Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Woche 33 (11.11.24 – 17.11.24) Arequipa – Cusco

Montag 11.11.24 – Arequipa – Cusco (Bus)

Wir stehen um halb fünf auf und stehen pünktlich um halb sechs mit Sack und Pack vor dem Hotel. Als eine Peru-Hop-Guide mit Neuankömmlingen von der Straßenecke gelaufen kommt, haben wir die Hoffnung, dass dort unser Bus steht. Leider ist es der falsche Bus Richtung Nasca! Für uns kommt kurz drauf ein schon fast vollbesetzter Mini-Van ohne Möglichkeit des Fahrradtransports. Gestern Abend hat Peru-Hop auf unsere Erinnerung per WhatsApp geschrieben, dass alles geklärt wäre bezüglich unseres Tandems (und dass alle Mitarbeiter Bescheid wüssten). Die Transportfirma lässt noch einen zweiten Van anfahren, in den das Tandem aber ebenfalls nicht passt. Jutta soll jetzt mit allem Gepäck einsteigen, Viktor mit dem Tandem am Hotel warten.

Der Bus nach Cusco (über Puno), zu dem Jutta gebracht wird, ist noch fast leer, die Passagiere werden zunächst nach den beiden Zielen sortiert. Bevor das Gepäck in den Gepäckraum geladen wird, erklärt Jutta mehrfach, dass unser Rad noch kommt und aufrecht quer an die Metallstützen gestellt und festgezurrt werden muss. Trotzdem packt der Packer die Koffer und Rucksäcke von beiden Seiten dort ran und will das Rad später längs neben das restliche Gepäck stellen, ohne jegliche Möglichkeit es festzuzurren. Unsere Taschen packt Jutta erst dazu, als feststeht, dass wir mit dem Bus Viktor am Hotel abholen fahren werden. Und diesen ganzen Aufwand inclusive der Verzögerung hätte man sich sparen können, wenn wir selber per Rad zum Bus gefahren wären – die Strecke ist keine zwei Kilometer lang – sie hätten uns nur gestern Abend den Ort der Abfahrt mitteilen müssen. Als Viktor dann das Fahrrad einladen soll gibt er resolute Anweisungen, die paar Koffer wieder so umzupacken, dass das Tandem festgezurrt werden kann. Vermutlich aufgrund der bereits eingefahrenen Verspätung, traut sich keiner der beiden Busfahrer zu widersprechen und das Tandem steht am Ende so, wie wir es wollen.

Auf der 13,5-stündigen Fahrt (für 635 km!!) schickt Viktor dann etliche Nachrichten mit Peru-Hop hin und her, um zu klären, dass wir an den noch kommenden Orten immer Unterkünfte suchen, die uns ein eigenes Ankommen am Bus ermöglichen. Der Guide im Bus – Roberto – ist ebenfalls sehr engagiert in dieser Sache.

Roberto setzt sich unterwegs zu allen Fahrgästen und unterhält sich kurz mit ihnen, er ist FC Barcelona Fan und nutzt das Fussballthema gerne, um ins Gespräch zu kommen. Er ist sehr professionell, merkt sich die Namen aller Fahrgäste und spricht sie persönlich an. Uns fragt er unter anderem danach, wie lange wir schon zusammen sind und was unser „Geheimnis“ sei. Er sei jetzt sieben Jahre mit seiner Freundin zusammen und sammle die „Geheimnisse“ der Fahrgäste. Viktor fragt ihn danach, ob es etwas gäbe, was er an seiner Freundin so richtig hasse. Er lächelt und antwortet nicht. „Akzeptiere sie so wie sie ist und versucht Euch nicht gegenseitig zu verändern“. Natürlich fügt er noch hinzu, dass es nichts gibt, was er an Jutta hasst, aber vermutlich vieles, was Jutta an ihm hassen könnte und trotzdem akzeptiert. 😉

Der erste Teil der Strecke ist derselbe wie gestern und vorgestern nach Chivay, und an der Baustelle müssen wir heute ca. eine halbe Stunde warten, bis die Durchfahrt möglich ist. Da auch zwischen Juliaca und Cusco viele kleine (Brücken-) Baustellen sind, wird schon früh angesagt, dass die Fahrt wohl länger dauern wird als normalerweise.

An der Laguna Lagunillas halten wir an einem Mini- und Kunsthandwerkmarkt auf 4444 m.ü.N.N. . Es gibt heiße Getränke, Toiletten und eine tolle Aussicht zum Fotografieren.

Als wir dann näher am Wasser entlangfahren, können wir viele Anden-Flamingos sehen. Diese sehen wir auch auf der weiteren Fahrt noch in einigen anderen Gewässern.

Um ca. halb eins sind wir in Juliaca, wo alle aussteigen, die heute nach Puno fahren wollen und wenige einsteigen, die von dort kommen und nach Cusco wollen. Alle anderen dürfen hier nicht einmal kurz aussteigen. Die nächste Möglichkeit dazu gibt es erst um halb vier an einem Restaurant, in dem uns ein Lunchbuffet erwartet und wo wir fast eine Stunde bleiben. Na ja, ist dann für uns halt Mittag- und Abendessen in einem, um diese Zeit.

Für die 345 km von Juliaca nach Cusco benötigt der Bus (incl. der Pause) volle sieben Stunden, obwohl ganz wenig Verkehr ist. Die Straße auf dieser Hochebene ist so schlecht und voller Umleitungen um Baustellen, dass es einfach nur sehr langsam vorwärts geht. Wenigstens ist der Blick aus dem Fenster sehr schön, solange es noch hell ist.

Um halb acht sind wir am Peru-Hop-Terminal in Cusco. Wir haben extra ein Hotel nur 500m davon entfernt gebucht und schieben das bepackte Tandem an die angegebene Adresse. Dort ist ein Schild von einem Hostel mit völlig anderem Namen, und die an der Ecke parkenden Taxifahrer sind auch überfragt. Viktor geht schließlich in dem Hostel fragen und erfährt, dass es das gebuchte Hotel Templo Home ist. Auf den Zimmerschlüsseln steht allerdings Templo Inn, das laut Google – Eintrag ein Hostel im selben Haus sein soll. Alles etwas eigenartig, aber wir können problemlos noch eine Nacht verlängern und am Abreisetag das Zimmer bis abends behalten. Außerdem geht der Sohn des Hauses gleich zweimal für Viktor in die nahegelegene Tienda, einmal, um sich nach Viktors Bierwunsch (Cusqueña Negra) zu erkundigen, und dann, um diesen Wunsch zu erfüllen. Dafür gibt es natürlich ein ordentliches Trinkgeld in Höhe des Bierpreises für den jungen Mann.

Dienstag 12.11.24 – Cusco

Nach dem Frühstück geht Viktor das „Boleto Turistico General„-Ticket kaufen, während Jutta mit ihren Schwestern videokonferiert. Um 10 Uhr kommt Patricia von Peru4fun, um mit uns die Reise ins Peruanische Amazonasgebiet durchzusprechen und das Geld in bar (in US-Dollar) abzukassieren. Wir haben uns auf Anraten von Andy und Susan (unsere Überraschungs-Gastgeber in Monterey, CA) für einen Kurztrip von Cusco nach Puerto Maldonado und den Tambopata-Nationalpark entschieden, der vom 15.11.- 17.11. stattfinden soll.

Geplanter Kurztrip zum Tambopata Nationalpark im Amazonasgebiet

Anschließend machen wir uns auf den Weg zum Inkakomplex Sacsayhuamán über das San Blas Viertel und den San Blas Markt. Das sind zwar nur 2,7 km Fußweg, aber es sind sehr viele Stufen nach oben. Da merken wir dann doch, dass wir uns in ca. 3.400 m.ü.N.N. befinden – die Luft ist ganz schön dünn.

Auf dem Weg kommen wir erstmals am Ausichtspunkt „Mirador San Blas“ vorbei und laufen durch die schönsten Gassen der historischen Altstadt, unter anderem auch die „Calle Siete Borreguitos“ (sieben Lämmer).

Oben angekommen empfängt uns am Eingang des archäologischen Komplexes ein Guide (Santiago Leonardo), der uns seine Dienste anbietet und geschickterweise gleich erwähnt, dass alle Beschreibungen auf dem Gelände ausschließlich in Quechua, der indigenen Sprache des ehemaligen Inka-Reiches, erfolgen. Da wir den Mehrwert von Fremdenführern durchaus zu schätzen wissen – oft genug sind wir ziel- und kenntnislos durch ähnliche Anlagen gelaufen und haben uns gefragt, was wir da eigentlich gerade sehen – nehmen wir seine Dienste gerne in Anspruch.

Zunächst geht es nochmal ordentlich bergauf, bis wir an einen Parkplatz gelangen, an dem ein Kassenhaus steht. Dort wird unser für 16 Sehenswürdigkeiten gültiges Touristenticket gelocht und somit für diese Sehenswürdigkeit Nr. 16 entwertet. Auf dem Weg nach oben hält Santiago immer wieder an, gönnt uns so eine kleine Pause, um wieder zu Atem zu kommen, und erklärt schon mal einige Dinge. Sacsayhuaman wurde im 15. Jahrhundert unter der Regentschaft des neunten Inkaherrscher Pachacútec (1438 – 1471) erbaut, vermutlich als Festung und Tempelanlage. Sie wurde nie fertiggestellt, da die Eroberung durch die spanischen Konquistadoren „dazwischenkam“. Am Rande des Weges zeigt uns Santiago eine kleine Höhle, in der die Mumie eines circa 50-jährigen Mannes in Adelskleidung gefunden wurde. Alle gefundenen Mumien von Adeligen seien bei ihrem Tod circa 50 Jahre alt gewsen, während in den Gräbern der normalen Bevölkerung ein Großteil weit über 60 oder sogar 70 Jahre alt gewesen sei. Dies habe am Inzest gelegen, der unter den Adeligen betrieben wurde, um die direkte Abstammungs-Linie vom Sonnengott zu bewahren.

Ebenso erfahren wir schon im Aufstieg, dass die Inka Menschenopfer dargebracht haben, um für Regen oder gute Ernten zu beten. Die Opfer waren Kinder, die noch nicht die Geschlechtsreife erreicht haben, denn diese galten damals als Boten zu den Göttern im Jenseits. Santiago behauptet, dass die geopferten Kinder nicht aus den Adelsfamilien stammten, sondern aus der normalen Bevölkerung.

Oben angekommen führt uns der Guide über das riesige Gelände und erklärt uns einiges zur Architektur und Bauweise. Das Beeindruckenste an der Inka-Architektur sind die riesigen Steinblöcke, die komplett ohne Mörtel ineinandergefügt sind und keinen Fugenzwischenraum lassen, in dem sich Pflanzen ansiedeln könnten. Die Steinblöcke wurden mit harten eisenhaltigen Steinen und mit Meißeln bearbeitet, bis sie exakt ineinander passten. Santiago zeigt uns eine vermutlich selbstgemalte Zeichnung, in der die Einbuchtungen an den großen Steinblöcken so erklärt werden, dass sie als Ansatzpunkte für Hebel und Stützen dienten.

Sinn der Vertiefungen an den Steinen

Die Erdbebensicherheit der Inka-Bauweise erklärt Santiago mit der leicht schrägen Bauweise (unten breiter als oben, wie die Pyramiden), die besonders erdbebensicher sei. Die post-koloniale Bauweise mit 90°-Winkeln an den Wänden sei wesentlich weniger erdbebensicher.

Nach etwa eineinhalb Stunden ereichen wir als letztes den Mirador der Anlage und haben einen genialen Blick über die ganz Stadt Cusco.

Weitere Details über Sacsayhuaman in spanischer Sprache findet man hier.

Abstieg zur Plaza Mayor zum Treffpunkt der Free Walking Tour

Um 15:30 Uhr haben wir für heute eine Free Walking Tour gebucht, die durch die historische Altstadt führen soll und an der Plaza Mayor startet. Wir sind etwas knapp dran und erreichen erst kurz vor 15:00 Uhr hungrig und durstig den zentralen Platz der Altstadt. Also schnell in ein Café, zwei Café Latte und Kuchen bestellt, die aber ziemlich lange brauchen und entsprechend hastig verzehrt werden müssen.

Am Treffpunkt stehen mehrere Fremdenführer mit lila T-Shirts und einem großen lilafarbenen Regenschirm. Wir werden auf mehrere Gruppen aufgeteilt. Unsere englischsprachige Gruppe besteht aus einem italienischen Paar, einem Australier und uns beiden. Unser Guide heißt „Joshua Joel“ und ist 22 Jahre alt, also ungefähr so alt wie unser Sohn Joshua.

Die Tour führt durch die historische Altstadt, und wir kommen relativ schnell an einen kleinen eingemauerten Marktplatz, in dem ein Alpaca und ein Lama frei herumlaufen und grasen. Auf der Fahrt in den Colca Canyon hatten wir vom Guide noch erfahren, dass sich Lamas und Alpacas kreuzen können und dabei die Hybriden Huarizos entstehen, die ihrerseits ebenfalls fortpflanzungsfähig sind. Wenn sich zwei Huarizos paaren werden dann wiederrum Lamas oder Alpacas geboren. Unser heutiger Guide Joshua verneint zunächst die Existenz von Hybriden, korrigiert sich aber später nochmal. Jedoch seien die Hybriden meist nicht lange überlebensfähig, nur 20% erreichen angeblich selbst die Geschlechtsreife.

Diese kleinen Widersprüche zwischen den Aussagen und Erklärungen verschiedener Fremdenführer ziehen sich danach wie ein roter Faden durch den Rest der Tour. Bei dem einen waren es in Peru 3.000 Kartoffelsorten, beim anderen über 4.000, heute sind es bei Joshua 5.000, von denen es in Cusco genau 3.785 geben soll. Auch die gefriergetrockneten Kartoffeln (Chuño) werden heute wieder erwähnt. Bei Joshua sind sie 11 – 13 Jahre haltbar, von den anderen Guides hatten wir über 20 Jahre gehört.

Die Menschenopfer, von denen wir heute morgen gehört haben, erfolgten laut Joshua in einer Zeitspanne von 700 Jahren im Inkareich nur dreimal, weshalb er die Theorie glaubt, dass es nur in extremen Trockenzeiten dazu kam. Bei Joshua wurden den Göttern auch nrt die „besten“ Opfer dargebracht, und daher waren es natürlich die Kinder der Adligen, die geopfert wurden.

Heute morgen hatten wir noch erfahren, das die großen Felsen nie bergauf transportiert werden mussten, sondern immer nur bergab in die richtige Position gerollt wurden, bei Joshua werden sie über Rampen auch aufwärts transportiert wie bei den Ägyptern und den Pyramiden.

In einer Straße erklärt Joshua die Aus – und Einbuchtungen an den Felsen in der Mauer zu kalendarischen Markierungen. Mit seiner Handy-Taschenlampe imitiert er die Sonne und zeigt uns, wie die Schatten an bestimmten Stellen genau in die Fugen darunter fallen. So hätten die Inka mittels des Schattenwurfes das aktuelle Datum feststellen können und sich bei Aussaat und Ernte daran orientiert. Tja, sind das jetzt Ansatzpunkte für Holzstützen und Hebel, oder doch Kalendermarkierungen? Oder beides? oder stimmt gar Viktors Theorie, das die Inka die ersten waren, die den Boulder-Sport betrieben haben?

Trotzdem ist es eine wirklich interessante Tour, die blöderweise am gleichen Mirador endet, den wir heute morgen schon alleine erklommen haben. Na gut, in der Dämmerung bietet sich nochmal ein anderer Ausblick auf die erleuchtete Stadt, aber wir sind ganz schön platt und merken die dünne Luft leider immer noch deutlich, obwohl wir ja nun schon auf 4.000 Meter Höhe radgefahren sind und uns auch seit mehreren Tagen (seit Arequipa) in größerer Höhe befinden.

An dem Mirador erklärt Joshua uns auch nochmal, dass die Informationen aus der Inka- und Prä-Inka-Zeit aufgrund der fehlenden schriftlichen Überlieferungen (die Inka hatten keine Schrift entwickelt) sehr widersprüchlich sind und häufig auf den schriftlichen Aufzeichnungen der kolonialen, spanischen Chronisten basieren. Diese haben natürlich alles, was sie sahen, durch ihre eigenen Brille gesehen, interpretiert und beschrieben. Deshalb gibt es viele unterschiedliche Theorien, und jeder Fremdenführer legt sich seine Lieblingstheorien zurecht. Das erklärt zumindest einige der Widersprüche und beendet den etwas verwirrenden Tag für uns dann doch versöhnlich.

Den Cuy (das Meerschweinchen), den Viktor heute noch verspeisen wollte, lassen wir ausfallen (das Restaurant hat um 17 Uhr geschlossen) und gehen auf dem Rückweg in ein vegetarisches Restaurant, bevor wir im Hotel todmüde ins Bett fallen und den Blogeintrag für heute nur halb fertig geschrieben haben. Jutta fühlt sich vor dem Abendessen richtiggehend krank und hat starke Schluckbeschwerden, so dass wir etwas besorgt schlafen gehen, denn für die nächsten Tage haben wir einige anstrengende und nicht ganz billige Touren reserviert.

Mittwoch 13.11.24 – Cusco

Für den Vormittag haben wir uns Museumsbesuche vorgenommen. Dummerweise ist hier heute wieder einmal Streiktag, wobei die Hotelbetreiberin uns beim Frühstück sagt, dass die Touristen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden sollen. Wir gehen also zu neun Uhr – der Öffnungszeit – zum Museo de sitio Qorikancha. Mit einigen anderen warten wir vor dem verschlossenen Eingang, es wird fünf nach, zehn nach, viertel nach … – einige der Wartenden gehen schon wieder. Gegen halb zehn haben wir ebenfalls genug. Auf dem Bürgersteig vor dem Museum stehen zwei Tourismus-Polizisten, die uns beim Gehen sagen, dass doch heute Streik ist und das Museum deshalb geschlossen bleibt. Das hätten sie auch gleich mal sagen können! Sie zeigen in eine Richtung, und dass dort ein anderes Museum sei. Dort angekommen hat auch dieses geschlossen! Wir sind so genervt, dass wir einen Kaffee trinken gehen wollen, aber eine Frau von der Stadtverwaltung sagt uns auf dem Weg zur Plaza Major, dass das Qorikancha noch öffnen würde – vielleicht etwas später. Wir gucken erst noch beim privat geführten Inka-Museum vorbei, aber auch dieses hat die Tore verschlossen.

Tatsächlich kommen wir um zehn mit vielen anderen gemeinsam in das zuerst aufgesuchte, kleine Museum, von dem wir eigentlich mehr erwartet hätten. Nach dreißig Minuten sind wir durch!

Im Peru Café machen wir dann Kaffeepause, und gehen dann ohne weiteren Versuch ins Hotelzimmer, um den gestrigen Blogbeitrag fertigzustellen.

Um 13:15 Uhr sind wir am (heute noch veränderten) vereinbarten Treffpunkt zu einer Free Walking Tour per Fahrrad. Durch den Streik kann nicht die eigentliche Strecke gefahren werden, und aus diesem Grund ist es wohl auch nicht der eigentliche Guide, der eine andere Tour mit uns machen wird. Wir laufen zu einem Fahrradladen, wo wir und auch er ein Leihfahrrad bekommen. Und dann fahren wir hinter Paul her durch Cusco: anscheinend fährt er mit dem Rad genauso, wie er sonst läuft – über Fußwege auf der linken Straßenseite, über Stufen, über Kopfsteinpflaster, und rote Ampeln interessieren ihn ebenfalls überhaupt nicht.

In der Nähe des San Pedro Market bekommen wir Früchte zum Probieren: eine Lukuma, deren Eis und Joghurt wir schon kennen, eine Granadilla und eine Waba, auch Pacay genannt (letztere nehmen wir erst einmal mit und werden sie später essen).

Paul erzählt uns die Geschichten zu den Inka-Bauwerken wieder anders, zeigt uns aber auch Dinge, die wir noch nicht kennen.

Immer wieder sagt er, dass wir später dann zum Condor-Fotopoint fahren werden, dass muss der Höhepunkt sein. Das Handy zum Bildermachen ist vorher schon leer – wie auch die mitgenommene Powerbank. In San Sebastian kommen wir dann zu einer Säule mit einem Condor aus Kupfer oben darauf, und er macht Bilder von diesem ach so tollen Platz mit seinem Handy. Schön ist dort aber gar nichts, finden wir! Der große Platz von San Sebastian wird auch angefahren, ist allerdings gerade komplett mit Metall eingezäunt – wir können nur die angrenzende Kirche anschauen.

Auf der Rückfahrt vom Condor fällt Viktor immer wieder ein wenig zurück, denn es geht leicht bergauf und sein Leihfahrrad ist eine Qual. An den roten Fahrradampeln bleibt er dann immer stehen und fällt so noch weiter hinter Paul und Jutta zurück, die an jeder Ampel, egal ob grün oder rot, einfach weiterfahren. Jutta wird sogar einmal von einer Frau angesprochen, die darauf verweist, das rote Ampeln auch für Radfahrende gelten.
Irgendwo wartet Paul dann doch und fragt, ob Viktor eine Pause bräuchte. „Nein, nein … ich halte nur an den roten Ampeln an.“
Dann erklärt Paul: Früher, als sein Vater noch Polizist war, hätten sich die Leute noch an die Verkehrsregeln gehalten, aber heute seien die Polizisten keine Respektspersonen mehr und schauten sowieso nur noch auf ihr Mobiltelefon. Und weiter geht es … natürlich sofort wieder bei rot über die nächste Ampel.

Um halb fünf sind wir wieder am Fahrradladen, wo gerade ein Französisches Paar, das wir gestern mit ihrem Gepäck in der Stadt haben ankommen sehen, Ersatzteile kaufen möchte. Sie fahren noch bis in den Norden von Chile, dann müssen sie zurück nach Frankreich. Paul kassiert uns noch ab – mehr als bei der Reservierung angegeben – und dann laufen wir zurück.

Nach ganz kurzer Pause laufen wir noch einmal zum Hauptplatz: heute will Viktor dem Meerschwein noch seine zweite Chance geben, und zwar im Mr. Cuy direkt am Platz. Sie haben eine richtige Auswahl, und er lässt sich beraten – die Wahl fällt dann auf das Meerschwein aus dem Ofen. Für die vielen Touristen kommt es dann so an den Tisch:

Es wird anschließend aber in der Küche entkleidet und geschnitten:

Es schmeckt fast wie Huhn und viel, viel besser als beim letzten Versuch in Ecuador.

Auf dem Rückweg besorgen wir noch Cola, Wasser, Coca-Blätter und Snacks für morgen, denn um drei Uhr nachts werden wir abgeholt für eine Tour zu den Rainbow-Mountains – dazu morgen mehr.

Donnerstag 14.11.24 – Rainbow Mountain Vinicunca – Cusco

Um 2:30 Uhr klingelt der Wecker, denn wir sollen um 3:00 Uhr abgeholt werden, um den Rainbow Mountain zu erwandern. Wir haben gestern schon alles bereitgelegt, denn es muss in 4.000 bis 5.000 Metern Höhe mit jedem Wetter gerechnet werden. Also packen wir alle möglichen warmen Schichten ein, die wir dabeihaben, natürlich auch unsere Regen/Windjacken. Wasser, Snacks, Coca Cola und eine Packung Coca-Blätter haben wir gestern Abend auch noch besorgt.

Beim Schuhwerk entscheiden wir uns unterschiedlich. Viktor nimmt die Sandalen, mit denen er schon die Wanderung in Las Cajas auf über 3.900 Metern Höhe erfolgreich absolviert hatte, Jutta entscheidet sich für die geschlossenen Radfahrschuhe, die unter dem Ballen Metall-Cleats (Bindung zum Pedal) besitzen. Entscheidungen, die heute noch Konsequenzen haben sollen.

Um 2:55 Uhr stehen wir vor dem Hotel bereit. Es vergehen 20 Minuten, in denen nichts passiert, außer dass Viktor versucht, die angegebene Telefonnummer des Veranstalters zu erreichen. Wir machen uns etwas Sorgen, denn wir hatten ursprünglich für den 15.11. gebucht und dann um einen Tag vorgezogen, weil es morgen nochmal in das Peruanische Amazonasgebiet gehen soll. Nicht, dass man uns vergessen hat! Um 3:16 Uhr erscheint ein Mercedes Sprinter in der Straße und hält vor uns an. Er ist bis auf zwei Plätze bereits komplett besetzt. Jutta findet vorne noch einen Platz mit etwas Blick auf die Straße, Viktor klemmt sich in der hintersten Viererreihe noch dazwischen und fühlt sich wie der letzte Stein, der fugenlos in eine Inkamauer eingesetzt wird.

Dann geht es durch die Dunkelheit in die Berge hinauf. Unsere Guide, Vicky, macht ein paar Ansagen, und wir müssen uns einen Teamnamen aussuchen. Da niemand einen Vorschlag macht, müssen wir uns zwischen „Sexy Condors“ und „Sexy Alpacas“ entscheiden. Es werden dann die Condors.

Nach 1,5 Stunden Fahrt wird eine Frühstückspause von 25 Minuten in einem Restaurant mit Frühstücksbuffet eingelegt. Die Sexy Condors sitzen alle an einem zugewiesenen langen Tisch. Die Gespräche sind überschaubar, denn alle scheinen noch ziemlich verschlafen. Dann geht es nochmal für eine Stunde über eine unbefestigte Bergstraße zum Ausgangspunkt der Wanderung auf 4.300 Meter hinauf.

Das Ziel der Wanderung von 4 Kilometer Länge mit der Aussicht auf den Vinicunca (Rainbow Mountain, Montaña de los Siete colores) liegt auf 5.036 Meter Höhe.

Während sich der Van die holprige Bergstraße im Allradmodus hinaufkämpft erklärt Vicky, dass täglich circa 3.000 Touristen diesen Berg besuchen und wir auch deshalb so früh losgefahren sind, um oben zu den ersten Gruppen zu gehören. Denn schon nach kurzer Zeit wird man dort  Schlange stehen müssen, um „sein“ Foto zu machen. Viktor rechnet kurz, dass das etwa 150 Vans sind, die hier täglich hochfahren. Busse können die schmalen Serpentinen auf unbefestigter Straße vermutlich nicht schaffen. Es sind zwar hinter uns einige Vans auf den Serpentinen zu sehen, aber keine so hohe Anzahl. Später erklärt sich das dadurch, dass es zwei Aufstiege zum Aussichtspunkt gibt und sich der Verkehr dadurch verteilt. Außerdem kommen unterschiedliche Tour-Anbieter zu unterschiedlichen Zeiten, so dass es sich ebenfalls gut verteilt. Während wir durch kleine Bergdörfer fahren, in denen die Touristen-Vans wie Fremdkörper wirken, sinkt bei Viktor merklich die Motivation. Das Ganze hat für seinen Geschmack dann doch zuviel von Massentourismus in einer Region, in der solche Massen nach seiner Meinung nichts zu suchen haben. Er fühlt sich plötzlich an „Verstehen Sie Spaß“ (candid camera, versteckte Kamera) erinnert, als Reinhold Messner mit versteckter Kamera in den Alpen mit einem Souvenirstand auf einem Gipfel zur Weißglut getrieben wurde. Unsere Guide Vicky sieht das natürlich ganz anders und bedankt sich mehrfach, dass wir alle dabei sind, denn seit diese Berge 2013 per Zufall entdeckt wurden, hat sich das Leben der Einheimischen stark verbessert, auch wenn nach der Pandemie wohl ein Streit der verschiedenen Dörfer enstand : manche möchten gerne Eintritt nehmen, andere nicht. In unseren Van kommt heute ein Mann mit einem Zettel und teilt uns mit, dass wir nichts zahlen müssen…

Je höher wir kommen desto mehr Schneefelder sind rechts und links der Straße zu sehen. Wir befinden uns am Anfang der Regenzeit und in dieser Höhe bedeutet das natürlich Schneefall. Oben am großen Parkplatz, der gegen 10 Uhr circa 50 Vans Platz bieten wird, steigen wir alle aus und erhalten ein kurzes Briefing. Es stehen nun 4 Kilometer Wanderung bergauf an, zunächst 20 Minuten relativ flach, dann 40 Minuten steiler und wellig und am Ende dann 30 Minuten steil bergauf. Der letzte Abschnitt wird auch „Gringo-Killer“ genannt.

Man kann auch mit geführten Pferden hochreiten. Die Einheimischen führen diese zum Teil in offenen Sandalen schnellen Schrittes den Berg hinauf. Dann werden die Pferde teilweise von Motorrädern geführt wieder nach unten gebracht, um den nächsten Touristen hochzutragen.

Schon während der ersten 10 Minuten auf dem Wanderweg wird klar, dass einer von uns heute definitiv die falsche Schuhwahl getroffen hat. Wir laufen durch Schneematsch bergauf, der natürlich ruck-zuck in den Sandalen steckt und die Socken sind nach 20 Minuten am Ende des ersten kurzen Teilstücks bereits zur Hälfte durchnässt. Die Zehen sind schon klamm und trockener soll es weiter oben definitiv nicht werden, denn der Schnee beginnt bereits zu schmelzen, läuft in Rinnsalen über den Weg und bildet dort Pfützen, um die man nicht mehr herumlaufen kann. Viktor hat zwar Ersatzsocken dabei, aber die waren erst für die Rückfahrt gedacht.

Also ist die Entscheidung schnell getroffen. Nach einem Selfie vor schneebedeckten Bergpanorama trennen sich hier erstmals seit April unsere Wege für mehrere Stunden. Viktor probiert zwar nochmal ein Stück der zweiten Etappe, aber wie erwartet wird es zunehmend schlammiger. Da die Motivation sowieso schon eher schwach war, meldet sich Viktor bei Vicky ab und macht sich auf den Rückweg.

Selfie … und Tschüss

Unten am Parkplatz angekommen setzt er sich gemütlich am Toilettenhaus auf eine Bank in die Sonne, zieht seine trockenen Socken an und legt die nassen Socken zum Trocknen in die Sonne.

Jutta schafft mit einigen Luftholpausen in eindreiviertel Stunden den Aufstieg nach oben. Die Socken sind nur ein bisschen nass. Beim Loslaufen trägt sie noch eine Dauenjacke unter der Regenjacke, Mütze und Handschuhe, aber wie auch alle anderen wird bis auf die Regenjacke und die Mütze nach und nach alles ausgezogen. Der Weg ist trocken schon heftig, aber mit dem Schneematsch und den Rinnsalen aus Tauschnee eine noch größere Herausforderung. Wir haben Hoffnung, oben trotzdem etwas von den Farben sehen zu können – vielleicht scheint dort die Sonne ja schon.

Leider bewahrheitet sich das nicht: es liegt alles unter einer weißen Schneedecke. Das ist zwar auch sehr schön, aber überhaupt nicht das, weswegen man hier hochwandert.

Von der oberen Station, an der Jutta sich einen Stempel für den Pass holt und man sich Getränke und Snacks kaufen könnte, kann man noch 10 Minuten auf einen anderen Gipfel klettern. Beim Absteigen ist es so glatt, dass viele ausrutschen, auch Jutta legt sich hin und wird ziemlich nass in dem Matscheschnee.

Nach einer Stunde oben mit Gruppenbild der Sexy Condors macht sich Jutta wieder an den Abstieg zur „Talstation“/ zum Parkplatz. Der Schnee auf dem Weg ist komplett weg und auf der Bank, die auf dem Hinweg noch verschneit war, sitzen inzwischen Menschen.

Am Parkplatz treffen wir dann wieder aufeinander, und bald schon fährt unsere Gruppe zurück zum selben Restaurant wie heute früh, und es gibt ein Mittagessen. Von dort sind wir nach knapp zwei Stunden um kurz vor drei wieder in Cusco – jetzt werden alle in der Altstadt rausgelassen.

Wir halten auf dem Weg zum Hotel im Café Peru, wohin Viktor von Peru4fun für unseren Amazonastrip noch ein Paar Gummistiefel in Größe 45 gebracht werden (Juttas Größe gibt es wohl vor Ort) und verbringen den restlichen Nachmittag dann mit dem Blog im Hotelzimmer. Als wir zum Abendessen gehen wollen, schüttet es draußen. Daher gehen wir in eine nahegelegene Anticucheria und Pizzeria. Hier werden Peruanische Klassiker aus Rinderherz serviert aber eben auch Pizzen. Wir warten über eine Stunde auf unsere Pizza, denn der Pizzabäcker erscheint verspätet zur Arbeit und am Ende muss unser junger Kellner in der Küche selbst Hand anlegen, damit wir unser Essen bekommen. Dafür erhält der motivierte junge Mann das Trinkgeld trotz Kartenzahlung direkt bar auf die Hand, damir es nicht in der gemeinsamen Trinkgeldkasse verschwindet.

Freitag 15.11.24 – Cusco – Tambopata Reserve

Beim Frühstück tauschen wir uns mit einem jungen Argentinischen Paar aus. Sie waren auch schon bei den Rainbow Mountains und können uns erzählen, dass die Farben in Natur sehr schwach sind – demnach alle Bilder in den Broschüren der Touranbieter mit leuchtenden Farben digital nachbearbeitet sein müssen. Sie würden die Tour nicht nochmal machen und auch nicht weiterempfehlen. Tja, das nennt man dann wohl schlechtes „management of expectations“. Außerdem wird das Paar morgen für zwei Nächte ins Amazonasgebiet fliegen – vielleicht treffen wir sie, denn dorthin brechen wir heute auf.

Um 9:30 Uhr werden wir von Richard von Peru4Fun zum Internationalen Flughafen von Cusco gebracht (international, weil einmal täglich ein Flug von/nach La Paz in Bolivien geht – fast alle Flüge sind nach Lima). Wir haben alles Flüssige und eine Schere extra in eine Tasche zum Aufgeben gepackt, aber eine Flughafenmitarbeiterin meint, wir können beide Taschen mit an Bord nehmen, Flüssiges und Scheren seien kein Problem. An der Security fischen sie dann noch das Antirepellent (Mückenspray) heraus, weil es Treibgas enthält. Das mitgenommene Flaschenwasser und Obst gehen durch.

Der Flug nach Puerto Maldonado ist verspätet, und so verbringen wir einige Zeit im Warteraum, bis es endlich losgeht. Wir fliegen eine Stunde, werden sofort von unserem Guide Bryan eingesammelt und eine knappe Stunde mit dem Auto zum Hafen von „Infierno“ (Hölle) gefahren. Die Straße erfordert an vielen Stellen einen Allradantrieb. Mit einem kleinen Boot geht es ca. eineinhalb Stunden flussaufwärts zum Tambopata Reserve und dort zum Explorers Inn, dem einzigen Hotel innerhalb des Reservats. Zu Beginn der Bootsfahrt bekommen wir ein boxed lunch: sehen aus wie Tamales, sind aber „Amazonas Chaufas“, eine Lady-Banane und brasilianische Nüsse.

Der Zufluss zum Madre de Dios, wiederum Zufluss zum Amazonas, ist schon ganz schön breit, und wir bekommen erklärt, dass der Amazonas vier Kilometer breit sein kann. Und bei dem vielen Grün rechts und links, was wir schon länger nicht hatten, stellen wir beide unabhängig voneinander fest: je grüner, desto schöner!

In der Lodge bekommen wir vom Manager eine ausführliche Einweisung, bevor wir ins riesige, frisch renovierte Zimmer können. Nach kurzem Aufenthalt gehen wir wieder an den Fluss und legen uns in Hängematten, um den Sonnenuntergang (17:15 bis 17:50 Uhr) anzuschauen. Selbst bei diesem Nichtstun schwitzen wir, obwohl es heute „nur“ 34°C hat. Es ist halt ziemlich feucht.

Um 18:20 Uhr sollen wir uns einfinden, weil Bryan eine „Nachtwanderung“ mit uns machen will. Als wir eintreffen muss er erst geweckt werden. Später erklärt er uns, dass vor einer Woche sein erstes Kind geboren wurde und er Schlaf nachzuholen hat. Da wir keine geschlossenen Schuhe haben, tragen wir die Gummistiefel. In der Stunde Wanderung versuchen wir, gehörte Eulen zu entdecken, sehen verschiedene Tarantulas (am Baum und am Boden, sogar ein Nest mit vielen kleinen Chicken-Tarantulas), verschiedene Ameisen, u.a. die ziemlich große und durchaus gefährliche „Bullet“-Ameise (der Biss ist wie eine Pistolenkugel), eine ganz lange, schwarze Schlange, unterschiedliche Frösche… . Bryan erklärt die Symbiose zwischen einer kleinen Froschart (Dotted Humming Frog, chiasmocleis ventrimaculata, einen deutschen Namen gibt es nicht) aus der Familie der Engmaulfrösche (Grüße an Barbie) und einer Tarantula (Vogelspinne): die Tarantula-Larven ziehen Insekten an, die die Larven fressen wollen. Diese Insekten ziehen den Frosch an, der die Inseken frisst und damit das Nest der Tarantula schützt. Die Tarantula sitzt oft direkt neben dem Frosch und verjagt ihn nicht, denn er ist auch leicht giftig.
Den Nutzen von Pilzen im Ökosystem und viele andere Dinge erklärt uns Bryan ebenfalls während der kleinen Wanderung.

Wieder am Hotel hat das Abendessen schon begonnen. Außer uns Dreien isst eine recht große Gruppe am Nachbartisch, die aus Französischen Vogelbeobachtern besteht.
Da Jutta schon seit ein paar Tagen einen hartnäckigen Husten hat, und wir in Puerto Maldonado in einer Apotheke nur Antibiotika, aber keinerlei pflanzliche Hustenmittel angeboten bekamen, gibt es aus der Küche einen Ingwer-Tee (Gengibre) mit einigen weiteren geheimen Zutaten, u.a. etwas, das wie Knoblauch riecht und schmeckt. Tja, selbst die Apotheken im hiesigen Amazonasgebiet nutzen die üppige Biodiversität nicht wirklich, aber wenigstens die Köche tun es.
Anschließend verabreden wir uns für morgen um halb acht zum Frühstück und gehen unserer Wege.

Schlafen müssen wir bei ziemlicher Hitze unter dem Moskitonetz, bei nächtlichen Dschungelgeräuschen neben dem Brummen eines Generators (das aber zeitig abgeschaltet wird).

Samstag 16.11.24 – Tambopata National Reserve

Wir werden vom Geräuschpegel geweckt, als es hell wird und der Regenwald erwacht. Es wird richtig laut, aber endlich einmal keine Autohupen, Alarmanlagen, krähende Hähne, bellende Hunde oder laufende Fernseher und laute Musik aus den Nachbarzimmern.

Als wir unsere Brillen aufziehen, sehen wir erstmal …. nichts … denn die sind, obwohl sie einfach so auf dem Nachttisch lagen, komplett beschlagen. Das hatten wir bisher auch noch nicht.

Viktor versucht mit seiner neuen App „Merlin Bird ID“ einige der vielen Vogelstimmen zu bestimmen, die in einem vielstimmigen Chor zu hören sind. Juttas hartnäckiger Husten kommt aber immer wieder dazwischen. Zum Frühstück um 7:30 Uhr gibt es deshalb auch nochmal einen Ingwer-Tee aus der Küche.

Um 9:15 startet unser Wanderung mit dem Guide Bryan zum nahegelegenen SAGES-Forschungsturm. Da wir den Weg (und mögliche Ameisenhaufen) tagsüber gut erkennen können, empfiehlt er uns statt in Gummistiefeln ruhig mit unseren Sandalen zu gehen.

Unterwegs müssen wir über einige Bäche und Hängebrücken und können wieder einige Pfanzen und Tiere kennenlernen, unter anderem die Symbiose ziwschen den Feuer-Ameisen und dem „Devil Tree“.

Die kleinen Löcher sind Eingänge. Das Ameisenvolk lebt IN dem Baum.

Als wir den Turm erreichen steht auf dem Schild etwas von SAGES. Viktor denkt zuerst and die „Society of American Gastroenterologists“ , auf deren Kongressen er früher öfter war. Es geht aber bei dem Turm im Rahmen einer Kooperation mehrerer Universitäten um die Messung von CO2-Gasflüssen im Regenwald.

Von den 199 Stufen schafft Viktor 144, dann werden die Stufen schmaler, man spürt den Turm etwas schwanken und es weht eine leichte Brise. Alles nichts für ihn. Da er auf Anraten von Bryan auch noch vorsichtig sein soll, wenn er das Geländer anfasst (Ameisen, Wespen und andere stich- und bissfreudige Insekten sitzen dort sehr gerne) ist der Aufstieg wieder mal eine echte Herausforderung. Ohne krampfhaftes Festhalten am Geländer ist sowas für Viktor nicht zu schaffen. Die Fotos von ganz oben macht dann also wieder mal Jutta. 😉

Panorama von ganz oben

Oben auf der durchlöcherten Plattform ist der Blick sensationell. Überall grün, über das Blätterdach herausragende Iron Trees, im Hintergrund die Anden von Puno sichtbar, und dann sehen Jutta und Bryan auch noch einen Wald-Gelbkopfgeier, der ähnlich groß wie ein Condor und auch mit diesem verwandt ist, in der Luft schweben.

Nach ca. 30 Minuten machen wir uns auf dem Rückweg zum Hotel, wo wir bei Ankunft auf eine Unmenge von Schmetterlingen treffen.

Die Lodges des Hotels sind auf Stelzen gebaut, und es wird einiger Aufwand betrieben, um die Tiere aus dem Schlafzimmer heraus zu halten. Trotzdem gab es – wie uns Bryan beim Mittagessen erzählt – schon Gäste, die nach einer Nacht abgereist sind, weil es eine (völlig ungefährliche 😉 ) Vogelspinne in das Moskitonetz über dem Bett geschafft hatte, also von innen über der schlafenden Person hing.

Um 15 Uhr treffen wir uns zur Nachmittagsaktivität: mit dem Boot ein Stück den Fluss abwärts, 1,5 km zu Fuss zu einem See (der in der Vergangenheit aus einer Schleife des Flusses entstanden ist) und dort mit einem Katamaran zur Tierbeobachtung. Am Anleger vor dem Fussweg legt auch gerade ein weiteres Boot mit einem Guide und zwei Deutschen Frauen (Sonia aus dem Allgäu, Stefanie aus Konstanz) an, und wir beschließen, alle auf einem Katamaran den See zu befahren. So können sich die beiden Guides mit dem Rudern abwechseln, denn fortbewegt werden die Katamarane mit einem manuellen Ruder im Heck, aus Rücksicht auf die Fauna. Und dann gleiten wir langsam den See entlang, sehen mehrere Stellen mit Capybaras, die wir bislang nur im Zoo von Santa Barbara gesehen haben, nie in der Wildness, rote Brüllaffen, viele Kuhreiher (beim Nachschauen fällt auf, dass es diese wohl auch auf Helgoland gibt) und diverse andere Vögel und Fische.

Von Sonja aus dem Allgäu lernen wir auf dieser Bootstour, woher die Redewendungen „blau sein“, „blau machen“, „ein blaues Wunder erleben“ kommen: bei den Indigo-Färbern im Allgäu mussten die Männer viel Bier trinken, um viel urinieren zu können (sie waren dann betrunken), das Tuch wurde in dem Bottich mit Urin gerührt und noch weiß an die Leine gehängt – erst in der Sonne beim Trocknen kam die blaue Färbung zustande (wie durch ein Wunder wurde das Tuch blau). Und so etwas lernt man im Peruanischen Amazonas-Regenwald :-)!

Was wir heute nicht sehen, sind Stachelrochen und Riesenotter, die es in diesem See auch gibt. Aber es kündigt sich Regen an, und wir wollen nicht unbedingt nass werden, also fahren wir irgendwann lieber zügig zurück. Es ist inzwischen schon dunkel, nur die fast unwirklich wirkenden Blitze erhellen zwischendurch immer wieder den Himmel hinter der dunklen Silhouette des tropischen Regenwaldes. Während wir vor dieser unfassbaren Kulisse durch das Wasser gleiten, stellt sich dieses eigenartige Zufriedenheits- oder Glücksgefühl ein, das man meist irgendwo in der Magengegend verspürt. Serotonin und Dopamin bei der Arbeit 😉

Im Dunkeln laufen wir die Strecke zum Fluss zurück, verabschieden uns von den beiden Frauen und begeben uns auf der Rückfahrt noch auf Kaiman-Sichtungs-Jagd. Mit einem starken Scheinwerfer leuchtet Bryan das Wasser und die Ufer ab, und an zwei Stellen entdeckt er im Vorbeifahren im Ufergrün liegende Kaimane. Er erklärt uns, dass er die rote Reflektion der Augen im Scheinwerferlicht erkannt hat.

Sehr zufrieden kommen wir pünktlich zum Abendessen am Explorers Inn an. Als wir nach dem Essen noch etwas mit Bryan quatschen, wertet die Französische Gruppe gerade penibel alle Vogelsichtungen und die erkannten Vogelstimmen aus, was recht lustig klingt. Sie scheinen das sehr professionell zu machen.

Sonntag 17.11.24 – Tambopata National Reserve

Beim Erwachen und langsamen Lauterwerden des Regenwaldes wachen auch wir ebenfalls eher langsam auf. Viktor freut sich, dass es keine Vogelspinne ins Moskitonetz geschafft hat. Zum Frühstück um 7:30 gibt es heute kein Toastbrot mehr auf dem Buffet, dafür aber mehr Pancakes. Die französischen Birdwatcher haben gestern sämtliches Toastbrot für Sandwiches vertilgt, erklärt uns Marco, der Manager des Hotels. Da hatte er sich leider komplett verkalkuliert, und es kommt erst morgen wieder Toastbrot per Bootslieferung. Auf Vorrat kann man hier in dem feuchten Klima kein Brot kaufen, da es zu schnell schlecht wird.

Marco erzählt uns, dass Birdwatcher eine ganz besondere Kundschaft sind, besonders für die Fremdenführer. Er hat diesen Job als Guide früher auch gemacht. Birdwatcher laufen eigentlich ständig mit dem Blick nach oben durch den Regenwald und achten dabei nicht wirklich darauf, wo sie hintreten. Er ist selbst schon mit einer Gruppe Birdwatchern mitten in einem Ameisenhaufen gelandet und hat es erst gemerkt, als die Ameisen schon tief in den Hosenbeinen unterwegs waren. Zum Glück waren es keine Feuer-Ameisen sondern nur die Blattschneider-Ameisen, die hier überall große Kolonien bilden, in denen riesige Völker mit mehreren Königinnen leben. Sie können teilweise bis zu 60 Meter tief in den Boden reichen. Auf den Blattstücken betreiben diese Ameisen übrigens eine Art Landwirtschaft, denn sie züchten auf den Blattstücken Pilze, von den sie sich ernähren.
Bei solchen Führungen ist er auch schon mit Birdwatchern regelrecht über eine Anaconda gestolpert, die am Wegesrand in der Sonne lag und irgendetwas richtig Großes verdaute, denn der Körper war um ein Vielfaches dicker als der Kopf. Es war aber offenbar kein Birdwatcher, den sie verschlungen hatte.
Marco hat auch schon einmal einen etwas übergewichtigen Birdwatcher für 5.000 USD in eine entlegene Andenregion geführt, um irgendwo einen seltenen Vogel zu sehen, den es nur dort gibt. Nach anstrengender Bergwanderung, auf der er ständig Angst um das Leben seines Kunden hatte, und nach fünf Stunden Wartezeit, wollten sie sich gerade erfolglos auf den Rückweg machen, als der Vogel doch noch auftauchte. Der Birdwatcher sprang vor Freude wie ein kleines Kind auf und ab und konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Ein faszinierendes Hobby, bei dem sie offenbar bereit sind, unfassbare Summen für die Sichtung eines Vogels auszugeben, der auf ihrer Checkliste noch fehlt.

Für uns geht es nach dem Frühstück leider schon mit dem Boot zurück nach „Infierno“ und dann mit dem Kleinbus weiter zum Flughafen Puerto Maldonado. Es war ein toller Amazonas-Kurzurlaub und wir können uns nur nochmal ganz herzlich bei Andy und Susan für diesen Tipp bedanken. Auch wenn wir die riesigen Schwärme von Aras (Macaws) nicht gesehen haben, denn dazu hätten wir nochmal ein paar Stunden mit dem Boot fahren müssen, um ein Lehm-Steilufer zu besuchen, an dem diese Vögel Lehm fressen, um die Verdauung von giftigen Früchten zu ermöglichen. Das funktioniert so ähnlich wie das Essen von „Heilerde“ beim Menschen. Auf der Bootsfahrt sorgt Bryan heute sogar nochmal dafür, dass wir an einem kleineren Lehmufer auch noch ein paar Aras aus der Nähe zu sehen bekommen.

Wir erreichen den Flughafen von Puerto Maldonado sehr früh und haben bis zur geplanten Abflugzeit noch drei Stunden Wartezeit, die wir für den Blog nutzen. Es dauert aufgrund einer Verspätung des ankommenden Fluges sogar noch eine ganze Stune länger. Mmmmh … mit der Zeit hätte man vor Ort sicher noch eine kleine Wanderung machen können. Egal, wir haben die Zeit hier sehr genossen. Mal schauen, ob wir es heute Abend in Cusco noch rechtzeitig zum abendlichen Briefing für unsere morgige Tour nach Machu Picchu schaffen. Um 17:00 Uhr müssen wir uns dazu heute in einem Restaurant in der Nähe der Plaza Mayor einfinden und morgen um 3:00 Uhr morgens werden wir am Hotel eingesammelt.

Zunächst wird gemunkelt, dass es der Starkregen in Cusco ist, aber der Airbus kommt aufgrund eines erneuten Streiks in Lima noch viel später als zuerst erwartet – wir erfahren es allerdings nur nach und nach. Erst bekommen alle Fluggäste eine Tüte mit Wasser, Saft und zwei kleinen Snacks (was zwei bis vier Stunden Verspätung bedeutet – an der Anzeigentafel steht lange noch die eine Stunde), später gibt es noch ein warmes Essen und ein Getränk (entsprechend vier bis sechs Stunden – inzwischen steht an der Anzeigetafel 17:30 statt 13:25), und tatsächlich fliegen wir dann erst um 18:30 Uhr los.

Wir haben aber Sitzplätze und freies W-LAN und nutzen die „gewonnenen“ Stunden zur Planung unserer nächsten Radfahrtage und Sichtung der Unterkunftsmöglichkeiten incl. Reservierung von Valparaiso über Silvester, weil dort schon Einiges ausgebucht ist.

Als klar ist, dass wir es nicht zum Briefing für morgen schaffen, bekommen wir alle Infos und die Tickets digital geschickt, und aufgrund des Wetters werden wir erst um fünf statt um drei Uhr abgeholt werden, damit wir nicht so lange im Regen stehen und warten müssen.

endlich an Board – mit hoher Luftfeuchtigkeit

Vor dem Flug werden starke Turbulenzen angekündigt, aber die 35 bis 40 Minuten vergehen ganz ruhig. Auf dem Weg vom Flughafengebäude zum wartenden Auto von Richard von Peru4fun müssen wir allerdings wirklich mit Regenjacken und durch riesige Pfützen laufen – die lang erwartete Regenzeit hat begonnen.

Es ist fast 20 Uhr, als wir im Hotel sind. Wir bereiten nur alles für morgen vor und beenden den Blog – mit Nahrung wurden wir den Tag über ja ausreichend und müssen uns da nicht mehr drum kümmern ;-).

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  1. Joa n corral

    Un abrazo para los dos. Es super onreresabte todo lo q os pasa y como segeis adelante.
    Estais preparados para todos los incpvenientes.
    Salud. 😉

  2. Andy Dean

    I’m a little behind with your blog-our Costa Rica trip was wonderful but really flooded by two tropical storms. We love the rain forest. Reading about the cut off lake reminds me of when I brought students there. Almost immediately the water was too deep and the boots flooded. Further along we had to cross a bridge that was one meter under water holding our backpacks above our heads. We didn’t see otters or dolphins but it was very memorable. I hope you enjoyed the Tambopata trip with Capibaras monkeys and French tourists!!

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