Montag 6.1.25 – (153) – San Fernando – Curicó

Gesamt: 9.682,89 km
Zunächst halten wir heute einmal fest, dass wir anscheinend schon in zu vielen unterschiedlichen Unterkünften waren. Es passiert immer häufiger, dass wir sie durcheinander bringen. Hier z.B. haben wir gestern Abend 1. an eine ältere Zimmernummer gedacht, 2. beim Türstopper im Bad hat Viktor gefragt, ob Jutta den jetzt doch umgedreht hätte, dabei war es vorgestern, als ein Zimmertürstopper falsch herum am Boden befestigt war und 3. hat Jutta den Fensterverschluss zwischen den Fenstern gesucht, obwohl es diesen auch im vorherigen Hotel gab.
Wir frühstücken pünktlich um 7:30 Uhr am bereits komplett aufgebauten Frühstücksbüffet (eine Seltenheit hier in Chile) mit extra großen Teetassen mit Spruch darauf. Vor dem Losfahren interessieren sich noch mehrere Hotelangestellte für unser Abenteuer und begleiten uns z.T. noch nach draußen zum Tandem und zur Abfahrt. Viktor hat danach einen neuen Follower auf Strava.
Wir haben uns entschieden, kreuz und quer über Landstraßen statt direkt über die Autobahn 5 zu fahren. Das sieht später dann so aus:

Es sind so viele verschiedene Straßen, dass heute die Kilometermarkierungen am Straßenrand durchgängig recht kleine Zahlen sind. Einmal ist der Seitenstreifen sehr schmal, ansonsten kann man aber gut fahren. Das ganze Gebiet ist grün und bunt: weiterhin viel Obst, Mais, bunte Blühstreifen, Sonnenblumen. Nach über 30 Kilometern steht die erste Pause an, vorher gibt es einfach keine Gelegenheit, obwohl fast überall menschliche Siedlungen sind. In Chépica finden wir die Cafeteria Kolu, eine sehr nette kleine Oase, unter Bäumen, und wir dürfen sogar unsere Brotreste verzehren.
Noch eine Stunde weiter erwartet uns die einzige nennenswerte, dafür aber recht steile, Steigung, die „Cuesta el Peral“ (Steigung der Birnbaum). Beim Rauffahren finden wir am Straßenrand eine Chilenische Flagge und klemmen sie uns hinten unter die Gurte. Mehrere Autofahrer rufen uns motivierende Worte zu, und wir schaffen den Anstieg ohne schieben zu müssen. Bei der anschließenden Abfahrt erreichen wir dank einer längeren Gerade einen neuen Geschwindigkeitsrekord: 71,4 km/h.
Nach der Abfahrt, machen wir in der „Tentacion de las Churrascas“ eine Mittagspause und Viktor probiert jetzt endlich einen Completo Italiano, viel besser als ein Hotdog, da er mit Mayonnaise, Tomate und Guacamole kommt – die Farben der Flagge Italiens.
Heute ist nach längerer Zeit wieder einmal so ein Tag, an dem wir vor dem Haus stehen, zu dem uns der Garmin mit der eingegebenen Adresse der Unterkunft schickt, und leider völlig falsch sind. Was uns an manch anderem Tag schon mal ordentlich stresst ist heute aber recht entspannt. Wir haben ja Zeit und sind scheinbar fit genug, dass die paar Kilometer nichts ausmachen.
Beim Suchen der richtigen Strecke per GoogleMaps hält eine Moped-Fahrerin neben uns an und lädt uns zu sich nach Hause ein, um eine Pause zu machen. Sehr nett, aber wir müssen ja nur noch zu unserer Unterkunft und lehnen deshalb dankend ab. Es sind noch einmal fünf Kilometer durch die Stadt, mit Radwegen, die irgendwo beginnen und plötzlich wieder im Nirwana enden – natürlich ohne abgesenkten Bordstein – wir nehmen irgendwann dann doch meist die Straße.
Die reservierte Ferienwohnung ist in einem von etlichen gleichen Mehrfamilienhäusern, der Wohnanlage „Condominio Altos Del Boldo“. Wir melden uns am Gate an und bekommen den Weg erklärt, dann muss Viktor mit etlichen WhatsApp-Nachrichten hin und her die Bezahlung (bar am Gate – wir können ja keine „Transferencia“ per App machen, weil wir keine Chilenen sind und kein Konto in Chile haben) klären und wir erhalten den Türeintrittscode, nachdem die Security am Gate die Bezahlung per Anruf bestätigt hat.
Die Wohnung ist sehr, sehr warm. Im vorhandenen Waschtrockner waschen wir schnell unsere Fahrradklamotten (statt wie sonst immer in der Dusche). Jutta will sie kurz antrocknen, aber man kann den Trockenvorgang leider nicht stoppen, also werden heute alle Sachen, inkl. Viktors Radfahrhose und unseren Kappen, maschinell getrocknet … na wenn das mal gut geht …
Wir gehen einen Kilometer zurück zu einer kleinen Mall, entscheiden uns doch gegen das Selbstkochen von lang-vermissten Nudeln mit Barilla-Pesto (es ist einfach zu warm in der Wohnung) und essen bei Papa John’s eine Familienpizza. Wieder einmal gibt es weder Oliven noch Champignons für die vegetarische Hälfte noch Cherrytomaten für die Hähnchenhälfte (und auch nur die Familiengröße – für die Kleinere haben sie keinen passenden Teig da), und heute fragt Viktor, was denn in Chile los sei: überall fehlen Sachen, und man müsste vor der Bestellung eigentlich fragen, was denn überhaupt gerade vorhanden sei, man fühle sich ja fast wie früher im kommunistischen Teil Deutschlands. Die Erklärung: Es ist Montag und sie bekommen erst morgen wieder frische Ware – am Wochenende ist alles leergekauft worden.
Wir holen uns noch ein paar kühle Getränke im Supermarkt – unter anderem ein eher weniger zu empfehlendes „Lucuma-Bier“ – und zurück im Apartment schreiben wir am Blog und planen noch ein paar mögliche Abstecher zu schönen Seen östlich der Ruta 5 und des „Valle Central“ auf unserem Weg Richtung Süden.



































Dienstag 7.1.25 – (154) – Curicó – Talca

Gesamt: 9.753,41 km
Wir fahren ohne zu frühstücken los, weil wir heute den ganzen Weg auf der RN5 fahren und es nach nur zehn Kilometern eine Frühstücksmöglichkeit gibt – da müssen wir nicht extra Brot usw. kaufen. Die Autobahn nehmen wir, da wir übernachtungstechnisch bis Talca kommen müssen und alle besser zu fahrenden Strecken weit über 100 km lang wären.
Beim Herausfahren aus Curicó entdecken wir ein Wandbild, auf dem steht, dass Curicó die Hauptstadt des Radfahrens ist. Leider ist so schnell kein Foto möglich, es gibt aber viele Radwege, die auch benutzt werden, das ist uns schon aufgefallen.
Ansonsten ist ein Tag auf der (auf einigen Kilometern für Fahrräder verbotenen) Autobahn nicht sehr ereignisreich oder schön, obwohl auch heute viele Blüten und Weinberge am Straßenrand zu sehen sind.
Bei „Pronto“ an der COPEC-Tankstelle zum Frühstück schauen wir nach: „Va y Ven“ in Panamá und „Pronto“ in Chile gehören nicht zum selben Konzern, auch wenn man das vermuten könnte. Viktor befragt wieder mal die Künstliche Intelligenz „Gemini“ von Google.

Nach 40 Kilometern machen wir noch eine Pause im „Las Puertas del Paraiso“ für ein kaltes Getränk zwischendurch.


Kurz vor dem Verlassen der Autobahn halten wir noch einmal bei einer Copec, die allerdings kein großes „Pronto“ hat sondern nur ein kleines „Punto“, dann fahren wir lange über eine Umgehungsstraße um Talca herum. Dabei passieren wir ein ganzes Viertel mit gleichen, teilweise verbrannten, fast allen verlassenen Häusern – in einigen wenigen gibt es offenbar noch Bewohner.
Das letzte Stück in die Stadt führt uns dann auf einer stark befahrenen Straße über einen extrem schmalen Radweg ins Zentrum. Manchmal ist es wirklich besser, keinen Radweg zu haben.


Als wir an unserer Zieladresse ankommen, denken wir, Komoot hätte wieder etwas durcheinandergebracht, obwohl wir das Hotel Casa Azul gebucht haben und das Haus, vor dem wir stehen, auch tatsächlich blau (azul) ist. Es sieht aus wir ein Wohnhaus, ist mit Toren verrammelt, es steht nichts dran und der Rest der Straße sieht nicht nach Stadtzentrum aus, obwohl wir im Zentrum gebucht haben. Wir sind aber dennoch richtig, es ist nur niemand da. Wir fahren also ein paar Blöcke weiter und finden ein sehr nettes Café mit Fahrradladen, wo wir uns die Zeit verteiben, bis wir Nachricht erhalten, dass uns jetzt jemand erwartet.




Das Casa Azul entpuppt sich als Hostal statt wie angenommen 3-Sterne-Hotel. Der Sohn des Betreibers öffnet uns und erzählt, dass er 2016 für elf Monate in Deutschland war: in Cloppenburg, Barßel und Friesoythe, und in Wilhelmshaven war er zu einem Musikfastival auch. Lustig!
Leider funktioniert das W-LAN wieder einmal nicht. Wir verbringen den Nachmittag also mehr in einem „Salón de Té Picnic y Aventura“ und können das dortige WIFI nutzen. Es läuft italienische Musik in Dauerschleife, Adriano Celentano, Eros Ramazotti, Opern-Arien, Ricchi e Poveri (Sarà perché ti amo), etc, etc …
Als wir nach dem Abendessen in einer Restobar (die die Nudeln mit Spargel aufgrund des fehlenden Spargels und die Ingwerlimonade aufgrund des fehlenden Ingwers heute leider nicht anbieten kann…) noch ein wenig herumspazieren, fallen uns noch viel mehr verlassene und heruntergekommende Gebäude auf. Ganze Blöcke mitten in der Innenstadt, eine Schule, eine Fußgängerzone – fast ein bisschen gruselig. Wikipedia sagt aber, dass Talca in den letzten Jahren stark expandiert ist. Wir finden nicht sicher heraus, ob es noch immer die Nachwirkungen des Erdbebens am 27. Februar 2010 sind, was aber gut sein könnte.













Mittwoch 8.1.25 – (155) – Talca – Linares

Gesamt: 9.838,73 km
Natürlich gibt es auf so einer Tour auch mal Differenzen und unterschiedliche Meinungen. Immer wieder stehen wir – so wir gestern bei dem extrem schmalen Radweg – vor der Entscheidung: „Fahren wir auf diesem grottenschlechten Fahrradweg weiter oder doch lieber auf der lebensgefährlichen Straße?“ Oder: „Müssen wir jetzt unbedingt die Straße kreuzen, um auf der linken Fahrbahnseite vorschriftsmäßig diesen bescheidenen Radweg zu nutzen?“ Oder: „Wollen wir wirklich in diesen Schotterweg hineinfahren, in den uns unser Garmin-Navi gerade leiten will?“ … zu Letzterem kommen wir heute nochmal …
Nicht immer beantworten Captain und Stokerin diese Fragen gleichlautend.
Heute morgen beim Frühstück packen wir zum Beispiel unsere Mora-Marmelade (Brombeere) von Watts aus, denn zum Frühstück erhalten wir nur Schinken, Käse und Butter zum Toastbrot. Die Verpackung der Marmelade ist für so eine Radtour total praktisch, denn es ist eine Tüte mit Schraubverschluss. Zum Glück gibt es die in Chile wieder zu kaufen und wir haben im Supermarkt sofort zugeschlagen. Am Ende des Frühstücks stellt sich jedoch die Frage: „Ist es unbedingt erforderlich, das Außengewinde des Schraubverschlusses zunächst sauber abzuwischen, bevor der Verschluss wieder aufgeschraubt wird?“
Eine von uns meint, dass alle Apotheker*innen das auf jeden Fall immer tun würden. Der andere … na ja … sucht noch Apotheker*innen, die das nicht für erforderlich halten. Mitte melden! 😉

Wir haben uns für heute wieder entschieden, nicht der Ruta 5 (die hier auch gleichzeitig die Panamericana ist) zu folgen, sondern einen größeren Bogen nach Osten Richtung Anden zu fahren bevor wir uns südwärts zum heutigen Etappenziel Linares bewegen. Das ist zwar insgesamt eine längere Strecke, aber auf den Landstraßen fühlen wir uns wohler als auf der Ruta 5. Im täglichen Wechsel ist so auch die Ruta 5 mit ihrem starken Verkehr für jeweils einen Tag ganz erträglich.

Die ersten 10 Kilometer aus Talca heraus sind ziemlich nervig, denn wir fahren wieder auf dem extrem schmalen Radweg von gestern. Zudem steht die Sonne noch tief im Osten und blendet derartig, dass man die Schlaglöcher und Gullideckel (manche mit Längsrillen, in denen das Vorderrad steckenbleiben könnte) nicht rechtzeitig erkennen kann, um noch auszuweichen. Entsprechend langsam geht es voran und Viktor fehlt es ein wenig an der Motivation, ordentlich in die Pedale zu treten. Als wir dann auf der Landstraße unterwegs sind wird die Umgebung schon ein bisschen netter. Für San Clemente haben wir bei Kilometer 22 die erste Pause eingeplant, aber die angefahrene Tankstelle hat keine Baños (Toiletten) und man schickt uns zu den öffentlichen Toiletten neben der Touristeninformation. Die kosten 350 Pesos und sind die schlechtesten bisher in Chile. Die Pause machen wir ganz in der Nähe ohne Kaffee an Schachbrett-Tischen mit Sitzgelegenheit.
Kurz hinter San Clemente führt uns unsere Komoot/Garmin-Navi-Kombination auf die K-593, eine ziemlich untergeordnete, aber asphaltierte Straße, die uns Richtung Süden über Colbun nach Linares führen soll. Nach einigen Kilometern wird die Straße schmaler, wir fahren über einige Bäche und Flüsse und finden die Gegend eigentlich sehr schön. Aber dann verwandelt sich der Asphalt in Schotter, irgendwann müssen wir über eine am Boden liegende Stahlglieder-Kette fahren und dann taucht ein Schild auf, dass uns darauf hinweist, dass wir nun auf eine Privatgelände fahren. Dahinter liegt ein großes Gelände mit Lastwagen und schweren Baumaschinen, die alle zwischen großen Kies- und Schotterbergen herumfahren.



Wir kommen an eine kleine Hütte, in der eine Art Security-Büro eingerichtet ist. Davor sitzen drei Männer und wir fragen, ob das hier eine offizielle Straße sei. Ja, früher sei das eine Straße gewesen, aber die sei letztes Jahr vom Fluss weggespült worden. Wir könnten weiterfahren und müssten dann aber den knietiefen Fluß mit dem Fahrrad durchqueren. Da hat uns Komoot (und Open Street Maps, auf dessen Kartenmaterial Komoot zurückgreift) ja wieder einen Streich gespielt. Wir drehen um und müssen dann einen etwas größeren Bogen fahren als wir eigentlich geplant hatten.
Als wir endlich die L-11 erreichen, eine größere Landstraße, die bis nach Linares führt, beschließen wir, auf dieser zu bleiben und heute keinen weiteren Komoot-„Abkürzungen“ mehr zu folgen.
Am Stausee Machicura legen wir nochmal eine kurze Pause ein, weil wir wenigstens einen Blick auf den Stausee werfen wollen, den wir von der Straße aus einfach nicht zu sehen bekommen. Der Parkplatz des „Balnearios“ (Badestelle) ist noch relativ leer, aber ein Stand hat gerade angefangen „Mote con Huesillo“ und andere kalte Getränke zu verkaufen. Die frisch frittierten Empandadas werden leider erst gegen Ende unserer Pause angeboten und wir können nur noch ein Foto davon machen.







Die letzen 20 Kilometer nach Linares ziehen sich ziemlich hin. Es ist etwas Gegenwind aufgekommen und das Gefälle in Richtung Linares ist nicht so stark wie erwartet. Wir sind erst nach 16 Uhr am Hotel, für uns eher spät, und haben über 80 Kilometer abgespult.
Trotzdem schaffen wir es heute noch in ein ordentliches Café (La Francesa) und besorgen uns in Nachos Barbershop (Instagram) sommerliche Kurzhaarschnitte der besonders kurzen Art – zumindest für Jutta der letzte Haarschnitt unserer Reise ;-).



Wir schaffen es noch in einen Supermarkt und einmal um die „Plaza de Armas“, aber dann ist der Tag für uns auch vorbei, denn der Blog wartet ja auch noch.






Donnerstag 9.1.25 – (156) – Linares – Parral

Gesamt: 9.880,87 km
Unsere durchgewaschenen und im Zimmer aufgehängten Radfahr-Klamotten sind nach dem Aufstehen noch ziemlich feucht, obwohl die Klimaanlage die ganze Nacht durchgelaufen ist und auf 24°C eingestellt war. Wir haben wohl das feuchteste Zimmer (Nr. 10) des ganzen Hotels Real bewohnen dürfen. In der hinteren Ecke sieht man an der Wand auch deutliche Schimmelspuren. Es gibt doch nicht Schöneres, als morgens in feuchte Klamotten zu steigen und zu wissen, dass sie tagsüber am Körper trocknen werden. Besonders die Innenpolster von Radfahrhosen (Viktor) sollen eigentlich tagsüber Feuchtigkeit aufnehmen, um Haut-Irritationen zu vermeiden, aber sicher nicht Feuchtigkeit abgeben. Na ja … Luxusprobleme … wir stellen uns vor, wie das Ganze aussähe, wenn wir wirklich regelmäßig zelten würden und dann morgens Zelt und Klamotten klamm oder feucht wären.
Nach der gestrigen Erfahrung mit der Navigation trauen wir Komoot heute buchstäblich nicht „über den Weg“ und entscheiden uns wieder für eine Teilstrecke auf der Panamericana bzw. Ruta Nacional 5. Dadurch wird die Etappe heute zwar recht kurz, aber nach der gestrigen längeren Etappe stört uns das nicht sonderlich. Es fließen einfach zu viele Flüsse von den Anden (Osten) zum Pazifik (Westen) mit nur wenigen Brücken in Nord-Süd-Richtung.
Als wir auf einer richtig ländlichen Straße an der RN5 ankommen, gibt es leider nur eine Auffahrt Richtung Norden – falsche Richtung! Dank einer Fußgängerbrücke kommen wir aber auf die andere Seite und befinden uns für die nächsten 20 km wieder auf dem Seitenstreifen der Panamericana.
Irgendwann ist eine (Toiletten-) Pause fällig und eine Tankstelle am Straßenrand. Am dazugehörenden Restaurant blinkt eine Anzeige mit „Bienvenidos“ und „Abierto“, worauf Viktor kurz mal hinweist (typisch Deutsch!). Drinnen stehen zwei Damen an der verschlossenen Tür und sagen, dass sie geschlossen hätten (Öffnung erst um 10, jetzt ist es kurz nach neun – die Anzeige wird daraufhin ausgeschaltet :-)). Die Toilette für die Tankwarte kann aber benutzt werden – immerhin.
An der Diagonale L-60/L-61 verlassen wir die RN5 und können auf Landstraßen weiterfahren. Ziemlich bald kommt ein Ort, und wir finden ein Café in einer Seitenstraße. Jutta blickt auf die Feuerwehr, an deren Gebäude etwas von „Bomberos de Retiro“ steht. Wir fragen uns erst, ob es eventuell alles Rentner sein könnten (eher nicht) und kommen dann darauf, dass dieser Ort wohl „Retiro“ heißen muss (stimmt). Nach den letzten Tagen fragen wir im Café erst, was sie denn alles dahaben, und sie sind ganz verwirrt: Alles, was auf der Karte steht, haben sie natürlich auch da. Wir bestellen erst zwei Milchshakes, danach noch zwei Kaffees (ohne zusätzlichen Sirup-Geschmack, ganz unchilenisch).
Auf der Weiterfahrt kommen wir an einer Plantage vorbei, in der die Bäume auf den Zentimeter genau in einer Linie stehen. Im Vorbeifahren sieht man unter mehreren Blickwinkeln und Diagonalen alle Bäume gerade hintereinanderstehen.
Der Zielort Parral entpuppt sich als etwas hügelig, obwohl wir immer noch in einer flachen Gegend unterwegs sind. Wir sind schon um 12 Uhr am Hotel Brescia, müssen uns aber noch gedulden und gehen zunächst ins Zentrum des Ortes zur obligatorischen Plaza de Armas. In einer Straße liegen gleich mehrere Apotheken direkt nebeneinander:

Als Viktor ziemlich große Bienen (vermutlich Hummeln) entdeckt und sein Handy zückt, werden wir von der dort wohnenden Frau angesprochen. Als sie erfährt, dass wir Deutsche sind, erzählt sie von ihrer Nichte, die gerne nach Deutschland möchte (Tourismus-Branche) und bei den Formalitäten Hilfe braucht. Wir bieten diese an und tauschen Nummern aus. Später stellt sich per WhatsApp heraus, dass sie eher einen Arbeitsplatz in der Gastronomie/Hotelerie sucht. Der Lebensgefährte ist Agrar-Ingenieur, könnte also eventuell im Agrarbereich gut aufgehoben sein. Viktor schreibt von der Saisonarbeit in der Landwirtschaft. Von den Gurkenfliegern im Spreewald haben wir aber eher abgeraten, weil die Arbeit zu den härtesten gehört, die es in der Landwirtschaft gibt. Sie werden ab März wohl die Region Leipzig aufsuchen, denn dort haben sie bereits Kontakte. Wer also Jobs anzubieten hat – wir könnten den Kontakt vermitteln. Oder Ihr geht gleich auf ihren Youtube-Kanal und kontaktiert sie dort.
Beim Gang über die Plaza de Armas sehen wir ein Schild, das Radfahrenden auf dem Platz mit einem Bußgeld droht (Multa). Der Betrag ist hier in Chile auf Schildern immer in „UTM“ angegeben. Endlich können wir mal jemanden fragen, der in der Nähe auf einer Parkbank sitzt. UTM ist hier eine eigene Einheit, derzeit circa 67.000 Pesos. UTM ist automatisch inflations-korrigert und steigt daher monatlich. So müssen die Schilder nicht ständig neu produziert werden.
Im Café Cactu gibt es noch einen Kaffee und für Viktor die typisch Chilenische Mil Hojas-Torte, für die wir uns heute bei Pierre L. für die Einladung bedanken.




Wir bekommen weitere Tipps für den Süden Chiles und noch ein paar Erklärungen zu der im Café Cactu ebenfalls angebotene Kosmetik mit Kaffeesatz-Zusatz, die die Besitzerin selbst herstellt.


Dann geht es ins Hotel. Nachdem wir gestern beim Blick aus dem Fenster auf eine weiße Wand, ca. 30cm entfernt, geguckt haben, können wir heute sehr weit gucken und erblicken sogar Schnee:

Während wir am Blog schreiben kommt ein WhatsApp-Anruf von Jani aus Kopenhagen und wir verquatschen uns ein wenig, bis der Hunger uns daran erinnert, dass es Zeit fürs Abendessen ist. Natürlich öffnet das Hotelrestaurant erst um 19:30 Uhr, also haben wir dann doch noch genug Zeit für einen schnellen Einkauf im Supermarkt und ein paar weitere Zeilen im Blog.
Beim Abendessen im Hotelrestaurant „Avanti“ lernen wir Enrique kennen, der mit zwei Peruanischen Kollegen am Nachbartisch sitzt. Er hat deutsche Wurzeln, hatte in der deutschen Schule in Valdivia „Deutschlandkunde“ und arbeitet 10 Monate im Jahr in peruanischen Blaubeer-Plantagen, an dennen wir im Norden Perus auch vorbeigekommen sind. Enrique gibt uns einige Tipps für die Gegend um Puerto Montt und unsere Weiterfahrt Richtung Süden. Wir haben wieder einmal richtig Glück mit unseren Zufalls-Bekanntschaften. Am liebsten würde er uns auch zu sich nach Hause einladen, aber wir werden den Süden erst erreichen, wenn er schon wieder in Peru ist.















Freitag 10.1.25 – (157) – Parral – Villa Baviera (Colonia Dignidad)

Gesamt: 9.921,32 km
Als wir die Fahrt von Parral in Richtung Süden geplant haben, ist uns aufgefallen, dass die Villa Baviera – ehemalige Colonia Dignidad – recht nah an der Route liegt, und so haben wir beschlossen, dort einen Zwischenstopp, also eine Übernachtung, einzulegen. Das bedeutet heute eine kurze Tour! Gestern Abend haben wir uns zur Vorbereitung eine Fakt-Sendung aus 2017 angeschaut.
Nach dem Frühstück schieben wir das Tandem wie so häufig wieder auf die Straße, bepacken es unter mehreren Paaren neugieriger Augen und können erst starten, nachdem verschiedene Fotos gemacht sind. Die Hotelangestellten wollen etwas bei Instagram posten .

Wir kommen gut aus Parral heraus und fahren heute die ganze Zeit durch Land- und später vor allem Forstwirtschaft – hier riecht es sehr gut nach Pinienharz. Jutta assoziiert mit diesen Geruch komischerweise plötzlich einen Ausritt mit zwei Cousinen (Michaela und Angela) in Tunesien (?) – da war sie so etwa sieben Jahre alt :-).
Wir haben eine kurze, steile Steigung nach ca. 23 Kilometern und machen direkt vorher eine kurze Trinkpause am Straßenrand. Während wir stehen, bemerken wir recht große Fluginsekten mit orangefarbenen Tupfern. Beim Fahren scheinen sie uns zu verfolgen – gerne oben auf dem Helm. Viktor beruhigt Jutta, dass sie bestimmt nicht stechen, wenn sie auch einmal auf der Haut sitzen.
Schon nach dem großen Felsen „Villa Baviera“ am Straßenrand steht links im Wald ein Verkaufswagen, die „Deutsche Ecke“, und wir hören zwei Männer Deutsch sprechen. Spontan machen wir nur wenige Kilometer vor Schluss noch eine Pause. Es gibt ein Stück Frankfurter Kranz für Viktor.


Hier erfahren wir auch, dass die Insekten Tabanos heißen, hier nur zwischen dem 20. Dezember und 20. Januar in Massen fliegen und doch stechen bzw. beißen. Es ist eine Art Bremsen und sie wollen an unser Blut.
Kurz vor dem Ziel kommt eine Kontrollstelle mit Schranke: nach Villa Baviera kann man anscheinend nicht unkontrolliert hinein. Unsere Reservierung im Hotel wird gecheckt und wir dürfen weiter. Ab hier gibt es keine befestigte Straße mehr, wir können aber langsam fahren und müssen nicht schieben. Schon um 12 Uhr sind wir am Hotel Baviera, werden aber bis 15 Uhr noch einmal weggeschickt :-(.



Wir machen einen Spaziergang durch den Ort und werden von immer mehr Tabanos angefallen, so dass wir die ganze Zeit am Herumwedeln sind. Das macht einen etwas verrückt.
Wir gehen trotzdem die große Runde, kommen irgendwo am Kartoffelkeller (den wir aber zunächst nicht finden) vorbei, an Cabañas, an der Post, an der Bäckerei… Richtig Sehenswertes ist nicht dabei, und das Museum im Kartoffelkeller macht erst um 14 Uhr wieder auf. Wir gehen also erst noch etwas Kaltes im Zippel-Haus, dem Restaurant, trinken, dann ist es nach 14 Uhr. Um halb drei ist die Museumstür allerdings immernoch verschlossen … was ist denn mit der angeblichen deutschen Pünktlichkeit passiert 😉
Langsam gehen wir zum Hotel und können endlich einchecken. Davon, dass wir als Ausländer keine Mehrwertsteuer zahlen müssen, hat die Dame an der Rezeption noch nie gehört, also müssen wir heute tiefer in die Tasche greifen. Dafür bekommen wir aber auch ein „exquisites“ Zimmer direkt unter dem Dach: sehr, sehr heiß, ohne Möglichkeit zu kühlen und praktisch ohne W-LAN Signal (das hat man nur im Flur). Immerhin erfahren wir, dass das Museum jetzt geöffnet hat. Nachdem zumindest einer von uns geduscht hat, machen wir uns also noch einmal auf den Weg.






Es erwarten uns vor allem Fotos, ausbleichende mit Tintenstrahldrucker bedruckte DIN A4-Zettel und Zeitungsausschnitte. Zuerst denkt man, alles Negative würde ausgespart, aber je weiter man hineinkommt, umso mehr werden dann doch Wahrheiten ausgestellt. In einem zweiten Raum sind Dinge aus dem Krankenhaus, zum täglichen Leben in den nach Alter und Geschlecht getrennten Wohngruppen etc. gezeigt.
Wir wundern uns hinterher, dass es anscheinend keinen Kurator gibt/gegeben hat, obwohl eine Kommission in Deutschland und Chile längst empfohlen hat, dass an diesem Ort eine Gedenkstätte errichtet werden muss, um an die gruseligen Geschehnisse und Menschenrechtsverletzungen zu erinnern – hier sind eindeutig Laien am Werk.
So sieht Erinnerungskultur aus, wenn sie ausschließlich privat von einigen Opfern vor Ort organisiert und finanziert wird. Laien tackern Zettel an die Holzwand einer alten Kartoffelscheune. Wenn man bedenkt, dass hier jahrzehntelang unkontrolliert Millionen aus der deutschen Rentenkasse hingeflossen sind, als Paul Schäfer noch sein Unwesen trieb, ist es schon ein kleines Armutszeugnis, dass jetzt weder Geld für eine Gedenkstätte noch für Opfer-Entschädigungen aus Deutschland kommt, obwohl klar ist, dass Deutschland und deutsche Diplomaten bis ins Außenministerium (jahrelang auch Genscher) zumindest aktiv weggeschaut haben, wenn nicht sogar schlimmer. Zur Gedenkstättendiskussion gibt es sogar schon ein Buch.
Im Hotel versuchen wir es im „Leseraum“ mit dem WIFI und schreiben schon ein wenig am Blog, bevor wir im Bayerischen Restaurant zu Abend essen.


Bei Bayerischer Humm-ta-ta-Musik gibt es für Viktor Leberkäs mit Spiegelei (eine richtig knusprige Haxe gibt es leider nicht … nur Eisbein … dafür aber recht guten süßen Senf, den sie hier selbst produzieren) bzw. für Jutta die Trilogie aus Sauerkraut, Rotkohl und Apfelmus plus Pfannengemüse – und das alles mitten in Chile.
Anschließend unternehmen wir einen zaghaften Versuch, eine Runde mit dem Hydrobike zu fahren (was vom Hotel auf dem kleinen Teich angeboten wird – es gäbe sogar ein Tandem), aber als dort niemand vor Ort ist und wir eine Telefonnummer anrufen müssten, lassen wir es halt. Der Teich ist eh ziemlich klein! Viktor beobachtet an einer Eiche noch eine Hummel beim sammeln von „Läusekacke“, also klebrigem Honigtau … das wird leckerer Eichenhonig, wenn Honigbienen ihn einsammeln.
Dann setzen wir uns mit dem Laptop auf die Terrasse des Restaurants, schreiben am Blog und bringen der Bedienung den Begriff „Apfelschorle“ bei – Apfelkuchen, Apfelstrudel, Apfeltasche und Apfelmus kennt sie schon.
Abends beobachten wir noch eine größere Anzahl älterer Einwohner von Villa Baviera, wie sie in das Freihaus gegenüber des Hotels zu einer Versammlung gehen. Laut Dokumentarfilm wohnte der Sektenführer Schäfer in genau diesem Haus und hat dort auch die Kinder und Jugendlichen sexuell missbraucht. Wir hören im Laufe des Abends christliche Lieder aus dem Haus zum Hotel herüberschallen.




































Samstag 11.1.25 – (158) – Villa Baviera – Chillán

Gesamt: 9.991,38 km
Nach einer sehr ruhigen, aber heißen Nacht dürfen wir im Baviera Hotel „ausnahmsweise“ schon um halb neun statt normalerweise erst ab neun frühstücken. Es gibt Graubrot und sehr guten Quark (aus einer Suppenterrine mit Suppenkelle) – das wird hier immer noch alles selber gemacht, ebenso wie das in Chile einzigartige Sesambrot. Im „Dorfladen“ bekommen wir unsere Getränke, wenn auch nur eine Flasche gekühlten Wassers.
Vor der Abfahrt macht Viktor noch ein kurzes Video aus dem Gang des Hotels im zweiten Stock:
Es ist nach halb zehn, als wir den Schotterweg aus diesem skurrilen Ort wieder zurückfahren. An der „Deutschen Ecke“, nach drei Kilometern, biegen wir nach links ab und es geht mehrfach steil bergauf, zweimal geht es nicht ohne zu schieben (14% Steigung). Da waren wir nicht wirklich drauf vorbereitet! Wieder mal haben wir uns vorher das Höhenprofil der Streckenplanung nicht genau angeschaut. Nervig ist außerdem, dass wir beim Bergauf-Schieben ständig von Tabanos umflogen werden, den lästigen Blutsaugern von gestern, die es auch heute wieder auf uns abgesehen haben.
Und das Auf und Ab scheint immer weiter zu gehen. Immerhin ist es landschaftlich eine Augenweide, das tröstet ein bisschen und die Laune bleibt erstaunlich gut.

Nach ca. 17 km biegen wir auf die N-31 ab und die Steigungen haben ein Ende. Auch die Region der blutsuchenden Tabanos haben wir damit scheinbar verlassen. In Tres Esquinas machen wir eine kleine Pause an einer Bushaltestelle und peilen eine Kaffepause in San Carlos ein, wo wir heute auf die RN -5 fahren wollen – fast müssen, weil es keine durchgängig asphaltierte Straße mehr in unsere südliche Richtung gibt. In San Carlos ist die Suche nach einem Café gar nicht so einfach. Ein Herr gibt uns den Tipp, auf der anderen Seite der RN-5 zu gucken, und dort finden wir ein kleines Eiscafé mit richtiger Kaffeemaschine, wo wir dann auch länger bleiben.
Über verschiedene Einbahnstraßen kommen wir zurück zur Autobahn und wissen nicht, wie weit die Strecke wohl noch ist. Am Rand stehen auch keine Kilometerangaben nach Chillan, immer nur nach Los Angeles und Concepción. Es könnte nämlich eventuell passieren, dass wir heute die 10.000 km – Marke erreichen, ganz knapp, je nachdem wie weit es über die RN-5 bis Chillan ist.
An einer Aramco-Tankstelle machen wir noch eine „Hinternpause“, weil Viktor durch den kräftigeren Gegenwind sehr fest im Sattel sitzt und wenig Gelegenheit hat, den Hintern mal für ein paar Sekunden zu entlasten, wie das auf den Abfahrten vorher möglich war. Auf seine Frage, wie weit die Plaza de Armas von Chillán denn noch entfernt sei, antwortet der Tankwart sofort: acht Kilometer, und bestätigt das auch nach ungläubigem, mehrfachem Nachfragen immer wieder.
Derart motiviert fahren wir weiter, nur, dass nach acht Kilometern noch nicht einmal die Stadt in Sicht ist. Wieder einmal ist Viktor auf einen Tankwart hineingefallen! Am Ende sind es 16 Kilometer und wir fragen uns wieder einmal: Was haben die Tankwarte eigentlich für ein Problem? Können die nicht einfach sagen, dass sie es nicht wissen? Stattdessen greifen sie wahllos irgendeine Entfernung aus der Luft! Oder hassen sie Radfahrende derart, dass sie die mit Absicht frustrieren (oder buchstäblich in die Wüste schicken) wollen?

Schon oft hat Viktor sich vorgenommen, der entsprechenden Tankstelle mal bei Google eine 1-Sterne-Bewertung zu verpassen. Nicht, dass das irgendeinen langfristigen Effekt haben dürfte, aber irgendwie senkt es den Adrenalinspiegel.



Auf diesem letzten Teilstück kommen wir auch wieder an einigen Unfallstellen vorbei, wie wir sie während der letzten Woche in dieser landwirtschaftlichen Gegend schon häufiger sehen mussten. Nach langem Überlegen haben wir uns heute entschieden, Euch diese grausamen Bilder nicht länger vorzuenthalten. Sie gehören einfach mit zu unserer Tour und sind somit Teil der Erfahrung, die wir realistisch darstellen wollen. Außerdem wollen wir uns auch selbst daran erinnern, wo das genau war, wenn wir im nächsten Jahr täglich unseren eigenen Blog lesen. Denn eigentlich schreiben wir das hier in erster Linie für uns selbst – schließlich ist das unser Ego-Jahr – und die Tage und Monate beginnen in unserer Erinnerung schon gewaltig zu verschwimmen. Immer wieder fragen wir uns gegenseitig: „Mensch, wo war das nochmal?“
Deshalb also eine Triggerwarnung: Wer jetzt weiter herunterscrollt wird das zerfetzte Fleisch von sinnlos geschredderten Verkehrsopfern zu sehen bekommen.



Richtig! Wir befinden uns ein der Melonen-Gegend von Chile und am Straßenrand stehen alle paar Kilometer Verkaufsstände mit Wassermelonen, Honigmelonen, Erdbeeren und anderem Obst. Das hinterlässt seine Spuren auch auf der Fahrbahn und dem Standstreifen.
Für heute Nacht hat Jutta ein Business-Hotel gebucht, damit wir endlich einmal gutes W-LAN und früh angebotenes Frühstück haben. Pustekuchen! Das Internet geht heute leider nicht – es ist sogar jemand zum Reparieren gekommen, aber der Fehler konnte nicht behoben werden. Und Frühstück gibt es ab acht! Ins WIFI dürfen wir im zugehörigen Hotel gleichen Namens (nur „Express“ statt „Business“) schräg gegenüber, was wir nach dem Abendessen auch annehmen.
Dieses Abendessen nehmen wir tatsächlich in einer Shopping Mall bei Burger King ein. Die bieten immerhin mit Zuverlässigkeit vegetarische Burger an. Vorher suchen wir bei 35 °C und brüllendem Sonnenschein ein geöffnetes Restaurant in „Chill“-án, das seinem chilligen Namen nun wirklich keine Ehre macht. Wir finden aber nichts Passendes, denn nach Viktors Fleischkäse-Orgie gestern Abend soll es heute mal wieder etwas Vegetarisches werden.


Übrigens war schon 2022 jeder fünfte in Deutschland von Burger King verkaufte Whopper vegetarisch. Das hat uns dann doch überrascht. Wir hätten deutlich weniger geschätzt.









Sonntag 12.1.25 – (159) – Chillán – Bulnes

Gesamt: 10.017,63 km
Vor ein paar Tagen hat Elias in Valparaíso unerwarteterweise die zwei kleinen Päckchen von Juttas Schwestern Kathrin und Barbara erhalten, die wir zu Weihnachten erhalten sollten. Zufällig ist er mit einigen Deutschen Freiwilligen aus Santiago und Valparaíso dieses Wochenende in Richtung Süden unterwegs, und heute wollen sie extra noch den Abstecher nach Chillán machen, damit wir an unsere Weihnachtspäckchen kommen. Wir wissen nicht, wann das sein wird und ob wir danach überhaupt noch weiterfahren wollen, also erfragen wir die Optionen eines Late Check Outs oder auch einer weiteren Hotelnacht. Als vor elf Uhr die Nachricht kommt, dass die Truppe sich auf den Weg nach Chillán macht, entscheiden wir, heute noch nach Bulnes zu fahren, um wenigstens etwas weiter zu kommen und uns den Berufsverkehr in Chillán am Montagmorgen zu ersparen.
Nach dem Frühstück wollen wir uns die Mexikanische Schule angucken. Diese wurde Chillán nach dem verheerenden Erdbeben von 1939 vom Mexikanischen Staat gespendet, und in den 40-er Jahren hat der Dichter Pablo Neruda zwei Mexikanische Künstler damit beauftragt, die Geschichte Mexikos und Chiles in Wandgemälden in dieser Schule festzuhalten. Seit 2004 sind diese Wandgemälde ein Historisches Nationaldenkmal Chiles. Leider kommt man nur von Montag bis Freitag hinein – und heute ist Sonntag. Nur durch das vergitterte Eingangstor kann man zwei Gemälde im Treppenhaus erkennen.



Auf dem Rückweg kommen wir immerhin in die ebenfalls nach dem Erdbeben (1942 bis 1960) neu errichtete Kathedrale von Chillán, die architektonisch schon speziell ist (Modernismo oder Racionalismo) und uns fast neuer erscheint als ihre bald einhundert Jahre.




Inzwischen sind wir sicher, dass wir heute weiterfahren, und checken erst einmal aus, lassen das bepackte Tandem aber noch in der Tiefgarage des Hotels. Da es so aussieht, als hätten alle Einkehrmöglichkeiten in den Straßen geschlossen, gehen wir in die geöffnete Mall und setzen uns ins Starbucks. Erst als die Freiwilligen sich langsam ankündigen, verlassen wir die klimatisierte Mall, holen das Tandem und gehen damit zur Plaza de Armas, vor die Kathedrale.
Um kurz vor zwei kommen Elias und sechs weiter junge Menschen auf uns zu! Neun Deutsche gemeinsam in Chillán, das gibt es wahrscheinlich nicht so oft. Sie wollen sich schnell noch die Kathedrale anschauen, stehen aber vor verschlossener Tür, da es gerade 14 Uhr geworden ist und sie dann schließt. Dieselbe Erfahrung macht Viktor an der öffentlichen Toilette am Platz: der Kirchengong erklingt, und die Tür wird geschlossen, obwohl er mit gerade ziemlich dreckigen Fingern davorsteht und sie flehend in die Luft streckt. Wenn sie schon beim Öffnen nicht so recht pünktlich sind, die Lateinamerikaner, beim Schließen sind sie es umso genauer!
Elias übergibt uns die Päckchen, und wir neun gehen alle zusammen noch in einem Mexikanischen Restaurant etwas essen, so haben wir noch etwas gemeinsame Zeit und können unsere Eindrücke aus Villa Baviera miteinander teilen. Bevor wir dann losfahren, darf Elias auf eigenen Wunsch in der Fußgängerzone, die gerade eine riesige Baustelle ist, noch zwei Runden auf dem Tandem mitfahren.
Um kurz nach halb vier, in ziemlicher Nachmittagshitze, begeben wir uns auf die Strecke. Wir haben sie nicht einmal als Navigation im Garmin, und so muss Jutta genau aufpassen, wann wir die noch fehlenden 8,62 km bis zur 10.000 gefahren sind. Wie es der Zufall will, ist dieses genau an einer Abfahrt zu einer Shell-Tankstelle der Fall, und wir fahren eben auf den Parkplatz. Dort können wir besser stehenbleiben und Bilder machen. Ab jetzt sind wir also fünfstellig unterwegs!

Um viertel nach fünf stehen wir vor dem heute vormittag reservierten Apartmenthaus. In einem Schlüsseltresor finden wir Schlüssel für das Parkplatz- und das Eingangstor sowie die Terrassentür. Die Apartment-Tür wird per Code geöffnet. Das klappt alles hervorragend, und im Zimmer läuft sogar schon die Klimaanlage.
Wir machen als erstes die verspätete Bescherung (eine Teelicht-Weihnachtspyramide, Ostfriesentee, Weihnachtssüßigkeiten, Zahnputztabletten und nette Weihnachtspost – Vielen Dank auch noch einmal hier). Nach dem Duschen gehen wir zum Supermarkt, wo auch gerade zwei Bikepacker aus Neuseeland einkaufen, die jetzt sogar noch weiter fahren wollen. Ein richtiges geöffnetes Restaurant finden wir nicht, es gibt ein günstiges Fastfood bei El Bajón.
















Uwe Wüppermann
Hallo ihr zwei!
Langsam werden eure Tage ja leider auch schon weniger, habt ihr bis Ende März Zeit und wollt ihr es noch bis in den Süden schaffen?
Vielen Grüße aus dem tristen Grau,
zurückzukommen ist nicht wirklich eine Option 🤓 S+U ✌️
vmakowski
Hallo Ihr Beiden, wir haben für den 15.3. den Rückflug aus Buenos Aires nach Berlin gebucht. Am 1.4. müssen wir beide wieder im Job stehen und brauchen vermutlich noch etwas Zeit, um „runterzukommen“. Wann wir von Ushuaia nach Buenos Aires fliegen, wissen wir noch nicht, aber wir wollen Ushuaia auf jeden Fall erreichen. Das ist aber auch kein Problem, denn wir haben uns entschieden, von Puerto Montt nach Puerto Natales mit einem Schiff zu fahren (4 Tage durch die Fjorde Chiles). Dadurch haben wir vorher noch genug Zeit für ein Stück der Carretera Austral und andere Abstecher. Vielleicht sogar danach noch für ein paar Tage in Buenos Aires.
Lieben Gruß
Viktor & Jutta
Aileen
Hach, ich finde es herrlich, dass ihr uns nicht nur über Route und Landschaft berichtet, sondern auch immer wieder von euren Begegnungen, Gedanken und zwischenmenschlichen Erlebnissen („Marmeladenverpackungsdisput“ 😄) erzählt.
Ihr sorgt mit eurem Blog wirklich für gute Unterhaltung, bei der man etwas lernen kann, zum Nachdenken angeregt wird, aber auch immer wieder mitfiebert und schmunzeln muss. Danke dafür! 😊
Ich weiß gar nicht, welches Buch ab März/April diese Lektüre hier ersetzen soll…
Fühlt euch ganz lieb gegrüßt!
Viktor
Vielen Dank, Aileen. Das freut uns sehr. 😃💚
Stefan Schikor
10.000km, was für ein Meilenstein! Da wird die nächste gemeinsame Tour ins Umland für euch ja ein gemütlicher Ausflug während wir kämpfen. 😂
Wünschen euch eine sichere Weiterfahrt. 🤗
vmakowski
Ach, ist schon was geplant 😉
Stefan Schikor
Noch nicht, aber das geht ja schnell 😂