Montag 18.11.24 – Machu Picchu (Zug – Bus)
Der Wecker klingelt um 4:10 Uhr, denn heute geht es um 5:00 zu unserem letzten großen Ausflug von Cusco nach Machu Picchu. Um 4:55 geben wir an der Rezeption nochmal einen Wäschesack ab und stehen pünktlich vor der Türe des Hotels. Trotzdem muss Viktor erstmal mehrere WhatsApps von der Agentur, dem Fahrer und dem heutigen Fremdenführer beantworten. Alle bitten darum, dass wir unsere „Ubicación” (Standort) schicken, weil der Fahrer uns nicht finden kann. Als er uns dann endlich findet, fährt er uns einen knappen Kilometer zum nahegelegenen Bahnhof Wanchaq. Na toll … das hätten wir schneller zu Fuß geschafft (es ist ber immer noch drei nach sechs, als wir ins Auto steigen – also kein langwieriges Drama!).

Am Bahnhof warten wir in einem Warteraum mit Livemusik (Saxophon) und Teestation bis 5:45 Uhr.
Dann werden die individuellen Tickets und Reisepässe kontrolliert und wir steigen am BAHNhof in einen …. BUS. Der fährt uns durch die Stadt Cusco in die Berge hinauf zum Bahnhof Poroy, an dem die Bahnlinie Richtung Machu Picchu beginnt. Dort wird um 6:10 wieder mit der Ticketkontrolle und Sortierung nach Waggons begonnen und wir warten weiter. Um 6:40 sitzen wir im hintersten Waggon G des PeruRail-Zuges, der nach Machu Picchu HINABfährt. Richtig gelesen! Viktor war vorher gar nicht bewusst, dass Machu Picchu tiefer liegt als die Stadt Cusco und bereits tropisches Bergklima besitzt. Hier regnet es viel mehr, es ist wärmer und man befindet sich bereits am Rand des Amazonas-Regenwaldes in der Region der Nebel-Bergwälder. Aus diesem Grund werden die Touristen von zahlreichen Mücken attackiert. Unser mitgebrachtes Repellent hilft auch einem anderen, dessen Beine schon ganz zerstochen sind. Hier herrscht ideales Klima für den Anbau von Coca (in Peru in kleinen Mengen erlaubt), aber auch Kartoffeln (auf den oberen Terrassen) und Mais (untere Terassen).
Die 92 km lange Zugfahrt dauert gute 3,5 Stunden und führt durch das Tal (und die Schlucht) des Urubamba, einem Zufluss des Amazonas (mündet nach 750 km in den Ucayali und danach in den Amazonas). Der Zug hat oben zusätzliche Panoramafenster, so dass wir auch in der Schlucht die Hänge und Steilwände hinaufschauen können. Es gibt atemberaubende Aussichten zu bewundern, und immer wieder gibt es Ansagen auf Spanisch und Englisch. So z.B. an der „Zig-Zag-Zone“, wo der Zug zweimal seine Fahrtrichtung ändern muss, um auf kurzer Strecke ein steiles Gefälle überwinden zu können.
Auf der anderen Seite des Ganges sitzt ein Familie mit einem circa 3-4-jährigen Jungen, die schon seit 14 Monaten in einem Volkswagen T4 (Allrad) durch die Amerikas unterwegs sind. Sie arbeiten zwischendurch immer wieder und wollen knapp zwei Jahre unterwegs sein.
Gegen Ende der Fahrt sehen wir an einer Steilwand ziemlich weit oben vier eigenartige Bauten. Die Zugbegleiterin in unserem Waggon erklärt uns, dass das „hängende Hotels“ sind, die man sich erwandern und über Metall-Leitern erklettern muss. Eine Nacht kostet ca. 1.000 Euro.






Um 10:30 Uhr kommen wir schließlich in Aguas Calientes (Machu Picchu Pueblo) an, und die Passagiere des Zuges ergießen sich an den Warteräumen und Toiletten vorbei auf den Vorplatz, der ein riesiger Souvenir-Markt zu sein scheint. Wir werden bereits von einer Fremdenführerin erwartet, die uns über das weitere Prozedere informiert und uns erklärt, dass es auf jeden Fall am Nachmittag in Machu Picchu regnen wird, weil auf dem von hier entgegengesetzten Berg Wolken hängen und das immer so sei.
Wir haben dann eine knappe Stunde Zeit (Stärkung im Peru Café), bis wir uns in eine Schlange stellen müssen für den Bus hinauf zur eigentlichen Besichtigung der Ruinen. Dort verharren wir in praller Sonne eine ganze Stunde, nur unterbrochen durch zwei Ticketkontrollen ;-), bis die ganze Schlange die Straße etwas weiter gehen darf, um dort etappenweise auf Busse verteilt zu werden. Dieses ganze Prozedere mutet wirklich wie Massentourismus an, aber wir wollen Machu Picchu ja auch unbedingt sehen… .



Nach ca. 25 Minuten Serpentinenfahrt nach oben (nur drei km) haben wir das Ziel erreicht und werden dort schon von Christian erwartet, der uns über die Anlage führen wird. Laut unserem Ticket haben wir „nur“ Zugang zum Rundgang 3, der nicht hoch zum Panorama geht. Das ist für einen von uns perfekt, aber wir dachten bislang, dass Jutta wohl nach ganz oben gehen dürfte. Christian zeigt und erklärt uns zwei Stunden lang viel und bietet immer wieder an, uns zu fotografieren, eigentlich zwingt er uns sogar regelrecht, und so haben wir heute einmal viele Bilder mit uns beiden.
Unter anderem erklärt uns Christian, dass Teile der Anlage, die früher noch betreten werden konnten, heute nicht mehr zugänglich sind, weil die vielen Touristen die Stufen und Mauern abgenutzt oder beschädgt haben. So ist eine Pyramide, die früher noch besteigen werden konnte, aufgrund neu entstandener Risse heute nicht mehr begehbar. Dies werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vermutlich so weitergehen, so dass wir heute vielleicht noch etwas besichtigen könnten, was in ein paar Jahren nicht mehr zu besichtigen sein wird.
Wir sehen auf einer großen Fläche ein grünes Zelt stehen und Viktor fragt, ob dort weitere Ausgrabungen stattfinden. Tatsächlich wir dort ein eine Art Obelisk untersucht, der 1978 noch aufrecht stand und für den Besuch des spanischen Königs Juan Carlos auf Befehl des damaligen Bolivianischen Präsidenten umgelegt wurde, damit der Hubschrauber des Königs dort landen konnte. Der Obelisk soll wieder aufgerichtet werden, hat aber wohl neue Risse, die zunächst untersucht werden müssen, damit er beim Wiederaufrichten nicht komplett auseinanderfällt.





















Nach der Führung können wir noch selbstständig etwas bleiben und auch die anderen Besucherrouten auf dem Gelände nutzen, bevor wir mit dem Bus wieder nach Aguas Calientes fahren. Der erwartete Regen bleibt glücklicherweise aus! Im Dorf gehen wir zunächst etwas trinken. Viktors anvisiertes 7 Vidas -Oxapampa honey ale hat das Restaurant leider nicht gekühlt, als Entschädigung bekommt er dann einen kleinen Pisco Sour zum alternativ ausgesuchten Coca-Bier. Anschließend gehen wir im Green House ein spätes vegetarisches Mittag/frühes Abendessen mit viel Quinoa für beide essen und müssen dann wieder zum Bahnhof.







Auf der Rückfahrt fährt unser Zug (wie auch alle Züge) nur zwei Stunden bis Ollantaytambo, wo diejenigen, die nicht in dieser ebenfalls touristischen Stadt bleiben wollen, von Perurail mit Bussen zurück nach Cusco gefahren werden. Wir spekulieren, dass die vollen Züge es nicht aufwärts nach Cusco schaffen oder dass abends so viele Touristen weggeschafft werden müssen, dass die Züge schneller wieder am Bahnhof von Machu Picchu sein müssen. Jedenfalls sitzen wir dann noch zweieinviertel Stunden im Bus, bevor dann um viertel vor elf abends mehrere Busse am BAHNHOF Wanchaq ankommen. Am Ausgang warten zahlreiche Taxifahrer, die dieses Vorgehen zu kennen scheinen, aber wir laufen den kurzen Weg zum Hotel lieber zurück, wo wir aber müde ins Bett fallen.









Dienstag 19.11.24 – Cusco
Viktor schläft heute mal ein wenig länger, wenn auch nicht so richtig gut. Der Vogel, den Viktor heute morgen mit der neuen App bestimmten wollte und der uns die ganzen Tage in Cusco morgens vor Sonnenaufgang bereits mit seinem Geträller beglückt hat, schweigt heute morgen natürlich beharrlich. Dafür hupt irgendwann frühmorgens wieder mal ein Auto direkt vor dem Hotel, wahrscheinlich eine Touristen-Abholung, kurz nach dem Hupen hören wir auch die Türklingel des Hotels. So ist das nun mal in den Hotels hier … man hört eigentlich fast alles mit, was im Haus so geschieht. Jutta nutzt die frühe Stunde zum Blog-Schreiben des gestrigen Tages, weil wir das abends nicht mehr geschafft haben.
Heute wollen wir nur noch ein paar Museen besuchen, Dollar am Geldautomaten abheben (denn Bolivien und Argentinien sind dafür bekannt, dass man am Geldautomaten nur wenig oder gar kein Bargeld bekommt), unsere Haare mal wieder schneiden lassen und nochmal Multivitamine nachkaufen, die wir uns täglich selbst verabreichen.
Auf dem Weg zum Geldautomaten gehen wir ganz spontan noch in einem Kunsthandwerksmarkt einige Peru-Souvenirs kaufen, mit denen wir sofort zur Post gehen und sie nach Hohen Neuendorf schicken. In einer Wechselstube sagt man uns, dass die Bolivianische Währung dort gar nicht so gern gesehen wird – eher Peruanische Soles oder noch besser US-Dollar. Wir sehen daher erst einmal von einem Umtausch ab, auch, wenn wir übermorgen gleich nach der Ankunft des Busses in Copacabana Geld benötigen werden.
Jetzt soll es aber zum Piura-Geldautomaten gehen! Dort zieht Viktor leider nur mit der einen Karte Dollar, wie sich später herausstellen wird. Anschließend halten wir an einem Friseur, wo wir beide gleichzeitig bedient werden und entsprechend schnell (und günstig) wieder entlasssen werden.
Von dort gehen wir in das Museum für regionale Geschichte, das in unserem Touristenticket enthalten und für uns ohne längere Taxifahrt erreichbar ist. Das Gebäude ist recht schön, und die regionale Geschichte ist natürlich wieder stark Inka-geprägt. Der Rundgang ist ganz interessant und bringt tatsächlich noch neue Informationen.
Als wir dort durch sind, gehen wir zum Tap-Room der Brauerei 7 Vidas, damit Viktor heute am letzten Tag vielleicht doch noch ein gekühltes Honig-Ale trinken kann. Mittag ist schon vorbei, und wir teilen uns dort noch eine Portion Patatas Bravas. Das Honig-Ale ist zwar keine Enttäuschung, aber es schmeckt mehr oder weniger wie ein ganz normales Ale, eine Honig-Note ist auch beim besten Hobby-Imker-Willen von Viktor nicht herauszuschmecken.


Am Geldautomaten der Scotiabank macht Viktor dann erstmals eine jener Erfahrungen, vor denen es einem Reisenden immer graut, vor allem wenn man länger unterwegs ist. Die Kreditkarte wird vom Geldautomaten nicht mehr rausgerückt, nachdem Viktor den Vorgang abbricht, weil ihm die Gebühren für maximal 160$ Bargeld zu hoch sind. Den Abbruch nimmt der Automat offenbar übel und behält die Kreditkarte ein. Ein Vorsprechen bei der Filialleiterin in der Bank bringt gar nichts. Sie hat keinen Zugang zum Automaten. Verschluckte Karten werden automatisch gesperrt, in einer kleinen Schublade im Automaten aufbewahrt und bei der nächsten wöchentlichen Auffüllung dann zerstört. Zum Glück war es nicht unsere Hauptkreditkarte, mit der wir bislang fast alles zahlen konnten. Aber ärgerlich ist es trotzdem. Und so ganz sicher sind wir uns auch nicht, ob wir die Karte jetzt nicht lieber selbst sperren sollten, denn sie ist auch bei ApplePay und GooglePay hinterlegt, so dass wir sie eigentlich noch so lange verwenden können, bis sie von der Scotiabank gesperrt wird. Aber können wir darauf vertrauen, dass sie nicht doch noch in falsche Hände gerät?
Nach dieser Aktion haben wir noch ca. eine Stunde im Inkamuseum, bevor es schließt. Hier müssen wir zwar extra zahlen, aber es wurde uns von vielen anderen empfohlen.
Von halb fünf bis sechs ruhen wir uns im Hotel aus und packen alles für die Busfahrt heute Nacht. Dann gehen wir ein letztes Mal ins Peru-Café für ein leichtes Abendessen mit Sandwiches. Jutta bestellt einen Pfefferminztee, bekommt aber beim ersten Versuch Anis. Den darf sie behalten, bekommt im zweiten Anlauf dann die Minze.
Um kurz nach acht verlassen wir das Hotel nach inniger Verabschiedung von der Betreiberin, die selber auch noch Fotos von uns dreien macht. Den kurzen Weg zum Peru-Hop-Terminal schieben wir, und obwohl wir so früh sind, sitzen schon mehrere andere dort und warten. Unser Bus nach Puno, der um 21.30 Uhr fahren soll, wird erst verspätet hier eintreffen, sagt man uns, also können wir dieses hier noch wartend schreiben. Und dann verlangt man plötzlich von uns, dass das Tandem in einen Karton verpackt wird. Das hatten wir bislang nur im Flieger, und Peru-Hop hatte uns zugesichert, dass es ohne gehen wird (auf den letzten Fahrten war es auch so).
Am Ende können wir das Tandem aber so wie es ist im Laderaum unterbringen und die Nachtfahrt nach Puno kann beginnen. Wir sitzen im Doppelstockbus ganz vorne rechts und haben einen guten Blick auf die Straße. Viktor schafft es tatsächlich zwischendurch ein paar Stunden zu schlafen, Jutta eher nicht. Es ist kalt, holperig, ungemütlich und laut, wie soll man da schlafen?
















Mittwoch 20.11.24 – Puno (Busfahrt und Full-Day-Tour Titicaca-See)
Während gefühlt alle anderen im Bus außer dem Fahrer schlafen, hat Jutta aufgrund des Fahrtziels stundenlang die Fuge aus der Geographie im Kopf, allerdings nur bis „Mexiko, Mexiko, Mexiko“. So vergeht zwar die Zeit, aber nicht die Müdigkeit. Das wird also ein langer, langer Tag…
Wir kommen um fünf Uhr morgens in Puno an und steigen am Stadion aus. Die meisten Fahrgäste werden nun mit ihrem Gepäck per Van zu einem von zwei Frühstückslokalen gebracht. Da wir eine Nacht in Puno bleiben werden, müssen wir zum Lucky Your House Hostel, wo auch unser Tandem und das Gepäck gelagert werden soll, während wir eine Ganztagestour auf dem Titicacasee mitmachen. Da das Tandem nicht in den Van passt schieben wir die 600 Meter bis zum Hostel und packen alles Gepäck in den Gepäckraum. Das Tandem verbringt den Tag im Frühstücksraum, nachdem alle Tagestourteilnehmer dort gefrühstückt haben.
Um 7 Uhr holt uns ein Van ab und fährt uns den knappen Kilometer zum Hafen von Puno. Wir fragen uns immer wieder, warum diese kurzen Strecken alle mit Shuttle-Vans absolviert werden. Nun gut … als wir abends bei strömenden Regen von der Tagestour zurückkehren, sind wir ziemlich dankbar dafür.
Der erste Stopp der Tagestour ist auf einer der schwimmenden Uros-Inseln. Diese sind aus Schilf gebaut, und aus diesem werden auch die Häuser und die Boote gebaut. Der weiße, untere Teil des Schilfs wird auch als Banane (allerdings geschmacklos) gegessen und zum Zähneputzen benutzt (enthält viel Calcium). Auf der von uns besuchten Insel leben sechs Familien – 25 Menschen. Wenn sie sich zerstreiten, wird die Insel einfach mit eine Machete geteilt, wird uns erzählt. Der immer für ein Jahr bestimmte Präsident begrüßt uns und erklärt uns den Bau und Erhalt der Inseln. Seine Frau zeigt uns das Innere ihres Hauses. Die Frauen handarbeiten sehr viel und verdienen sich durch den Verkauf an Touristen etwas Geld. Da wir kein zusätzliches Gewicht kaufen wollen, machen wir dann wenigstens noch die Bootsfahrt im Schilfboot mit, die zum wachsenden Schilf führt, in dem auch die Latrinen für die Inselbewohner sind, d.h. wenn sie mal „müssen“, müssen sie erst mit dem Boot ins Schilf fahren.
Nach einer weiteren Bootsfahrt landen wir an der Amantani-Island an. Dort haben wir die Wahl, eine Einstundenwanderung zu machen oder aber nach zehn Minuten mit dem Boot zum anderen Hafen zu fahren und dort z.B. zu meditieren, baden o.ä.. Wir machen die längere Wanderung. Zunächst geht es ziemlich bergauf, und auf diesem Teil sind manche schneller als andere. Wir sind mit zwei jungen Reisenden die Vorhut. Als wir an einem Platz ankommen und eine Tienda entdecken, halten wir zwei dort (glücklicherweise) an, die beiden anderen gehen weiter (leider den falschen Weg). Die Nachhut mit dem Guide Angel , der lieber mit den Langsamen läuft, um niemanden zu verlieren (einmal ist ihm jemand bewusstlos geworden und er hat das vorne nicht mitbekommen), kommt etwas später an, und erst jetzt erklärt Angel des weiteren Weg – es geht eigentlich sofort wieder abwärts. Unten am Boot fehlen dann Iris aus Spanien und Bert aus Belgien. Wir warten eine halbe Stunde, aber dann fahren wir ohne die zwei weiter. Angel telefoniert wie wild, sofern er Netz hat (denn mitten auf dem See geht da gar nichts), um zu organisieren, dass die beiden von der Insel wegkommen.
Infos Comunidad de Llachón
Die ländliche Quechua-Gemeinde Llachón liegt 74 km nordöstlich von Puno an der Spitze der Halbinsel Capachica am Ufer des Titicacasees. Die Bewohner der etwa 3.820 Meter hoch liegenden Siedlung haben die von den Vorfahren überlieferten Bräuche und Gewohnheiten (u.a. Kleidung, Tänze, Zeremonien, rituelle Handlungen) bis in die heutige Zeit bewahrt. Hauptverdienstquellen der Indigenas sind Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei und Kunsthandwerk sowie seit der Jahrhundertwende der Ökotourismus. Etwa 1.500 Meter nördlich von Llachón findet man archäologische Fundstätten, u.a. eine große Zitadelle der Tiwanaku-Zivilisation mit einer etwa 10 Hektar großen Nekropole.
Wir fahren zur LLachon-Halbinsel, wo wir ein spätes Mittagessen bekommen (Forelle oder Gemüseomelette mit Anistee), bevor wir fast drei Stunden wieder zurück nach Puno fahren. Heute morgen war der See noch sehr ruhig, jetzt ist es ziemlich windig und dementsprechend wellig, und wir kommen nur immer wieder kreuzend und ziemlich langsam voran. Schon während der Fahrt beginnt es zu regnen, als wir dann im Dunkeln zurück in Puno sind, schüttet es regelrecht.
Ein Van fährt uns zum Lucky Your House, wir verabschieden uns von den anderen aus der Gruppe und schieben das Tandem mit dem Gepäck zu unserem Hotel Maya Inn, nur ein paar Querstraßen weiter. Dort dürfen wir das Tandem in einen kleinen Saal hinten im Hotel stellen. Nachdem wir das Zimmer bezogen haben, gehen wir – nass, wie wir sind – auf die Suche nach einer Abendessensmöglichkeit. Auf der Simon Bolivar Straße gibt es eine Polleria neben der anderen, aber danach steht uns nicht so der Sinn. Schließlich finden wir eine Chifa, wo wir sehr günstig Riesenportionen bekommen, von denen wir die Hälfte liegenlassen müssen. Auf dem Rückweg zum Hotel – der Regen hat sich beruhigt – erstehen wir noch Wasser und ein paar Snacks für den morgigen Tag und gehen dann bald schlafen.















Donnerstag 21.11.24 – Puno – La Paz über Copacabana (Bus)
Schon vor dem Aufstehen um halb sechs hört man von der Straße (und es ist eine schmale Nebenstraße) recht viele Stimmen. Als wir dann die Vorhänge öffnen, klärt sich das auf: die ganze Straße ist übersäht mit Schuhhändlern, die auf einer blauen Plastikfolie immer nur einzelne Schuhe in der Auslage und den zweiten in großen Säcken hinter sich haben. Dieser Schuhmarkt geht sogar noch um die Straßenencke weiter, wie wir später sehen.

Nach dem Frühstück schieben wir zu ca. 7:15 Uhr das Tandem zum mit Peru Hop verabredeten Parkplatz, wo wir um acht aufbrechen sollen nach La Paz. Drei Personen bestätigen uns, dass hier der Bus hält, aber als um acht immer noch nichts in Sicht ist, werden wir etwas nervös.
Viktor ruft Peru Hop an und muss eine Viertelstunde in der Leitung bleiben – das kostet wahrscheinlich mehr als das ganze Busticket (denn für Telefonate haben wir keine nationale SIM-Karte, nur eine eSIM für Daten). Deshalb telefonieren wir eigentlich immer über WhatsApp und nur in einem Notfall wie heute direkt über Mobilfunk.
Und natürlich ist wieder etwas schief gegangen und wir wurden nicht rechtzeitig informiert (trotz eMail und WhatsApp Kontaktdaten). Der Nachtbus aus Cusco hatte wohl eine Panne, und der eingesetzte Ersatzbus fährt heute zwei Blöcke entfernt ab (am Stadion, wo wir gestern auch angekommen sind). Eigentlich kein Thema, wenn wir es gewusst hätten. Aber mit dem kleinstmöglich zusammengeschobenen Tandem und den losen Gepäcktaschen können wir nicht dorthin laufen, da wir das Tandem so nicht mehr schieben oder lenken können. Die 15 – 20 Minuten, die wir benötigen, um alles wieder fahrfähig zu machen, wollen die Leute von PeruHop auch nicht mehr warten, denn sie sind ja schon zu spät dran. Also müssen wir von einem Van abgeholt und zum Bus gebracht werden, und das Tandem kommt irgendwie in den Mittelgang. Natürlich sind wir jetzt die letzten im Bus, finden aber noch zwei Plätze nebeneinander und um halb neun fährt der Bus Richtung Bolivianische Grenze.
Dieser Ersatzbus darf nicht nach Bolivien fahren, denn die notwendigen Papiere (vermutlich Zollpapiere) fehlen. Also gehen an der Peruanischen Migration zunächst alle Passagiere „gepäcklos“ den Ausreisestempel holen, wir richten das Tandem so her, dass es geschoben werden kann, alle gehen zu Fuß über die Grenze, wo der Bolivia Hop Bus wartet, wir machen das Tandem wieder klein, es wird hinten quer hinter die Heckklappe gestellt (und passt glücklicherweise hinein), und dann gehen wir als letzte zur Bolivianischen Migration. Dort wird kein Wort gesprochen, wir bekommen einfach den Einreisestempel – leichter geht es kaum. Im Bus sind dann nur noch Plätze in der letzten Reihe frei, aber die Fahrt nach Copacabana dauert nur etwa 20 Minuten.
Im Hotel Gloria müssen alle Fahrgäste, die später nach La Paz weiterreisen (also auch wir), ihr Gepäck zwischenlagern, weil der Bus zwischendurch andere Fahrgäste zur Peruanischen Grenze bringen wird. Wir dürfen unser Tandem und das Gepäck als Einzige im Bus lassen. Jetzt haben wir 50 Minuten Zeit, im Taipi Uta Café die aus dem Bus vorbestellten Sandwiches zu essen, bevor es auf die Bootstour zur Isla del Sol geht.
Ganz gemächlich fahren wir bei Regen eine Stunde mit dem Boot, wo wir uns mit zwei in Australien lebenden Pärchen unterhalten (eines aus Brisbane).
Auf der Isla del Sol soll der Legende nach der erste Inka-König „Manqu Qhapaq“ als Sohn der Sonne (Sonnengott) geschaffen worden sein. Mit seiner ebenfalls dort geschaffenen Frau „Mama Ocllo“ soll er später die Stadt Cusco dort gegründet haben, wo das goldene Zepter des Sonnengottes im fruchtbaren Boden stecken blieb. Diese Insel im Titicaca-See ist also der Geburtsort der Inka-Kultur.
Wir zahlen zehn Bolivianos Eintritt und machen dann eine kleine Wanderung incl. Besichtigung des Sonnentempels/Pinkokaina. Oben am Aussichtspunkt trinken wir etwas, laufen dann zu einem anderen Anleger nach unten zurück. Auf der Insel leben etwa 3000 Menschen, der Hauptort sieht wirklich nett aus. Die Wege und Naturtreppen laden zu keiner Fortbewegung mit irgend etwas ein, das Räder oder Reifen hat, hier muss alles zu Fuß oder auch mit Eseln gemacht werden. Der Regen hat auf der Insel schnell aufgehört, wie von Viktor aufgrund des Inselnamens schon prophezeit.










Nach einstündiger Bootsfahrt sind wir zurück in Copacabana. Alle laufen wieder zum Hotel Gloria, und bald kommt der Bus. Da unser Gepäck ja noch im Bus ist, können wir dieses Mal früher einsteigen und bekommen Plätze weiter vorne. Pünktlich um 18 Uhr – wobei in Bolivien die Uhr eine Stunde vorgestellt werden musste – verlassen wir Copacabana schon wieder.

Der Weg nach La Paz geht über eine Wasserstraße: der Bus wird auf einer nicht sehr vertrauenswürdig aussehenden „Fähre“ über die Straße von Tiquina gefahren, wir Menschen auf ziemlich kleinen Motorbooten (ohne Schwimmwesten). Viktor ist der letzte auf einem davon, Jutta kommt auf das nächste. Wir verabschieden uns am Steg schon einmal voneinander und vom Tandem, aber es geht alles gut.









Manchmal muss man hier anscheinend länger auf die Überfahrt warten, heute abend ist nicht viel los. Trotzdem dauert dieser Spass eine Stunde. Am anderen Ufer wird gerade ein Mann vom Fernsehsender Uno interviewt – es geht um den Bau einer Brücke an dieser Stelle.

Es sind ab San Pablo de Tiquina noch ca. zwei Stunden Fahrt bis La Paz. Dort werden wir direkt vor unserem Hotel herausgelassen und haben sogar Hilfe mit dem Gepäck von einem Hotelpagen.









Freitag 22.11.24 – La Paz
Für heute mussten wir uns ausnahmsweise mal keinen Wecker stellen und wir schlafen bis gegen 7 Uhr bzw. bleiben zumindest so lange liegen. Der Geräuschpegel in unserer Seitenstraße ist heute morgen vergleichsweise erträglich, vermutlich auch, weil es hier das erste Mal seit unserem Abflug in Deutschland doppelt verglaste Schallschutzfenster gibt.
Nach dem Frühstück am recht gut bestückten Frühstücksbüffet (inklusive knusprigem Müsli) aktualisieren wir noch ein paar Blogeinträge der letzten paar Tage (gerne nochmal nachschauen 😉 ) und machen uns dann auf den Weg zum nahegelegenen Büro von BoliviaHop/PeruHop. Das Touri-Busticket von Lima bis La Paz haben wir ja nun „abgefahren“, aber sie bieten auch Hilfe für die Weiterfahrt nach Uyuni an. Deshalb wollen wir zunächst mal schauen, was die uns anbieten können, bevor wir wieder auf „gut Glück“ zum Busbahnhof fahren und darauf hoffen, dass irgendein Busunternehmen uns mit unserem Tandem schon mitnehmen wird.
Tatsächlich sitzt in dem Büro in La Paz auch eine Mitarbeiterin, die sich in den vergangenen Tagen schon häufiger mit uns beschäftigen musste, weil unser Tandem ja eine echte Herausforderung war. Sie habe sogar mehrmals mit einem der Firmengründer an unserem „Fall“ gesessen. Sie hofft daher auf eine gute Bewertung bei TripAdvisor und Google, was wir ihr auch zusagen können, denn PeruHop/BoliviaHop hat uns mit ein paar kleinen Adrenalinschüben insgesamt ja sehr gut nach La Paz gebracht und alle Versprechen eingehalten. Wir fragen sie daher auch, ob wir in den Radler-WhatsApp-Gruppen und hier im Blog eine Empfehlung für andere Reisende mit Fahrrad oder sogar Tandem aussprechen sollen. Wir möchten das nur tun, wenn sie auch weiter bereit sind, solche Problemfälle wie uns zu transportieren. Letzteres will sie erst mit dem Chef besprechen, bevor sie uns eine Antwort gibt.
Für die nächtliche Busfahrt nach Uyuni machen sie uns ein gutes Angebot. Morgen Abend um 21:00 Uhr vom Busbahnhof La Paz mit kostenloser Mitnahme des Tandems sowie Abendessen und Frühstück an Bord. Etwas teurer als bei den klassischen Busunternehmen aber dafür mit weniger Adrenalin … hoffentlich. Außerdem können wir in Uyuni den Großteil unseres Gepäcks für einen Tag beim Busunternehmen direkt am Busbahnhof einlagern und den Salzsee „Salar de Uyuni“ dann mit leichtem Gepäck befahren. Also schlagen wir sofort zu und buchen über Booking.com auch gleich ein Hotel im Salzsee, wo wir einen Sonnenuntergang und einen nächtlichen Sternenhimmel erleben wollen.
Für 10 Uhr haben wir uns für eine Walking Tour angemeldet, die am Platz „Plaza Sucre“ (offiziell) oder „San Pedro Plaza“ (inoffiziell von der Bevölkerung so genannt) startet. Unsere Fremdenführerin Amara beginnt mit einer längeren Einführung zum Platz und insbesondere zu dem am Platz gelegenen Gefängnis San Pedro, in dem es eine Art Selbstverwaltung gibt. Die Insassen zahlen Miete, haben Jobs, leben zum Teil mit ihrer ganzen Familie dort und der ganze Straßenblock ist quasi ein rechtsfreier Raum, in dem die Insassen ihr eigenes Rechtssystem aufgebaut haben. Der Australische Journalist und Schriftsteller Rusty Joung hat aus eigenem Antrieb – nicht verurteilt – eine Zeit lang dort gelebt und darüber ein Buch geschrieben.
Die Walking Tour führt uns dann weiter über den wichtigsten Markt der Stadt, den San Pedro – oder Rodriguez-Market. Die dort arbeitenden Marktfrauen sind viel mehr als Verkäuferinnen. Man sucht sich eine vertrauenswürdige „Casera“ aus, deren loyaler Kunde man wird. Sie gibt einem dann nicht nur immer die beste Ware und noch kleine Zugaben, sondern nimmt an deinem Leben teil, will alles erfahren, gibt psychologische Ratschläge etc.. Weil die Menschen hier alles bekommen, gibt es in der Stadt kaum einen Supermarkt, die werden nicht benötigt.Von dort geht es zum und über den „Mercado de las Brujas“ (Witch market, Hexenmarkt). 65% der Bevölkerung Boliviens bringen mindestens einmal jährlich ein Opfer an Pachamama, die „Mutter Erde“, dar. Diese Opfergabe wird Challa genannt. Dazu suchen sie eine Chiflera auf, die ihnen genau sagt, welches Opfer angemessen ist, um einen bestimmten Wunsch zu erfüllen. Je nach Größe des Wunsches muss das Opfer entsprechend groß sein. Bei kleinen Wünschen reicht ein mumifizierter Lama-Fötus, bei großen Wünschen ein mumifiziertes Lama und bei sehr großen Wünschen gibt es auch heute noch – einer urbanen Legende folgend – Menschenopfer. In den Fundamenten von Großbaustellen sollen bereits einige Obdachlose verschwunden sein. Auch dazu gibt es überraschenderweise eine Buchempfehlung von Amara: „Borracho estaba pero me acuerdo“ (Ich war betrunken aber erinnere mich) von Victor Hugo Viscarra, der einen solchen Opferungs-Versuch überlebt haben soll.











Die Tour endet nach einem Halt vor der San Franciscus Kathedrale und Erklärungen zur typisch lateinamerikanischen „mixed baroque“ Fassade schließlich an der Plaza de las Armas (Murillo Square), wo wir etwas lange Ausführungen zur politischen Lage der letzten 20 Jahre hören, in denen Ex-Präsident Evo Morales eine Hauptrolle spielt. Wir lernen die bunt-karierte Multi-Kulti-Fahne kennen, die er gegen Ende seiner Amtszeit noch einführte, um den „plurinationalen Staat Bolivien“ zu repräsentieren.








Nach einem weiteren Besuch im PeruHop/BoliviaHop-Büro, wo wir die Buchung für die Fahrt nach Uyuni klarmachen, gehen wir noch an einen Geldautomaten, um uns mit etwas Bargeld einzudecken. Im Cafe del Mundo nehmen wir dann völlig ungeplant unsere heutige Hauptmahlzeit ein, denn die Portion Churros mit (unechter) Nutella und die Brownie-Bombe sind riesig. Und das Ganze auf „Ko-Fi“-Einladung von Uwe und Sabine, bei denen wir uns ganz herzlich für die Spende über den „Buy us an Icecream“-Button auf dieser Seite bedanken.
Die dünne Luft hier in 3.650 Metern Höhe macht uns erstaunlicherweise doch zu schaffen. Wir haben zwar keine Kopfschmerzen oder Übelkeit, aber wir ermüden schnell und unsere Lippen und Ohrläppchen haben einen bläulichen Farbstich. Und das, obwohl wir ja nun schon häufiger in diesen Höhen unterwegs waren und auch in Arequipa, Cusco und Puno in gleicher Höhe waren. Unser Tour-Guide erklärt das heute mit der besonderen Trockenheit der Luft von La Paz, aber auch mit der schlechten Luftqualität. Viktor greift jedenfalls zwischendurch immer mal wieder zu den Cocablättern. Dia müssen eh weg, denn nach Argentinien können wir sie nicht mitnehmen. Der Konsum ist nur in Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien legal. Nachtrag: Im Coca-Museum erfahren wir morgen, dass im Norden von Argentinien ebenfalls viele Cocablätter konsumiert werden und man sie auf dem Landweg gefahrlos ins Land bringen kann.
Jutta liest über den öffentlichen Nahverkehr hier, dass es zwar über 200 verschiedene (Klein-)Busse hier gibt, aber schon mehrfach vergeblich versucht wurde, feste Haltestellen zu etablieren. Diese gibt es aber natürlich bei den zehn Seilbahnen (vom Schweizerischen Unternehmen Doppelmayr gebaut). Die Linien haben keine Nummern, sondern Farben, und sowohl die Stationen als auch die Gondeln haben diese Farbe.
Den späten Nachmitttag und Abend verbringen wir daher zur Erholung entspannt im Hotel, holen einiges an Blog-Einträgen nach und überlegen uns, wie wir den morgigen Tag in La Paz gestalten wollen, bevor wir abends in den Bus nach Uyuni steigen. Auf jeden Fall werden wir nochmal ausschlafen ….
Samstag 23.11.24 – La Paz
Nach dem Frühstück packen wir alles und dürfen die Taschen für den heutigen Tag zum Tandem in den Gepäckraum stellen – so können wir auschecken, bevor wir noch einmal „in die Stadt“ gehen. Wir laufen zur Station Obelisco der lila Linie der Teleferico und kaufen für umgerechnet zwei Euro Fahrten für zwei Personen mit zweimal Umsteigen.

Die Seilbahn fährt steil den Hang hinauf nach El Alto, ähnlich der Seilbahn in Medellin. La Paz und El Alto sind im Prinzip eine große Stadt, La Paz im Tal, El Alto auf der Hochebene (Altiplano). Die eine Station, die wir nur fahren, dauert acht Minuten. Die Häuser werden immer ärmlicher, je weiter wir nach oben kommen, und sind zum Teil bis an die Felsen oder fast integriert in die Felsen gebaut. Am Faro Murillo steigen wir um in die graue Linie, die quasi quer über El Alto zur Station 16 de Julio fährt (wieder acht Minuten). Der zweite Umstieg erfolgt in die rote Linie, die uns unerwarteterweise wieder nach La Paz herunterbringt (zehneinhalb Minuten) und mit der wir den Friedhof überqueren, zu dem hier extra Touren angeboten werden. Die Station Central ist am früheren Bahnhof – der Bahnverkehr wurde hier eingestellt. Ein paar herumstehende Waggons sind zum Café oder Restaurant umgebaut.
Als wir uns nach dem richtigen Weg aus dem Bahnhof umschauen, werden wir von einem älteren Herrn angesprochen, ob wir Euopäer wären. Als wir uns als Deutsche vorstellen, beginnt er Deutsch zu sprechen. Er ist aus Bosnien, war als Kriegsgefangener 19 Monate in Zirndorf bei Nürnberg im Lager. Die UN hat ihn vor die Wahl gestellt, nach Australien oder nach Südamerika „geschickt“ zu werden. Seit 26 Jahren lebt er jetzt in Bolivien, hat durch die Heirat mit einer Bolivianerin die Staatsbürgerschaft. Er erzählt von seinen Corona-Impfschäden und dass ihm das Geld ausgegangen ist, hier im billigsten Hostal zu übernachten – die ärztliche Behandlung hier in La Paz ist kostenfrei. Beim Verabschieden spendieren wir ihm eine Übernachtung.
Durch ziemlich verstopfte Straßen, auf denen überall Obst, Gemüse und andere Sachen zwischen dem Autoverkehr und den Fußgängern verkauft werden, laufen wir zu einem Restaurant/Café, das wir gestern gesehen haben und für das wir einen Rabattgutschein haben, das „The Carrot Tree“, ein richtiges Backpacker-Restaurant. Nach einem Avocado-Toast bzw. Crèpe mit Erdnussbutter und Banane gehen wir gestärkt zum Coca-Museum.
Es liegt sehr versteckt in einem Hinterhaus. Wir bekommen beide Mappen mit Deutscher Übersetzung aller Texte in der Ausstellung und erfahren vieles über die Geschichte und die Anwendungsmöglichkeiten der Koka-Blätter. Unter anderem erfährt Viktor, dass der Konsum im Norden Argentiniens weit verbreitet ist und man Koka-Blätter auf dem Landweg mitbringen darf. Die richtige Wirkung entfalten Koka-Blätter nur, wenn sie gemeinsam mit einem Katalysator konsumiert werden, der Lejía genannt wird und aus gepresster Asche besteht. Viktor kauft in einem Laden in der Nähe ein kleines Stück für zwei Bolivianos.
Wir verbringen noch einige Zeit in der Hotellobby (Blogschreiben, Tee trinken), bevor wir zu einem frühen Abendessen ins Lucky Llama gehen, das höchstgelegene Irische Restaurant und Pub der Welt. Unser Ober versteht Juttas Bestellung von „Agua sin gas“ nicht und etwas später auch nicht unsere Essenswünsche. Es ist heute sein erster Tag, und er ist ein gebürtiger Ire, der zehn Jahre in Brisbane/Australien gelebt hat, acht Monate gereist ist und nun hier gelandet ist. Auf jeden Fall im richtigen Restaurant!
Als wir zum Hotel zurückgehen, regnet es schon etwas – aber noch erträglich. Die gesamte Hotellobby ist voll mit Koffern und einer Asiatischen Reisegruppe. Na toll, unsere Taschen und das Tandem sind ganz hinten durch, das wird ein Spass! Wir schleichen uns durch die Wartenden und ziehen uns erst einmal beide für die nächtliche Busfahrt um – warm und gemütlich. Inzwischen hat sich die Menge aufgelöst, und wir bekommen das Rad und die Taschen nach vorne zur Tür. Der gerade noch leichte Regen ist jetzt leider ziemlich stark, aber es hilft nichts – wir schieben das bepackte Tandem den einen Kilometer durch verstopfte und teilweise überschwemmte Straßen.
Das Büro von „Todo Turismo“, wo wir vorstellig werden sollen, finden wir im ersten Anlauf nicht. Es ist nicht im Busterminal, sondern an der Straße davor, allerdings im ersten Stock eines Gebäudes. Das dort oben angebrachte Schild sehen wir nicht. Auf Nachfrage werden wir ins Busterminal geschickt, wo wir immerhin von der Touristeninformation erfahren, wo wir hinmüssen. Wir sollen eigentlich das Tandem inklusive Gepäck nach oben in deren Büro tragen, um es wieder auf die Straße zu tragen, wenn der Bus kommt. Das sparen wir uns trotz des Regens und warten lieber draußen, es wird sogar irgendwann wieder trocken. So stehen wir über eine Stunde im Dunkeln an einer potentiellen Haltestelle des Busses, trauen uns aber noch nicht, den Lenker schon wieder herunterzuklappen. Tatsächlich hält der Bus dann auch nicht dort, und wir können das Tandem noch die paar Meter zur richtigen Stelle schieben. Alles wird eingepackt, bevor überhaupt die anderen Reisenden aus dem Büro kommen – das ist gut organisiert.
Unsere Plätze sind wieder oben, ganz vorne. Und das Besondere in diesem Bus: es fährt ein Reiseleiter mit, und es gibt Abendessen und Frühstück. Wir haben ja eigentlich schon gegessen, aber als so gegen halb zehn das Abendessen kommt, nehmen wir es trotzdem, und es ist sogar recht gut. Hinterher gibt es einen heißen Tee und ein Stück Schokolade – und das im Reisebus! Die Nachtfahrt ist trotz allem wieder eine Tortur – Jutta gelingt es einfach nicht zu schlafen, obwohl man heute die Sitze sogar sehr weit nach hinten machen kann. Diesmal hat sie keinen Spechkanon im Kopf und die Zeit vergeht noch langsamer. Aber wir sind beide warm genug angezogen – zumindest das haben wir gerlernt!





Sonntag 24.11.24 – (123) – Uyuni – Salar de Uyuni

Gesamt: 7.525,75 km
Kurz nach Sonnenaufgang gegen halb sechs halten wir an einem Ausichtspunkt zum Bilder machen, bevor es nach Uyuni geht. Dort ist wegen Reparaturarbeiten heute bis nachmittags Stromausfall, so dass das „Todo Turismo“-Büro uns weder Heißgetränke noch WIFI anbieten kann. Wir können aber alles Gepäck, was wir für eine Nacht nicht brauchen, bis morgen dort unterstellen und uns so ganz unbeschwert endlich wieder aufs Fahrrad begeben.
Als erstes fahren wir zum Busterminal von Uyuni, um uns zu erkundigen, wann man zur Argentinischen Grenze nach Villazon fahren kann. Die einzige diese Strecke anbietende Gesellschaft fährt immer um 10 Uhr morgens und um 20 Uhr abends (mit Ankunft um drei Uhr nachts). Das müssen wir noch ausdiskutieren! Ebenfalls am Terminal kaufen wir Getränke an einem Kiosk, weil die geöffneten Geschäfte alle anderes als Lebensmittel verkaufen. Als wir dann noch den Ständer des Tandems etwas justiert haben, weil er seit heute am Hinterrad scheuert, können wir endlich richtig los.
Erst geht es zehn Kilometer „zurück“ (hier waren wir schon mit dem Bus) bis Colchani, wo eine Straße in den Salar de Uyuni abgeht. Jutta hofft, dort eine Toilette zu finden – vergeblich. Auch im ersten Hotel, an dem wir vorbeikommen, gibt es nur die privaten Toiletten in den Zimmern und keine Chance für jemanden von außen. An anderen Stellen hängen an allen Häusern Schilder mit „Baños“, hier gibt es gar nichts.
Als die Salzwüste anfängt, sind wir zunächst einmal erstaunt, dass der Boden nicht weiß, sondern eher rosafarben ist. Wir fahren zunächst auf einer nagelneuen, breiten, asphaltierten Straße, die hier fast etwas fehl am Platz scheint. Alle anderen Wege, wenn man sie überhaupt so nennen kann, kann man eher erahnen – auf manchen sind schon so viele Autos gefahren, dass zwei dunkle Spuren vom Reifenabrieb sichtbar sind.
Wir halten am Palacio de Sal, in dem wir vergeblich versucht hatten, ein Zimmer zu reservieren, um nach 30 Kilometern eine Pause zu machen. An der Rezeption sagt man uns, dass wir an der Bar etwas bekommen können. Dort schicken sie uns – aufgrund des Stromausfalls – in den Frühstücksraum, wo wir zurück in die Bar geschickt werden. In der Lobby steht für Gäste Tee und Kaffee bereit – wir bedienen uns jetzt einfach dort. Und das soll ein Vier-Sterne-Hotel sein?
Kurz vor dem Weiterfahren bietet man uns noch an, ab 13 Uhr dort zum Essen zu kommen. Wir wollen jetzt erst einmal weiter und überlegen tatsächlich, später noch einmal wiederzukommen.
Das Zwischenziel ist eigentlich die Plaza de las Banderas. Da auf der von Komoot beschriebenen Strecke Wasser ist und wir deshalb einen anderen Weg nehmen, kommen wir erst an eine Stelle mit vielen Menschen und Vans und halten dort ebenfalls. Es ist ein Fotostop, an dem viele mit irgendwelchen Tieren, Autos, Spielzeugen aus Kunststoff Bilder machen. Das liegt uns nicht so, aber Bilder machen wir trotzdem.
Der nächste Halt ist dann aber am Fahnenplatz. Zu unserem Glück steht dort gerade ein Mann mit einer Drohne, der auch bereit ist, uns zu filmen. Während er das Video schickt (was ewas dauert) kommen wir ins Gespräch. Er ist Kolumbianer und inzwischen seit 15 Tagen hier. Während des Gesprächs mit ihm und seiner Frau kommt ein Bikepacker angefahren. Er ist einmal durch die Salzwüste geradelt, auch durch einen See, und sowohl er als auch sein Rad sind salzverkrustet. Er ist Römer, in Bogota gestartet, nimmt auch ab und an einen Bus und will ebenfalls nach Ushuaia. Als wir weiterfahren, fällt uns auf, dass wir keinen der Beiden nach ihrem Namen gefragt haben, also bleiben sie anonym.
Obwohl wir von hier geplant haben umzukehren, lassen wir uns überzeugen, noch sechs Kilometer in eine andere Richtung zu fahren, wo es Salzskulpturen geben soll. Wir können eh erst ab 15 Uhr in unser Hotel, also machen wir uns dorthin auf den Weg. Die sechs Kilometer sind dann eher zehn (und wir müssen von dort wieder zurück), aber auf dem Areal gibt es neben ziemlich vielen Skulpturen auch ein großes Labyrinth aus Salz. Wie von uns vermutet, müssen wir einen kleinen Eintritt zahlen. Da es gerade sehr warm geworden ist und wir immer noch die warmen Sachen aus dem Bus tragen, machen wir nur ein paar Bilder und lassen das Labyrinth lieber bleiben.
Über die Hypotenuse eines großen Dreiecks fahren wir zurück in Richtung Colchani. Der Abzweig zum Luna Salada Hotel führt dann verdammte fast sechs Kilometer über unbefestigte Schlaglöcher. Wir sind mit den Kräften am Ende, und dieser Weg gibt uns den Rest. Das gebuchte Hotel macht schnell alles wieder gut: es gibt einen Spa-Bereich, und nach der Benutzung von Jakuzzi (mit Sicht nach draußen) und Dampfbad gönnt Viktor sich noch eine Rücken-Massage. Und später sitzen wir über eine Stunde in einem von mehreren Räumen an der Westseite und bestaunen einen tollen Sonnenuntergang und viele Blitze und Wetterleuchten. Die dafür ebenfalls vorgesehene Sitzecke mit Kamin im Außenbereich des Hotels bleibt heute wegen Regens leer.
Im hoteleigenen Restaurant gibt es glücklicherweise Abendessen, denn noch einmal auf den Weg machen wollen wir uns nicht. Viktor nimmt das Buffet, Jutta kann sich aus der Karte kaum aus den zahlreichen Vegetarischen Angeboten etwas aussuchen. Am Nachbartisch sitzen vier Russen, die untereinander viel Spaß haben, aber den Ober sehr geringschätzig und unfreundlich behandeln. Viktor fällt ein Zitat von Mohammed Ali ein:
https://www.goodreads.com/quotes/9576302-i-don-t-trust-anyone-who-s-nice-to-me-but-rude
Beim Blick aus dem Fenster können wir im dunklen Himmel weiter viele, viele Blitze sehen. Es ist richtig schön!








































Schwester
Schön, dass es diesmal so viele Bilder mit euch gibt! Danke Christian.
Joachim Weiken
Hab heute mal mit Mutter Heidi zusammen eure Abenteuer verfolgt. Sie war damals auch in MP.
Danke und liebe Grüße! Joachim
Aileen
Jetzt haben wir so mitgefiebert und gar nicht erfahren, wie das heißersehnte Honig-Ale geschmeckt hat. War es lecker? 🙂
Viktor
Oh ja, sorry. Wir müssen noch ein wenig ergänzen. Das Touriprogramm ist echt anstrengend . Das Bier war lecker, ein Ale halt, aber den Honig habe ich ehrlich gesagt nicht herausgeschmeckt
Aileen
Ach schade, das hätte dein Imkerherz sicher ganz besonders erfreut.
Dass euer Programm sehr anstrengend ist, kann ich mir vorstellen. Ich staune jeden Tag, dass ihr euch so viel Schlafmangel zumutet. Aber solange eure Erlebnisse euch mit reichen Eindrücken beglücken, geht die Rechnung hoffentlich trotzdem auf 😊
Liebe Grüße!
vmakowski
Danke Aileen, wir machen das nur, solange es uns auch Spaß macht. Also tut es das wohl noch 😉
Die Bierbewertung ist ergänzt :-), Danke für den Hinweis.
Glorypedalling
Moin, moin! Wir haben eben eure Bilder und Bericht über den Salar gelesen bzw gesehen. Es weckt schöne Erinnerungen aber wir sind total überrascht, wie sich die Einfahrt über Colchani verändert hat. Es gab bis auf eine Skulptur und die Fahnen, nichts auf dem Weg über den See. Selbst hinter den Fahnen steht ja nun ein Gebäude. Krass, wie schnell so eine Naturschauspiel vermarktet wird.
Euch weiterhin viel Spaß. Wir fahren wieder los, wenn ihr nach Hause kommt, aber vielleicht finden wir ja eine kleine Lücke dazwischen um uns zu treffen? Fröhliche Grüße, Sabine und Uwe