Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Woche 43 (20.1.25 – 26.1.25) – Panguipulli – Puerto Montt

Montag 20.1.25 – (167) – Panguipulli – Los Lagos

Gesamt: 10.554,73 km

Ein gestern Abend lange Zeit heulender Hund in der Nachbarschaft hat dann doch irgendwann Ruhe gegeben. Wir sind pünktlich um acht beim sehr netten Frühstück an einem Tisch mit SINGER-Nähmaschinen-Unterbau. Unser Hotel war hier in Panguipulli die erste Schneiderei. Der Frühstücksraum ist unter anderem mit einem alten, kohlebetriebenen Bügeleisen dekoriert. Um neun fahren wir los.

Die ersten 3,7 Kilometer gehen ziemlich steil bergauf, da ist uns trotz der morgendlichen Kühle schon sehr warm. Ab dort fahren wir durch schöne Natur auf der T-39, die vollständig asphaltiert ist, auch wenn uns die Damen in Lican Ray etwas anderes erzählt haben. Wir sind sehr froh, dass wir diesmal nicht auf „lokale Experten“ gehört haben und diese Route fahren, und nicht den über 100 Kilometer langen Umweg mit einem Teil auf der Ruta 5 Autobahn.

Da auf Schildern am Straßenrand immer wieder Verkaufsstände angekündigt werden, von denen kein einziger existiert, machen wir eine Pause in einem Bushaltestellenhäuschen. Dort vertilgen wir die letzten Weihnachtsschokoladenkugeln und Marzipankartoffeln. Nochmal lieben Gruß und Dank an die Weihnsachtsfrauen aus Deutschland!

Eine weitere steile Stelle müssen wir noch erklimmen, nachdem wir den Rio San Pedro überquert und an der Brücke am wirklich schönen Aussichtspunkt angehalten haben. Wir kommen am Parkplatz mit einer Familie ins Gespräch und wieder mal wird ein kleines Mädchen auf Juttas Stoker-Sitz fotografiert.

Nur ein paar Kilometer vor Los Lagos liegt das geöffnete SKPE (sprich: escape) an der Straße, wo es zwar keinen Kaffee, aber wenigstens ein kaltes Getränk für uns gibt.

Um kurz vor zwei kommen wir am „Hospedaje Dulce Amanecer“ (Süßes Erwachen) an, das anscheinend von Zeugen Jehovas betrieben wird, jedenfalls hängen entsprechende Flyer an der Fassade. Das war die einzige Unterkunft, die auf WhatsApp-Anfragen reagiert hat. Wir bekommen immerhin ein Zimmer mit privatem Bad. Der Boden ist ziemlich abschüssig – hoffentlich stürzt das Haus nicht in den kommenden Stunden ein. Das WIFI-Password kennt die Dame, die uns einlässt, nicht, aber später kommt die Besitzerin und wir haben tatsächlich ein funktionierndes WIFI, mit dem wir in dieser Hütte nicht gerechnet haben.

Wir gehen zuerst einmal zur Plaza de Armas, weil es dort angeblich ein Café und – laut Aussage der Hausdame – sogar „Einfach Alles“ („Hay de todo“) geben soll. Das Café gibt es zwar, aber die Kaffeemaschine funktioniert nicht. Wir werden ein paar hundert Meter weiter geschickt, zum Café Laguino. Dort funktioniert alles und sie haben sogar Banana-Split im Angebot – hier mit zwei Bananen! Das wird heute unser Mittagessen, zusammen mit einem Milchkaffee. Und da es hier sehr nett ist, sie ein funktionierendes WIFI haben und man auch noch Abendessen kann, planen wir, später noch einmal wiederzukommen.

Da unser Ständer am Tandem seit Kurzem muckt, kriecht Viktor vor dem Duschen noch unter das Rad und guckt sich den nicht mehr richtig durchgesteckten Stift an. Das Gegenstück – falls es eine gab – müssen wir wohl verloren haben, es ist auch nicht von der „Windel“ um den Ständer aufgefangen worden. Vielleicht muss der Stift aber auch nur zurück in eine Passung gedrückt werden. Das werden wir demnächst mal mit einem Hammer probieren.

Nach langer Zeit müssen wir mal wieder unsere eigenen Handtücher benutzen, denn in diesem Hospedaje erhalten wir keine, wir können unsere aber im Anschluss an einer Wäscheleine im Hinterhof aufhängen. Nach ein weinig Ruhezeit gehen wir noch einmal los. Los Lagos geht auf der anderen Flussseite noch weiter, das wollen wir erkunden. Richtig lohnenswert ist es hier ebenfalls nicht, aber in der Cervecero de Garage (Bier-Garage) setzen wir uns auf ein Getränk (dunkles Stout oder Apfelschorle). Weil uns hier die Musik zu laut ist, gehen wir zum Essen dann wirklich zum Café von heute Mittag zurück. Auf dem Weg sehen wir einen der kräftigsten Regenbögen, die wir je gesehen haben.

Kräftiger Regenbogen in Los Lagos

Im Café beginnen wir schon vor dem Essen mit dem Blogschreiben. Die Musik ist wirklich sehr dezent, dafür ist es gerade ziemlich voll, und wegen der vielen anwesenden, teilweise laut heulenden Kinder (es gibt eine Spielecke mit Bällebad) ist es auch hier nichts mit Ruhe, nur eben anders als in der Bier-Garage. Das Essen ist ganz o.K. aber Viktors „papas fritas“ sind schon kalt und die Limo (Bier gibt es hier nicht) kommt mit großer Verspätung. Als Entschuldigung gibt es einen Alfajor geschenkt, ein typisch lateinamerikanisches Gebäck mit spanisch-maurischen Wurzeln.

Und da wir in der Hauptstraße hier im Ort ein eigenartiges Schild gesehen haben, geben wir heute nach langer Zeit wieder ein Rätsel auf:

Was gibt es hier wohl zu kaufen? Wir nehmen Ideen in den Kommentaren entgegen! Auflösung morgen.

Dienstag 21.1.25 – (168) – Los Lagos – Valdivia

Gesamt: 10.605,46 km

Das Haus ist heute Nacht stehen geblieben und wir bekommen um acht Uhr ein Frühstück serviert. Auf dem Bürgersteig bepacken wir das Tandem, gegenüber im Trebol kauft Jutta schnell die Getränke, und um kurz nach neun begeben wir uns auf die Straße nach Valdivia. Auch heute beginnt der Weg erst einmal mit einem steilen Aufstieg – die Muskeln haben keine Chance, sich vorher aufzuwärmen, und die Oberschenkel brennen schon nach weniger als 5 Kilometern.

Und wie die Betreiberin der Hospedaje schon meinte: die Straße nach Valdivia hat viele Steigungen. Sie sind bis auf ein, zwei Ausnahmen alle kurz, aber steil. Wir fahren mehr oder weniger parallel zum Rio San Pedro, und die Ufer sind ziemlich hügelig.

Landschaftlich sind es heute so wie wir es mögen: grün, grüner, am grünsten, sozusagen „Fifty shades of green“, dazu noch Schweine, Rinder, Pferde, hoch über uns kreisende Geier (Condore oder nicht können wir nicht genau sagen) und immer wieder Blicke auf den Fluss.

Nach nur 16 Kilometern in Antihue ist uns schon nach einer Pause. An einem Haus mit großen Nescafé-Bannern halten wir, und obwohl der Laden noch geschlossen ist, ist die Frau bereit, uns heißes Wasser und Nescafé-Pulver zu servieren. Im Inneren entdecken wir verschiedene handwerklich hergestellte Dinge, z.B. Lampen aus Fahrradfelgen oder Spiegel in Baumscheiben. Die macht die Wirtin alle selber und ist stolz auf ihr „Recycling“, wie sie sagt.

Wir halten an einem Mirador, von dem man aber kaum etwas sehen kann, weil alles zugewachsen ist. Da war der Blick ein paar hundert Meter vorher wesentlich besser. Jutta läuft ein wenig zurück, um überhaupt ein Bild machen zu können.

Um kurz nach ein Uhr sind wir im Zentrum von Valdivia und trinken noch eine Malteada (Milchshake mit Vanilleeiskugel), bevor wir um etwa zwei Uhr zu Carlos fahren, der uns zwei Nächte bei sich aufnehmen wird (ein ehemaliger Arbeitskollege von Juttas Schwester Barbara). Bei ihm trinken wir gemeinsam Kaffee (deshalb vorher die Malteada).

Carlos ist Schiffbau-Ingenieur und hat in der Garage eine sehr gut ausgestatette Werkstatt. Viktor und er reparieren den Ständer des Tandems, während Jutta duscht. Entscheidend für den Erfolg der Reparatur ist das „Auf-die-Seite-Legen“ des Tandems und die Entdeckung zweier versteckter Madenschrauben. Carlos sei Dank! Ab heute sind Viktors zweitliebste Ingenieure nicht mehr die Agrar-Ingenieure, sondern die Schiffbau-Ingenieure 😉
Als Viktor dann ebenfalls geduscht hat, fährt Carlos mit uns (im Auto) eine große Runde mit mehreren Halten an der Küste entlang. Wir sehen Festungen der Spanier (eine können wir besichtigen), die größte komplett auf Flüssen umschiffbare Insel Südamerikas, wir machen einen Strandspaziergang und können dabei Carlos‘ Freund Martin beim Paragliding zusehen. Ein perfekter Spätnachmittag und Abend!

Nachdem Martin wieder am Boden ist, stehen wir eine ganze Zeit zu viert beisammen und unterhalten uns – wohlgemerkt auf Deutsch – und Martin spendiert ein kühles Bier. Danke Martin!

Carlos, Martin und Viktor

Als die Sonne fast schon untergeht, fahren wir die Runde weiter bzw. über einen anderen Weg zurück. Carlos bekocht uns (mit ein wenig Schnippel-Unterstützung von Jutta) Chinesisch, denn er hat für die Reederei Döhle (in Hamburg) auch dreieinhalb Jahre in China gelebt. Es wird ein für uns langer Abend, und wir kommen erst ab 23 Uhr dazu, unserer Schreibroutine nachzukommen.

Und hier noch die Auflösung von gestern:

Die Autowaschanlage war nahe dran, aber es ist eine Tankstelle 🙂

Heute haben wir wieder ein neues Verkehrsschild gesehen und fragen wieder in die Runde, was es bedeutet:

Mittwoch 22.1.25 – Valdivia

heute mal Kanu statt Fahrrad

Um halb neun sind wir bei Carlos‘ Mutter Helga zum Frühstücken eingeladen. Es gibt neben den Chilenischen Marraquetas und Hallulla – Brötchen auch Dinkelbrot aus der Panaderia „Bäckerei“ aus der Nachbarschaft sowie Eier, deren Schale bläulich-grünlich aussieht. Gentests haben ergeben, dass die Hühner, die diese Eier legen, ursprünglich aus China kommen und offenbar schon vor den Spaniern hier in Chile lebten (Gallina Mapuche oder Gallina Araucana).

Aus dem Carport laden wir ein Zweierkayak auf den Dachgepäckträger von Carlos‘ Auto, fahren zu ihm zurück und laden ein Einzelkayak dazu, packen weiteres Zubehör in den Kofferraum und fahren zu einem Anlegesteg in der Nähe (am Grundstück einer Art Studentenverbindung).

Und dann verbringen wir gute zwei/zweieinhalb Stunden auf dem Wasser, Viktor im Einzel, Jutta zusammen mit Carlos, der sich heute das erste Mal seit seinen Rippenbrüchen Ende Dezember (beim Karate) wieder traut zu paddeln. Wir fahren einmal um die Insel Teja herum, durch den Rio Valdivia, den Rio Cau-Cau und den Rio Cruces. Ein Versuch, durch die Binsen zu fahren, klappt nicht – es ist zu wenig Wasser da. Auf dem Weg, den wir statt dessen nehmen müssen, kommt ziemlicher Gegenwind auf, aber zum Glück fahren wir mit der Strömung, was beim Vorwärtskommen hilft.

Das „Tsunami“ und das „Passat“ von Carlos sind die bislang besten Kayaks, mit denen wir je gefahren sind. Wir sitzen relativ wasserdicht mit Spritzdecken, auch wenn Viktor am Ende der Tour doch so viel Wasser auf die Spritzdecke geschaufelt hat, dass sein T-Shirt und die Hose ordentlich durchnässt sind.

Nach der Tour trinken wir bei Carlos einen Kaffee, nachdem wir das erste Kayak (Tsunami) wieder in der Garage verstaut haben. Dank jahrelanger Optimierung der Logistik geht das extrem zügig und wir haben noch den ganzen Nachmittag, um Valdivia zu erkunden.

Wir machen uns zu Fuß auf den Weg in die Altstadt, besuchen den Fischmarkt und das Foucault’sche Pendel am Pier, gehen eine kleine Brauerei besuchen (nicht Kunstmann sondern El Regreso) und zum Schluß durch die historischen Straßen von Valdivia, „Gral Lagos“ und „Yungay“, wo die ältesten Häuser Valdivias stehen, die von deutschen Einwanderern gebaut wurden.

Als wir zurückkehren hat Carlos eine kleine ergonomische Hilfe produziert, mit der wir vielleicht das Schieben unseres Tandems in den extremen Steigungen optimieren können. Der Prozess-Optimierer in Carlos hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Wir probieren es ohne Gepäck in der recht steilen Garagenauffahrt und es hat tatsächlich Potential, denn es hält das Tandem beim Schieben in gerader Fahrtrichtung, ohne kraftraubende Lenkbewegungen zu erfordern. Gleichzeitig muss Viktor seinen Arm zum Schieben nicht mehr extrem weit strecken, um den rechten Handgriff am Lenker zu erreichen, sondern kann den Fahrradsattel zur Krafteinleitung nutzen. In der nächsten schweren Steigung wird das Ganze einem Praxistest unterzogen.

Wir beschließen den Tag gemeinsam mit Carlos zunächst bei einem Abendessen im Cafe Haussmann gegenüber der deutschen Schule von Valdivia und später noch bei Carlos mit einem liebevoll zubereiteten „Piscola“ auf sphärischen Eiswürfeln (also eigentlich Eiskugeln). Wir unterhalten uns den ganzen Abend intensiv über alles mögliche, tauschen Erinnerungen und Erfahrungen aus und die Gespräche sind fast so, als würden wir uns schon seit ewigen Zeiten kennen.

Irgendwann zwischen 23 Uhr und Mitternacht müssen wir diesen genialen Tag dann aber doch beschließen und in die Federn, denn für morgem haben wir über 80 Kilometer geplant.

Schon auf dem Rückweg vom Resutaurant fing es an zu nieseln und es roch sehr schön nach Sommerregen. Als wir ins Bett gehen hören wir, dass es draußen mittlerweile stärker regnet. „In Valdivia regnet es immer“ hatte Felipe uns noch erzählt. Das stimmte zum Glück nicht für unsere Tage hier in Valdivia, aber heute Nacht dann doch.

Donnerstag 23.1.25 – (169) – Valdivia – Rio Bueno

10.691,70 km

Wir packen das Tandem in der Garage fertig und fahren dann zu acht Uhr noch einmal zu Carlos‘ Mutter Helga, die uns auch heute zum Frühstück eingeladen hat. Es gibt diesmal noch Kürbisbrot, und für uns beiden zaubert sie Glückskekse auf den Tisch (Jutta wird viel Geld gewinnen, Viktor wird gut aus Verhandlungen herauskommen 🙂 ). Außerdem bekommen wir geschälte Möhren und Sandwiches von Helga und Bananen von Carlos als Proviant mit, weil es auf der Strecke nicht viel geben wird. So nett!

Schnell vorbei ist solch nettes Frühstück nicht, und so ist es fast 10 Uhr, als wir nach dem Starten noch unsere Getränke gekauft und vergeblich in einem Western Union nach Bargeld gefragt haben (morgens haben sie noch gar kein Geld).

Wir werden auf der 206 bis Paillaco und von dort auf der RN-5 bis Rio Bueno fahren. Zu Beginn ist es recht flach, aber von ungefähr Kilometer 20 bis 29 müssen wir eine lange Steigung hoch, die auf den ersten und letzen Kilometern am steilsten ist. Mit einer Bananenpause zwischendurch schaffen wir alles fahrend, was bedeutet, dass wir heute die „Schiebehilfe“ von Carlos noch nicht ausprobieren konnten bzw. mussten.

Ziemlich am höchsten Punkt gibt es eine kleine Hütte mit Gastronomie, die „La Clavela“. Wir halten für löslichen Tüten-Cappucino und Käse-Empanada, unterhalten uns nett mit der Frau (Dina Guadalupe/Arriagada Flores steht auf dem Kassenbon?), dürfen uns in ihrem Gästebuch verewigen und einen Sticker aufkleben. Sie sagt wir sollen „Memorias“, „Recuerdos“ und „Saludos“ (Erinnerungen und Grüße) hineinschreiben und fügt scherzhalber noch hinzu „y Herencias“ (und Erbschaften), damit sie sich erinnert, wen sie später beerben will ;-). Das erinnert uns plötzlich wieder einmal daran, wem wir dieses Sabattjahr eigentlich zu verdanken haben.
Unser Dank geht hinaus an Eltern und Schwiegereltern, Großeltern, Geschwister, Cousins & Cousinen, Onkel & Tanten, Kinder & Neffen und überhaupt … an die ganze Verwandschaft & Mischpoke und unseren Freundes- und Kollegenkreis, auf deren Fundament und Unterstützung wir unsere unvergessliche Reise aufbauen konnten.

Kurz nach der Weiterfahrt winken wir uns mit einem entgegenkommenden Bikepacker zu – beide Seiten fahren weiter – es ist wohl gerade zu bergig um anzuhalten und zu schwätzen.

In Paillaco fahren wir in den Ort und landen in einem Café „Nueva Estacion“. Dort verzehren wir unsere Sandwiches und Möhren zu bestellten Milchkaffees. Als wir weiterfahren ist es schon 15 Uhr, und wir haben noch 35 Kilometer Autobahn vor uns.

Der Seitenstreifen reicht heute von ganz neu und sauber über alt und holperig bis hin zu „gar nicht vorhanden“. Die Strecke führt nämlich über viele Brücken, an denen wir nach intensiven Blicken in den Rückspiegel immer wieder gefahrvoll auf die Fahrbahn wechseln müssen. Meistens haben wir das Glück, dass uns in dieser Zeit gerade keine Lastwagen oder Busse überholen, obwohl die Straße eigentlich nicht gerade leer ist. Am nervigsten sind die unerklärlichen diagonalen Asphaltstreifen die streckenweise alle 40 bis 50 Meter den Seitenstreifen „zieren“. Einen richtigen Grund (irgendwelche Leitungen?) lässt sich nicht erkennen. Sie sind aber immer höher oder niedriger als der übrige Asphalt und wir rattern mit „Tatam-tatam!“ darüber hinweg. Irgendwann flucht Viktor: „Wer auch immer für diese Dinger verantwortlich ist, der soll in der Hölle schmoren!“

Gegen 16:45 Uhr kommen wir am Hostal Caulle an. Die Rezeptionistin sagt uns, dass einige der bei GoogleMaps angezeigten Restaurants schon seit der Pandemie nicht mehr geöffnet sind, so auch das von uns anvisierte im „Club Aleman“. Dort stehen und hängen draußen sogar noch die Schilder, aber es gibt hier wohl nicht einmal mehr den Club, geschweige denn das Restaurant.

Dafür ist die Feuerwehr hier sehr Deutsch. Alles ist auf Deutsch beschriftet, sogar „Feuerwehr Stadt Rio Bueno“ und die Wehr ist Mitglied im Deutschen Feuerwehrverband. Das ist im Süden Chiles keine Seltenheit, und auch schon in Valparaiso gibt es ja von deutschen Einwanderern aufgebaute Deutsche Feuerwehren, die auch heute noch so heißen.

Wir landen am Ende am zentralen Platz im netten Café und Restaurant Murta del Dia, das auch regionale Spezialitäten anbietet. Viktor probiert den „Chupe de Jaiba„, einen Auflauf mit dem Fleisch der Blaukrabbe, und der ist wirklich gut.

Danach geht es sofort zurück ins Hostel zum Blog-Schreiben und mal wieder deutsche Nachrichten schauen – wir haben ein Smart-TV mit Youtube-Funktion im Zimmer und wollen mal schauen, was der neue U.S.-Präsident und der Bundestags-Wahlkampf in Deutschland so für Überraschungen parat haben.

Und hier kommt noch die Auflösung zu dem Verkehrsschild von vorgestern. Es zeigt an, dass über der Straße Hochspannungsleitungen verlaufen. Meist folgt kurz danach ein Schild mit einer Höhenangabe.

Freitag 24.1.25 – (170) – Rio Bueno – Puerto Octay

10.785,10 km

Wir frühstücken mit sehr leckeren Bäckerbrötchen, Jutta geht schnell zum Unimarc gegenüber, und um kurz nach neun machen wir uns auf den Weg nach Purranque (80 Kilometer Autobahn). Osorno liegt ungefähr auf halber Strecke, hat mehrere Western Union Niederlassungen und ein „Murta del Dia“, wo es uns gestern abend so gut gefallen hat, also planen wir, dort in die Stadt zu fahren und Pause zu machen.

Die kurze Strecke bis zur RN-5 geht wieder einmal ziemlich bergauf, so dass uns gleich warm ist. Dann sind wir auf dem Seitenstreifen, über den es heute sehr wenig zu meckern gibt. Die Gegend ist bestimmt von Ackerbau und Viehzucht, es gibt nichts Ungewöhnliches zu sehen, wir radeln einfach mit dem Zwischenziel Osorno.

An einem Pronto bei der einzigen Tankstelle halten wir spontan dann doch für einen kleinen Kaffee an. Wie immer schieben wir das Tandem eine Rampe hoch, stellen es auf den Ständer und erfahren dann, dass der Markt gerade geschlossen ist, weil es kein (Trink-)Wasser gibt. Der Mitarbeiter an der Tür hat uns die ganze Zeit schon bei Rangieren unseres Tandems zugesehen und kein Wort gesagt – erst, als wir bei ihm ankommen … und wir sind bei Weitem nicht die Einzigen, die erst wenige Zentimeter vor dem Erreichen der Türe gesagt bekommen, das hier gerade geschlossen ist … Unser Glück ist es, dass unser Losfahren immer etwas länger dauert (Helme wieder aufsetzen, Trinkrucksack auf den Rücken, Fahrradhandschuhe an, Handy und Geld in die Lenkertasche, Rangieren des schweren Tandems), denn in der Zwischenzeit geht die Tür auf und eine andere Mitarbeiterin gibt bekannt, dass alles wieder funktioniert.

Während unseres kleinen Kaffees ist am Nachbartisch ein Familienvater mit einem „Wacken – Winternights“ T-Shirt von 2019. Wir sprechen ihn an! Das Festival ist wegen der Pandemie ausgefallen, aber er hat das T-Shirt halt trotzdem. Er ist Brite, lebt aber in Chile.

Vor Osorno fahren wir von der Ruta 5 ab und ein ganzes Stück vom Nordosten der Stadt in den Nordwesten und von dort ins Zentrum. An der ersten Western Union Stelle zieht Jutta eine Nummer, und als diese dann endlich an der Reihe ist, erfährt sie, dass es gerade kein Bargeld gibt. Bevor wir es weiter probieren, wollen wir uns beim „Murta del Dia“ etwas stärken. Hier in Osorno gibt es leider nur eine Mitnahmefiliale ohne Sitzplätze (und ohne Toiletten), also lassen wir das. Nachdem wir noch zwei weitere Western Union vergeblich aufgesucht haben (es wird uns geraten, dort „einfach“ so lange zu warten, bis eventuell jemand zum Geldeinzahlen kommt – das kann aber mehrere Tage dauern – na toll!) geben wir das Projekt Geld abholen für heute wieder auf.

An der Plaza de Armas landen wir eher zufällig im Café „Cassis“ (wir haben keine Lust, nochmal den ganzen Platz zu überqueren, um ins Café Central zu gehen). Die Cassis-Kette kennen wir schon aus Viña del Mar. Als wir das Tandem vor dem Fenster parken, gucken zwei Männer nach draußen und gestikulieren heftig, um anzuzeigen, dass wir das Tandem unbedingt abschließen sollen. Unser schweres ABUS-Schloss war aber eine der ersten Sachen, die der Gewichtsreduktion am Anfang unserer Tour zum Opfer gefallen und in einem Paket nach Deutschland gelandet ist. Drinnen sollen wir uns zu ihnen setzen, um das Rad im Blick zu haben, weil es ja so gefährlich ist, es einfach dort stehen zu lassen. Viktor erklärt wie so oft, dass unser Tandem in ganz Lateinamerika nicht geklaut wurde, und dass das jetzt in einem so sicheren Land wie Chile bestimmt nicht passieren wird. Wir kommen ins Gespräch und stellen schnell fest, dass wir alle vier Deutsch sprechen. Rudi und Rudi 2 (Vater und Sohn) fragen, wohin wir heute fahren und raten uns von Purranque ab. Statt dessen wäre es doch viel schöner, heute nach Puerto Octay (wie wir später per WhatsApp erfahren ist das ihr Wohnort) an den Lago Llanquihue zu fahren und morgen von dort nach Puerto Montt, statt beide Tage auf der Autobahn zu verbringen. Insgesamt wäre die Strecke sogar kürzer. Rudi 2 ruft sogar im Hotel Haase in Puerto Octay an und fragt nach einem Zimmer für uns. Wir nehmen den Ratschlag von Ortskundigen an und planen spontan um, auch wenn es jetzt noch 55 km von Osorno statt vorher 40 sind.

Da war mal wieder so eine Zufallsbegegnung, wie wir sie auf dieser Tour lieben gelernt haben, inklusive spontaner Planänderung. Nachdem sich die beiden Rudis verabschiedet haben (wir tauschen noch Telefonnummern mit Rudi 2 aus), stärken wir uns mit „Bärentatzen“ (die bei uns in Deutschland Schweineohren heißen) und fahren nach unerwartet langem Aufenthalt in dieser Stadt weiter. Um 15 Uhr haben wir die Stadtgrenze erreicht und noch 50 Kilometer vor uns – da werden wir spät ankommen.

Die U-55-V führt genauso durch Ackerbau- und Rinderzucht – Gebiete, fährt sich aber dank weniger Verkehr deutlich angenehmer, auch ohne breiten Seitenstreifen. Die meiste Zeit geht es ein wenig aufwärts, nicht steil, und wir kommen gut voran. An einem Fluss ist gerade eine größere Brücken-Baustelle, an der wir ziemlich lange warten müssen, ehe unsere Fahrtrichtung freigegeben wird – es rangieren gerade mehrere Baufahrzeuge und die Strecke ist blockiert.

Kurz danach wollen wir noch eine Pause machen – Viktor hätte gerne einen „Completo“ (also den lokalen Hot Dog). Irgendwie braucht er jetzt etwas Herzhaftes. Es kommt aber leider lange keine Gelegenheit. In einem Mini-Markt gibt es immerhin eine Empanada, die er sich nur aufwärmen, aber nicht vollständig durcherhitzen lässt. Hoffentlich ist das ausreichend und hat keine schlimmen Folgen wie damals in Trujillo…!

Bald erscheint am Horizont wieder ein schneebedeckter Vulkangipfel (Vulkan Osorno) und kommt im weiteren Verlauf immer näher. In dieser Gegend stehen auf den saftigen grünen Wiesen richtig große Rinderherden – es ist genug Gras für alle da. Die schwarz-weißen Kühe vor dem schneebedeckten Vulkan sind schon ein einmaliger Anblick. Dummerweise ist das stets griffbereite Handy für die Fotos schon leer und das Zweithandy steckt tief in der Radtasche – der Tag ist zu lang.

Um kurz vor sechs kommen wir mit unserem Hase-Tandem im Hotel Haase an. Das Hotel ist 130 Jahre alt und noch ziemlich original. Im Flur stehen Waschtische (es gibt ein richtiges Gemeinschaftsbad), aber Rudi 2 hat uns ein Zimmer mit privatem Bad reserviert. Die Decken sind wahnsinnig hoch, die Wände wahnsinnig hellhörig.

Wir gehen noch eine Minirunde an den See, bevor wir im Hotelrestaurant essen gehen. Anschließend wird nur noch geduscht und Blog geschrieben – wir sind ziemlich kaputt.

Samstag 25.1.25 – (171) – Puerto Octay – Puerto Montt

10.868,34 km

Als wir um fünf nach acht in den Frühstücksraum kommen, ist dieser noch verwaist. Also wollen wir das Tandem schon einmal packen – das geht aber auch nicht, denn alle Türen und Tore sind noch verschlossen. Um zehn nach acht kommt eine Mitarbeiterin, die bestätigt, dass das Frühstück um acht Uhr beginnt, aber sie hätten schließlich lange Wege zur Arbeit zurückzulegen („es que viajamos“) … da werden wir uns definitiv nicht mehr daran gewöhnen! Jedenfalls gibt es hier heute für jeden neben Brot und Ei auch ein Stück Johannisbeerkuchen – das ist etwas Besonderes!

Der Minimarkt in unserer Straße ist auch um fast halb zehn noch geschlossen, aber am zentralen Platz ist ein weiterer, bei dem wir unsere Getränke erhalten. Dann geht es auf eine wunderschöne Strecke mit über 900 Metern Gesamtanstieg. Gleich der Beginn ist wieder sehr steil, und es vergehen kaum einmal mehrere Kilometer ohne eine Steigung, aber es geht sehr lange am Lago Llanquihue entlang. Aus verschiedenen Perspektiven blicken wir auf den Vulkan Osorno, und im Hintergrund liegen die Anden mit weiteren schneebedeckten Bergen.

Nach guten 25 Kilometern sind wir in Frutillar, wo wir an den See nach „Bajo“ fahren. Jutta hätte eigentlich gerne Erdbeeren, weil sich der Name des Ortes nach Erdbeeren anhört (und wohl wirklich daher rührt), aber wir finden nichts mit selbigen. Da an allen Bushaltestellen große Violinschlüssel hängen und über den Ort verteilt mehrere Instrumente als „Denkmäler“ stehen, denken wir erst, dass Frutillar eventuell ein Instrument sein könnte (der Ort ist bekannt für ein Musikfestival und hat die südlichst gelegene Konzerthalle der Welt – lesen wir abends). Wir machen jedenfalls eine Pause im Café Lindemann mit Blick auf den See.

Der Strand hier ist lange nicht so überfüllt wie der in Lican Ray, obwohl auch heute Wochenende ist und der Strand und der See eigentlich viel schöner sind. Vielleicht ist es hier zu weit weg von größeren Städten?

Um halb eins fahren wir mit noch 55 Restkilometern vor der Brust weiter. An einer sehr steilen Stelle müssen wir schieben und Viktor probiert es mit der Schiebehilfe von Carlos. Das hilft am Anfang recht gut, aber wir schieben so lange, dass er eigentlich gerne umgegriffen hätte, was aber mit der Schiebehilfe sehr kompliziert ist. Halb aus Ernst, halb aus Spaß, probieren wir am Ende der Steigung, ob Jutta die Schiebehilfe zum Ziehen des Tandems benutzen könnte, denn wir kommen uns am Sattel beim Schieben gegenseitig mit den Händen in die Quere und ihrem Rücken tut die gebückte Haltung beim Schieben auch nicht gut. Das Ziehen klappt erstaunlich gut und wir werden das wohl nochmal ausprobieren, wenn es wieder einmal so steil wird.

Im Ort Llanquihue wollen wir wieder eine Pause machen. Als wir an den Ortsrand kommen, herrscht ein Verkehrs- und Parkchaos, alles ist verstopft. Grund ist ein an diesem Wochenende stattfindendes „Bierfest“ – wir sehen die mit Deutschlandflaggen geschmückten Festzelte unten am See. Kurz überlegen wir, es zu besuchen, aber es ist uns zu voll. Wir fahren lieber richtig in den Ort hinein. Dort haben die Cafés anscheinend alle geschlossen (sind ja alle beim Bierfest), nur eine kleine Pasteleria ist geöffnet, in der es sogar ein Gatorade für Viktor zum Nachkaufen gibt.

Nur ca. zehn Kilometer weiter liegt das etwas größere Puerto Varas, wo Viktor doch noch auf einen Completo (Hot Dog) hofft und wir bei einer weiteren Western Union Niederlassung unser Glück versuchen wollen. Diese ist in einem Santa Isabel Supermarkt und verfügt über ausreichend Bargeld, darf dieses aber leider nicht auszahlen, denn sie sind nur zum Versenden von Geld aber nicht für Auszahlungen autorisiert. Also müssen wir jetzt bis mindestens Montag in Puerto Montt bleiben, um mit frischem Bargeld weiter in den Süden fahren zu können. Dafür entdecken wir einen Club Aleman (Deutscher Verein), in dessen Restaurant Viktor zwar keinen Completo, dafür aber eine Currywurst essen kann.

Auf dem letzten Teilstück des Tages erwarten uns am Ende einer weiteren Steigung zwei Männer in einem Pick-up, die uns gerade zum dritten Mal heute gesehen haben und uns jetzt eine Mitnahme anbieten wollen. Die lehnen wir dankend ab (es sind nur noch 15 Kilometer), nehmen aber den Beutel Kirschen als Geschenk an. Diese haben sie gerade heute selbst geerntet und auch schon gewaschen. Vielen Dank an Marcos und Javier (dieser ist Kolumbianer)! Wir unterhalten uns noch kurz über die Schönheit Chiles und Marcos freut sich darüber, das Chile gerade dabei ist, Kolumbien auf Viktors persönlicher Rangliste auf Platz 3 zu verdrängen.

Diese 15 Kilometer ziehen sich noch ganz schön hin, lange geht es durch städtisches Gebiet, und wir kommen erst nach halb sieben im ziemlich ungünstig gelegenen Hostal an. Es gibt zwar eine Feuerwehr gegenüber und eine Schule in der Nähe, aber weder Restaurants noch Einkaufsmöglichkeiten. Es muss ja einen Grund geben, weshalb es so viel günstiger ist als all die anderen Unterkünfte in Puerto Montt. Unser Zimmer ist ganz oben, recht warm und laut (der Fernseher aus dem Nachbarzimmer an einer dünnen Holzwand). Heute sind wir müde genug, dass uns das nicht so viel ausmacht, aber morgen? Zum Abendessen gibt es im einzigen geöffneten Fastfood-Laden Completos (Hot Dogs) und eine Extraportion Pommes.

Wir begegnen heute den ganzen Tag über fünf anderen Bikepackern (drei einzelne, ein Pärchen), so viele waren es noch nie, aber wir sind inzwischen ja auch wirklich nah an der Carretera Austral. Von den vielen Menschen, die uns gestern mit Fahrrädern im Auto überholt haben, sehen wir auch einige, allerdings weniger als erwartet.

Sonntag 26.1.25 – Puerto Montt

Unsere Muskeln und Gelenke brauchen Erholung. Und wir benötigen dringend Bargeld. Also entscheiden wir uns, heute einen Ruhetag einzulegen und morgen sogar noch einen dranzuhängen, damit wir notfalls den ganzen Tag bei Western Union herumhängen können, bis sie genug Bargeld eingenommen haben, das sie uns auszahlen können (sonntags sind die nämlich alle geschlossen, heute geht da gar nichts!).

Wir schlafen also ein wenig aus und erscheinen erst kurz nach 9 Uhr zum Frühstück, das hier in unserem Hostal bis 10 Uhr angeboten wird. Schon gestern piepte alle paar Sekunden der Rauchmelder im Frühstücksraum, der gleichzeitig auch die Rezeption ist. Mit sowas Nervigem kann Viktor ja garnicht umgehen und er nimmt sich vor, heute eine Batterie für das Teil zu besorgen. Bei der niedrigen Decke im Frühstücksraum ist es keine Problem, den Rauchmelder kurz abzunehmen und den Batterietyp herauszufinden – eine 9-Volt-Blockbatterie.

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg „nach unten“ ins Stadtzentrum. Es sind zwar nur 1,8 km, aber die gehen fast nur bergab (knapp 100 Höhenmeter) und wir spüren unsere Knie und Oberschenkel ganz ordentlich. Immerhin haben wir einen ganz netten Ausblick auf die Stadt und das Meer.

Je näher wir der Uferpromenade kommen, desto lauter hören wir irgendwelche Lautsprecher-Ansagen. Unter anderem werden ständig die Fußgänger davor gewarnt, die Straße zu überqueren. Hier findet heute morgen eine Radrenn-Veranstaltung statt, die letzte Etappe der dreitägigen „Vuelta de la Juventud 2025“. Überall stehen Rollen herum, auf denen sich die jungen Sportler warmfahren.

Wir schauen uns das sportliche Treiben kurz an, gehen dann aber weiter zum Denkmal „Monumento a la Colonización Alemana“, das an die ersten Siedler aus Deutschland erinnert, die hier am 28.11.1852 an Bord der „Susanne“ eintrafen.

Aufgrund des starken und erfolgreichen Widerstandes der Mapuche war die Seen-Region nördlich von Puerto Montt lange kein offizieller Teil von Chile, selbst nach der Unabhängigkeit von Spanien 1818. Im Jahr 1845 wurde in Chile ein Gesetz zur Steuerung der Immigration erlassen und es wurde mit der Bezahlung der Überfahrt, einem Stück Land und mit Steuerfreiheit geworben. Die Immigranten sollten ganz gezielt in den Gebieten der Mapuche angesiedelt werden. Allerdings ging der Plan, nur katholische Einwanderer mittlerer und höherer Bildung anzuwerben, nicht ganz auf. Heute haben ca. 500.000 der circa 20 Millionen Chilenen deutsche Wurzeln. Welchen Einfluss sie auf die Entwicklung Chiles hatten ist umstritten, denn die in Deutschland oft kritisierten „Parallelgesellschaften“ unter Einwanderern scheint es auch bei den Deutschen in Chile gegeben zu haben. Die Deutschen Schulen, Deutschen Vereine und Deutschen Feuerwehren in dieser Region sind jedenfalls auch heute noch Zeugnis davon.

Vom Denkmal gehen wir an der Uferpromenade entlang in Richtung Hafen, denn wir wollen die Gelegenheit nutzen und uns schon einmal anschauen, wo unsere Fähre nach Puerto Natales am 8. Februar ablegen wird. Wir haben uns entschieden, von hier aus eine große Runde Richtung Süden zu fahren und dabei die Isla Chiloé und einen Teil der Carretera Austral zwischen Chaitén und Puerto Montt zu befahren. Dann nehmen wir eine Fähre von Puerto Montt bis Puerto Natales und wollen von dort die restlichen 750 Kilometer bis Ushuaia mit dem Rad fahren. Den Fähranleger finden wir heute aber gar nicht, denn es stellt sich heraus, dass der fast 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt ist. Vielleicht fahren wir morgen nochmal mit einem Taxi hin, denn das recht bekannte Fischrestaurant „Kiel“, für das wir an der Strecke schon viele Werbeschilder gesehen haben, liegt ganz in der Nähe.

An der Promenade stehen einige alte Dampflokomotiven auf Gleisen, deren Spurweite Viktor extrem groß erscheint. Zum Größenvergleich legt sich Jutta extra hinein.

Tatsächlich wurden ein Teil der Promenade und die Shopping Mall Paseo Costanera dort erbaut, wo früher der Bahnhof von Puerto Montt stand. Die Lokomotiven sind sozusagen letzte Erinnerungsstücke an dieses veraltete Massentransportmittel (gell Joachim M. 😉 ).

Als wir von unserem langen Spaziergang an der Promenade zurückkehren läuft das Radrennen immer noch. Da wir uns nicht ganz klar darüber sind, welche Route wir in den nächsten Tagen über die Isla Chiloé nehmen wollen, spricht Viktor kurzerhand am Rand der Strecke die Eltern von Rennradler-Jugendlichen an, die ein „Isla Chiloé“ Trikot tragen. Und tatsächlich erhalten wir wertvolle Ratschläge über den Zustand der Straßen (Asphalt? Schotter? Steigungen? Seitenstreifen?) und Tipps, wo sich die Küstenstraße wegen der Aussichten lohnt und wo eher nicht. Und wir tauschen Telefonnummern aus und sollen uns auf jeden Fall bei Rosana und Claudio melden, wenn wir unterwegs irgendein Problem haben. Genial!

Wir ruhen uns in der Shopping-Mall noch etwas aus und kaufen Getränke im Supermarkt (und eine 9-Volt-Blockbatterie), denn es lohnt sich nicht mehr, vor dem Abendessen ins Hostal zurückzukehren. Im Foodcourt essen wir vegane Burger und bestellen uns für den Aufstieg zurück zum Hostal tatsächlich ein Uber-Taxi, denn unsere alten Knochen wollen da einfach nicht mehr hochwandern, schon gar nicht mir drei Litern Wasser in der Einkaufstasche und bei dem gerade einsetzenden starken Regen.

Zurück im Hostal stellen wir fest, dass wir im Bad ein anderes Shampoo bereitliegen haben, als das „Head & Shoulders“ von gestern.

Dieses ist speziell für welliges (Ondas) und lockiges (Rizos) Haar. Wir streiten den Rest des Abends darüber, wessen Haar dafür wohl den Ausschlag gegeben hat. 😉

Die neue 9-Volt-Batterie hat übrigens genau NICHTS bewirkt. Das Teil piept weiter wie bekloppt vor sich hin. Auch das Durchpusten in der Hoffnung, den Sensor von Staub zu befreien, war erfolglos.

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Woche 42 (13.1.25 – 19.1.25) – Bulnes – Panguipulli

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  1. Barbara Klauke

    Ich tippe auf Frisör.

  2. Barbara

    Oder Autowaschanlage

  3. Hajü

    Oder Autowaschanlage

  4. Aileen

    Mit Carlos und seiner Mutter habt ihr ja wirklich einen Glücksgriff gelandet. Toll, dass ihr dort so viel Gastfreundschaft erfahrt 🙂

  5. Eger Apotheke

    Viele Grüße aus der Egerapotheke. Immer wieder interessant das Survival auf der Südhalbkugel aus dem fernen Norden mitzuverfolgen. Auf der Straße, auf dem Wasser, unter Wasser kein Medium ist vor euch sicher. Aus 365 Tagen um die halbe Welt wird es ja schon lange nichts mehr…. Die letzten Kilometer werden wahrscheinlich auch die Schönsten sein. Vergesst nicht kurz vor der Antarktis wieder nach Norden abzubiegen, sonst fehlt in der Apotheke in Hohen Neuendorf für eine längere Zeit eine Mitarbeiterin wegen des Umwegs…

    Es wird noch ein wenig Schweiß fließen und viele Bananen Splits müssen in kinetische Energie umgewandelt werden, damit ihr die restlichen Kilometer schafft

    Mit bestem Gruß
    E.W. und M.K. aus der alten Welt

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