Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Monat: Juli 2024

Woche 18 (29.7.24 – 4.8.24) – Panamá City – San Blas Inseln

Montag 29.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 11)

Kurz nach dem Aufwachen (des Captains) bestätigt sich, dass die Schule gegenüber jeden Montagmorgen einen Fahnenapell mit Nationalhymne abhält. Vorher erhalten einige Schüler noch Urkunden und Medaillen.

Heute wollen wir uns um den DHL-Versand von zwei Paketen nach Lima (Peru) und nach Deutschland kümmern und persönlich bei DHL nachfragen, wann die Pakete aus Deutschland (neue Felgen und Speichen) zu erwarten sind. Außerdem sollen die Postkarten zur Post gebracht werden und wir wollen uns einmal im Fahrradladen Trillo Armadillo blicken lassen, um das weitere Vorgehen zu besprechen und die Schaltzüge nochmal zu inspizieren.

Wir machen uns also zu Fuß auf den Weg zur zwei Kilometer entfernten Post, bei der wir auch schon die Briefmarken gekauft haben, da wir die fertigen Karten genau dort am Schalter abgeben müssen – es gibt keine Briefkästen für internationale Post (s.o.). Die Mitarbeiterin erinnert sich an uns und nimmt den Packen Postkarten entgegen. Wo sie sie hintut, können wir nicht sehen. Von dort laufen wir hinunter ans Wasser und den ganzen Weg zum DHL-Office, das genau in der Gegenrichtung unseres Hotels liegt. Auf diesem Weg besorgen wir in einer Apotheke schon einmal Reisetabletten für unsere Schifffahrt.

Wir haben unsere große Luftpumpe aus Nicaragua dabei, die wir in das Paket nach Deutschland packen wollen, und die vermutlich die Größe des erforderlichen Kartons bestimmen wird. Während Viktor sich bei DHL nach unseren erwarteten Paketen erkundigt (laut diesem Mitarbeiter sind sie noch in London, obwohl die App anzeigt, dass sie gestern morgen London verlassen haben – wir wissen also eigentlich gar nichts!) misst Jutta schon einmal an den ausgestellten Paketgrößen nach. Allerdings können wir keine Kartons kaufen, hier muss man mit den zu verschickenden Sachen in der DHL-Station erscheinen, und dann wird (gemeinsam?) das Paket gepackt. Gut, dass wir die riesige Luftpumpe schon so weit getragen haben und heute noch weiter tragen werden …

Jetzt wollen wir aber mit dem Bus zum Fahrradladen fahren. Nassgeschwitzt stehen wir seeeeeehr lange an der Haltestelle, ohne dass eine der beiden möglichen Linien kommt, andere Linien kommen in der Zwischenzeit mehrfach. Wir haben es ja nicht eilig, und irgendwann können wir dann auch einsteigen. Die Fahrt dauert recht lange, bevor wir noch einmal umsteigen und kürzer weiterfahren müssen. An der Umsteigestation stehen wir wieder so lange, dass wir schon überlegen, die halbe Stunde zu laufen, aber wir warten doch weiter – es ist mit 33°C im Schatten einfach zu heiß.

Bei „Trillo Armadillo“ tauschen wir uns mit Alejandro aus und klären, wie wir gemeinsam weiter vorgehen, je nachdem wann DHL endlich ausliefert. Das Vorderrad ist jetzt schon mit der Felge aus Miami eingebaut, da müssen wir noch überlegen, weil aus Deutschland noch einmal eine spezielle Lastenradfelge (ANDRA 40) und Speichen kommen. Wir machen vom Liefertermin abhängig, ob der Laden noch einmal tauschen soll oder nicht. Einen Saitenschneider, um die große Kneifzange von unterwegs ersetzen zu können, und neue Spanngurte hat „Trillo Armadillo“ nicht, aber wir bekommen das Discovery Center für die Spanngurte und den Rali – Fahrradladen für einen speziellen Saitenschneider empfohlen. Das bedeutet noch mehrere Busfahrten und Fußwege! Und wir schleppen jetzt unsere Radtasche mit dem Werkzeug und den nicht benutzen Ersatzteilen mit, die ganz schön schwer ist.

Vorher trinken wir erst einmal einen Kaffee im Kotowa Coffee House, wo wir schon am ersten Tag hier gewesen sind, erst danach suchen wir einen Bus zum Discovery-Center. Dort müssen wir unsere Taschen und Rucksäcke von einem Security-Mann einschließen lassen. Juttas Rucksack mit der Luftpumpe passt in kein Schließfach und wird einfach oben draufgelegt. Es gibt einen ganzen Gang nur mit Spanngurten, die einzigen ohne Ratsche und ohne Haken, aber mit Metallklemme sind mit 4 Metern eigentlich viel zu lang, aber wir nehmen sie. Es folgt wieder eine sehr lange Busfahrt mit einigem Hin und Her zum Rali Fahrradladen. Dort sind wir weniger erfolgreich – sie hoffen, das erwünschte Werkzeug Ende des Jahres wieder zu haben und schicken uns zu Novey, einem nahen Baumarkt. Also wieder über die Fußgängerbrücke zurück, über die wir gerade erst gekommen sind (und wir hatten heute schon viele Fußgängerbrücken – mit dem ganzen Gepäck bei der Hitze). Dort haben sie auch keinen anderen Saitenschneider als eine große Kneifzange wie wir sie schon haben, aber wir kaufen wenigstens zwei kalte Getränke und eine kleine Rolle Noppenfolie 🙂 .

Für den Rückweg zum Hotel sparen wir uns den Bus und laufen wieder komplett, tragen immer abwechselnd die Werkzeug-Radtasche und halten nicht am Supermarkt, um neue Getränke zu kaufen, weil wir einfach nichts weiter tragen können. Jutta opfert sich und geht dann mit geleertem Rucksack gleich noch einmal los und kauft Getränke und Abendbrot, dann müssen wir heute nicht noch einmal los. Viktor beginnt schon mal mit dem Blog-Beitrag für heute und schaut parallel ein wenig CNN.

Dienstag 30.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 12)

Heute wollen wir nur ausreichend Dollar für unsere Bootsfahrt nach Kolumbien und noch etwas mehr als Puffer für Südamerika an „Cajeros Automaticos“ (Geldautomaten) abheben. Die Bootsfahrt muss nämlich in bar beim Kapitän bezahlt werden. Außerdem wollen wir etwas Geld in Kolumbianische Pesos umtauschen, zum Fischmarkt gehen, der uns gestern empfohlen wurde und Kopien von unseren Pässen machen. Außerdem wollen wir uns eventuell noch ein Souvenir kaufen, da wir ja noch ein Paket nach Deutschland schicken und wir es deshalb nicht auf dem Rad mitnehmen müssen. Es soll also fast ein Ruhetag werden!

Nach dem vielen Laufen am gestrigen schwül-heißen Tag fahren wir heute etwas mehr Metro … denken wir uns jedenfalls. Es geht zunächst eine Station in eine Gegend, in der es eine Wechselstube für Kolumbianische Pesos und sehr viele Banken mit Geldautomaten gibt. Als erstes gehen wir zur Wechselstube: Der einsame Mitarbeiter am Schalter hat zwar Pesos, muss sie allerdings erst „freischalten“ – wir können nachmittags wiederkommen. Na gut! Dann heben wir halt jetzt Geld am Automaten ab und fahren danach erst einmal zum Fischmarkt!

Wer kann denn ahnen, dass das Geldabheben zu einem Problem wird – wir hatten am ersten Tag hier in Panama problemlos 500 Dollar am Automaten erhalten und akzeptable 1,25$ Gebühr dafür bezahlt. Wir stiefeln heute von einer Bank zur nächsten, von einem Automaten irgendwo im Supermarkt, Shopping Mall oder Casino (die Geldautomaten gelten dort als spendabler) zum nächsten, versuchen es mit verschiedenen Kreditkarten, aber überall gibt es nur maximal 250 Dollar, und das bei 6,80$ Gebühr. Wir finden das einfach dreist hoch, auch wenn es im Verhältnis zu unseren Gesamtausgaben in Panama vermutlich keine große Rolle spielt. Bei einer Bank fragt Viktor sogar eine Mitarbeiterin nach möglichen Gründen: da müssten wir mit unserer Bank sprechen, da das wohl eine Beschränkung der Karte sei, sagt sie. Wir wissen aber, dass das nicht stimmt, denn wir haben ja schon mal 500 abheben können. Das sagen wir ihr auch. Aber sie wiederholt den gleichen Satz immer wieder, bis wir uns frustriert zur nächsten Bank auf den Weg machen.

Die Motivation sinkt, wir gehen nach über eineinhalb Stunden einen Kaffee trinken und gehen in Gedanken durch, wann und wo wir die 500$ bekommen haben. Es war ein „BAC“-Automat, sind wir uns halbwegs sicher, und eine BAC-Bank war bei den etwa 20 Versuchen unseres Vormittags noch nicht dabei. Die nächste ist nur einen Kilometer entfernt, in einer Richtung, die wir heute noch nicht eingeschlagen haben, in Richtung Küstenstraße. Wir machen uns also auf den Weg dorthin. Aber als wir dort ankommen: Fehlanzeige, Baustelle, zur Zeit keine funktionierenden Geldautomaten. Aber auf dem Boulevard nochmal einen guten Kilometer weiter ist noch eine „BAC“-Möglichkeit. Ironischerweise ist das ziemlich genau unterhalb unseres Hotels, wir sind fast einen Kreis gelaufen, ordentlich durchgeschwitzt und werden am Ende des Tages wieder über 20.000 Schritte gelaufen sein. Der Eingang zur Bank liegt irgendwo versteckt an der Rückseite, wir suchen ein wenig, umkreisen das Gebäude fast komplett, aber wir sind dann endlich erfolgreich! Irgendwie scheinen die deutsche DKB und die panamaische BAC etwas enger zusammen zu arbeiten. Halleluja, das hätte einfacher sein sollen. Wir machen ein Foto vor Freude, was Erstaunen bei anderen Bank-Besuchern auslöst.

Jetzt wollen wir aber endlich zum Fischmarkt, und zu Fuß haben wir keine Lust mehr. Die Busse fahren von hier nicht wirklich dorthin, also nehmen wir doch einfach zwei „Bird“-Scooter, die hier überall verfügbar herumstehen – Viktor ist mit der App angemeldet (und kann laut App Jutta als Gastfahrerin hinzufügen). Ein Scooter ist schnell geliehen, alle weiteren probierten Scooter sind aber nicht als Gast ausleihbar. Also wird der erste wieder storniert, und in der App wird probiert, die 2,50 Gebühr zurückzufordern. Am Ende fahren wir dann doch Bus zum Platz „5 de Majo“ und laufen durch eine schaurige Gegend zum Fischmarkt. Man riecht den Fischgeruch schon vor den vielen „Outdoor-Barberias“ (Barber Shops) auf dem Weg, und als wir ankommen, sind wir erstaunt, dass es in der Halle sehr warm ist. In der Markthalle, die wir letzte Woche besucht haben, waren die Hallen sehr gut gekühlt, aber hier vermissen wir das sonst übliche Eis und auch sonst irgendeine Kühlung. Statt dessen sitzt ein Fischreiher auf einem Gerüst, andere Vögel fliegen durch die Gegend. Aber es gibt viele tolle Dinge zu kaufen:

Im Obergeschoss ist ein Restaurant, wo wir eine Portion „Guacho de Mariscos“ bestellen, was einem von uns auch sehr gut schmeckt.

Nach dieser „Mittagspause“ fahren wir mit der Metro wieder bis zur Wechselstube. Der Umtausch von 100 U.S.Dollar in Pesos ist nur mit Reisepass möglich – gut, dass wir unsere heute ja mitgenommen haben. Außerdem braucht der Herr Viktors Telefonnummer, die Adresse des Hotels (muss er auf Google suchen, weil es ja in Panama keine richtigen postalischen Adressen gibt), und sogar den Beruf. Wir bekommen 360.000 Kolumbianische Pesos für die 100 Dollar. Und wir bekommen noch kostenlos unsere Pässe kopiert, als wir ihm von unserer Reise erzählen. Das war jetzt mal leichter als gedacht und wir müssen keinen Copyshop mehr suchen!

Es ist ca. vier Uhr nachmittags, jetzt also noch Panamá-Souvenirs für uns selbst? Wir machen uns auf den Weg zur Multiplaza Mall, wieder ein Stück zu Fuß und dann mit einem Bus. Leider kommt so lange kein Bus, dass wir doch überlegen, mit der Metro zur Albrook-Mall zu fahren, das klappt immer und wir kennen uns dort schon gut aus. Dort müssen wir erst einmal etwas trinken, dann suchen wir herum, ob wir etwas Schönes finden, und schließlich entscheidet sich Viktor gegen den kostspieligen faltbaren Panama-Hut (der nicht einmal nass werden darf und ihn irgendwie auch zu sehr an Honecker erinnert) und für ein T-Shirt. Jutta bleibt abstinent und nimmt aus Panamá nur die eigenen Erinnerungen mit.

In der Albrook-Mall fallen uns die vielen langen Warteschlangen auf, die vor den verschiedenen Geldautomaten stehen (siehe Foto). Es ist ja Ende des Monats und es scheint so, als ob bei vielen Menschen Zahltag war und sie sich Bargeld besorgen müssen.

Nach zwei Kugeln Eis fahren wir wieder zum Hotel zurück (mit Brot- und Bierkauf im Supermarkt REY), und es gibt zum Abendessen noch Reste von gestern auf dem neuem Brot.

Mittwoch 31.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 13)

Morgens um sieben kommt die Mail, dass unsere Pakete ins Auslieferfahrzeug geladen wurden. Es sollte also mit der heutigen Zustellung beim Fahrradladen klappen! Wir frühstücken etwas entspannter als die letzten Tage ein vermutlich vorletztes Mal gegenüber im „Arte del Pan“. Jutta einen „Esponjado“ wie fast jeden Morgen, Viktor einen „Hawajano“ (eine Art Käse-Schinken-Croissant) wie fast jeden zweiten Morgen hier in Panamá-Stadt.

Anschließend geht Jutta noch einmal alles waschen, inklusive der Regenjacken und der Camelbaks. Beim ersten Mal im Waschsalon angekommen fällt ihr auf, dass sie das Waschmittel im Hotel vergessen hat. Also noch einmal hin und her. Heute sind leider nur Toplader-Maschinen frei, diese vermeiden wir ja eigentlich seit 23 Jahren wenn es nur geht (seit wir aus den USA zurück gekommen sind), aber heute geht es nicht anders. Während die Maschine läuft, suchen wir im Hotel die Dinge für das Paket nach Hause zusammen, zwischendurch geht Jutta die Jacken und Rucksäcke nass abholen und den Rest in den Trockner packen, und dann kauft Jutta sich noch ein E-Book für die Schiffsreise (eigentlich leiht sie auf dieser Reise ihre Bücher alle aus, aber zum Lesen braucht sie regelmäßig ein stabiles W-LAN, um weiterlesen zu können, was wir auf dem Schiff nach Kolumbien sicher nicht haben werden).

Als auch die getrocknete Wäsche wieder abgeholt ist, schicken wir vorab schon einmal eine WhatsApp an den Mitarbeiter bei DHL mit allen einzupackenden Dingen und machen uns dann mit dem Bus auf den Weg. Der kommt kaum vorwärts, wahrscheinlich wären wir zu Fuß schneller gewesen, aber wir wollen nicht gleich wieder unsere frischen Klamotten durchschwitzen. Bei DHL dauert es ziemlich lange, es werden sehr viele Angaben gebraucht, aber netterweise müssen wir nur für ein 5kg-Paket zahlen, obwohl es 7,4kg auf die Waage bringt. Da beschweren wir uns nicht! Nachdem wir nachmittags eine Nachricht bekommen haben, dass das Paket auf den Weg gegangen ist, kommt eine Beschwerde-Sprachnachricht von dem DHL-Mitarbeiter: wir hätten ja Geld in dem Paket, das wäre nicht erlaubt! Ja, wir haben einen kleinen Rest Quetzales aus Guatemala mit eingepackt, die wollten wir nicht mehr durch die Gegend fahren, und das stand auch in der Aufstellung des Paketinhaltes, die wir ihm vorab geschickt hatten. Und wir haben alles zusammen mit dem Mitarbeiter eingepackt. Das hätte er uns da ja sagen können, jetzt ist es zu spät! Morgen treffen wir ihn ja nochmal, wenn wir das Paket nach Lima schicken. Mal schauen, was er uns zu sagen hat.

Jedenfalls ist es halb zwei, als wir bei DHL fertig sind, und wir trinken noch einen Kaffee bei „Coffee Bean und Tea Leaf“, bevor wir zum Hotel zurückkehren, um uns ein wenig abzukühlen. Dort kommt auch die Nachricht, dass der Fahrradladen die Pakete erhalten hat und sie sich jetzt an die Hinterradfelge machen! Wir wollen heute noch die Cinta Costera 3 (s.o.) „machen“ – nicht mit einem Rad, sondern zu Fuß. Dafür lassen wir uns mit Metro und Bus nach „El Chorillo“ fahren. Der Bus nimmt sogar ebenfalls den Weg über die Cinta Costera 3, obwohl er laut Google anders fahren soll. Als wir aussteigen, schickt uns eine Frau in die entgegengesetzte Richtung als wir eigentlich wollen – das ist wohl wieder so eine No Go-Area, die wir umrunden sollen. Nun gut, es ist zwar warm, aber wenn es sicherer ist! Neben der Autofahrbahn verläuft ein schöner breiter Streifen für Fußgänger*innen und Radfahrende, diese noch getrennt durch einen Grünstreifen. Leider alles in der Sonne! Es sind 2,8 Kilometer auf dieser Straße durch das Wasser. Wir laufen dann weiter auf dem Küstenboulevard, der um diese zeit viel belebter ist als tagsüber, und gehen zum Abendessen ein zweites Mal ins Santé, wo wir wieder richtig gut speisen und Viktor sich zum Abschluss den ersten und letzten Rum in Mittelamerika gönnt.

Promenade am frühen Abend

Donnerstag 1.8.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 14)

Heute soll unser letzter Tag hier in der Großstadt werden! Der Fahrradladen hat uns quasi garantiert, dass wir heute Abend unser Tandem repariert wiederbekommen können, also können wir morgen früh die geplante Tour mit Bluesailing nach Cartagena in Kolumbien starten.

Unsere Regenjacken sind getrocknet, und wir müssen sie noch mit dem besorgten Spray imprägnieren . Das wollen wir auf der Dachterrasse tun. Leider ist vor dem Frühstück die Tür nach draußen noch verschlossen.

Beim Frühstück haben wir beide nicht so richtig Appetit – sind etwas nervös – essen aber unsere letzte Avocado im Arte del Pan und verabschieden uns dann von den dort Arbeitenden. Anschließend ist oben immer noch abgeschlossen, obwohl Viktor an der Rezeption Bescheid gesagt hat, und wir sprayen dann einfach im Fitnessraum, dessen Fenster immerhin alle geöffnet sind. Das Spray stinkt ziemlich ungesund. Währenddessen kommt eine Reinigungskraft und öffnet den Weg nach draußen. So können wir die Jacken (Hosen und Camelbaks, wir haben die ganze Dose benutzt) wenigstens noch draußen ausdünsten lassen, obwohl man dort eigentlich keine Wäsche hinhängen darf. Sagt aber niemand etwas!

Wir müssen alle unsere Sachen wieder packen, uns zwar so, dass jeder eine Tasche zum Gebrauch mit an Bord hat, und alles andere anderweitig verstaut werden kann. Also am besten auch alle kleineren Taschen in etwas Größerem verpackt – wir können ja nicht mit zig Kleinteilen dort erscheinen.

Um elf machen wir uns auf den Weg zu Trillo Armadillo, diesmal mit einer anderen Verbindung, erst Metro bis San Miguelito (der einzigen Umsteigestation von Linie 1 zu 2) und dann mit dem Bus. An dem Umsteigebahnhof werden wir von mehreren uniformierten Menschen angehalten. Wir wollen sie fragen, wo die Busse abfahren, weil nichts ausgeschildert ist, statt dessen wollen sie unsere Reisepässe und den Einreisestempel sehen (sie sind von der Migrations-Behörde). Jutta hat ihren dabei, Viktor nur den Personalausweis, der ihnen aber nicht ausreicht. Wir sind jetzt seit zwei Wochen hier, und noch nie sind wir in solch eine Kontrolle geraten! Viktor sucht auf dem Handy nach Fotos, die ihnen dann für heute ausreichen, aber beim nächsten Mal muss es dann das Original sein. Tja, morgen werden wir hoffentlich die Stadt verlassen … .

Dann stehen wir an einer sehr chaotischen Bushaltestelle und warten auf eine bestimmte Linie. Es fahren unendlich viele kleine Coaches und Chicken-Busse, weniger Linienbusse, diese aber mit anderen Nummern. Irgendwann nach ca. 30 Minuten werden wir nach ganz vorne geschickt, dahin, wo schon Menschen aufgereiht stehen. Und dort kommt ein Bus zum Stehen, an dem vorne nur Allgemeines steht, keine Linie. In diesen beginnen die aufgereihten Menschen einzusteigen. Und siehe da! Der Fahrer stellt jetzt auch vorne unsere erwartete Zahl ein. Letztendlich sitzen wir im richtigen Bus! An diesem Bahnhof war das Umsteigen keine Freude!

Im Fahrradladen angekommen ist das Tandem noch völlig radlos. Der Mitarbeiter speicht gerade die vordere Felge mit unseren alten Speichen ein, da die aus Deutschland geschickten neuen Speichen leider nicht passen, obwohl Sandmann ja sogar einen Tag später noch neue losgeschickt hat – Viktor hatte leider falsch gemessen, und sie haben die ihnen geschickten Maße (3mm zu lang) genommen. Für das Hinterrad hatte Viktor nicht gemessen, da sind im zweiten Paket die richtigen für die Rohloff-Felge gekommen, und das Rad ist schon fertig, nur noch nicht eingebaut. Wir verabreden also nur, dass wir zwischen fünf und sechs noch einmal wieder kommen, um das Rad abzuholen. Leider passt es wider Erwarten nicht auf den Gepäckträger von Alejandro, obwohl er uns angeboten hatte, das Tandem zum Hotel zu bringen. Jetzt will er herumfragen, ob es jemanden mit einem Pick Up gibt, damit wir nicht abends noch mit dem Rad durch die halbe Stadt fahren müssen – im öffentlichen Nahverkehr kann man hier keine Fahrräder mitnehmen.

Wir wollen jetzt erst einmal das Paket nach Lima schicken (mit noch zwei Ersatzschläuchen 20″ zusätzlich zu von uns zusammengesuchten Dingen) und müssen dafür wieder zu DHL. An der Bushaltestelle stehen wir etwa eine halbe Stunde, alle anderen Wartenden haben inzwischen ein Taxi genommen oder sind losgelaufen, als wir uns dann ebenfalls für ein Taxi entscheiden – es kommt einfach gar kein Bus! Das Taxi findet den Weg zu DHL nicht richtig, lässt uns aber in der Nähe raus. Okay! Jutta hat ja ihren Pass dabei, also wird heute sie das Paket versenden. Für ein Paket nach Peru braucht der Mitarbeiter aber auch noch die Identifikation des Empfängers! Wir wollen es zu Susana Vinas schicken, der peruanischen Mutter, von der zwei Kinder bei uns in Duetschland waren und bei der zwei Kinder von uns in Lima waren (Schüleraustausch vom Runge-Gymnasium mit der Deutschen Schule in Lima). Glücklicherweise ist es in Peru nicht gerade Nacht und Susana schickt relativ schnell ihre Personalausweis-Nummer per Messenger. Zwischendurch ist Viktors Handy noch leer, aber DHL hat das richtige Ladekabel und spendiert den Strom. Das hätte auch schiefgehen können. Das vier Größen kleinere und weniger als halb so schwere Paket im Vergleich zu dem Gestrigen an die weniger weit entferntere Adresse kostet fast soviel wie das Paket nach Deutschland (das heute früh übrigens schon in Cincinetti war). Das kommt uns komisch vor, aber es wird jetzt angeblich „extra sicher“ verschickt, was immer das bedeutet … .

Etwas genervt laufen wir zum Hotel, um uns nach einer kurzen „Handy-Ladepause“ wieder auf den Weg zum Radladen zu machen. Inzwischen hat Alejandro leider keinen Pick Up-Fahrer ausmachen können. Die Rezeptionistin fragt, warum wir das nicht heute früh schon gefragt hätten, da hätte sie uns sicher helfen können (da wussten wir ja noch gar nicht, dass uns das Tandem nicht von Alejandro gebracht wird). Viktor versucht es noch bei einer angeblichen Autovermietung um die Ecke, die aber nicht existiert, und stellt sich dann auf Anraten von Alejandro an die Straße, um eines der Pick Up-Taxis zu ergattern. Das macht er lieber alleine, wegen der fehlenden Sitzplätze in Pickups, und Jutta bleibt im Hotel zurück.

Vor dem „Arte del Pan“ findet er einen Taxifahrer, der ihn für 7$ zur Centennial Mall bringen würde, wo sich der Fahrradladen befindet. Die Frage nach einem möglichen Freund mit großem Pickup (lange Ladefläche) beantwortet er mit „Ja“, aber leider hat der gerade keine Zeit, wie ein Anruf ergibt. Dafür sieht er nach circa einem Kilometer einen anderen Freund mit Pickup am Straßenrand stehen und Viktor kann (nach Zahlung von 10$ für die „Vermittlung“) umsteigen und hat jemanden, der mit ihm für weitere 50$ das Tandem abholt und ins Hotel bringt. Nun gut, das sind Wucherpreise, aber die Nerven liegen ein wenig blank und das merken diese Profis natürlich.

Das Tandem ist tatsächlich gerade fertig geworden als wir zur Abholung eintreffen und wird aus der obengelegenen Werkstatt heruntergetragen. Die Rechnung ist mit knapp über 400$ (inklusive Zoll für das Paket aus Deutschland, komplette Wartung plus Grundreinigung, drei eingespeichte Felgen, denn vorne wurde zweimal eingespeicht, Ersatz-Freilauf öffnen, reinigen und schmieren) noch erstaunlich human.

So haben wir am Abend noch Zeit, ein letztes Mal beim Italierner essen zu gehen und im geschlossenen Hotelrestaurant das Tandem zusammenzuschieben, den Stoker-Sitz abzubauen und das Ganze in einem großen Plastiksack zu verpacken.

Soooooo, morgen um 5 Uhr werden wir abgeholt und dürften danach für fünf bis sechs Tage „offline“ sein (je nach Wetter). Also nicht wundern, wenn hier erst wieder am 7. August oder 8. August etwas auf der Blog-Seite erscheint.

Freitag 2.8.24 – Panamá Stadt – San Blas Inseln (El Porvenir) Transfer

Der Beginn unseres Karibik-Abenteuers ist schon mal halbwegs katastrophal. Der „Jeep“, der uns um fünf Uhr abholt ist rappelvoll mit Menschen und Gepäck, das Tandem soll aufs Dach geschnallt werden oder „später nachgeliefert“ werden. Wir weigern uns, ohne das Tandem irgendwohin gebracht zu werden. Für einen horizontalen Transport müssten wir erst das Öl aus dem Rohloff-Getriebe ablassen.

Nun gut, warten wir also auf einen Pickup, der groß genug ist, das Tandem aufrecht zu transportieren. Bluesailing sagt um sechs, dass wir in einer Stunde abgeholt werden, also um sieben. Wir besorgen uns also doch noch einmal Frühstück bei Arte del Pan gegenüber und schauen um sieben herum aus dem Fenster – kein Pickup! Als wir Bluesailing kontaktieren, schreiben sie, dass es doch erst um elf Uhr klappen wird. Letzendlich ist es halb zwölf, als ein Toyota-Van vorfährt, um uns abzuholen.

Es geht auf eine abenteuerliche zweieinhalbstündige Fahrt in einem Toyota- Allrad-Van. Viktor sitzt auf dem Boden neben dem Tandem. Obwohl wir unter Zeitdruck sind, macht der Fahrer in aller Ruhe eine unerwartete Mittagspause. Danach geht es über sehr bergige Straßen zur Küste. Kurz zuvor passieren wir den Grenzübergang in das Autonomie-Gebiet der Guna Yala und zahlen dafür 40 Dollar „Eintritt“. Es dürfen nur lizensierte Fahrzeuge in das Gebiet fahren und zahlen dafür 500 US$ pro Monat und Fahrzeug, natürlich plus 20 US$ Eintritt für den Fahrer bei jeder Fahrt.

Das Abenteuer endet mit einer Lancha-Fahrt vom Steilufer am Ende eines Holperweges. Das Boot liegt gefühlt 1,5m tiefer im Wasser, hat mehrere Sitzbänke hintereinander, deren Rückenlehnen abgenommen werden, um Platz für das Tandem zu schaffen. Irgendwie bekommen wir das Tandem hinuntergehoben. Nach über einer Stunde Überfahrt – wir halten beide wie bekloppt den flatternden Plastiksack fest, der sich schon nach kurzer Zeit aufbläht und vorne wieder öffnet – erreichen wir die Sophia, die vor einer Insel ankert. Das Gepäck und das Tandem werden von der Lancha direkt per Hand ins Boot gehoben. Danach steigen wir über die Leiter an Bord. Das wird scheinbar immer so gemacht, selbst mit deutlich schwereren Motorrädern.

Als wir endlich an Bord sind, denken wir zunächst, alle anderen wären schon von El Porvenir hier zur ersten Insel „gesegelt“, aber es sind alle erst hier an Bord gegangen und verbringen den Tag schon im Wasser und/oder auf der Insel. Wir sind erst um vier angekommen und bleiben an Bord, um uns erstmal zu entspannen und von der nervenaufreibenden Anfahrt zu beruhigen. Unser Kapitän André macht sich, als wir endlich auch da sind, mit allen Pässen auf den Weg zur Immigrationsstelle in El Porvenir (wo wir bislang dachten loszufahren), damit alle Passagiere ihren Ausreisestempel erhalten. Wir bekommen zu zweit die Viererkajüte vorne im Bug für uns allein, können alle Radtaschen auf den oberen Kojen verstauen, und bekommen erst einmal noch Lasagne vom Mittagessen serviert. Nach und nach trudeln alle anderen Passagiere wieder ein – wir sind drei Crewmitglieder (inklusive Kapitän André) und neun Passagiere an Bord der Sophia. Eine Israelin, zwei Engländerinnen, fünf Australier, eine Argentinierin, ein Kolumbianer (Kapitän) und wir zwei Deutsche. Zusätzlich noch die Schiffshündin „Arya“, die auf der Sophia aufgewachsen ist. Wir sind mit Abstand die Ältesten, die meisten sind aber ebenfalls auf mehrmonatigen Reisen, allerdings nicht mit Fahrrädern.

Abends kocht der Kapitän: Spagetti mit einer Lobster-Fisch-Kokossauce. Es wird immer drei Mahlzeiten täglich geben, davon eine vegetarisch, erfahren wir. Kurz nach dem späten Essen verziehen wir uns in unsere enge Kojen und schlafen besser als erwartet.

Samstag 3.8.24 – San Blas Inseln

Noch vor dem Frühstück fahren wir zu einer der touristischeren San Blas-Inseln, vor der es ein Riff gibt und wir schnorcheln können. Wir ankern, und dann gibt es erst einmal reichlich Rührei, Obst und Tortillas. Dazu wird im Heck ein Klapptisch aufgestellt, um den wir alle Platz haben. Anschließend schwimmen wir zwei erst zur Insel und schauen uns ein wenig um. Es gibt Getränke und Kokosnüsse zu kaufen, wir haben aber kein Geld dabei. Wir schwimmen also zurück zur Sophia, gehen ein bisschen schnorcheln, und anschließend schwimmen wir mit Münzen in der Badehose noch einmel zur Insel. Viktor kauft sich bei Theodoro, einem Einheimischen, eine Pipa fria. Wie wir heute früh gelernt haben, ist „la Pipa“ die Baby-Kokosnuss, also die grüne, und „el Coco“, die reife, also die braune Kokosnuss. Es ist sehr viel Kokoswasser darin, das ihm auch wesentlich besser schmeckt als „damals“ die Kokosnuss, und nach dem Öffnen kann er das noch gelartige sehr dünne Kokos-Mark herauslöffeln.

Eine in Boston lebende Belgische Familie von einem anderen Schiff erzählt uns dort, dass vor der praktisch direkt angrenzenden Nachbarinsel ein noch viel größeres, schöneres Riff ist. Nach unserer Rückkehr an Bord bleibt noch genügend Zeit, dass wir dort auch noch hinschwimmen und schnorcheln. Wir sehen wirklich noch viel mehr als in der Früh, allerdings ist der Weg zum schwimmen recht weit, und Jutta merkt beim Schnorcheln schon wieder ihre Halswirbelsäule schmerzen. Ohne Schwimmbrille mit Sehstärke muss sie immer mit Brille schwimmen, hat den Kopf die ganze Zeit im Nacken, und nach dem Rückweg auf der Sophia schmerzt der Nacken und ihr ist richtig übel.

Wir fahren einige Inseln weiter, essen dort an Bord zu Mittag und haben dann wieder Zeit zu schnorcheln, zu schwimmen, Kajak zu fahren, Stand-up-zu paddeln oder oder. André, der Kapitän, bekommt von dieser Insel vier drei Wochen alte Hundewelpen mit, die er in Kolumbien unter die Leute bringen will. Jutta legt sich nachmittags hin und bleibt auch liegen, ohne noch einmal aufzustehen. Vermutlich muss sie sich zukünftig doch an das ärztliche Brustschwimmverbot halten, um die Nackenwirbel nicht so zu strapazieren.

Viktor geht nochmal mit der neuen wasserdichten Actioncam schnorcheln. Na ja, ichtig toll ist es nicht, aber immerhin:

Abends gibt es wieder frischen Hummer, diesmal gekocht und halbiert. Die Schalen gehen einfach über Bord, denn alles Organische wird in kürzester Zeit von den Meeresbewohnern vertilgt und zerkleinert. Um das Schiff herum schwimmen ständig gelbe und blaue tropische Fische, die sich auf jedes Reiskorn stürzen, das ins Wasser fällt.

Lobster-Abendessen

Zu dem „Organischen“ gehören übrigens auch unsere Körperausscheidungen. Am ersten Tag gibt es zur manuellen Bordtoilette eine genaue Instruktion, die aber offenbar nicht jeder verstanden hat. Der Kipphebel ist häufiger mal nicht in der korrekten Ruheposition (rechts) und die Schüssel randvoll mit Seewasser, das man dann „unter Druck“ erstmal zurück ins Meer pumpen muss.

Es ist doch extra ein Achtung-Zeichen an der linken Position. Die rechte Position ist die Ruheposition.

Die Schiffshündin mit dem Kringelschwanz hat Kapitän André vor Jahren mal auf einer der Inseln gerettet. Sie lebt auf dem Schiff und wird mit dem Beiboot zum Gassi gehen auf eine Insel gefahren. Die Welpen werden dort normalerweise auf den Inseln sich selbst überlassen und sterben schnell recht qualvoll daran, dass sie Sand fressen, weil sie Hunger haben. Heute rettet er am Nachmittag dann vier Welpen, die uns den Rest der Überfahrt begleiten.

Arya – die Schiffshündin

Sonntag 4.8.24 – San Blas Inseln

Heute fahren wir zu einer der östlichsten San Blas – Inseln, um den ganzen Tag und Abend dort zu verbringen und in der Nacht von dort aufzubrechen nach Cartagena in Kolumbien.

Wir lassen uns mit dem Dingi, dem Schlauch-Beiboot, zur Insel fahren, auch, weil wir seit gestern trotz Eincremens beide ziemlich starken Sonnenbrand haben und wir uns heute mit langer Kleidung eher im Schatten aufhalten wollen. Beim ersten Spaziergang sehen wir einen Wegweiser zu einem Restaurant und gehen diesem nach. „Ibins Beach Restaurant“ ist auf der anderen Seite der Insel, wo auch mehrere Segelboote ankern. Ibin hat einen selbst erstellten Michelin Stern, ganz viele Flaggen aus aller Welt mit Grüßen von Besuchern unter der Decke hängen, ein paar Aufkleber (einer von Hansa Rostock), zu denen wir auch unseren Sticker kleben dürfen.

Wir setzen uns, trinken etwas anderes als das etwas muffig schmeckende Wasser an Bord und unterhalten uns mit Ibin. Er ist mehrere Jahre auf einem großen Schiff mitgefahren, hat viermal den Panamakanal durchquert, ist aber wieder nach San Blas zurückgekehrt, um hier ein Restaurant zu betreiben. Er hat auf jeden Fall auch einen Instagram-Account, was für die Menschen hier sicher nicht alltäglich ist, aber er scheint ein weitgereister Guna Yala zu sein. Unter anderem hat er eine Freundin, die in Ushuaia (unser Ziel in Feuerland) ein Restaurant besitzt und ihm eine Fahne von Ushuaia dagelassen hat. Wir erfahren von ihm, dass wir ja auch abends um halb acht seine Gäste zum Pizzaessen sein werden, zusammen mit den Passagieren vom Schwesterboot der Sophia, der „Fantasy“.

Zunächst aber gibt es zum Mittag ein vielfältiges, leckeres Barbecue von unserer Crew zubereitet, mit Fisch, Fleisch, Gemüse und Salat – für jede*n etwas dabei. Am Nachmittag fahren wir mit dem Kajak (das Viktor vorher vom Schiff zur Insel geholt hat) zur Sophia und packen das Tandem noch in die zweite große Tüte, um es für die Hochseefahrt trocken verpackt zu wissen, und zurren es mit den langen Spanngurten richtig am Mast fest. Anschließend kajaken wir wieder zur Insel, versuchen sie vergeblich per Pedes zu umrunden – immer kommt man an Stellen, an denen es nicht weitergeht – und sind ziemlich erschüttert, was am Ufer so alles an Müll herumliegt. Viele Plastikflaschen, aber wir sehen auch größere Teile, das größte ist eine (kleine) Tiefkühltruhe. Das passt so gar nicht in das idyllische Bild der San Blas Inseln.

Um halb sieben gehen wir zwei dann schon rüber zum Beach-Restaurant von Ibin, um dort vor dem Pizzaessen noch ein bisschen im Hellen zu sitzen, den Sonnenuntergang zu sehen und etwas zu trinken. Als es schon dunkel ist, zeigt Ibin auf ein kleines Licht am Horizont, sagt, dass dass wahrscheinlich das Schwesterboot ist, auf das wir warten (und das eigentlich um fünf Uhr ankommen wollte), und das es von dort noch eine Stunde brauchen würde. Und dann bekommt er auch schon einen Anruf, dass die große Gesellschaft statt um halb acht nun erst um halb neun kommen wird. Nun denn, da warten wir halt noch länger und reden noch weiter mit Ibin, denn andere Gäste hat er nicht. Laufkundschaft wird es hier wahrscheinlich kaum geben, die Boote kündigen sich wohl vorher immer alle an, und die paar Eingeborenen werden wohl nicht so häufig kommen. Ibin ist unter anderem davon überzeugt, dass die immer gleichen Hurricane-Routen durch die Karibik kein Zufall sind, sondern von Geschäftsinteressen gelenkt werden. Nach jedem Hurricane tauchen hier Amerikanische Gebraucht-Boot-Händler auf, die billige Schnäppchen machen. André bestätigt später den Ersatzteilhandel und Gebraucht-Boot-Handel, der vor allem in Miami stattfindet, er schmunzelt aber wie wir über diese Verschwörungstheorie.

Die Pizzas sind jedenfalls alle schon in der Küche vorbereitet, und als dann endlich erst die Menschen der Sophia und etwas später die der Fantasy kommen, werden viele Pizzen (sind beides erlaubte Pluralformen laut Duden 🙂 ) aufgetischt. Es geht laut und feuchtfröhlich zu mit den Besatzungen der beiden Segelschiffe. Die mitgebrachten Getränke (Bierdosen, Bacardi-Flaschen und einiges mehr), scheinen hier ganz normal zu sein und Ibin nicht weiter zu stören.

Kurz vor zehn will Kapitän André die Rechnung bei Ibin begleichen und stellt fest, dass er sein Geld auf der Sophia vergessen hat. Er müsste also nochmal über die Insel und mit dem Beiboot das Geld holen. Da Viktor das Gespräch mitbekommt und zufällig seine Dollar für die Tour dabei hat, wird die Rechnung für die Überfahrt hier in bar beglichen und ein kleiner Teil des Geldes geht für den Abend sofort an Ibin. Nach zehn Uhr brechen wir – die Besatzung der Sophia – auf, über den dunklen Weg ca. 500 Meter quer über die Insel. Die erste Fuhre auf dem Dingi steigt zuerst ins falsche Beiboot (das der Fantasy), dann werden Handy-Taschenlampen aktiviert und das richtige Boot am Strand wird gefunden. Jutta kommt noch mit der ersten Fuhre mit, Viktor mit der zweiten. An Bord versuchen wir gleich, schlafen zu gehen, aber die Australier machen noch länger Party an Deck und es ist ziemlich laut. Dabei will André doch zwischen zwölf und zwei in See stechen, wenn alle tief schlafen, damit sich die Körper im Schlaf an das Geschaukel gewöhnen können. Das wird wohl leider nichts werden!

Woche 17 (22.7.24 – 28.7.24) – Panamá City

Montag 22.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 4)

Heute wäre unser Vorbereitungstreffen für unsere San Blas Inselhopping-Tour nach Kolumbien gewesen, wenn wir denn nicht mit dem defekten Tandem in Panamá Stadt festhingen. Statt dessen telefoniert Viktor nachts um zwei Uhr mit dem Ersatzteillieferanten Sandmann in Hagen und macht mit denen aus, dass sie die beiden Felgen für vorne und hinten per Express an den Fahrradladen hier in Panama schicken. Nach ein paar mehr Stunden Schlaf haben wir ein Angebot und können per PayPal bezahlen. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Post/DHL das halbwegs schnell hinbekommen.

Aus dem Hotelzimmer vernehmen wir morgens Ansprachen und Musik von genau gegenüber. Dort befindet sich eine Schule und es handelt sich offenbar um den Morgenapell mit Hissen der panamaischen Flagge und dem Singen der Nationalhymne. Das passiert nicht täglich, wir wissen aber (noch) nicht, ob das vielleicht jeden Montag so ist (Nachtrag vom folgenden Montag: Ja, das ist jeden Montag so).

Frühstück gibt es wieder gegenüber im „Arte del Pan“ – wir werden schon per Handschlag begrüsst. Dann wollen wir heute in das Miraflores Besucherzentrum gehen, um den Panama-Kanal nicht nur aus dem Zug erlebt zu haben. Mit Metro und Bus kommen wir bis direkt vor den Eingang und müssen als Nonresidents 17,22$ pro Nase Eintritt zahlen (Panamaer*innen nur 3$!). Es wird uns geraten, sofort zur Tribüne an der Schleuse zu gehen, und dort haben wir das Glück, dass zum Ende der Morgenschleusungen nicht nur ein Schiff aus dem Pazifik in den Kanal hereinfährt, sondern auch ein anderes, dass die Nacht im Kanal verbracht hat, über die andere Schleuse in den Pazifik herausgeschleust wird. Und im Hintergrund fährt außerdem ein großes Containerschiff vorbei, das über die 2016 neu eröffnete größere Schleuse angehoben wurde.

Wir erfahren unter anderem, dass im Panamakanal Einbahn-Verkehr herrscht, damit es an den Engstellen nicht zu Unfällen durch Gegenverkehr kommt. Morgens geht es Pazifik –> Atlantik, Nachmittags Atlantik –> Pazifik, wir sehen daher die letzte Schleusung des Vormittags.

Dann schauen wir uns im IMAX einen Film über den Bau des Kanals an, trinken anschließend einen Kaffee, gucken uns noch das wenige Theoretische an und stöbern im Souvenirshop, auch wenn wir nichts auf die weitere Reise mitnehmen können.

Mit dem Bus und der Metro geht es wieder zurück – wir steigen wieder einmal in Lotería aus, um zur Promenade zu gehen, und diesmal sieht es zwar nach Regen aus, aber wir bleiben trocken. Es ist nur ziemlich schwül.

Auch die Waschbären werden schon mit Zuckerwasser angefixt

Den späten Nachmittag verbringen wir im Hotelzimmer am Laptop, schauen ein wenig CNN (Kamala Harris legt beeindruckende erste 36 Stunden hin), beginnen die Planung für Kolumbien und laden schon mal ein paar Bilder für den Blog hoch.

Zum Abendessen geht es in einen Überraschungsfund vom Nachmittag, das Restaurant „Santé“ mit richtig guter Küche. Viktor ist völlig begeistert von einem Lachs-Steak mit Orangensauce, eine jener Überraschungskombinationen, bei denen man zuerst stutzt und dann völlig begeistert wird.

Auf dem Rückweg gehen wir noch in einen richtig großen Supermarkt „REY“ in der Nähe des Hotels, um uns wieder mit ausreichend Wasser einzudecken. Wir werden von einem breiten internationalen Warenangebot überrascht, mit westfälischem Pumpernickel und spanischem Turrón. Leider können wir nur gucken, aber nicht kaufen. Aber Viktor geht in den nächsten Tagen vielleicht nochmal für einen Turrón rüber.

Dienstag 23.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 5)

Für heute haben wir eine Tagestour zur Insel „Contadora“ inklusive Walbeobachtung gebucht und müssen dafür um halb sieben morgens hier sein:

Vorher allerdings erfahren wir schon, dass unsere Felgen immer noch nicht losgeschickt wurden, weil die uns gestern mitgeteilten Versandkosten doch deutlich höher sein werden. Während wir also im Taxi zum Anleger sitzen, telefoniert Viktor mit Frau Sandmann Junior in Hagen und gibt unser Okay für die hohen Versandkosten.

Die „Fähre“ nach Contadora ist ein Katamaran, fährt ziemlich schnell und schaukelt anfangs so stark, dass Juttas Sitznachbarin sich sogleich eine Plastiktüte greift und für alle Eventualitäten bereithält. Während der zweistündigen Fahrt beginnt es stark zu regnen. Unsere Whalewatching-Tour soll von der Saboga-Insel losgehen, die einen Halt vor Contadora liegt. Wir sind instruiert, beim ersten Halt auszusteigen. In Saboga angelegt, müssen wir über ein mit mehreren Zentimetern Regenwasser überschwemmtes Deck auf einen Steg aussteigen, der aufwärts zum Ufer führt und auf dem das Regenwasser uns entgegengeschossen kommt. Wir sind also von oben und unten patschnass, als wir am Ufer ankommen. Dort wissen wir erst einmal nicht, wohin wir uns wenden sollen. Dann wird unser Name gerufen – vom Steg hinter uns – wir sollen wieder an Bord gehen und erst einmal nach Contadora mitfahren … das Whalewatching ist aus Witterungsgründen verschoben. Also nochmal durch den strömenden Regen und das fließende Regenwasser zurück an Bord.

Anleger in Saboga

Am Anleger von Contadora kommt das Wasser immerhin nur von oben, aber wir wissen noch weniger, was jetzt passieren soll, bis wieder jemand unseren Namen nennt und uns in einen Pick-Up verfrachtet – beide vorne neben den Fahrer, Juttas Bein stösst an den Schalthebel. Na ja, wir werden zu dem Restaurant gefahren, in dem wir mittags ein Essen bekommen werden, und sollen dort auf besseres Wetter warten. Zwei Argentinier (Vater und Sohn) sind mit uns dorthin gebracht worden, und wir setzen uns zusammen an einen Tisch unter einem Zeltdach. Die beiden sind nicht ganz so nass – wir zwei bekommen neben einem heißen Kaffee auch noch ein dickes Handtuch von der Bedienung.

Gegen halb elf ist das Unwetter vorbei und wir werden mit einem Golfkart zu einem nahegelegenen Strand gefahren. Kaum unten angekommen, kommt eine kleine Lancha angefahren – das muss wohl Pedro, unser Kapitän sein, und er ist es. Wir steigen ein (noch mit den Handtüchern über die Schultern gelegt) und gehen Wale suchen. Ziemlich bald schon sehen wir die ersten, auch von recht nah. Pedro ist sehr schweigsam, redet eigentlich gar nicht (Viktor tauft ihn den „schweigsamen Pedro“), fährt aber immer weiter und weiter. Von anderen Whalewatching-Touren kennen wir umfangreiche Erklärungen und Informationen zu den Populationen, Wanderungsbewegungen, fehlenden Fettschichten und täglicher Gewichtszunahme der Kälber und vieles mehr. Manchmal war das schon zuviel Information. Mit Pedro ist es das genaue Gegenteil … aber es heißt ja auch „Whalewatching“ und nicht „Whaletalking“.

Wir umrunden mehrere der Inseln hier, ohne weitere Tiere zu sehen. Kurz vor Ablauf der drei Stunden sind wir wieder nahe an Contadora und haben dann doch etliche Buckelwal-Sichtungen, auch eine Mutter mit Kalb und mehrere Sprünge. Zwei davon erwischt Viktor freihändig mit dem Handy. Inzwischen sind wir bis auf unsere Schuhe auch wieder trocken und warm.

Am Strand vor dem Restaurant „Pimienta y Sal“ werden wir wieder abgesetzt und können dort aus einer kleinen Essensauswahl auswählen. Wir entscheiden uns für die Pasta mit „Camarones“ (Shrimps). Nach dem Essen haben wir noch eine gute Stunde, wollen ein wenig laufen, aber ohne eine „Straße“ zu benutzen, kommt man hier nicht von einem Strand zum nächsten, es sei denn, man klettert über Felsen und watet durch Bäche, die heute nach dem Regen besonders angeschwollen sind. Beim Besuch der Herrentoilette des „Pimienta y Sal“ hat Viktor hier ein Geruchs-Dejavue. Es riecht wie im CocoHouse in Horconcitos … und tatsächlich finden die Mottenkugeln aus dem Ferienhaus hier ihren zweiten wichtigen Einsatzbereich im Urinal.

Insgesamt muss man sagen, dass Contadora sicherlich sehr schöne Strände hat, die aber aufgrund des vielen angeschwemmten Plastikmülls (vor allem Flaschendeckel) auf uns nicht besonders einladend wirken. Auch die gesamte touristische Infrastruktur ist ziemlich heruntergekommen. Es stehen direkt am Hauptstrand mehrere verfallene Holzgebäude leer, die Wege der Insel sind nur mit Mühe begeh- oder befahrbar, weil überall tiefe wassergefüllte Krater und Schläglöcher lauern. Dafür gibt es eine Start- und Landebahn, an der gebaut wird. Wir sind eher mäßig beeindruckt.

Um drei werden wir wieder mit einem Golfkart zum Anleger zurückgebracht, bekommen dort übberraschenderweise zwei Nummern-Kärtchen (anders als bei der Hinfahrt), und als der Katamaran um halb vier anlegt, gehen alle in der korrekten Kärtchen-Reihenfolge an Bord … Es ist viel leerer als heute früh, und jetzt sitzen bei besserem Wetter auch Passagiere draussen, aber Ordnung muss wohl sein. Um kurz nach fünf sind wir wieder auf dem Festland (bzw. auf der menschengemachten Verbindung von Inseln zum Festland) und beschließen, auf dem Rückweg zum Hotel die Nahverkehrs-Busse zu nutzen – heute früh haben wir uns das aufgrund des Zeitdrucks nicht getraut. Mit einmaligem Umsteigen funktioniert das auch sehr gut. Wir steigen so aus, dass wir uns im REY-Supermarkt noch eine Stange Brot, ein paar Scheiben Gouda und Bananen zum Abendessen kaufen können. Und zum Nachtisch auch Turrón.

Bevor wir zum Essen auf unser Zimmer gehen können, sitzen wir noch etwas mit Felipe unten an der Rezeption unseres Hotels: Wir haben uns für Abends verabredet, denn er braucht Bargeld, an das er aufgrund einer verlorenen Kreditkarte nicht herankommen kann. Er hat von seinem Deutschen Konto eine Online-Sofortüberweisung an Viktor gemacht, und wir geben ihm das entsprechende Bargeld.

Zurück im Hotelzimmer sehen wir dann, dass die Firma Sandmann ganz kurz nach dem Telefonat heute morgen unsere Lieferung erfolgreich zur morgigen Abholung durch DHL-Express angemeldet hat, und das sogar zu einem geringeren Preis als gestern (bei uns heute morgen) angekündigt. Die Hoffnung steigt, dass wir zum Wochenende passende Ersatz-Felgen in Panama haben könnten, jedenfalls wirbt DHL-Express mit „in der Regel innerhalb von 2 bis 3 Werktagen“ Lieferzeit.

Mittwoch 24.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 6)

Heute gibt es für uns mal kein Touristenprogramm.

Den Vormittag nutzen wir zum Wäschewaschen in einer „Lavanderia“ (Waschsalon) in der Nähe des Hotels, die wir schon vor einigen Tagen ausgekundschaftet haben. Eine Frontlader-Maschine (von denen es nur zwei gibt neben vielen Topladern) kostet 1,75$ und der passende Trockner 2,50$. Der Raum ist ziemlich klein, vollgestellt und heiß, und man kann sich nicht „gemütlich“ setzen, während man wartet. Also steht Jutta mehr oder weniger dumm auf dem Bürgersteig und beobachtet Menschen und den Betrieb der Wäscherei und der Straße.

Viktor geht währenddessen den guten Kilometer bis zur staatlichen nationalen Post (COTEL – National Post and Telecommunication – „COrreo-TELefonica“), um sich dort nach einem möglichen Paketversand zu erkundigen. Wir wollen ein Paket nach Lima schicken (mit Ausrüstung, die wir erst weiter südlich benötigen werden … und schon 4.500 km mitgeschleppt haben) und eines nach Deutschland (mit Ausrüstung, Werkzeug und Ersatzteilen, die wir gar nicht mehr mitschleppen wollen).

Google schickt ihn aber zum Verwaltungsgebäude der COTEL, wo er von einer genervten und unfreundlichen Mitarbeiterin schon an der Türe abgefangen wird: „Was wollen Sie?“
„Ähm … Pakete nach Deutschland und Peru schicken.“
„Hier auf dem Zettel an der Türe steht, wo sie hinmüssen“ … (mit grimmiger Miene).
Auf dem Zettel befinden sich kryptische Pfeile nach rechts und es steht irgendwas von „5 Blöcken“ darauf. Die Frau fragt auf Spanisch: „Español o Ingles?“ (Spanisch oder Englisch?). Die Antwort „Beides ist o.K.“ nervt sie scheinbar noch mehr. „No hablo Ingles“ (Ich spreche kein Englisch) ist ihre Antwort. “ Na dann eben Spanisch“ … (Hallooooooo?? Wozu dann die Frage nach dem Englisch?). Sie erklärt, dass das hier die Verwaltung ist und die nächste „richtige“ Postfiliale fünf Blöcke weiter zu finden ist. Na gut, wenn das den ganzen Tag ihre Hauptaufgabe ist, kann man es irgendwie verstehen. Viktor hatte zwischenzeitlich schon eine neue Theorie aufgestellt: „Hauptstädter sind weltweit grundsätzlich eher unfreundlich“. Er fühlt sich in Panama Stadt ein bisschen wie in Berlin.

Die Filiale der Post ist eher ein Wartezimmer mit vier unbesetzten Schaltern und mehreren davor wartenden Personen. Hinter einem der Schalter ist weiter hinten eine Person zu sehen. Die Frage nach internationalem Paketversand wird ruppig mit „Derzeit ist kein internationaler Paketversand möglich“ beantwortet. Die Dame verschwindet nach hinten, kommt aber mit irgendwelchen Unterlagen aus einer Seitentüre in den Warteraum und will diesen über die Eingangstüre verlassen. Viktor heftet sich an sie und fragt „Was bedeutet derzeit … ist das demnächst wieder möglich?“. „Das weiß niemand“ ist die Antwort und sie verschwindet.

Draußen steht eine weitere, noch recht junge Mitarbeiterin im Post-Shirt vor den Postfächern und entfernt Aufkleber. Viktor fragt sie, ob die panamaische Post ein schlechter Arbeitgeber sei. Sie schaut völlig erstaunt. Nachdem Viktor ihr kurz die Erfahrungen mit den beiden Mitarbeiterinnen schildert und meint, dass er von diesen „a la Mierda“ geschickt worden sei (Spanischer Ausdruck „in die Schei …. schicken“ = zum Teufel schicken), lächelt sie immerhin und erklärt, dass die COTEL schon seit einigen Monaten die Rechnung für Luftfracht bei der nationalen Fluggesellschaft nicht beglichen hätte und daher kein internationaler Paketversand mehr möglich sei. Wann und wie das gelöst werde, sei völlig offen. Sie empfiehlt DHL oder FedEx.

Danach fahren wir mit dem Bus (obwohl uns Menschen an der Haltestelle sagen, wir könnten besser die Metro nehmen…) noch einmal in die Shopping-Mall nach Albrook, wo wir etwas zum Imprägnieren unserer Regenjacken kaufen wollen. Mittel zur Anwendung in der Waschmaschine gibt es hier gar nicht, aber immerhin finden wir in einem Baumarkt (weder Outdoorläden noch Drogerien oder Supermärkte führen so etwas) ein Spray zum Imprägnieren von allem Möglichen, auch Kleidung. Die Dose müssen wir jetzt komplett aufbrauchen, also werden wir sie nicht nur für die Jacken nutzen, sondern z.B. auch für unsere Camelbaks-Trinkrucksäcke.

Jutta geht es nicht so gut (Kratzen im Hals und Husten), und sie legt sich nach der Rückkehr ein wenig hin. Viktor nutzt die Zeit und geht zum DHL-Shop, um herauszufinden, wie wir Pakete mit Ersatzteilen und weiterem unnötigem Gepäck nach Lima und nach Deutschland schicken können. Erstaunlicherweise ist der Versand von Kleidung nach Peru ein Problem. Gebrauchte Kleidung ist verboten, neue muss noch das Preisschild tragen. Persönliche Kleidung muss besonders deklariert und selbst verzollt werden, darum kümmert sich DHL nicht. Angeblich liegt das daran, dass die Herstellung von Kleidung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Peru ist. Unseren Camping-Kocher können wir vermutlich nur ohne den zugehörigen Brennstoff verschicken, der als Gefahrgut gilt, genau wir jedes Gerät mit einer Lithium-Ionen-Batterie, und daher auch nicht per DHL versandt werden kann.

Sollten wir unser Tandem hier in Panama wegen des Defektes aufgeben müssen, würde uns ein Versand nach Deutschland mit DHL knapp über 1.000 Euro kosten, wenn wir es nicht hier verkaufen wollen. Das wäre aber eh der Worst Case, und wir hoffen natürlich, dass es nicht dazu kommt.

Zum Abendessen landen wir wieder in der Pizzeria in der Nachbarschaft, in der wir schon einmal waren. Heute laufen als Hintergrundmusik verjazzte Musikstücke, u.a. auch „Oh, Tannenbaum“ und „Have yourself a merry little Christmas“, was für uns im Juli etwas eigenartig klingt.

Donnerstag 25.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 7)

Gleich morgens haben wir wieder eine Nachricht von Sandmann. Sie haben die falschen Speichen ins Paket gepackt. Auf eigene Kosten haben sie uns jetzt ein zweites Paket hintergeschickt, in dem die richtigen Speichen sind. Wieder mindestens ein weiterer verlorener Tag … bzw. ein „gewonnener“ Tag in Panama City. Das erste Paket ist im DHL-Tracking-System aber auch noch nicht aufgetaucht. Es wird immernoch als „nicht an DHL übergeben“ geführt.

Wir schreiben morgens nach dem Frühstück gegenüber im „Arte del Pan“ noch etwas am Blog, danach geht es mit dem Bus zum „Parque Natural Metropolitano „, in dem es einige schöne Wanderwege mit Möglichkeit zur Faultier- und Brüllaffen-Sichtung gibt. Außerdem kann man auf einen „Mirador“ (Aussichtspunkt) hochwandern, an dem sich schöne Panoramablicke auf die Stadt und den Panamakanal bieten.

Die Busfahrt bringt uns bis auf 500 m an das Besucherzentrum, aber dann müssen wir wieder an einer Straße ohne Fußweg entlang zum Eingang. Also für Fußgänger ist Panama definitiv nicht gemacht. Bevor wir den Eintritt bezahlen können (mit vier Dollar viermal so hoch wie für Panamaer*innen) müssen wir unsere Namen, unsere Nationalität und unser Alter nennen, um an der Kasse selber nochmals gefragt zu werden, ob wir Einwohner Panamás sind. Uns werden die verschiedenen Wanderwege erklärt, und wir kaufen auch ein Faltblatt mit der Karte. Alle Wege aufsummiert sind nur etwas über fünf Kilometer lang, also sind es wohl eher Spaziergänge als Wanderungen. Wir entscheiden uns für die große Runde und gehen los. Tiere würden wir um diese Zeit nicht sehen können, dafür müssten wir morgens gleich um acht kommen, wird uns noch gesagt … . Entgegen dieser Aussage sehen wir aber Krabben, Schildkröten, Brüllaffen und Faultiere (die beiden letzteren nach Hinweisen von Rangern) und gehen durch einen schönen tropischen Wald mitten in der Stadt, bis zum Aussichtspunkt ganz oben.

Als wir oben ankommen hören wir als erstes einige Deutsche Wörter, sehen dann an einem Stromkasten einen Aufkleber vom MSV Duisburg (und einen von St. Pauli, einen von Baden-Württemberg, einen von Thomas Gottschalk etc.) und gucken uns erst dann um. Eine Deutsche Familie sitzt dort und wir kommen ins Gespräch. Er hat Wurzeln in Malaga in Spanien und ist Schalke- und Real Madrid-Fan. Sie kommt aus Berlin Köpenick. Sie sind mit den zwei Töchtern hier, fliegen danach nach Lima weiter um den Sohn abzuholen, dessen FSJ dort zuende geht. Während wir dort so stehen und quatschen, bezieht sich der Himmel immer mehr. Und dummerweise beginnt der Regen dann so schnell, dass wir auf dem Weg zurück sehr, sehr nass werden, selbst unter dem dichten Blätterdach. Auch auf den Wegen steht sofort das Wasser, obwohl sie nicht einmal versiegelt sind. Irgendwann kommt der Gedanke, dass Unterstellen und Abwarten vielleicht besser gewesen wäre. Dafür kommt, als wir am Eingang zurück sind, sofort ein Bus, der direkt am Eingang hält, mit dem wir dann fahren und wieder einmal an der Mall in Albrook landen.

Bevor wir uns auf den Weg ins Hotel machen, wollen wir uns bei Starbucks mit Heißgetränk und Blaubeer-Muffin ein wenig aufwärmen und trocknen lassen. Dafür müssen wir am Koala-Ausgang auf den Parkplatz – Starbucks sitzt in einem Extra-Gebäude. In dieser Gegend der Mall waren wir noch gar nicht … . Als wir das Café verlassen, sind wir immer noch sehr nass, und es schüttet auch weiterhin – Unterstellen und Abwarten (s.o.) wäre also keine Option gewesen, wenn wir nicht den gesamten Nachmittag im Park hätten bleiben wollen. Wir nehmen die Metro und warten mit vielen anderen an der Station Santo Tomas, bevor wir uns auf die Straße wagen, weil der Regen einfach zu stark ist und das Wasser die Straßen wieder überschwemmt. Irgendwann regnet es gerade schwächer und wir laufen schnell zum Hotel. Zum Glück haben wir eine richtig gute, sehr warme Dusche!

Wir wärmen uns noch ein wenig weiter auf (einfach die Klimaanlage ausstellen, dann wird der Raum gleich sehr warm), und zum Essen hat Viktor heute ein Rooftop-Restaurant ausgesucht. Wir gehen im (fast) Trockenen den knappen Kilometer, laut Maps sind wir mitten auf einer Kreuzung angekommen. Direkt an der Kreuzung ist nicht einmal ein Hochhaus, aber etwas weiter entdeckt Jutta den bunten Schriftzug vom „Julians“. Wir sehen keinen Eingang, aber ein Herr aus der Tiefgarage spricht uns an, nimmt uns mit zu einem Aufzug, fährt mit uns 28 Etagen hoch, geht oben über eine Außentreppe noch ein Stockwerk hoch und werden überrascht …

… dort soll demnächst dann ein Restaurant eröffnen, sie warten auf die Abnahme durch die Feuerwehr. Wir genießen kurz den wirklich tollen Ausblick, fahren wieder in Begleitung runter in die Tiefgarage und gehen gegenüber wieder einmal bei einem Italiener essen, allerdings ist dieser heute sehr viel edler und teurer, das hatten wir so nicht geplant.

Freitag 26.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 8)

Während des Frühstücks im „Arte del Pan“ gegenüber sehen wir plötzlich einen Blitz und hören einen lauten Knall: direkt neben unserem Hotel ist oben am Strommast irgend etwas explodiert, kurz ist am Haus gegenüber alles dunkel, dann springt im Parkhaus ein Dieselgenerator an und aus einem Rohr an der Fassade quillt dicker schwarzer Rauch. Wahrscheinlich ist der Kondensator, der Spannungspitzen (bzw. Überspannungen) ausgleichen soll, durchgebrannt, erfahren wir, als wir auf dem Rückweg am Eingang vorbeigehen.

Bei uns im Hotel hat ein Bereich ebenfalls keinen Strom, der Fahrstuhl geht z.B. nicht, aber in unserem Zimmer ist zunächst alles okay. Und wir bleiben den ganzen Vormittag im Zimmer, weil Viktor sich für elf Uhr mit seiner Familie zur Videokonferenz verabredet hat. Während dieses WhatsApp-Anrufs haben wir dann doch noch einen Strom – und Wifi-Ausfall. Als wir danach aber losgehen, ist gerade ein Mann von der Stromgesellschaft gekommen und will mit der Reparatur beginnen. Viktor erzählt ihm, dass wir die Explosion gesehen haben und er will genau wissen, was wir gesehen hätten. Wir zeigen auf den großen Kondensator und erklären, dass wir mit 90%-iger Sicherheit sagen können, dass der Blitz von dort kam. Er scheint sehr zufrieden über unsere Aussage.

Eigentlich hatten wir vor, heute zum Fahrradladen zu fahren, aber da wir keine Bestätigung erhalten haben, dass Alejandro gestern wirklich das Paket mit den Teilen aus Miami bekommen hat, lassen wir das lieber. Immerhin haben wir aus Deutschland die Bestätigung, dass unsere Bestellung „auf dem Weg“ ist. Unser Paket ist aber erst in Frankfurt, mit voraussichtlichem Lieferdatum am 30.7. – ganz schön spät. Wir vermuten, dass die Klimakleber am Frankfurter Flughafen auch eine gewisse Rolle bei dieser Verzögerung gespielt haben könnten.

Wir gehen stattdessen erst zu einer terpel-Tankstelle, um die fünf gesammelten Powerade-Etiketten in eine Olympiade-Kühltasche einzutauschen, wo doch heute in Paris die Olympischen Spiele eröffnet werden. Für diese sensationelle Kühltasche ist ein Formular mit der Personalausweisnummer, genauen Adresse und Unterschrift auszufüllen. Viktor wird darin als „Ganador“ (Gewinner) bezeichnet und bestätigt, den Gewinn erhalten zu haben. Erstaunlicherweise weigert sich Jutta, dieses wunderbare Gepäckstück über die Anden zu strampeln. Es soll doch tatsächlich ins Paket nach Deutschland gesteckt werden.

Die Frau an der Kasse ist ziemlich erstaunt, als wir sagen, dass wir den Kaffee dort trinken wollen (nicht „to go“) und auf den Plastikdeckel verzichten. Es kommen wohl eher selten Menschen zu Fuß dorthin, und alle anderen trinken und essen dann wohl in ihren Autos.

Anschließend laufen wir bis zu der Post, bei der man Briefmarken für unsere Panama-Postkarten kaufen können soll. Der Weg dorthin ist noch schlimmer als der zur Tankstelle, uns wird teilweise von entgegenkommenden Busfahrern angezeigt, dass wir dort lieber nicht entlang gehen sollten – das ist wohl unsere erste „no go area“ – aber wir kommen heile durch.

„Go“ or „No-Go“?

Der Dame bei der Post fällt es schwer, uns Briefmarken zu verkaufen, sie versucht mehrfach, es uns auszureden: Die Panamaische Post hat zwar inzwischen (und wohl schon vor einigen Wochen) ihre Schulden bei der Luftgesellschaft bezahlt, aber sämtliche liegengebliebene Post seit November wird jetzt portionsweise nach Eingangsdatum verschickt. Sie hat an den Fingern abgezählt, dass das neun Monate sind, und dass es so lange dauern könnte, sie könne gar nicht sagen, wann die Post ankommen wird usw.. Viktor fragt nach, ob die Post denn weggeworfen werden könnte. Das verneint sie kategorisch, denn das sei ja absolut verboten. Also käme die Post dann irgendwann doch an, sagt Viktor, was sie Postbeamtin mit dem Poloshirt, auf dem ein „Govierno Panama“ (Regierung Panama) Logo aufgestickt ist, ausdrücklich bestätigt. Trotzdem muss sie nochmal Rücksprache mit ihrer Chefin halten, weil Viktor auf dem Kauf der Briefmarken besteht. Am Ende erhalten wir unsere 20 Briefmarken zu je 35 Cent. Wir machen jetzt einfach mal dieses kleine Postkarten-Experiment und schauen, ob und wann sie ankommen. Wir haben alle Karten fotografiert, und falls sie niemals ankommen, gibt es sie dann irgendwann digital :-).

Jutta hat zwischendurch schon mal recherchiert, wie man in Panama seine Post empfangen kann. Dabei hat sie herausgefunden, dass diese nicht nach Hause geliefert wird, sondern nur an Postfächer. Damit erklären sich auch die vielen Postfächer, die wir vor dem Postamt sehen.

Von der Post gehen wir zur Küstenstraße, um noch eine etwas schönere Strecke an der Uferpromenade gehen zu können und um dort irgendwo einzukehren. Es scheint so, als komme heute nachmittag ausnahmsweise mal kein Regenguss (den gab es schon heute früh), und das nutzen wir aus. Im Restaurant Balboa fordert Viktor den Ober mit der Bestellung eines Perrier-Wassers und eines Apfelsafts mit nur einem Glas heraus, u sich selbst eine Apfelschorle zu mixen. Erst kommen Wasser und Glas (und die bestellte Fischsuppe). Nach einer Erinnerung an den Saft kommt eine Dose, Viktor öffnet sie und schenkt ein, und es ist Birnensaft! Erst beim dritten Versuch kommt endlich der Apfelsaft! Und eine gemurmelte Entschuldigung!

Anschließend gehen wir noch zum Aussichtspunkt an der Küstenstraße, wo auch ein Gasballon vorgehalten wird, der aber in der ganzen Zeit, die wir schon hier in Panama-City sind, noch nicht einmal aufgestiegen ist – man sieht die goldene Kugel von Weitem immer nur am Boden – keine gute Werbung. Wir erkundigen uns bei einem Fahrradverleih nach Preisen, um eventuell einmal mit dem Rad über die Cinta Costera 3 zu fahren, auf der eine Spur immer für Radfahrer autofrei bleibt:

Und dann gehen wir den ganzen Küstenstreifen zurück bis zur Fußgängerbrücke, die auf die richtige Straße aufwärts zu unserem Hotel California führt, kaufen auf dem Weg noch eine Stange Brot und eine Avocado (und Knoblauchsalz in Portions-Tütchen … sehr lecker) zum Abendessen.

Auf dem Weg kommt uns ein Mann entgegen, der eine spanische Flagge mit Hakenkreuz auf der Brust trägt. Wir vermuten einen ausgewanderten spanischen Nazi, aber der Typ erscheint uns eigentlich zu jung. Tja, so kann man sich täuschen:

Am Ende der Fußgängerbrücke sehen wir auf einem Spielplatz noch einen typischen „Matapalo“ (Töte-Stamm, Töte-Stock) … so wird hier der „Würgerficus“ genannt, der um andere Bäume herumwächst und sie irgendwann dabei tötet. Dann verrottet der abgestorbene Stamm, es bleibt ein hohler Würgerficus stehen und er wächst munter weiter.

Hier in Panama Stadt läuft man – selbst wenn es nicht regnet – eigentlich ständig durch irgendwelche Pfützen und Bäche, die über Straßen fließen oder am Rinnstein kleine bis mittelgroße Sprünge nötig machen. Sie sind das Ergebnis von hunderten (oder mehr?) kleinen (Ab?-)Wasserrohrbrüchen, die offenbar sehr unrepariert bleiben. In den Rinnsteinen wachsen jedenfalls meist schon Algen. Unsere Füße und Waden sind nach einem Spaziergang eigentlich immer von undefinierbaren Spritzern bedeckt.

Wir verbringen den Rest des Nachmittags im Hotelzimmer mit diesem Blog, CNN (Trump versus Harris), der Umbuchung unseres Boots-Trips nach Kolumbien und weiterer Streckenplanung für den Abschnitt von Cartagena (Kolumbien) nach Lima (Peru).

Samstag 27.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 9)

Heute wollen wir eigentlich ins „Biomuseo“, entscheiden uns dann aber kurzfristig um, weil wir den Kopf nicht frei haben. DHL hat uns über Nacht Nachrichten geschickt, die eine Lieferung unserer Ersatzteile-Pakete frühestens am 31.7. ankündigen. Alejandro vom Bikeshop teilt uns außerdem per WhatsApp mit, dass die angekündigten Lieferdaten von DHL selten stimmen, da ab dem mitgeteilten Datum erst die Zollabfertigung beginnt. Diese dauert oft viele Tage, und es werden häufig zusätzlich zum Zoll noch weitere Gebühren (und Schmiergelder?) gefordert, um die Pakete ausgehändigt zu bekommen. Die Zollbehörden nutzen angeblich ihre Macht schamlos aus.

Das erfahren wir leider erst, kurz nachdem wir die 120 Dollar Reservierungsgebühr für unsere Bootsfahrt von Panama nach Kolumbien am 2.8. bezahlt haben.

Wir fahren stattdessen bei strömendem Regen mit dem Bus zur Multiplaza Pacific Mall, weil es dort ein Decathlon geben soll. Schon als wir eintreten fällt auf, dass diese die edleren Geschäfte hat – alle möglichen Luxusläden sind vertreten. Zuerst besorgen wir in einem Do it Center riesige Plastiktüten, um unser Tandem einpacken zu können, und Klebeband. Dann wollen wir im Decathlon unser Kochbenzin zum Verschenken anbieten. Sie verkaufen dort zwar keine Kocher, aber es würde ab und an nach so etwas gefragt werden, und wir können die Flasche dort lassen. Wir schreiben in der WhatsApp-Gruppe der Fahrradfahrenden in Mittelamerika, dass es in diesem Laden eine Flasche zu verschenken gibt – vielleicht freut sich jemand darüber. Wir haben das Benzin jetzt seit 4.500 Kilometern transportiert und noch nie benutzt – jetzt wollten wir uns davon trennen. Leider finden wir keine neuen Spanngurte zum Kaufen (auch nicht in anderen Geschäften) – da unsere nicht mehr lange mitmachen, wollen wir sie ersetzen – dafür aber eine kleine Luftpumpe, die wir nicht gesucht haben, aber kaufen. So kann die große in Nicaragua gekaufte auch als Gepäck eingespart werden.

Nach einem Panamaischen Kaffee in der Mall fahren wir wieder mit einem Bus Richtung Hotel, müssen am Küstenboulevard aussteigen und hochlaufen – der Regen hat inzwischen aufgehört.

Wir erfahren, dass eigentlich alle paar Tage ein Boot nach Cartagena losfährt, was bedeutet, dass wir nicht richtig lange werden warten müssen, wenn unser Rad endlich fertig wird, aber dass, wenn wir am 2. August nicht mitfahren, die Anzahlung von heute früh verloren ist. Absagen können wir in der letzten Minute, aber wenn es früher wäre, könnten sie eventuell die Plätze noch anderweitig vergeben. Wir müssen die nächsten Tage abwarten, auch wenn es schwer fällt, nichts machen zu können … .

Nachmittags planen wir weitere Tage in Kolumbien, wollen dann recht früh schon essen gehen, gucken uns etwas aus, bleiben dann aber auf dem Weg dorthin bei einem Mexikaner hängen, den wir noch gar nicht wahrgenommen hatten. Dort ist trotz der frühen Stunde der Bär los, und dennoch geht es ziemlich schnell, und das Essen ist gut und preiswert. Die „Micheladas“, ein Mixgetränk aus Bier, scharfen mexikanischen Soßen und weiß-der-Teufel-was-sonst-noch werden hier besonders innovativ serviert; die Bierflasche wird umgedreht und mitten hineingesteckt (siehe Foto mit Corona-Flaschen).

Sonntag 28.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 10)

Heute früh müssen wir zunächst unser Hotelzimmer verlängern, unsere ursprüngliche Buchung ging bis heute, und die Kollegin gestern hat gesagt, wir sollen es bei der heute diensthabenden Kollegin machen. Wir zahlen erst einmal bis zum zweiten August, früher wird es eh nichts, eher später.

Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Bus zum Biomuseo. Wir müssen einmal umsteigen, tun dies aber eine Station zu früh (in der Gegenrichtung ist es diese Haltestelle, wer kann das denn erahnen ?), der richtige Bus wird nur von hinten gesehen. Als wir den nächsten Busfahrer fragen, lässt er uns kostenlos eine Station mitfahren. Wir sind schon um halb zehn dort, es öffnet erst um zehn, aber draußen ist ein kostenloser Teil der Ausstellung, den wir schon einmal anschauen. Um zehn Uhr müssen wir als Ausländer je 20 Dollar Eintritt bezahlen und denken, dass da zumindest der Audioguide enthalten sein muss. Nein, jeder mit einem Handy kann sich die You Tube – Videos anschauen, Jutta hat ihres im Hotel gelassen, und die Übersetzung in andere Sprachen als Spanisch klappt sowieso nicht. Es ist, gerade am Anfang, sehr voll, bald verteilt sich die Menge aber. Das Museum ist gut gemacht, ganz unterschiedliche Räume, für Jung und Alt, lohnenswert, auch für den Preis.

Panama und das Weltklima

Ein wichtiges Biodiversitätsbeispiel für die Pharmzeut*innen in unserer Leserschaft:

Biodiversität hilft bei der Suche nach neuen Krebstherapien
Deutsche Erklärung auf Tonspur

Es geht in diesem Museum vor allen Dingen um die Biodiversität in Panama und deren Wichtigkeit für die ganze Welt, um die Entstehungsgeschichte von Panama als Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika und natürlich auch ein wenig um den Panamakanal.

Wir lernen unter anderem, dass wirklich nur Panama als Brücke zwischen Nord- und Südamerika gilt, und nicht – wie wir zunächst dachten – ganz Mittelamerika. Ebenso erfahren wir, dass es einmal Riesenfaultiere gab und dass die Lamas eigentlich aus Nordamerika stammen und erst über die Landbrücke Panamas nach Südamerika gelangten.

Der Kanal zwischen Atlantik und Pazifik hätte theoretisch an vielen Stellen gebaut werden können, z.B. auch im heutigen Nicaragua unter Nutzung des Nicaragua-Sees (siehe alte Karte mit roten Linien in der Galerie). Der erste französische Versuch, den Panamakanal zu bauen, scheiterte an den damaligen technischen Möglichkeiten, aber auch daran, dass die entscheidende Idee – das Aufstauen des Wassers zu einem großen Stausee und der Bau von Schleusen – erst von den Amerikanern ins Spiel gebracht wurde.

Nach einem Kaffee auf der Terrasse des Museums laufen wir die Avenida Amador, die Verbindung des Festlandes mit den vorgelagerten Inseln, bei ziemlicher Hitze bis zum Centro Cultural Punta Culebra,

… wo wir noch einmal Eintritt zahlen müssen, um dort die Smithsonian-Ausstellungen und den Park besuchen zu dürfen. Hier gibt es Lebendiges (im Gegensatz zum Biomuseo), u.a. Frösche, Schildkröten, Fische, Korallen, Affen, Faultiere, Ameisenbären, Schmetterlinge, und auch viele verschiedene Sandarten von pazifischen und atlantischen Stränden zu mikroskopieren, viele informative Tatsachen zu lesen – z.B. lernt Jutta, dass es hier ziemlich viele Frösche gibt, die Eier legen, aus denen junge Frösche schlüpfen (nichts mit Kaulquappen und Metamorphose, dieses Stadium wird übersprungen). Der Himmel zieht sich ziemlich zu, und der Park schliesst sowieso um vier, also beeilen wir uns etwas, ihn zu verlassen, um noch einen Ort zu suchen, wo wir etwas trinken können. Alle Lokalitäten sind von essenden Restaurantgästen besetzt, aber irgendwann finden wir einen Souvenierladen, der auch Kaffee und andere Getränke anbietet und machen dort eine kleine Pause. Es kommt doch kein Regenguss, und wir können hinterher trocken zur Bushaltestelle gehen.

Wir müssen wieder an der Policia Nacional-Haltestelle umsteigen – die kennen wir inzwischen – nur die Weiterfahrt ist schwieriger als bislang, vielleicht, weil heute Sonntag ist. Es gibt mehrere passende Buslinien. Der erste passende fährt ohne Halt vorbei, wir hätten ihn wohl herbeiwinken müssen. Der nächste hält, fährt aber irgendwann eine andere Strecke, wie Viktor auf dem Handy per Google-Maps verfolgt. Wir steigen also an der Stelle aus, die am nächsten an unserem Hotel liegt – gar nicht weit zu gehen, über eine Brücke und nur ein Stück weiter geradeaus und dann rechts. Das scheint allerdings schon wieder so eine „No go“-Area zu – aus überholenden Autos rufen uns die Fahrer zu, dass es zu gefährlich ist („Be careful!“). Da fühlt man sich doch gleich unsicherer, obwohl es hellichter Tag ist und es uns vorher nicht unsicher vorkam.

Wir denken, wir gehen gleich bei einem Container-Restaurant-Platz mit verschiedenen Angeboten essen (ohne „Umweg“ übers Hotel), nehmen aber eine falsche Querstraße, landen dann doch erstmal wieder am Hotel. Viktor ist so hungrig, dass wir erwägen, Pizza zu bestellen, was ohne einen Account aber leider nicht klappt, also gehen wir noch einmal die 700 Meter und essen draußen zwischen mehreren Containern ganz leckere Burger.

Brutal leckere Burger

Von DHL haben wir heute auch ganz eingenartige Nachrichten bekommen: das eine Paket ist angeblich in Leipzig, das andere in London angekommen. Die DHL-App kündigt die Zustellung für den 30. Juli an, der WhatsApp-Chatroboter spricht vom 31. Juli. Wozu dieser ganze Online-Tracking-Quatsch, wenn man nur unbrauchbare Infos erhält? Wir werden morgen hier mal bei DHL vorbeischauen und um aktuelle lokale Infos bitten.

Woche 16 (15.7.24 – 21.7.24) – Aguadulce – Panama City

Montag 15.7.24 – (072) – Aguadulce – Anton

Gesamt: 4.459,98 km

Wir packen morgens das Tandem im Zimmer und bringen es vor das Hotel, um zum Frühstücksstart um 6:30 Uhr ins Hotelrestaurant zu gehen. Das „Cerrado“-Schild wird pünktlich umgedreht zur „Abierto“-Seite, wir treten ein und müssen erfahren, dass es nur Kaffee gibt, weil die Köchin noch nicht eingetroffen ist. Die Dame kann auch nicht sagen, wann das der Fall sein wird. Also gehen wir gegenüber beim CrossMarket furchtbar fettige Käse-Empanadas (eine mit weißem, eine mit gelbem Käse) frühstücken und fahren danach los. Der Weg auf die andere Seite der Panamericana ist recht beschwerlich und hat so gar nichts von Barrierefreiheit. Was man als Fußgänger hier in Mittelamerika als Fußweg angeboten bekommt, ist schon ziemlich speziell:

Zeitraffer Überquerung Panamericana (empfohlene Abspielgeschwindigkeit 0,25)

Wir haben in ganz Mittelamerika erst einen Menschen gesehen, der seinen Rasen mit einem Rasenmäher gemäht hat. Oft wird das Gras mit Macheten geschnitten, oder aber mit solchen Motorsensen, die häufig kleine Steine in unsere Richtung schleudern, wenn wir zu nah daran vorbeifahren, auch schon mal in Augenhöhe. Heute ist gerade wieder ein Sensenmann morgens vor dem Hotel aktiv und wird von Viktor festgehalten.

Motorsensenmann wirbelt Staub auf

Es ist Montagmorgen, die Straße ist zumindest hinter Aguadulce noch sehr voll – immerhin haben wir Asphalt und keine Betonplatten. Heute verläuft die Panamericana in einem großen Bogen gegen den Uhrzeigersinn, und teilweise haben wir heute etwas stärkeren Wind von vorne. Von der Aussicht her ist der Himmel fast abwechslungsreicher und interessanter als die Erde – immer wieder wechselnde Wolkenformationen. Leider müssen wir aber meistens beide konzentriert auf die Straße achten, die nur an wenigen Stellen wirklich gut ist, um alle Schlaglöcher, Äste, Schrauben und andere Eisenteile rechtzeitig zu sehen.

Nach ca. 20 Kilometern machen wir die erste Pause. Nachdem am Straßenrand der beste Kaffee auf dem ganzen Weg („Mejor Café del Camino“) angepriesen wurde, trinken wir zwei …. Apfelschorlen, weil es das erste Mal überhaupt ist, dass es dieses in Deutschland so verbreitete Getränk hier zu kaufen gibt (unsere Neffen wollten immer welche bestellen, ohne dass es sie z.B. in Costa Rica gab). Das Zeug heißt „Kist“ und trägt zusätzlich auch noch das Fanta-Markenzeichen.

Jutta liest auf dem Tiefkühler unter anderem das Wort „Duros“ (Harte), schaut hinein und sieht viele kleine zugeknotete Klarsichttüten mit verschiedenfarbigem Inhalt. Sie hat schon seit längerem vermutet, dass sich jene hinter dem Wort „Duro“ verbergen. Viktor erkundigt sich nach den Sorten (sie kommen aus eigener Herstellung) und probiert eines mit Kokos. In ganz Mittelamerika haben wir oft Menschen mit so kleinen Tüten auf der Straße gesehen, an denen sie gelutscht haben. Jetzt wissen wir, dass das preiswerte, hausgemachte Eis-„Duros“ waren. Im Supermarkt haben wir auch schon die Polypropylen-Tüten entdeckt, die man dafür benötigt.

Seit mehreren Tagen, wahrscheinlich seit wir in Panama sind, haben wir immer mal wieder blaue Herzen mit einer Art Funksignalzeichen auf den Wegen oder Straßen gesehen und bislang gedacht, das wäre Werbung für Tigo – ein Mobilfunkanbieter hier. Heute haben wir allerdings bemerkt, dass sie ganz unterschiedlich häufig sind UND dass jedes Mal auch ein Kreuz am Straßenrand oder im Gebüsch daneben steht :-(. Kurz vor dem Etappenziel in Anton sehen wir auf der Straße vor einer Brücke eine große Zahl dieser Herzen und das Datum 5.3.2017. Wir wissen sofort, dass hier ein Busunglück passiert sein muss, und so ist es auch.

Daraufhin haben wir die Idee, dass man ja auch in Deutschland etwas Ähnliches machen könnte (besonders dort, wo Radfahrer verunglückt sind, nachdem dort zunächst für 12 Monate ein weißes Geisterrad steht und dann entfernt werden muss, oder vielleicht auch auch für alle im Straßenverkehr Gestorbenen).

Als rechts eine terpel-Tankstelle mit „Va & Ven“ – Shop auftaucht, machen wir eine ausgiebigere Pause, in der wir auch Radläden in Panama Stadt anschreiben, die leider nicht willig sind, für uns Ersatzteile zu bestellen. Wir drücken ordentlich auf die Tränendrüse, aber sie haben einfach keinen Bock und behaupten, sie hätten Lieferzeiten von sechs Monaten für einen 3 Meter langen Schaltzug von Shimano. Außerdem verabreden wir uns locker mit dem Pärchen (Felipe und Katya, er Chilene, sie Russin), die wir in Mexiko mit dem Auto überholt hatten, und die auch Ende der Woche in Panama City ankommen wollen.

Die Weiterfahrt führt uns erst durch eine ziemlich große Stadt (Penonomé), in der wir uns fragen, warum hier die Städte alle so hässlich sind, und dann weiter auf schlechter Straße. Der Seitenstreifen ist wieder sehr vermüllt, oft auch vollständig mit Gras zugewachsen oder wird von Pflanzen überragt. Vor jeder Brücke endet der Seitenstreifen sowieso und wir müssen auf die Fahrspur. Von hinten kommen die Autos, Lastwagen und Busse mit 80 bis 100 km/h angerauscht. Der kleine Seitenspiegel am Lenker ist bei diesen Manövern mittlerweile eine unbezahlbare Lebensversicherung.

An einer Stelle sind wir gerade wieder auf der rechten Fahrspur, als große Querrillen mit schon von Weitem deutlich sichtbaren Stufen auf uns zukommen. Wir wollen auf den Seitenstreifen ausweichen, der mit Gras bewachsen, aber immerhin halbwegs vorhanden ist. Bei diesem Ausweichmanöver rollt unser Vorderrad gefolgt vom Hinterrad in einen mehrere Zentimeter breiten und tiefen Riss zwischen Fahrspur und Seitenstreifen, aus dem das Gras wächst. Es war einfach nicht erkennbar, dass dort solche breiten und tiefen Risse sind. Jetzt wissen wir, dass wir bei Gras am Straßenrand lieber vorsichtig sein sollten).

Das war knapp! Dass wir nicht gestürzt sind, ist eigentlich ein Wunder und vermutlich Juttas intuitiver und schneller Gewichtsverlagerung zu verdanken. Das zweite Wunder ist, dass beide Felgen das Ganze bei vollbeladenem Tandem offenbar schadlos überstanden haben. Wir haben bisher jedenfalls keinen Speichenbruch oder anderen Schaden entdeckt.

Viktor trägt auf Juttas Vorschlag die Gefahrenstelle bei I-Overlander ein, und glücklicherweise ist anschließend der Reifen noch fest. Wir hatten eigentlich mit einem Platten gerechnet, können aber weiterfahren.

Nur aufgrund dieser zeitlichen Verzögerung kommen wir gerade an einer „terpel“-Tankstelle vorbei, als die ersten Tropfen eines starken Gewitters herunterkommen. Wir stellen uns und das Tandem ganz schnell regensicher unter! Wären wir hier schon vorbeigefahren, wäre bis zum Etappenziel keine Möglichkeit zum Unterstellen mehr gekommen. Das Gewitter ist direkt über uns, Blitz und Donner erfolgen gleichzeitig. Wir bestellen uns noch einmal etwas zu Trinken, um das Gewitter abzuwarten. Plötzlich ist alles dunkel und leise (bis auf irgendein Handy im Raum, das noch Musik abspielt) – Stromausfall – und dann beginnt nach der nächsten Blitz-Donner-Kombi draußen auf dem Parkplatz die Alarmanlage eines Autos zu jaulen, vermutlich ausgelöst durch den verdammt heftigen Donner direkt über uns. Wir waren wieder mal zur rechten Zeit am rechten Ort!

Regenradar kurz nach dem Gewitter

Wahrscheinlich hat uns der Beinahe-Sturz vor dem Blitzschlag gerettet! 😉

Nach dem Regen sind es nur noch ein paar Kilometer bis Anton, und unser Hostal Las Catalinas ist schnell gefunden.

Es ist ein Bau aus der Kolonialzeit von 1913, und überall sind schöne Fliesen, es gibt einen schönen, überdachten, liebevoll eingerichteten Innenhof. Direkt nebenan ist die Kirche, und wir hören die ganze Zeit Gesang, erst nur Einzelne, abends dann einen Chor. Nach dem Duschen machen wir in glühender Hitze noch einen kleinen Rundgang, finden leider aber noch kein Restaurant für abends, das uns beiden richtig zusagt, und auch die beiden Heladerias, die es laut Google geben soll, gibt es nicht mehr. Also ruhen wir uns aus bzw. schreiben schon einmal am Blog und gehen abends dann zur Hauptstraße in die größte Fast-Food-Kette Panamas: „Pio Pio“, wo uns die Hotelangestellte heute morgen schon zum Frühstück hat hinschicken wollen (in Aguadulce natürlich, nicht hier in Anton).

Dienstag 16.7.24 – (073) – Anton – Coronado

Gesamt: 4.511,85 km

Als wir um kurz vor sechs im Halbdunkel zum Vordertor des „Hostal Las Catalinas“ kommen, ist dieses verschlossen. Uns fällt auf, dass wir gestern garnicht angekündigt haben, dass wir um sechs Uhr losfahren wollen. Aber es kommt sehr schnell eine Mitarbeiterin zum Aufschließen, so dass wir ohne Verzögerung starten können. Die Straße ist immer noch eher schlecht, auch wenn sich der Belag alle paar Kilometer verändert. Entweder die Betonplatten (mit Abständen und Absätzen), Asphalt (mit Schlaglöchern) oder ganz dünn auf die Betonplatten aufgetragener Asphalt mit Querrissen. Und der heutige Tag geht unentwegt auf und ab, nie richtig steil hoch, aber trotzdem etwas nervig. Rechts und links auch eher langweilige Landschaft, mal ein paar Mangobäume zwischendurch, einige Teak-Bäume, ein paar Weiden mit Pferden.

In Rio Hato wollen wir frühstücken, die dortige Tankstelle an der Bushaltestelle ist sozusagen ein kleines Mobilitätszentrum, aber bei der einzigen dortigen Möglichkeit zu Frühstücken wird die italienische Kaffeemaschine nur noch als Regal eingesetzt, und auf fettgebackene Empanadas haben wir heute auch nicht schon wieder Lust, also kaufen wir eine Art Brot und holen unsere Frühstückstüte aus der Radtasche.

Schade … nur noch ein Regal

Weiter geht`s! Man kann nicht gut in die Landschaft gucken, erstens wegen der schlechten Straße, zweitens, weil an beiden Straßenrändern mannshohe Büsche die Sicht versperren – manchmal stehen Bäume direkt dahinter, dann sieht man immerhin die Kronen.

In San Carlos wollen wir es noch einmal mit Kaffee und ggfs. Frühstück versuchen, aber im ganzen Ort ist wieder nichts Brauchbares, zumindest direkt an der Panamericana. Kurz danach ist auf der Gegenseite ein kleines Restaurant. Wir lassen das Tandem auf unserer Seite stehen und überqueren den Mittelstreifen – ein LKW-Fahrer tut das Gleiche. Reis/Pinto gibt es erst ab 11, aber es gibt Tortilla und Yuka. Wir teilen uns eine Portion. Und dann ist geplant, beim nächsten Va & Ven (Raststätten an den terpel-Tankstellen) eine längere Pause zu machen, weil wir uns zu 13 Uhr in der Unterkunft angemeldet haben, und sonst viel zu früh wären.

Ja, und planen kann man viel, aber Pläne kann man auch über den Haufen werfen. Erst einmal kommen uns zwei Bikepacker entgegen. Wir halten alle vier an und treffen uns auf unserer Seite. Pierre ist Franzose, vor eineinhalb Jahren in Ushuaia gestartet und auf dem Weg nach Kanada. Carmen (?) kommt aus Ecuador, ist vor zwei Tagen gestartet, auf dem Weg nach Mexiko und hatte bislang maximal sieben Kilometer an einem Tag gefahren (jetzt schafft sie schon 40km).

Zweitens bemerken wir ein paar Kilometer weiter, an einer Einfahrt zu einer Shopping-Mall, dass sich das Tandem komisch lenken lässt – der nächste Platten vorne! Wir schieben es zu einem Bordstein, um den Schlauch zu wechseln, und werden sehr schnell von einem Mann unterstützt, der eigentlich an dem angrenzenden Taxistand zu arbeiten scheint. Er heißt Eden, ist ehemaliger Profi-Mountain-Biker, und bekommt mit bloßen Händen den Mantel in wenigen Sekunden von der Felge gezogen. Eine Aufgabe, für die wir mit drei Reifenhebern normalerweise ein paar Minuten brauchen. Alleine für das Auspacken der Reifenheber aus den tiefsten Tiefen unserer Radtaschen brauchen wir ja schon Ewigkeiten.

Das Loch liegt (zum zweiten Mal seit Kilometer 3.000 in León) innen direkt neben dem Ventil. Daraufhin untersucht Eden die Felge und zieht dazu das Felgenband ab. Donnerschlag! – die Felge ist quasi rundherum gebrochen, teilweise „nur“ ein Riss, teilweise fehlen aber ganze Stückchen Aluminium! Wir sehen Panama-Stadt und die ganze Weiterfahrt in Gefahr, aber er meint, mit Isolierband beklebt (um den Schlauch zu schützen) könne man damit erst einmal weiterfahren, um sich in Panama Stadt (noch ca. 90 Kilometer) um eine neue Felge zu kümmern. Der tragende Teil der Felge scheint ja weiterhin halbwegs stabil, denn das Vorderrad läuft noch völlig rund und die Speichen sind alle fest.

Eden nennt auch gleich einen Laden (Trillo Armadillo), den er uns empfiehlt, und das ist keiner von denen, die uns schon für die Schaltzüge oder Schläuche ein Absage erteilt haben. Wir sollen einen schönen Gruß von ihm ausrichten, wenn wir den Laden kontaktieren. Das ist vermutlich das größte Geschenk, das uns Eden heute macht, denn der Besitzer (Alejandro) reagiert später auf die erste WhatsApp sofort sehr positiv und mit großer Hilfsbereitschaft.

Viktor kauft also in einer Ferreteria um die Ecke Isolierband, Eden wickelt es ein paar Mal um die Felge und macht uns dann das ganzen Vorderrad fertig, inklusive Aufpumpen. Anscheinend hat er richtig Spass daran! Auch möchte er anschließend nicht einmal von uns zum Kaffee eingeladen werden. Stattdessen zeigt er uns auf seinem Handy ein paar Fotos von seinen Siegen und von seinen Kindern, die auch MTB fahren. Welch eine positive Erfahrung trotz aller widrigen Umstände!

Wieder einmal waren wir genau am richtigen Ort, als uns das passiert ist! Und das wahrscheinlich nur, weil wir vorher die beiden Bikepacker getroffen haben und wir uns alle gemeinsam entschieden, stehen zu bleiben und ein wenig zu quatschen. Es hätte uns wirklich schlimmer treffen können!

Aber jetzt stehen wir vor einem Problem und einer größeren Entscheidung: Wir brauchen eine neue Vorder- und eventuell auch eine neue Hinterradfelge. Sie sind extra stark mit 32/36 Speichen, und wir warten noch darauf, ob der Laden in Panama sie überhaupt besorgen kann, und wenn ja, wie lange das dauert. Und in einer Woche geht (eigentlich) unser Boot in Richtung Kolumbien. Von dem werden wir an einem Strand in Sapzurro (Kolumbien) „ausgesetzt“, wo es keine richtigen Straßen gibt und müssen irgendwie über einen Wanderweg oder mit einem kleinen Boot (Lancha) nach Capurganá kommen, wo man wieder auf ein kleines Boot nach Necoclí steigen kann.

Darüber denken wir jetzt auch einmal detaillierter nach und finden alleine keine wirkliche Lösung. Außerdem wollen wir eigentlich gerne noch in den Norden bis nach Cartagena über Wasser (oder auch über Land) fahren, denn die Stadt soll ein kleines architektonisches Juwel aus kolonialen Zeiten sein. Gerade gestern hat Jutta eine in Berlin lebende Kolumbianerin (Andrea) gefragt, ob sie eine Möglichkeit kennt, wie wir von Necoclí nach Cartagena kommen können. Und heute hat sich plötzlich die Möglichkeit aufgetan, mit einer anderen Agentur direkt von Panama (auch über die San Blas Inseln) nach Cartagena zu schippern. Das wäre ohne mehrmaliges Umsteigen (Boote, Fähren, Busse, etc.), ohne das Einpacken des Tandems in einen Karton und ohne diese unsichere Lücke in Sapzurro möglich. Diese Entscheidung müssen wir in den nächsten Tagen fällen (aber erst einmal müssen wir wissen, was mit der kaputten Felge passiert), und wir nehmen gerne auch Ratschläge von Außenstehenden entgegen – zögert also nicht zu kommentieren – was sollen wir tun?

Pünktlich um 13 Uhr kommen wir beim „Dharma Casa Holistica“ an, wo wir kein Zelt (wäre auch möglich), sondern einen Bungalow gebucht haben. Wir duschen und laufen zu einem Starbucks, das wir etwa einen Kilometer vor der Ankunft gesehen hatten. Dort in dem Shopping Center Coronado treffen wir auf ein Deutsches Pärchen, das vor einem Jahr hierher ausgewandert ist, um der ganzen politischen Situation in Deutschland zu entkommen, und sie erzählen uns von etwa 30 Deutschen Pärchen hier in der nähreren Umgebung, die sich regelmäßig treffen. Sie gehen gerade zu einem Italiener essen. Diesen suchen wir uns für abends auch schon einmal aus, gehen aber zwischendurch noch einmal ins Zimmer.

Gegenüber von unserer Unterkunft werden Pflanzen verkauft. Manche kosten einen Dollar, manche auch einen Balboa. Schon gestern ist in Anton ein Auto durch die Straßen gefahren, dessen Fahrer gelbe und grüne Bananen (hier heißen sie wieder alle „Platanos“ – die zum roh essen „gelbe“ Bananen, die zum Kochen „grüne“ Bananen) und Eier angepriesen hat. Die Bananen gab es „vier für einen Dollar“, die Eier „30 für fünf Balboa“. Der Kurs ist genau 1:1 (fest gekoppelt), und von den Balboa gibt es ja bloß Münzen (s.o.) – welchen Sinn genau ergibt es, die Dinge so auszupreisen? Wir wissen es nicht!

Das Essen beim Italiener (drinnen in geschlossenem Raum ohne Mückenalarm, klimatisiert, bei Europäischer Musik – z.B. Eric Clapton) ist – so traurig dies auch ist – gerade nach so einem Tag, richtig schön. Und lecker ist es auch, obwohl Viktor statt der georderten „Gnocchi Quattro Formaggi“ die „Penne Quattro Formaggi“ bekommt. Er vermutet, dass er „Gnocchi“ wieder einmal anders ausgesprochen hat, als hier üblich, aber das stimmt nicht, wie hinterher mit dem Kellner geklärt wird, den Viktor nach der ortsüblichen Aussprache von „Gnocchi“ fragt. „Warum verstehen die mich hier so schlecht?“ fragt sich Viktor zum X-ten Mal.

Mittwoch 17.7.24 – (074) – Coronado – La Chorrera

Gesamt: 4.569,22 km

Schon vor dem Frühstück um 6:30 Uhr geht Jutta das Fahrrad packen und stellt fest, dass das Vorderrad schon wieder platt ist. Na toll! Also ist schon beim Frühstück Thema, ob wir evtl. lieber mit einem Auto nach Panamá fahren sollten, weil die Felge muckt. Die Mitarbeiterin der Unterkunft – Isabel aus Kolumbien – ist erst seit zwei Monaten hier. Sie wirkt eher wie Mitte 20, hat aber mit 38 Jahren schon zwei Kinder, 22 und 19 Jahre, die in Kolumbien bereits auf eigenen Beinen stehen. Isabel möchte langfristig nach Israel oder Europa auswandern, macht uns Vorschläge und leidet mit uns. Viktor lädt sie in unser Gästezimmer ein, falls sie es irgendwann nach Berlin schaffen sollte, und sie freut sich total.

Wir machen uns daran, das Vorderrad wieder einmal auszubauen. Dummerweise haben wir das Loch von gestern noch nicht geflickt und keinen neuen Schlauch mehr. Jutta beginnt also schon einmal mit dem Flicken des Schlauchs von gestern, bevor Viktor ihr den gerade ausgebauten bringt.

Sie sucht und sucht nach dem Loch, findet aber nichts. Erst als Viktor das Ventil im Waschbecken unter Wasser drückt ist die Problemstelle gefunden. Der Ventileinsatz sitzt locker. Zum Glück haben wir das richtige Werkzeug dabei, um ihn festzuziehen. Danach ist wieder alles dicht. Bei Viktor kommt dabei die Erinnerung aus den tiefsten Tiefen des Gedächtnisses hoch, dass sein Vater ihm schon im Kindesalter beigebracht hatte, immer erstmal etwas Spucke auf das Ventil zu geben und zu schauen, ob sich Blasen bilden. Dann kann man sich nämlich das Ausbauen des Rades und das mühsame Herausholen des Schlauches vielleicht sparen. Heute wäre das der Fall gewesen. Lehre von heute: Väter haben immer Recht. 😉

Wir kommen erst nach 11:30 Uhr los, da wir den weiteren Vormittag mit Umplanungen, Umbuchungen und umfangreicher Kommunikation verbingen, um die Ersatzteile zu besorgen, die wir in Panama-Stadt für unser Tandem benötigen. Wir prüfen die Möglichkeiten einer Bestellung in Deutschland mit Express-DHL-Versand nach Panama. Unser Sohn Julius erklärt sich trotz schlechter Erfahrungen mit dem Paket nach Kolumbien bereit, notfalls ein Express-Paket nach Panama zu packen. Derzeit sieht es aber eher so aus, als würden die Ersatzteile schneller aus den U.S.A. nach Panama kommen.

Da es am Vormittag auch ordentlich regnet und wir der angeknacksten Felge nicht so richtig trauen, überlegen wir lange, ob wir nicht doch einen Mietwagen oder einen Taxitransport (inklusive Tandem) nach Panama-Stadt in Anspruch nehmen. Als der Regen aufhört und wir alles geregelt haben, was derzeit zu regeln ist, steigen wir doch aufs Rad und geben der Felge eine Chance.

Gute Nachricht: sie hält! Auch mit einer ringsum gerissenen Felge kann man sogar auf schlechter Straße noch fahren. Die Strecke ist nicht schön, und da oft ein Ort an den nächsten grenzt, fehlt auch meistens der Seitenstreifen – in Ortschaften fehlen die grundsätzlich, manchmal zugunsten eines Fußweges, aber eben nur manchmal. Zwischen Kilometer 10 und 20 geht es über einen höheren Berg, und wir sehen auf der langsamen Auffahrt vor uns schon wieder Gewitterwolken. Ziemlich weit oben, beim Umfahren des Berges, hat man doch einmal einen schönen Blick auf Natur, Berge und Wasser, nur, dass vor dem schönen Panorama noch eine Autorennstrecke liegt, die das Bild etwas stört (Autodromo Panamá Salajices). Glücklicherweise sind wir schon auf der Abfahrt als es anfängt zu tröpfeln und schaffen es rechtzeitig unter das Dach eines Restaurants (Campo Alto), bevor es richtig schüttet. Obwohl es schon nach 14 Uhr ist, kann Viktor noch Frühstück bestellen und entscheidet sich als Beilage für „Hojaldres “ aus Maismehl, die ihm wesentlich mehr munden als die hiesigen „Tortillas“ (ebenfalls aus Maismehl, aber mit langweiligem Geschmack). Der Regen hört fast auf – wir fahren weiter.

Am Ortseingang von La Chorrera, unserem Zwischenziel vor Panamá Stadt, halten wir an einem Supermarkt mit einem McDonalds-Nachtisch-Stand, um noch etwas Kaltes zu konsumieren und mögen dort das Tandem nicht außer Sichtweite lassen. Das Publikum wirkt nicht sehr vertrauenswürdig, und die ganze Umgebung ist ziemlich voll, zugemüllt und eigentlich kein guter Ort, um Pause zu machen. Aber wir müssen noch durch die ganze Stadt, die Straße ist ein einziger Stau, und es geht immer noch auf und ab, fast wie in San Francisco oder hinter Acapulco, denken wir noch.

Am (vermeintlichen) Ziel angekommen, stehen wir am Eingang einer Gated-Community, und es ist kein Hotel America weit und breit zu sehen. Ein Anwohner kennt es nicht einmal. Kein Wunder: auch wenn der Pin bei Google genau hier ist (und Komoot uns deshalb hierhin navigiert hat) – das Hotel liegt auf der anderen Seite der Stadt, dort wo wir vor über einer Stunde hineingefahren sind. Viktor hat im Hotel angerufen und den Standort per WhatsApp geschickt bekommen (kurz denken wir, eine Unterkunft in der Nähe zu nehmen, aber es gibt nur zwei Hotels, die fast nebeneinander liegen, in dieser großen Stadt). Wir fahren, etwas genervt, den ganzen Weg durch die Stadt wieder zurück, hätten das Hotel auf dem Hinweg aber auch nicht sehen können, da zwischen den beiden Einbahnstraßen-Fahrtrichtungen ein ganzer Häuserblock liegt. Und unser Hotel liegt an der Fahrbahn, die aus Panama-Stadt in den Westen führt. Wir kommen also recht spät an, gehen sofort ungeduscht bei Leonardo eine Pizza essen, und haben anschließend nach dem Duschen kaum noch Energie übrig. Morgen ist auch noch ein Tag!

Donnerstag 18.7.24 – (075) – La Chorrera – Panamá Stadt

Gesamt: 4.616,86 km

Heute, am 75. Radfahrtag, wollen wir die letzte Etappe in Mittelamerika machen und nach Panamá-Stadt fahren. Es ist nur noch eine kurze Strecke, aber wir haben auch noch vor, das Rad zur Reparatur und Wartung in den Fahrradladen (Trillo Armadillo) zu bringen, also fahren wir trotzdem früh los. In einem Super7 nach sieben Kilometern frühstücken wir. Kurz darauf beginnt die Baustelle, die uns Komoot schon für die Fahrt heute vorhergesagt hat (eine Baustelle immer genau neben der Panamericana): zwischen den beiden Fahrspuren stehen viele Meter hohe Betonsäulen für eine neue Hochbahn, es wimmelt von Arbeitern in gelber Leuchtweste, von Abstandhaltern zur Baustelle und von Baustellenfahrzeugen. Der Autoverkehr fließt nur sehr zäh vorwärts, und wir können selten rechts vorbei, weil die Straße so viele Schlaglöcher hat. Es nervt ziemlich und ist auch nicht ungefährlich.

Die Einfahrt nach Panamá-Stadt ist recht eindrucksvoll über den „Puente de las Américas“ über den Panamá-Kanal, auch wenn wir am Aussichtspunkt vorbeifahren, weil es als Fahrradfahrer auf der Straße, besonders aufwärts, lebensgefährlich scheint. Bei der „Abfahrt“ haben wir eine gute Sicht auf die vielen Wolkenkratzer der Stadt. Das Straßengewirr führt hinter der Brücke noch zu einer Suche der richtigen Strecke, einmal müssen wir wenden und schieben bzw. fahren über eine elendig lange Fußgängerbrücke, weil wenden gar nicht so einfach ist, ein anderes Mal gibt uns ein anderer Radfahrer einen Tipp, wie wir auf nicht so stark befahrenen Straßen zum Hotel California kommen können.

Obwohl es erst elf Uhr ist, bekommen wir dort schon ein Zimmer. Wir entpacken das Tandem komplett, bringen alles ins recht kleine Zimmer, gehen gegenüber einen Kaffee trinken und eine (süß schmeckende) Quesadilla essen und fahren dann mit dem Tandem zum ca. neun Kilometer entfernten Fahrradladen. Durch die verstopfte Stadt kommt uns die kurze Strecke wie 40 Kilometer vor – das ist hier keine Radfahrstadt! Hoffentlich können wir das Tandem gleich heute bei Alejandro lassen, sonst müssen wir den Weg noch mindestens drei Mal machen!

An der Centennial Mall, wo Trillo Armadillo Bikes sich befindet, lassen wir das Tandem zunächst vor dem Laden stehen und laufen zum gute zwei Kilometer entfernten Gelarti-Laden, um uns das von Fam. Rühle gesponsorte Eis zu genehmigen, wieder mal ein Banana-Split mit 3 Kugeln. Vielen Dank dafür!

zwei von Rühles gesponsorte Banana-Split, sogar mit Fahrrad im Hintergrund

Zurück bei Alejandro gehen wir gemeinsam mit ihm alles am Tandem durch. Er hat gestern die 20-Zoll-Felge und andere Dinge für uns in den U.S.A. bestellt und hofft sie kommenden Donnerstag zu erhalten. Wir dürfen das Rad aber schon dort lassen, dann können sie schon alles andere checken. Wir bauen vor dem Laden noch eben das Hinterrad aus, um auch bei diesem die Felge zu kontrollieren. Tja, und wie wir es schon fast vermutet haben: auch hier ist ein Riss schon fast komplett rum. Wir entscheiden also, dass Alejandro auch hinten eine neue Felge einbaut, auch wenn das mit der Rohloff-Schaltung komplizierter ist als die vordere. Wenn wirklich am Donnerstag die bestellte Ware kommt, sollten wir nächsten Samstag das Tandem wieder abholen können. Jetzt haben wir hier wirklich einige Zeit und können uns noch schöne Ecken des Landes angucken, die wir beim Radfahren rechts und links vielleicht liegen gelassen haben.

Wir bleiben noch zu einem frühen Abendessen in der Mall (schon wieder beim Italiener) und fahren dann mit einem Taxi zurück ins Hotel California. Die Fahrt ist sehr rasant und holprig, der Fahrer ein wahrer Spuren-Hüpfer. Viktor kontrolliert die Geschwindigkeit mit dem Handy, weil er einfach nicht glauben kann, dass wir so langsam fahren, wie der Tacho anzeigt. Natürlich könnte es sein, dass wir nach dem eher langsamen Radfahren die Geschwindigkeit im Auto völlig überschätzen, aber tatsächlich: wir fahren 55 km/h, und der Tacho im Taxi zeigt 40 km/h an ( ja km/h nicht Mph … wir haben genau hingeschaut), satte 37,5% Abweichung nach oben. Und oft fährt der Taxifahrer auch angezeigte 50 oder mehr km/h. Na ja, dafür sind wir schnell am Hotel, gehen noch kurz in den Jacuzzi auf dem Dach und dann auf unser Zimmer zum Blog-Nachholen von gestern.

Jetzt noch ein paar technische Details zu den gerissenen Felgen:

Es gibt offenbar zwei „Schulen“ beim Einspeichen von Laufrädern. Die Einen schwören auf eine sehr starke Speichenspannung, die Anderen spannen die Speichen eher lockerer. Bei hoher dynamischer Belastung gelten stark gespannte Speichen als besser, da die Speichen an den Kreuzungspunkten weniger aneinander reiben und so Speichenbrüche vermieden werden. Unsere Speichen wurden von PankeRad am oberen Limit gespannt, denn sie wurden mit montierten und aufgepumpten Reifen (das entlastet die Speichen) auf maximale Zugspannung gebracht. Das entspricht angeblich auch der Spezifikation des Felgenherstellers RYDE aus den Niederlanden.

Dass die Felgen beide gerissen sind liegt vermutlich an einer Überlastung durch das Gesamtgewicht von ca. 240 kg. In der Telegram-Kommunikation zwischen Dan (PankeRad) und Viktor ergibt sich unter anderem folgendes Fazit von Dan:

„Am Ende läuft das immer darauf hinaus, dass man sich mit Lastenrädern und Tandems außerhalb der konstruktiven Grenzen von Fahrrad-Bauteilen bewegt…“

Die technischen Daten der RYDE Felgen erlauben scheinbar folgende Belastung: 90 kg pro Felge, also 180 kg gesamt maximal. Wir wiegen insgesamt ca. 240 kg. Da passt etwas nicht, oder? Aber wozu haben wir dann die Lastenradreifen (155 kg + 115 kg = 270 kg) ausgewählt, wenn die Felgen es gar nicht hergeben? Welche Felgen empfiehlt Schwalbe für die Lastenradreifen? Fragen über Fragen … und keine Antworten.

Nachtrag 26.8.24: Auch Wochen danach noch keine Reaktion von Schwalbe und Ryde, trotz mehrfachen Nachhakens. Das ist sehr enttäuschend und frustrierend.

Hoher Reifendruck könnte auch noch ein Schadensgrund sein, da dieser die Felge übermäßig stark nach außen gedrückt haben könnte. Aber wir fahren mit relativ moderaten 3,5 bar Reifendruck, das muss eigentlich jede Felge abkönnen, bestätigt auch Dan per Telegram-Nachricht.

Freitag 19.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 1)

Wir schlafen aus (bzw. einer von uns), und da das Hotelrestaurant dauerhaft geschlossen ist, gehen wir gegenüber im „am:pm“ frühstücken. „am:pm“ gab es in Nicaragua häufig, es gibt ein paar wenige auch in Panama und sie wollen laut Webseite in allen sieben Mittelamerikanischen Ländern expandieren, weil es in Mittelamerika noch nicht genug „Convenience Stores“ gibt, was wir durchaus bestätigen können.

Als Sightseeing-Programm haben wir uns heute die Altstadt „Casco Viejo“ oder „Casco Antiguo“ vorgenommen und als Fortbewegungsmittel den öffentlichen Nahverkehr gewählt. Google hat schön ausgespuckt, mit welchen Buslinien man fahren kann. Nicht mit Abfahrt- und Ankunftzeit, wie wir es aus Berlin gewohnt sind, aber immerhin. Die Station „Santo Tomas“ ist fußläufig gut zu erreichen, und wir finden auch eine Bushaltestelle. Busse in Richtung Altstadt fahren dort aber nicht, wir sollen runter bis an die Küstenstraße gehen, sagt uns ein Ortskundiger. Also noch ein längerer Spaziergang bis unten zum Wasser. Dort sehen wir aber sofort einen Bus halten und fragen den Fahrer, ob er zur Altstadt fährt (Nummern stehen nämlich nicht dran). Er fährt bis zur Station „5 de Mayo“, sagt er, und dort können wir dann umsteigen. Wir wollen ein Ticket kaufen, aber hier muss man eine mit Guthaben aufgeladene Karte benutzen, mit Geld im Bus geht da gar nichts (bei Google kommt übrigens immer „kostenlos“). Kulanterweise lässt er uns so durch das Drehkreuz des Busses. An der Endstation versuchen wir es erst selber, müssen dann aber fragen, wo der nächste Bus fährt und wo wir so eine Guthaben-Karte bekommen können. Daraufhin werden wir von einem Polizisten erst zum Ticketschalter eskortiert, kaufen dort für zwei Dollar eine Karte und beladen sie mit acht Dollar, und dann zum richtigen Terminal. Bevor wir dort am Drehkreuz die Karte vorhalten, zeigt er uns auch noch, welchen Bus wir nehmen müssen. Das war eine sehr nette Dienstleistung, die uns sicher viel Zeit erspart hat – wir sind erstaunt, dass der Polizist unserem alten Idealbild von „Freund und Helfer“ sehr nahe kommt.

Der Bus fährt einen ziemlichen Umweg, hält aber erst in der Altstadt das erste Mal, dort aber dann häufig. An einer günstigen Haltestelle steigen wir aus, auch da wird uns von Mitfahrenden und dem Busfahrer geholfen und der weitere Weg gewiesen. Irgendwie sind alle unglaublich hilfsbereit.

Und dann gehen wir durch die schmalen Gassen. Alles ist voller Autos, und wir wundern uns, dass hier anscheinend alle noch so engen Straßen frei für den Verkehr sind. Als zu Fuß Gehende hat man hier das Nachsehen. Und es ist sowieso schon ziemlich heiß, die aneinandergereihten Autos tun ihr Übriges dazu.

Beim Besuch der Kathedrale stellen wir fest, dass es hier die erste Kirchenorgel unserer ganzen Reise gibt, die dort auf dem Orgelboden erst 2019 vom Polnischen Orgelbauer Kaczmarczyk erbaut und während einer Messe mit Papst Franziskus eingeweiht wurde.

In einem Café machen wir eine längere Pause, auch, um nochmal Fakten zu unseren Felgen zu checken und uns in einem klimatisierten Raum abzukühlen. Anschließend gehen wir langsam wieder in Richtung 5 de Mayo-Station, weil wir noch zu einem Einkaufszentrum (Albrook-Mall) fahren und dafür die Metro nehmen wollen. Auf dem Weg gehen wir in einem Block durch die Markthalle, weil es dort kühler ist. Der erste Raum ist sehr farblos, denn es gibt ausschließlich Fleisch zu kaufen (besonders Huhn), dafür ist der zweite Raum ganz farbenfroh und mit aromatischen Gerüchen: es ist die Obst- und Gemüsehalle.

Juttas Cappuccino

Um überhaupt zur Metro zu gelangen, muss man seine Bezahlkarte an ein Drehkreuz halten. Die Dame am Ticketschalter hatte uns gesagt, wir sollten immer zusammen durchgehen und die Karte nur einmal vorhalten, und genau das machen wir jetzt auch – wurde uns ja so erklärt :-). Die Metro ist hier erst zehn Jahre alt, zumindest wurde da der erste Streckenabschnitt eröffnet, und ist klimatisiert, und mit ihr fahren wir sehr schnell nach Albrook.

Dort gelangen wir in der Menschenmenge zunächst zu einem riesigen Busbahnhof und wähnen uns da schon in der Mall. Aber es geht noch einen Gang weiter, und dann sind wir wirklich da: eine riesige Shopping-Mall mit vielen verschiedenen Gängen, mehreren Food-Courts, die alle ähnlich sind, und die man dementsprechend auch nicht zur Orientierung hinzuziehen kann. Wir wollen uns beide ein Paar Sportschuhe kaufen, damit wir in den kommenden Wochen (hier und auf der Reise nach Kolumbien) nicht immer unsere Radfahrschuhe tragen müssen. In einem Laden werden wir fündig (erst ein Paar Socken, dann die Schuhe).

Da unsere Action-Kamera schon seit längerem kaputt ist (und inzwischen mit nach Deutschland genommen wurde), erscheint uns diese Mall spontan als geeignet für einen Neukauf, und im zweiten besuchten Technikladen haben sie GoPros. Erst lässt Viktor sich beraten, dann gehen wir jeder einen Impossible-Burger bei Burger-King essen, und anschließend gehen wir die GoPro11 mini kaufen. Eigentlich hat der Verkäufer uns einen extra kälte- und hitzebeständigen Akku empfohlen, aber den kann man für die „Mini“-Variante nicht benutzen, also bleibt es bei der Kamera.

Mit der Metro kommen wir auch wieder zurück zum Hotel.

Samstag 20.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 2)

Für heute haben wir Tickets für eine Fahrt mit der „Panama Canal Railway“ gebucht. Dafür müssen wir um 11:30 Uhr am Corozal-Bahnhof sein, wo man mit ausschließlich ÖPNV nur bis knapp 40 Minuten Fußweg zum Schluss hinkommt.

Wir frühstücken in einem nahen Coworking-Café (Sitio Cürrao), packen Getränk und Sonnenbrille ein und machen uns um 10 Uhr auf den Weg – mit der Metro bis Albrook (das kennen wir ja schon von gestern) und weiter mit einem Taxi. An dem besagten Bahnhof kommen wir schon um kurz nach halb elf an, aber es stehen schon etliche „Mitreisende“ vor dem Bahnhofsgebäude, und ein paar Minuten später werden wir alle eingelassen – in Reih und Glied – und durch ein Spalier aus uniformierten Frauen geleitet. In dem Saal kann man Souveniers kaufen, ansonsten ist es eine große, leere Halle. Ziemlich schnell wird auch schon mit dem „Boarden“ begonnen: Erst kommen die Passagiere für den Panorama-Waggon, dann sind wir mit in der ersten Gruppe für den Luxus-Waggon (ohne Panoramafenster) und werden Plätzen zugewiesen. Da wir nur zu zweit sind, müssen wir uns zu einer Mutter mit Tochter setzen, dürfen aber später weiter nach hinten im Waggon an einen noch freigebliebenen Dreiertisch. Eigentlich ein nettes Angebot, aber leider ist am Nachbartisch eine Familie mit einem hyperaktiven dreijährigen Kind, das sehr laut und sehr unruhig ist. Zwischendurch bekommt er immer mal ein Handy zum Beruhigen oder wird mehrmals gestillt, die restliche Zeit kann er tun und lassen, was er will, und ist fast unentwegt Süßes oder Salziges am Essen.

Der Ausblick ist dadurch glücklicherweise nicht gestört (man kann sich bloß kaum unterhalten und versteht Ansagen auch nicht), und wir fahren zum Teil durch Dschungel, zum Teil mit Blick auf den Kanal, und wir sehen auch einige Schiffe. Auf der Hinfahrt bekommen wir alle einen Kaffee an den Platz und später eine Snackbox in Form eines Kartons mit kleinen Packungen mit Snacks. Leider könnten wir in Colón nur aussteigen, wenn wir eine andere Rückfahrmöglichkeit nehmen – dieser Zug fährt ohne Aufenthalt die Strecke wieder zurück. Es bleiben alle an Bord! Auf der Rückfahrt bekommen wir noch eine Gesangseinlage aller uniformierten Zugbegleiterinnen inclusive Percussion (u.a. auf einem Schildkrötenpanzer) zu hören, und bei dem traditionellen Lied singt der halbe Waggon mit – Party!

Um kurz nach halb drei sind wir wieder am Bahnhof. Dort ein Taxi zu bekommen dauert etwas, weil wir natürlich auch nicht die Einzigen sind, aber bald haben wir einen Fahrer, der uns wieder nach Allbrook fährt. Wir überlegen, mit der Metro bis zur Endstation zu fahren und uns dort umzuschauen, nachdem wir aber google befragt haben, lassen wir das doch lieber und steigen einen Station vor unserer aus, um noch ein bisschen Zeit an der Promenade zu verbringen. Dort ausgestigen sieht es plötzlich stark nach Regen aus und wieder einmal schaffen wir es gerade rechtzeitig ins Cafè/Restaurant Boulevard Balboa. Den Schauer wollen wir tee- bzw. kaffeetrinkend abwarten. Der Schauer entwickelt sich zu einem starken Gewitter, die Straßen werden richtig überschwemmt, und wir können keinesfalls zu Fuß irgendwo hingehen, also beschließen wir nach langer gewarteter Zeit, dort zu Abend zu essen – inzwischen ist es fast sechs Uhr.

Während dieser ganzen Zeit hat der Fahrradladen sich per WhatsApp gemeldet: sie haben schon vesucht, die neue hintere Felge zu einzuspeichen, und haben dabei gemerkt, dass die bei ihnen vorrätige nur für 32 Speichen ist, unsere Rohloff-Felge aber 36 Speichen braucht. Jetzt müssen wir es doch mit einem DHL-Express-Paket aus Deutschland probieren, und das geht frühestens Montag Morgen (bei uns die Nacht von Sonntag zu Montag). Das verzögert alles also noch einmal! Und wir müssen hoffen, dass heute noch nichts kaputt gegangen ist, und dass der Fahrradladen trotz dieses Faux-Pas ein Guter ist.

Das Essen ist wirklich gut (das Balboa gibt es schon seit 1958, und innen hat es sich wohl noch nicht sehr viel verändert, aber die Küche ist top), und anschließend lassen wir uns keine drei Kilometer mit einem Taxi zum Hotel bringen, weil es immer noch regnet und die Straßen voller Wasser sind.

Sonntag 21.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 3)

Morgens macht Jutta das erste Mal einen WhatsApp-Videoanruf mit Kathrin und Barbara, ihren beiden Schwestern, bevor wir wieder gegenüber im „Arte del Pan“ frühstücken gehen, wie sonntags vormittags anscheinend auch viele Panamaer und Panamaerinnen – es ist kaum ein Platz frei, obwohl es nicht einmal schön oder gut ist.

Felipe und Katja, die wir schon in Mexiko auf dem Weg nach Tapachula mit dem Auto überholt hatten, kommen heute hier an, und wir sind gegen Mittag mit ihnen im „Sitio Cürrao“ verabredet. Wir gehen mit unserem Laptop schon hin, um die Zeit bis zu ihrer Ankunft mit der Planung der nächsten Tage und Wochen zu verbringen, aber kaum haben wir uns hingesetzt, kommen die beiden auch schon an. Sie haben bereits Asien mit dem Rad durchquert und sind schon „fast am Ziel“ (Chile). Sie überlegen noch, von Chile bis nach Ushuaia zu wandern und die Räder in Santiago de Chile stehen zu lassen. Wir laden sie zu Kaffee und Waffeln ein, denn die beiden sind mit extrem kleinem Budget unterwegs. Wir tauschen uns über die bisherige Strecke aus und darüber, was uns noch bevorstehen mag. Felipe berichtet unter anderem von einem Paar, das er unterwegs getroffen hat, die ebenfalls mit einem Tandem (auf europäischen Straßen) unterwegs waren und die alle 3.000 km neue Felgen benötigt hätten. Das bestätigt nochmal Dans Aussage von den „Konstruktiven Grenzen“ (siehe oben).

Die Zeit vergeht im Flug, wir bekommen vom Inhaber noch einen kleinen speziellen Kaffee geschenkt und gehen erst, als das Café um 14:00 Uhr schließt. Von dort wechseln wir ins Arte del Pan und bleiben auch dort, bis dieses schließt. Die beiden müssen sich jetzt auch darum kümmern, wie sie mit einem oder mehreren Booten nach Kolumbien kommen, sie wollen es z.B. auch bei Containerschiffen in Colon versuchen. Wir verabschieden uns in dem Glauben, dass wir uns wiedersehen werden. Felipe hat angeboten, dass wir unser Tandem in seiner Heimatstadt in der Nähe von Santiago de Chile lassen können (oder unsere Einzelräder, falls wir bis dahin haben wechseln müssen), um ohne Rad weiter in den Süden (Patagonien, Feuerland) oder in die Berge zu reisen. Also spätestens dort könnten wir uns wieder treffen, vermutlich um die Weihnachtszeit herum.

Wieder zurück im Hotel erreicht uns die Nachricht, dass Joe Biden raus aus dem Präsidentschaftswahlkampf ist, und wir gucken ein wenig CNN und ergänzen unseren Blog.

Viktor schreibt noch eine E-Mail an den Generalvertreter der RYDE-Felgen in Deutschland und kündigt einen Anruf für Montag 9:00 Uhr an (hier Montag 2:00 Uhr morgens), um einen Expressversand von zwei neuen Felgen aus Deutschland zu organisieren.

Woche 15 (8.7.24 – 14.7.24) – Rio Claro – Aguadulce

Montag 8.7.24 – (065) – Rio Claro – Tijeras

Gesamt: 4.085,96 km

Wir müssen morgens unsere gestern gewaschene Wäsche noch ziemlich feucht einpacken. Na die wird heute Nachmittag beim Auspacken sicher duften.

Frühstück gibt es heute vor der Abfahrt schon in der Küche des Ferienhauses mit Dinkelbrot von Edeka (letzte von der Familie mitgebrachte Scheiben), Lekkerland Käse nach Europäischer Art (aus dem lokalen Supermarkt) und Tee aus der Kaffeemaschine. Im Supermarkt in Rio Claro kaufen wir noch schnell gekühlte Getränke und radeln dann die letzten 35 Kilometer auf Costa Ricanischer Straße. Erst ist es ein wenig bedeckt, wird dann aber schnell wieder sonnig und heiß.

Gegen 10 Uhr kommen wir an der Grenze an und suchen erst einmal nach den angeblich so gut sortierten Fahrradläden in der Straße vor der Grenze. Viele kleine Geschäfte, mehrere Malls, viel Dreck und Lärm, hier zeigt sich Costa Rica für Einreisewillige von seiner schlechten Seite … . Die Radläden haben keine passenden 20 – Zoll – Schläuche, aber wir haben es zumindest versucht. Den Ausreisestempel müssen wir uns wieder ein Stück zurück holen – als wir an der Reihe sind, erfahren wir, dass wir erst einmal die 8$ Ausreisesteuer zahlen müssen, und wo das gegenüber möglich ist. Mit der Quittung bekommen wir den so wichtigen Ausreisestempel. Dann kehren wir in ein Soda ein, um die letzten Colones noch auszugeben. Das Migrationsbüro von Panama kann man nicht verfehlen, es ist zwischen den Straßen für die Ein- und Ausreise. Dort wird ein Foto gemacht und alle Fingerabdrücke genommen, aber nichts abkassiert, und wir bekommen den Einreisestempel. Komischerweise ist hier diesmal keine Dauer angegeben, das muss man wohl selber recherchieren, wie lange man im Land bleiben darf.

In Panama angekommen, ist es ganz plötzlich eine Stunde später. Die Zeitdifferenz zu Deutschland beträgt jetzt also nur noch 7 Stunden und die Sonne geht für uns wieder nach 18 Uhr unter. Wenn wir morgens um 6 Uhr losfahren ist die Sonne noch nicht aufgegangen.

Es fällt uns ziemlich schnell der wieder zunehmende Müll am Straßenrand auf, eine sehr viel höhere Dichte an Tankstellen an der Straße, wesentlich weniger Schatten (die Straße ist sehr viel breiter und mit einem Standstreifen versehen, rechts und links ist wenig Baumbewuchs), wieder viele Verkaufsstände am Straßenrand, die hier zum Teil ganze Tüten mit gemischtem Gemüse verkaufen (wir denken da an die heimischen Gemüsekisten). Außerdem heißen die „Sodas“ aus Costa Rica (kleine Kiosk-Restaurants am Straßenrand) hier augenscheinlich „Fonda“ oder sogar „Fondita“.

Es geht nach der Grenze nicht sofort bergauf, wie es schon öfter der Fall war, aber nach einigen Kilometern beginnt eine 10 Kilometer lange, nur ganz flache Steigung, die uns in der prallen Mittagssonne ziemlich zum Schwitzen bringt. Unterwegs winkt uns ein Mann heraus, der uns überholt hat, unsere Deutschlandflagge gesehen hat, und dessen Schwester in Stuttgart lebt. Er schickt ihr ein Selfie mit uns und eine Sprachnachricht. Außerdem spart er gerade das Geld für einen Besuch bei seiner Schwester zusammen, möchte also unbedingt einmal nach Deutschland.

Gegen Ende der Steigung gibt es einen kleinen Stand mit Getränken und Snacks. Wir halten an und Viktor gönnt sich eine kalte Cola. Der Betreiber des Standes bewundert das Tandem, besonders die Schaltung und die Kettenführung für den Stoker über mehrere Umlenkrollen. Er sitzt selbst in einem Rollstuhl mit Kettenantrieb und zeigt uns seine Kettenschaltung. Bei ihm halten viele Rad-Touristen, vor einiger Zeit auch ein Querschnittgelähmter im Dreirad mit Handantrieb, aber ein Rad wie unseres hat er hier noch nie gesehen.

Kurze Zeit später überholt uns ein E-Bike-Fahrer und ruft uns winkend zu, dass es nur noch berab geht („Pura Bajada!“). Irgendwann ist das tatsächlich fast der Fall, aber ohne Motor sind die Steigungen zwischen den Abfahrten halt auch noch zu erstrampeln. Lehre des Tages: „Traue keinem E-Bike-Fahrer, wenn er Aussagen über Steigungen und Gefälle macht!“

Unser Bed & Breakfast „Little Italy“ ist 450m von der Hauptstraße entfernt, diese geht es aber wieder einmal über teils lose, offenbar frisch verteilte, spitze Steine, und so sind die Wege in der gesamten Wohnsiedlung. Da ziehen wir es vor, das Tandem zu schieben, um nicht wieder einen Platten zu bekommen. Und obwohl wir so langsam unterwegs sind, verpassen wir das richtige Grundstück, erst das Winken der Betreiber führt uns zum richtigen Tor.

Die Suche nach einem Restaurant für unser Abendessen gestaltet sich ziemlich schwierig. Wir fahren mit dem Tandem die Panamericana ein ganzes Stück zurück, ohne etwas zu finden, das geöffnet wäre. Auf dem Hinweg lernen wir, dass diese Echsen hier auch ganz schön schnell sein können.

Schnelle Echse

Am Ende landen wir in einem kleinen Restaurant und wählen beide das Huhn „Pollo Frito“, vermutlich recht lange in Frittierfett gebratene Hähnchenstücke mit viel Knochen darin. In der folgenden Nacht hat Viktor erstmals seit dem Start unserer Tour unter Sodbrennen zu leiden. Einen Supermarkt finden wir auch nicht, also kaufen wir im B&B zwei Flaschen Wasser für die Nacht.

Bei der abendlichen Planung der nächsten Etappen stellen wir fest, dass es sehr wenig Unterküfte entlang der Panamericana in diesem Teil Panamas gibt. Für Warmshowers-Anfragen sind wir eigentlich schon zu spät dran und die potentiellen Gastgeber bieten überwiegend nur Plätze zum Zelten an, worauf wir in der Regenzeit auch nicht wirklich große Lust haben. Wir finden einen Ort „Horconcitos“ etwas abseits der Panamericana, in dem es ein Bed & Breakfast und ein Ferienhaus für morgen Abend gibt. Das haben wir uns in Panama eigentlich leichter vorgestellt.

Dienstag 9.7.24 – (066) – Tijeras – David

Gesamt: 4.103,62 km

Das Ferienhaus in Horconcitos, das wir in erreichbarer Entfernung gefunden haben, ist für heute Abend nicht mehr zu haben – wir entscheiden uns daher, mehr oder weniger notgedrungen, eine Nacht in David einzuschieben und Horconcitos morgen anzufahren. Dadurch haben wir nur diese ganz kurze Etappe und kommen schon um 7:45 Uhr am Hampton Inn an (Viktor möchte einmal Dienstreise-Feeling haben) nach einer gruseligen Fahrt im Berufsverkehr in die Großstadt.

Immerhin können wir unterwegs mal ein Foto von den festgebackenen Betonresten machen, denen wir auf unserer gesamten Tour schon so oft auf dem Seitenstreifen ausweichen mussten. Betonmischer scheinen hier in der Region regelmäßig größere Mengen davon zu verlieren und einfach liegen zu lassen. Wir hatten schon Haufen die 10 – 20 cm hoch waren und über die ganze Breite des Seitenstreifens reichten. In der Dunkelheit wären die eine richtige Gefahr für Leib und Leben (und Tandem).

Trotz der frühen Stunde bekommen wir sofort ein Zimmer, und das Tandem bekommt einen freien Konferenzraum im Keller ganz für sich alleine. Wir wollen den Tag für Erledigungen nutzen und beginnen gleich als erstes mit einem Friseurbesuch. Wir googlen nach „perruqueria“, dem Wort, das Viktor kennt. Die gefundenen sind ausnahmslos in Katalonien in Spanien. Ist wohl das falsche Wort. „Peluqueria“ ist hier das Richtige. Außerdem wollen wir Panamaische Währung, den „Balboa“, abheben, allerdings kann man an den ersten drei unterschiedlichen Geldautomaten immer nur US – Dollar ziehen. Beim dritten Versuch werden wir aber aufgeklärt, dass alle Banknoten hier US-Dollar sind. Nur die Münzen sind Balboas, so dass es an Geldautomaten immer nur US-Dollar gibt.

Es gibt hier in David etliche Fahrradläden, und wir wollen einen Ersatzschlauch und Schaltzüge kaufen. Der erste Laden, den Google-Maps uns anzeigt, scheint nicht mehr zu existieren, der zweite hat geschlossen, obwohl es schon 10 Uhr durch ist und er eigentlich geöffnet sein soll. Eine Nachbarin sagt, der Besitzer sei aber doch da, sein Auto stünde doch vor der Tür und er wohne in dem Haus. Viktor klopft an sein Wohnraumfenster. Eine verschlafene Stimme regt sich. Auf die Frage, ob der Laden denn geöffnet sei, antwortet er, ja, aber erst ab 10 Uhr. Er macht sich dann aber fertig und öffnet ein paar Minuten später die Ladentür . Erwartungsgemäß hat er die benötigten Sachen nicht, aber den Tipp, in welchem Geschäft es sie geben könnte. Nach einem Blick auf die Wegbeschreibung dorthin beschließen wir, für den Hinweg ein Taxi zu nehmen. Die stehen hier an allen Ecken herum und sprechen einen ständig an (also die Fahrer 🙂 ).

Uns ist schon aufgefallen, dass es hier mehrere Hotels mit angeschlossenem Casino gibt, und auf der Taxifahrt sehen wir noch mehr. Der Fahrer bestätigt, dass David eine Art Las Vegas von Panama ist. Der Spruch „What happens in Vegas, stays in Vegas“ gilt hier genauso als „What happens in David … „.

Der empfohlene Fahrradladen ist wirklich groß und gut sortiert (neben Fahrrädern und Zubehör gibt es auch z.B. Matratzen und Kochtöpfe, um ein paar Beispiele zu geben), aber auch hier erhalten wir unsere speziellen Ersatzteile nicht. Es wird wohl wieder auf Amazon hinauslaufen! Auf dem knapp drei Kilometer langen Rückweg fragen wir in mehreren Ferreterias nach einem Saitenschneider. Es gibt auch dort neben dem Eisenwarensortiment immer auch anderes: Lebensmittel, Kleidung, Getränke sowieso …, aber einen Saitenschneider bekommen wir nicht.

Ebenfalls erfolglos fragen wir in etlichen Apotheken nach 30G – Insulinspritzen, zum Einspritzen des Schmierfetts in den Freilauf. Alle haben sie 31G (die sind zu fein für das Fett), eine hat auch 25G.

Die letzte Sache, die wir besorgen wollen, ist ein USB-A (männlich/macho) zu USB-C (weiblich/hembra) – Adapter. Die allesamt weiblichen Verkäuferinnen in den zahlreichen besuchten Elektronikgeschäften (die gibt es hier weit häufiger als Restaurants oder Cafés) geben sich teilweise sehr viel Mühe, aber Mühe allein reicht leider nicht. Wir wollen schon aufgeben (Amazon …), da kommt noch ein passender Laden und Viktor will es noch ein letztes Mal probieren. Und siehe da: die Dame geht schnurstracks zu einem Regal und hat das passende Kleinteil.

Bevor wir wieder zum Hotel kommen, verweilen wir noch in einem Italienischen Eiscafé …,

… aber pünktlich zum Fußballspiel Spanien gegen Frankreich sind wir zurück. Viktor kann im Hotelrestaurant gucken. Im Zimmer gibt es den richtigen Sender nicht, alternativ könnte er auch ins Casino nebenan gehen. Da bleibt er lieber im Hotel.

Jutta nutzt die Zeit, um die Tage bis Santiago zu planen. Ab da wird es wieder wesentlich besser mit der Infrastruktur. Wir müssen wirklich jede Unterkunft in der Nähe der Straße nehmen, wenn wir eine auslassen, werden es zu lange Etappen. So wird nur ein Tag richtig hart werden mit fast 100 Kilometern und fast 1000 Höhenmetern. Eine Unterkunft muss man anrufen, da wartet Jutta auf Viktor, die anderen bucht sie aber auch lieber schon, denn wenn eine absagen würde, sähe es nach zelten an einer Tankstelle aus.

Nach dem Sieg von Spanien macht sich Viktor an eine Amazon-Wunschliste und versucht vergeblich, sich die Sachen hier nach Panama zu bestellen. Kaum möglich, und wenn, dann mit 40$ Porto für ein Kleinteil. Währenddessen vermittelt Jutta den Besuch des Katalanischen Teils ihrer Familie zum Europameisterschafts-Endspiel in Berlin mit Unterkunft bei unseren Untermietern Emma und Wolfgang. Und das Lustige ist, dass Emmas Familie vor vielen Jahren mit Juttas Vermittlung Urlaub in Katalonien gemacht hat und Dorothee und ihre Zwillinge daher kennt.

Weil wir jetzt wissen, dass wir doch nicht erst Ende Juli in Panama-Stadt ankommen werden, buchen wir uns für den 20.7. eine Panorama-Zugfahrt am Panama-Kanal und fragen an, ob wir unsere Bootstour nach Kolumbien am 23.7. antreten können, da bleibt die Antwort noch abzuwarten.

Wir haben heute bei den Gängen durch die Stadt kein besonders einladendes Restaurant gesehen, also gehen wir zum Abendessen ins Hotelrestaurant und werden dort nicht enttäuscht. Zwar ist der Raum viel zu stark klimatisiert, nicht nur uns ist es zu kalt, aber die Küche ist sehr gut.

Beim Stadtrundgang sehen wir wieder einen Kinderspielplatz mit rollstuhlgerechter Schaukel und Karussel. Das war uns in Mexiko (La Paz) schon aufgefallen. Wir sind aus dem Kinderspielplatzalter ja herausgewachsen und fragen uns, ob es so etwas in Deutschland inzwischen auch gibt.

Mittwoch 10.7.24 – (067) – David – Horconcitos

Gesamt: 4.149,77 km

Wir frühstücken im kühlen Restaurant des Hampton Inn, wo heute Party angesagt ist: heute ist Piña Colada Tag und alle Mitarbeiter tragen gelbe Shirts und Hawaii-Ketten, und überall stehen Ananas-Ballons als Dekoration. Das heiße Wasser für den Tee ist stark gechlort, so dass der English Breakfast Tee nicht schmeckt, aber sonst ist das Frühstücksbuffet wie in einem Amerikanischen Hotel erwartet. Beim Packen des Tandems richten wir die Deutschlandflagge richtig herum aus. Vielen Dank für den Tipp – wir mussten erst nachgucken, dass es da für jedes Land eine Regel gibt.

Wir verlassen das Hotel ziemlich genau 24 Stunden nach unserer Ankunft gestern. Recht schnell geht es raus aus der Stadt und auf die Panamericana, die hier sehr stark befahren ist. Hinter David kommt sofort Las Lomas, danach ist lange Zeit … nichts. Die letzte Tankstelle nach 18 Kilometern wollen wir nutzen, allerdings hat der angeschlossene Markt geschlossen. Gegenüber ist aber ein Gemischtwarenladen (Lebensmittel und Eisenwaren), bei dem wir tatsächlich den gesuchten Saitenschneider bekommen – ein recht großes, schweres Exemplar, aber das muss jetzt sein, bis wir etwas Kleineres haben!

Die Straße ist weiterhin zweispurig in beide Richtungen, heute aber mit einer Mauer dazwischen, so dass man nicht ohne eine Fußgängerbrücke oder einen großen Umweg über eine Wendemöglichkeit an die andere Straßenseite gelangt. Wir hoffen deshalb darauf, dass das bei Google angezeigte Restaurant (eine Marisqueria) irgendwo bei halber Strecke auf unserer Seite kommt. Wir haben Glück und finden die Pausenmöglichkeit, wenn auch die Bezeichnung „Restaurant“ etwas übertreibt. Es gibt Kaffee für 0,75$.

Horconcitos liegt 5 Kilometer von der Panamericana entfernt, und an dem Abzweig soll es einen Supermarkt geben. Dort wollen wir vorsichtshalber Reis und Sauce kaufen, falls das Restaurant in Horconcitos nicht wie bei Google angegeben geöffnet hat. Der Super Isabel (kombiniert mit der Ferreteria Isabella) liegt auf der nördlichen Straßenseite, wir sind auf der südlichen. Aber es gibt an dieser wichtigen Stelle eine Fußgängerbrücke. Viktor bleibt beim Rad, Jutta begibt sich auf den Weg zum Einkaufen. Kaum ist sie die ersten Stufen hochgestiegen beginnt es wie aus Kübeln zu schütten.

Die Brücke ist überdacht, und Viktor kann sich an der Bushaltestelle unterstellen. Haben wir sehr gut getaktet! Es ist zum Glück kein langer Guss, bald kann Jutta über den überschwemmten Naturparkplatz in den Markt gehen. Vorgestern haben wir gelernt, dass man sich in Panama als Kunde strafbar macht, wenn man keinen Kassenbon für erstandene Dinge hat. In diesem Supermarkt sitzt die Kassiererin mit einem Taschenrechner an der Kasse, Kartenzahlung ist nicht möglich, und es gibt auch keinen Kassenbon. Hoffentlich werden wir nicht kontrolliert :-).

7% der Rechnung oder 1$ als Strafe, je nachdem was höher ist, wenn man den Laden ohne Rechnung verlässt.

Die letzten fünf Kilometer gehen wie schon alles vorher immer rauf und runter, und dann sind wir am Ziel. Hier sind alle Straßen asphaltiert, ziemlich schmal, mit gelber Mittellinie und Richtungspfeilen alle paar Meter. Sie sehen fast wie Radwege aus, aber es fahren Autos und auch LKW drüber. Am Coco-House, unserem gemieteten Ferienhaus, sind wir schon um 12 Uhr. Einchecken geht ab 14 Uhr.

Wir gehen also gleich einmal durch den Ort und schauen nach dem potentiellen Restaurant. Es hängt zwar ein entsprechendes Schild am Zaun, und man sieht auch, dass dort ein Restaurant (gewesen) sein könnte, es ist aber nichts (mehr) da. Gut, dass wir Reis und Sauce dabeihaben! Piña Colada gibt es für ans am heutigen Piña Colada Tag jedenfalls nicht.

Viktor kontaktiert den Vermieter per WhatsApp. Er möchte erst die Bezahlung in bar in seinen Barbershop gebracht bekommen, dann dürfen wir früher rein. Die Miete ist weit mehr als die Nacht im Hampton Inn uns gekostet hat, und von außen macht das Haus einen guten Eindruck. Drinnen riecht es nach Benzin, die Betten sind nicht bezogen und teilweise sehr dreckig und es gibt keine Klimaanlage. Die Vermieter sind noch neu bei booking.com und bekommen von Viktor geschrieben, dass man für den Preis wirklich eine Klimaanlage erwartet – angeblich sollen auch welche nachgerüstet werden. Viktor möchte auf dem vorhandenen großen Fernseher das zweite Halbfinalspiel gucken, aber es gibt weder Sender noch sonst einen Online-Dienst, also muss das Handy als Bildschirm reichen. Immerhin ist das W-LAN wirklich schnell.

Wir öffnen alle Fenster und machen alle Lichter an, weil sich nur dann die Deckenventilatoren drehen, und schwitzen einfach weiter – keiner von uns hat das Bedürfnis, sich schon zu duschen und umzuziehen – es lohnt nicht!

Als Jutta abends den Reis kochen will, stellen wir fest, dass die Gasflasche leer ist, nachdem schon Wasser und Reis im Topf sind. Der Vermieter geht nicht ans Telefon! Was nun? Das Frühstück von sechs Uhr heute morgen ist lange her, wir haben zwar noch ein paar Nüsse, Müsliriegel und Bimbo-Brot, aber daraus kann man auch kein Essen zaubern. Wir gehen auf die Suche nach dem Kiosk, den wir heute Mittag gesehen haben, und essen dann dort. Als wir wieder im Haus sind, findet Viktor auch heraus, woher der „Benzingeruch“ kommt: in unserem Schlafzimmer ist eine Kommode, deren Schubladen voller Mottenkugeln sind, die man auch im Urinal verwenden kann, um Gerüche zu eliminieren. Damit steht fest, dass wir eins der zwei anderen benutzen, auch wenn das eine sehr dreckig ist, und in dem anderen Kakerlaken leben.

Und hier kommt die Auflösung der Quizfrage nach der Anzahl unserer bisherigen Platten: zwei mal Hinterrad (das erste Mal allerdings mehrfach…), drei mal Vorderrad, macht fünf Löcher in 15 Wochen und über 4000 km, und das bei den teils schlechten Straßen, das ist wohl okay.

Donnerstag 11.7.24 – (068) – Horconcitos – Las Lajas

Gesamt: 4.195,38 km

Die Nacht war besser als gedacht, wir schlafen aus und frühstücken Toast und Tee im Ferienhaus. Unser Geschirr stellen wir einfach in die Spüle, um den Vermietern zu vermitteln, dass man für den Preis auch eine gewisse Leistung erwarten kann. Den Reis von gestern verteilen wir unter einer Palme im Garten – es laufen viele Hühner herum, die den eventuell noch fressen können.

Um viertel vor neun starten wir, die ersten fünf Kilometer den Weg von gestern zurück zur Panamericana. Es ist sonnig und wenig Verkehr unterwegs, so dass es sich ganz angenehm fährt. Rechts und links ist heute wieder viel Natur, zwar keine unberührte, aber auch keine Monokulturen. Auch wenn es die ganze Zeit etwas auf und ab geht, eine richtig große Höhe müssen wir heute nicht überwinden – das kommt morgen.

Eine Tankstelle nach relativ kurzer Strecke will Jutta für einen Toilettenbesuch nutzen (jede Gelegenheit ausnutzen). Dort gibt es auch eine winzige Apotheke, die immer nur vormittags bis 12, am Wochenende nur eine Stunde geöffnet hat, aber, siehe da, dort gibt es die 30G – Insulinspritzen (nicht von „BD“, sondern von einem Chinesischen Hersteller) – hier scheinen die Diabetiker noch nicht alle auf die dünneren Nadeln umgestellt worden zu sein. Viktor kauft gleich fünf Stück!

Nach ungefähr halber Strecke gibt es ein „Supercentro“. Wir trinken einen schlechten Kaffee und lernen, das es in einer „Buhonería“ nicht etwa Eulen gibt (Búho – Eule) sondern Kleidung und anderen Kleinkram wir Knöpfe oder Modeschmuck. Ein paar Kilometer weiter ist dann doch noch ein Restaurant, und wir halten noch einmal. Das Restaurante Doña Gladys ist ein riesiger Raum mit weit entfernt voneinander stehenden Tischen und einer Kantinentheke. Wir vermuten, dass dort Reisebusse verköstigt werden. Wir forden die Bedienung heraus und bestellen zwei heiße Schokoladen, aber eine Kollegin kennt den richtigen Knopf auf der Nespresso-Maschine und wir bekommen sie.

Weiter geht`s! Um halb eins sind wir in Las Lajas, können aber erst ab 14 Uhr einchecken, also fahren wir in den Ort. Ein Schild weist auf ein Italienisches Eiscafé hin. Wir freuen uns zu früh – es öffnet erst um 14 Uhr, ist allerdings auch die Pizzeria am Ort, die gerade nicht Urlaub macht, und wir planen, abends dort zu essen. Wir setzen uns in den Schatten auf einem Platz vor der weiterführenden Schule, wo gerade Schulschluss zu sein scheint. Und für uns sieht es so aus, als würden sich alle Schüler und Schülerinnen hier auf dem Platz sammeln, statt nach Hause zu gehen. Ist es vielleicht nur eine Mittagspause? Dann sehen wir, dass ein Minibus kommt, in den ein paar der Jugendlichen einsteigen. Wahrscheinlich warten sie einfach auf viele verschiedene Busse, die sie wieder nach Hause bringen, denn in diesem kleinen Ort werden sie längst nicht alle wohnen.

Um viertel vor zwei klingeln wir bei unserem Bed&Breakfast und werden auch schon eingelassen. Hier haben wir einen kleinen Bungalow, mit Klimaanlage und Ventilator, warmem Wasser, Veranda mit Wasserkocher und Kühlschrank, also alles gut, nur das Frühstück gibt es erst ab acht, und morgen haben wir einen Hammertag vor uns und wollen früher los.

Weniger als eine Stunde nach Ankunft beginnt es zu gewittern, und das nicht zu knapp. Auf der Veranda bleibt man zwar trocken, wird aber schnell von Mücken angefallen.

Das Regenradar-Bild verheisst nichts Gutes, und die Pizzeria hat keinen Lieferdienst. Aber wir waren zumindest wieder mal rechtzeitig vor dem Regen am Ziel!

Der Saitenschneider von gestern ist übrigens eher eine gute Kneifzange vom gleichen Hersteller TRUPER, von dem wir in Nicaragua auch die neue Luftpumpe gekauft haben. Viktor hat im Laden mehrere Saitenschneider ausprobieren können (der Verkäufer half sogar beim Auspacken) und einen suaberen glatten Schnitt bekam nur diese Zange hin.

Am Nachmittag erhalten wir eine WhatsApp mit der Info, dass die Atacamawüste in Chile schon blüht. Viel zu früh! Das Phänomen gab es früher nur alle 5 bis 7 Jahre und immer im September/Oktober. Wir sind doch noch viel zu weit weg und hatten darauf gehofft, das „erfahren“ zu können!

Der Abend entwickelt sich dann doch noch ganz anders als gedacht. Da es immernoch stark regnet, teilen wir uns mit einem Pärchen aus dem Nachbar-Bungalow (Blanca und Carlos aus Spanien, er ist gebürtiger Kolumbianer) ein Taxi nach San Felix, um dort in einem spanischen Restaurant („Paco Meralgo“ betrieben von einem „Paco“ aus Extremadura in Spanien, der so schnell spricht, dass selbst die geürtige Spanierin ihn kaum versteht) essen zu gehen. Das Taxi, dass wir am Straßenrand herbeiwinken ist schon mit einem Fahrgast besetzt, aber natürlich kann er locker noch vier Personen mitnehmen. Carlos kommt mit dem anderen Fahrgast auf den Beifahrersitz (und die Mittelkonsole), wir anderen Drei nach hinten. 5 Dollar für die Hinfahrt.

Bei der Essenbestellung wieder mal so eine Situation, bei der einzelne Vokabeln ganz entscheidend sind. Der gebratene Thunfisch kommt in einer „Ajonjolí“-Kruste. Woher soll Viktor wissen, dass das Sesam ist, den er nicht so gut verträgt? In Spanien hieß das immer „Sésamo“. Selbst die Sesamstraße hieß damals „Plaza Sésamo“ und nicht „Plaza Ajonjolí“.

Wir verbringen einen netten Abend, teilen uns auf spanische Art ein paar Speisen und erfahren, dass die beiden als Freiwillige in Panama sind, um im Rahmen des Programms „Luz en Casa“ private Klein-PV-Anlagen in abgelegenen Gegenden zu installieren, die noch über viele Jahre nicht ans Stromnetz angeschlossen werden sollen. Ihr Arbeitgeber unterstützt das Programm und für jeden investierten Urlaubstag gibt er einen Arbeitstag dazu.

Wir nutzen die Zeit in San Felix noch für einen schnellen Einkauf im Supermarkt, von Paco nur „El Chino“ genannt, denn er wird von Asiaten betrieben, wie offenbar viele andere Mini-Supermärkte hier in Panama. So wie wir hier „Gringos“ sind, sind wohl alle Asiaten „Chinos“. Für unseren Hammertag morgen sind wir somit schon mal mit Getränken für die erste Tageshälfte versorgt und sparen uns einen Einkauf am frühen Morgen.

Und jetzt hätten wir noch ein neues Rätsel für Euch! So sehr beliebt scheinen unsere Quizze zwar nicht zu sein, aber egal. Seit wir in Panama sind, sehen wir immer wieder die folgenden Verkehrszeichen am Straßenrand. Was könnten die wohl bedeuten?

Freitag 12.7.24 – (069) – Las Lajas – Soná

1.295 m bergauf, 1.346 m bergab

Gesamt: 4.291,14 km

Da wir heute wohl an die 100 Kilometer fahren müssen und entsprechend früh losfahren wollen, verpassen wir das Frühstück des wirklich netten Bed and Breakfast, aber Chantal, die Deutsche Betreiberin, hat uns gestern Sandwiches (mit richtig gutem Sauerteigbrot) und Äpfel in unseren Kühlschrank gepackt. Wir kochen uns noch einen Tee dazu, frühstücken noch im Dunkeln auf der Veranda und fahren um sechs, noch vor Sonnenaufgang los.

Die ersten Stunden ist es angenehm kühl. Nach ca. 20 Kilometern kommt eine Grenzstation: die autonome Provinz Chiriqui ist zuende, hier wird kontrolliert, aber wir werden durchgewunken. Gleich danach verlassen wir die Panamericana und biegen rechts auf die „5“ ab, da nach unseren Berechnungen über diese Straße 300 Höhenmeter weniger als über die „1“ zu bezwingen sind. Schon beim Einbiegen fällt auf, dass es nur noch eine Spur je Richtung gibt, keinen Seitenstreifen und keine hässliche Mauer in der Mitte, so dass die Schneise durch die Natur schmaler ist, als eine einzige Fahrtrichtung der Panamericana. Der Autoverkehr ist deutlich reduziert. Auf dieser Straße werden wir bis Santiago bleiben können, und es fährt sich viel schöner: wir hören, sehen und riechen wieder viel mehr und haben zudem häufiger Schatten von den Bäumen.

An einer Stelle überfliegen uns ganz viele grüne Papageien, wir sehen kleine und größere Greifvögel, viele Schmetterlinge (einen ganz großen blauen bekommt Viktor sogar gefilmt) und ganz viele schöne Aussichten.

Blauer Schmetterling

Es geht ständig auf und ab, mal sind wir Wasserniveau – aber nicht am Meer, hier gibt es große Mangroven-Wälder – mal sind wir auf 200 Meter Höhe. Die vielen Höhenmeter des Tages kommen durch den ständigen Wechsel zustande. Es geht teilweise ziemlich steil auf und ab, wir werden beide an die Halbinsel Nicoya (Costa Rica) erinnert, und müssen auch dreimal schieben. Besiedelt ist das Gebiet hier ziemlich spärlich, wir müssen aber genug Pausen machen und Getränke auffüllen.

Es wird der erwartet harte Tag, denn die Temperaturen erreichen gegen Mittag unangenehme Höhen über 30 Grad Celsius und Viktors Wasser- und Isogetränke-Verbrauch geht entsprechend rasant in die Höhe. Wir haben mal nachgerechnet und sind über den Tag auf ca. 6,5 Liter gekommen (3 x 600 ml Gatorade, 3 l Wasser, 1 x 600 ml Cola, 1 x 600 ml Luni-Limonade, 1 Kaffee, 1 Tee). Die Getränke am Abend (noch mehr Wasser, 2 Dosen Ginger Ale) sind da noch gar nicht mit eingerechnet. „Ist das noch normal?“ fragen wir uns, besonders nachdem die Blutdruckmessung der Smartwatch seit einer Woche einen leicht erhöhten Blutduck (140/80 mmHg) anzeigt, während er vorher perfekt lag (120/70 mmHg).

Vor der letzten großen Steigung halten wir nochmal für ein Motivations-Eis an einem kleinen Kiosk „KEO San Antonio“ kurz vor Zapotillo. Viktor kommt mit dem Besitzer ins Gespräch und er erzählt von einer 28-tägigen Straßensperrung direkt vor seinem Kiosk im Oktober 2023 im Rahmen der Proteste gegen den Ausbau einer großen Gold- und Mangan-Mine in den Bergen oberhalb des Ortes. Das erklärt auch die „No a la Mina“ (Nein zur Mine) – Schilder, die wir am Straßenrand gesehen haben. Viktor verquatscht sich so sehr, dass er beim Aufsteigen auf das Tandem glatt vergisst, das Eis zu bezahlen (Jutta aber nicht). Der Besitzer besteht dann daruf, dass es nicht bezahlt wird und will einfach kein Geld annehmen. Immerhin nimmt er einen unserer Aufkleber an und sagt, dass ein Bruder Informatik-Lehrer sei und der ihm dann zeigen könne, wie er auf diese Blog-Seite kommt. Falls das geklappt hat: Danke nochmal für das geschenkte Eis!

Der letzte und größte Anstieg kommt erst zwischen KM 64 und KM 77, also doch recht spät, wenn die Kräfte so langsam nachlassen. Bei Viktor geht es wieder ans Limit und irgendwann ist der Akku leer und das Camelbak (der Wasser-Rucksack) auch. Zum Glück spuckt Google aus, dass in weniger als einem Kilometer eine „Abasteria“ (kleiner Laden) erreicht wird, wo wir wieder auftanken können. Eine kühle panamische Sprite-Alternative namens „Luni“ lässt Viktor an Imkerfeunde in Hohen Neuendorf denken: „Lüni rettet Viktor“.

Lüni rettet Viktor

Die Navigatorin hatte unser heutiges Ziel nur durch PIN-Setzen festlegen können (es gibt hier nicht so einfache Adressen mit Straßennamen und Hausnummer, daher muss manchmal der ungefähre Standort bei Booking.com herhalten). Als wir dort ankommen, werden wir von einer lustigen Gruppe Betrunkener zum Bier eingeladen, aber ein Hostal ist nicht in der Nähe. Wir fragen Google: 21 Minuten mit dem Auto! Nicht das noch – wir können nicht mehr! Viktor fragt die Vermieter per WhatsApp nach dem Standort. Gar nicht weit, wieder zurück zur Hauptstraße und dann auf die andere Seite. Viktor schreibt, dass wir in 20 Minuten da sein werden. Und dann stehen wir in der richtigen Straße und schauen uns um. Der Name (Hostal El Paraiso) steht nirgends dran. Wir sehen ein ziemlich herntergekommenes Haus mit „Zimmer zu vermieten“-Schild.

Neue WhatsApp. Keine Antwort. Wir fahren noch einmal zur Hauptstraße, wollen eigentlich einen Kaffee trinken, aber es gibt zwar jede Menge Mini Super, Ramschläden, Bars mit lauter Musik, aber kein Café. Jutta besorgt dann wenigstens noch ein paar Bohnen und Joghurt als Nachtisch, weil wir abends den Reis mit Sauce essen wollen. Inzwischen hat Viktor eine Antwort, dass wir um 16:30 Uhr reingelassen werden können. Wir sind fast pünktlich. Es begrüßt uns ein junger Weimaraner, die Vermieterin ist erstaunt, dass wir das erkennen, aber mit früheren Vizlas in der Familie ist das selbstverständlich. Und dann schließt sie nicht das Haus auf, sondern führt uns eine schmale Treppe daneben herunter, durch eine Tür in ein Wohnzimmer. Von diesem geht eine Tür in unser gemietetes Zimmer ab. In dem Raum ist abgetrennt durch zwei Schiebetüren eine Dusche und eine Toilette. Hatten wir so auch noch nie. Nur haben wir keinerlei Möglichkeit zu Kochen. Und um ins W-LAN zu kommen, müssen wir das von der Vermieterin geschickte Passwort mehrfach umstellen, bis es passt. Wir duschen also (eiskalt), essen den Joghurt, damit er nicht zu warm wird und gehen dann doch nochmal los – immerhin regnet es heute nicht. Jutta hat ein Restaurant gesehen, was einigermaßen okay aussieht. Es ist das Hotelrestaurant eines Hotels, das extrem schlechte Bewertungen auf Google hat. Dort sind wir die Einzigen, aber die Quesadillas sind ganz gut.

Als wir die Vermieterin noch einmal sehen und ihr sagen, dass ihre Unterkunft bei Google Maps mitten im Wald liegt, fragt sie tatsächlich uns, wie sie denn wohl die Koordinaten ändern kann. Sie ist schließlich im Zentrum von Soná… .

Samstag 13.7.24 – (070) – Soná – Santiago de Veraguas

Gesamt: 4.340,12 km

Wir schlafen nach dem anstrengenden gestrigen Tag heute aus und sind erst gegen 6 Uhr auf den Beinen. Gegen 8 Uhr brechen wir auf und kaufen in Sona nochmal frische Getränke für den Tag. Viktor kommt mit einem Autofahrer ins Gespräch, der ihn auf das Tandem anspricht und technische Fragen hat. Außerdem sieht er erstmalig ein Auto mit einem Nummernschildhalter des FC Barcelona, hier in Mittelamerika scheinen fast alle Fans von Real Madrid zu sein.

Der Tag ist in der ersten Hälfte erstaunlich anstrengend. Es geht wieder viel auf und ab, teilweise auch recht steil (bis 8% Steigung) und zumindest einem von uns steckt der gestrige Tag noch in den Knochen.

Zwischendrin ist eine Wiegestation für LKW am Straßenrand, beim Vorbeifahren winkt uns der dort Diensthabende zu, wir wenden und fahren hinein. Er denkt, wir wollen nach Wasser fragen, aber wir wollen eigentlich lieber mal unser Gesamtgewicht wissen, und er lässt uns auf die Waage fahren. Sie zeigt 0,520 Tonnen an, was nicht sein kann. Wahrscheinlich funktioniert die Waage nur mit höheren Gewichten und/oder Verteilung auf beiden Seiten … .

In Santiago angekommen ist es noch zu früh, zur Unterkunft zu fahren, also suchen wir nach einem Café oder Eiscafé und finden in der Nähe der Katedrale auch eines. Wir genehmigen uns auf Einladung von Michael P. zwei Frappé und machen dort ein romantisches „Amore Mio“-Selfie.

Vor der Katedrale spricht uns ein Paar an, es sind Ernesto und seine Lebensgefährtin. Er ist gebürtiger Kubaner, hat viele Jahre in Premia de Mar für eine deutsche Firma gearbeitet (ganz nah an Calella de la Costa, Viktors zweiter Heimat in Katalunien) und spricht Katalan („Amb molt de Gust“). Sie ist Russin. Die beiden haben sich in Spanien kennengerlernt und lange in St. Petersburg in Russland gelebt. Aus nachvollziehbaren Gründen haben sie verganges Jahr entschieden, sich einen neuen Lebensmittelpunkt zu suchen und haben sich gerade ein Grundstück in Panama gekauft. Wir tauschen Telefonnumern aus und Ernesto bietet uns jederzeitige Hilfe an, wenn wir unterwegs in Panama irgendwelche Probleme haben sollten.

Unsere Unterkunft ist heute ein Appartement in der Calle Jerusalen. Obwohl es noch nicht 14 Uhr ist und wir eigentlich erst ab 15 Uhr kommen sollen, probieren wir den geschickten Schlüsseltresor-Code und kommen schon rein. Das Appartment ist eine Wohltat nach gestern. Wir duschen, waschen unsere Sachen (was gestern gar nicht ging) und können sie zumindest bis abends auf dem Balkon aufhängen. Dann besuchen wir das schon mittags von Jutta inspizierte „Centro Interactivo del Canal de Panama“. Wir werden schon erwartet (nachdem Jutta mittags davon gesprochen hat, später zu kommen, als sie gleich dableiben sollte). Wir bekommen als einzige Besucher eine Führung. Es kostet keinen Eintritt (sie haben nicht einmal eine Kaffeekasse) und weder mittags noch nachmittags sind Besucher dort, aber mindestens drei Mitarbeiter und ein Security-Mann als Türsteher.

Jutta Interaktiv

Auf der Herdplatte im Appartment wird heute der Reis mit Tomatensauce und roten Bohnen gekocht – wollen wir nicht noch länger durch die Gegend fahren. Anschließend wird nur noch Blog geschrieben, die nächsten Tage geplant und Nächte gebucht und dem Samstagabendlärm der Stadt gelauscht.

Sonntag 14.7.24 – (071) – Santiago de Veraguas – Aguadulce

diese Schwelle alle drei Meter – eine Wonne

Gesamt: 4.398,57 km

Nach einer sehr lauten Nacht (lange noch laute Musik und Menschen, danach gleich Hähne und Autos…) frühstücken wir gemütlich im Appartment und sind gegen 6:45 Uhr abfahrbereit. Ein Nachbar spricht uns noch an: er kommt aus Fresno/Californien und ist als Rentner hierher gezogen – wir reden ein wenig, dann muss er los zur Kirche und wir können auch fahren (bevor es zu heiß wird).

Ab hier werden wir bis Panama Stadt wieder komplett auf der Panamericana fahren. Leider stellen wir gleich beim Verlassen von Santiago fest, dass die Qualität massiv nachgelassen hat: Betonplatten, und alle drei Meter eine nicht zu vernachlässigende Schwelle. Unser Glück ist, dass diese konsequent abwärts geht, da ist die Gefahr für einen Platten nicht so groß. Aber es rummst ganz schön und geht durch Mark und Bein! Die Gegenfahrbahn ist asphaltiert. An einer Tankstelle erkundigt Viktor sich und erfährt, dass es bis Panama Stadt so weiter geht, aber dass manchmal die eine, manchmal die andere Seite asphaltiert ist. Das sind ja wirklich tolle Aussichten! Die Standspur ist zwar asphaltiert, aber teilweise so verdreckt, dass wir nicht darauf ausweichen können. Im Laufe der heutigen Fahrt verschiebt sich die Abwägung zwischen dem Rummsen auf der Fahrbahn und dem Slalomfahren rund um den Dreck auf der Standspur (Tote Tiere, Betonreste, Bierflaschen, Glasscherben, zerfetzte Getränkedosen, Schrauben, Nägel, Überreste von Unfällen, z.B. Seitenspiegel, Karosserieteile u.s.w.) aber immer weiter in Richtung der Nutzung der asphaltierten Standspur, auch wenn das Risiko eines Plattens dort hoch ist.

Ziemlich bald nach Santiago kommt erst ein Abzweig links nach Guayaquil, kurz danach einer nach rechts nach Antalya – wir wähnen uns schon in anderen Ländern (Ecuador, Türkei). Beim abendlichen Nachschauen entpuppt sich Antalya allerdings als Atalaya … nur ähnlich. Dafür sind wir zum Abendessen bei den Inkas (Peru). Was denn nun? Wir können doch mit dem Rad nicht vier Länder an einem Tag besuchen!

Obwohl es rechts und links fast ununterbrochen besiedelt ist, finden wir Sonnatgs keine geöffnete Fonda zum Pausieren, alle Tankstellen sind auch nur zum Kraftstoff-Tanken und haben keinen Shop. Nach 35 Kilometern kommt ein Ort mit Tankstelle, Hotel, Minisuper und Restaurant, und Viktor bekommt Rühreier und wir beide einen Kaffee mit Milch. Ab hier ist unsere Seite der Panamericana asphaltiert, aber wir freuen uns zu früh: die dünne Schicht über den Betonplatten hat genau alle drei Meter einen Riss. Besser als vorher, aber gut ist anders. Wir denken an Mexiko, wo man wenigstens um die Schlaglöcher herumfahren konnte ;-). Das Auswärtige Amt schreibt über die Straßenqualität in Panama übrigens Folgendes: Das Straßennetz ist im regionalen Vergleich als gut einzustufen. Die von Panama-Stadt entlang der Pazifikküste bis an die costa-ricanische Grenze reichende „Panamericana“ befindet sich in meisten Teilen in gutem Zustand. Das sehen wir als Radfahrer nicht ganz so!

Aguadulce erreichen wir schon um kurz nach elf, und da es bis zum EM-Endspiel noch mehr als zwei Stunden hin ist, halten wir an einer Mall mit Eiscafé und verzehren das von Ursula und Joachim gesponsorte 4000-er Eis in Form von zwei Bananen-Splits (überall immer das einzige Angebot neben einfach Kugeln). Vielen Dank dafür, Ihr treuen Spender!

hat ein kleiner Junge für uns fotografiert

Das Hotel Interamericana ist schon älteren Semesters, aber wir dürfen schon früh in ein Zimmer im Erdgeschoss und das Tandem mit hineinnehmen (haben wir nicht erbeten). Es gibt einen Pool, der (wahrscheinlich, weil es wieder Sonntag ist) von einigen Familien besucht ist, aber Viktor springt noch rein, bevor er zum Fussballgucken in die Bar geht.

Nach einer langweiligen 1. Halbzeit, nimmt das Spiel in der zweiten dann Fahrt auf und Spanien gewinnt verdient 2:1 (Campeooooooooones! 🇪🇸 🇪🇸 🇪🇸 🇪🇸). England darf dann gerne die Heim-EM in 2028 gewinnen. „Football’s coming home“.

Zum Abendessen haben wir uns ein peruanisches Restaurant um die Ecke ausgesucht oder – denn es schüttet schon wieder, obwohl wir jetzt in einer trockeneren Region sein sollen – wir bleiben im Hotelrestaurant.

Ansonsten ist heute kein Touri-Programm in Aguadulce angesagt, sondern Blog-Update, Ausruhen und ein bisschen Rückengymnasik, denn der Ältere von uns spürt immer noch die Nachwirkungen der langen Etappe vom Freitag.

Der Regen hat aufgehört, wir gehen also zum Inka-Restaurant und fühlen uns dort ein bisschen wie in Peru, wo wir hoffentlich auch noch hinfahren werden.

Woche 14 (1.7.24 – 7.7.24) – Tambor (Fidelito Ranch) – Rio Claro

Montag 1.7.24 – Tambor (Fidelito Ranch) – Tarcoles

Gesamt: 3.724,91 km

Dieser Tag besteht aus zwei Touren, da wir zwischen Paquera und Puntarenas eineinhalb Stunden mit der Fähre übersetzen.

Heute soll es nach längerer „Urlaubspause“, erst drei Tage in Paquera, dann eine ganze Woche in Tambor, wieder weiter in Richtung Panama gehen. Unsere Knochen, Muskeln und Gelenke sollten also gut ausgeruht sein.

Viktor ist gefühlt schon ab 2 Uhr wach. Der Adrenalinspiegel ist hoch und die Nervosität fühlt sich fast so an, wie im April beim Start in San Francisco. Ab jetzt gibt es kein Familientreffen mehr, auf das man zufährt. Irgendwie ist das was Anderes. Der nächste halbwegs feste Termin ist Anfang August in Panama die geplante Überfahrt mit dem Boot nach Kolumbien.

Pünktlich um sechs hört der nächtliche Regen auf. Brigitte von der Fidelito Ranch macht noch ein paar Abschiedsfotos von uns, dann starten wir Richtung Fähranleger in Paquera. Den Weg kennen wir ja schon in der Gegenrichtung und erwarten die drei heftigeren Steigungen, in denen wir auch wieder – wie erwartet- schieben müssen. An der zweiten stauen sich aber plötzlich die Autos den ganzen Berg hinauf (und entgegen kommen uns, wie uns dann auffällt, auch nur Mopeds und Motorräder) – wir schieben mal rechts, mal links einfach vorbei und kommen an die Ursache dieser Straßensperrung: ein umgestürzter Baum (Ergebnis der heftigen Regenfälle) hat einen Strom- und Telefonmast umgerissen, der jetzt quer über der Straße liegt, inklusive vieler Kabel. Mit Mopeds kann man einigermaßen über den Mast fahren, der dort inzwischen schon etwas mitgenommen aussieht. Helfer haben davor und dahinter Äste gelegt, um eine Art Rampe herzustellen. Wir schieben das beladene Tandem ebenfalls darüber und haben auf den folgenden Kilometern höchstens mal ein Zweirad, das uns überholt – die Autos stehen noch länger dort. Puh, Glück gehabt – wir haben schließlich eine Fähre zu erwischen!

Am Fähranleger kommen wir um kurz vor acht an, halb neun war die Deadline, fahren an den schon wartenden PKW vorbei und bekommen ganz vorne unser online gebuchtes Ticket aus dem Stapel in der Hand eines Mitarbeiters auf Papier ausgedruckt überreicht. Digitalisierung schön und gut, aber dann doch nochmal alles auf Papier? Sogar doppelt, ein Exemplar für uns, eines zum Abgeben an einen Kontrolleur beim Einsteigen!

In den eineinhalb Stunden auf dem Schiff frühstücken wir zunächst. Wir sitzen draußen neben einer Costaricanischen Familie, deren einer Sohn (so 6 bis 7 Jahre alt) seiner Oma erzählt, dass die Deutschen sich mit allen streiten. Viktor outet uns als Deutsche, und dass wir eigentlich ganz friedlich sind. Der Junge kommt zu Viktor gelaufen und fragt, mit wem sich Deutschland denn schon alles gestritten hat. Er muss zugeben, dass das schon viele Länder waren und einige davon aufzählen (die Alliierten des 2. Weltkriegs müssen erstmal reichen). „Aber Spanien gehört nicht dazu und außerdem war das ja auch alles im vergangenen Jahrtausend und heute sind wir Deutsche ganz anders.“ Puh … gar nicht so einfach. Die Oma grinst und wir unterhalten uns noch kurz darüber, dass Costa Rica keine Armee zur Landesverteidigung besitzt.

Anschließend kommt der Kleine noch mehrfach, um sein Englisch zu präsentieren und weitere Fragen zu stellen. So geht die Zeit schnell herum und wir legen in Puntarenas an. Jutta geht mit den Fußgängern von Bord, Viktor muss ziemlich lange warten, bis er mit dem Tandem an Land gehen kann.

Die etliche Kilometer lange Landzunge, die wir zuerst fahren müssen, ist etwas ganz anderes als die Wege auf der Nicoya-Halbinsel, kaum Natur, heruntergekommen, nicht wirklich schön. Und als wir diese hinter uns gelassen haben, geht der Weg weiter auf der Nationalstraße 17, dann 23, beides große Straßen mit viel Verkehr. Wir hatten überlegt, bis Mata de Limon zu fahren, aber dort sind wir so schnell, dass wir doch die Weiterfahrt beschließen – wir machen nur eine Pause, essen unter anderem ein von Daniel B. ausgegebenes Eis (vielen Dank, lieber Daniel, dafür) und suchen und buchen eine Unterkunft kurz vor der „Krokodil-Brücke„. Auf dem Weg dorthin fahren wir Autobahn, nachdem uns der Wirt während unserer Pause gesagt hat, da könne man auch mit dem Rad fahren. Schön ist zwar anders, und wir sind soviel Verkehr schon gar nicht mehr gewohnt, aber wir kämpfen uns auf dem meistens vorhandenen Standstreifen die Hügel hoch, erst auf der 27, dann auf der 34.

Um ca. 15 Uhr kommen wir (nach knapp drei Kilometern auf unbefestigtem Weg) bei der Cerro Lodge an, ganz kurz bevor es zu regnen beginnt. Das erste angebotene Zimmer liegt sehr abgelegen und weit von einem Platz für das Tandem entfernt, das finden wir suboptimal, sagen dieses und bekommen ein anderes Zimmer. Hier können wir das Rad direkt vor unserem Fenster unterstellen – der weitere Regen kann kommen. Bei den Bewertungen dieses Hotels steht etwas von Außen-Badezimmern, aber bei uns ist alles im Haus, außer Tisch und Stühle, die stehen draußen. Wir sind hier mitten in der Natur, man merkt nichts von der Straße, es gibt Affen, Aras und andere Vögel, aber leider auch sehr viele Mücken und Purrujas (die schlimmen „Mini-Mücken“), offenbar auch bei uns im Zimmer, die ziemlich nerven.

An das Hotel angeschlossen ist ein Restaurant, dass berühmt ist für seine Pizza. Nach zweimal Pizza in den letzten drei Tagen haben wir darauf keine Lust und essen abends Nudeln (im Pizzabrot-Teller) bzw. Falafel-Salat. Bei weiterem Regen verbringen wir den weiteren Abend mit Schreiben und Lesen (und auch ein wenig Rechnen 🙂 )

Dienstag 2.7.24 – Tarcoles – Parrita

Gesamt: 3.794,00 km

Pünktlich um sechs Uhr morgens geht Jutta mit dem Zimmerschlüssel zur Rezeption, während Viktor das bepackte Tandem zur Straße vorschieben will. Kurz bevor der Schlüssel rübergereicht wird, gilt leider „Kommando zurück!“: der Vorderreifen ist platt! Wir vermuten, dass wir uns auf der schlechten Wegstrecke gestern Abend wieder einen „Snakebite“ eingehandelt haben, also einen kleinen Riss im Schlauch, der durch einen heftigen Schlag der Felge innen am Schlauch entsteht. Tatsächlich haben wir uns aber einen kleinen Draht außen eingefahren, vermutlich auf dem vermüllten Standstreifen der Autobahn gestern.

Dieses Teil (rechts) steckte im Mantel. Der kleine Stein links tauchte beim Schlauchwechsel plötzlich innen im Mantel auf, war aber vermutlich nicht die Ursache.

Hieraus leiten wir eine neue Quizrunde ab: der wievielte Platten seit San Francisco ist das? Wir nehmen Antworten in den Kommentaren entgegen! Zu gewinnen gibt es einen kostenlosen Schlauchwechsel an Eurem Fahrrad.

Jedenfalls beschließen wir, den letzten geflickten 20″-Schlauch zu nehmen, um nicht früh um sechs schon flicken zu müssen. Gesagt – getan! Beim Einbauen des Vorderrades denken wir aber schon, dass die Luft nicht hält. Der Test mit unserem Luftdruckprüfer bestätigt es. Wir bauen das Vorderrad also nochmal aus und tauschen den geflickten gegen unseren letzten neuen Schlauch. Diesmal klappt es. Den alten geflickten Schlauch schmeißen wir weg und beschließen, bei Gelegenheit neues Flickzeug zu kaufen, denn unser ziemlich altes hat anscheinend so seine Mängel (oder wir stellen uns beim Flicken einfach zu doof an).

In dieser Position lässt sich das Vorderrad super aus- und einbauen

Weil es dann eh schon später ist, trinken wir vor der Abfahrt noch einen Cappucino im Hotel, wobei wir unsere ersten freilebenden Aras bestaunen können, die auf der Restaurant-Terrasse mit Futterstellen angelockt werden. Das hätten wir ohne den Plattfuß verpasst! So ergibt alles wieder einmal irgendwie Sinn.

Ara an Futterstelle

Um halb acht starten wir schließlich, es geht glücklicherweise nicht die gleichen fast drei Kilometer von gestern zurück, sondern einen ebenso schlechten Weg in die andere, für uns richtige Richtung. Auf die Nationalstraße 34 stoßen wir ganz kurz vor der „Krokodil-Brücke“, über die wir schieben, um die angekündigten vielen Krokodile zu beobachten. Heute früh liegen zwei auf der Insel und eines am Ufer zur Insel im Wasser. Nicht viele, aber immerhin Krokodile in freier Wildbahn! Und wir sehen hier auch nochmal vier Aras über eine längere Strecke fliegen, bevor sie sich in einen Baum setzen!

Dann fahren wir weiter auf der 34, haben aber noch keine Unterkunft gebucht und wollen schauen, wie weit wir heute kommen. Als Frühstücksort peilen wir Jaco an, ein kleiner Ort nach knapp 30 Kilometern. Tja, wie wir nach 16 Kilometern merken, ist das ein Fehler. Wir haben uns das heutige Höhenprofil vorher nicht angeschaut! Schon etwas länger sind wir heftig bergauf gefahren und müssen kurz pausieren, um durchzuatmen, da schaut Jutta sich das Höhenprofil auf dem Garmin an und sieht, dass wir gerade mal das erste Drittel der einzigen heftigen Steigung des Tages geschafft haben. Angeblich stecken wir irgendwo in einem 16%-Abschnitt:

Oha, dafür fehlt uns beiden vor dem Frühstück dann doch die Energie. Wir essen also an der Straße pappiges Toastbrot (in unserer Tüte mit den Essenssachen klebt alles, denn der Honig ist ausgelaufen … lecker), um uns ein bisschen zu stärken, und beginnen zu schieben. Oben angekommen, können wir einem Betonmischer-Fahrer mit unserem Werkzeug helfen (also eigentlich Julius‘ Werkzeug, das er uns geliehen hat) und kurz die Aussicht genießen, dann geht es bergab und ohne weitere größere Steigungen weiter. Viktor hatte diesen kleinen Berg bei der groben Vorplanung zwar schon einmal bemerkt, aber nicht damit gerechnet, dass wir den heute schon „serviert“ bekommen. Manchmal ist es ein Nachteil, wenn man mehr Kilomter schafft als man erwartet hatte.

Irgendwann steht an der Straße ein Werbeschild von Starbucks in Herradura, noch vor Jaco, und wir entscheiden uns heute spontan für ein „Amerikanisches“ Frühstückscafé. Inzwischen ist es auch schon 10 Uhr, und wir sind seit fünf Stunden auf den Beinen. Beim Supermarkt im gleichen Einkaufszentrum kaufen wir dann auch noch frische Getränke. Nebenan ist eine internationale Buchhandlung, die richtig aussieht wie eine Buchhandlung bei uns – ganz anders als die Mini-Buchläden, die wir in den letzten Wochen überall gesehen haben. Gibt es also auch hier! Vor dem Supermarkt steht ein Sammelbehälter für Plastik. Dummerweise ist die Öffnung zum Einwerfen recht hoch – kleinere Menschen (nicht nur Kinder) müssten gezielt werfen, und ob die das machen? Aber genutzt wird er ja augenscheinlich!

Die 34 läuft heute größtenteils parallel zur Küste, zum Teil umgeben von natürlichem Bewuchs, zum Teil dann aber auch wieder von Rinderherden, Ölpalmen-Plantagen, auch etwas Industrie ist dabei – ganz anders als die Straßen auf der Halbinsel Nicoya, und auch mit deutlich mehr Verkehr. Wir haben ab und zu schöne Panoramablicke auf das Meer, viel Grün rechts und links der Strecke und können auch vom Rad aus nochmal Aras im Flug beobachten. Das ist einer der großen Vorteile des Radreisens: Man ist ganz nah dran an der Umgebung, man kann sie riechen, fühlen, hören … mit allen Sinnen „erfahren“. Aus der Blechkiste eines Autos würden wir die Aras irgendwo über uns nicht krächzen hören, würden nicht nach ihnen Ausschau halten und würden den grandiosen Anblick eines Formationsfluges mehrerer bunt leuchtender Aras über grüner Landschaft vermutlich verpassen.

Typischer Ausblick heute … gegen Nachmittag bereits mit aufziehender Regenzeit-Bewölkung

In einem Fahrradladen am Straßenrand erstehen wir tatsächlich schon heute ein paar frische Flicken und Vulkanisiermittel, passende 20″-Schläuche mit französischem Ventil gibt es aber nicht.

Mehrmals sieht es aus, als würde es bald zu regen beginnen, ohne dass es aber passiert. Aber um halb drei, gerade als wir in Parrita vor einem Hotel stehen, fallen die ersten Tropfen. Das Hotel Wilson liegt direkt an der 34, Parrita ist nicht schön und das Hotel auch nicht, aber wir haben knapp 70 Kilometer auf dem Tacho und es beginnt gerade zu regnen. Also checken wir ein, wieder gerade rechtzeitig, bevor es richtig schüttet – und für das Abendessen können wir einfach im Hotelrestaurant bleiben und müssen nicht mehr raus in die Nässe ;-). Und wir haben kein Wellblechdach, der Regen prasselt also nicht ganz so laut wie meistens hier!

Beim Einchecken wird mal wieder der Personalausweis gefordert und der Name vom Ausweis abgeschrieben. Viktor trägt heute den Nachnamen „Rheinhausen“.

Zum Abendessen gibt es Reisgerichte mit der ortsüblichen Beilage: Pommes! Daran haben wir uns so langsam gewöhnt. Kartoffeln sind in Lateinamerika eher ein Gemüse oder eine Beilage zu einem Hauptgericht. Reis mit Fleisch, Fisch oder anderen Meeresfrüchten (oder auch vegetarisch) ist ein Hauptgericht, zu dem Kartoffeln als Beilage völlig normal sind (so gut wie immer als Pommes Frites).

Reis mit Pommes

Mittwoch 3.7.24 – Parrita – Uvita

Gesamt: 3.878,62 km

Morgens vor unserer geplanten Abfahrt um 6 Uhr ist der Hotelparkplatz vollständig zugeparkt. Wir haben keine Chance mit unserem fertig gepackten Tandem irgendwie herauszukommen. Mit einem Regenschirm messen wir aus, ob wir durch die Hintertür ins Restaurant und dann vorne herauskommen könnten. Um kurz nach sechs kommt die Mitarbeiterin, die den Schlüssel hat und es geht am Ende mit teilweise abgenommenen Radtaschen durch das Hotelgebäude über die Rollstuhlrampe nach vorne heraus.

Jutta nutzt die Wartezeit und geht zum Mini-Super um die Ecke, der 24 Stunden geöffnet hat, um Getränke zu besorgen … alle Rolläden sind verschlossen … Pura Vida!

Die ersten 20 km geht es nur durch Ölpalmen-Plantagen-Monokultur auf schnurgerader Nationalstraße 34. Immer wieder stehen Werbeschilder an der Straße, die die großen Vorteile der Palmöl-Plantagen hervorheben. Ab einer bestimmten Größe brauchen sie z.B. viel weniger Wasser pro Kilogramm Palmöl-Ernte. Eine gute Marketing-Abteilung haben die bei „Palma Tica“ ganz offensichtlich.

Nach den 20 Kilometern lockert sich das Bild zwar etwas, aber bis nach über 40 Kilometern unserer Tagestour geht es mehr oder weniger weiter damit.

Als die Palmöl-Plantagen endlich enden, gibt es rechts und links wieder tropischen Mischwald. Auf der Straße sehen wir wieder Tausendfüßler und – gefühlt – sehen wir auch wieder mehr Schmetterlinge und Vögel, nicht nur Geier.

Eine Art Falke stößt direkt neben uns herab, lässt sich aber von uns ablenken und erwischt seine Beute nicht. Wir hören links wieder Aras krächzen und sehen sie dann auch zu zweit über den Baumwipfeln entlangfliegen. Das Panorama ist wunderschön. Wolken und Nebelschwaden über grünem Wald in allen Schattierungen. Teile des Waldes liegen im Sonnenschein, andere im Schatten der Wolken. Fast unwirklich schön.

Die heutige Strecke läuft wieder parallel zum Meer und immer wieder haben wir kurze Blicke auf schöne Buchten, Strände und Brandung.

Irgendwann hält ein Auto vor uns an und einer der Insassen macht ein Zeichen, ob wir für sie anhalten können. Sie fragen, ob sie ein Foto von uns machen dürfen und geben uns Tipps zu unberührten Stränden auf den folgenden 20 Kilometern. Sie erfragen unser Ziel, sind ganz begeistert und wünschen uns, dass Gott uns immer begleite.

Knapp 20 km vor dem Ende der heutigen Etappe trinken wir Eiskaffees im Café Delicias in Playa Dominical. Ein junger Mann (Gast oder Betreiber?) fragt uns nach unserer Reiseroute und erzählt von seiner Motorrad-Tour 2021 (während der COVID-Pandemie), als er in Panama City sechs Tage lang nach einer Überfahrt-Möglichkeit Richtung Columbien gesucht hat. Er war 2001/2002 ein Schuljahr zum Schüleraustausch in Neubrandenburg und Neustrelitz und spricht erstaulich gutes Deutsch. Er fand Deutschland toll, „eine neue Kultur“ und hat „viel gelernt“. Er erzählt, dass er seiner Mutter sehr dankbar dafür ist, dass sie ihm diese Erfahrung ermöglicht hat.

Beim Weiterfahren in Dominical sehen wir eine Gruppe junger Touristen an der Bushaltestelle stehen und erkennen sie wieder. Wir hatten uns heute morgen schon an einer Bushaltestelle gesehen – sie hatten uns angesprochen und angespornt. Sie erkennen uns natürlich auch wieder! Ihr Ziel ist heute Uvita, und auch wir haben uns diesen Ort als Ziel gesetzt. Eventuell begegnen wir uns dort auch noch einmal, denn wir planen, zwei Nächte zu bleiben. Wenn Ihr auf den Link geklickt habt, versteht Ihr eventuell, warum: Die Küste ist hier geformt wie die Schwanzflosse eines Wals, hier gibt es einen entsprechenden Nationalpark, und wir möchten uns diesen morgen anschauen.

Wegen der zwei Nächte haben wir uns heute vorab für ein Hotel entschieden, das wirklich gute Bewertungen hat. Als wir um kurz nach 13 Uhr dort ankommen (der erste „Versuch“ mit Komoot endet wieder einmal im Nichts), werden wir aufgrund der Lage und der Straßenfront etwas skeptisch, aber wir dürfen schon ins Zimmer, obwohl es noch vor dem offiziellen Checkin um 15 Uhr ist. Es gibt einen Pool und das Frühstück ist inbegriffen. Das Zimmer entpuppt sich als ein Appartment mit Küchenzeile, Sofa, Schreibtisch und Balkon, also purer Luxus.

Viktor geht gleich zum Pool, Jutta flickt erst noch das Loch im Schlauch von gestern morgen, und als sie dann ebenfalls aufbricht, beginnt es gerade wieder zu regnen. Heute schon um 14 Uhr, aber wir sind den dritten Tag in Folge kurz VOR dem Regen angekommen, trotz 84 Kilometern. Gewusst, wie, könnte man fast denken, es ist aber auch ordentlich Glück dabei.

Den weiteren Nachmittag schreiben wir am Blog, suchen uns eine Tour für morgen heraus, ruhen uns aus, trinken Tee und warten auf abends bzw. die Abendessenszeit kurz vor Sonnenuntergang, also schon zwischen 17 und 18 Uhr.

So, Viktor hier in diesem letzten Abschnitt des Tages. Ich muss heute mal ein bisschen weiter ausholen und mir was von der Seele schreiben. Ich bin ja Diplom-Ingenieur Biomedizinische Technik. Dafür musste ich an der TU Berlin unter anderem die Vorlesung „Feinwerktechnik“ beim legendären Professor Kiesewetter hören. Der hat regelmäßig Studenten aus der vordersten Sitzreihe nach ganz hinten in die letzte Reihe des Hörsaales versetzt, weil sie eine Swatch-Uhr trugen. Ihm war das Ticken dieser „Fehlkonstruktionen“ zu laut. Er konnte seine Vorlesung nicht halten, wenn jemand mit einer dieser Uhren in der ersten Reihe saß.

Einer seiner Lieblingssätze war: „Das muss man als Ingenieur einfach hören, dass sich da etwas weh tut!“. Ich fand Kiesewetter damals toll und habe seinen Satz verinnerlicht. Und nun zum eigentlichen Thema: Der Freilauf an unserem HASE Pino-Tandem! Seit Tagen wird das Knacken im Freilauf bei jeder Umdrehung wieder häufiger und lauter. Besonders unter größerer Last in Steigungen und eher in der zweiten Tageshälfte. Ich vermute, dass sich einzelne Staubkörner im Lager erst wieder in Bewegung setzen, wenn das Fett etwas warmgefahren ist. Und wenn es knackt, dann – ja was? – richtig! – „dann tut sich da etwas weh!“. So ist das nun mal, so habe ich das bei Kiesewetter gelernt, und es NERVT mich.

Dan von Pankerad in Berlin-Pankow schwört Stein und Bein, dass das Lager noch tausende Kilometer halten wird. Vermutlich wird HASE-Bikes das auch schwören. Aber ganz ehrlich, selbst wenn es hundertausende Kilometer hält, es NERVT.

Heute haben wir wunderschöne Teilabschnitte mit wenig Verkehr. Es ist absolut ruhig um uns herum. Wir hören Vogelgezwitscher, das Zirpen von Grillen, das Krächzen von Aras über uns. Unser Tandem läuft absolut ruhig. Die Ketten sind gut gefettet, die Führungsrohre sind optimal eingestellt, es schleift nichts, es rattert nichts, nur ein leichtes, leises Geräusch der laufenden Ketten ist zu hören. Selbst die Rohloff-Schaltung läuft im 10. oder 11. Gang wunderbar leise vor sich hin. Nicht mal meine Fahrradschuhe quietschen, denn es ist trocken und sie machen erst ekelige Geräusche wenn sie richtig nass geworden sind.

Und dann kommt von links unten bei jeder Pedalumdrehung plötzlich minutenlang ein „Knack“ …. „Knack“ …. „Knack“. 60 bis 80 mal pro Minute! Das macht einen doch wahnsinnig! Oder? Ich will hier nur zustimmende Kommentare sehen … verdammt noch mal!!!11!! 😉

Das Knacken unterwegs

Also habe ich heute direkt nach der Ankunft erstmal wieder ordentlich Lithiumfett durch eine Insulinspritze in den Freilauf gedrückt. Diesmal im warmgefahrenen Zustand, in der vagen Hoffnung, dass ich damit den Staub vielleicht besser herausgespült bekomme. Ich wische das herausquellende Fett auch nicht mehr ab, weil ich das Gefühl habe, beim Abwischen wieder Staubkörner in den kleinen Spalt des Freilaufes zu wischen.

Ausgebauter Freilauf mit Schweißpunkt

Meinungen, Theorien zur Ursache des Knackens und Lösungsvorschläge sind in den Kommentaren herzlich willkommen.

Donnerstag 4.7.24 – Uvita

Für 8:30 Uhr haben wir eine Bootstour mit „Ballena Aventuras“ gebucht, die durch den hiesigen Nationalpark fährt und diesen inklusive der Meerestiere erklären soll. Für uns bedeutet das, zunächst einmal auszuschlafen und das angebotene Hotelfrühstück mitzunehmen.

Treffpunkt ist am Büro des Touranbieters. Auf dem Weg bemerken wir unseren ersten Rambutan-Baum. Die Früchte haben wir nun schon öfter gesehen, aber den Baum kannten wir noch nicht.

Vor dem Büro läuft ein relativ großes Reptil auf der Wiese herum, das uns von einer Fußgängerin als „Big Lizard“ angekündigt wird.

Big Lizard

Im Büro des Touranbieters treffen wir auf drei weitere Deutsche und einen Costa Ricaner (zwei der Deutschen haben uns gestern mit einem Auto überholt und uns wiedererkannt). Wir bekommen eine Einweisung und gehen gemeinsam zum Strand, wo noch neun Personen dazukommen, vier davon ebenfalls Deutsche. Das Boot wird gleichzeitig zum Strand gefahren und mit einem Traktor über den Sand zum Wasser gebracht. Es gibt keinen Anleger, und alle Boote müssen hin- und hergefahren werden. Das Wetter ist gut, und gestern Nachmittag wurde ein Buckelwal gesichtet, deshalb hoffen alle, dass wir heute einige schöne Tiere sehen werden. Wir fahren zunächst die Küste ab, bekommen die fünf Strände des Nationalparks erklärt und schöne Felsen gezeigt. Dann geht es auf das offene Meer, und der Kapitän und die Tourleiterin (mit einem Shirt mit dem Logo „Turismo Sostenible“ = „Nachhaltiger Tourismus“ bekleidet) geben sich alle Mühe, aber wir sehen nur zwei unterschiedliche Schildkröten, eine grüne Meeresschildkröte und eine Karett-Schildkröte), braune Pelikane, Fregatten (die Piraten der Meeresvögel, denn sie fischen nicht selbst, sondern beklauen andere Vögel, können dafür aber zwei Monate durchgängig fliegen ohne zu landen und im Flug sogar schlafen). Die Tourleiterin gibt sich alle Mühe, uns wenigstens viele interessante Infos zu vermitteln. Sie erzählt uns zum Beispiel, dass fast alle Pelikane im Alter erblinden, weil die Augen bei jedem schlagartigen Eintauchen ins Meer leiden, sie am Ende die Fische nicht mehr von Felsen unterscheiden können und sich dann den Kopf an Felsen im Wasser zerschlagen. Nun gut, nicht nur künstliche Intelligenzen phantasieren sich manchmal spannende Geschichten zusammen.

Der Wellengang ist recht groß, Jutta geht es nicht so gut, und einer anderen Passagierin wird es richtig schlecht. Über drei Stunden fahren wir im Affenzahn von einer Stelle zur nächsten – ohne Erfolg! Der Bootsmotor im Dauerlauf führt uns wieder einmal vor Augen, wie sehr wir es lieben, ohne Motorengeräusch unterm Hintern unterwegs zu sein. Und an der Stelle, wo bei guter Sicht geschnorchelt werden kann, ist das Wasser nach dem vielen Regen zu trüb, und auf das Angebot, einfach nur zu schwimmen, hat niemand an Bord mehr Lust. Die Frage der Tourleiterin hörte sich aber auch eher so an: „Ihr wollt doch nicht etwa in der trüben Soße schwimmen?“. Wir haben verschiedene Wale und Delfine im Pazifik schon häufiger gesehen, aber die Anderen sind sicher enttäuschter als wir. Die Natur spielt heute einfach nicht mit.

Nach dem Aussteigen überlegen wir, noch die Walflosse (also die Sandbankformation in Walflossenform vor der Küste) zu „erwandern“, was aufgrund der Tide aber erst ab 16 Uhr wieder möglich ist. Der Mensch am Eingang zum Nationalpark will uns nachmittags noch einmal kostenfrei hereinlassen, also planen wir das grob ein.

Die „Walflosse“ Punta Uvita

Erst einmal gehen wir aber in der Hauptstraße einen Kaffee trinken. Der Ober erzählt über die Costa Ricanische Kaffeekultur, und dass in Nicaragua zwar viel Kaffee angebaut wird, die Nicaraguaner aber keine echte Kaffeekultur hätten. Costa Rica würde wegen des Preisverfalls nicht mehr so viel Kaffee anbauen wie früher, aber dafür hätten sie eine echte Kaffeekultur. Wir können bestätigen, dass es in Costa Rica offenbar deutlich mehr Espressomaschinen gibt als bei den Nachbarn in Nicaragua … also jedenfalls rechts und links unserer Streckenführung.

Um zwei sind wir wieder im Hotel und überlegen, wie wir es schaffen, den Wasserfall von Uvita zu besuchen und trotzdem um vier am Nationalparkeingang zu sein, um die Sandbank zu erwandern. Mit einer kurzen Toastbrot-Essenspause ist das gar nicht mehr vereinbar. Also wollen wir uns auf den Wasserfall beschränken. Auf dem Weg dorthin kommt uns dann aber leider der Regen dazwischen. Erst denken wir noch, es geht, aber dann sind wir schnell so nass, dass wir uns erst in ein Café setzen, noch etwas trinken und den Regen abwarten wollen. Da dieser heute aber wieder gar nicht aufhören will, sondern sich im Gegenteil immer weiter verstärkt, blasen wir den Wasserfall ab und suchen uns gleich etwas Nahegelegenes für ein frühes Abendessen aus. Wir sind ja flexibel!

Also gibt es recht gute Burger im „Santa Burguesa“. Im Eingang hängt ein Fahrrad, also genau der richtige Laden für uns. Uvita ist so touristisch, dass es sogar eine vergane und eine vegetarische Burger-Variante gibt. Als der Regen noch nicht aufhören will, wirft Viktor noch zwei Runden Dart bevor es dann durch mittelschweren Nieselregen zurück zum Hotel geht.

Freitag 5.7.24 – Uvita – Sierpe

Gesamt: 3.938,31 km

Wir trinken im Zimmer schon einen Tee, packen das feuchte Rad komplett wieder voll und werden von einem Herrn aus dem Tor herausgelassen, der schon in Buenos Aires gelebt hat und der auch schon eine Zeit mit jemandem aus Düsseldorf gearbeitet hat.

Da Viktor um 10 Uhr gerne das EM-Viertelfinale Spanien – Deutchland gucken möchte, planen wir, nach ca. 21 Kilometern zu frühstücken, da nach 42 Kilometern ein Ort mit mehreren Cafés und Restaurants kommt, wo wahrscheinlich die Möglichkeit besteht, dass das Spiel gezeigt wird.

Der erste Teil der heutigen Etappe liegt landseitig parallel zu der Strecke, die wir gestern mit dem Boot gefahren sind. Rechts von uns kommen nacheinander die verschiedenen Strände des Nationalparks. Dazwischen geht es eigentlich immer einmal hoch und wieder runter.

immer auf und ab, im Wechsel langsam und schnell, gut zu erkennen

Nach 21 Kilometern liegt tatsächlich gerade ein „Soda“ an der Straße, und wir pausieren dort. Da uns erlaubt wird, auch unser eigenes Brot zu frühstücken, bestellen wir einmal Pinto mit Rührei und ergänzen dieses mit dem aus Deutschland mitgebrachten Dinkelbrot und einem nicht mehr wirklich frischen Käse. Irgendwie ist das alles recht trocken. Und als Jutta dann das Brot wieder in die Essenstasche packt und sie darin auch das Fake-Nutella sieht, kommt ihr eine lang vergessene Erinnerung in den Sinn: Irgendwann in der Kindheit waren wir bei Peines in der Bülowstraße in Wilhelmshaven, und wir Kinder wollten wohl Nutella essen (Alexander, Nicola, wahrscheinlich Kathrin und ich, Jutta ?). Christa Peine als Mutter hat anscheinend gesagt, dass wir Nutella nur mit Schwarzbrot essen dürfen, wahrscheinlich, weil Weißbrot mit Nutella noch ungesunder ist, vermute ich. Diese Erinnerung war bis heute weit über 40 Jahre archiviert, hier ist der Kopf so frei von anderen Dingen, dass sie hervorkommt. Erinnern sich die anderen Beteiligten auch noch daran – ich weiss, das mehrere von Euch hier mitlesen?

Weiter geht es auf der 34, wir blicken auf Hügel, die mit Wolken wie Wattebausche betupft sind, aber auch wieder auf kilomterlange Ölpalmen-Plantagen rechts und links. Immerhin sehen wir heute als „Highlight“ in einer der Ölplantagen einen radelnden Arbeiter mit einem langen Werkzeug auf der Schulter (vermutlich das Erntewerkzeug), genau so, wie er auf den Warnschildern am Straßenrand dargestellt wird (siehe Tagesfoto oben). Leider ist er so schnell verschwunden, dass wir kein Foto machen können.

Erntewerkzeug, dass der Radler über der Schulter trug

Schon um halb zehn sind wir in Palmar Norte und finden ein ganz kleines Café, deren Betreiberin nichts dagegen hat, ab 10 Uhr das Fussballspiel zu zeigen. Wir bleiben! Und da es zu regnen beginnt, sitzt auch Jutta die ganze Zeit mit in dem Café, guckt nach den Einreisebestimmungen für Panama, plant den ganzen Weg dorthin, übersetzt mit Hilfe von LEO alle Schilder in dem Café, guckt die vorbeilaufenden und -fahrenden Menschen an und wartet auf die Deutsche Niederlage. Gegen Ende der regulären Spielzeit hört der Regen auf, allerdings setzt er wieder ein, kurz nachdem auch die Verlängerung vorbei ist und Deutschland 1:2 verloren hat. Auf den letzten Kilometern bis nach Sierpe werden wir deshalb so nass geregnet, wie wohl noch nie vorher, aber es lohnt sich nicht, dass wir uns unterstellen, außerdem entdecken wir an der Strecke auch keine Unterstellmöglichkeiten. Viktor bekommt den Starkregen sogar hinter der Brille in die Augen, so heftig, dass er sich fühlt sich wie ein ins Wasser eintauchender Pelikan (und meint, jetzt würde er ebenfalls erblinden – das haben wir nämlich gestern gelernt).

Triefend nass kommen wir im Hotel Margarita in Sierpe an. Glücklicherweise bleiben wir wieder zwei Nächte, um morgen eine Tour in den Corcovado-Nationalpark zu machen, so dass die Radfahrsachen vielleicht rechtzeitig trocknen – wir haben unsere Wäscheleine draußen unter dem Vordach aufgehängt.

Während des Abendessens im nahegelegenen Restaurant können wir immer wieder auf- und abtauchende Krokodile beobachten, die sich am Anleger tummeln, von dem morgen unserer Tour startet. „Also besser nicht ins Wasser fallen“, kommentiert Viktor. Tatsächlich sind die Tiere aber so gut genährt, dass sie Rinder nicht attackieren, auch wenn diese in Booten transportiert werden und ihre Beine ins Wasser hängen. Vor sieben Monaten sei hier ein junger Mann ertrunken und einen Tag später tot aufgefunden worden. Seine Leiche sei nicht angefressen gewesen. Das erzählt uns das Personal des Restaurants.

Krokodil-Beobachtung beim Abendessen in Sierpe … mit „schöner“ mexikanischer Musik

Wir machen noch einen kleinen Umweg zum Startpunkt der morgigen Tour und finden heraus, dass wir dort bei „Donde Jorge“ schon ab 6 Uhr frühstücken könnten. Warum hier in Costa Rica so viele Restaurant-Namen mit „Donde“ (siehe Liberia) beginnen ist uns nach wie vor unklar. Die Google-KI phantasiert sich dazu Folgendes zusammen.

Wir wundern uns auf dem Rückweg ins Hotel darüber, dass es im Spanischen „Cocodrilo“ heißt, im Englischen aber „Crocodile“ und im Deutschen „Krokodil“. Wieso ist im Spanischen das „R“ nach hinten gerutscht? Viktor erinnert sich dabei an die Alt-Griechisch-Demonstrationen von Thom Klauke (Ippopotamos, Krokódeilos) … auch hier ist das „R“ vorne. Siehe auch hierzu die überzeugend klingende Antwort der Google-KI.

Noch eben der neueste Stand zum Freilauf: Heute hat es kein einziges Mal „Knack“ gemacht. 🙂 Wir scheinen also den Staub erfolgreich herausgedrückt zu haben. Da heute ein recht „unstaubiger“ – nämlich sehr regennasser – Tag war, ist offenbar auch kein neuer Staub eingedrungen. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich doch nicht um alten Staub handelt, der sich im Freilauf verlagert und das Knacken verursacht, sondern um immer wieder frischen Staub, der von außen an besonders staubigen oder sandigen Tagen neu eindringt. Wir haben von Euch Tipps erhalten, dass wir den Freilauf mal richtig ausspülen müssten (in einem Forum wird dazu WD-40 empfohlen, in einer WhatsApp rät man uns zu Bremsenreiniger). Danke für Eure Antworten! Wir behalten das erstmal im Auge, denn so eine Spülung wäre schon ein etwas größerers Unterfangen und wir wollen es nur machen, wenn es auch wirklich nötig ist.

Abschließend noch der neueste Stand zum Hurricane Beryl: Er ist in Mexiko auf Land getroffen und hat sich zu einem tropischen Sturm abgeschwächt. Unser heutiger Starkregen könnte davon noch etwas beeinflusst gewesen sein, aber es besteht hier in Costa Rica eigentlich keine Gefahr mehr, selbst wenn er über dem Golf von Mexiko nochmal an Stärke gewinnen sollte.

Samstag 6.7.24 – Sierpe – Tour Corcovado Nationalpark

Der Treffpunkt für unsere gebuchte Tour ist heute früh auch unser Frühstücksort, denn wir sollen gestärkt auf die Tagestour gehen. Bei „Donde Jorge“ ist schon Einiges los, da dort viele Touren starten, allerdings muss man sich irgendwie selber darum kümmern, die richtige Tour/den richtigen Tourguide zu finden, und erst werden wir von einem zum anderen geschickt. Letztendlich bekommen wir Cäsar als Guide, der uns erst einmal Gummistiefel anbietet, weil wir nur unsere Radfahrsandalen haben, und Sandalen sind im Nationalpark nicht erlaubt (Schlangen werden als Grund genannt). Wir sind als englischsprachige Elfergruppe auf dem Motorboot La Bella unterwegs. Ein zweites Boot ist für die spanischsprechenden Touristen (aus Spanien), dabei wollte Viktor doch eigentlich fragen, weshalb sich die Veranstalter trauen, Spanier und Deutsche nach dem gestrigen Spiel zusammen auf einem kleinen Boot zu mischen … .

Die Fahrt von Sierpe zum Nationalpark dauert je nach Tide eine bis eineinhalb Stunden. Die erste Hälfte geht es mäanderartig entlang des Sierpe-Flusses, dann mit viel Karacho über die Mündung gegen die Wellen in den Pazifik und noch einmal so lange, bis wir an der Rangerstation San Pedrillo im Corcovado Nationalpark anlanden. Die Bootsfahrt ist nichts für körperlich angeschlagene Menschen, auf gar keinen Fall aber für Leute mit Rückenproblemen. Wir sitzen ganz vorne, wo der Bug immer wieder auf den Wellen hochspringt und danach heftig aufs Wasser aufschlägt. Die dünnen Sitzpolster federn nichts ab. „Wozu habe ich mir eigentlich eine Federsattelstütze für das Tandem besorgt, wenn ich meine Lendenwirbelsäule jetzt hier so malträtiere“ denkt sich Viktor. Er beobachtet angespannt die Dünung vor dem Boot und stützt sich dann immer mit der rechten Hand auf der Bank ab, damit der Schlag nicht über den Hintern in die Wirbelsäule geht sondern lieber über die Hand in den Arm. Das ist aber so verdammt anstrengend, dass es sich irgendwann so anfühlt als müsse er sich zwischen einem kaputten Handgelenk und einer kaputten Lendenwirbelsäule entscheiden. Zum Glück kommen wir gerade noch rechtzeitig in Strandnähe und müssen nur noch aus dem Boot ins knietiefe Wasser springen um an Land zur Rangerstation des Nationalparks zu gelangen.

Während wir fahren beginnt es auch schon zu regenen. Nachdem an Land von einer Rangerin mit Trillerpfeife alle Rucksäcke kontrolliert sind (Plastikflaschen und Waffen sind verboten), watet unsere Gruppe durch einen kleinen Fluss. Der Untergrund ist sehr steinig, und Jutta kommt barfuß nicht durch. Nach ein paar Schritten geht nichts mehr, die Strömung ist so stark, dass die Füße einfach nicht weiter wollen. Nur mit der Hand eines Guides als Unterstützung klappt es. Alle ziehen sich die Schuhe wieder an – wir die geliehenen Gummistiefel. Und das ist auch gut so! Die Wege sind so nass und matschig, und alle anderen mit ihren Wander- oder Sportschuhen haben ganz schnell nasse und dreckige Schuhe, Füße, Beine, Hosen. Mehrfach rutschen ander aus und haben dann auch schlammige Hände, Knie und Gesichter. Wir sind Cäsar wirklich für das Gummistiefel-Angebot dankbar! Die sind sogar erstaunlich bequem und wir holen uns wider Erwarten keine Blasen. Cäsar ist übrigens selbst auch in Gummistiefeln unterwegs.

Das erste gesichtete Tier ist eine gemeine Zeltfledermaus, die zum Schlafen unter einem Blatt hängt. Sie baut sich aus großen Blättern ein Zelt unter dem sie trocken hängt und schläft.

Zeltfledermaus

Kurz darauf bleiben wir stehen, weil es nach Pferd riecht. Wir lernen, das Tapire zu den Pferden gehören und es daher gerade nach Tapir riecht und also einer in der Nähe sein müsste. Wir finden ihn nicht. Die Suche nach Tieren gestaltet sich wieder einmal sehr schwierig bei dem doch relativ starken Regen. Wir bekommen Knochen eines vor drei Jahren gestorbenen Wales zu sehen, dessen Verwesung damals sechs Monate gedauert hat, während derer es ziemlich gestunken haben muss.

Walknochen

Hier erfahren wir auch, dass Costa Rica und Panama die einzigen zwei Länder sind, in denen zwei unterschiedliche Buckelwal-Populationen zum Gebären kommen, die aus dem Norden und die aus dem Süden. Die Tourleiterin in Uvita hatte nur davon gesprochen, dass sie zweimal im Jahr kommen, einmal nur 200, das andere Mal wesentlich mehr, und dass die Jungwale hier im warmen Wasser geboren werden, weil sie in kaltem Wasser noch gar nicht überleben können, bevor ihre Fettschicht dick genug ist. Beide Informationen zusammen sind eine gute Ergänzung zueinander!

Lebendig (aber auch als Skelett) sehen wir noch diverse Nasenbären (Coati). Alle anderen Tiere haben sich verdrückt, nicht einmal Vögel, Schlangen oder Frösche sind zu finden, und wir wandern drei Stunden durch den Regenwald.

Nasenbären

Cäsar erzählt uns aber einiges über Flora und Fauna hier, z.B., dass dieser ganze Nationalpark sich erst seit 50 Jahren selber entwickelt hat (das Gebiet war vorher von Menschen genutzt worden), dass auch die größten Bäume nicht älter als 200 Jahre alt werden, dass die Erde sehr nährstoffarm ist (nur reich an Eisen und Aluminium), dass sich manchmal zwei Bäume über ihre Wurzeln zusammentun, um die Nährstoffe besser zu nutzen (Anastomose, siehe Video), und so zu einem Baum werden und dass die Färbung vieler Stämme durch die Besiedelung mit verschiedenen Pilzen etc. die Vorlage für „Camouflage“ ist.

Jutta lässt bei der Rückkehr zur Rangerstation die Gummistiefel an, als es zurück durch den Fluss geht. Keine gute Idee, denn der ist tiefer als die Gummistiefel hoch sind. Um halb eins sind wir wieder an der Rangerstation und bekommen Reis, Sandwiches, Obst und Kekse zum Mittagessen. Anschließend bietet Cäsar noch eine kürzere Wanderung in die andere Richtung an, und da das Wetter gerade trocken ist, gehen wir sogar ohne unsere Regenjacke mit. Allerdings macht Jutta jetzt beim Gehen komische Geräusche.

Ohne den Regen hören wir gleich verschiedenste Vögel, sehen aber leider keine. Außerdem sehen wir mehrere Klammer- und Brüllaffen, sogar gleichzeitig, z.T. auf dem selben Baum. Leider fängt es bald aber doch wieder an zu regnen. Irgendwo in einer Pfütze entdeckt Cäsar Tapirkot, und wir gehen nochmals auf Tapirsuche. Stattdessen stossen wir auf eine Rotte von Weißbart-Pekari, die zu den Nabelschweinen gehören und vom Aussterben bedroht sind. Das ist auch für Cäsar eine kleine Sensation, die sieht man wohl deutlich seltener als Tapire, Pumas, Faultiere oder was auch immer wir heute nicht sehen. Um sie nicht zu stören, beobachten wir sie nur durch das mitgenommene Fernrohr aus sicherer Entfernung und gehen auch nicht an ihnen vorbei sondern kehren um. Sie haben Nachwuchs dabei und können dann für Menschen tatsächlich gefährlich werden. Angeblich hat die Mafia diese Tiere schon genutzt, um Leichen vollständig zu entsorgen.

Weissbart-Pekari (Nabelschweine)

Wir sammeln uns wieder, und um viertel vor drei geht unsere Gruppe wieder an Bord, dieses Mal dürfen wir weiter hinten an der Seite sitzen. Mit den Wellen ist die Fahrt nicht ganz so holperig. Nach dem Einbiegen in den Fluss machen wir noch einen Abstecher in einen Flussarm, an dessen Rand häufiger Faultiere zu finden sind. Heute hören wir dort nur einen Tucan, sehen aber nichts. Außerdem fahren wir noch durch einen Mangrovenwald, der ganz anders ist als der, den wir in La Paz in Baja California gesehen haben. Und wir erfahren auch noch Fakten darüber, u.a. das einige Mangrovenarten über semipermeable Membranen in der Rinde verfügen, die für Wasser durchlässig sind, aber nicht für Salz. So erzeugen Mangroven sich ihr eigenes Süsswasser.

Sonntag 7.7.24 – Sierpe – Rio Claro

Gesamt: 4015,80 km

Heute wollen wir die 4000 Kilometer knacken, deshalb rechnet Jutta morgens aus, bei welchem Streckenkilometer dieses sein wird. Nachdem uns die Hotelbetreiberin gestern auf Anfrage erklärt hat, dass die von Komoot vorgeschlagene Strecke zurück zur Costa Nera-Strecke ein früherer Weg für Pferdekarren war und man dort unter keinen Umständen fahren kann, nehmen wir den Weg zurück nach Palma Sur/Norte. Vorgestern haben wir ja durch den Starkregen nichts sehen können, da nehmen wir diesen kleinen Umweg heute doch gerne in Kauf. Beim Losfahren um sechs ist noch alles im Nebel, aber schnell verspricht es, ein sonniger Tag zu werden.

Kurz hinter Palma ist ein geöffnetes Restaurant, und wir frühstücken sicherheitshalber schon. Sie haben als Dekoration einen kleinen Ochsenkarren zu stehen, können auf Nachfrage aber nicht bestätigen, dass diese hier eine Rolle spielen oder gespielt haben – sollen eher aus Guanacaste kommen. Dort waren wir schon, ohne sie gesehen zu haben. Außerdem sind die Toilettenräume sehenswert angemalt:

Als wir dort weiterfahren, knallt die Sonne schon ganz schön. Vielleicht sollten wir uns heute doch einmal wieder mit Sonnenschutz eincremen. Die letzten Tage, fast Wochen, ist das kaum einmal nötig gewesen. Dafür halten wir an einem Mini Super, wo Viktor sich auch endlich ein Elektrolytgetränk kaufen kann.

Wir sehen heute im Vorbeifahren mehrmals Aras fliegen, einmal sogar elf auf einen Streich. Versuche, sie einmal im Kurvenflug zu filmen, bei dem die Farben besonders leuchtend hervortreten, schlagen leider fehl. Einen toten Nasenbären sehen wir auch am Straßenrand. Und für einen Sonntag sind auch viele LKW unterwegs, sowohl aus Costa Rica, als auch aus Panama.

Nach knapp 50 Kilometern halten wir, weil nichts anderes verfügbar ist, an einer Tankstelle und durchforsten den Minimarkt nach 4000 Colones Preisschildern. Vergeblich, es gibt viele 3000-er, aber keines mit glatt 4000. Egal, weiter geht`s, um bei 61,69 Kilometerstand anzuhalten. Es sind dann leider 10 Meter zu viel auf dem Garmin, weil Jutta ihn aus der Halterung nimmt, um das Foto zu machen, aber wir haben die 4000 Kilometer geknackt! Da sind wir noch gut gelaunt!

Kurz darauf meldet Viktor aber, dass die Schaltung nicht mehr will 🙁 . Die Stimmung sinkt! An einem Schattenplatz halten wir an und suchen kurz nach einer Ursache. Viktor ruft sogar Dan von Panke-Rad an, der bestätigt, dass es wohl die Schaltzüge sind, die halten so knapp 3.500 bis 4.000 km, je nachdem wie viel man schaltet, und irgendwann streiken sie dann, wenn genug Einzeldrähte gereissen sind. „Wie jetzt? Die muss man dann ja häufiger wechseln als die Kette“ entfährt es Viktor während des kurzen Telefonates. Na toll! Im ersten Gang fahren wir die letzten knapp 10 Kilometer, Viktor tritt alleine, nur bergauf darf Jutta mittreten, bergab lassen wir uns rollen.

Unser Ferienhaus liegt kurz hinter Rio Claro, im Zentrum halten wir aber nochmal kurz und gehen nach Befragung eines Passanten ins Chinesische Restaurant, eigentlich, um das von Larissa ausgegebene Eis zu essen. Es werden dann zwei Naturales mit Milch, sozusagen Milchshakes, vielen Dank, liebe Larissa, diese Motivation können wir gut gebrauchen.

Danke Larissa! Motivation nach fast 10 km im ersten Gang.

Das Ferienhaus ist dann schnell gefunden, bis kurz davor ist die Straße auch asphaltiert, nur die letzten 150m müssen wir über Schottersteine schieben. Und dann beginnen wir, die Rohloff-Nabenschaltung zu reparieren. Wir können uns glücklich schätzen, heute hier vor unserem Ferienhaus, in der Sonne (den ganzen Tag kein Tropfen Regen), mit geliehenem Seitenschneider und Massband des Vermieters arbeiten zu können, reden wir uns die Situation schön. Mit Hilfe zweier Rohloff-Videos (Schaltzugwechel am GriffSchaltzugmontage an der Schaltbox) schaffen wir es mit viel Mühe, die alten Schaltzüge herauszuziehen (der eine ist oben am Griff und unten an der Schaltbox völlig zerfranst und aufgedröselt) und anschließend das neue Paar, das wir genau einmal als Ersatz dabeihaben (!), einzuziehen.

Dabei stellt sich heraus, dass das Leatherman-Mehrzweckwerkzeug einen bescheidenen Saitenschneider besitzt. Mit dem Teil hätten wir die Reparatur nicht geschafft, weil des Ablängen der Schaltzüge unmöglich gewesen wäre. Viktor testet das zum Glück vorher am alten Schaltzug und leiht sich dann das Werkezug vom Vermieter. Wir hätten die wertvollen Ersatzteile vermutlich sofort zerfranst und potentiell zerstört. Demnächst wird also in einer Ferreteria ein ordentlicher Saitenschneider gekauft (oder vielleicht sogar ein Knipex)

Ausgefranster Schaltzug, der alles blockiert hat.

Leider haben wir jetzt keine weiteren Ersatzzüge dabei, werden sie aber auf jeden Fall irgendwann wieder tauschen müssen (bei Kilometer 7000?). Und die extralangen 3-Meter-Züge, die wir für unser Tandem benötigen, gibt es in keinem Radladen mal eben so zu kaufen. Dummerweise stellen wir nach der Fertigstellung fest, dass die Reihenfolge der Gänge sich umgekehrt hat, der 14. Gang am Schaltgriff ist jetzt der Leichteste, der 1. Gang jetzt der Schwerste. Da haben wir bei der Reparatur wohl irgendwann einen Fehler gemacht (vermutlich oben am Schaltgriff) oder bei unserem Tandem ist das Ganze anders montiert, als in den Standard-Videos von Rohloff dargestellt. Das werden wir jedenfalls erst einmal so lassen müssen, da ein Tausch nicht möglich ist, ohne dass der Schaltzug wieder zerfranst, also wird sich der Captain beim Schalten umgewöhnen müssen.

Zwischendrin versucht Jutta auch noch, mit der halbautomatischen Waschmaschine hier unsere Wäsche richtig zu waschen. Das ist auch etwas Neues, mit manuell einzufüllendem Wasser (nur kaltes) und manuell zu startendem Abpumpen. Danach Umfüllen in eine Schleuder in mehreren Etappen. Aber es funktioniert. Mal schauen, ob die Sachen morgen früh einigermaßen trocken sein werden.

Halbautomatische Waschmaschine

Wir machen eine Testfahrt in die Stadt und gehen beim gleichen Chinesen von heute Mittag auch Abendessen: immerhin mal ein geschlossenes, klimatisiertes Restaurant, und wir hatten heute schon ausreichend stechwütige Purrujas und/oder beißwütige Ameisen. Viktor fällt heute das erste Mal auf, dass eine Bedienung den Kugelschreiber in ihre Haare steckt, wenn er nicht gebraucht wird. Jutta hat das schon in ganz Mittelamerika häufiger gesehen, aber sie guckt auch immer eher herum, während Viktor meistens auf sein Handy schaut 😉 . Er fragt die Bedienung, ob er ein Bild von ihr hochladen darf, und sie erlaubt es:

Bedienung Marilyn mit Kugelschreiber im Haar (Restaurant Victoria, Rio Claro)

Morgen haben wir noch 35 Kilometer bis zur Grenze nach Panama, d.h. heute ist unsere letzte Nacht in Costa Rica:

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