmöglich. Jutta schaut nochmal durch alle Ersatzteile und findet – wir können unser Glück kaum fassen – noch ein weiteres Paar Rohloff-Originalschaltzüge. Julius hatte fälschlicherweise eine größere Anzahl bestellt und geschickt, weil er nicht wusste, dass in einer Packung immer gleich zwei Schaltzüge enthalten sind.

So haben wir also doch noch eine letzte Chance, die Schaltung zu reparieren. Mittlerweile sind über drei Stunden vergangen, während derer wir auch noch ständig von irgendwelchen kleinen schwarzen Fliegen angegangen werden, die zubeißen, wenn man sie nicht wegschlägt. Bei Viktor liegen die Nerven langsam blank. Beim letzten Festziehen der Madenschraube, mit der der Schaltzug seitlich festgeklemmt werden muss, ist uns auch noch zuallem Unglück aufgefallen, dass der Innensechskant schon ziemlich ausgeleiert ist. Der Innensechskantschlüssel rutscht im Kopf bereits bei geringer Kraft durch. Wenn es jetzt also nicht klappen sollte, war es das wohl mit unserer Reparatur (und auch mit unserer Tour, denn auf Ersatzteile aus Deutschland können wir jetzt nicht mehr warten). Wir ziehen nochmal zwei neue Schaltzüge ein, schneiden diesmal die richtige Länge ab und montieren alles zusammen. Zunächst sieht es beim Durchschalten der Gänge ganz gut aus, aber dann rutscht plötzlich irgendwas durch und die Schaltzüge springen oben am Drehgriff aus den Halterungen.

Also müssen wir nochmal alles auseinandernehmen und stellen dabei fest, dass die ausgeleierte Madenschraube tatsächlich nicht mehr fest genug gezogen werden kann. Der Schaltzug ist einfach herausgerutscht, weil er nicht fest genug geklemmt war. So … das war´s dann jetzt also endgültig, denn eine Ersatz-Madenschraube haben wir nicht dabei. Obwohl … warte mal … vielleicht passen zufällig die Madenschrauben, die an unseren Pedalen auf der Rückseite angebracht sind. Sie sollen das Abrutschen eines normalen Schuhs von der Pedale verhindern.

Passende Madenschrauben an den Shimano-Pedalen

Und tatsächlich passt das Gewinde. Die Schrauben sind am Ende zwar spitz zulaufend, was für das Festklemmen des Schaltzuges nicht die beste Lösung ist, aber wir bekommen alles wieder zusammengebaut und machen uns nach fünf Stunden Reparaturzeit mit entsprechend angeknackstem Nervenkostüm auf eine Probefahrt ohne Gepäck. Dieses konnten wir schon oben in unserer Cabaña unterbringen.

Am Minimarket an der Carretera Austral halten wir kurz für ein kaltes Getränk. Die dort ebenfalls gerade anwesenden Chilenen (zwei von den fünf auch mit dem Rad) machen uns darauf aufmerksam, dass auch weiter im Süden, auf dem Weg nach Ushuaia, auf der Chilenischen Seite ganz viel unbesfestigte Strecke liegt. Das bestätigt sich beim späteren Nachschauen – erst exakt ab der Argentinischen Grenze ist alles wieder betoniert oder asphaltiert. Das bedeutet für uns, dass wir uns auch für den dortigen Streckenabschnitt noch etwas Neues überlegen müssen.

Wir fahren jetzt noch einige Hügel Richtung Norden, und die Schaltung tut ihren Dienst, wenn auch etwas schwerfällig. Da es aber schon so spät ist, fahren wir nicht bis zur Grenze der Schotterstrecke (Ripio), sondern drehen vorher um. Wieder in Santa Bárbara fahren (bzw.schieben) wir noch zum Strand, wo etliche Wohnmobile für die Nacht stehen, und geniessen die tollen Aussichten.

Nach einem Abendessen im refugioeigenen Restaurant wird in unserer Cabaña der Holzofen angefeuert, da dieser den um das Ofenrohr liegenden Wassertank aufheizen muss, damit wir eine warme Dusche nehmen können. Das soll ca. 40 Minuten dauern. Nach zwei Stunden, es ist inzwischen fast 22 Uhr, ist das Wasser von 25°C auf 38°C erwärmt. Viktor duscht bei 38°C und ohne Kaltwasserzumischung passt das auch ganz gut. Erst um 23 Uhr erreicht das Wasser 55°C … duschen will zu diesem Zeitpunkt bloß niemand mehr.

Heute erhalten wir auch mal wieder eine E-Mail von Navimag. Die Fähr-Kreuzfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales ist um einen weiteren Tag verschoben worden. Jetzt soll es also am 9.2. losgehen.

E-Mail von Navimag

Mittwoch 5.2.25 – (179) – Santa Bárbara – Chaitén – Puerto Montt

Gesamt: 11.299,15 km

Der Wecker klingelt um sechs Uhr und wir hören schon wieder den Regen prasseln. Der Wassertank hat immer noch 50°C, obwohl im Ofen nur noch ganz wenig Glut ist, dadurch ist die Cabaña heute früh nicht so ausgekühlt. Die Küchenausrüstung ist so la-la (nur ein einziges Messer, aber eine kleine Teekanne…) und unsere Vormieter haben wohl nicht abgespült. Die Reinigungskraft aber ebenfalls nicht, jedenfalls sind Tassen und Teller dreckig im Schrank. Wir denken darüber nach, dass es ziemlich ungünstig ist, dass das Tandem so weit weg steht wie sonst selten, weil die Regensachen in den grünen Taschen daran hängen und wir ohne Regensachen bis zum Tandem laufen müssen. Glücklicherweise macht der Regen eine Pause, bevor wir abfahrbereit sind, und in dieser holen wir schnell die Regenausrüstung hoch in unsere Cabaña.

Es ist fast acht, als wir losfahren, und heute brauchen wir für den Weg zurück nach Chaitén keine Dreiviertelstunde. Am Anleger sagt man uns, wir sollen um halb zehn (spätestens aber um zehn) dort sein, also wollen wir im Ort noch einen Kaffee trinken. Das Café Buen Sabor ist noch geschlossen, aber ein Tour-Büro an der Promenade ist geöffnet und hat auch Heißgetränke. Während wir uns dort aufwärmen, hören wir, wie Kunden vergeblich nach Fähren für heute fragen und bieten der Mitarbeiterin unsere Fährtickets nach Hornopiren an, die wir ja nicht nutzen können. Dafür sind sie aber nicht das richtige Büro. Aber eine junge Frau hat das gehört und spricht uns auf Deutsch an: sie möchte heute nach Hornopiren und bekommt kein Fähr-Ticket mehr. Wir schicken ihr unsere Tickets per WhatsApp (indem sie einen Hotspot ihres Handys einrichtet) und erklären ihr, dass sie dafür aber irgendwie (per Anhalter?) nach Caleta Gonzalo kommen muss, und dann müssen wir uns auch schon auf den Weg zum Anleger machen. Maru (Halbdeutsch) schreibt uns später, dass sie es bis Caleta Gonzalo geschafft hat und noch ein wenig später, dass sie als „Jutta“ auf der Fähre ist. So sind unsere Tickets wenigstens teilweise genutzt, das freut uns sehr! Und weil wir auch den ganzen Tag Fähre fahren, fährt „Jutta Makowski“ heute parallel in zwei verschiedene Richtungen gleichzeitig :-).

die zweite Jutta alias Maru auf der Fähre nach Hornopiren

Am Anleger müssen wir auch heute wieder länger als geplant warten und kommen dort ins Gespräch nicht etwa mit einem der anderen Radfahrer, sondern mit zwei Motorradfahrern aus Costa Rica, die von Bariloche nach Ushuaia, dann von dort hoch bis hierher gefahren sind und jetzt auch die Fähre nach Puerto Montt nehmen, weil sie für die nach Hornopiren mehrere Tage hätten warten müssen. Sie freuen sich über unseren „Pura Vida“-Aifkleber auf dem Tandem und wir unterhalten uns länger über die Biodiversität in Costa Rica, den Nationalpark Corcovado, unsere unvergessliche Bioluminiszenz-Kajakfahrt und einiges mehr. Costa Rica rückt dabei kurzzeitig wieder auf Platz 1 von Viktors Länderranking. Costa Rica, Chile, Colombia … die drei „C“ sind jedenfalls bei ihm ganz vorne.

Auf der Fähre darf das Tandem wieder in einen Gepäckraum gestellt werden. Und dann verbringen wir neuneinhalb Stunden im Salon dieser Fähre, die sich etwas in die Länge ziehen.

Zum Glück ist das WIFI auf der Fähre recht gut und wir können uns mit Dan von (Ex-)PankeRad über den Schaltzugwechsel austauschen und recherchieren, ob wir die abschließende Strecke von Porvenir nach Ushuaia (440 km) wirklich mit unserem Tandem wagen wollen, denn da wären 94 Kilometer Schotterstrecke („Loser Untergrund“ im Komoot-Sprech) dabei und wir haben keine Ahnung wie gut oder schlecht dieser Schotter ist.

Um 20:30 Uhr landen wir in Puerto Montt an, zu unsererm Glück recht zentral, so dass wir nur 1,5 km bis zum Hotel fahren müssen. Dort dürfen wir das Tandem nach einigen Überlegungen im Treppenhaus auf eine Zwischenebene stellen. Im Hotelrestaurant essen wir und beenden dann bald diesen ereignisarmen Tag.

Donnerstag 6.2.25 – (180) – Puerto Montt – Contao

Gesamt: 11.356,44 km

Wir stehen um halb sieben auf, nutzen das Frühstücksbuffet im Hotel, gehen gegenüber im Santa Isabel Markt die Getränke kaufen und holen danach das Tandem aus dem Treppenhaus. Es ist kurz nach neun, als wir losfahren, und es ist vollkommen trocken (soll es heute auch bleiben).

Nach nur 1,3 km halten wir das erste Mal, denn wir sind am Kilometer 0,00 der Carretera Austral, und das müssen wir festhalten. Bislang sind wir ja von Kilometer 203 einmal weiter in den Süden, einmal in den Norden gefahren, jetzt machen wir zwei Tage die Anfangskilometer.

Jetzt folgen wir einfach dieser Straße, aus Puerto Montt heraus gibt es sogar einen Fahrradweg. Es geht einen Großteil direkt an der Küste entlang, und diese ist hügelig. Bei einer Pinkelpause am Straßenrand überholt uns ein einzelner Bikepacker, den wir danach ein- und überholen. Er tut sich noch schwerer mit den Steigungen als wir, und bergab sind wir einfach eh schneller. Als nach weniger als 20 Kilometern eine Gelegenheit zum Pause machen am Straßenrand ist, denken wir, es sei noch zu früh – wir wollen noch ein paar Kilometer weiterfahren.

Aus den paar Kilometern werden leider ein paar mehr, denn die wenigen potentiellen Möglichkeiten, die wir passieren, sind geschlossen, und bei Kilometer 40 ereilt Viktor ein Hungerast, der wie üblich mit einer halben Tafel Vollmilchschokolade mit Erdnüssen bekämpft werden muss, so dass wir wieder einmal an einer Bushaltestelle pausieren.

Während wir dort sitzen, überholen uns erst ein Wohnmobil mit Insassen aus Deutschland und dann drei Bikepacker auf Mountain-Bikes. Die Radfahrer treffen wir ca. vier Kilometer weiter wieder, denn an dieser Stelle muss jede(r) auf der R-7 eine Fähre nehmen. Hier braucht man im Gegensatz zu anderen Stellen keine Reservierung, es fahren mehrere Fähren immer hin und her, und man wird ohne viel Wartezeit mitgenommen. Die Fahrt kostet uns weniger als eine S-Bahn-Fahrt für eine erwachsene Person in Berlin. Abkassiert wird gleich an der Straße, auch wenn wir vorher noch einen Kaffee trinken gehen wollen – das Ticket kann egal wann genutzt werden. Und dort bei „Donde la Pola“ treffen wir sowohl die drei Radfahrer (aus Spanien auf der Carretera Austral mit geliehenen Rädern) als auch eine herzliche Mitarbeiterin mit einem Großvater aus dem Baskenland (wie Viktor, dessen Opa mütterlicherseits auch aus dem Baskenland, aus San Sebastian bzw. Donostia stammte), die gleich ein Bild mit uns dreien machen möchte, weil wir doch vielleicht „Primos“ (Cousins) sein könnten und somit quasi verwandt wären.

Primos 😉

An der Decke hängen ganz viele Kappen und die Holzbalken und -wände sind mit vielen Namen von Besuchern beschrieben. Der Kaffee ist zwar nicht so toll, aber wir bestellen uns frische Apfelempanadas aus der großen Auswahl, und die sind sehr gut.

Und dann schieben wir auf die nächste Fähre und haben eine 40-minütige Fahrt mit grandiosen Blicken vor uns.

Danach sind es nur noch zehn weitere Kilometer. Wir fahren zunächst in den Ort Contao, fragen in der Ferreteria nach einer Madenschraube für unsere Rohloff-Schaltbox (negativ) und gehen noch im Café Señora Berta einen „richtigen“ Kaffee trinken (mit französischer Espressobereitung, alternativ haben sie auch hier Nescafé Instant-Tüten). Unsere Cabaña liegt noch vor der Brücke, über die wir in den Ort gefahren sind, und wir müssen erst fragen, wo sie ist, denn es steht nirgendwo der Name. Wir fragen aber genau richtig, im Mercado Particular genau davor, und die Vermieterin fährt just in diesem Moment die Auffahrt hinunter.

Unsere Cabaña ist ziemlich groß, mit vielen Pflanzen ausgestattet (selbst im Bad neben der Dusche steht eine Art Kaktus) und wir finden Essensreste im Kühlschrank, unter anderem eine ziemlich schrumpelige halbe Paprika. Wie sich später herausstellt, ist das aber Absicht, da die Vermieterin keine Nahrungsmittel wegwerfen will und wir die Reste nutzen können, falls wir kochen sollten.

Während Jutta duscht, versucht Viktor mit WD-40 und Lithum-Fett den Ständer unseres Tandems wieder leichtgängiger zu machen. Nach der Reparatur mit Carlos in Valdivia hat er gut funktioniert, aber jetzt schafft es die Feder nicht mehr, ihn komplett einzuklappen. Der Regen der vergangenen Tage scheint in die letzten Ritzen des Tandems gekrochen zu sein und dort seine Wirkung zu zeigen. Auch das Vorderrad-Lager gibt bei jeder Umdrehung leicht quietschende Geräusche von sich. So richtig von Erfolg gekrönt sind Viktors Versuche aber leider nicht. Na gut … dann müssen wir ab jetzt den Ständer immer mit einem extra Fußtritt zurückklappen. Ist ja nicht mehr so lang.

Nach dem Duschen wird die Google-MyMap unserer Tour mal wieder auf den aktuellen Stand gebracht und mit dem Blogbeitrag für heute begonnen. Zum Abendessen geht es mit dem Tandem in das Restaurante Chucao, das wieder eher was für Viktor ist, denn auf der Karte finden sich vor allem Meeresfrüchte und Fleisch. Viktor ißt ein „Paila Marina“, die unter anderem „Picoroco“ (Rankenfußkrebs) enthält. Dazu mal wieder ein recht gutes, lokal gebrautes Porter. Jutta stellt sich aus den Beilagen etwas vegetarisches zusammen: „Verduras salteadas a la pobre“. „A lo pobre“ ist eigentlich eine Zubereitungsart, bei der ein großes Stück Fleisch mit Pommes Frites und Spiegelei überschüttet und kompett zugedeckt wird. Viktor muss an den Witz denken: „Wie fanden Sie das Fleisch?“ – „Als ich die Kartoffeln beiseite schob, fand ich es unter dem Salatblatt.“
„Verduras salteadas“, also sautiertes Gemüse, wurde in diesem Restaurant sicher noch nie „a lo pobre“ bestellt oder zubereitet, aber es kommt ein riesiger Teller Gemüse mit Pommes Frites und Spiegelei, bei dessen Vertilgung Viktor später noch mithelfen muss.

Ein großes Grinsen treibt Viktor dem Betreiber des Restaurants mit seinem Extra-Lob für die selbstgemachte Majonaise ins Gesicht. Der Geschmack dieser Majonaise hat bei Viktor sofort Kindheitserinnerungen ausgelöst, denn in Spanien wurde im Sommerurlaub die Majonaise auch oft selbst gemacht, meist natürlich als Knoblauchmajonaise „All i Oli“ (katalanisch für „Knoblauch und Öl“). Viktors Bemerkung „Da ist doch auch etwas Knoblauch mit drin, oder?“, macht den Betreiber besonders froh, denn er macht die Majonaise persönlich und benutzt dazu ein wenig angerösteten Knoblauch, den er zu einer Paste mörsert. Ach … so eine Karriere als Restaurant-Tester wäre vielleicht auch was gewesen ….. 😉

Freitag 7.2.25 – (181) – Contao – Puerto Montt

Gesamt: 11.413,11 km

Der in der Nacht befeuerte Mini-Ofen hält leider nicht bis morgens durch, und es ist doch ziemlich kalt in der Cabaña, aber während eines etwas längeren Geburtstagstelefonats mit Julius bekommt Viktor doch noch wieder ein Feuer hin. Zum Frühstück haben wir uns gestern Marraquetas gekauft als Alternative zu immer nur Toast. Die noch im Kühlschrank der Cabaña befindliche halbe Paprika, Wurst, Marmelade und das im Schrank liegende Ei nutzen wir lieber nicht, auch wenn die Vermieterin es wohl absichtlich dort gelassen hat, weil sie ungerne etwas wegschmeißt. In einer Schublade liegen Mesalazin- und Paracatamol-Tabletten – so etwas sollte man keinesfalls für andere Mieter liegenlassen…

Wähend des Frühstücks versucht Viktor zum wiederholten Mal, seine Führerschein-Validierung für die App-basierte BAUHAUS-Transporter-Vermietung online hinzubekommen, denn wir wollen im März eigentlich einen solchen Transporter für den Rücktransport des Tandems vom Flughafen BER nach Hause mieten. Aber irgendwie scheinen die eine solche Validierung von einer ausländischen IP-Adresse grundsätzlich nicht zu akzeptieren. Oder liegt es an der Qualität des obligatorischen Selfies mit Führerschein und Personalausweis? Oder muss man frisch rasiert sein?

Um zehn Uhr machen wir uns auf den Rückweg nach Puerto Montt. Die Sonne scheint, wir kennen den Weg und haben den leichten Wind von hinten, was will man mehr. Nach ungefähr einer halben Stunde sind wir am Fähranleger. Heute sind wir auf einer größeren, moderneren Fähre als gestern und das einzige Zweirad.

Nachtrag: Wir haben noch ein lustiges Video gefunden. Die Navigatorin macht klare Ansagen 🙂

Viktor kann der Anwesenheit einer Cafeteria nicht widerstehen und braucht schon einen Kaffee und ein geschmacklich stark an eine Rumkugel erinnerndes „Trufa“ (jedenfalls nennen die das Ding hier an Bord so).

Nach dem Anlegen dürfen wir als erste von Board gehen, aber oben an der Straße lassen wir erst alle Autos vor, damit uns nicht sofort der ganze Schwall überholt. Gerade in Steigungen ist es blöd, wenn die Autos immer so stoßweise von der Fähre kommen, da lässt man sie als Radfahrer lieber vorbei.

Und dann fahren wir die ganzen Hügel von gestern anders herum wieder zurück. Heute liegen die Boote nicht wie gestern auf dem Trockenen – es ist viel mehr Wasser da als gestern, dabei war es fast dieselbe Zeit an beiden Tagen. Das versteht Jutta irgendwie nicht, denn an der Nordsee ist der Unterschied nach genau 24 Stunden ja nur minimal, und hier verschiebt sich das Hoch- und Niedrigwasser zeitlich genauso. Muss wohl an der „Anatomie“ der Küste liegen…

Wir peilen zum Pause machen das Café an, an dem wir gestern vorbeigeradelt sind, weil es uns zu früh war, heute sollten es etwa 35 km bis dorthin sein, und die Fähre war ja auch schon eine Pause. Wir sehen am Straßenrand die Werbeschilder mit Angaben zu Entfernung, und am fast steilsten Stück der langen Steigung soll man dann plötzlich noch 50 Meter links einen Weg rein. Wir fahren vorbei, denn wer kann uns sagen, ob überhaupt geöffnet ist! Dafür halten wir kurz danach an einer Botilleria, kaufen uns ein kaltes Getränk und setzen uns in die nahe Bushaltestelle. Dort fragen wir uns wieder einmal, warum die kleinen Flaschen der Coca-Cola-Company hier immer 591 ml Inhalt haben und Dank ausnahmsweise mal gut verfügbarem Internet ist die Antowrt schnell gefunden, 591 ml sind 20 fl.oz. (US-amerikanische Flüssig-Unzen). Vor der Weiterfahrt überlegen wir uns noch, an der demnächst folgenden Tankstelle einen Kaffee trinken zu gehen, was wir dann auch bei „aramco“ (nicht etwa „aranco“ … Wette gewonnen! 😉 ) tun.

Am Mirador von Puerto Montt halten wir heute und machen ein paar Bilder.

Dann halten wir an der Mall Paseo Costanera noch einmal, fahren in die Tiefgarage, stellen das Tandem zur Beobachtung nahe eines Autowasch-Services ab (hinterher finden wir einen Fahrradstellplatz) und suchen in der Mall nach einem Eiscafé mit Banana-Split, denn wir haben noch eine Einladung und außerdem Hunger. Leider suchen wir erfolglos! Irgendwann fahren wir doch zum Hotel, wo sie unsere Anmeldebögen tatsächlich von gestern aufbewahrt haben und wir nicht noch einmal alles ausfüllen müssen.

Nach dem Duschen laufen wir mit einem Wäschesack los, um für die Vier-Tage-Fährfahrt nach Puerto Natales alles wohlduftend und sauber zu haben, aber auch hier sind wir heute Abend erfolglos. Ein Telefonat mit einer schon geschlossenen Wäscherei bringt aber Klärung – wir können morgen früh die Wäsche bringen und mittags wieder abholen. Puh!

Eigentlich will Viktor nur ein Bier in einer Cerveceria Artesanal (lokal gebrautes Bier) trinken, aber wir bleiben dann doch auch zum Essen. Anschließend landen wir zum zweiten Mal heute in der Mall, da es dort einen Schlüsseldienst geben soll. Nach mehrfachem Fragen finden wir den Laden im ersten Untergeschoss, einem Parkdeck. Wir haben die Hoffnung, dass ein Schlüsseldienst das richtige Werkzeug hat, unsere Pedalen-Madenschraube flach abzuschleifen, damit sie beim Festklemmen den Schaltzug seitlich nicht abscheren kann. Der „Schraubstock“ für die Schlüssel passt zwar nicht für die Madenschrauben, aber der nette Herr macht es mit einer Feile, probiert verschiedene Techniken aus und ist schließlich so erfolgreich, dass er gleich eine zweite mitgebrachte Schraube auch noch abfeilt. Nebenbei unterhalten wir uns die ganze Zeit mit ihm und seiner Mutter, die in Punta Arenas lebt (wo ihr Sohn auch geboren wurde) und die gerade auf Besuch zum Wochenende hier ist. Die Familie hat irische Wurzeln und in Punta Arenas sind durch Heiraten auch noch kroatische Wurzeln hinzugekommen. Am Ende dürfen wir nichts bezahlen – der nette Mann bedankt sich stattdessen für das Gespräch. Wir laden sie noch ein, diesen Blog mitzulesen, und erhalten die Erlaubnis das Foto zu benutzen.

Von dort geht es ins Hotel, und mit Blick auf die sehr belebte Promenade von Puerto Montt schreiben wir den Blog-Eintrag und beenden den Tag.

Samstag 8.2.25 – Puerto Montt

Ein Verschnauftag, bevor es auf die Fähre nach Puerto Natales geht!

Wir frühstücken im völlig überfüllten Frühstücksraum zu einer wohl ungünstigen Zeit, aber so, dass wir anschließend zur Öffnungszeit der Wäscherei um 9:30 Uhr dort sein können. Entgegen der Erwartung in Lateinamerika ist tatsächlich auch schon geöffnet, als wir auf die Minute genau dort sind, und uns wird die saubere Wäsche zu möglichst nah an 13 Uhr (Schließzeit) versprochen.

Ein paar Querstraßen weiter besorgen wir noch einmal etwas Chilenisches Bargeld, was heute nur wenige Minuten dauert (sie haben Bargeld da und der Transfer klappt sofort mit Hotspot von Viktors Handy!). Auf dem Weg zum Hotel kaufen wir auf Empfehlung von Navimag noch Reisetabletten und gehen dann erst einmal zurück.

Hier tauschen wir im Treppenhaus am Tandem die Pedalen-Madenschraube an der Schaltung gegen die abgefeilte von gestern Abend aus. Das Einstellen der Schaltung macht dann etwas Mühe und wird nur mäßig zufriedenstellend beendet. Viktor muss danach zur Beruhigung eine Partie Pool-Billard spielen, versenkt die „acht“ aber sehr schnell.

Mit dem Laptop bewaffnet gehen wir ins Café Panichini, wo wir schon einmal waren, und machen im WIFI weitere Planung (heute in fünf Wochen sind wir schon wieder zurück in Deutschland). Um kurz vor 13 Uhr geht Viktor zwischendurch schnell die saubere Wäsche holen. Wir verbringen viel Zeit hier und leben von Café Latte und Bananasplit (mit riesigen Kugeln Eis), was uns heute von K.-S. Konrad, unserer langjährigen Zahnärztin, ausgegeben wurde. Vielen Dank, und wir putzen unsere Zähne immer gründlich 😉 !

Wir sagen herzlich Dankeschön!

Nach 15 Uhr gehen wir kurz am Hotel vorbei und von dort zu einem kleinen Anleger, an dem Boote zur Isla Tengo fahren. Auf der Hinfahrt ist dieses Bötchen sehr, sehr voll – zu voll – aber wir kommen heile rüber. Vom dortigen Anleger laufen wir über steile, steinige Wege (zum Radfahren nicht geeignet) hoch zum großen Kreuz und Aussichtspunkt. Von hier oben kann man den Vulkan Osorno wieder sehr gut sehen, die Perspektive ist eine ganz andere als aus der Stadt Puerto Montt. Und auch der Blick auf die Stadt ist noch einmal anders.

Beim Abstieg machen wir eine Trinkpause im Restaurant Hoffmann. Als wir gerade wieder aufbrechen, ruft ein kleiner Junge mit Fahrrad um Hilfe: er ist unten am Wasser und schafft es nicht alleine, das Rad hochzuschieben. Viktor eilt ihm zu Hilfe und richtet das Rad erst einmal vom Liegen auf. Der Junge setzt sich darauf und lässt sich mitsamt seinem Rad hochschieben, bis zum Restaurant. Und ruft währenddessen, wie stark er doch sei! Viktor versucht ihm zu erklären, dass er als Schiebender hier der Starke ist, das will der Junge aber nicht hören.

Es ist fast sechs, als wir am Hotel zurück sind, so dass wir bald aufbrechen zu einer ausgesuchten Trattoria. Der Weg dorthin geht unter anderem über eine steile Treppe mit 124 Stufen. In der entsprechenden Straße liegen einige Restaurants, und als wir an der Trattoria ankommen, sieht dort alles leer und dunkel aus. Eine Frau guckt aus der Tür und teilt uns mit, dass sie leider keinen Strom haben und auf den Techniker warten. Der könne zwar jede Minute kommen, aber eventuell auch erst nach längerer Zeit. Schade für uns, aber wir wollen nicht auf gut Glück warten. Auf dem Weg zu einer Alternative spricht uns eine junge Frau an, die auf dem Weg zur Arbeit im „Los tres Platos“ ist und nimmt uns sozusagen mit dorthin. Erst sind wir etwas zögerlich, aber die Karte sieht gut aus und das Essen ist wirklich ziemlich gut. Heute Abend findet auf einer Bühne auch noch Chilenische Stand-Up-Comedy statt. Da wir dabei als nicht Lokale nichts verstehen würden, hätten sie sogar noch weitere Räume zum Umsetzen, aber wir sind vor dem Beginn fertig und brechen wieder auf.

Den restlichen Abend schreiben wir und bereiten uns langsam auf die Offline-Tage auf der Fähre vor. Von morgen Nachmittag bis zum 12. Februar dürften wir kein Netz haben und können deshalb wohl keine neuen Sachen hochladen. Das wird dann in Puerto Natales nachgeholt werden.

Sonntag 9.2.25 – Puerto Montt – Boarding Navimag-Fähre

Schon vor dem Frühstück versuchen wir, alles in den acht Radtaschen zu verstauen, und zwar so, dass jeder von uns nur eine von den Gepäckträgertaschen mit in die Kabine der Fähre nehmen muss.

Beim Frühstück ist es wieder sehr voll, und heute kamen die Mitarbeiter nicht zum Auffüllen – es gibt keine Gläser, Teller, Becherchen für die Brotaufstriche… Wir sagen uns, dass wir uns in den kommenden Tagen eventuell trotzdem danach zurücksehnen – wer weiß, wie es an Board werden wird.

Bis um 12 Uhr können wir auschecken, also verbleiben wir noch etwas im Zimmer und machen uns gegen 11.15 Uhr ans Beladen des Tandems. Kurz darauf fahren wir die Küstenstraße bis zum ehemaligen Hotel Versalles, dass als Check-in-Örtlichkeit für die Navimag-Fähre genutzt wird. (und wie wir später erfahren werden, auch als Notunterkunft für die Fahrgäste bei den häufigen wetterbedingten Verspätungen der Navimag-Fähre, die oft mehrere Tage betragen können). Als wir um 12 Uhr ankommen, sind wir längst nicht die Ersten, obwohl das Einchecken erst um 14 Uhr starten wird. Es ist Einiges an Deutsch zu hören.

Wir nutzen die Wartezeit und gehen zum gar nicht weit entfernten Restaurant Kiel, in dem wir vor zwei Wochen schon zum Essen waren. Man erkennt uns wieder, und wir bekommen nicht nur einen Kaffee, sondern auch ein Stück Apfelkuchen nach dem dänischen Rezept der Mutter des Besitzers. Ein anderes Paar, das dort gerade zu Mittag isst, treffen wir hinterher bei Navimag wieder. Der in Dänemark geborene Besitzer (Jahrgang 1965 wie Viktor) lebt schon über 50 Jahre in Chile, spricht aber akzentfreies Deutsch und regt sich über die langsame Entwicklung Chiles auf. Egal ob rechte oder linke Regierung, alle bereichern sich seines Erachtens in dem korrupten System vor allem selbst, und sie warten mit ihrem Restaurant schon seit Jahrzehnten auf einen Anschluss an die Kanalisation. Er hat schon mit jedem Abgeordneten gesprochen, der aus seinem Wahlkreis im Parlament saß, erreicht hat er nichts.

Zurück am Hotel sind wir uns nicht sicher, wie unser Tandem zum Schiff kommen wird, ob wir oder einer von uns es zur Fähre fahren soll, wie das bei den Autos der Fall ist, mit Gepäck oder ohne. Beim Check-in sagt man uns, wir sollen nur die in der Kabine benötigten Taschen abmachen, das ansonsten vollbepackte Tandem würde dann per Van zum Anleger gebracht werden. Viktor wird wieder einmal ziemlich nervös, aber als der Van kommt und zunächst ein anderes Rad eingeladen wird und danach auch unseres zu dritt hineingehoben wird, hat wieder mal alles relativ gut geklappt. Das Auto fährt erst nur die zwei Räder fort und kommt hinterher für das Gepäck der Passagiere zurück. Viktor unterhält sich zwischendurch auf dem Parkplatz mit Hanne, bei der ein schwäbischer Einschlag erkennbar ist. Wegen des stundenlang vor dem Hotel laufenden Busmotors ist man sehr schnell beim Umweltthema und die anderen „Umwelt-, Müll- und Recyclingerfahrungen“, die wir in Lateinamerika schon so gesammelt haben.

Alle müssen noch recht lange warten, bis auch die Menschen im besagten Bus zur Fähre gefahren werden, und obwohl es fast Mitte Februar ist, läuft in der Halle des ehemaligen Hotels die ganze Zeit Weihnachtsmusik.

Wir werden zimmerweise aufgerufen, um in den Bus zu steigen, und nach einer kurzen Fahrt werden wir einzeln oder zu zweit zur entsprechenden Kabine gebracht. Aus Kostengründen haben wir eine Achter-Innenkabine (ohne Fenster) gebucht, die überraschend geräumig und glücklicherweise nur mit sechs Personen belegt ist. Das Schiff wurde erst im Jahr 2019 in China gebaut und ist sehr modern ausgestattet. Jede Kabine verfügt über ein eigenes kleines Bad mit Toilette und Dusche. Wir schlafen in Doppelstockkojen übereinander und können direkt vor den Kojen einen Vorhang zuziehen.

Es ist etwa 16 Uhr, als alle Passagiere an Bord sind. Allerdings dauert das Beladen der Fähre noch viel länger, denn nach den Lastwagen müssen auch noch die Fahrzeige der Passagiere an Bord gebracht werden. Irgendwann werden die Fahrer aufgerufen, ihre Fahrzeuge, die an Land zwischengeparkt waren, auf die Fähre zu fahren. Jedes Fahrzeug wird an allen vier Reifen mit Spannriemen an Deck festgezurrt. Langsam wird uns klar, was mit den ca. 12 Stunden „offene See“ gemeint sein könnte, in denen wir den „Golfo de Pena“ durchqueren (Pena = Leiden).

Um 17 Uhr müssen alle im Speisesaal sein: der Kapitän begrüßt uns und erklärt auf Spanisch und Englisch mehr oder weniger wichtige Sachen. Unter anderem teilt uns der Kapitän mit, dass wir auf dieser Fahrt nur 3 Gegner haben: Wind, Wind und Wind! Außerdem teilt er uns mit, dass während der Fahrt ausschließlich seine Gesetze an Bord gelten, und dass er uns rechtsgültig verheiraten und – noch viel wichtiger – auch rechtsgültig scheiden könne.
Im Anschluss müssen alle das Safety-Video anschauen und dafür auf einer Liste unterschreiben. Wir sitzen die ganze Zeit im Speisesaal. Hier läuft jetzt keine Weihnachtsmusik, sondern ABBA rauf und runter.

Wer vegetarisch oder auch vegan essen möchte, bekommt einen entsprechenden Sticker auf seine Schlüsselkarte.

Um 19 Uhr gibt es unser erstes Essen an Bord. Alle stehen in einer langen Schlange im Speisesaal, nehmen sich Tablett und Teller und erhalten die Hauptspeise auf den Teller serviert. Salat, Brot und Obst nimmt sich jeder Passagier nach eigenem Belieben.

Kurz vor Sonnenuntergang legt das Schiff gegen 21 Uhr ab. Dabei wird es von mehreren kleinen Booten unterstützt, die beim Lösen der Schiffstaue von den Mooring-Bojen helfen und das Schiff nach dem Ablegen noch in der Fahrrinne halten.

Ab 21 Uhr läuft im Speisesaal ein Film vom WWF, der von Plastikmüll, einer ganz speziellen Möwenart im Golf von Corcovado und von Blauwalen handelt. Die kleinen Möwen sind besonders faszinierend und noch wenig erforscht, denn sie verbringen ihr ganzes Leben auf dem Wasser und ernähren sich von Krill, den sie durch Eintauchen der Füße in die Meeresoberfläche anlocken. Das alles geschieht im Flug und sieht aus, als würden die Möwen auf der Wasseroberfläche Ballett tanzen. Bisher weiß man z.B. noch nicht, wo diese Vogelart brütet.

Nach dem Film führt der Supervisor Viktor auf das Ladedeck und zeigt ihm, wo das Tandem gemeinsam mit dem weiteren Fahrrad abgestellt wurde. Es steht an der Bordwand, relativ nah an den Lastwagen und ist noch nicht festgezurrt. Das soll erst morgen erfolgen, bevor es auf die offene See geht. Als Viktor erklärt, an welchen Stellen es lieber nicht festgezurrt werden sollte (z.B. dort, wo die Kette in Führungsrohren verläuft), verspricht der Supervisor, Viktor nochmal dazuzuholen, wenn es ans Festzurren geht.

Um 22 Uhr gehen wir in unsere Kabine, wo auch alle anderen Kabinenbewohner schon dabei sind, sich bettfertig zu machen. Wir schlafen erstaunlich gut, Viktor meint zwischendurch sogar, dass wir irgendwo in einem Hafen angelegt haben, weil es so ruhig ist. Aber Jutta empfindet die nächtliche Fahrt bereits als etwas schaukelig. Die einzige Beinaheverletzung, die wir uns zuziehen, resultiert aus einem kräftigen Tritt von Viktor gegen die Kabinenwand. Er hat irgendetwas mit Fußball geträumt und als Torwart wohl einen weiten Abschlag versucht.

Nachfolgende Fotos sind zeitlich rückwärts sortiert … haben wir das immer so gemacht? Ich glaube nicht 😉

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