Montag 27.1.25 – Puerto Montt
Wir frühstücken um acht und gehen danach gleich los in Richtung der ersten Western Union – Stelle. Der Plan ist, die verschiedenen Niederlassungen zu bitten, uns zu kontaktieren, wenn jemand Geld eingezahlt hat und es ihnen möglich ist, uns auszuzahlen. Das „Chilexpress“ in unserer Straße liegt am nächsten. Und sie haben trotz der frühen Stunde Geld da! Nur der Server funktioniert nicht, das sollte aber bald behoben sein. Damit hätten wir gar nicht gerechnet – gleich der erste Versuch! Wir setzen uns also in den Wartebereich, bis es irgendwann dann doch Zeit ist, weiterzugehen, obwohl wir das Geld noch nicht haben. Für 10 Uhr haben wir uns nämlich für eine Walking Tour angemeldet und müssen bis zum Startpunkt noch einige Zeit laufen. Der Mitarbeiter notiert sich noch unsere Telefonnummer, um und gegebenenfalls kontaktieren zu können, und wir beeilen uns, zum Treffpunkt zu gehen.
Am hohen Fahnenmast an der Uferpromenade werden wir erwartet von Bernhard und sind die Einzigen. Heute liegt kein Kreuzfahrtschiff im Hafen, von denen sonst häufiger die Touristen kommen. Bernhard stammt aus Simbach am Inn in Bayern (direkt gegenüber von Braunau in Österreich), ist vor sieben Jahren als Deutschlehrer hierher gekommen, hat Walking Touren vermisst und das kurzerhand selbst in die Hand genommen. Inzwischen arbeitet er freiberuflich (als Online-Lehrer – Sitz seiner Firma ist in Deutschland) und bietet diese Walking-Tour an, manchmal gemeinsam mit einem Mapuche-Freund, der heute aber nicht kommt.
Die nächsten gut zwei Stunden erfahren wir von Bernhard etwas über die Denkmäler und Kunstwerke der Stadt (die vier Hügel, Deutsche Einwanderer, wichtige Persönlichkeiten) und über die Proteste 2019, während derer z.B. die Bänke aus der Kathedrale auf dem Kirchenvorplatz von Protestierenden verbrannt wurden, unter anderem auch aus Wut über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche von Puerto Montt – die Fassade ist noch immer provisorisch verrammelt, weil die Fenster ebenfalls zerstört wurden. Außerdem zeigt er uns das Diego Rivera Theater: der Eintritt kostet umgerechnet einen Euro, egal ob für einen Kinofilm oder eine Theatervorstellung, die einmal monatlich gezeigten Filme in Deutscher Sprache mit Spanischen Untertiteln sind sogar kostenlos. Wir sehen die Casa Pauly und die Jesuitenkirche mit dem Glockenturm dahinter. Im Pueblito Melipulli bekommen wir hiesige Spezialitäten gezeigt, unter anderem den Curanto-Eintopf, ein Fleisch-Fisch-Gericht, das schon vor 6.000 Jahren in dieser Region um die Insel Chiloé in Erdlöchern zubereitet wurde. Während der ganzen Zeit tauschen wir uns – alle drei in ihrer Muttersprache – sehr viel aus.
Im Anschluss an die Tour machen wir „unten“ noch eine Kaffeepause in einem Café mit lauter riesigen Teddybären an den Tischen, bevor es die Terrassen wieder nach „oben“ geht und wir beim Western Union/Chilexpress wieder vorstellig werden. Das Personal hat inzwischen gewechselt, Jutta zieht eine Wartenummer, kommt sofort dran und erhält ganz schnell und ohne viele Worte neues Bargeld. Geht doch!
Im Hostal machen wir die Planung der kommenden Tage, bis wir uns zeitig von einem Uber-Taxi zum Restaurant „Kiel“ bringen lassen, das montags nur bis 18 Uhr geöffnet hat. Hier geniessen wir ein frühes und sehr gutes Abendessen – typische überbackene Suppen (Chupes de Pulpo und Camaron) und Viktor einen tollen Nachtisch mit Eis, Maronen und einem Schuss Whisky (Copa Kiel), einen Nachtisch den die Gründerin des 1973 eröffneten Lokals erfunden hat.

Per Uber fahren wir wieder zurück und beschäftigen uns weiter mit der Planung der Tage bis zu unserer Fähr-Kreuzfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales am 8. Februar. Am Ende kommt eine machbare Rundtour dabei heraus, die aber einige Tage mit bis zu 1.000 Höhenmetern zu bieten hat. Wenn uns da noch heftiger Wind in die Quere kommt, was hier nicht selten der Fall ist, könnte das schwierig werden, aber wir sind ganz zuversichtlich und wollen die schöne Landschaft und die wunderbaren Ausblicke möglichst genießen.



























Dienstag 28.1.25 – (172) – Puerto Montt – Chacao

Gesamt: 10.933,86 km
Heute, am dritten Morgen im selben Hostal, sind die Brötchen inzwischen ziemlich trocken – wahrscheinlich noch dieselbe Charge wie vorgestern. Frühestmöglich um halb acht sind wir im Frühstücksraum (der mit dem piependen Rauchmelder – häufiger als einmal in der Minute), um 8:45 Uhr fahren wir los. Es geht über einen Halt im Supermarkt direkt zur RN-5, denn das ist der einzig für uns mögliche Weg zur Fähre auf die Insel Chiloé.
Auf dem dauerhaft guten Seitenstreifen begegnen wir heute recht vielen anderen Radfahrenden, zwei kommen uns sogar auf unserer Seite entgegen. Nach nur 20 Kilometern halten wir am südlichst gelegenen Pronto (Raststätte der COPEC-Tankstellen), wie wir dort erfahren, und trinken schon mal einen Kaffee.
An der Straße stehen heute alle paar Kilometer interessante Schilder von gefährdeten Tierarten, die dazu aufrufen, keinen Müll aus dem Fenster zu schmeißen.




Vielleicht hätte es einen noch größeren Effekt, wenn auf den Bildern süße Katzen, Hunde, Seehunde oder so zu sehen wären… (sie sind weder gefährdet noch leben sie hier in der Wildnis, aber mehr Mitleid würden sie wohl hervorrufen).
Kurz vor Pargua müssen wir von der Ruta 5 abfahren zur Fähre. Schon seit 1967 gibt es Bemühungen, eine Brücke über den „Kanal“ zu bauen, nach mehreren Rückschlägen steht die Eröffnung wohl demnächst bevor, so zumindest noch 2017 – inzwischen heisst es 2028 bis 2030.
Am Fährhafen können wir als Radfahrer praktisch sofort auf eine der Fähren. Diese fahren so häufig, dass selbst Kraftfahrzeuge nie lange warten müssen.




Nach 20-minütiger Fahrt landen wir in Chacao an. Im Ort machen wir noch eine Kaffeepause mit Apfel-Empanada und Orangen-Marmorkuchen, weil unsere Unterkunft sehr einsam und etwas außerhalb liegt. Wir besorgen uns sogar schon die Getränke für morgen, bevor wir die verbliebenen zwei Kilometer mit sehr starker Steigung in Angriff nehmen. Am Platz gucken wir noch die Holzkirche an, die aber nicht zum Weltkulturerbe gehört wie einige andere der über 150 auf dieser Insel.
Unsere Cabaña hat wie die ganze Nachbarschaft gerade weder Strom noch Wasser. Wir haben die dafür verantwortlichen Arbeiter überholt: sie arbeiten an der Stromleitung, also ist der Strom seit 11 Uhr abgeschaltet. Und ohne Strom kann kein Wasser in den Wasserturm gepumpt werden, der alle hier oben versorgt und mitttlerweile leergelaufen ist. Ab 17 Uhr soll beides wiederkommen, das ist noch etwa eine Stunde, also kein Problem.
Plötzlich startet die Waschmaschine in unserer Cabaña von ganz alleine, um Einiges früher als 17 Uhr. Scheinbar ist sie so eingestellt, dass sie sofort einen Waschvorgang startet, wenn sie mit Strom versorgt wird. Nur das Wasser braucht länger, bis es wieder fließt.
Bevor Viktor überhaupt duschen kann, klingelt sein Handy und das Café aus Chacao ist am Apparat: er hat etwas im Café vegessen! Sie haben vorher schon über den Facebook-Messenger eine Nachricht geschrieben. Viktor bietet an, das Vergessene (wir wissen noch nicht, was es ist) abzuholen, aber der Anrufer sagt, er bringe es vorbei und wäre in fünf Minuten da.
Es ist das Portemonnaie inklusive dem Führerschein, über den dann der Facebook-Account gefunden wurde. Und der Mann (Axel) lehnt jeglichen Finderlohn ab, obwohl er mit einem Freund sogar noch im Auto den Ort abgefahren ist, um uns eventuell auf dem Fahrrad zu sichten! Das war wohl der richtige Ort, um seine Geldbörse liegenzulassen! Was wäre passiert, wenn es irgendwo mitten auf der Strecke passiert wäre, womöglich bei jemandem, der Facebook gar nicht kennt oder nutzt? Gar nicht auszudenken!
Unsere Cabaña hat zwar eine Küchenzeile, aber wir können abends ein Essen von der Betreiberfamilie bekommen, was wir neben dem Frühstück morgen auch gerne annehmen. Auf der einen Seite der Gebäude weidet eine Kuh, auf der anderen Seite ein Pferd, wir sind richtig auf dem Land.
Das Abendessen ist ein riesiges Stück gebratener Lachs aus der Region mit gekochten Kartoffeln, Brot und Salat. Gekochte Kartoffeln! Keine Pommes! Wann konnten wir eigentlich das letzte Mal gekochte Kartoffeln essen? Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an.
Beim Abendessen unterhalten wir uns kurz mit einem anderen Gast am Nachbartisch, dessen Tochter an der Deutschen Schule in Temuco war und nun als Krankenpflegerin in Düsseldorf arbeitet. Sie hat gerade vor ein paar Tagen ihre erste eigene Wohnung bezogen und 1.500 Euro Abstand für die Küche an den Vormieter gezahlt. Wir reden kurz über den Fachkräftemangel in Deutschland und darüber, wie sehr unsere „Boomer“- Generation im hohen Alter darauf angewiesen sein wird, solche Menschen aus anderen Ländern für das Leben und Arbeiten in Deutschland zu begeistern.
Da wir morgen sehr früh aufbrechen wollen, bringt uns die Betreiberin der Cabañas um kurz vor 21:00 Uhr sogar noch das gesamte Frühstück vorbei, damit wir es morgen auch schon in aller Frühe einnehmen können. Wir sind ziemlich begeistert von der Freundlichkeit und Flexibilität.

















Mittwoch 29.1.25 – (173) – Chacao – Dalcahue

Gesamt: 11.037,73 km
Der Wecker klingelt um sechs Uhr. Es ist ziemlich abgekühlt in der Cabaña und wir versuchen vergeblich, den kleinen Heizbrenner ans Laufen zu bekommen (er arbeitet wahrscheinlich mit Kerosin). Statt dessen ziehen wir uns etwas dicker an – schließlich müssen wir noch frühstücken. Beim Aufbacken der Brötchen im Miniofen verkohlt die Unterseite etwas, richtig gut dagegen ist der Kuchen, den wir auch noch bekommen haben.


Um acht Uhr kommen wir los. Gleich nach einigen Kilometern ist die Straße unbefestigt – das versuchen wir eigentlich immer zu vermeiden, aber gestern Abend nach der letzten Änderung der Strecke hat es wohl keiner von uns mehr kontrolliert. Umdrehen und noch einmal durch den Ort fahren wollen wir aber auch nicht, das wären noch einige Höhenmeter mehr, und die Strecke heute hat es schon in sich.
Nach dem Überqueren der RN-5 ist die Straße asphaltiert. Es ist wenig Verkehr, aber es geht den ganzen langen Tag auf und ab – mit sehr schönen Abfahrten zwischendurch.

Nach etwa 25 Kilometern wollen wir beim Café Cakes and Cream eine Pause machen, laut google maps hat es ab neun Uhr geöffnet und liegt direkt an unserer W-15. Da scheint wieder einmal ein Pin falsch gesetzt worden zu sein, dieses Café liegt nirgendwo auch nur dort in der Nähe. Also halten wir ein paar Kilometer weiter an einer Aussichtsplattform.


Kurz bevor wir weiterfahren wollen, überholen uns zwei Bikepacker, die wir auf den folgenden etwa 15 Kilometern bis Quemchi die ganze Zeit uneinholbar vor uns fahren sehen. Kurz vor diesem Ort bleiben die zwei stehen, und im Überholen „verabreden“ wir uns im ersten Café in Quemchi. Und das klappt in der Cafeteria Mi Barrio am Platz. Josefine und Lancelot aus Brüssel sind in Temuco losgefahren und haben vier Monate Zeit, Ende April fliegen sie zurück.


Kurz nach dem Weiterfahren haben wir erst die halbe Strecke, und es kommt eine so steile Steigung, dass wir schieben müssen. Beziehungsweise schieben und ziehen: Jutta läuft vorne und zieht mit der „Schiebehilfe“ von Carlos. Das funktioniert prima, es ist für beide weniger anstrengend als vorher.

Und nach 66,14 Kilometern haben wir dann die 11.000 Kilometer geknackt, gerade nach einer schnellen Abfahrt und bevor es wieder steil hoch geht – das passt gut.





Bei genau 70 Kilometern geht eine Schotterstraße zu den Cascadas de Tocoihue. Wir lassen das Tandem einfach an der Grenze von Asphalt zu Schotter stehen und laufen die Strecke zum Eingang, wo wir nur gegen Eintrittszahlung die Stufen zum Aussichtspunkt hochgehen dürfen. Den Weg nach unten sparen wir uns aus Zeit- und Energiegründen.



Kurz nach dem Besuch der Wasserfälle haben wir zunächst wieder eine lange Steigung zu bewältigen und danach fahren wir ein ziemlich steile, sehr gerade Abfahrt mit fast perfektem Straßenbelag hinunter. Vor ein paar Tagen haben wir den Reifendruck kontrolliert und wieder auf 3,2 bar aufgepumpt. Wir haben ideale Bedingungen und überbieten mit 73,7 km/h unseren bisherigen Geschwindigkeitsrekord.

Bei der Beschreibung der Bedingungen für unseren Rekord muss Viktor an seinen Vater und unseren alten Volkswagen K70 denken. „Watt macht der Spitze?“ war so eine typische Frage im Ruhrpott. Vater Günter hat dann immer mit der Phrase „Bergab, mit Sonne und Wind im Rücken, da schafft’er…“ geantwortet. Wir hatten heute bergab zumindest auch die Sonne im Rücken … beim Wind sind wir uns nicht ganz sicher.
Da fällt mir (Viktor) ein, dass die ganzen Schreine am Wegesrand auf einem lateinamerikanischen Volksglauben basieren. Solange sich noch ein Mensch an einen Verstorbenen erinnert, ist derjenige nicht ganz tot. Manche der Schreine am Wegesrand sind ganze Kapellen mit Stegen, Plattformen und Sitzbänken, auf denen man sich zum stillen Gedenken niedersetzen kann. Ich stelle mir die „ewige Ruhe“ ja immer als ultra-langen Schlaf vor und hoffe mal, dass nicht jedes Mal der Wecker klingelt, wenn jemand an den Verstorbenen denkt. Falls doch: Sorry Papa!
Als wir ein am Rand stehendes Auto überholen, aus dem die Familie gerade Wassermelonenpause macht, ruft Viktor im Vorbeifahren dem Sohn im Real-Madrid-Shirt ein „ViscaBarca“ zu. Als sie uns kurz darauf mir dem Auto überholen, ruft der Junge aus dem geöffneten Fenter ein „Real Madrid“ zurück.
Auf halber Strecke vom Wasserfall bis zum Ziel findet sich leider nur eine Bushaltestelle zum nochmaligen Anhalten. Noch etwas später können wir aber wenigstens in einem Minimercado noch einmal kalte Getränke kaufen – sie haben sogar gekühltes Clausthaler Lemon :-).
Um halb sieben nach einem langen Tag kommen wir an der Plaza de Dalcahue an, wo wir erst abendessen wollen, bevor wir mit einem noch verbleibenden langen Anstieg zum Hostal die heutige Tour endgültig beenden. Eventuell wollen die Kinder von Claudio und Rosana auch noch mit uns hochfahren. Auf dem Platz hören wir wieder einen „Real Madrid“-Ruf, der Junge hat uns wiedererkannt. Und wir treffen ein Deutsches Paar, dessen Sohn schon mit dem Rad von Ecuador nach Ushuaia und das selber schon einige Male mit dem Rad in Asien unterwegs war. Hier sind sie jetzt mit dem Auto.
Im Refugio de Navigantes essen wir leckere Mangold-Lasagne bzw. Mangold-Quiche und dürfen uns noch eine Vorspeise (Suppe oder Salat) auswählen. Beide nehmen den Salat, und dann kommt Juttas Quiche noch einmal mit Salat. Das kommt nämlich immer zusammen… das hätte die Bedienung ja eventuell bei der Salatbestellung klären können, aber egal! Viktor schafft im Anschluss noch eine großes Stück Tiramisu.
Die Radfahrfamilie ist noch unterwegs, also machen wir uns ohne jugendliche Begleitung auf die letzten drei Kilometer bergauf zum Hostal Casa del Bosque, das Claudio für uns zu einem reduzierten Preis reserviert hat. Um halb neun erst kommen wir dort an, und Viktor bekommt „wegen der Anstrengung“ sogar noch eine Dose Bier ohne Berechnung auf’s Haus.
Der Abend wird nicht mehr sehr lang, und zu unserem „Glück“ kommt die ganz in der Nähe wohnende Familie von Claudio und Rosana nicht mehr vorbei (auch wenn es eigentlich schade ist;-) ) – wir sind wirklich sehr müde!














Donnerstag 30.1.25 – (174) – Dalcahue – El Pulputo (Lago Natri)

Gesamt: 11.111,07 km
Im netten Hostal Casa del Bosque frühstücken wir um acht und sind um neun fertig zur Abfahrt. Leider hat es nicht geklappt mit einem Treffen mit denen, die uns dieses Hostal reserviert haben (Claudio, Rosana, Vicente, Cristobal) – wir lassen wenigstens unsere Aufkleber für sie da, denn sie wohnen ganz nah und kommen eventuell später vorbei. Aber wir müssen wirklich pünktlich los, sonst schaffen wir den heutigen Tag nicht, besonders wenn noch schlechtes Wetter oder Gegenwind aufkommen sollte. Abends haben wir ein total liebes Dankesvideo von ihnen.





Wir fahren aus Dalcahue in Richtung Norden heraus, ohne noch einmal herunter in den Ort zu fahren, sondern gleich in Richtung der R-5, die hier auf der Insel wenigstens keine Autobahn mehr ist, sondern nur einspurig mit Seitenstreifen. Nur in den Steigungen gibt es bei Bedarf eine zweite Spur, und das ist heute mehrfach der Fall.
Die R-5 geht mitten durchs Landesinnere, bis sie in Castro zur Küste führt. Dort wollen wir eine Pause machen, halten an einem nach „Café“ aussehenden Laden, dessen Verkäuferin uns aber den Weg zum Café Blanco erklärt. Dort im WIFI kümmert sich Viktor um eine Übernachtungsmöglichkeit für heute, Jutta soll die Tickets für die Fährfahrt nach Chaitén buchen. Kurz nachdem dieses beim dritten Bezahlversuch endlich geklappt hat, entdeckt Viktor im Spam-Ordner seiner Mails, dass er vor drei Tagen schon Tickets gekauft hatte. Die Pause wird also noch etwas länger, da wir versuchen, die gerade getätigte Buchung wieder zu stornieren. Das ist ohne Chilenische Kontonummer nicht so leicht. Wir sollen es per E-Mail an die Buchhaltung versuchen, aber vermutlich müssen wir später die Kreditkartenabbuchung für die doppelten Tickets stornieren. An einem Nachbartisch sitzt eine Katalanin aus dem Empordà, mit der Viktor sich austauscht. Außerdem entdeckt uns der Junge mit dem Real Madrid-Trikot auch hier am Platz wieder und ruft grüßend zu uns rüber, die Familie ist mit dem Auto auch nicht schneller unterwegs als wir.
Für eine zweite Pause fahren wir nach Chonchi rein. Die lange Straße in den Ort ist eine tolle Allee. Wir suchen den Hauptplatz, zu dem es ziemlich abwärts geht und in dessen Nähe rein gar nichts zum Einkehren ist. Eine Passantin rät uns zum wohl einzigen „Restaurant“ (in der Hauptstraße), also setzen wir uns dort und Viktor kann einen weiteren Completo essen.
Als wir weiterfahren, hören wir ein neues Geräusch am Hinterrad. Hängt da eventuell ein Gurt in den Speichen? Wir halten an, und es ist „nur“ ein überfahrenes Kaugummi, dass bei jeder Umdrehung ans Schutzblech stößt.
Am Ende einer Steigung wartet ein Auto auf uns, die Beifahrerin ist ausgestiegen und winkt uns zu warten. Sie haben uns gestern auch schon gesehen und wollen uns heute eine Übernachtung oder ein „Descanso“ bei ihnen zu Hause anbieten. Der Ort Compu liegt zehn Kilometer hinter dem Lago Natri, wo wir erst heute mittag eine Cabaña reserviert haben, und wir lehnen dankend dieses nette Angebot ab.
Um halb sechs sind wir an der Abfahrt zu den Cabañas San Nicolas, schieben nach unten an den See und bekommen die Cabaña Canela, in der auf zwei Etagen sechs Schlafplätze sind – eigentlich viel zu groß. Oben an der Straße gibt es ein Restaurant „Casa del Lago“ nur 650 m entfernt, dass bald schließt, also gehen wir zunächst dort essen. Die Nichte der Betreiberin bedient uns, und der frische Lachs mit Rosmarin (hier ist einfach absolute Lachsregion) ist sehr lecker, kann man sich merken.
Auf dem Rückweg nehmen wir die „Abkürzung“ am Strand (ein Mann bestätigte uns, dass der See öffentlich sei und es keine Zäune gäbe) und müssen halb durch das Wasser über große Kiesel laufen. Währenddessen kommt immer mehr Wind auf, und kurz bevor wir am Haus sind beginnt der Regen. Drinnen befeuern wir den Ofen und gucken dem richtig starken Regen zu. Hoffentlich reicht die Ofenwärme, unsere Kleidung zu trocknen, inklusive der Handtücher (wir müssen unsere eigenen nutzen).

































Freitag 31.1.25 – (175) – El Pulputo (Lago Natri) – Quellón

Gesamt: 11.168,46 km
Leider hat der Ofen nicht die ganze Nacht durchgehalten und die Hütte ist morgens ziemlich kalt und die Klamotten kalt bzw. noch klamm. Wir nutzen deshalb die Küche, um vor dem Verlassen schon ein paar Tassen Bünting-Ostfriesentee zu trinken – so sind wir wenigstens von innen warm. Über dem See wabert dert Nebel, es sieht richtig mystisch aus, trotzdem sehen wir keinen der in dieser Gegend lebenden Gnome ;-). Um kurz nach acht fahren wir zur Casa del Lago (von gestern abend), da es dort auch Frühstück gibt.







Die Fahrt auf der R-5 ähnelt der gestern, auch wenn wir nur zwei größere, steile Anstiege neben dem ganz normalen „Grundrauschen“ zu bewältigen haben, und heute können wir alles fahren.
Da die Strecke nicht so lang ist, gucken wir ab der Hälfte nach einer Pausenmöglichkeit. Die Auswahl ist gering, und das, was wir sehen, ist geschlossen. An einer geöffneten Einfahrt mit vielen wehenden Fahnen verschiedener Lebensmittelhersteller finden wir den entsprechenden Laden nicht, ein angesprochener Herr druckst ein wenig herum, ruft dann eine Frau, die uns fragt, was wir den bräuchten. Bei ihr kann man wohl Grundnahrungsmittel kaufen, heißes Wasser für Tee oder Kaffee aber nicht. Aber zwei Kilometer weiter wäre ein Autoservicio, da könnten wir etwas finden.
Auf dieser ja kurzen Strecke überholt uns ein Auto und fährt rechts ran. Der Fahrer (Matías) holt etwas aus dem Kofferraum und macht Handzeichen, damit wir anhalten. Er schenkt uns einen ganzen Karton mit Sushi (Lachs, Thunfisch und Huhn). Wir nehmen dankend an, er wendet und fährt zurück. Matías muss also extra hinter uns her gefahren sein – er hat bestimmt geahnt, dass wir gerade Pause machen wollen.


Tatsächlich finden wir bald eine Art kleines Einkaufszentrum: ein Klamottenladen, eine Ferreteria, ein Supermarkt und ein Restaurant, wo wir draußen sitzend Pause machen können. Viktor (der die Sushi leider allein essen muss) beginnt mit dem Verzehr, der Rest wird eingepackt.
Dann sind es noch weniger als 15 Kilometer bis Quellón, und als die zweite harte Steigung überwunden ist, geht es recht zügig.
Im Ort wollen wir erst einmal einchecken, über booking.com ist ein Zimmer gebucht. Im entsprechenden Gebäude in der Hauptstraße ist ein dunkles, dreckiges Treppenhaus, wir denken schon, wir wären falsch. Unter der Telefonnummer meldet sich zunächst niemand. Viktor bekommt dann aber einen Anruf, und die Tochter der Vermieterin soll das Zimmer fertig machen. Es scheint sich um ein Zimmer der Wohnung zu handeln, in dem die Familie lebt, und dieses Zimmer liegt hinter einem Vorhang. Jutta geht parallel auf die Suche nach einer anderen Unterkunft.
Das nahegelegene Hotel Rincon del Sur hätte ein Zimmer für uns, und die Vermieterin des „Zimmers“ verzichtet ungefragt auf das Geld, das wir eigentlich hätten zahlen sollen, und so lassen wir der Familie ihr Zimmer und wechseln zum Hotel.
Gegenüber im Café wollen wir vor dem Duschen noch Kaffee trinken (und weitere Sushi bzw. eine Waffel essen). Mit der betreibenden Venezuelanerin (Horexi) und einem ihrer Söhne (Horacio, 15-jähriger Zwilling, der ihr hilft) unterhalten wir uns nett. Der Sohn würde gerne Deutsch lernen, und wir vermitteln ihm den Kontakt zu Bernhard in Puerto Montt, der ja Deutsch im Online-Unterricht lehrt. Außerdem erfahren wir, dass nur gut sechs Kilometer von hier die Panamericana beginnt bzw. endet, je nach Blickrichtung. Gut, dass wir noch nicht geduscht haben! Das können wir uns doch nicht entgehen lassen, wo wir doch unsere ganze Reise „Panamericana“ nennen und schon auf weiten Strecken darauf gefahren sind.
Also fahren wir – mit stark reduziertem Gepäck – noch einmal los. Zuerst am Büro der Naviera Austral vorbei, um zu erfahren, wo heute Nacht unsere Fähre ablegt und wann wir da sein müssen. Und dann über die immer schlechter werdende R-5 bis zum Ende.










Zurück im Hotel wird geduscht, gebloggt, ein wenig ausgeruht. Abendessen gibt es im Hotelrestaurant (Bandnudeln Pomodoro und Bolognese). Die Bedienung hat gerade ihren dritten Arbeitstag, kennt die Speisekarte noch nicht und die „Limonada Menta-Gengibre“ (Limonade Minze-Ingwer) wird ein bisschen stärker als sonst üblich … aber Jutta schmeckt es.















Gegen 23 Uhr brechen wir zum Anleger von Naviera Austral auf, denn wir sollen nach den Autos, die um elf boarden sollen, auf die Fähre. Allerdings ist noch kein Schiff in Sicht, statt dessen sammeln sich in den drei Straßen der T-Kreuzung nicht nur PKW, sondern auch LKW und ein Bus, die alle warten müssen und die Straßen verstopfen. Wir brauchen also Geduld, und es ist ziemlich kalt, so um die 10 Grad Celsius. Einige der Rucksack-Touristen sind barfuß und in Shorts, die müssen noch mehr frieren als wir.
Um kurz vor Mitternacht legt die Fähre an, alle Fahrzeuge und anschließend die Personen müssen von Board, die Kontrollcrew muss kontrollieren, ob desinfiziert werden muss, die Cafeteria wird aufgefüllt, und dann erst wird mit dem Beladen begonnen.
Samstag 1.2.25 – Quellón – Chaitén
Es ist inzwischen Samstag, als erst die Lastwagen rückwärts über den langen Anleger hinunter zur Fähre fahren müssen (die Fahrer müssen das wirklich beherrschen!). Wir sind letztendlich mit den zu Fuß Gehenden die Letzten und dürfen unser Tandem in einem Gepäckraum unterstellen, der heute nicht anderweitig gebraucht wird. Im Salon ist es relativ leer, man kann sich auf nebeneinander liegenden Plätzen hinlegen. Bis auf einige laute Schnarcher ist es auch recht leise. Aber es ist kalt! Wieder einmal! Trotz mehrerer Lagen Kleidung übereinander!




Um 4:30 Uhr ertönt eine laute Ansage, dass wir in 15 Minuten in Chaitén anlegen. Es ist noch stockduster. Wir sind zwar wieder bei den Letzten, die an Land gehen, aber es ist trotzdem erst viertel nach fünf in der Früh. Hinter anderen her gehen wir erst in ein Wartegebäude. Dort ist es einigermaßen warm, es gibt Sitzplätze und sowohl einen Automaten mit drei Heißgetränken (der nur Münzen nimmt), als auch einen mit Snacks (der auch Scheine nimmt). Unter den dort Wartenden sind mehrere andere Deutsche, und fast jede(r) muss sich erst einen Snack ziehen, um an Münzen zu kommen, um danach etwas Heißes trinken zu können. Manch einer legt sich mit Schlafsack noch schlafen – oder auch auf Styroporplatten, die herumstehen, in einem Plastiksack. Wir warten mehr oder weniger einfach darauf, dass es hell wird. Unser Hostal hat angeboten, dass wir schon früh kommen dürfen, und das nehmen wir an.




Gegen sieben sind wir am Hostal, der Schlüssel steckt und wir kommen rein, und bald darauf begrüßt uns der Betreiber. Das Zimmer ist schon bereit, wir bekommen aber sogar erst noch ein Frühstück und können unsere Wäsche abgeben, bevor wir uns gegen acht Uhr ins Bett begeben. Im Frühstückraum ist eine größere Runde Väter mit Kindern, die zum Lachs- und Forellenfischen an einen See wollen. Der eine Sohn ist in San Francisco geboren, wo die Chilenischen Eltern seinerzeit lebten – wir haben jedenfalls Gesprächsthemen…


Unsere nachgeholte Nachtruhe beenden wir um halb zwölf. Die Wäsche ist wie von Zauberhand schon fertig gewaschen und getrocknet. Im Café Buen Sabor machen wir auch ohne vorherige Radtour eine Kaffeepause, gleichzeitig mit einem Deutschen Rentnerpaar, dass gerade aus dem Süden kommt (mit dem Auto) und noch bis Ende März unterwegs sein wird (Atacama-Wüste und Bolivien). Im Supermarkt gegenüber decken sich in der Zwischenzeit fünf Bikepacker ein, und die beiden sagen, dass sie unheimlich vielen Radfahrenden begegnet sind.
Den weiteren Nachmittag arbeiten wir den Blog auf und versuchen die nächsten Tage zu planen. Die Fähren, die auf dem Weg nach Norden liegen, sind dummerweise nicht so verfügbar, wie wir sie bräuchten. Jetzt können wir noch einen Tag Richtung Süden fahren, dort umkehren, und dann kommen wir gerade so rechtzeitig in Puerto Montt an, um unsere lange gebuchte Fähre nach Puerto Natales zu bekommen. Auch beim Unterkunft-Buchen gibt es Probleme – hier ist absolute Hochsaison und wir können nicht dort übernachten, wo es für die Fährfahrten eigentlich ideal wäre.
Zur Erläuterung: Die Carretera Austral („Austral“ ist spanisch für Südlich, aus dem Lateinischen „Australis“), auch „Ruta Nacional 7“, war zwar ein Prestige-Projekt des Militärdiktators Pinochet, sie ist aber nicht komplett durchgängig ausgebaut. Wir werden in den nächsten Tagen mehrere kurze und längere Fährfahrten (bis zu 5 Stunden) unternehmen. An einer Stelle müssen wir eine circa 10 Kilometer lange Strecker über Land fahren, die gerade in 2024 asphaltiert wurde (davor war es eine schlimme Schotterstrecke), und diese möglichst schnell durchradeln, damit wir eine Anschlussfähre erreichen, die nicht besonders lange auf Radfahrer wartet. Hier sind schon oft Radfahrende gestrandet und erst sechs Stunden später in der Dunkelheit weitergekommen oder sie mussten sogar wild zelten (teilweise ohne genug Verpflegung), wenn die nächste Anschluss-Fähre ausgebucht war und es erst am nächsten Morgen für sie weitergehen konnte.
Zum Abendessen geht es in das Restaurant „El Volcan„, wo Viktor einen Meer-Aal probiert, ein weißer Fisch, der insgesamt etwas langweilig schmeckt, aber trotzdem überraschend gut ist.























Sonntag 2.2.25 – (176) – Chaitén – Puerto Cárdenas

Gesamt: 11.214,14 km
Schon während der Nacht hören wir es draußen ordentlich regnen und stürmen. Als der Wecker um sieben Uhr klingelt und wir aus dem Fenster sehen, bestätigen sich unsere Befürchtungen. Wir werden es heute (und vermutlich auch in den kommenden Tagen) mit dem typischen Wetter Patagoniens zu tun bekommen: Regen und Wind.
Wir legen uns also vor dem Frühstück schon alle Regensachen (Regenhose, Neopren-Überzieher für die Schuhe) bereit, die wir tief unten in unseren kleinen grünen Packtaschen monatelang mit uns herumgefahren haben. Benötigt haben wir sie eigentlich nie, denn in Mittelamerika war der Regen so warm und meist auch nur so kurz, dass wir keine Regensachen anziehen wollten. Danach hatten wir monatelang keinen Regen oder nur ganz kurze Schauer hier und da, die man in Unterständen locker abwarten konnte.
Wir ziehen das Frühstück ab 8 Uhr ein wenig in die Länge, immer mit dem Blick aus dem Fenster und auf das Regenradar, auf dem es zeitweise so aussieht, als müsste der Regen bald nachlassen. Als der Regen um 9 Uhr eher stärker wird, ziehen wir die Regensachen an und machen uns auf den Weg. Hilft ja alles nix!
Die Carretera Austral (oder Ruta National 7) geht mitten durch den Ort Chaitén, wir müssen also nur der Hauptstraße folgen und sind schnell aus dem Ort heraus und auf der berühmten Straße Richtung Süden unterwegs. Die Landschaft rechts und links der Strecke ist wirklich atemberaubend schön. Wie wir gestern in Chaitén gelernt haben, ist das der einzige Regenwald gemäßigter Zonen in Südamerika. „50 Shades of Green“ ist hier vermutlich noch untertrieben. Und natürlich braucht es dazu ausreichenden Regen, wie wir ihn heute genießen dürfen.
Rechts und links der Straße erheben sich majestätische Berge mit schneebedeckten Gipfeln, die aber gar nicht mal so hoch sind, wie wir es erwartet hatten. In diesen südlichen Breitengraden bleiben auch Gipfel mit 1.800 m Höhe den Sommer über schneebedeckt, vermutlich auch Dank der kalten Humboldt-Meeresströmung (im Gegensatz zum warmen Golfstrom, der in Europa für das Gegenteil sorgt).
An der Strecke sehen wir rechts und links immer wieder kleine Wasserfälle an den Berghängen. Den ersten filmen wir noch, den zweiten fotografieren wir, ab dem dritten Wasserfall genießen wir einfach nur noch die Aussichten (trotz des Regens). Was haben wir auf dieser Tour schon für Wanderungen unternommen, um einen Wasserfall zu sehen … hier lauern sie gefühlt hinter jeder Bergkuppe oder Kurve.
Wir fahren 20 Kilometer durch den … nennen wir ihn mal „halb-starken“ … Regen. Es gibt schlimmeren Regen, aber es ist auch kein leichtes Nieseln mehr. Jedenfalls ist er stark genug, um seinen Weg durch die Wind- und Regenjacken zu finden, die wir nach dem letzten Waschen nicht noch einmal imprägniert haben. Bei Jutta findet das Wasser auch seinen Weg in die Regenhose, so dass sie in dem „ach-so-gemütlichen“ vorderen Sitz irgendwann ziemlich feucht sitzt. Zum Glück haben wir uns nur etwas über 40 Kilometer vorgenommen, mit der Option am Zielort noch eine lange Steigung hinaufzuradeln, um einen schönen Aussichtspunkt (Mirador) auf den Lago Yelcho zu erreichen. Beim heutigen Regen, Nebel und den Wolken entscheiden wir uns schnell, dass wir uns die anstrengende Steigung sparen werden. Außerdem haben wir zum Doppelglück auch noch Rückenwind, was das Ganze auch nochmal deutlich erträglicher macht, als wenn uns der Regen vom Gegenwind ins Gesicht gepeitscht würde. Letzteres blüht uns aber vermutlich ab morgen, denn dann geht es Richtung Norden über die Carretera Austral zurück nach Chaitén und dann weiter bis nach Puerto Montt.
Nach gut 20 Kilometern in Amarillo sind wir gegen 11.15 Uhr trotz der körperlichen Anstrengung ein klein wenig angefroren (es herrschen circa 14 Grad Celsius). Wir nutzen also die einzige Gegelegenheit auf der heutigen Strecke, einen kleinen Supermarkt mit danebenliegendem Restaurant (Supermercado, Restaurant y Cabañas Panchito), betrieben von einer Familie (Vater und Tochter), für die einzig mögliche Pause. Im Supermarkt trinken wir jeder zwei heiße Automaten-Cappuccino, denn das Restaurant öffnet erst in ca. einer Stunde (am Ende sind es sogar fast 1,5 Stunden), wärmen uns auf und unterhalten uns mit dem Besitzer, der behauptet, das sei gar kein Regen sondern nur ein leichtes Nieseln.
Nachdem die Tochter dann die Reinigung der Cabañas beendet hat, öffnet sie um fast halb eins das Restaurant (dranstehen tut als Öffnungszeit täglich 9 – 21 Uhr) und kann uns entgegen der Aussage ihres Vaters sowohl Tee als auch Kaffee anbieten. Wir trinken Tee und essen sogar etwas, sind danach endlich richtig warm und können um viertel nach eins (zwei Stunden Pause nach zwei Stunden Fahrt haben wir sonst noch nicht gemacht) weiterfahren.
Wir verabschieden uns mit „Hasta Mañana“, denn wir werden hier morgen sicherlich wieder eine Pause einlegen. Als wir weiterfahren, hört es tatsächlich auf zu regnen. Ab und zu kommt nochmal ein kurzer Schauer auf, aber zwischendurch zeigt sich auch mal kurz die Sonne, was sofort die Temperaturen und die Stimmung hebt.
Nach 45 Kilometern erreichen wir Puerto Cárdenas am Lago Yelcho und fahren links in eine kleine Straße ab, an der unsere Cabaña der Villa Gesell liegen soll. Leider ist die entscheidende WhatsApp, in der uns der Weg unten am See entlang beschrieben wird, nicht mehr bei uns angekommen, da wir unterwegs mit unserer MAYA eSIM kein Internet mehr hatten. Auch unsere Pausenlokalität bietet kein kostenloses WIFI an, was wir sonst unterwegs oft nutzen. Wir folgen also aus Sicht der Vermieterin fälschlicherweise den Schildern vor Ort, die aber für die mit dem Auto anreisenden Gäste aufgestellt wurden. Dazu müssen wir die bisher steilste Stelle unserer ganzen Tour überwinden. Viktor hat bereits entschieden, das Tandem abzupacken und die Taschen einzeln hochzutragen, als Jutta nochmal eine letzte Anstrengung bis zur nächsten Kurve vorschlägt. Und tatsächlich wird es dort zur Glück flacher. Als wir beim Spaziergang später den angeblich richtigen, einfacheren Weg für Fahrräder entlanggehen, stellen wir fest, dass dieser für uns unbenutzbar ist – wir haben also nichts falsch gemacht und werden morgen genauso wieder zurückfahren auf die Austral.
Wir haben die Cabaña Martin Pescador mit wahrscheinlich besserem Blick auf den See als vom nicht angefahrenen Aussichtspunkt. Sie ist eigentlich für vier Personen, richtig nett eingerichtet, und die Vermieterin heizt uns vor dem Eintreten den Ofen an – hier ist wohlgemerkt Hochsommer! Auf der Terrassenbrüstung sitzt lange ein junger Greifvogel, der wohl noch nicht gut fliegen kann.
Obwohl es jetzt trocken bleibt und die Sonne auch länger mal rauskommt, sind wir froh, sofort hierher gefahren zu sein. So können wir die ganzen feuchten Sachen ausreichend trocknen lassen und nutzen dieses schöne Häuschen auch hinreichend, nicht nur zum Schlafen. Dummerweise ist das WIFI hier „unten“ so instabil, dass das ganze Bilder- und Videohochladen sehr lange dauert, immer wieder muss man „hoch“ in die Nähe des Haupthauses gehen. So vergeht dann der restliche Nachmittag und Abend damit. Nur zwischendurch machen wir den Spaziergang zum See, der uns (wie schon geschrieben) bestätigt, dass wir doch den für uns richtigen Weg hierher genommen haben – unser Tandem ist halt das Wohnmobil unter den Fahrrädern.
Uns fällt auf, dass in dieser schönen Cabaña kein Fernseher vorhanden ist. Nicht, dass wir diesen nutzen würden – äußerst selten kommen wir dazu, mit Smart-TVs mal Nachrichten zu schauen – aber allermeistens, selbst in den einfachsten Unterkünften, gibt es einen Fernseher im Zimmer. Schon so oft haben wir den aus dem Nachbarzimmer sehr laut hören müssen…










































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