Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Woche 45 (3.2.25 – 9.2.25) – Puerto Cárdenas – auf See

Montag 3.2.25 – (177) – Puerto Cárdenas – Chaitén

Gesamt: 11.262,26 km

Wir schlafen aus, da unsere Strecke heute „nur“ wieder zurück nach Chaitén geht, lassen uns Zeit mit dem Frühstück und dem Packen, da es schon wieder regnet, und schauen viel aus dem Fenster, wo sich alle paar Minuten die Aussicht ändert. Sonne, Wolken und Regen sorgen für ein faszinierendes Schauspiel. Ein Fernsehgerät wäre in dieser Cabaña fast schon ein Verbrechen, denn man sollte hier eigentlich permanent am Fenster sitzen und hinausschauen.

Um kurz nach zehn ist es gerade trocken, und wir tragen erst alle Taschen hoch zum Parkplatz und schieben/ziehen dann das unbepackte Tandem, um es oben zu bepacken. Das ganze dauert eine Weile, so dass wir erst um kurz vor elf Uhr losfahren. Heute morgen fahren wir erst ein klitzekleines Stück die R-7 weiter bis zur Brücke über den Rio Yelcho, um von dort noch einen anderen Blick auf den See (und unsere Villa Gesell) zu haben. Von dort fahren wir den Weg zurück, den wir gestern erst gefahren sind.

Immer wieder schauert es, und wenn dann alles nass ist, hört es wieder auf. Zwischendurch können die Sachen mehrfach wieder trocknen – der langsam zunehmende Gegenwind hilft bestimmt dabei.

Am Supermarkt von gestern halten wir heute nur kurz, Viktor will den Betreiber nur fragen, wie er im Spnaischen nochmal den Regen genannt hat, der ja gar kein richtiger Regen ist. „Garuba“ oder „esta garubando“ ist der Begriff, den er dafür benutzt hat. Er steht für leichten Regen und wird so nur in Lateinamerica benutzt.

Statt eines längeren Haltes am Supermarkt wollen wir die Pause im gestern geschlossenen Café „El Avion“ machen und nur zurückkommen, wenn dieses heute auch wieder gschlossen sein sollte. Wir haben aber Glück: das Tor steht offen, und es regnet sogar gerade nicht. Beth ist ursprünglich aus England, ihr Mann aus Südafrika (mit Irischen und Deutschen Wurzeln), der Sohn ist Chilene. Sie macht uns Kaffee und erzählt mit Hilfe eines Tablet-PCs die Geschichte des Flugzeuges: diese DC-3 war im 2. Weltkrieg an der Landung der Aliierten in der Normandie beteiligt und wurde später von der Chilenischen Fuerza Aérea gekauft. Es wurde zur Kartografierung des Chilenischen Südens für den Bau der Carretera Austral genutzt und war sechs Kilometer vom heutigen Standort entfernt abgestürzt. Eine Familie hat es mit Hilfe von zwei Ochsen und Baumstämmen hierher, auf das eigene Grundstück, gezogen und dann von 1975 bis 1995 darin gelebt.

15 Jahre davon haben sie mit Macheten einen Weg zu einem anderen Grundstück am Flussufer freigemacht und sich dort ein Haus gebaut. Inzwischen sind sie ziemlich betagt und leben immer noch dort. Beth und ihr Mann Ignacio betreiben das Café nur im Sommer, den Rest des Jahres gehen sie anderen Jobs nach, wollen aber die Geschichte erhalten und ein richtiges Museum daraus machen. Es kommt zwischenzeitlich noch ein Vater mit seinem siebenjährigen Sohn Diego dort vorbei, die aus Puerto Varras sind. Diego besucht dort die Deutsche Schule.

Uns kommen mehrere andere Bikepacker entgegen, aber den meisten winken wir nur kurz zu, so z.B. auch Josefine und Lancelot aus Brüssel, die wir vor ein paar Tagen in Quemchi trafen. Jutta hat sich die Namen super einprägen können und nutzt dazu eine Eselsbrücke – „Sir“ Lancelot. Viktor hat es mit der gleichen Eselsbrücke versucht, aber ihm fällt dann immer nur „Voldemort“ statt „Lancelot“ ein, weil ihm leider zunächst immer „Lord“ statt „Sir“ einfällt.

In einer Trockenphase halten gegenüber gerade zwei Bikepacker am Straßenrand und wir fahren kurz rüber zu ihnen. Es sind Johanna und Loik aus München, und sie haben fünf Wochen Zeit, um von Puerto Montt bis Villa O’Higgins zu fahren. Als wir von unserem Plan erzählen, sagen sie sofort, dass wir den Weg bis zur Fähre in Caleta Gonzalo nicht in der erforderlichen Zeit schaffen können – es sind 32 Kilometer unbefestigt – Schotter mit dem berüchtigeten Ripio (Waschbrett). Sie haben mit ihren Mountain-Bikes vier Stunden für diesen Abschnitt benötigt. Wir bedanken uns (das war uns bislang entgangen) und wissen, dass wir wieder einmal umplanen müssen. Das war mal wieder einer dieser Glücksfälle unterwegs. Wenn die beiden nicht gerade gestanden hätten, um eine kurze Trinkpause zu machen, wären wir vermutlich einfach winkend aneinander vorbeigefahren. Auf der unerwarteten Schotterstrecke nach Caleta Gonzalo wären wir dann aber in zwei Tagen so richtig in Stress geraten, um unsere Fähre zu erreichen.

Auf der weiteren Strecke bis Chaitén beginnt es dann doch noch einmal richtig heftig und ausdauernd zu regnen, so dass wir unsere tropfnassen Sachen erst einmal zum Trocknen an eine unter dem Carport der Cabaña aufgehängte Wäascheleine hängen müssen als wir in Chaitén ankommen. Viktor wärmt sich mit einer heißen Dusche auf, bevor wir überlegen, wie wir jetzt am besten rechtzeitig nach Puerto Montt kommen. Die beste und risiko-ärmste Möglichkeit scheint eine Fähre von hier zu sein, und wir buchen diese für übermorgen. So können wir die für morgen reservierte Unterkunft in Santa Bárbara noch nutzen und übermorgen früh für die Fährfahrt hierher nach Chaitén zurückkommen. Von Puerto Montt aus können wir eventuell noch einen Tag Richtung Süden auf der Carretera Austral fahren, wenn alles glatt geht.

Anschließend gehen wir zu Fuß wieder hinaus in den Regen. Die Straßen sind ziemlich nass, das Wasser scheint nicht gut abzufließen, und unsere beim Radfahren durch die Schuhüberzieher relativ trocken gebliebenen Schuhe werden sofort pitschnass. Wir machen eine Kaffeepause im uns schon bekannten Café Buen Sabor, gehen Brot und Getränke kaufen und suchen dann noch den Outdoor-Laden hier in Chaitén auf. Das scheint uns der einzige Ort zu sein, in dem wir vielleicht ein Imprägnierspray für unsere Regenjacken erhalten können. Wir haben sie schon zu oft gewaschen, und nur einmal in Panamá imprägniert, und inzwischen saugen sie sich regelrecht mit Regenwasser voll und sind sehr durchlässig. Leider gibt es keinerlei Imprägnierzeug, nur wasserdichte Kleidung. Nach recht kurzen Überlegungen kaufen wir uns beide eine neue Regenjacke – die wenigen noch kommenden Wochen werden ziemlich nass sein, und wir wollen unbedingt trockener bleiben, als das gestern und heute der Fall war.

Neue Regenjacken von Patagonia, gekauft in Patagonien

Vom Outdoor-Laden gehen wir noch schnell in das Museo de Sitio Chaitén, an dem wir vor zwei Tagen noch vor verschlossenen Türen standen. Hier erfahren wir, dass der gesamte Ort Chaitén nach einem Vulkanausbruch 2008 eigentlich aufgegeben wurde und hier niemand mehr wohnen sollte. Stattdessen sollte der Ort in der Nähe von Santa Barbara (wo wir morgen hinradeln) neu aufgebaut werden. Die Bevölkerung ist aber nach dem Vulkanausbruch einfach in den zerstörten Ort zurückgekehrt, wo Unmengen von Asche und Schlamm den Fluss anschwellen ließen, den Ort als sogenannten Lahar überfluteten und ganze Straßenzüge zerstörten. Noch heute ist ein großer Teil der Kanalisation mit zementhartem Asche-Schlamm verstopft. Chaitén ist weiterhin ein nur „bedingt bewohnbarer“ Ort und Neubauten sind nicht erlaubt.

Auf dem Rückweg essen wir in der Pizzeria Chaitén wirklich gute Blauschimmel-Walnuss- bzw. Pesto-rote Zwiebel-Pizza, die wir uns beide zum Nachkochen merken wollen, und verbringen den restlichen Abend in der Cabaña.

Dienstag 4.2.25 – (178) – Chaitén – Santa Bárbara

Gesamt: 11.286,47 km

Weil wir keine andere Unterkunft gefunden haben, ist für heute nur eine kurze Tour bis Santa Bárbara geplant. Da wir morgen aber nach Chaitén zurückfahren müssen, um mit einer Fähre nach Puerto Montt zu fahren, nehmen wir uns vor, auf der Carretera Austral nordwärts zu fahren, bis wir die Stelle erreichen, die uns zur erneuten Umplanung gezwungen hat. Wir wollen also dorthin, wo der Asphalt endet und die schlechte Schotterstrecke beginnt.

Wir stellen uns keinen Wecker, sind aber kurz nach 8 Uhr auf den Beinen und frühstücken in unserer Cabaña mit ungetoastetem Toastbrot (leider kein Toaster da), Butter, Käse, Honig, Marmelade und Bünting-Tee. Zum Checkout um 10 Uhr sind wir gerade rechtzeitig abfahrbereit.

Schon gestern hatte Viktor beim Schalten bemerkt, dass es wieder ziemlich „hakt“, die Schaltvorgänge also ungewöhnlich schwergängig sind. Das hatten wir bei circa 4.000 Kilometern schon einmal und kurz darauf ging dann gar nichts mehr, weil eine Litze des Schaltzuges gerissen und aufgedröselt war. Eigentlich wollte Viktor gestern Abend noch nachschauen und eventuell den Schaltzug wechseln, aber weil alle Klamotten so nass waren und wir auch noch ins Museum wollten, wurde das Vorhaben nochmal um einen Tag verschoben. Tja, und wie es das Schicksal so will, passiert das Befürchtete schon auf dem Hinweg genau in der letzten Steigung vor Santa Bárbara. Die Schaltung bewegt sich gar nicht mehr. Wir fahren an den Straßenrand auf die Sonnenseite der Straße – ja wir haben mit dem Wetter Glück und die Sonne scheint – und überprüfen die Schaltzüge in der Schaltbox der Rohloff-Schaltung. Wie erwartet ist eine Litze gerissen, aufgedröselt und verknotet, und blockiert so die Schaltung. Da wir nur wenige Kilometer von unserer Unterkunft für die kommende Nacht entfernt sind, lösen wir nur den Knoten und entfernen die aufgedröselten Teile. Den Schaltzugwechsel wollen wir an unserer Unterkunft vornehmen. Wir fahren die letzten zwei Kilometer bis zur Unterkunft und beginnen dort mit dem Schaltzugwechsel.

Und dann nimmt das Drama seinen Lauf. Wir wollen keine halben Sachen machen und gleich beide Züge wechseln. Es sind also zwei Schaltzüge, einer fürs Hochschalten und einer fürs Herunterschalten. Wir ziehen erst einen alten Schaltzug heraus, schieben einen neuen durch die Schaltzughülle, bis er unten übersteht und schneiden ihn auf genau 20 cm Länge ab. Zum Abmessen der Länge benutzen wir einen exakt 20 cm langen Kabelbinder, den wir beim letzten Mal vorbereitet haben, denn wir haben kein Maßband im Gepäck. Der Kabelbinder sieht so aus:

Mit dem zweiten Schaltzug machen wir es genauso. Als wir alles zusammenbauen wollen, stellen sich die neuen Schaltzüge als zu kurz heraus. Wir rätseln und rätseln, was wir falsch gemacht haben könnten. Beim Einfädeln der Schaltzüge am Lenker-Drehgriff kann man Einiges verkehrt machen, was dann beim Abschneiden zu einer falschen Länge führen kann, aber eigentlich nie zu einer zu kurzen Länge, sondern eher zu einer zu langen. Wir ziehen den ersten Schaltzug heraus und vergleichen die Länge mit den alten, ausgebauten Schaltzügen. Tatsächlich ist er circa zwei Zentimeter zu kurz. Wir ziehen nochmal einen neuen Schaltzug ein. Jetzt muss es aber klappen, denn wir haben nur zwei Paar Ersatz-Schaltzüge dabei, die uns Julius in das Paket nach Medellin gepackt hatte. Wir schneiden den dritten Schaltzug ebenfalls auf 20 cm Länge ab, aber es passt alles immer noch nicht.

Und dann wird uns klar, was wir die ganze Zeit falsch machen. Wir verwenden das Kabelbinder-„Maßband“ falsch. Der Kabelbinder ist genau 20 cm lang, aber wir haben immer an der schwarzen Linie geschnitten, also immer zu kurz. Das bemerken wir erst, als wir die Putzfrau nach einem Zentimetermaß fragen. Wir finden gemeinsam in der Werkstattecke einen Winkel mit Zentimetermaß. Damit überprüfen wir unseren Kabelbinder und stellen den Fehler schließlich fest.

Wir sind am Boden zerstört, denn wir haben soeben drei von vier verfügbaren Schaltzügen zu kurz abgeschnitten und somit ist eine Reparatur der Schaltung jetzt unmöglich. Jutta schaut nochmal durch alle Ersatzteile und findet – wir können unser Glück kaum fassen – noch ein weiteres Paar Rohloff-Originalschaltzüge. Julius hatte fälschlicherweise eine größere Anzahl bestellt und geschickt, weil er nicht wusste, dass in einer Packung immer gleich zwei Schaltzüge enthalten sind.

So haben wir also doch noch eine letzte Chance, die Schaltung zu reparieren. Mittlerweile sind über drei Stunden vergangen, während derer wir auch noch ständig von irgendwelchen kleinen schwarzen Fliegen angegangen werden, die zubeißen, wenn man sie nicht wegschlägt. Bei Viktor liegen die Nerven langsam blank. Beim letzten Festziehen der Madenschraube, mit der der Schaltzug seitlich festgeklemmt werden muss, ist uns auch noch zuallem Unglück aufgefallen, dass der Innensechskant schon ziemlich ausgeleiert ist. Der Innensechskantschlüssel rutscht im Kopf bereits bei geringer Kraft durch. Wenn es jetzt also nicht klappen sollte, war es das wohl mit unserer Reparatur (und auch mit unserer Tour, denn auf Ersatzteile aus Deutschland können wir jetzt nicht mehr warten). Wir ziehen nochmal zwei neue Schaltzüge ein, schneiden diesmal die richtige Länge ab und montieren alles zusammen. Zunächst sieht es beim Durchschalten der Gänge ganz gut aus, aber dann rutscht plötzlich irgendwas durch und die Schaltzüge springen oben am Drehgriff aus den Halterungen.

Also müssen wir nochmal alles auseinandernehmen und stellen dabei fest, dass die ausgeleierte Madenschraube tatsächlich nicht mehr fest genug gezogen werden kann. Der Schaltzug ist einfach herausgerutscht, weil er nicht fest genug geklemmt war. So … das war´s dann jetzt also endgültig, denn eine Ersatz-Madenschraube haben wir nicht dabei. Obwohl … warte mal … vielleicht passen zufällig die Madenschrauben, die an unseren Pedalen auf der Rückseite angebracht sind. Sie sollen das Abrutschen eines normalen Schuhs von der Pedale verhindern.

Passende Madenschrauben an den Shimano-Pedalen

Und tatsächlich passt das Gewinde. Die Schrauben sind am Ende zwar spitz zulaufend, was für das Festklemmen des Schaltzuges nicht die beste Lösung ist, aber wir bekommen alles wieder zusammengebaut und machen uns nach fünf Stunden Reparaturzeit mit entsprechend angeknackstem Nervenkostüm auf eine Probefahrt ohne Gepäck. Dieses konnten wir schon oben in unserer Cabaña unterbringen.

Am Minimarket an der Carretera Austral halten wir kurz für ein kaltes Getränk. Die dort ebenfalls gerade anwesenden Chilenen (zwei von den fünf auch mit dem Rad) machen uns darauf aufmerksam, dass auch weiter im Süden, auf dem Weg nach Ushuaia, auf der Chilenischen Seite ganz viel unbesfestigte Strecke liegt. Das bestätigt sich beim späteren Nachschauen – erst exakt ab der Argentinischen Grenze ist alles wieder betoniert oder asphaltiert. Das bedeutet für uns, dass wir uns auch für den dortigen Streckenabschnitt noch etwas Neues überlegen müssen.

Wir fahren jetzt noch einige Hügel Richtung Norden, und die Schaltung tut ihren Dienst, wenn auch etwas schwerfällig. Da es aber schon so spät ist, fahren wir nicht bis zur Grenze der Schotterstrecke (Ripio), sondern drehen vorher um. Wieder in Santa Bárbara fahren (bzw.schieben) wir noch zum Strand, wo etliche Wohnmobile für die Nacht stehen, und geniessen die tollen Aussichten.

Nach einem Abendessen im refugioeigenen Restaurant wird in unserer Cabaña der Holzofen angefeuert, da dieser den um das Ofenrohr liegenden Wassertank aufheizen muss, damit wir eine warme Dusche nehmen können. Das soll ca. 40 Minuten dauern. Nach zwei Stunden, es ist inzwischen fast 22 Uhr, ist das Wasser von 25°C auf 38°C erwärmt. Viktor duscht bei 38°C und ohne Kaltwasserzumischung passt das auch ganz gut. Erst um 23 Uhr erreicht das Wasser 55°C … duschen will zu diesem Zeitpunkt bloß niemand mehr.

Heute erhalten wir auch mal wieder eine E-Mail von Navimag. Die Fähr-Kreuzfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales ist um einen weiteren Tag verschoben worden. Jetzt soll es also am 9.2. losgehen.

E-Mail von Navimag

Mittwoch 5.2.25 – (179) – Santa Bárbara – Chaitén – Puerto Montt

Gesamt: 11.299,15 km

Der Wecker klingelt um sechs Uhr und wir hören schon wieder den Regen prasseln. Der Wassertank hat immer noch 50°C, obwohl im Ofen nur noch ganz wenig Glut ist, dadurch ist die Cabaña heute früh nicht so ausgekühlt. Die Küchenausrüstung ist so la-la (nur ein einziges Messer, aber eine kleine Teekanne…) und unsere Vormieter haben wohl nicht abgespült. Die Reinigungskraft aber ebenfalls nicht, jedenfalls sind Tassen und Teller dreckig im Schrank. Wir denken darüber nach, dass es ziemlich ungünstig ist, dass das Tandem so weit weg steht wie sonst selten, weil die Regensachen in den grünen Taschen daran hängen und wir ohne Regensachen bis zum Tandem laufen müssen. Glücklicherweise macht der Regen eine Pause, bevor wir abfahrbereit sind, und in dieser holen wir schnell die Regenausrüstung hoch in unsere Cabaña.

Es ist fast acht, als wir losfahren, und heute brauchen wir für den Weg zurück nach Chaitén keine Dreiviertelstunde. Am Anleger sagt man uns, wir sollen um halb zehn (spätestens aber um zehn) dort sein, also wollen wir im Ort noch einen Kaffee trinken. Das Café Buen Sabor ist noch geschlossen, aber ein Tour-Büro an der Promenade ist geöffnet und hat auch Heißgetränke. Während wir uns dort aufwärmen, hören wir, wie Kunden vergeblich nach Fähren für heute fragen und bieten der Mitarbeiterin unsere Fährtickets nach Hornopiren an, die wir ja nicht nutzen können. Dafür sind sie aber nicht das richtige Büro. Aber eine junge Frau hat das gehört und spricht uns auf Deutsch an: sie möchte heute nach Hornopiren und bekommt kein Fähr-Ticket mehr. Wir schicken ihr unsere Tickets per WhatsApp (indem sie einen Hotspot ihres Handys einrichtet) und erklären ihr, dass sie dafür aber irgendwie (per Anhalter?) nach Caleta Gonzalo kommen muss, und dann müssen wir uns auch schon auf den Weg zum Anleger machen. Maru (Halbdeutsch) schreibt uns später, dass sie es bis Caleta Gonzalo geschafft hat und noch ein wenig später, dass sie als „Jutta“ auf der Fähre ist. So sind unsere Tickets wenigstens teilweise genutzt, das freut uns sehr! Und weil wir auch den ganzen Tag Fähre fahren, fährt „Jutta Makowski“ heute parallel in zwei verschiedene Richtungen gleichzeitig :-).

die zweite Jutta alias Maru auf der Fähre nach Hornopiren

Am Anleger müssen wir auch heute wieder länger als geplant warten und kommen dort ins Gespräch nicht etwa mit einem der anderen Radfahrer, sondern mit zwei Motorradfahrern aus Costa Rica, die von Bariloche nach Ushuaia, dann von dort hoch bis hierher gefahren sind und jetzt auch die Fähre nach Puerto Montt nehmen, weil sie für die nach Hornopiren mehrere Tage hätten warten müssen. Sie freuen sich über unseren „Pura Vida“-Aifkleber auf dem Tandem und wir unterhalten uns länger über die Biodiversität in Costa Rica, den Nationalpark Corcovado, unsere unvergessliche Bioluminiszenz-Kajakfahrt und einiges mehr. Costa Rica rückt dabei kurzzeitig wieder auf Platz 1 von Viktors Länderranking. Costa Rica, Chile, Colombia … die drei „C“ sind jedenfalls bei ihm ganz vorne.

Auf der Fähre darf das Tandem wieder in einen Gepäckraum gestellt werden. Und dann verbringen wir neuneinhalb Stunden im Salon dieser Fähre, die sich etwas in die Länge ziehen.

Zum Glück ist das WIFI auf der Fähre recht gut und wir können uns mit Dan von (Ex-)PankeRad über den Schaltzugwechsel austauschen und recherchieren, ob wir die abschließende Strecke von Porvenir nach Ushuaia (440 km) wirklich mit unserem Tandem wagen wollen, denn da wären 94 Kilometer Schotterstrecke („Loser Untergrund“ im Komoot-Sprech) dabei und wir haben keine Ahnung wie gut oder schlecht dieser Schotter ist.

Um 20:30 Uhr landen wir in Puerto Montt an, zu unsererm Glück recht zentral, so dass wir nur 1,5 km bis zum Hotel fahren müssen. Dort dürfen wir das Tandem nach einigen Überlegungen im Treppenhaus auf eine Zwischenebene stellen. Im Hotelrestaurant essen wir und beenden dann bald diesen ereignisarmen Tag.

Donnerstag 6.2.25 – (180) – Puerto Montt – Contao

Gesamt: 11.356,44 km

Wir stehen um halb sieben auf, nutzen das Frühstücksbuffet im Hotel, gehen gegenüber im Santa Isabel Markt die Getränke kaufen und holen danach das Tandem aus dem Treppenhaus. Es ist kurz nach neun, als wir losfahren, und es ist vollkommen trocken (soll es heute auch bleiben).

Nach nur 1,3 km halten wir das erste Mal, denn wir sind am Kilometer 0,00 der Carretera Austral, und das müssen wir festhalten. Bislang sind wir ja von Kilometer 203 einmal weiter in den Süden, einmal in den Norden gefahren, jetzt machen wir zwei Tage die Anfangskilometer.

Jetzt folgen wir einfach dieser Straße, aus Puerto Montt heraus gibt es sogar einen Fahrradweg. Es geht einen Großteil direkt an der Küste entlang, und diese ist hügelig. Bei einer Pinkelpause am Straßenrand überholt uns ein einzelner Bikepacker, den wir danach ein- und überholen. Er tut sich noch schwerer mit den Steigungen als wir, und bergab sind wir einfach eh schneller. Als nach weniger als 20 Kilometern eine Gelegenheit zum Pause machen am Straßenrand ist, denken wir, es sei noch zu früh – wir wollen noch ein paar Kilometer weiterfahren.

Aus den paar Kilometern werden leider ein paar mehr, denn die wenigen potentiellen Möglichkeiten, die wir passieren, sind geschlossen, und bei Kilometer 40 ereilt Viktor ein Hungerast, der wie üblich mit einer halben Tafel Vollmilchschokolade mit Erdnüssen bekämpft werden muss, so dass wir wieder einmal an einer Bushaltestelle pausieren.

Während wir dort sitzen, überholen uns erst ein Wohnmobil mit Insassen aus Deutschland und dann drei Bikepacker auf Mountain-Bikes. Die Radfahrer treffen wir ca. vier Kilometer weiter wieder, denn an dieser Stelle muss jede(r) auf der R-7 eine Fähre nehmen. Hier braucht man im Gegensatz zu anderen Stellen keine Reservierung, es fahren mehrere Fähren immer hin und her, und man wird ohne viel Wartezeit mitgenommen. Die Fahrt kostet uns weniger als eine S-Bahn-Fahrt für eine erwachsene Person in Berlin. Abkassiert wird gleich an der Straße, auch wenn wir vorher noch einen Kaffee trinken gehen wollen – das Ticket kann egal wann genutzt werden. Und dort bei „Donde la Pola“ treffen wir sowohl die drei Radfahrer (aus Spanien auf der Carretera Austral mit geliehenen Rädern) als auch eine herzliche Mitarbeiterin mit einem Großvater aus dem Baskenland (wie Viktor, dessen Opa mütterlicherseits auch aus dem Baskenland, aus San Sebastian bzw. Donostia stammte), die gleich ein Bild mit uns dreien machen möchte, weil wir doch vielleicht „Primos“ (Cousins) sein könnten und somit quasi verwandt wären.

Primos 😉

An der Decke hängen ganz viele Kappen und die Holzbalken und -wände sind mit vielen Namen von Besuchern beschrieben. Der Kaffee ist zwar nicht so toll, aber wir bestellen uns frische Apfelempanadas aus der großen Auswahl, und die sind sehr gut.

Und dann schieben wir auf die nächste Fähre und haben eine 40-minütige Fahrt mit grandiosen Blicken vor uns.

Danach sind es nur noch zehn weitere Kilometer. Wir fahren zunächst in den Ort Contao, fragen in der Ferreteria nach einer Madenschraube für unsere Rohloff-Schaltbox (negativ) und gehen noch im Café Señora Berta einen „richtigen“ Kaffee trinken (mit französischer Espressobereitung, alternativ haben sie auch hier Nescafé Instant-Tüten). Unsere Cabaña liegt noch vor der Brücke, über die wir in den Ort gefahren sind, und wir müssen erst fragen, wo sie ist, denn es steht nirgendwo der Name. Wir fragen aber genau richtig, im Mercado Particular genau davor, und die Vermieterin fährt just in diesem Moment die Auffahrt hinunter.

Unsere Cabaña ist ziemlich groß, mit vielen Pflanzen ausgestattet (selbst im Bad neben der Dusche steht eine Art Kaktus) und wir finden Essensreste im Kühlschrank, unter anderem eine ziemlich schrumpelige halbe Paprika. Wie sich später herausstellt, ist das aber Absicht, da die Vermieterin keine Nahrungsmittel wegwerfen will und wir die Reste nutzen können, falls wir kochen sollten.

Während Jutta duscht, versucht Viktor mit WD-40 und Lithum-Fett den Ständer unseres Tandems wieder leichtgängiger zu machen. Nach der Reparatur mit Carlos in Valdivia hat er gut funktioniert, aber jetzt schafft es die Feder nicht mehr, ihn komplett einzuklappen. Der Regen der vergangenen Tage scheint in die letzten Ritzen des Tandems gekrochen zu sein und dort seine Wirkung zu zeigen. Auch das Vorderrad-Lager gibt bei jeder Umdrehung leicht quietschende Geräusche von sich. So richtig von Erfolg gekrönt sind Viktors Versuche aber leider nicht. Na gut … dann müssen wir ab jetzt den Ständer immer mit einem extra Fußtritt zurückklappen. Ist ja nicht mehr so lang.

Nach dem Duschen wird die Google-MyMap unserer Tour mal wieder auf den aktuellen Stand gebracht und mit dem Blogbeitrag für heute begonnen. Zum Abendessen geht es mit dem Tandem in das Restaurante Chucao, das wieder eher was für Viktor ist, denn auf der Karte finden sich vor allem Meeresfrüchte und Fleisch. Viktor ißt ein „Paila Marina“, die unter anderem „Picoroco“ (Rankenfußkrebs) enthält. Dazu mal wieder ein recht gutes, lokal gebrautes Porter. Jutta stellt sich aus den Beilagen etwas vegetarisches zusammen: „Verduras salteadas a la pobre“. „A lo pobre“ ist eigentlich eine Zubereitungsart, bei der ein großes Stück Fleisch mit Pommes Frites und Spiegelei überschüttet und kompett zugedeckt wird. Viktor muss an den Witz denken: „Wie fanden Sie das Fleisch?“ – „Als ich die Kartoffeln beiseite schob, fand ich es unter dem Salatblatt.“
„Verduras salteadas“, also sautiertes Gemüse, wurde in diesem Restaurant sicher noch nie „a lo pobre“ bestellt oder zubereitet, aber es kommt ein riesiger Teller Gemüse mit Pommes Frites und Spiegelei, bei dessen Vertilgung Viktor später noch mithelfen muss.

Ein großes Grinsen treibt Viktor dem Betreiber des Restaurants mit seinem Extra-Lob für die selbstgemachte Majonaise ins Gesicht. Der Geschmack dieser Majonaise hat bei Viktor sofort Kindheitserinnerungen ausgelöst, denn in Spanien wurde im Sommerurlaub die Majonaise auch oft selbst gemacht, meist natürlich als Knoblauchmajonaise „All i Oli“ (katalanisch für „Knoblauch und Öl“). Viktors Bemerkung „Da ist doch auch etwas Knoblauch mit drin, oder?“, macht den Betreiber besonders froh, denn er macht die Majonaise persönlich und benutzt dazu ein wenig angerösteten Knoblauch, den er zu einer Paste mörsert. Ach … so eine Karriere als Restaurant-Tester wäre vielleicht auch was gewesen ….. 😉

Freitag 7.2.25 – (181) – Contao – Puerto Montt

Gesamt: 11.413,11 km

Der in der Nacht befeuerte Mini-Ofen hält leider nicht bis morgens durch, und es ist doch ziemlich kalt in der Cabaña, aber während eines etwas längeren Geburtstagstelefonats mit Julius bekommt Viktor doch noch wieder ein Feuer hin. Zum Frühstück haben wir uns gestern Marraquetas gekauft als Alternative zu immer nur Toast. Die noch im Kühlschrank der Cabaña befindliche halbe Paprika, Wurst, Marmelade und das im Schrank liegende Ei nutzen wir lieber nicht, auch wenn die Vermieterin es wohl absichtlich dort gelassen hat, weil sie ungerne etwas wegschmeißt. In einer Schublade liegen Mesalazin- und Paracatamol-Tabletten – so etwas sollte man keinesfalls für andere Mieter liegenlassen…

Wähend des Frühstücks versucht Viktor zum wiederholten Mal, seine Führerschein-Validierung für die App-basierte BAUHAUS-Transporter-Vermietung online hinzubekommen, denn wir wollen im März eigentlich einen solchen Transporter für den Rücktransport des Tandems vom Flughafen BER nach Hause mieten. Aber irgendwie scheinen die eine solche Validierung von einer ausländischen IP-Adresse grundsätzlich nicht zu akzeptieren. Oder liegt es an der Qualität des obligatorischen Selfies mit Führerschein und Personalausweis? Oder muss man frisch rasiert sein?

Um zehn Uhr machen wir uns auf den Rückweg nach Puerto Montt. Die Sonne scheint, wir kennen den Weg und haben den leichten Wind von hinten, was will man mehr. Nach ungefähr einer halben Stunde sind wir am Fähranleger. Heute sind wir auf einer größeren, moderneren Fähre als gestern und das einzige Zweirad.

Nachtrag: Wir haben noch ein lustiges Video gefunden. Die Navigatorin macht klare Ansagen 🙂

Viktor kann der Anwesenheit einer Cafeteria nicht widerstehen und braucht schon einen Kaffee und ein geschmacklich stark an eine Rumkugel erinnerndes „Trufa“ (jedenfalls nennen die das Ding hier an Bord so).

Nach dem Anlegen dürfen wir als erste von Board gehen, aber oben an der Straße lassen wir erst alle Autos vor, damit uns nicht sofort der ganze Schwall überholt. Gerade in Steigungen ist es blöd, wenn die Autos immer so stoßweise von der Fähre kommen, da lässt man sie als Radfahrer lieber vorbei.

Und dann fahren wir die ganzen Hügel von gestern anders herum wieder zurück. Heute liegen die Boote nicht wie gestern auf dem Trockenen – es ist viel mehr Wasser da als gestern, dabei war es fast dieselbe Zeit an beiden Tagen. Das versteht Jutta irgendwie nicht, denn an der Nordsee ist der Unterschied nach genau 24 Stunden ja nur minimal, und hier verschiebt sich das Hoch- und Niedrigwasser zeitlich genauso. Muss wohl an der „Anatomie“ der Küste liegen…

Wir peilen zum Pause machen das Café an, an dem wir gestern vorbeigeradelt sind, weil es uns zu früh war, heute sollten es etwa 35 km bis dorthin sein, und die Fähre war ja auch schon eine Pause. Wir sehen am Straßenrand die Werbeschilder mit Angaben zu Entfernung, und am fast steilsten Stück der langen Steigung soll man dann plötzlich noch 50 Meter links einen Weg rein. Wir fahren vorbei, denn wer kann uns sagen, ob überhaupt geöffnet ist! Dafür halten wir kurz danach an einer Botilleria, kaufen uns ein kaltes Getränk und setzen uns in die nahe Bushaltestelle. Dort fragen wir uns wieder einmal, warum die kleinen Flaschen der Coca-Cola-Company hier immer 591 ml Inhalt haben und Dank ausnahmsweise mal gut verfügbarem Internet ist die Antowrt schnell gefunden, 591 ml sind 20 fl.oz. (US-amerikanische Flüssig-Unzen). Vor der Weiterfahrt überlegen wir uns noch, an der demnächst folgenden Tankstelle einen Kaffee trinken zu gehen, was wir dann auch bei „aramco“ (nicht etwa „aranco“ … Wette gewonnen! 😉 ) tun.

Am Mirador von Puerto Montt halten wir heute und machen ein paar Bilder.

Dann halten wir an der Mall Paseo Costanera noch einmal, fahren in die Tiefgarage, stellen das Tandem zur Beobachtung nahe eines Autowasch-Services ab (hinterher finden wir einen Fahrradstellplatz) und suchen in der Mall nach einem Eiscafé mit Banana-Split, denn wir haben noch eine Einladung und außerdem Hunger. Leider suchen wir erfolglos! Irgendwann fahren wir doch zum Hotel, wo sie unsere Anmeldebögen tatsächlich von gestern aufbewahrt haben und wir nicht noch einmal alles ausfüllen müssen.

Nach dem Duschen laufen wir mit einem Wäschesack los, um für die Vier-Tage-Fährfahrt nach Puerto Natales alles wohlduftend und sauber zu haben, aber auch hier sind wir heute Abend erfolglos. Ein Telefonat mit einer schon geschlossenen Wäscherei bringt aber Klärung – wir können morgen früh die Wäsche bringen und mittags wieder abholen. Puh!

Eigentlich will Viktor nur ein Bier in einer Cerveceria Artesanal (lokal gebrautes Bier) trinken, aber wir bleiben dann doch auch zum Essen. Anschließend landen wir zum zweiten Mal heute in der Mall, da es dort einen Schlüsseldienst geben soll. Nach mehrfachem Fragen finden wir den Laden im ersten Untergeschoss, einem Parkdeck. Wir haben die Hoffnung, dass ein Schlüsseldienst das richtige Werkzeug hat, unsere Pedalen-Madenschraube flach abzuschleifen, damit sie beim Festklemmen den Schaltzug seitlich nicht abscheren kann. Der „Schraubstock“ für die Schlüssel passt zwar nicht für die Madenschrauben, aber der nette Herr macht es mit einer Feile, probiert verschiedene Techniken aus und ist schließlich so erfolgreich, dass er gleich eine zweite mitgebrachte Schraube auch noch abfeilt. Nebenbei unterhalten wir uns die ganze Zeit mit ihm und seiner Mutter, die in Punta Arenas lebt (wo ihr Sohn auch geboren wurde) und die gerade auf Besuch zum Wochenende hier ist. Die Familie hat irische Wurzeln und in Punta Arenas sind durch Heiraten auch noch kroatische Wurzeln hinzugekommen. Am Ende dürfen wir nichts bezahlen – der nette Mann bedankt sich stattdessen für das Gespräch. Wir laden sie noch ein, diesen Blog mitzulesen, und erhalten die Erlaubnis das Foto zu benutzen.

Von dort geht es ins Hotel, und mit Blick auf die sehr belebte Promenade von Puerto Montt schreiben wir den Blog-Eintrag und beenden den Tag.

Samstag 8.2.25 – Puerto Montt

Ein Verschnauftag, bevor es auf die Fähre nach Puerto Natales geht!

Wir frühstücken im völlig überfüllten Frühstücksraum zu einer wohl ungünstigen Zeit, aber so, dass wir anschließend zur Öffnungszeit der Wäscherei um 9:30 Uhr dort sein können. Entgegen der Erwartung in Lateinamerika ist tatsächlich auch schon geöffnet, als wir auf die Minute genau dort sind, und uns wird die saubere Wäsche zu möglichst nah an 13 Uhr (Schließzeit) versprochen.

Ein paar Querstraßen weiter besorgen wir noch einmal etwas Chilenisches Bargeld, was heute nur wenige Minuten dauert (sie haben Bargeld da und der Transfer klappt sofort mit Hotspot von Viktors Handy!). Auf dem Weg zum Hotel kaufen wir auf Empfehlung von Navimag noch Reisetabletten und gehen dann erst einmal zurück.

Hier tauschen wir im Treppenhaus am Tandem die Pedalen-Madenschraube an der Schaltung gegen die abgefeilte von gestern Abend aus. Das Einstellen der Schaltung macht dann etwas Mühe und wird nur mäßig zufriedenstellend beendet. Viktor muss danach zur Beruhigung eine Partie Pool-Billard spielen, versenkt die „acht“ aber sehr schnell.

Mit dem Laptop bewaffnet gehen wir ins Café Panichini, wo wir schon einmal waren, und machen im WIFI weitere Planung (heute in fünf Wochen sind wir schon wieder zurück in Deutschland). Um kurz vor 13 Uhr geht Viktor zwischendurch schnell die saubere Wäsche holen. Wir verbringen viel Zeit hier und leben von Café Latte und Bananasplit (mit riesigen Kugeln Eis), was uns heute von K.-S. Konrad, unserer langjährigen Zahnärztin, ausgegeben wurde. Vielen Dank, und wir putzen unsere Zähne immer gründlich 😉 !

Wir sagen herzlich Dankeschön!

Nach 15 Uhr gehen wir kurz am Hotel vorbei und von dort zu einem kleinen Anleger, an dem Boote zur Isla Tengo fahren. Auf der Hinfahrt ist dieses Bötchen sehr, sehr voll – zu voll – aber wir kommen heile rüber. Vom dortigen Anleger laufen wir über steile, steinige Wege (zum Radfahren nicht geeignet) hoch zum großen Kreuz und Aussichtspunkt. Von hier oben kann man den Vulkan Osorno wieder sehr gut sehen, die Perspektive ist eine ganz andere als aus der Stadt Puerto Montt. Und auch der Blick auf die Stadt ist noch einmal anders.

Beim Abstieg machen wir eine Trinkpause im Restaurant Hoffmann. Als wir gerade wieder aufbrechen, ruft ein kleiner Junge mit Fahrrad um Hilfe: er ist unten am Wasser und schafft es nicht alleine, das Rad hochzuschieben. Viktor eilt ihm zu Hilfe und richtet das Rad erst einmal vom Liegen auf. Der Junge setzt sich darauf und lässt sich mitsamt seinem Rad hochschieben, bis zum Restaurant. Und ruft währenddessen, wie stark er doch sei! Viktor versucht ihm zu erklären, dass er als Schiebender hier der Starke ist, das will der Junge aber nicht hören.

Es ist fast sechs, als wir am Hotel zurück sind, so dass wir bald aufbrechen zu einer ausgesuchten Trattoria. Der Weg dorthin geht unter anderem über eine steile Treppe mit 124 Stufen. In der entsprechenden Straße liegen einige Restaurants, und als wir an der Trattoria ankommen, sieht dort alles leer und dunkel aus. Eine Frau guckt aus der Tür und teilt uns mit, dass sie leider keinen Strom haben und auf den Techniker warten. Der könne zwar jede Minute kommen, aber eventuell auch erst nach längerer Zeit. Schade für uns, aber wir wollen nicht auf gut Glück warten. Auf dem Weg zu einer Alternative spricht uns eine junge Frau an, die auf dem Weg zur Arbeit im „Los tres Platos“ ist und nimmt uns sozusagen mit dorthin. Erst sind wir etwas zögerlich, aber die Karte sieht gut aus und das Essen ist wirklich ziemlich gut. Heute Abend findet auf einer Bühne auch noch Chilenische Stand-Up-Comedy statt. Da wir dabei als nicht Lokale nichts verstehen würden, hätten sie sogar noch weitere Räume zum Umsetzen, aber wir sind vor dem Beginn fertig und brechen wieder auf.

Den restlichen Abend schreiben wir und bereiten uns langsam auf die Offline-Tage auf der Fähre vor. Von morgen Nachmittag bis zum 12. Februar dürften wir kein Netz haben und können deshalb wohl keine neuen Sachen hochladen. Das wird dann in Puerto Natales nachgeholt werden.

Sonntag 9.2.25 – Puerto Montt – Boarding Navimag-Fähre

Schon vor dem Frühstück versuchen wir, alles in den acht Radtaschen zu verstauen, und zwar so, dass jeder von uns nur eine von den Gepäckträgertaschen mit in die Kabine der Fähre nehmen muss.

Beim Frühstück ist es wieder sehr voll, und heute kamen die Mitarbeiter nicht zum Auffüllen – es gibt keine Gläser, Teller, Becherchen für die Brotaufstriche… Wir sagen uns, dass wir uns in den kommenden Tagen eventuell trotzdem danach zurücksehnen – wer weiß, wie es an Board werden wird.

Bis um 12 Uhr können wir auschecken, also verbleiben wir noch etwas im Zimmer und machen uns gegen 11.15 Uhr ans Beladen des Tandems. Kurz darauf fahren wir die Küstenstraße bis zum ehemaligen Hotel Versalles, dass als Check-in-Örtlichkeit für die Navimag-Fähre genutzt wird. (und wie wir später erfahren werden, auch als Notunterkunft für die Fahrgäste bei den häufigen wetterbedingten Verspätungen der Navimag-Fähre, die oft mehrere Tage betragen können). Als wir um 12 Uhr ankommen, sind wir längst nicht die Ersten, obwohl das Einchecken erst um 14 Uhr starten wird. Es ist Einiges an Deutsch zu hören.

Wir nutzen die Wartezeit und gehen zum gar nicht weit entfernten Restaurant Kiel, in dem wir vor zwei Wochen schon zum Essen waren. Man erkennt uns wieder, und wir bekommen nicht nur einen Kaffee, sondern auch ein Stück Apfelkuchen nach dem dänischen Rezept der Mutter des Besitzers. Ein anderes Paar, das dort gerade zu Mittag isst, treffen wir hinterher bei Navimag wieder. Der in Dänemark geborene Besitzer (Jahrgang 1965 wie Viktor) lebt schon über 50 Jahre in Chile, spricht aber akzentfreies Deutsch und regt sich über die langsame Entwicklung Chiles auf. Egal ob rechte oder linke Regierung, alle bereichern sich seines Erachtens in dem korrupten System vor allem selbst, und sie warten mit ihrem Restaurant schon seit Jahrzehnten auf einen Anschluss an die Kanalisation. Er hat schon mit jedem Abgeordneten gesprochen, der aus seinem Wahlkreis im Parlament saß, erreicht hat er nichts.

Zurück am Hotel sind wir uns nicht sicher, wie unser Tandem zum Schiff kommen wird, ob wir oder einer von uns es zur Fähre fahren soll, wie das bei den Autos der Fall ist, mit Gepäck oder ohne. Beim Check-in sagt man uns, wir sollen nur die in der Kabine benötigten Taschen abmachen, das ansonsten vollbepackte Tandem würde dann per Van zum Anleger gebracht werden. Viktor wird wieder einmal ziemlich nervös, aber als der Van kommt und zunächst ein anderes Rad eingeladen wird und danach auch unseres zu dritt hineingehoben wird, hat wieder mal alles relativ gut geklappt. Das Auto fährt erst nur die zwei Räder fort und kommt hinterher für das Gepäck der Passagiere zurück. Viktor unterhält sich zwischendurch auf dem Parkplatz mit Hanne, bei der ein schwäbischer Einschlag erkennbar ist. Wegen des stundenlang vor dem Hotel laufenden Busmotors ist man sehr schnell beim Umweltthema und die anderen „Umwelt-, Müll- und Recyclingerfahrungen“, die wir in Lateinamerika schon so gesammelt haben.

Alle müssen noch recht lange warten, bis auch die Menschen im besagten Bus zur Fähre gefahren werden, und obwohl es fast Mitte Februar ist, läuft in der Halle des ehemaligen Hotels die ganze Zeit Weihnachtsmusik.

Wir werden zimmerweise aufgerufen, um in den Bus zu steigen, und nach einer kurzen Fahrt werden wir einzeln oder zu zweit zur entsprechenden Kabine gebracht. Aus Kostengründen haben wir eine Achter-Innenkabine (ohne Fenster) gebucht, die überraschend geräumig und glücklicherweise nur mit sechs Personen belegt ist. Das Schiff wurde erst im Jahr 2019 in China gebaut und ist sehr modern ausgestattet. Jede Kabine verfügt über ein eigenes kleines Bad mit Toilette und Dusche. Wir schlafen in Doppelstockkojen übereinander und können direkt vor den Kojen einen Vorhang zuziehen.

Es ist etwa 16 Uhr, als alle Passagiere an Bord sind. Allerdings dauert das Beladen der Fähre noch viel länger, denn nach den Lastwagen müssen auch noch die Fahrzeige der Passagiere an Bord gebracht werden. Irgendwann werden die Fahrer aufgerufen, ihre Fahrzeuge, die an Land zwischengeparkt waren, auf die Fähre zu fahren. Jedes Fahrzeug wird an allen vier Reifen mit Spannriemen an Deck festgezurrt. Langsam wird uns klar, was mit den ca. 12 Stunden „offene See“ gemeint sein könnte, in denen wir den „Golfo de Pena“ durchqueren (Pena = Leiden).

Um 17 Uhr müssen alle im Speisesaal sein: der Kapitän begrüßt uns und erklärt auf Spanisch und Englisch mehr oder weniger wichtige Sachen. Unter anderem teilt uns der Kapitän mit, dass wir auf dieser Fahrt nur 3 Gegner haben: Wind, Wind und Wind! Außerdem teilt er uns mit, dass während der Fahrt ausschließlich seine Gesetze an Bord gelten, und dass er uns rechtsgültig verheiraten und – noch viel wichtiger – auch rechtsgültig scheiden könne.
Im Anschluss müssen alle das Safety-Video anschauen und dafür auf einer Liste unterschreiben. Wir sitzen die ganze Zeit im Speisesaal. Hier läuft jetzt keine Weihnachtsmusik, sondern ABBA rauf und runter.

Wer vegetarisch oder auch vegan essen möchte, bekommt einen entsprechenden Sticker auf seine Schlüsselkarte.

Um 19 Uhr gibt es unser erstes Essen an Bord. Alle stehen in einer langen Schlange im Speisesaal, nehmen sich Tablett und Teller und erhalten die Hauptspeise auf den Teller serviert. Salat, Brot und Obst nimmt sich jeder Passagier nach eigenem Belieben.

Kurz vor Sonnenuntergang legt das Schiff gegen 21 Uhr ab. Dabei wird es von mehreren kleinen Booten unterstützt, die beim Lösen der Schiffstaue von den Mooring-Bojen helfen und das Schiff nach dem Ablegen noch in der Fahrrinne halten.

Ab 21 Uhr läuft im Speisesaal ein Film vom WWF, der von Plastikmüll, einer ganz speziellen Möwenart im Golf von Corcovado und von Blauwalen handelt. Die kleinen Möwen sind besonders faszinierend und noch wenig erforscht, denn sie verbringen ihr ganzes Leben auf dem Wasser und ernähren sich von Krill, den sie durch Eintauchen der Füße in die Meeresoberfläche anlocken. Das alles geschieht im Flug und sieht aus, als würden die Möwen auf der Wasseroberfläche Ballett tanzen. Bisher weiß man z.B. noch nicht, wo diese Vogelart brütet.

Nach dem Film führt der Supervisor Viktor auf das Ladedeck und zeigt ihm, wo das Tandem gemeinsam mit dem weiteren Fahrrad abgestellt wurde. Es steht an der Bordwand, relativ nah an den Lastwagen und ist noch nicht festgezurrt. Das soll erst morgen erfolgen, bevor es auf die offene See geht. Als Viktor erklärt, an welchen Stellen es lieber nicht festgezurrt werden sollte (z.B. dort, wo die Kette in Führungsrohren verläuft), verspricht der Supervisor, Viktor nochmal dazuzuholen, wenn es ans Festzurren geht.

Um 22 Uhr gehen wir in unsere Kabine, wo auch alle anderen Kabinenbewohner schon dabei sind, sich bettfertig zu machen. Wir schlafen erstaunlich gut, Viktor meint zwischendurch sogar, dass wir irgendwo in einem Hafen angelegt haben, weil es so ruhig ist. Aber Jutta empfindet die nächtliche Fahrt bereits als etwas schaukelig. Die einzige Beinaheverletzung, die wir uns zuziehen, resultiert aus einem kräftigen Tritt von Viktor gegen die Kabinenwand. Er hat irgendetwas mit Fußball geträumt und als Torwart wohl einen weiten Abschlag versucht.

Nachfolgende Fotos sind zeitlich rückwärts sortiert … haben wir das immer so gemacht? Ich glaube nicht 😉

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  1. Andy Dean

    I continue to enjoy reading about your adventures and your impressive progress.
    Another thought has come to mind-you are getting close to Ushuaia. Are you excited to achieve your goal? Disappointed that it’s coming to the end? Thinking about going back to Germany? Work?
    In admiration,
    Andy Dean

    • Thanks for your comment, Andy, and for the stimulus to think about it. 🙂
      We had a longer ferry-ride today and started thinking and talking about the approaching end of our tour. We´ll write something about it during the next days. But one thing is already pretty clear: it is not so much about the „goal“ of reaching Ushuaia. In German we say „Der Weg ist das Ziel“ … „The way is the goal“. It is all about the journey and the experiences along the way.

    • Andy Dean

      Completely agree with you about the journey. I have wonderful memories of traveling on the ship’s deck around the north coast of Turkey (the boat stopped that route long ago), even sleeping on a bench in Teheran train station. Things I wouldn’t dream of doing now but really happy that I did.

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