Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Woche 48 (24.2.25 – 2.3.25) – Ushuaia – El Calafate

Montag 24.2.25 – Ushuaia

Am Tag nach der Bundestagswahl in Deutschland haben wir unseren letzten kompletten Tag hier am Ende der Welt, denn morgen abend geht es weiter nach Buenos Aires. Nach dem Frühstück gehen wir in das „Museo Marítimo y del Presidio de Ushuaia„, das in den Räumlichkeiten des damaligen Gefängnisses einige verschiedene Museen enthält. Netterweise kann man mit dem (recht teuren) Ticket noch ein zweites Mal am Folgetag Eintritt erhalten, denn für einen einzelnen Besuch ist es fast zu groß.

Wir beginnen mit dem Besuch des Maritimen Museum, das gleich hinter der Kasse beginnt und dann aber in einem der Gefängnistrakte im ersten Stock weitergeht.

Es gibt den Audioguide sogar in deutscher Sprache, und wir hören uns die Erklärungen so lange an, bis der Akku des Handys leer ist. Unklar bleibt uns aber auch nach dem Besuch dieses Museums der Status der Falkland-Inseln/Malvinas. Auf den hier gezeigten Karten ist die Hauptstadt Stanley mit einem kleinen Papier mit „Puerto Argentino“ überklebt, der direkt danebenliegende Hafen heißt aber „Stanley Harbour“. Es ist alles sehr seltsam! Offensichtlich befindet sich der Streit um die Inseln zwischen Argentinien und Großbrittanien nach wie vor in einer Art Schwebezustand, der uns gar nicht bewussst war. Überall stehen hier in der Region Schilder oder hängen Plakate – so z.B. vor allen Polizeistationen und Kasernen -, die besagen, dass die Malvinen schon immer Argentinisch waren, es immernoch sind und auch immer sein werden – trotz des verlorenen Falkland-Krieges gegen Großbrittanien 1982. Bei den Vereinten Nationen erklärt Argentinien seit Jahrzehnten jährlich seine Besitzansprüche. Gleichzeitig waren die Falklandinseln bis 2020 Teil der überseeischen Länder und Gebiete der Europäischen Union, als Großbrittanien noch Teil der EU war.

Im Gefängnismuseum ist es gleich wesentlich kälter, obwohl alles im selben Gebäude ist, besonders in dem noch alt belassenen ersten Originaltrakt ist es fast kälter als draußen.

In einem halben Trakt, noch hinter dem Museumsladen versteckt, gibt es eine kleine Ausstellung über die Indigenen Völker dieser Gegend. Wir erfahren unter anderem, wie gespendete Kleidung aus Europa mit dazu beigetrug, dass die Yagan innerhalb weniger Jahrzehnte ausstarben.

Nach drei Stunden verlassen wir das Museum erst einmal und gehen in einer Tante Sara-Filiale Kaffee trinken, bevor wir uns wieder ins Hotel begeben. Hier packen wir das Tandem abschließend fertig und bleiben dieses Mal (der Karton ist nicht ganz so schwer wir letztes Jahr) gut unter den erlaubten 32 kg.

Als dieses erledigt ist, beschäftigt Viktor sich mit den Aufzeichnungen des PAJ der letzten Wochen, insbesondere der Schiffsreise von Puerto Montt nach Puerto Natales, die mangels Handynetz nur unvollständig aufgezeichnet wurde und in unerer Google MyMap nicht richtig dargestellt wird, während Jutta liest.

Zum Abendessen gehen wir ins Augusto Ushuaia – hier in Ushuaia kann man tatsächlich locker jeden Tag woanders essen, das wäre auf unserer langen Reise längst nicht überall möglich gewesen. Zurück im Hotel schauen wir die Tagesthemen vom Tag eins nach der Wahl, bevor wir uns dem Blog und dem Packen des restlichen Gepäcks – aller Radtaschen – widmen.

Dienstag 25.2.25 – Ushuaia – Flieger nach Buenos Aires

Vor dem Frühstück versuchen wir, unsere gepackten Taschen in die pink-bunten gekauften Jumbotaschen zu packen – leider bleiben Teile übrig, die beim besten Willen (ein Reisverschluss ist schon gerissen) nicht mit hineinpassen. Also doch lieber einen preiswerten Koffer kaufen gehen? Wir wollen im Frühstücksraum überlegen. Der Hotelbesitzer hätte einen alten Koffer, der allerdings nicht leer ist, schlägt aber vor, doch einfach alles mit Schrumpffolie zu umwickeln, eine Idee, die Jutta auch schon hatte, aber von Viktor vehement verworfen wurde.

Genau das machen wir dann aber nach dem Frühstück, denn wir hören ja auf die Ratschläge der „Locals“, bringen die drei Taschen in den Gepäckraum und das Tandem in den Flur, um alles bis abends dort stehen zu lassen.

Bei immer noch andauerdem Regen gehen wir noch einmal zum Museo Marítimo y del Presidio de Ushuaia, wo es heute anscheinend sogar noch voller ist als gestern. Bei dem Dauerregen und den dazu niedrigen Temperaturen (unter 5°C) kein Wunder. Wir beginnen im Trakt mit dem Antarktis-Museum. Hier geht es vorwiegend um die Entdeckung und spätere Erforschung des weißen Kontinents, untergebracht wieder in den kleinen ehemaligen Gefängniszellen.

Im Anschluss gehen wir in einen nur nummerierten Trakt, in dem komischerweise zwei der Entdecker der Antarktis, Larson und Amudsen, und deren Expeditionen ziemlich durcheinander auf Bannern erklärt werden.

Am Skurrilsten ist schließlich ein Trakt, in dem Gefängnisse aus aller Welt vorgestellt werden, und zwischendrin ohne größere Erklärung das ehemalige KZ Sachsenhausen sowie das KZ Auschwitz-Birkenau.

Viktor geht alleine noch ganz kurz durch die Kunstgalerie, während Jutta im Mehrzweckraum in der Mitte wartet. Der ausgestellte lokale Künstler scheint irgendwie Schlipsträger und die Mittelschicht zu verabscheuen und sich ganz den sozialen Fragen der Ureinwohner zu widmen.

Durch den Regen gehen wir ins Café der Tourist Box, da wir noch einen 10%-Gutschein hierfür haben, und bleiben dort für eine ganze Zeit. Hier im WIFI können wir noch ein wenig mit Julius hin und her schreiben, bevor dieser morgen für fünf Wochen in Richtung Thailand aufbricht und also nicht zuhause sein wird, wenn wir wieder zurück kommen.

Am späteren Nachmittag sitzen wir im Hotelfoyer und ruhen uns ein wenig aus – der Abend wird noch lang und wir haben letzte Nacht nicht so gut geschlafen – sind offenbar beide etwas nervös wegen des Tandem-Transports! Für 18 Uhr ist ein großes Taxi bestellt, das uns zum Flughafen bringen soll, da das Auto des Hotels nicht groß genug für den Tandemkarton ist. Schon eine gute Viertelstunde früher steht der Taxifahrer auf der Straße. Wir sehen sofort, dass auch dieses Auto nicht groß genug ist. Na super, er hatte die genauen Maße des Kartons erhalten und bestätigt, dass es passen würde. Nachdem alle Sitze umgeklappt bzw. die Vorderen ganz nach vorne geschoben sind, passt der Karton dann doch liegend hinein. Nur für uns beiden muss jetzt noch ein weiteres Taxi her! Und besonders glücklich sind wir mit dem eingequetschten Karton nicht!

Wir werden also mit zwei Autos zum Flughafen gefahren, laden dort im Regen alles wieder aus und bringen es zum Schalter. Hier können wir den großen Karton nicht zu einem extra Schalter für Sperrgepäck bringen, statt dessen hieven die Mitarbeitenden ihn auf das normale Transportband für Gepäck, um es irgendwie durch das Röntgengerät zu quetschen. Der Karton erhält dabei einige paar Fußtritte. Wir mögen kaum hinsehen!

Wahrscheinlich benötigen wir in Buenos Aires noch einen neuen Karton, so, wie hier schon damit umgegangen wird. Positiv ist, dass uns das Extragewicht keine 20 Euro kostet, das wird bei Lufthansa definitiv teurer werden.

Die Zeit bis zum Abflug verbringen wir im einzigen Flughafencafé. Wieder gibt es ganz in der Nähe im Terminal ein Schild zum Falkland/Malwinen-Konflikt und eine Vitrine mit der Fahne Argentiniens, die dereinst auf den Malwinen gehisst werden soll, wenn sie wieder unter argentinischer Kontrolle stehen.

Am Flughafen: Die Malwinen sind Argentinien

Als wir an Bord gehen schaut Viktor routinemäßig auf das Typenschild des Flugzeugs, das sich in der Einstiegstüre befindet. Wir fliegen mit einer Boeing 737-8. Viktor behält diese Tatsache bis zur Landung lieber für sich, denn die geringen Turbulenzen beim Start machen Jutta schon nervös genug.

Boeing 737-8
An Bord

Mittwoch 26.2.25 – Buenos Aires – Ezeiza Flughafennähe (EZE)

Wir landen gegen 1:00 Uhr in Buenos Aires. Die schnelle Überprüfung der Apple AirTags, die wir im Gepäck haben, zeigt uns – noch im Flugzeug sitzend -, dass alles im Flieger mitgekommen ist, auch unser Tandem. Das ist schon mal sehr gut. Wir halten auf einer Außenposition und werden mit einem Bus zum Terminal gefahren. Dort wird auch das Sperrgepäck über das normale Gepäckband angeliefert und unser Tandemkarton ist tatsächlich das Erste, was auf dem Band herausgefahren kommt.

Am Gepäckband werden wir auf Englisch angesprochen, ob wir im Hotel Austral waren. Jutta versteht es erst gar nicht, aber der U.S.Amerikanische Herr war in Ushuaia im selben Hotel und hat uns und auch das Tandem dort gesehen. Er fragt aber erst jetzt, tausende Kilometer weiter, nach unserer Tour.

Wie erwartet sieht der Karton ziemlich mitgenommen aus. Er scheint länger auf dem Vorfeld in Ushuaia im Regen gestanden zu haben. Er ist unten stark eingedrückt und feucht. Oben ist er an dem von uns gebastelten Griff stark eingerissen. Das werden wir wohl nochmal mit weiteren Pappkarton-Stücken reparieren und verstärken müssen, damit er den Flug nach Berlin mit Umladen in Frankfurt überleben kann.

Zu allem Überfluss besteht unser gebuchter Abholservice aus Vater und Sohn mit zwei normalen Autos. Kann es vielleicht einmal klappen, wenn man doch schon die Abmaße mehrfach per Whatsapp schickt, Fotos vom Karton anhängt und darauf hinweist, dass man mit einem riesigen Fahrradkarton unterwegs ist? Offenbar nicht! 🙁
Das Auto, in dem das Tandem transportiert werden soll, hat im Kofferraum außerdem noch weniger Platz als normal, weil es auf Gasbetrieb umgebaut wurde und sich dort eine große gelbe Gasflasche befindet. Irgendwie kriegen wir den Karton hinein und die Heckklappe mit porösen Gummibändern so festgezurrt, dass zumindest eine gewisse Chance besteht, dass der Karton während der Fahrt nicht einfach hinten herausrutscht und von einem Lasterwagen überrollt wird. Der Vater fährt die 40 Autobahnkilometer vor uns her und nutzt die gesamte Spurbreite seiner Autobahnspur.

Wir sitzen beim Sohn im Auto und unterhalten uns unter anderem auch über Fußball. Er spielt in einer Hobbyliga in Buenos Aires bzw. Ezeiza, und die Mannschaften tragen die Namen deutscher und baskischer Fussballvereine (viele Menschen in Buneos Aires haben Vorfahren aus dem Baskenland in Spanien), um die Rivalität zwischen den einzelnen Stadtvierteln nicht zusätzlich anzuheizen. Er spielt für „Paderborn“ und kennt auch Vereinsnamen wie „FC Saarbrücken, „Leipzig“ und „Fortuna Düsseldorf“. Sogar den MSV Duisburg kennt er und aussprechen kann er die Vereinsnamen und die Umlaute auch sehr gut.

Um nach drei Uhr morgens können wir uns endlich schlafen legen, nachdem sowohl die Taxifahrer als auch das Hotel noch bezahlt wurden – bar und das Hotel in US-Dollar. Und um halb neun stehen wir wieder auf. Das Frühstück in diesem wirklich nicht billigen Hotel besteht aus Zwieback mit Frischkäse und Marmelade, etwas enttäuschend. Aber die Möglichkeit, unser Tandem und Gepäck hier für zwei Wochen unterzustellen, ist es wirklich wert und das Zimmer ist auch in Ordnung. Und trotz Flughafennähe ist es nicht besonders laut hier.

Wir machen uns auf einen Rundgang durch das „Barrio Uno„, um nach Pappe zur Stabilisierung unseres Kartons und neuer Schrumpffolie zu schauen. Weder der Supermarkt noch die Ferreteria haben etwas Passendes, aber wir finden eine Bushaltestelle mit einigen Wartenden, die in „die Stadt“ nach Ezeiza fahren (so, wie der Flughafen auch heißt). Die benötigte SUBE-Karte haben die Läden hier gerade auch nicht im Verkauf, aber zwei Fahrgäste sind so nett, jeweils einen von uns gegen Bargeld (400 Pesos = 40 Cent) auf ihrer Karte mitzunehmen, also fahren wir einfach mal mit. Die Fahrt dauert recht lange, obwohl der Weg gar nicht so weit wäre.

In der Nähe des Bahnhofs von Ezeiza steigen wir aus. Da wir auf der Navimag-Fähre mit den Deutschen dann doch etwas zu viele Argentinische Pesos in Euro zurückgetauscht haben, gehen wir als Erstes in eine Western Union Niederlassung und besorgen noch ein letztes Mal etwas Bargeld: für 300 Euro bekommen wir heute 382.000 Pesos in 1000 Pesos-Scheinen, also 382 Geldscheine. Gut, dass die jetzt in keine Radtasche mehr gepackt werden müssen…

Auf der Suche nach Pappe fragen wir in mehreren Geschäften, werden fündig im Fahrradladen Royal Bikes, wo die Besitzerin und ihr Sohn so nett sind, uns sogar zwei ganze Fahrradkartons mitzugeben, die einfach deutlich stabiler sind als die Kühlschrank-Kartons aus Ushuaia. Sie kleben uns die Kartons sogar mit Klebeband zusammen und sind total begeistert von unserem Tandem-Sabbatjahr.

Beladen mit den Kartons gehen wir zum Bahnhof, wo wir an einem Kiosk erst die SUBE-Karte erwerben und diese dann am Bahnhofsschalter mit Geld aufladen können – am Bahnhofsschalter kaufen kann man die SUBE-Karte nicht – eigenartiges Vorgehen!

Jetzt wollen wir nach dem schon länger zurückliegenden Zwiebackfrühstück eine Kaffeepause machen und begeben uns (mit den beiden Kartons) auf die Suche. Wieder hat es die laut GoogleMaps vorhandenen Cafés (u.a. ein McCafe) auf der anderen Seite der Gleise offenbar noch nie gegeben, und Einheimische scheinen sich auch gar nicht auszukennen, denn plötzlich entdecken wir ein Café, obwohl uns gerade gesagt worden war, dass es in der Gegend gar keines gäbe. Auch wenn es die angepriesenen Waffeln nicht gibt, bekommen wir im Serendipia immerhin Milchkaffee und je einen Keks zur Stärkung.

Anschließend geht es bei inzwischen über 30°C wieder unter dem Bahnhof zurück in Richtung Schreibwarenladen und/oder einem Bus zurück. Man schickt uns immer weiter bis zu dem Ort, an dem wir ausgestiegen sind, von dort allerdings schickt uns ein Mann wieder in eine ganz andere Richtung zum Bus 518 Richtung Flughafen. Ganz eigenartig! Immerhin kommen wir direkt an einer Papeleria vorbei, die Schrumpffolie hat. Als wir die Haltestelle für die Linie 518 endlich gefunden haben, ist der Bus wohl gerade weg, und wir müssen mit 30 Minuten Wartezeit rechnen. Diese versüßen wir uns mit je einer Eiskugel von Yummi, bei denen die Auswahl riesig ist. Viktor überquert mehrfach die Straße zur Bushaltestelle, bis wir unsere Eissorten gewählt haben.

Auswahl bei Yummi

Als der Bus endlich kommt, verpassen wir ihn fast, weil er gar nicht in der Straße der Haltestelle fährt und hält. Jutta sieht ihn per Zufall in der Querstraße (an einer anderem Haltestelle) halten. Wir laufen schnell hin, und netterweise wird die Tür noch einmal geöffnet und wir werden glücklicherweise auch mit den großen Kartons mitgenommen.

Im „Collectivo“ Bus 518

Nach wieder ebenso langer Busfahrt zurück verbringen wir am Hotel die Zeit damit, das Tandem für die weiteren zwei Flüge transportbereit zu packen. In einem Carport nutzen wir diverse Latten, Podeste, einen Dachbalken zum Aufhängen und hoffen, dass die Versteifungen oben und unten und das vollständige Einwickeln in Folie jetzt ausreichend Stabilität und Schutz vor Regen bieten. Leider landen wir jetzt knapp über den zugelassenen 32 Kilogramm Gesamtgewicht, aber wir wollen beim Lufthansa-Check-In einfach „Aerolineas Argentinas“ die Schuld geben, weil sie den leichteren Karton zerstört haben. 😉

Jetzt können wir den Karton und unsere Jumbotaschen in einen Abstellraum schaffen, wo sie bis zum 14. März bleiben dürfen. Und der Taxifahrer von gestern versucht, für diesen Tag doch ein größeres Auto zu besorgen.

Obwohl wir eigentlich um 20 Uhr schlafen gehen wollen – morgen früh um vier werden wir wieder abgeholt – müssen wir uns mit dem Abendessen bis 19:30 Uhr gedulden – dann erst öffnet das einzige Restaurant am Ort, das keine grottenschlechten Rezensionen bei Google hat. Es wird ein richtig gutes Abendessen bei Ivana Cocina mit frittierten Tintenfischringen und Knoblauchmajonaise, Pizza und Tortilla Española (Kartoffel-Tortilla mit Chorizo-Stückchen). Und natürlich mit einem Craft Stout-Bier für Viktor.

Donnerstag 27.2.25 – Ezeiza Flughafennähe (EZE) – El Calafate

Schon bevor um 3:15 Uhr der Wecker klingelt, sind wir wach, weil shon weit früher zwei U.S.-Amerikanische Frauen lauthals im Flur diskutieren, unter anderem darüber, wir man „Ushuaia“ richtig ausspricht (nicht mit „SCH“ sondern mit relativ scharfem „S“). Um vier Uhr kommt uns das Taxi abholen, und es bleibt vorher sogar noch etwas Zeit, in der Viktor seinen Wanderschuh mit Éccole-Kleber repariert – jetzt glänzt die Stelle als habe jemand draufgespuckt.

Geklebter Riss im Obermaterial des nagelneuen Wanderschuhs

Als wir um zehn nach vier Uhr morgens am Terminal ankommen, könnte man meinen, es wäre mitten am Tag – es wimmelt von Menschen. Wir checken kontaktlos am Automaten ein und haben dann noch sehr viel Zeit, die wir bei Starbucks mit einer Tasse Tee verbringen. Hier an der Security muss der Laptop nun doch wieder ausgepackt und separat geröntgt werden (in Ushuaia musste Viktor ihn sofort wieder einpacken, als er ihn aus der Tasche nehmen wollte – da soll man draus schlau werden). Die Nagelschere und das mitgenommene Wasser sind aber auch heute kein Problem. An den Gates ist es so voll, dass wir keine Sitzplätze finden können. Gerade, als Jutta mal zur Toilette aufgebrochen ist, wird unser Name (mit vielen anderen) aufgerufen, und sie geht erst wieder zurück. Erst jetzt werden unsere Pässe und Identitäten abgeglichen, da wir ja am Automaten eingecheckt hatten, wo keine Passkontrolle stattfand.

Der recht turbulenzenreiche Flug ist pünktlich, und so kommen wir zwischen neun und halb zehn in El Calafate an, bzw. an dessen Flughafen. Die gar nicht mal kurze Strecke (ca. 16 km) durch die Steppe in die Stadt kann man nicht zu Fuß gehen, und Busse gibt es erst gar nicht. Also lassen wir uns per Taxi zum Hotel fahren, wo wir das Einchecken schon erledigen und unsere Taschen abstellen können. Im nahen Zentrum gehen wir dann erst einmal frühstücken. Dieses recht große Frühstückscafé Don Pietro hat Marmelade und Frischkäse in den Portionspackungen aus Plastik wie in manchen Hotels und Viktor trinkt nicht einmal die kleine Tasse Milchkaffee zuende aus, weil dieser so schlecht schmeckt. Hier werden wir wahrscheinlich nicht noch einmal herkommen.

Müde, wie wir sind, entscheiden wir uns dann gegen einen Museumsbesuch und für einen längeren Spaziergang zum und im Landschaftsschutzgebiet Laguna Nimez, auch, weil die Sonne ganz toll scheint und wir das ausnutzen wollen. Die Eintrittskarte (für Touristen zwölfmal so teuer wie für Menschen aus dieser Provinz) ist eine ganze Woche gültig, und das Gebiet ist schön zu durchlaufen, so dass wir eventuell noch öfter hierher kommen werden. Heute leihen wir uns kein Fernglas, so dass es mit dem Vögel-Beobachten nicht so toll klappt, wo hier doch je nach Jahreszeit bis zu 100 Vogelarten leben, aber das können wir noch nachholen. Die Flamingos, die man am besten in der Abenddämmerung finden können soll, werden wir eher nicht zu sehen bekommen, denn die Abenddämmerung ist z.Z. an diesem Ort deutlich nach der Schließung am Abend. Den Flyer mit Erklärungen gibt es sogar auf Deutsch – die Übersetzungen sind aber so schlecht, dass Jutta überlegt, für eine Neuauflage eine korrigierte Version an die Macher zu schicken. Mal schauen, ob bzw. wann sie dazu kommt!

zur Veranschaulichung des bekannten Kinderliedes „Alle meine Entchen“

Nach den zwei Stunden dort laufen wir an der Küstenstraße zurück ins Zentrum und müssen teilweise gegen den starken Wind ankämpfen. Inwischen ist es fast zwei Uhr und wir machen eine Pause in einer Bäckerei mit Café, bevor wir zum Hotel zurückgehen und unser Zimmer beziehen. Dort ruhen wir uns zwar etwas aus, gehen aber dann noch eine Runde durch den Ort, um wachzubleiben. Beim Schlendern über die Hauptstraße halten wir schon Ausschau nach potentiellen Restaurants für heute und die kommenden Tage. Und um etwa 18 Uhr gehen wir dann auch schon Abendessen, im zweiten Versuch, da es beim ersten Restaurant nicht das richtige Bier gibt. Und im „Schwarzen Schaf“ (La Oveja Negra) ist dafür das Essen nicht so toll und es liegen immer wieder verschiedene Hunde zu unseren Füßen. Hunde liegen hier sowieso erstaunlich viel an und auf den Straßen und in Cafés und Restaurants. Sie liegen eigentlich mehr, als dass sie streunen würden!

El Calafate ist ein Touristenort – so steht es geschrieben – und wir hören ziemlich viel Deutsch auf den Straßen. Und plötzlich auch ein „Viktor und Jutta, Hallo“! Sehr lustig – es haben uns Johanna und Loik, die Münchener, die wir auf der Carretera Austral im Regen getroffen haben, erkannt, die ihre Tour nach Villa O’Higgins pannenfrei geschafft haben und jetzt hier auch noch ein wenig Sightseeing machen, bevor sie nach Deutschland zurückfliegen.

Freitag 28.2.25 – El Calafate

Gleich morgens hat Viktor eine WhatsApp von seinem guten Studienfreund Holger im Eingangskorb. Der Artikel in der NRZ ist erschienen. Jetzt wissen wir auch, wer der NRZ den Link zu diesem Blog „durchgesteckt“ hat. 😉 Holger war mit dem Chefredakteur Skifahren 😉

Für heute haben wir eine Ganztagestour in den Parque Nacional Los Glaciares gebucht. Deshalb stehen wir um sechs Uhr auf, frühstücken um halb sieben und werden dann mit einem Bus von der Tourgesellschaft abgeholt. Nach etwa 40 Kilometern steigen wir auf einen geräumigen Katamaran (Maria Turquesa), werden zu einem Paar aus Puerto Rico (die in der Nähe von Boston leben) an den Tisch gesetzt und bald darauf fahren wir los.

Auf dieser Busstrecke landet nicht weit von der Straße gerade ein Condor – aus solcher Nähe haben wir bislang noch keinen gesehen. Und das, obwohl in dieser Gegend nur ein Paar ständig lebt, weitere nur geflogen kommen, wenn es hier gerade totes Getier gibt, wie wir später erfahren. Leider ist der Bus so schnell, dass es für ein Foto nicht reicht!

Auf dem größten See Argentiniens, dem Lago Argentino, fahren wir den höchsten (Spegazzini), den größten (Upsala) und den bekanntesten – weil am leichtesten zugänglich und mit den spektakulärsten Formationen – (Perito Moreno) Gletscher dieses Nationalparks an.

Gleich am ersten Gletscher werden vom Personal mehrere Eisbrocken aus dem Wasser gefischt, denn einer der Gags an Bord ist es, dass die Getränke mit Gletschereis serviert werden.

Wir lernen heute unter anderem, dass das Südliche Patagonische Eisfeld die drittgrößte Eismasse der Welt ist (nach Antarktis und Grönland). Das Gletschereis bildet sich hier besonders schnell (10 – 15 Jahre), während es woanders teilweise tausend Jahre und älter sein kann. Dies liegt unter anderem an den großen Niederschlagsmengen, die hier auf den Gipfeln fallen und an den nicht so sehr tiefen Temparaturen.

Zwischendurch steigen wir am Puesto Las Vacas aus, laufen in einer englischsprachigen Gruppe ein Stück und erfahren, warum es hier an einigen Stellen Rinder oder Pferde gibt, obwohl im Nationalpark keine Menschen mehr leben: als der Nationalpark in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts (1937) beschlossen wurde, wurden die wenigen hier lebenden Menschen umgesiedelt – eigentlich mit dem Vieh zusammen. Die Tiere waren aber so schwer vollständig mitumzusiedeln, dass man einige „vergessen“ hat. Im Laufe der Jahrzehnte haben sie sich zu Wildtieren entwickelt, und da sie keine natürlichen Feinde haben, vermehren sie sich recht gut. Zur Zeit leben wohl ca. 3.500 Tiere im ganzen Park. Man müsste sie eigentlich umsiedeln, es fehlt aber das Geld für diese sehr mühselige Aktion.

So schafft es die Vegetation nicht mehr, sich nach den Brandrodungen der frühen Siedler hier wieder zu erholen. Der verbliebene Baumbestand wird immer älter und es wachsen keine jungen Bäume mehr nach, da sie sofort abgefressen werden. In 30 bis 50 Jahren wird das hier ein großes Problem sein, erzählt uns der Guide. Hier scheint es definitv Raum für ein Crowdfunding mit anschließender „Freiwilliges ökologisches Jahr in Patagonien“-Aktion zu geben. Und an die Jagdfreunde unter Euch: Nein, die Tiere sollen und können hier nicht geschossen werden.

Am Perito Moreno Gletscher (in Deutschland lange Bismarck-Gletscher genannt) bleiben wir wirklich lange, sehen aber leider keine größeren Teile abfallen, obwohl das sehr häufig passiert, da er sich täglich etwa zwei Meter fortbewegt. Einen kleinen Platscher bekommen wir allerdings mit.
Aber auch ohne das erhoffte „Kalben“ ist der Anblick des ewigen Eises einfach ein geniales Erlebnis: dieses Blau des Gletschereises, das ja nur aus komprimiertem Schnee besteht, die skurrilen Formen, die monumentale Größe über und unter Wasser, die Breite und Höhe der Eiswand, die im Wasser des türkisfarbenen Sees schwimmenden Eisberge, das bedrohlich tiefe Knacken der Gletscherfront …

Ganz rechts am Bildrand schauen
10% geringere Dichte des Gletschereises als des Wassers bedeutet, dass nur 10% des Eisberges aus dem Wasser schauen. Man sieht also wirklich nur die Spitze des Eisbergs.

An Bord beobachten wir den Tag über zwischendurch immer wieder zwei jüngere Kinder, ein argentinisches Mädchen und einen niederländischen Jungen (oder belgisch?), die die ganze Zeit wunderbar miteinander spielen, obwohl sie kein Wort von dem verstehen, was sie zueinander sagen. Viktor muss an diesen Videoclip denken:

Frage: Gibt es in Deinem Kindergarten viele Ausländer?
Antwort des Kindes: Nein da sind nur Kinder!

Wir haben heute einen Tag mit wenig Wind und ruhigem Wasser, was uns sehr entgegen kommt, dafür ist es nicht sehr sonnig und ziemlich kalt.

Um 17 Uhr landen wir wieder an Land und werden im Bus zum Hotel zurückgebracht, nachdem wir einige andere zu den abgelegensten Hotels gefahren haben, und so ist es halb sieben, als wir zurück sind.

Auf der Busfahrt erleben wir noch etwas Lustiges: Nach uns steigt vorne ein deutschsprachiges Paar in den Bus, das ungefähr in unserer Altersklasse sein dürfte. Er geht vor und fragt, auf welche Seite des Busses sie denn gerne möchte. Sie antwortet “rechts” und er geht kurz hinter der Mitte des Busses logischerweise in Laufrichtung nach links und setzt sich ans Fenster. Es entspinnt sich zwei Reihen hinter uns ein lustiger Dialog darüber, wo denn im Bus „rechts“ sei, und dass man seiner Meinung nach die Seite des Busses natürlich in Fahrtrichtung angibt, er also sehrwohl den Platz rechts gewählt habe. Wir grinsen uns an, denn das kommt uns sehr bekannt vor. Jutta hat als Navigatorin unterwegs häufiger angesagt, wir müssten uns eher links halten, meinte damit aber auf einer genordeten Landkarte den Westen (denn so zeigt Komoot die geplante Route nun mal auf einer Karte an). Dieser Westen lag aber meist in Fahrtrichtung rechts von uns, da wir hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung unterwegs waren. Viktor war jedesmal entsprechend verwirrt. „Ach … das andere Links!“ 😂

Samstag 1.3.25 – El Calafate

Wir schlafen aus, denn Viktor ging es gestern nicht so richtig gut. Wir waren früh und ohne Abendessen im Bett. Erst um 9 Uhr erscheinen wir beim Frühstück.

Nach dem Frühstück gehen wir einmal die Hauptstraße von El Calafate entlang und schauen in den einzelnen Agenturen nach weiteren Touren und Wanderungen, die wir noch unternehmen wollen. Insbesondere suchen wir nach einer Tour, die uns noch erlaubt, El Chaltén zu besuchen und eine Wanderung zum Berg Fitz Roy bzw. Cerro Chaltén zu unternehmen, die uns ja vorgestern auch nochmal von Johanna und Loik empfohlen wurde. Nach längerem Überlegen entscheiden wir uns dann für eine eigenständige Busfahrt und selbstgeführte Wanderung, bei der wir uns dann tagesformabhängig entscheiden können, wie weit wir wandern wollen. Die Bustickets kaufen wir direkt im Stadtbüro von CalTur. Der junge Mann hat einen Geldschein-Zählautomaten auf dem Schreibtisch stehen, denn viele Touristen zahlen bar und alle haben das gleiche Problem, das wir in den letzten Wochen hatten: Sie haben bündelweise 1.000-Peso-Scheine, mit denen sie die Bustickets bezahlen. Wir zahlen unsere Tickets heute aber nicht mit 152 Scheinen sondern nutzen unsere Kreditkarte.

Nachdem das erledigt ist, gehen wir erstmal einen Kaffee trinken und suchen online noch nach weiteren Touren, die uns hier interessieren könnten, weil wir schnell entscheiden müssen, ob wir noch mehrere Touren im Nationalpark unternehmen werden, denn die Eintrittskarten-Preise sind etwas kompliziert gestaffelt. Der erste Tag kostet 45.000 Pesos, der zweite Tag 22.500, aber nur bei Vorlage der ersten Eintrittskarte und auch nur innerhalb von 48 Stunden nach dem ersten Besuch, drei Tage kosten 90.000 (aber nur beim Online-Kauf), sind dann aber beliebig innerhalb eines Jahres nutzbar. Und dann gibt es noch 7-Tage-Pässe. Da wir nur noch zwei weitere Eintritte benötigen, werden wir wohl nochmal eine Tageskarte zum vollen Preis und eine weitere zum halben Preis kaufen müssen. Wenn man einmal nicht mehrere Tage im voraus plant und spontan bzw. flexibel sein will, fällt man doch gleich wieder finanziell auf die Nase … na ja.

Die nachfolgende Aktivität in der Yeti Bar, die wir online finden, buchen wir dann lieber nicht, obwohl Viktor die Eisbar schon interessiert hätte. Aber da wir dort mit Flaschen jonglieren müssten, um Spirituosen probieren zu dürfen, lassen wir es lieber 😉 :

Die Groß- und Kleinschreibung ist schon wichtig. „Sie“ oder „sie“ jonglieren mit Flaschen?

Heute ist das Wetter hier sensationell gut. Strahlender Sonnenschein und wenig Wind. Eigentlich wäre es ideal zum Radfahren gewesen, was wir eigentlich auch noch mit geliehenen Fahrrädern vorhaben. Stattdessen wollen wir heute ins Glaciarium Museum, eigentlich eher etwas für mieses Wetter, aber wir haben für heute nichts weiteres geplant. Vom Stadtzentrum gibt es einen stündlichen kostenlosen Shuttlebus, den wir um 14 Uhr nehmen.

Wir sind völlig überrascht, am Eingang des Museums eine ostfriesische Wetterstation vorzufinden. Bei genauerem Hinschauen stellen wir aber fest, dass die uns bereits bekannte Version hier in Patagonien um Erdbeben und Tornados erweitert wurde.

Für das Glaciarium kaufen wir die etwas teurere Kombikarte, in der auch ein Besuch inklusive Getränk in der „Glaciobar“ enthalten ist. Diese befindet sich im Keller und ist auf gemütliche -18 Grad Celsius temperiert.

Zunächst gibt es aber eine kurze Führung durch die Ausstellung, und wir erhalten die wichtigsten Erklärungen zur Gletscherbildung, zum Gletscher Perito Moreno und zu den Patagonischen Eisfeldern (Nord und Süd). Unser Führer ist Glaciologe, eine Fachrichtung, die es noch nicht sehr lange gibt. Hier erfahren wir auch, dass der Perito Moreno Gletscher nicht nur so bekannt ist, weil er für den Tourismus sehr gut zugänglich ist, sondern auch, weil er in unregelmäßigen Abständen ein ganz besonderes Naturschauspiel bietet, das es so bei keinem anderen Gletscher weltweit gibt. Alle paar Jahre versperrt der Gletscher einen Zulauf zum Lago Argentino und bildet einen natürlichen Eisdamm. Das aufgestaute und immer weiter ansteigende Wasser des Rio Rico lässt dann irgendwann die Gletscherfront aufschwimmen (denn Eis ist leichter als Wasser) und das Wasser kann dann unter der Gletscherfront wieder abfließen. Dadurch wird ein Tunnel in das Eis gespült, der immer größer wird. Irgendwann ist es ein Eistor bzw. eine Eisbrücke, die dann unter großem Getöse kollabiert.

Am Ende der Führung gibt es einen zehnminütigen Film zu sehen, der wirklich gut gemacht ist und dieses Naturschauspiel mit dramatischer Musik und einem sonoren Männerstimmen-Kommentar aus der Ich-Erzähler-Perspektive des Gletschers untermalt.

Danach können wir die Ausstellung selbstständig besuchen und zwischendurch (um 15:30) die Glaciobar besuchen, denn Letzteres geschieht nur in festgelegten Gruppen, die vorher warme Kleidung und Handschuhe erhalten. Die Getränke werden in Bechern aus echtem Eis serviert und wir trinken mit Strohhalmen, damit wir nicht am Becherrand festfrieren können.

Beim weiteren Rundgang erfahren wir, dass es ein Insekt gibt, dass hier in den Gletschern lebt. Es heist Andiperla und ernährt sich von Algen.
Auch die Erklärung für die blaue Farbe des Gletschereises erhalten wir hier: Das Eis ist durchsichtig und nur die blauen Anteile des Sonnenlichtes (angeblich die energiereichsten) kommen durch. Alle anderen Wellenlängen werden herausgefiltert. Je nach Dicke des Eises ergeben sich auf diese Art viele verschiedene leuchtende Blauschattierungen, also sozusagen „50 Shades of Blue“.

Nach einem abschließenden Besuch im Museumscafé geht es mit dem Shuttle zurück in die Stadt. Wir bestellen für unsere morgige Aktivität an der Rezeption Lunchpakete, gehen noch ein paar Getränke und Snacks kaufen und beenden den Tag schließlich in einem der Parrilla-Restaurants, das patagonisches Lamm vom Grill serviert, aber auch ein paar vegetarische Optionen (Risottos, Grillgemüse, etc.) anbietet.

Tja … die Inflation …

Sonntag 2.3.25 – El Calafate

Wir haben für heute eine Tour gebucht, mit der wir auf den Paserelen am Perito Moreno Gletscher „wandern“ werden, deshalb müssen wir wieder zeitig frühstücken. Um halb acht werden wir von Iceberg-Tours abgeholt. Eigentlich haben wir die englischsprachige Version reserviert, da aber elf von zwölf spanischsprachig sind, verzichtet Jutta auf die Übersetzung.

Lucrecia macht ihren Fremdenführer-Job voller Elan und Motivation und beantwortet uns zudem noch so manche Frage. Wir fahren mit dem Bus quer durch ein sehr breites Tal, das in der letzten Eiszeit durch einen Gletscher geformt wurde und daher eine U-Form besitzt. Hier befinden wir uns noch im Regenschatten der Andenkette und die Vegetation ist noch reine Steppe. Die asphaltierte Straße wurde nur gebaut, um den Touristen eine Anfahrt zum Perito Moreno Gletscher zu ermöglichen. Entlang der Strecke sind abschnittsweise Weiden-Alleen gepflanzt, die die Straße vor dem heftigen Wind schützen sollen.

Im Nationalpark wird die Landschaft bergiger und wir kommen in die typischen Nothofagus-Wälder (Scheinbuchen) der Anden, die hier schon deutlich mehr Regen abbekommen. Während El Calafate gerade mal 250mm pro Quadratmeter im Jahr erhält, sind es hier schon 1.500mm. Jenseits der Andenkette auf der chilenischen Westseite sind es dann 3.000mm und in den Regenwäldern der gemäßigten Zonen, die wir in Chile kennengelernt haben, sogar 10.000mm und mehr.

Auf der Fahrt bemerken wir den sich bereits herbstlich verfärbenden Wald und Lucrecia merkt an, dass dies in diesem Jahr besonders früh passiert. An der Strecke sehen wir außerdem ein Stinktier und mehrere Feldhasen. Letztere wurden vom Menschen hier eingeschleppt, um weiterhin dem Hobby der Jagd nachgehen zu können, heute werden sie aber nicht mehr gejagt, denn niemand will sie essen. Wir erfahren ebenfalls, dass es in dieser Region nur ein Condor-Paar gibt, denn die nötigen Aufwinde für ihren Segelflug gibt es hier eigentlich nicht.

Als wir uns mit Lucrecia über unsere Sabattical-Tour unterhalten ist sie sehr interessiert und beglückwünscht uns mehrfach. Sie ist schon viel als Backpackerin gereist, auch alleine in muslimischen Ländern und in Asien (u.a. Indien), und hat ebenfalls nie schlimme Erfahrungen machen müssen. Außerdem ist sie Triathletin und trainiert gerade auf den halben Ironman. Sie erzählt uns von Eiswasser-Schwimm-Wettbewerben im Lago Argentino, an denen sie regelmäßig teilnimmt. Es werden ohne Anzug bei Wassertemperaturen zwischen 4 und 9 Grad Celsius Strecken von 25, 50 und 100 Metern geschwommen. Als „Eiswasser“ zählt alles unter 7 Grad Celsius. Demnächst gibt es auch ein Eiswasser-Langstecken-Rennen (10 – 25 km Strecken) in einem nahegelegenen Fluss. Dabei schwimmt man aber im Anzug und mit Handschuhen.

Nach 90 Kilometern Kleinbus-Fahrt – die Hälfte davon schon im Nationalpark – kommen wir erst an der unteren Station (mit Anleger, Restaurant, großem Parkplatz) an, werden dann aber noch zur oberen gefahren, wo es ebenfalls ein Restaurant gibt und drei verschiedene „Wanderwege“ losgehen, gelb, rot und blau.

Lucrecia läuft mit uns zum Fahnenplatz, erklärt uns, wie wir am besten gehen und dass wir um 14 Uhr unten wieder eingesammelt werden. Die Paserelen sind Wege aus Metallgitter mit Geländer, immer in Elementen mit sechs Stufen, wenn es rauf oder runter geht, und an den Pfosten sind Kreise mit der entsprechenden Farbe. Immer wieder gibt es Pläne, wo man sich gerade befindet und Tafeln mit Informationen zum Perito Moreno Gletscher, den patagonischen Eisfeldern und zur Flora & Fauna der Region.

Der Gletscher macht fast durchgängig richtig laute Geräusche – Knacken, Donnern, Knallen – und von den verschiedenen Balkonen hat man ständig wechselnde Sichten auf den Gletscher und ganz andere Perspektiven als vom Boot aus. Wir finden, diese Tour ist eine richtig gute Ergänzung zu der Bootstour und dem Glaciarium Museum.

Um halb eins machen wir uns über den blauen Weg auf den Rückweg nach unten, weil er eine Stunde dauern soll und wir noch einen Kaffee trinken wollen. Als wir unten ankommen ist es mal gerade ein Uhr, also haben wir noch viel Zeit. Im Restó del Glaciar trinken wir während einer musikalischen Darbietung eines jungen Streicherensembles aus El Calafate einen kleinen, vergleichsweise teuren Kaffee und ziehen danach um in den Selbstversorgerbereich, um den Salat aus unserem Lunchpaket zu essen. Sowohl das Maisöl als auch die Mayonnaise sind schon länger abgelaufen, die MHDs sind 12/23 bzw. 06/24. Viktor schaut etwas genauer nach, weil ihm das Öl ranzig vorkommt. Da hat wohl jemand nicht aufgepasst – wir melden es später an der Hotelrezeption und sind schon ganz gespannt auf unser morgiges Lunchpaket.
Als Viktor seinen 300-Gramm-Cofler-Block aus dem Rucksack holt, kommen wir ins Gespräch mit den Zwei vom Nachbartisch. Sie kommen aus Cordoba in Zentral-Argentinien, wo diese Milchschokolade mit Erdnüssen hergestellt wird. Sie sind in zwei Tagen über 3.000 Kilometer Auto gefahren, um das verlängerte Karnevalswochenende für einen Besuch in Patagonien zu nutzen.

Um 14 Uhr beginnen wir die Rückfahrt. Während dieser unterhält sich Viktor intensiv mit einem Argentinier, der in der Erdöl-Industrie arbeitet. Das Gespräch startet mit dessen Frage, ob Merkel denn Sozialistin war, weil Viktor kurz zuvor erwähnt hatte, dass die Mitte-Links-Regierung in Deutschland gescheitert sei und am vergangenen Sonntag eine Mitte-Rechts-Regierung gewählt worden sei. Scheinbar hatte sich die Ampel-Koalition noch nicht bis nach Argentinien herumgesprochen, geschweige denn deren Scheitern Ende letzten Jahres. Es wird ein interessantes Gespräch, in dem wieder mal deutlich wird, wie unterschiedlich doch die Perspektiven sein können. Viktors Gesprächspartner meint, dass es doch schon ein riesiger Fortschritt sei, dass das Erdgas an den Ölfördertürmen jetzt nicht mehr wie früher direkt am Förderturm abgefackelt, sondern aufgefangen und genutzt werde. Dadurch würden schon sehr viel CO2-Emissionen eingespart. Außerdem investiert seine Firma in diesel-freies Fracking, Carbon-Capture-and-Storage-Systeme und hat eine deutsche Geothermie-Firma gekauft. Es geht also richtig voran!

In El Calafate werden wir an einer deutschen Bäckerei herausgelassen, weil direkt daneben ein Reisebüro liegt, das eine Tour in den „Versteinerten Wald“ in der Nähe anbietet, die Lucrecia uns sehr empfohlen hat. Wir trinken also erst einmal noch einen Kaffee in der German Bakery Pantagonia – es ist niemand an der Theke, der Deutsch spricht – aber es gibt Apfelstrudel, Bretzeln und deutschprachige Bücher in der „Leihbücherei“ im Regal.

Nebenan reservieren wir für unseren Abreisetag die „petrified forest“ Tour. Der Veranstalter ist sehr stolz darauf, seit vielen Jahren einziger Anbieter dieser Tour zu sein, die über ein Privatgelände führt. Dort liegen angeblich noch sehr viele unerforschte Fossilien, mehr oder weniger offen auf dem Boden herum. Sogar Dinosaurierknochen (ein Femur) sollen dabeisein. Er hat überwiegend Interessenten aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich) und aus Belgien, die sich besonders für diese Fossilien zu interessieren scheinen. Für ihn ist diese Tour neben den Gletschertouren „die wichtigste“ in El Calafate.
Er hat italienische Vorfahren und erzählt uns davon, dass er kürzlich in Sizilien war, um seine italienische Staatsbürgerschaft zu erneuern, denn seine Kinder leben in Spanien und den U.S.A., deshalb will er sich alle Optionen offen halten. Er scheint kein Fan von Präsident Milei zu sein.

Im Hotel ruhen wir uns etwas aus, bevor wir um etwa 18 Uhr losgehen, um uns Wanderstöcke für morgen auszuleihen und zu essen. Nach mehreren Geschäften, die entweder nur Stöcke zum Verkauf anbieten oder gar keine haben, erfahren wir von einer Verkäuferin, dass wir auf den geplanten Wegen gut ohne Wanderstock laufen können. Also lassen wir das Projekt und laufen statt dessen zum Busbahnhof, damit wir wissen, wie wir morgen früh dorthin kommen.

Auf dem Rückweg gehen wir am Aussichtspunkt vorbei, oben auf einem sehr steilen Hügel mit ständig dort stehendem riesigen Metall-Weihnachtsbaum. Anschließend essen wir in „La Zorra“ – Die Füchsin – zu Abend.

Im Zimmer lassen wir den Tag Revue passieren und versuchen, zeitig schlafen zu gehen.

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Woche 47 (17.2.25 – 23.2.25) – Puerto Natales – Ushuaia

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Woche 49 (3.3.25 – 9.3.25) – El Calafate – Buenos Aires

  1. Wir wünschen euch noch eine tolle Zeit in Buenos Aires und einen guten Rückflug. Fröhliches Ankommen in der „realen“ Welt. Herzliche Grüße, Sabine und Uwe

    • Vielen Dank, Sabine und Uwe. Heute ist der Adrenalinspiegel erstmal wegen des Fluges nach Buenos Aires hoch. Aber so langsam realisieren wir, dass es bald vorbei ist.

  2. Monika Joost-Liebich

    Hallo,Ihr 2
    Ich freue mich Dich, Jutta, demnächst wieder im Chor begrüßen zu können.
    Gleichzeitig wünsche ich Euch noch eine erholsame Restzeit und einen entspannten Heimflug.
    Ganz liebe Grüße und vielen Dank, daß Ihr uns an der Reise teilhaben gelassen habt.
    Moni

  3. Rudolf Abrams

    irgendwie wird was fehlen, wenn kein Fortsetzungsbeitrag dieser Tour folgt…
    Rudolf

    • Petra

      Lieber Victor,
      Dein Bericht über das Gefängnismuseum hat mich echt geschockt. Wir waren dort nicht, weil es zu teuer war, haben nur den Gartenbereich während unserer Freewalkingtour besucht. Die KZ s mit Gefängnissen zu vergleichen ist wirklich schlimm. Kannst du mir bitte die 2 Fotos davon bei WhatsApp schicken. Ich kenne den Gedenkstättenleiter Dr Drecoll, das interessiert ihn sicher. Heiner und ich würden gerne den Text vorher übersetzen. Danke für den interessanten Bericht.

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