Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Woche 37 (9.12.24 – 15.12.24) Hualfín – Baldecitos

Montag 9.12.24 – (134) – Hualfín – Belén (Bethlehem)

Gesamt: 8.364,16 km

In unserer Herberge soll es ab acht Uhr Frühstück geben, also stehen wir entsprechend auf, müssen zunächst unsere „Verpackungen“ für die etwas ekeligen Kopfkissen von den Schaustoffschnipseln befreien, dann alles packen, und um acht stehen wir auf der Matte.

Wir bekommen nur ein spärliches Frühstück zu einem spärlichen Preis, und die Küchenfrau kann dann den 10.000 Pesos-Schein nicht wechseln. Im nur 17 km weit entfernten San Fernando gibt es ein Frühstückscafé, das wir uns sowieso schon ausgeguckt haben, dort wollen wir dann nochmal richtig frühstücken.

Gegen neun fahren wir los, sind gegen zehn vor dem Café La Candelaria in San Fernando, und die Türen sind verschlossen. Aus dem gegenüber liegenden Park rufen uns Frauen zu, dass es erst morgen wieder öffnet. Ganz super! Montags ist hier in der „Panaderia Municipal“ (Städtische Bäckerei – vermutlich auch aus den Steuergeldern der Minengesellschaft finanziert wie die Bodega gestern in Hualfín) nun mal Ruhetag. Es gibt immerhin einen Kiosk auf der anderen Seite des Platzes, der uns Joghurt und Saft verkauft. Er würde uns auch heißes Wsser machen, wenn wir einen Becher hätten. Das Campinggeschirr haben wir aber nach Hause geschickt, weil wir es nie benutzt haben. Auf dem Platz dürfen wir nicht essen, dort wird gerade geputzt, und er ist geschlossen!

Die Fahrt geht weiter durch Felsformationen und ziemliche Wüste. Neben Vögeln sehen wir heute nur einen Wüstenfuchs, eine tote Schlange und viele Insekten, dafür hören wir fast den ganzen Tag das laute Zirpen von Zikaden.

In La Ciénaga wollen wir es noch einmal mit Kaffee versuchen. Wir finden den örtlichen Kiosk, dessen Betreiber uns aber weiterschickt zu einem Hotel die Straße runter – dort gäbe es auf jeden Fall Kaffee. Im besagten Hotel bekommen wir dann gesagt, dass sie nur Übernachtungsgäste bedienen. Dazu muss gesagt werden, dass in wirklich jedem kleinen Ort eine Touristeninformation ist – sie also wohl gerne Touristen hätten. So kommt uns diese Servicewüste gar nicht vor! Wir fahren unverrichteter Dinge weiter und halten nur ca. 15 km vor dem Ziel noch einmal am Straßenrand unter einem Baum. Jedenfalls wird es ein relativ preiswerter Tag und die lokale Gastronomie verdient an uns keinen Peso, jedenfalls nicht während der Tagesetappe.

In der Quebrada de Belén stehen am Rand große Laufvögel und Jutta hofft, jetzt endlich die schon am 25. November erwarteten Emus anzutreffen. Aber weit gefehlt: heute lernen wir, dass es sich hier in Südamerika um Nandus handelt – Emus sind die Laufvögel in Australien. Das haben wir früher zwar schon einmal gelernt aber nicht mehr gewusst… Sehen tun wir allerdings auch jetzt keine lebendigen Nandus, da wir uns nicht die Zeit nehmen, hinunter zum Fluss zu klettern.

Im Zielort Belén fahren wir zuerst die Hauptstraße hinunter, um uns am Busterminal nach Bussen nach Mendoza zu erkundigen. Bevor es zum Hotel gehen soll, wollen wir dann erst noch – na was wohl – einen „richtigen“ Kaffee trinken gehen. Es gibt mehrere nett aussehende und klingende Cafés, aber leider merken wir, dass sie allesamt geschlossen sind. Eine Frau erklärt uns, dass zwischen 13 und 18 Uhr alle Mittagspause machen, und inzwischen ist es nach 13 Uhr! Also doch gleich zum Hotel!

Dort gibt man uns den Tipp für eine ganztägig geöffnete Bar mit Café, und wir gehen nach dem Geburtstagsanruf an den neunjährigen Hanno sofort und ohne zu duschen hin. Die Espressomaschine dort ist seit zwei Tagen defekt 🙁 – irgendwie ist der Wurm drin – aber sie machen Filterkaffee mit aufgeschäumter Milch für uns. Das WIFI ist besser als im Hotel, und wir bleiben lange sitzen und überlegen, wie wir die kommenden Tage gestalten, denn Unterkünfte und Verpflegungsmöglichkeiten werden an der Strecke immer seltener und … na ja …. Wüste und Steppe halt … wollen wir das wirklich? Am Ende steht fest, dass wir erst einmal weiter radeln, auch, wenn es morgen 130 km ohne einen richtigen Ort zwischendurch sein werden.

Als wir wieder am Hotel sind, sind inzwischen mehrere Motorradfahrer angekommen, die auch hier Zwischenhalt machen. Wir duschen und hängen die gewaschenen Klamotten draußen auf die kleine Terrasse, auf der auch unser Tandem steht. Auf den anderen Terrassen liegen ebenfalls Kleidungsstücke der Motorradfahrer.

Heute kommt – leider zu spät – auch per E-Mail das Angebot von der Firma Hase-Bikes. Sie sind nun doch bereit, uns einen Kurbelsatz nach Santiago de Chile zu schicken. Nun haben wir aber schon alles über unseren Sohn Julius und PankeRad in Berlin in die Wege geleitet. Viktor vermutet, dass sein kritischer Facebook-Beitrag in einer Pino-Owners-Gruppe doch noch zu einem Sinneswandel bei HASE geführt haben könnte.

Dienstag 10.12.24 – (135) – Belén – Aimogasta

Gesamt: 8.494,83 km

Wir entscheiden uns gegen ein frühe Abfahrt mit Frühstück unterwegs (in Londres, circa 12 km entfernt), weil wir den Öffnungszeiten der Cafés in GoogleMaps einfach nicht mehr vertrauen können. Das Café Estevia in Belén, wo wir gestern auch schon zu Abend gegessen haben, bietet ab 7:00 Uhr Frühstück an. Wir stehen um 6 Uhr auf, packen alles zusammen (inklusive Brot, Kekse, Äpfel, Bananen, die wir statt Frühstück von unserem Hotel am Vorabend noch erhalten haben) und sind um 6:58 Uhr vor dem Café. Die Tür steht auch schon offen, und wir können uns tatsächlich am komplett aufgebauten Buffet inklusive schwarzem Tee und Milch bedienen. Viktor kann sogar eine Portion Rührei bestellen.

Um kurz nach halb acht machen wir uns dann auf den Weg, und es geht zunächst scheinbar kreuz und quer durch Belén zur Ruta 40 und dann sanft bergab in Richtung Londres, einem Nachbarort von Belén und der letzten menschlichen Ansiedulung auf den heutigen 130 Kilometern bis Aimogasta. Wir wollen dort – nach nur 12 km – einen letzten Kaffee trinken, bevor wir uns auf die lange, einsame Etappe begeben. Wie schon fast zu erwarten, ist das Café FONTA geschlossen, da es einer „Remodelación“ (Renovierung) unterzogen wird. Gut, dass wir uns nicht darauf verlassen haben, hier frühstücken zu können. In Londres gibt es ansonsten noch eine Farmacia (Apotheke), in der man auch Kaffee bekommen könnte – die ist aber ebenfalls geschlossen. Ansonsten gibt es hier vor allem … Walnussbäume … der Ort ist für seine Walnüsse und das Walnussöl bekannt.

Wir fahren also einfach durch den Ort, und es geht zunächst wieder sanft bergauf bevor wir uns dann auf eine 17 Kilometer lange, ebenfalls eher sanfte Abfahrt freuen können. So bringen wir die ersten 30 Kilometer eigentlich relativ locker hinter uns und benötigen noch keine Pause. Die Landschaft ist auch noch relativ grün, viele Büsche und einzelne höhere Bäume, die zumindest bei einer Pause am Straßenrand Schatten spenden könnten. Wir hören viele Zikaden, teilweise ohrenbetäubend laut, so dass sie die wenigen Autos übertönen, und auch wieder viele Felsensittiche (Burrowing Parakeet).

Felsensittiche brüten am Straßenrand
Felsensittiche brüten am Straßenrand

Bei Kilometer 40 machen wir die erste von heute insgesamt vier Pausen am Straßenrand. Wir haben einen der vielen Schreine am Straßenrand entdeckt, bei dem auch Sitzplätze im Schatten vorhanden sind.

Bis auf die vielen Ameisen ist es hier ganz nett. Bis hierher sind wir fast 20 km schnurgeradeaus gefahren, kurz nach dieser Pause kommt eine leichte Kurve, bevor es noch einmal fast 30 km nur geradaus geht. In der Ferne sieht die Straße für Jutta fast aus, als würde es ganz vorne den Deich bei Café Neudeich auf Wangerooge hochgehen, wenn man den hohen Berg dahinter einmal wegdenkt.

Aus der Nähe geht es einfach nur runter und hoch sowie geradeaus weiter, natürlich ist es kein Deich…

Bei km 70 machen wir die nächste Pause, weil wir sie zwar auch brauchen, vor allem aber, weil dieses ständige Geradeausfahren etwas nervt (später wird es sogar noch mehr nerven, da kommt nämlich noch der aufgekommene Wind von vorne). Aber wir haben hier immer noch genug Energie, um ein paar „Hüpfefotos“ auf der Mittellinie zu machen. Es ist wirklich wenig Verkehr unterwegs hier.

Bei Kilometer 90 fängt Viktors Hintern so langsam an, sich zu melden. Da hilft der beste Brooks-Sattel auch nichts mehr, besonders wenn die Radfahrhose mittlerweile viel zu locker sitzt und das Sitzfleisch fehlt. Diesmal pausieren wir kurz nach dem 4.000 Kilometer Schild der Ruta 40 an einer Bushaltestelle gegenüber einer Polizeistation. Jutta entdeckt 50 Meter weiter eine Touristeninformation und ein Kiosk mit kalten Getränken … ja denkste … natürlich alles geschlossen.

Von hier sind es immer noch 40 Kilometer … puh … an manchen Tagen wäre das eine Etappe. Wir sind eigentlich darauf eingestellt, ab jetzt gemütlich sanft bergab zu rollen, so wie am Anfang des heutigen Tages (siehe Streckenprofil oben). Aber der nachmittägliche Wind hat aufgefrischt und kommt von vorne. Wenn wir aufhören zu treten, was Viktor immer mal wieder machen muss, um seinen Hintern zurechtzurücken, werden wir trotz Bergabfahrt langsamer und bleiben stehen, wenn wir nicht bald weiterstrampeln. Also nix „gemütlich“.

Zudem nimmt der Wind hier so langsam fast mexikanische Formen an. Es sind zwar noch keine 40 °C sondern nur 33 °C, aber die Luft ist so trocken, das Mund und Rachen sofort austrocknen, wenn man ein paar Atemzüge durch den Mund nimmt. Und das mittlweile lauwarme Wasser aus unseren Trinkrucksäcken ist auch keine echte Erfrischung mehr. Bei Kilometer 110 machen wir dann unsere letzte längere Pause (die kurzen Hintern-Entlastungspausen zwischen 110 und 130 zählen wir jetzt mal nicht mit) wieder an einer – diesmal ziemlich vermüllten – Bushaltestelle.

Einige Flüche von Viktor weiter („Watt iss datt für ein Mist hier, immer nur ständig geradeaus?“ „Jetzt ist aber auch mal gut mit diesem verdammten Gegenwind!“) sind wir gegen 16 Uhr auch schon am Ziel. Natürlich ist auch hier bis auf die Shell-Tankstelle alles geschlossen. Eine eisgekühlte Coca-Cola (1,5 Liter) und Sprite (500 ml) später checken wir also im Hotel Del Centro (HDC) ein und pflegen unsere geschundenen Körper bzw. bemitleiden uns gegenseitig ein wenig.

So wird es also heute mit 130 Kilometern unsere längste bisherige Tagesetappe, die längste Etappe ohne Einkehrmöglichkeit, ohne Tankstelle unterwegs, ohne Kaffee, ohne Eis, ohne Banana Split 😉 und mit der längsten Geraden.

Gegen 18 Uhr geht es in den Ort, wo wir dann doch noch einen brauchbaren Frappé bekommen und danach in einer Pizzeria wieder Kalorien auftanken können. Zum Glück haben wir für morgen eine kurze Etappe geplant, allerdings mit einigen Höhenmetern. Jedenfalls wollen wir ausschlafen.

Mittwoch 11.12.24 – (136) – Aimogasta – Anillaco

Gesamt: 8.529,86 km

Nach einer Nacht des Tiefschlafs sind wir beide erstaunt, dass unsere Muskeln nicht mehr schmerzen, zum Frühstück können wir frisch und frei die Treppe nehmen. Da wir heute „nur“ zu einem Hotel des Argentinischen Automobilclubs (ACA) in 35 km Entfernung fahren, um einen Zwischenstopp nach La Rioja zu haben (die einzige Möglichkeit, wenn man nicht zelten möchte), lassen wir uns Zeit und fahren erst um neun Uhr los.

Die Strecke über die Ruta Nacional 75 in Richtung La Rioja wählen wir auf Ratschlag des Vaters des Hotelbetreibers in Belén. So „erfahren“ wir heute wieder einmal, wie die Erfindung des Motors und des Autos die Wahrnehmung der Umgebung durch den Menschen komplett verändert hat. Die wahre Geografie einer Stecke ist dem Gaspedal-Treter eigentlich unbekannt. Wozu auch? Der persönliche Energieaufwand für das Bewältigen einer Steigung beschränkt sich auf das Durchdrücken des Gaspedals um einen weiteren Millimeter. Den Rest liefert die fossile Energie aus dem Tank. Teil des Ratschlags war: “Mas o menos plano!” … die Strecke über die RN75 sei also “mehr oder weniger flach”. Tja … 1 – 3% Steigung merkst Du als Autofahrer halt nicht … über mehr als 30 km kommen so aber 600 Höhenmeter zusammen, die Du mit einem vollbeladenen Tandem auch erstmal erstrampeln musst.

Streckenprofil

Diese Erfahrung passt zu unserer Erkenntnis, dass man sich auf Entfernungsangaben der Menschen vor Ort niemals verlassen darf. Meist werden Entfernungen sowieso in “Minuten” angegeben … gemeint sind natürlich immer Autominuten. Viktor macht sich dann meist einen Spaß daraus, grinsend auf unser Tandem zu zeigen und zu fragen “Für uns auch?”. Dann folgt meistens der Versuch einer Angabe in Kilometern, aber das sind dann Schätzwerte, die man besser nochmal per GoogleMaps nachprüft.

Es soll also auf die RN75 gehen, und Viktor hat (eigentlich) bei Komoot entsprechende Wegpunkte gesetzt. Dummerweise fahren wir erst mehrere Kilometer mühselig auf einer Sandpiste, bevor uns ein entgegenkommender Autofahrer den Tipp gibt, etwas zurück, einmal rechts und weiter auf der neuen asphaltierten Straße zu fahren. Außerdem legt er uns noch eine Burg ans Herz, für die man allerdings zehn Kilometer von der Hauptstraße abweichen müsste – das werden wir heute nicht machen, wir benötigen den Tag zum Kräfte tanken. Für morgen gibt es eine Hitze- und Unwetterwarnung, und wir wollen vor Sonnenaufgang losfahren, um am frühen Nachmittag in La Rioja zu sein.

Unwetterwarnung für La Rioja in der Wetter-App

Leider wird es auf der (gar nicht so neuen) asphaltierten Straße kaum weniger mühselig. Wie gestern geht es fast ausschließlich geradeaus, und die meiste Zeit leicht bergauf. Wir kommen nicht gut voran, nach zweieinviertel Stunden haben wir noch keine 20 km geschafft. Es ist auch schon so heiß, dass der Schweiß ordentlich läuft.

Jutta will etwas für die Motivation tun und sagt, dass wir immerhin schon über die Hälfte geschafft hätten. Und hieraus entwickelt sich ein Zeitvertreib: Viktor sagt, er hätte schon auf zwei Drittel gehofft, Jutta sagt bei zwei Dritteln Bescheid … Viktor hätte auf drei Viertel gehofft … dann 4/5, 5/6, usw…, bis wir irgendwann von der RN75 in den Zielort Anillaco abfahren können. Vorher – am Abzweig nach Los Molinos – machen wir allerdings in einer schattigen Bushaltestelle eine Verschnauf- und Snackpause.

Gegen 13 Uhr sind wir in Anillaco und halten kurz an einem Café. Da dieses allerdings nur Mittagessen und keinen Kaffee anbietet (es muss früher wohl einmal Kaffee gehabt haben, sonst dürfte es sich nicht Café nennen, erklärt uns unsere „Herbergsmutter“ später), fahren wir durch bis zur Tankstelle, an der unsere Unterkunft liegt. Der Shop der Tankstelle hat einige wenige Getränke. Wir nehmen uns zwei kalte Flaschen, beginnen zu trinken und können erst 20 Minuten später bezahlen, da der Tankwart gerade dauerhaft Tankkunden hat. Auch hier kommen die Kunden nicht nach und nach über den Tag verteilt, sondern manchmal viele fast gleichzeitig und danach lange niemand, deshalb ist der Tankwart hier ganz alleine (… so ist das mit den „Kennzahlen“ und dem „Management by Excel“ 😉 ). Wir haben es ja nicht eilig …
Zum besseren Verständnis: In Argentinien (wie in vielen anderen Ländern Lateinamerikas) ist Selbstbedienung an der Tanksäule nicht erlaubt. Es warten also alle Auto- und Motorradfahrer geduldig, bis sie an der Reihe sind und vom Tankwart bedient, betankt und abkassiert werden.

In der Unterkunft haben wir eine richtige Suite mit zwei Räumen inklusive Tisch und Stühle sowie Wohnzimmergarnitur. Kein Vergleich zu unseren anderen Tankstellenübernachtungen! Und Jutta hat zum ersten mal seit Tagen sofort warmes Wasser, als sie den entsprechenden Hahn in der Dusche aufdreht. In den letzten Tagen war sie meist bereits kalt oder lauwarm fertig-geduscht, als das Wasser endlich warm wurde … Viktor hatte als regelmäßiger Zweitduscher davon dann immer den Nutzen. Aber heute ist Luxustag! 🙂

Am späten Nachmittag machen wir uns gegen 17:00 Uhr auf einen kleinen Ortsrundgang. Es ist brüllend warm und die beiden Bodegas, die Viktor für eine mögliche Weinprobe auserkoren hat, sind verschlossen. Auch auf heftiges Klopfen (wir haben gelernt!) öffnet uns niemand. Immerhin können wir unterwegs Wasser kaufen und ein wenig Verpflegung für den morgigen Tag. Es soll jetzt wieder mehr Einkehrmöglichkeiten an der Strecke geben … sogar Tankstellen … aber wer will schon darauf vertrauen, dass es die noch gibt und dass sie geöffnet sind?

Anillaco ist übrigens der Geburtsort von Carlos Menem, der von 1989 bis 1999 Präsident von Argentinien war, bei Amtsantritt mit einer Rezession und Hyperinflation zu kämpfen hatte und das Land mit neoliberalen Reformen und einer Kopplung des Argentinischen Peso an den US-Dollar wieder auf die Beine brachte. Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder?

Den Rest des Tages verbringen wir im Hotel, schreiben am Blog (Viktor bei einem Honigbier im Hotelrestaurant), Jutta hört sich die Generalprobe von CrossOver für das Weihnachtskonzert an und um 20:00 Uhr dürfen wir – auf spezielle Nachfrage bereits eine Stunde früher als die offizielle Öffnungszeit des Hotelrestaurants um 21:00 Uhr – auf ein Abendessen im Hotel hoffen.

Aileen, dieses Honigbier hat tatsächlich mal einen Honig- bzw. Met-„Stich“ … man merkt also, dass da Honig verarbeitet wurde. Aber so richtig ist es doch nicht Viktors Fall … es müsste mal ein dunkles Stout oder Märzen mit Honig gebraut werden … am besten mit Buchweizenhonig.

Unser Sohn Julius hat gestern ein Paket mit einem neuen Kurbelsatz nach Santiago de Chile an unser Hotel geschickt, in dem wir Weihnachten verbringen werden. Vielen Dank an Julius, der trotz Krankheit von Potsdam quer durch die Stadt gefahren ist, um das Teil bei PankeRad in Pankow abzuholen und dann per DHL loszuschicken. Und Danke an Dan von PankeRad! Da Julius ein Apple AirTag in das Paket gepackt hat, wissen wir, dass es heute bereits in Madrid am Flughafen war.

Donnerstag 12.12.24 – (137) – Anillaco – La Rioja

Gesamt: 8.624,46 km

Trotz Viktors heutigem Geburtstag klingelt der Wecker um fünf, ein paar Minuten vor sechs fahren wir im Morgengrauen los. Mit 17°C ist es noch relativ kühl, und dummerweise kommt uns, als wir in Richtung Süden abbiegen, auch schon Wind entgegen.

Wir fahren, wie immer, mit Licht, aber das erste uns überholende Auto hat keines an, obwohl es noch nicht richtig hell ist. Wir fahren zwischen zwei Bergketten, und es ist sehr schön, wie die Bergspitzen im Westen nach und nach angeleuchtet werden, ohne dass die Sonne im Osten hinter den Bergen hervorgekommen ist. Irgendwann erscheint unser Schatten ganz weit weg von uns:

Wir haben noch nicht gefrühstückt, aber im nächsten Ort (Pinchas) nach knapp 20 km soll es sowohl ein Café als auch eine Tankstelle geben. Da es die ersten 25 km bergauf geht, brauchen wir schon unsere Zeit bis dorthin. Am Café fahren wir vorbei, da es sich uns nicht erkennbar zeigt und wahrscheinlich so früh ohnehin noch geschlossen ist, aber dass die Tankstelle ebenfalls verrammelt ist, finden wir nicht so lustig. Glücklicherweise ist gegenüber ein Grillplatz, und wir setzen uns dort hin. Bevor wir groß beginnen, aus unserem Vorrat zu snacken, sehen wir einen Mann, der die Tankstelle öffnet (es ist 7:18 Uhr, keine Ahnung, wann die offizielle Öffnungszeit beginnt). Wir können uns hineinsetzen und bekommen nach 20 Minuten Maschinen-Aufwärmzeit zwei Kaffee aus der Espressomaschine mit aufgeschäumter Milch und zwei „Medialunas“ (Croissants). Wahnsinn, dieses Glück gerade an Viktors Ehrentag!

Von Pinchas kämpfen wir uns noch etwa zehn Kilometer ziemlich langsam hoch, aber immerhin haben wir heute viele Kurven, und es ist nicht so langweilig, obwohl wir wenig Tiere sehen – ein paar Bergziegen und Vögel, und natürlich Insekten. Dann sind wir „oben“, es geht ganz leicht abwärts, allerdings nicht so, dass man sich rollen lassen könnte. Bei dem Gegenwind müssen wir deutlich treten. Aber als Viktor sich gerade beschwert hat, wo denn die Abfahrt nun bleibt, biegen wir um eine Kurve und haben mehrere Kilometer wunderschöne Abfahrt.

Während wir schnell rollen, sehen wir vor uns schon eine lange, lange Gerade, die langsam quer durchs Tal wieder aufwärts geht. Ungefähr in der Mitte scheint es aber irgendwas zu geben, wo man eventuell Pause machen könnte. Außerdem stehen alle zwei Kilometer Hinweisschilder auf einen Dinosaurier-Park etwas weiter weg – den merken wir uns als Back-Up. Das Gebäude auf halber Strecke entpuppt sich als eine Bodega für Wein, Öle und Nüsse – zum Pausieren nicht so das Richtige. Wir kämpfen uns also weiter geradeaus bergauf in dem Wissen, dass es ab der Kurve fast nur noch abwärts geht.

Endlich oben angekommen, halten wir die zurückgelegte Strecke noch einmal fest, bevor wir auf die Abfahrt gehen. In Villa Sanagasta fahren wir in den Ort und bekommen von einem Autofahrer gesagt, wir sollten zum „Kiosko Centro“ fahren – dort würde es Kaffee geben. Der liegt zwar nicht ganz auf unserer Strecke, aber der Umweg lohnt sich. Die Kaffeemaschine ist zwar kaputt, aber dieser Kiosk ist sehr gut sortiert, hat Sitzplätze, bietet Sandwiches an und der junge Betreiber fällt aus allen Wolken, als wir sagen, woher wir kommen und wohin wir wollen (ihm entfährt ein: „A la Mierda !?“ = „Ach Du Scheiße !?“) . Er sagt uns auch, wo es sonst noch Espressomaschinen gibt und dass wir an den Dinosauriern schon vorbeigefahren sind. Irgendwo auf der Abfahrt waren so weiße, riesige Fußspuren auf der Fahrbahn – da geht dann der Weg dorthin ab…

Sandwich am Kiosk

Auf der letzten Abfahrt Richtung La Rioja kommen wir an einem Stausee vorbei – richtig viel Wasser, nachdem die meisten Flüsse staubtrocken sind – , und als wir vom See weg um einen Felsen fahren, kommt plötzlich und unerwartet ein Tunnel.

Und kurz darauf noch ein zweiter!

Den Abzweig nach La Rioja nehmen wir so gegen 13 Uhr und sind wieder einmal überrascht, dass es keine Menschen auf den Straßen gibt, außer in Autos oder auf Motos. Es ist Siesta – alles ist geschlossen, und es ist auch wirklich heiß. Wir halten also nicht noch irgendwo, sondern fahren gleich zum Hotel Andino.

Nach dem Duschen (in einer sehr, sehr schmalen Dusche .. eineinhalb Fliesen breit) wollen wir noch einmal versuchen, ein geöffnetes Café zu finden. Keine Chance, selbst die bei GoogleMaps als geöffnet angezeigten machen Siesta. Stattdessen verbringen wir einige Zeit bei Western Union: das Geld, das Jutta von ihrem Konto an Viktors Account geschickt hat und das lange Zeit im digitalen Nirwana in Prüfung war, ist nun laut App verfügbar, bereitet den Mitarbeitenden aber ein paar Probleme wegen der unterschiedlichen Vornamen von Kontoinhaberin (Jutta) und Sender (Viktor). Letztendlich bekommen wir aber unsere nächste Million Pesos. Auf dem Rückweg finden wir eine geöffnete Eisdiele, die sogar zwei Eisbecher im Programm hat. Leider können sie diese nicht herstellen, weil sie heute weder Sahne noch Obst haben (und sie nur montags und freitags beliefert werden…). Irgendwie erinnert uns das an die gute alte DDR und Viktor entfährt auch ein etwas gefrustetes „Sagen Sie uns doch einfach, was sie noch da haben“. Und das im Turbokapitalismus von Präsident Milei? Das sind dann wohl doch eher simple Logistikprobleme.

Im Frühstücksraum des Hotels bekommen wir kostenlosen Kaffee/Tee, anschließend lassen wir uns im klimatisierten Zimmer etwas abkühlen. Um kurz vor halb sieben müssen wir uns auf den Weg machen, denn ein paar Straßenecken weiter muss Jutta die Geburtstagsüberraschung abholen, die sie vor einigen Tagen – als feststand, wo wir heute hinfahren – per WhatsApp und mit Hilfe von Google Translator bestellt hat:

Das „k“ bei Viktor hatte sie extra eingekringelt, aber das kommt bei Spanisch sprechenden Menschen einfach nicht an!

Mit der Minitorte in der Tüte gehen wir zum „Guten Tag Café„, das Viktor dann ebenfalls mit einem Tortenstück beschenkt und mit einem Ständchen feiert:

Wir benötigen einige Zeit, das alles zu vertilgen, und dann ist uns so schlecht, dass wir auf keinen Fall mehr abendessen können. Bei immer noch 38°C laufen wir langsam und mit einem kleinen Umweg zurück und wollen nur noch den vielen Zucker verdauen und uns im klimatisierten Zimmer abkühlen.

Um 22:00 Uhr beginnt dann auch draußen der per Wetterwarnung bereits angekündigte Sturm. Bei geschlossenem Fenster beginnen die Gardinen im Hotelzimmer zu flattern … sicherheitshalber lassen wir das Außen-Rollo ganz herunter.

Freitag 13.12.24 – La Rioja

Wir machen heute einen Ruhetag in La Rioja und das nicht, weil Freitag, der 13. ist und wir abergläubisch wären, sondern weil wir uns heute klar werden müssen, welche Route wir nach Mendoza fahren wollen.

Nach dem Frühstück ziehen wir aber zunächst in ein anderes Zimmer im Hotel, weil im ersten das Kondenswasser der Klimaanlage die Wand herunter- und unter den Schrank sowie über den Boden läuft. Dann gehen wir mit Laptop und Handy in das hiesige Bücherei-Café, wo wir versuchen, die Tipps der Einheimischen auf Wegen mit ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten umzusetzen. Leider finden wir bei allen drei möglichen Routen immer mindestens einen eigentlich zu großen Abstand für unseren Geschmack, entscheiden uns dann für eine Route, und dann ist auch schon der Akku des Laptops leer, die Zeit vor der Siesta ist vorbei, das Café schließt um 13 Uhr, und wir kehren ins Hotel zurück.

Während unserer Siesta buchen wir schon einmal die drei kommenden Nächte und planen, lesen, schlafen…

Um kurz nach fünf gehen wir wieder los, um vor unserer gebuchten Fahrt im Touristenbus noch etwas zu trinken. Es gibt Smoothies in der wohl einzig schon geöffneten Lokalität eines Vier-Sterne-Hotels. Um 18:15 Uhr fahren wir mit noch fünf anderen auf Sigtseeing-Tour und denken, wir werden wohl in der Stadt herumgefahren werden. Aber La Rioja hat bis auf ein paar Denkmäler und Kirchen anscheinend wirklich nicht viel Sehenswertes, denn wir fahren in die Quebrada (Flusstal, Schlucht), aus der wir gestern schon mit dem Tandem herabgefahren gekommen sind. Hierhin fahren die Menschen gerne ins Wochenende, und erst letztes Jahr hat der Wasserpark eröffnet. Die Staumauer gibt es seit 1930, und wir lernen auch etwas über die Vegetation. „Sauces“ sind Weiden , „Sauce Lloron“ ist die „Weinende Weide“, die in Deutschland „Trauerweide“ heißt. Nach dem Bau des Staudamms sind die Weiden in La Rioja abgestorben, weil sie viel Wasser benötigen. Nun wurden sie zur Erinnerung in einem Park wieder angepflanzt.

Bei der Rückfahrt aus der Quebrada bekommen wir noch gesagt, dass es hier sehr gute Aufwinde gibt unds ein bestimmter Berg weltbekannt für das Paragliding ist. Zurück in die Stadt fahren wir noch am „Stadtpark“ vorbei, an einem anderen Park, der die Stadt mit dem Stadtpark verbindet, am relativ neuen Busterminal (wohlgemerkt eine Sehenswürdigkeit…) und an weiteren, teilweise etwas gigantomanen Denkmälern.

Nach knapp zwei Stunden ist die Fahrt vorbei. Leider öffnet das Restaurant „El Nuevo Corral“, das Viktor sich für sein nachgeholtes Geburtstagsessen ausgesucht hat, erst um 21 Uhr, und wir müssen die Zeit noch herumbekommen. Das machen wir bei einem Getränk in einem Café. Um kurz vor neun stehen wir am besagten Restaurant – vor noch verschlossener Tür. Als um viertel nach immer noch geschlossen ist, geht Viktor fragen und erfährt, dass sie schon seit einem Jahr erst um 21:30 Uhr öffnen. Sowohl an der Tür als auch im Internet steht noch die alte Zeit! Wir sind ziemlich sauer und gehen! Obwohl das Fleisch auf dem offenen Holzgrill wirklich verführerisch duftet, will Viktor hier keinen einzigen Peso lassen und verfasst noch eine 1-Stern-Rezension auf GoogleMaps. Auf der anderen Seite des alten Bahnhofs ist noch ein Restaurant – alle Tische stehen draußen, und es ist eine Tango-Tanzveranstaltung im Aufbau.

Wir essen dort nicht gerade ein Geburtstagsessen, kommen dafür aber noch in den „Genuss“ der ersten Aufführung der erst vor einem Jahr gegründeten Städtischen Tangoschule. Es wird ziemlich spät für unsere Verhältnisse, und morgen früh wollen wir eigentlich wieder zeitig los, um nicht in die größte Hitze zu kommen.

Samstag 14.12.24 – (138) – La Rioja – Patquía

Gesamt: 8.697,19 km

Da es auf der Strecke heute wieder keine Gelegenheit geben wird, nehmen wir das Hotelfrühstück um sieben Uhr noch mit und fahren „erst“ um viertel vor acht los. Den Weg aus La Rioja heraus zu planen war gar nicht so leicht, aber wir finden ganz schnell auf eine große Straße mit Radweg in der Mitte, auf dem wir mehrere Kilometer fahren können, bis wir dann auf die RN 38 fahren müssen, die uns heute ziemlich genau in Richtung Süden führen wird.

Rechts und links ist es recht grün: neben dem Schotter-Seitenstreifen einige Meter hohe Gräser, dann Büsche und Bäume. Eigentlich ganz schön, aber es ändert sich da heute rein gar nichts. Die paar Vögel oder heute vor allem toten Tiere sind fast die einzige Abwechslung. Nach der kurzen Nacht gestern und mit der Hitze heute dazu drohen Jutta mehrfach die Augen zuzufallen, und so manches Mal fragt sie sich, ob sie überhaupt noch tritt. Glücklicherweise ist das aber nach acht Monaten ein Automatismus!

Im Gegensatz zu den letzten Wochen ist hier heute sehr viel motorisierter Verkehr mit uns unterwegs, und das am Samstag! Neben Motos und Autos auch viele Busse und vor allem LKW! Dabei ist diese Straße laut Kartenmaterial eine eher untergeordnete – wir sind also überrascht! Das scheint auch heute kein Einzelfall zu sein, denn am Straßenrand liegen unheimlich viele kaputte Reifen. Einige Exemplare als Beispiel:

Bei genau der halben Strecke (36 km in beide Richtungen) entdecken wir gegenüber von einer Polizeikontrollstelle eine kleine Kapelle und ein pinkfarbenes Haus mit der Aufschrift „Despensa San Nicolas – Bar y Comedor“, außerdem einige Tische und Sitzgelegenheiten (Stühle wäre zu viel gesagt). Wir machen eine Pause und bekommen immerhin zwei kalte Getränke in dem Laden. Dazu gibt es überreife Bananen im Brot (Viktor) und Haferkekse.

Weiter geht es, immer geradeaus und immer gleich. Immerhin erblicken wir zwischendurch Vögel am Himmel, die ohne Flügelschlag im Aufwind segeln. Wir sind uns nicht sicher, aber vermuten Condore, denn wir kamen heute unter anderem an einer „Estancia El Condor“ vorbei.

In Patquía sind wir um 12:30 Uhr und halten zuerst an der YPF-Tankstelle am Ortseingang. Wir gönnen uns kalte Getränke und ein Wassereis (Frutilla-Orange), dass eigentlich nur kühlt aber kaum schmeckt.

Ein kurzes Stück hinter der Tankstelle liegt unser Hotel „Raquelito“. Wir haben ein Zimmer mit funktionierender Klimanlage, Kühlschrank und brüllend heißem Wasser aus dem Warm- und Kaltwasserhahn. Das hatten wir schon einige Male und liegt daran, dass heißes Wasser in den Kaltwasserkreislauf gedrückt wird, wenn zuviel heißes Wasser produziert wird (meist bei Solarthermie-Anlagen). Viktor weiß damit umzugehen und nachdem der Kaltwasserhahn lange genug gelaufen ist, normalisiert sich die Temperatur und man kann duschen, ohne sich zu verbrühen.

Das Kondenswasser der Klimaanlagen läuft hier übrigens nicht – so wie gestern – innen an der Wand herunter und verteilt sich auf dem Boden des Zimmers, sondern es wird außen in Wasserflaschen gesammelt und später als „Agua sin Gas“ teuer an Touristen verkauft ….. 😉 …. Scherz!

Draußen ist es ordentlich warm. Viktors Notration Schokolade gegen den gefährlichen „Hungerast“ befindet sich immer in der Rückenlehnentasche im Schatten von Jutta bzw. Juttas Wasserrucksack (je nach Sonnenstand und Fahrtrichtung), aber heute hatte die Schokolade einfach keine Chance.

Draußen ist es ordentlich warm – hatten wir das schon erwähnt ? – also geht es noch vor dem Duschen in die Grido-Eisdiele um die Ecke. Heute muss man GoogleMaps mal loben, denn im Vorbeifahren hätten wir das niemals als Eisdiele erkannt. Sie kommt ziemlich inkognito daher.

Da wir in Argentinien keine Banana-Split bekommen, lassen wir uns von den edlen Spender*innen, die hier im Blog auf den „Buy us an Icecream“-Button klicken, jetzt auch wieder zu ganz „normalem“ Eis einladen, denn Ihr seid einfach zu viele und wir kommen sonst nicht mehr nach. 🙂
Heute geht unser herzlicher Dank und unser breites Eis-Grinsen an Ulrike P.. Gracias Amiga!

Dann wird geduscht, die Radfahrklamotten dabei unter der Dusche durchgewaschen und – mittlerweile standard Prozedere – im Zimmer zum Trocknen aufgehängt. Unsere gelbe Wäscheleine wird dabei meist zwischen Gardinenstanden, Kleiderschrank-Stangen, Fernsehhalterungen, Fenstergriffen, Türscharnieren oder – wenn wir es mal besonders luxuriös haben – zwischen den Bettpfosten des Himmelbetts aufgespannt.

Dann wird am Blog geschrieben, denn Patquía hat so ziemlich nix zu bieten, was sich anzuschauen lohnt. Und es ist sowieso unangenehm warm draußen – hatten wir das schon erwähnt?

Um 17:40 Uhr geht es in das benachbarte „Café Griselda“, das erstaunlich modern daherkommt und eine Espressomaschine besitzt. Wir trinken zwei „Lagrimas“, aber so langsam wird klar, dass das sehr viel Milch mit nur ganz wenig Espresso ist, also ein Latte Macchiato mit noch mehr Milch. Einen Caffé Latte (50:50 Milch:Espresso) kriegt man hier in Argentinien eher, wenn man einen „Café con Leche“ bestellt. Nur, wie man sicherstellt, dass der nicht aus gebrühtem Filterkaffee angemischt wird, das müssen wir noch herausbekommen.

Und um 20:00 Uhr können wir uns zum Abendessen zwischen unserem Hotel und dem benachbarten „Parador Oasis“ entscheiden, der recht gute Rezensionen bei GoogleMaps erhalten hat, die uns beim Lesen der Google-übersetzten Texte ein wenig zum Lachen bringen. Wir müssen das Wort „Apotheotisch“ nachschlagen und entdecken dabei eine tolle neue Internetseite: Sprachnudel sagt uns, dass dieses Wort auf Position 110.054 in der Häufigkeitsverteilung der deutschen Sprache liegt.

Wir gehen tatsächlich im Parador Oasis essen. Um 20:15 Uhr öffnet uns der Gärtner, jedenfalls stellt er sich uns als „Jardinero“ vor, der uns aber gerne schon mal die Getränke bringt. Kurze Zeit später kommt ein älterer Herr, der Betreiber des Paradors (?), in einem Bagger angefahren, nimmt unsere Bestellung entgegen (Locro gibt es leider nur im Winter) und gibt diese an den Koch in der Küche weiter …. der ist übrigens der Gärtner von gerade eben …. 🙂
Dann fährt der ältere Herr mit dem Bagger wieder weg. Egal, das Essen ist o.K. und sättigt. Wir sind froh, dass wir nicht bis 21:00 Uhr warten mussten, denn das wäre die normale Öffnungszeit gewesen. Daran werden wir uns in Argentinien so schnell nicht gewöhnen, denn wir wollen morgens früh starten, um der nachmittäglichen Hitze aus dem Weg zu gehen (hatten wir das eigentlich schon …. 😉 )

Bevor es ins Bett geht stolpert Viktor noch dreimal über die Stufe zum Badezimmer. Das kann heute Nacht noch gefährlich werden.

Gefährliche Stufe zum Bad – weiß der Teufel warum.

Sonntag 15.12.24 – (139) – Patquía – Baldecitos

Gesamt: 8.785,25 km

Die Karaoke-singende Männergesellschaft im Nebenhaus, die gestern Mittag um 14 Uhr begonnen hat, hält noch bis nach Mitternacht feucht fröhlich durch. Als die Herren sich dann verabschieden, hören wir nur noch viele Kinderstimmen von draußen. Unsere Nachtruhe ist also zumindest in der ersten Hälfte eine Nachtunruhe.

Bevor es um sieben zum Frühstücken geht, packen wir das Tandem fertig. Und nachdem dann noch geklärt ist, dass das Hotel gestern bei der Bezahlung einen Fehler zu unseren Ungunsten gemacht hat (Ausländer zahlen in Hotels eigentlich keine Mehrwertsteuer), steigen wir um viertel vor acht Uhr aufs Rad. Irgendwie war es beim Packen eine Stunde früher noch deutlich kühler…

Das Hotel liegt am Anfang der RN150, und auf dieser werden wir die kommenden zwei Tage verbringen. Wir fahren aus dem Ort heraus und haben eine sehr lange Straße vor uns im Blick, die wieder schnurgeradeaus geht und langsam, aber stetig ansteigt. Bis zur ersten Kurve fahren wir gute 38km, immer etwas aufwärts und ohne Abwechslung bei der Vegetation rechts und links. Das wird heute den ganzen Tag so sein … immer leicht bergauf.

Nach gut 20km brauchen wir die erste Pause. Heute sind nicht einmal Sitzgelegenheiten am Straßenrand, wir pausieren also im Stehen unter einem Baum (zu den Ameisen und ggfs. Schlangen auf dem Boden setzen wir uns lieber nicht).

Heute müssen wir die Straße wieder nur sehr vereinzelt mit Kraftfahrzeugen teilen. Das immerhin tut nach gestern gut! Auch die zweite Pause machen wir am Straßenrand unter einem Baum. Viktor will sich etwas hinlegen: im Sand sind viele Kleinsttiere, aber der Asphalt ist zum Hinlegen zu heiß.

Nach 75 km bei der Sehenswürdigkeit „El Chiflon“ soll es ein Restaurant geben, und wir brauchen dringend etwas Kaltes zu Trinken – das Wasser von heute Morgen ist inzwischen ziemlich warm. Die Tür ist verschlossen, aber hinten bekommt Viktor den Inhaber zu sprechen: es ist Nebensaison und deshalb hat er kein Geld, um Getränke zu kaufen. Aber nur drei Kilometer weiter soll es eine Bar geben…

Etwas genervt fahren wir also noch einmal drei Kilometer weiter, und tatsächlich hat die Bar „Ruta 150“ geöffnet und sogar gerade eine Mütter-Kinder-Gruppe als Gäste. Wir können drinnen im Schatten sitzen und essen (Viktor ein Käse-Schinken-Sandwich) und trinken.

Als wir weiterfahren wollen, steigen gerade alle sieben weiteren Gäste in einen Kleinwagen, wir können leider nicht mehr sehen, wie sie sich dort hineinstapeln. Dafür sehen wir im Vorbeifahren die Sehenswürdigkeit „El Chiflon“:

Neben den „Gauchito Gil“-Schreinen kommen wir heute auch an „Difunta Correa„-Schreinen (verstorbene Correa) vorbei, an denen sich gefüllte Wasserflaschen türmen. Auch diese sind Teil des Argentinischen Volksglaubens. Einer Legende nach ist die Frau im Jahr 1841 in der Wüste auf der Suche nach ihrem Mann verdurstet, ihr Kind hat aber dank ihrer Muttermilch überlebt. Als man sie tot auffand, lag das Baby lebend an der Brust der Mutter.

Besonders viel gespendetes Wasser für „Difunta Correa“

Auf den restlichen ca. 15 km müssen wir noch über eine ziemlich steile, kurvige Straße über einen Hügel, und danach geht es wieder nur geradeaus.

Es ist nach vier Uhr, als wir beim Hospedaje Benjamin ankommen und alles verlassen vorfinden. Irgendwann guckt eine Frau aus einem Fenster und sagt uns, dass die Besitzerin in der Touristeninformation arbeitet, sie aber deren Sohn dorthin schickt. Dieser fährt kurz darauf mit dem Moped weg, und als er wiederkommt, können wir ins Zimmer. Da der Deckenventilator nicht richtig funktioniert, bekommen wir gleich einen Standventilator. Das WIFI geht leider nicht ohne Bezahlung, aber die Bezahlung per Kreditkarte funktioniert auch nicht – wir müssen also ohne auskommen – und ein Mobilfunknetz gibt es in dieser gottverlassenen Gegend ebenfalls nicht. Dafür haben wir Warmwasser, und ab 21 Uhr können wir auch etwas zu Essen bekommen.

Wir gehen ein bisschen spazieren und finden neben einem Kiosk, an dem wir schon einmal Getränke kaufen, auch Ecken mit freiem W-LAN und den Arbeitsplatz unserer Vermieterin, die Touristeninformation. Dieses Dorf hat nur wenige, weit auseinanderliegende Häuser, aber eine am Sonntagabend geöffnete Touristeninformation, die wahrscheinlich sehr, sehr wenige Besucher hat, und die von Steuergeldern finanziert wird. Da könnte man doch sicher etwas einsparen … vermutlich ist da Präsident Milei aber schon dran.

Unsere Gastgeberin erklärt uns, dass das WIFI in der Unterkunft auch ohne Bezahlung funktioniert, allerdings nur für WhatsApp-Textnachrichten, für mehr nicht. Also können wir heute nichts hoch- oder auch herunterladen. Der Blog muss also warten. Auch das tägliche Senden des Standorts an unseren Jüngsten gestaltet sich schwierig: wir hängen das Motorola Defy hinter dem Haus an einen Nagel in Empfangsrichtung des Satelliten. Aber Viktor bekommt die Kommunikation nicht gestartet. Der Satelliten-Link funktioniert nicht. Na super! Das ist eigentlich unsere Notfall-Lösung für einen Notruf, wenn wir in wirklich abgelegenen Gegenden sind … also zum Beispiel hier. Das ist ja sehr beruhigend! Nach einer Stunde will Viktor das Motorola-Teil wieder ins Zimmer holen, aber es ist verschwunden. Niemand der gerade im Hospedaje Anwesenden will es gesehen haben, aber der gerade nicht anwesende Sohn des Hauses, Benjamin, nach dem auch das Hospedaje benannt ist, gibt später zu, dass er es aufgehoben und eingesteckt hat, weil es angeblich vom Nagel gefallen war.

Vor dem Abendessen schaffen wir es noch, uns in ein offenes WLAN einzuwählen, das von der „Escuela Armada Argentina“ ausgeht, aber wir schaffen es nicht einmal, einen Satz in den Blog hochzuladen, um den regelmäßigen Lesern mitzuteilen, dass es uns gut geht. Immerhin landet aber das Tagesbild mit den Kilometern bei Viktors Facebook.

Um 21 Uhr dürfen wir in den Comedor kommen und essen Hähnchenschnitzel mit Salat. Hinterher will uns die Betreiberin noch allerhand verkaufen, weil sie meint, dass auf der morgigen, mehr als 100 km langen Tour nur ein einziges Haus „hinter dem sechsten Tunnel“ liegt, bei dem es aber nichts zu Kaufen gibt. Na das kennen wir inzwischen leider schon, und wir kaufen ordentlich Wasser und einen Extrabecher „Dulce de Leche“ für unser Frühstück unterwegs, denn wir wollen bei Sonnenaufgang ohne Frühstück losfahren.

Bei sehr lautem Ventilator versuchen wir zu schlafen.

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  1. Aileen

    Toll, was ihr so wuppt! 😀
    130 km und dann noch unter solchen Bedingungen – Hut ab, ihr seid super!

  2. Aileen

    Jippie, ich fühle mich geehrt, danke 😊

    Ich werde mal meinen bierbrauenden Mann fragen, ob sie nicht mal ein Honigbier produzieren wollen. Märzen gehört ja in deren Standardprogramm. Da könnte der Braurat zumindest darüber abstimmen, ob sie das Experiment wagen 🍯🍺

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