Montag 16.12.24 – (140) – Baldecitos – Huaco

Gesamt: 8.889,06 km
Es ist eine ziemlich unruhige und warme Nacht. Der Ventilator wird einer von uns beiden irgendwann am frühen Morgen dann doch zu laut und abgeschaltet. Aber danach ist es eh nicht mehr lang, bis der Wecker um 5 Uhr klingelt. Draußen ist es noch dunkel, aber wir hören bereits die ersten Esel rufen. Um 5:55 sind wir abfahrbereit und können den beginnenden Sonnenaufgang bewundern.





Die ersten 20 km rollt es recht gut, und wir frieren in den kurzen Abfahrten sogar ein wenig. Aber auch heute geht es während der ersten Tageshälfte fast ausschließlich bergauf in Richtung „Valle de la Luna“ (Tal des Mondes). Dieses soll landschaftlich besonders reizvoll sein und gehört zum UNESCO Welt-Naturerbe.
Wir fahren mit dem Sonnenaufgang im Rücken und bekommen ein paar einzelne Regentropfen ab. Und dann sehen wir links der Strecke etwas, das wir noch nie gesehen haben. In einem Regenfeld bildet sich eine Art „dreieckiger Regenbogen“, der fast aussieht wie das „Auge der Vorsehung„, das man auch von den US-Amerikanischen Dollarnoten kennt. Eigentlich dachten wir, dass sich Regenbögen nur nachmittags zeigen, aber vielleicht ist das auf der Südhalbkugel ja auch wieder anders.





Nach 26km, es ist inzwischen hell und warm und wir sind fast „oben“, machen wir an einer Leitplanke Frühstückspause.



Jetzt noch wenige Kilometer bergauf, und dann folgt eine knapp 20 Kilometer lange Abfahrt durch das Tal des Mondes, nach mehreren Tagen der Eintönigkeit eine tolle Abwechslung.





Als wir unten aus dem Tal herausfahren, haben wir ziemlich genau die Hälfte der heutigen Kilometer geschafft, und genau hier steht das einzige Gebäude des Tages (abgesehen von den Häusern im Start- und Zielort). Es ist eine Rangerstation für den Ischigualasto-Park, aber alles ist verschlossen – niemand da, außer dem Dinosaurier-Skelett (dabei wären hier die einzigen Toiletten auf über 100 km … wir „müssen“ also wieder mal in die Natur).




Ab hier geht es auch heute wieder immer geradeaus mit kleiner Steigung. Und wir haben ja noch die Hälfte unseres langen Tages vor uns. Als am Straßenrand immerhin ein paar Bäume stehen, breiten wir unter einem davon unser Groundsheet vom Zelt aus, setzen (und legen) uns und füllen unsere Energiespeicher wieder auf – noch genau 30 km zu fahren.



Kurz darauf überholt uns ein Wohnmobil und hält am Straßenrand. Der Fahrer steigt aus und hält eine Wasserflasche hoch. Die beiden Reisenden aus Chile haben uns gestern schon überholt, und als sie uns jetzt wieder gesehen haben, wollen sie uns etwas Gutes tun. Viktor lässt sich dankbar seinen Camelbak-Wasserrucksack auffüllen und nach einem kurzen Austausch geht es weiter.
Die letzten 20km geht es noch einmal heftig rauf und runter, und wir sind in der Mittagshitze ziemlich geschafft. Ohne Pause schaffen wir es nicht, also halten wir fünf Kilometer vor Schluss noch einmal kurz an.
Nach Huaco geht es rechts ab, und dann sehen wir es: schlimmster Schotter mit heftigem „Ripio“ (Waschbrettpiste) – und es sind noch über vier Kilometer! Wir werden durchgerüttelt und befürchten Reifenpannen oder schlimmeres. Daher steigen wir relativ schnell ab und schieben, Fahren geht hier mit unserem vollbepackten Tandem gar nicht!



Beim Schieben merkt man die Hitze noch viel stärker als beim Fahren – der Fahrtwind fehlt. Wir kommen um viertel vor drei an der reservierten Hosteria Huaco an und erhalten gleich eine eisgekühlte Flasche Cola. Diese Herberge hat einen großen Garten, in dem das Gemüse für die Küche angebaut wird. Es gibt einen Pool, ein Jacuzzi, einen Bach mit Brücke, mehrere Grills, einen Flaschenzug (innen hängt eine Erklärung, draußen kann man ihn „erfühlen“) – sehr nett, und auch hier sind wir in einem recht kleinen Ort. Wir konnten uns vorher schon per WhatsApp die Gerichte zum Abendessen aussuchen, und jetzt dürfen wir uns auch noch die Uhrzeit aussuchen, wann wir essen möchten. Heute brauchen wir also nicht bis 21 Uhr zu warten, sondern können um 19 Uhr ein Milanesa Napolitana bzw. eine Gemüsetarte essen. Schon zum zweiten Mal ist darin ein grünes Gemüse verarbeitet, bei dem wir uns nicht sicher sind, was es ist. Leila, die gekocht hat, kann uns weiterhelfen: Mangold (Acelga) bzw. eine runde Zucciniart – für uns eher eine Kürbisart – (wie gesagt, aus dem eigenen Garten) sind die beiden grünen Gemüsesorten.




In der verbleibenden freien Zeit schreiben wir heute den Blog-Eintrag von gestern und beginnen mit der neuen Woche (und in der kommenden sind dann schon die Weihnachtstage!).





P.S.: Wir haben innerhalb von zwei Tagen vier Einladungen zum Eis von Euch erhalten. Vielen, vielen Dank! Die ständigen Wiederholungen in unserem letzten Blog-Beitrag („ganz schön warm da draußen“) waren wirklich nur witzig gemeint und keine versteckte Aufforderung zur Eispende. Viktor hat ein wenig schlechtes Gewissen, aber freuen uns natürlich riesig darüber.
Dienstag 17.12.24 – (141) – Huaco – San Roque (Cruce RN40 mit RN150)

Gesamt: 8.933,50 km
In unserer Herberge gibt es ab acht Uhr Frühstück, und da wir heute nur 60 km fahren wollen, nehmen wir es noch mit, obwohl wir so erst um neun Uhr loskommen – die Sonne steht schon hoch am Himmel. Während des Frühstücks unterhalten wir uns noch kurz mit dem Freiwilligen, der uns die ganze Zeit versorgt, Gonzalo. Er kommt aus Buenos Aires und hat dort als Automechaniker gearbeitet, ist aber jetzt offenbar „ausgestiegen“. Ab Januar wird er sich meditierend auf den Zusammenbruch des Weltwirtschaftssystems vorbereiten und das Erscheinen eines neuen Propheten erwarten, denn am 19. November 2024 sind wir in das Zeitalter des Wassermanns eingetreten, in dem wir bis zum März 2043 leben werden. Wer erinnert sich nicht an das Musical Hair und „The Age of Aquarius„?
Kurz nach unser Abfahrt halten wir bei „Jorge“ im Laden. Dort gibt es heute leider keinerlei Obst oder Gemüse (er sollte eigentlich mehr als ein Kiosk sein, eher ein Mini-Supermarkt … aber na ja). Aber wenigstens hat er Gatorade für Viktor. Außerdem sagt Jorge uns, dass es an unserem Ziel in Niquivil genügend Restaurants geben wird und wir nichts für unser Abendessen kaufen müssen.
Wir fahren den deutlich längeren Weg aus Huaco heraus, um nicht wieder über den Schotter fahren zu müssen – und weil wir heute nicht auf jeden Kilometer achten müssen wie gestern und morgen. Dabei kommen wir am Fahrradfahrer-Denkmal vorbei, und es fällt auf, dass die Menschen im Ort hier meist auf Fahrrädern unterwegs sind – sind wir im Münster Argentiniens gelandet?

Wir wechseln heute wieder zurück auf die RN40 (Ruta 40). Für die ersten 21 km brauchen wir über zwei Stunden – es geht wieder einmal langsam aber stetig bergauf. Als nach 26 km rechts ein Pausenplatz mit einem Schrein für die Jungfrau von Urkupiña erscheint, halten wir spontan an – so eine Gelegenheit muss genutzt werden. Wir sichten eine Bolivianische Flagge, die wir uns nicht gleich erklären können, aber Urkupiña liegt in Bolivien, wie wir später herausfinden.





Kurz nach der Pause haben wir eine von zwei längeren Abfahrten, danach geht es in einem großen Bogen um einen im Weg stehenden Berg herum – und wieder langsam bergauf. Aber wir wissen ja, dass es nach der Kreuzung mit der RN150 wieder bergab gehen wird…
Zum Ende des großen Bogens fahren wir direkt auf eine riesige Felswand zu und wir fragen uns schon, ob wir da irgendwie durch oder drüber hinweg müssen. Aber die T-Kreuzung an der wir links abbiegen müssen scheint noch vor diesem majestätisch anmutenden Brocken zu liegen.

Kurz vor der besagten Kreuzung befindet sich an einem Kreisverkehr ein Parkplatz mit Gebäuden, die aussehen, als könne man dort einkehren. Damit hatten wir gar nicht gerechnet, aber wir nutzen diese Gelegenheit ebenfalls. Wir können zwar keinen Kaffee bekommen aber kalte Getränke, und „richtiges“ Essen (Nudeln, Schnitzel, usw.) gäbe es ebenfalls. Der Betreiber bietet Viktor dann aber sogar ein Käse-Schinken-Sandwich an. Die bietet er nicht standardmäßig an, weil seine Gäste sie zu oft nicht gemocht hätten. Es ist überraschenderweise ein großes Sandwich aus richtigem Baguettebrot … vermutlich wollen die Leute hier immer nur weißes Toastbrot.
Während des Essens kommt er noch einmal mit seinem Handy in der Hand und zeigt seinen Bildschirm, auf dem der geteilte Kontakt von Jutta zu sehen ist. Ob es sein könnte, dass Jutta „Jutta Makowski“ ist? Unsere Überraschung ist natürlich groß.
Er hat den Kontakt von der Frau bekommen, die uns heute Abend in ihren Cabañas (Campinghütten) beherbergen wollte/sollte. Die hat uns zwar heute morgen um acht noch geschrieben, als wäre alles in Ordnung, aber jetzt muss sie uns absagen, weil sie Handwerker im Haus hat. Das hat sie den anderen Gastwirten in der Umgebung, die eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe betreiben, mitgeteilt und sich nach Alternativen für uns umgehört. Jutta schaltet ihr Handy ein und findet die Bestätigung der kurzfristigen Absage in ihren WhatsApp-Nachrichten.
Jetzt haben wir ein Problem, denn wir hatten für morgen schon 135 Kilometer bis nach San Juan eingeplant. Wenn wir hier übernachten, werden das über 150 Kilometer. Wenn wir weiterfahren, müssen wir irgendwo zelten, denn es gibt keine anderen Unterkünfte mehr zwischen hier und San Juan. Nach kurzer Beratung wissen wir, wie viel uns eine Nacht im klimatisierten Zimmer im Vergleich zum Zelten wert ist … etwa 20 Kilometer zusätzliche Fahrstrecke (überwiegend bergab) sind wir bereit, für ein ordentliches Bett und eine Klimanlage auf uns zu nehmen.
Wir kommen mit dem Betreiber, Enrique, ins Gespräch – er scheint Vegetarier nicht zu mögen, denn die sollten seiner Meinung nach vom Erdball verschwinden – und er bietet uns netterweise an, beim Einkauf in der Stadt noch etwas für uns mitzubesorgen. Wir bitten ihn, uns vier Bananen als Verpflegung für die morgige Strecke mitzubringen. Wir checken kurzerhand hier im Parador „La Posta“ ein und bereiten uns seelisch und mit viel körperlicher Ruhe auf den morgigen Tag vor. Abendessen gibt es hier – wie wohl in jedem Parador oder Restaurant Argentiniens – erst ab 21:00 Uhr. Aber was wollen wir in dieser verlassenen Gegend anderes machen?
Im Gespräch mit Enrique erfahren wir auch, dass Argentinien nur 46 Millionen Einwohner hat … das war uns gar nicht so bewusst. So ein riesiges Land und nur gut halbsoviele Einwohner wie Deutschland? Von denen würden auch viel zu viele gar nicht richtig arbeiten und würden vom Staat alimentiert, ist er überzeugt, besonders als wir die einsamen Touristeninformationen in den letzten Dörfern erwähnen, durch die wir gefahren sind.
Am Nachmittag gehen wir nochmal zu einem 1,3 km entfernten Kiosko, kaufen für morgen noch Brot und Dulce de Leche, denn wir werden wieder unterwegs an einer Leitplanke oder einem Heiligenschrein frühstücken müssen. Es soll jedenfalls wieder sofort bei Sonnenaufgang auf die Strecke gehen, damit wir genug Zeit haben und nicht in die heißen Stunden am Spätnachmittag geraten. Für morgen ist aber zum Glück Bewölkung angesagt, für unseren neuen Start-Ort „San Roque“ sogar ab 9 Uhr ein Gewitter. Aber da wollen wir schon möglichst weit weg sein.

Auf dem Weg zum Kiosko scheint es uns fast, als wäre jedes zweite Haus auch ein Kiosk, denn als wir Leute am Wegesrand fragen, zeigen die auf unterschiedliche Häuser, in denen man Getränke und Kleinigkeiten kaufen kann. Leider kann man ohne zu fragen nie wissen, wer jetzt genau was im Angebot hat… Auf dem Rückweg beobachten wir die Leute vom Wasserversorger dabei, wie sie mit einem Quad von Haus zu Haus fahren, die Wasserzähler vor den Häusern ablesen und die Rechnungen (Boletos) persönlich abgeben. Auf Nachfrage teilen sie uns mit, dass sie das monatlich machen.

In der langen Zeit bis zum Abendessen macht Jutta sich Gedanken, wie wir morgen zeitsparend die 9.000 gefahrenen Kilometer festhalten können. Sie entscheidet sich dafür, eine ehemalige Wäscherei-Tüte, in der seitdem Sandalen transportiert werden, zu beschriften. Jetzt ist alles vorbereitet, und die Sandalen werden morgen einfach wieder mit Gurten an den Radtaschen befestigt…
Und wir stellen wieder einmal fest, dass wir ziemliches Glück hatten, heute zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein, sonst wären wir an unserem eigentlichen Zielort angekommen und hätten keine Unterkunft gehabt.
Zum Abendessen um 21:00 Uhr macht uns Enrique eine Milanesa Napolitana mit Pommes, die so groß ist, das Viktor sie nicht aufessen kann, und Bandnudeln für Jutta.
Als Viktor das Abendessen bestellen will und durch die Türe in die Küche schaut, sieht er Enrique und seinen Helfer, wie sie dabei sind, Honig zu sieben. Tatsächlich stehen hinter dem Haus zwei Magazinbeuten (also Bienen-Behausungen) und sie mussten heute einigen Wildbau (kreuz und quer gebaute Waben) mit Honig entfernen. Sie wissen gar nicht, was sie mit dem Wachs tun sollen und halten diesen zunächst für Pollen. Der Honig ist dunkel und sehr schön würzig, denn Viktor darf natürlich probieren und ein Urteil abgeben. Daraus ergibt sich ein längeres Gespräch über die Imkerei, die Enrique noch von einem Imkerfreund erlernen will. Zu den Bienen ist er per Zufall gekommen, weil er einen alten Kühlschrank hinter das Haus gestellt hatte und irgendwann ein Bienenvolk darin vorfand. Hier in dieser Gegend muss man offenbar nur eine leere Beute aufstellen und irgendwann zieht ein Schwarm Honigbienen freiwillig ein. Leider ist es schon zu dunkel, um noch einen Blick auf die Bienenvölker hinterm Haus zu werfen.





Mittwoch 18.12.24 – (142) – San Roque – San Juan (Ciudad)

Gesamt: 8.969,57 km
Manchmal kommt alles anders als man denkt!
Schon als der Wecker klingelt, hören wir draußen starken Wind wehen. Wir machen uns fertig, ziehen uns sogar Jacken an, und sind um sechs (wie geplant) abfahrbereit. Heute ist es noch richtig dunkel, man merkt die Morgendämmerung kaum.
Sobald wir losfahren, kämpfen wir gegen den Wind und müssen immer wieder gegenlenken. Die Ruta 40 ist zudem ab dieser Kreuzung in sehr viel schlechterem Zustand als alle Straßen, die wir bisher in Argentinien befahren haben. Das liegt wahrscheinlich an den vielen Schwertransporten der Minenfirmen, von denen unser Gastgeber gestern erzählt hat – für Fahrradreifen ist die Fahrbahn nicht gerade gut geeignet.
Aber wir fahren – müssen wir ja, schließlich haben wir heute einen langen Weg vor uns – auch, wenn es schwerfällt. Nach über einer Stunde sind wir erst zwölf Kilometer weit gekommen, erreichen die Polizeistelle von Niquivil, wo wir eigentlich gestern übernachten wollten, und bleiben in deren Windschatten stehen. Wenn wir in dem Tempo weiterfahren, brauchen wir 15 Stunden. Selbst wenn sich die Bedingungen verbessern sollten, ist es unrealistisch, heute 150 km zu schaffen. Dazu hätten wir besonders auf den ersten 50 km, die überwiegend bergab gehen, flüssig dahingleiten müssen. Wir sind uns einig, dass das heute nicht geht. Als der Polizist noch sagt, dass die Straße sogar noch schlechter wird, fragen wir ihn nach Pick-Up-Fahrern und Bussen. Pick-Up-Besitzer kennt er nicht, aber er schickt uns einige Meter zurück, wo „Collectivos“ Menschen (ohne Gepäck) einsammeln.
Zwei Frauen, die dort warten, bestätigen dieses und wissen, dass in San José de Jáchal am Busterminal vormittags um zehn oder halb elf ein „Collectivo“ (wie sie hier wohl alle Busse inklusive der Überlandbusse nennen) losfährt. Wir überlegen noch kurz, ob wir den Tag einfach hier aussitzen und es morgen nochmal versuchen, aber bis Weihnachten wird die Zeit immer kanpper, und wir haben für die nächsten Tage auch schon die Unterkünfte reserviert. Kurzerhand nutzen wir den starken Wind als Rückenwind und fahren die bereits gefahrene Strecke wieder zurück.
Viktor muss dabei an einen Geschäftspartner denken, der einen Unternehmens-Leitspruch von Aristoteles übernommen hat:

An unserem Hospedaje wollen wir im WIFI schnell die Strecke zum Busbahnhof suchen, denn unsere Maya-eSIM funktioniert in dieser abgelegenen Gegend nur mit 3G, und eine Internetverbindung will sich einfach nicht aufbauen. Aber das Internet ist auch im WIFI des Hospedaje gerade nicht verfügbar (zu viel Sturm?). Also geht es mit Rückenwind weiter in den Norden nach San José de Jáchal (oder auch kurz nur Jáchal), wo wir den erstbesten Menschen nach dem Weg fragen. Um kurz vor neun sind wir am Bus Terminal.
Entgegen allen Erwartungen (in Argentinien sollen die Regeln für Fahrradtransporte in Bussen viel strenger sein) gibt es überhaupt kein Problem, das Tandem (ohne Karton!) im Bus mitzunehmen. Der Busfahrer sagt sofort zu. Wir können schon beginnen, das Tandem zusammenzuschieben, bevor um 9:15 Uhr das Ticketbüro öffnet. Und hier in Argentinien sagt man uns dann auch noch erstmalig, dass es gar nicht komplett zusammengeschoben werden muss! Hauptsache es passt in den Gepäckraum. 🙂
Wir haben jetzt vor der Abfahrt um 10 Uhr sogar noch Zeit, im Terminal einen Frühstückscafé zu trinken, der wie immer zusammen mit einem Glas Wasser und hier sogar noch mit zwei Maisbrötchen serviert wird. Eigentlich wollte Viktor seit seiner Erfahrung in Trujillo ja nie wieder etwas an einem Busterminal essen … aber heute geht es gut. Die Tickets sind übrigens auf Jutta Makowski und Berlin Makowski ausgestellt. Mit den Deutschen Pässen kommen sie hier einfach nicht klar.

Die Busfahrt ist relativ kurz und ereignislos. Die Strecke landschaftlich auch nicht besonders reizvoll, denn rechts und links liegen viele Tagebau-Minen und Abraumhalden. Erst gegen Ende kommen dann die ersten Weinbau-Felder in Sicht. Wir nähern uns Mendoza, einer der bekanntesten Malbeq-Weinbauregionen Argentiniens. Viktor dokumentiert unterwegs noch kurz die Straßenqualität … als weitere Erklärung oder Entschuldigung. Der Tag fühlt sich schon so ein wenig nach einer Niederlage an … aber wir sind uns beide einig, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben.
In San Juan bauen wir um 12:20 Uhr das Tandem wieder auf die volle Größe zusammen und orientieren uns grob Richtung Stadtzentrum. Leider hat der Busbahnhof kein freies WLAN und wir können keine Routenplanung zum Hotel durchführen (auch hier in der „Großstadt“ gibt uns die eSIM nur 3G … irgendwas stimmt da doch nicht). An irgendeiner Ampel erwischt Jutta aber dann doch noch das offene WLAN eines Ladens? (DEKO) und so kann uns GoogleMaps die kurze 1,5 Kilometer-Strecke zum Ziel führen.
Nach etwas kompliziertem Checkin mit beiden Reisepässen, Registrierungs-Formularen und einer Online-Abfrage unseres Einreisedatums nach Argentinien (wir haben ja keinen Einreisestempel erhalten), wird das Tandem in der Tiefgarage verstaut, und wir lassen uns von Antje E. auf ein Eis im Eiscafé direkt neben dem Hotel einladen. Es gibt ganz neue Eissorten zu probieren, unter anderem „Membrillo“-Eis mit Quittengelee in der Eiskugel. Die Eispreise hier in Argentinien sind ziemlich heftig, 8.500 Pesos für 3 Kugeln (~ 8,50€), und das nicht nur hier in der Stadt.

Laut einer Werbung der Touristeninformation soll es abends eine Walking-Tour durch die Stadt geben. Wir versuchen uns anzumelden, bekommen aber eine Absage: heute findet keine Tour statt. Es ist halt ein paar Tage vor Weihnachten… Schade eigentlich, denn jetzt sind wir ja gar nicht so kaputt wie erwartet und hätten noch die Energie für etwas Sightseeing.
Abends ist der Eingang der Kathedrale immerhin nicht mehr verschlossen, und wir wollen uns wenigstens diesen modernen Kirchenbau noch ansehen. Es ist etwa viertel vor acht, und um acht findet eine Gottesdienst statt. Die riesige Kathedrale ist so voll, dass gerade noch Stühle herangeschafft werden, und später stehen die Gläubigen sogar noch draußen. Und das an einem Mittwoch – wahrscheinlich ist es jeden Tag so voll. So voll sind die Kirchen bei uns nicht einmal an den Festtagen


Wir gehen noch etwas durch die Stadt, unter anderem durch eine großzügige Fußgängerzone, trinken etwas im Café Gibraltar, das offenbar vor allem von Einheimischen besucht wird, und enden zum Abendessen im Rocky Bay, weil die „La Cantina del Español“ bei Google falsche Öffnungszeiten hinterlegt hat (19:00 statt 20:30). Heute haben wir die Zeit und schreiben bei GoogleMaps Korrekturen und Rezensionen. Und wo wir schon dabei sind, schicken wir auch erstmals auf dieser Tour eine Korrektur an Open Street Maps, um die Straße mit dem Waschbrett-Schotter in Huaco korrekt zu kategorisieren.
Jutta isst im Rocky Bay einen vegetarischen Burger, und wir erleben mal wieder, wie unterschiedlich einige Begriffe in Lateinamerika benutzt werden. In Chile wäre ihr „Poroto“-Burger aus „Kindern“ hergestellt, in Argentinien sind es zum Glück nur „Bohnen“.
Die Bedienung versteht Viktors Spanisch wieder einmal nur zur Hälfte und vergisst bei der Bestellung seinen Buffalo-Burger. Viktor sitzt Jutta also mit seinem Malbeq-Rotwein gegenüber und schaut ihr beim Essen des Poroto-Burgers zu. Irgendwann fragt er dann doch mal bei der Bedienung nach. Der junge Mann rennt daraufhin los, um einen zweiten vegetarischen Burger in Auftrag zu geben. Jutta hat das zum Glück irgendwie mitbekommen und verstanden … an Körpersprache, an Spanisch-Bruchstücken, woran auch immer (Jutta hat ihm einfach nur zugehört – Kommentar von ihr selber). Viktor hastet also hinterher und korrigiert die Bestellung nochmal. „Bitte keinen vegetarischen Burger bringen!“ … und Jutta hatte völlig Recht, genau das hatte der junge Mann vor … ja welche Sprache spreche ich hier eigentlich … Herrgott nochmal? Die Lieferung des Buffalo-Burgers dauert dann noch so lange, dass ein kostenloser Malbeq-Rotwein dabei herausspringt … Viktors Stimmung erreicht danach Dauer-Grinse-Status, denn das „Artesanal Ale“ Bier im Café Gibraltar war auch schon nicht schlecht. (Jutta muss die Bedienung etwas in Schutz nehmen: Jutta hat zuerst bestellt, Viktor hat danach mit einem halben Satz und leise den Buffalo-Burger und dann mehrere Minuten lang und lauter den Wein bestellt – das war schon fast vorprogrammiert, dass sein Burger da untergeht)


In den letzten Tagen haben wir es schon häufiger erlebt, besondern in den größeren Ortschaften: Pickup-Trucks fahren hupend durch die Stadt, hinten sitzen junge Menschen und feiern. Kurz vor dem Sommer haben alle möglichen Menschen einen Schul- oder Ausbildungs-Abschluss erreicht. Das ist hier auf der Südhalbkugel halt kurz vor Weihnachten der Fall und überschneidet sich (für uns) ganz eigenartig mit der Weihnachtsstimmung.








Nach einem Tag schon ist der Open Street Map Hinweis aufgenommen.

Donnerstag 19.12.24 – (143) – San Juan – Media Agua

Gesamt: 9.027,65 km
Um sieben gibt es ein gutes Frühstücksbuffet mit sehr leckerer Honigmelone, die wir schon ewig nicht mehr hatten. Viktor trägt ab heute sein neues T-Shirt, Jutta ihre neue Hose, die wir beide gestern bei Sportotal gekauft haben, um die alten zu ersetzen.
Um acht fahren wir los. Der Weg aus der Stadt ist nach einigen Kurven lange Zeit auf einem akzeptablen Radweg, danach fahren wir ebenfalls relativ lange durch eine Allee aus Eukalyptusbäumen – sowohl schön als auch schattig. Es ist ganz schön, endlich mal wieder Menschen am Straßenrand zu treffen, zu grüßen und auch zurückgegrüßt zu werden. Viele Autofahrer hupen und winken oder recken den Daumen hoch. Motorradfahrer fragen an der Ampel nach dem „Woher?“ und „Wohin?“. Das hat schon etwas Motivierendes. Aber wo viele Menschen sind, gibt es halt auch ein paar mehr Idioten. Auf diesem Teilstück kommt plötzlich von der linken Straßenseite ein faustgroßer Stein angeflogen und verfehlt uns nur knapp. Jutta kann aus den Augenwinkeln noch sehen, dass es wohl ein Erwachsener gewesen sein muss. Viktor schreibt am Nachmittag noch eine Warnung mit Ortsangabe in die WhatsApp-Gruppe der „Viajeros En Bici 🚴♀ Por Argentina 🇦🇷“.



Irgendwann biegen wir ab, um auf der RN40 weiterzufahren und kommen an einer YPF-Tankstelle mit „Full“-Café vorbei, wo wir spontan schon für eine Pause anhalten, wie zuvor auch eine größere Gruppe einheimischer Radfahrerinnen.

Von diesen Frauen erfahren wir auch, dass San Juan und die Region drumherum als Hauptstadt des Argentinischen Radsports gilt. Deshalb wohl auch das Denkmal am Kreisverkehr um die Ecke:



Wir sind uns eine ganze Zeit etwas unsicher, ob wir überhaupt auf der RN40 gelandet sind, weil es keine Schilder am Rand gibt wie sonst (und wir nicht im Internet nachgucken können, weil wir keinen Empfang haben), aber wir sind richtig. Bei Kilometer 30,43 haben wir die 9000-er Marke erreicht – einen Tag später als vorgestern noch gedacht … :

Kurz darauf kommen wir durch Carpinteria und denken etwas zurück an die Zeit in Santa Barbara, Kalifornien, wo einer unserer Nachbarorte ebenfalls „Carpinteria“ hieß.

Als Jutta kurz nach „Carpinteria“ mal „muss“ und es überall menschliche Ansiedlungen gibt (sind wir gar nicht mehr gewohnt), fragt sie in einem medizinischen Zentrum gegenüber von „Santa Barbara“ – die liegen auch hier nahe beieinander. Wahrscheinlich wegen der vielen Minen hier gibt es Gedenkstätten für Barbara gehäuft in dieser Gegend, denn die heilige Barbara ist auch die Schutzpatronin der Bergleute, das gilt offenbar nicht nur für den deutschsprachigen Raum (siehe Patrona de los mineros).



Ansonsten fahren wir heute bei schönem, recht heißen Wetter (es soll bis 42°C heiß werden) neben der Eukalyptus-Allee am Morgen auch zwischen vielen Wein- und Olivenplantagen und an Pappel-Reihen vorbei.
Um kurz nach zwölf halten wir (schon wieder) an einer Tankstelle und erfahren, dass das per WhatsApp angefragte Hotel Media Agua gleich ein paar Meter weiter liegt. Als wir dort ankommen und niemanden antreffen, beschließen wir spontan, beim Hotel und Restaurant neben der Tankstelle anzufragen, weil das „Media Agua“ wirklich nicht zum Bleiben einlädt. Sie haben Platz, und das Restaurant ist sehr gut besucht und liefert auch gerade sehr viel Essen aus (entweder „Essen auf Rädern“ oder wirklich sehr viele Bestellungen in diesem Kaff), muss also wohl gut sein (oder ein Monopol besitzen 😉 ). Das Zimmer und vor allem das Bad sind allerdings gar nicht mal so gut und definitiv nicht die 50.000 Pesos (ca 50 Euro) wert, was Viktor dem Personal später auch nochmal mitteilt, nachdem er die spanische Übersetzung des Wortes „Unverschämtheit“ bei Leo nachgeschaut hat. Da haben wir uns vom ansprechenden Äußeren täuschen lassen – vielleicht wäre es im „Media Agua“ ja umgekehrt gewesen, wer weiß?
Aber immerhin hat das WIFI Internet-Verbindung, so kann Jutta pünktlich den nächsten Geburtstagsanruf tätigen und wir unsere „Netz-Tätigkeiten“ erfüllen. Zum Beispiel gibt es ein Problem mit dem neuen Kurbelsatz, der schon seit Tagen in Santiago am Flughafen beim Zoll liegt: unser Sohn hat als Überraschung wohl Kräutertee, Dominosteine und einen Schokoladenhohlkörper mit in das Paket gepackt, und diese bräuchten irgendwelche Zertifikate, um importiert werden zu können. Die Chilenen sind beim Import von Nahrungsmitteln extrem scharf und wollen jetzt sämtliche Zutaten der drei Süßigkeiten erfahren. Wir benötigen also Fotos der Etiketten mit den Zutaten und müssen diese dann irgendwo hochladen (und vermutlich auch übersetzen). Dazu haben wir ein Flowchart von DHL erhalten … puh. DHL macht jetzt erstmal garnichts mehr, bis wir bestätigen, dass wir alles in die Wege geleitet haben.







Laut diesem YouTube-Video, das wir ebenfalls von DHL erhalten haben, können nur Chilenische Staatsbürger die erforderlichen Informationen auf der entsprechenden Webseite hochladen, weil sie eine Chilenische Identifikationsnummer angeben müssen. Es sieht nun also fast so aus als würden ein Schoko-Weihnachtsmann, ein Tee und Dominosteine unsere Weiterfahrt gefährden. Manchmal kannst Du gar nicht so blöd denken wie es am Ende kommt. Wir müssen jetzt wohl jemanden in Chile finden, der/die das für uns erledigt … oder aber DHL macht das doch noch für uns, wenn wir da jemanden ans Telefon bekommen können.
Übrigens hatte unser Sohn vorher bei DHL nachgefragt, ob diese Kleinigkeiten ein Problem werden könnten.


Dabei hat Jutta gerade heute davon gesprochen, dass es Zeit wird, dass die neue Pedalkurbel ans Rad kommt. Seit dem Unfall am 27. November hatte sie nämlich immer Schmerzen am linken Knie, bis sie nach einigen Tagen den linken Schuh nicht mehr mit den Cleats im Pedal eingehakt hat. Seit heute früh schmerzt nun aber der linke Adduktorenmuskel (weil der Fuß nicht fest mit dem Pedal verbunden ist), so dass Jutta heute begonnen hat, alle paar Kilometer zu wechseln. Schuh einhaken, wenn der Adduktor schmerzt, wieder aushaken, wenn das Knie schmerzt – immer wieder, alle paar Kilometer. Die Hoffnung war und ist immer noch, noch zwei Tage durchhalten zu müssen, und danach ab Santiago ohne eiernde Pedale weiterfahren zu können.














Freitag 20.12.24 – (144) – Media Agua – Lavalle

Gesamt: 9.123,51 km
Was für ein besch..eidener Radfahrtag! Wir fahren praktisch den ganzen Tag gegen den Wind und nutzen dafür bis Kilometer 88 nur die unteren sieben Gänge unserer 14-Gang-Schaltung. Die Wetter-App sagt ständig, dass der Wind in circa zwei Stunden nachlassen wird, tatsächlich ist das aber erst ab 15:30 Uhr der Fall, aber aufhören will der Wind natürlich gar nicht.
Kombiniert man das mit schlechten Straßenverhältnissen, mörderischen Autofahrern und einem großen Streckenteil durch die Wüste (Ihr wisst, wir hassen die Wüste … ähm … wir können der Wüste nur wenig Positives abgewinnen), so hat man alle Zutaten für einen Ritt auf dem „Highway to Hell“ oder zumindest für eine Radtour durch die Vorhölle und das Fegefeuer.
Aber der Reihe nach.
Wir haben 95 Kilometer ohne große Höhenmeter vor uns und fahren schon um viertel vor sieben los, nachdem wir das schnelle Frühstück eingenommen haben. Rechnen tun wir damit, so etwa um 14 Uhr anzukommen. Leider weht schon am frühen Morgen starker Südwind, und es geht heute die ganze Zeit nach Süden. Schon früh sehen wir am Straßenrand ein Schild, das auf schlechte Straßenverhältnisse für die nächsten 20 Kilometer hinweist. Na, das ist doch mal ermutigend.


Die Spurrinnen auf den nachfolgenden Kilometern sind teilweise so tief, dass es sich anfühlt als versuchten wir unser Tandem in einer zu groß geratenen Regenrinne zu balancieren. Ist man erstmal drin, hat man keine Chance mehr, wieder herauszukommen. Was haben die hier für einen Asphalt benutzt, der unter der Last der Fahrzeuge solche Wellen wirft?
Um neun, also nach über zwei Stunden, haben wir gerade mal gute 20 Kilometer geschafft und suchen händeringend einen Pausenort im Windschatten von Irgendwas. Wir halten hinter einem Lastwagen an, den wir heute morgen schon am Hotel gesehen haben. Es ist eine Truppe, die Galsfaserkabel verlegt und im gleichen Hotel übernachtet hat wie wir. Viktor spricht sie an und fragt, ob der Wind den ganzen Tag über so kräftig bläst. Leider sind die Jungs aus Buenos Aires und wissen es selbst nicht. Einer schaut in seiner App nach, und die zeigt an, dass der Wind ab 10 Uhr nachlassen soll.
Bei km 26 steht rechts ein großer Bauwagen der Straßenmeisterei – idealer Windschatten! Nur wird dieser just als wir ankommen abtransportiert. Die Arbeiter sagen uns, dass nur zwei Kilometer weiter die Straßenmeisterei sei und wir dort Windschatten finden würden. Es sind dann doch fast sechs Kilometer, und dort gibt es angeblich sogar einen kleiner Laden (nochmal 500m weiter), wo man Kaffee und Verpflegung bekommen kann, wird uns von den gleichen Arbeitern gesagt, als wir dort endlich ankommen. Wir schieben unser Tandem noch 500 Meter und stehen leider vor verschlossener Tür. Es ist zehn Uhr, und da die Wetter-App mittlerweile sagt, dass der Wind ab zwölf abflauen soll, wollen wir eine etwas längere Pause machen.
Wir nehmen uns eine Getränkekiste und einen Metallkorb mit Brettern als Sitzgelegenheiten, setzen uns in den Windschatten einer großen Metallplatte, die sich im Wind immer wieder durchbiegt und poltert wie ein riesiger Knackfrosch, und hören einen heruntergeladenen Podcast.

Nach eineinhalb Stunden geht Viktor bei der Polizei (hier ist die Grenze der Provinzen San Juan und Mendoza) nach dem WIFI-Passwort fragen und erhält es sogar. Die App schreibt inzwischen, dass der Wind doch erst nach 14 Uhr abflaut – dann müssen wir jetzt wohl doch weiterfahren. Gegenüber der Polizei erblickt er aber das geöffnete Lokal, zu dem uns die Arbeiter geschickt haben, und wir trinken dort (ganz ohne Wind) dann noch etwas, bevor wir um zwölf weiterfahren. Wenn gar nichts mehr ginge, könnten wir auch hierher zurückgefahren kommen und hinter diesem Lokal zelten – das haben hier wohl schon einige Radreisende getan. Am Fenster befinden sich ein paar Aufkleber und die Betreiberin fragt uns nach unserem „Esticker“ … also „Sticker“ mit spanischem Akzent ausgesprochen, den wir natürlich gerne dazukleben. Das Zelten wollen wir aber tunlichst vermeiden, auch wenn das Fahren heute wirklich keine Freude macht.

Direkt nach dieser Pause fahren wir über die Provinz-Grenze von San Juan nach Mendoza. Einen Kilometer weiter werden wir an einer Kontrollstelle mit unserem Fahrrad durchgewunken, während Auto-Kofferräume intensiv kontrolliert werden. Auf einer elektronischen Anzeige werden alle aufgefordert, kein Obst einzuführen. Wir haben vier Äpfel im Gepäck, aber was willst Du machen, wenn Du durchgewunken wirst? Danach müssen wir irgendwie um eine Desinfektionsanlage herumfahren, durch die alle Kraftfahrzeuge hindurch müssen. Davor steht ein Schild, das alle auffordert, die Fenster vorher zu schließen. Von unten und von den Seiten wird ein Desinfektionsmittel gesprüht.
Hier beginnt nun eine längere Wüstenstrecke, auf der wir zwischendurch mehrfach anhalten bzw. anhalten müssen. Wir schützen unsere Atemwege und die Ohren mit unseren Argentinien-Halstüchern gegen Wind und Sand, müssen mal austreten oder sind gerade mal wieder von der Straße in den Schotter abgedrängt worden und nutzen die Gelegenheit für eine Pause. Oder eine starke Windböe hat uns auf Schrittgeschwindigkeit heruntergebremst und wir bleiben einfach genervt stehen. Es ist eine echte Geduldsprobe, die mit den langen Anstiegen in den Anden durchaus vergleichbar ist.
Immer wenn Lastwagen im Gegenverkehr auftauchen – und es tauchen heute viele auf – kann es brenzlig werden. Sieht Viktor im Rückspiegel ebenfalls große Fahrzeuge (Lastwagen oder Busse), müssen wir uns darauf einstellen, dass einer dabei ist, der keinen Bock hat, hinter uns abzubremsen und stattdessen nervös die Hupe betätigt (ganz offensichtlich nicht zum freundlichen Gruß, sondern weil es ihm zwischen dem Gegenverkehr und uns zu eng wird), um uns auf die Schotter-Standspur abzudrängen, auf die man über eine mehr oder weniger hohe Asphalt-Abbruchkante regelrecht „abstürzt“. Je nach Konsistenz des Schotters, schafft man es danach wieder auf die Fahrbahn oder man bleibt halt stecken.
Noch gefährlicher kann es allerdings bei Lastwagen-Gegenverkehr werden, wenn von hinten GAR KEIN Verkehr im Spiegel zu sehen ist. Das heißt nämlich, dass hinter den Lastwagen im Gegenverkehr die besonders risikofreudigen Autofahrer zum Überholvorgang ansetzen könnten und dabei auf unsere Spur kommen. Und sind die einmal im Überholvorgang und erblicken uns, scheren eben nicht alle wieder ein. Auch heute verlässt sich einer von ihnen wieder darauf, dass wir in den Schotter fahren, um unser Leben zu retten und hält volle Pulle frontal auf uns zu. Zum freundlichen Finger-Gruß bleibt in solchen Situationen leider keine Zeit.
Natürlich fragen wir uns gegenseitig heute – wie auch an anderen Tagen -, ob uns das Ganze denn noch Spaß macht. Heute sind wir uns einig, dass „Spaß“ im eigentlichen Sinne des Wortes wohl nicht ganz zutreffend wäre. Aber wir wissen ja, dass es nur noch diese Etappe und eine weitere bis Mendoza ist. Dann haben wir hoffentlich ein paar Tage Weihnachtspause in Santiago de Chile, wenn wir es mit dem Bus dorthin schaffen. Die gute Laune lassen wir uns aber trotzdem nicht verderben, wie dieses Video von der Wüstenstrecke vielleicht ein wenig illustriert.
Ab 15:30 beginnt der Wind dann doch langsam etwas nachzulassen und wir werden wieder schneller, wie man an den Zeiten für jeweils 5 Kilometer ab 13 x 5 km (65 km) ganz gut erkennen kann:

Zum Glück ist die Gegend nach dem Wüstenabschnitt wieder grüner, deutlich dichter bewohnt und es gibt ein paar Pausenmöglichkeiten am Straßenrand, die wir fast alle nutzen.
Wir kommen nach 18 Uhr in Lavalle an, checken im Hotel ein, duschen und gehen schnell Abendessen. Mit 11 Stunden und 41 Minuten zwischen Abfahrt und Ankunft haben wir heute nicht einmal unsere Rekorde aus Kalifornien übertroffen, die bei über 11 Stunden und 50 Minuten lagen.
Auf dem Rückweg vom Abnedessen bekommen wir noch zufällig mit, wie in einem zentralen Park ein Krippenspiel aufgeführt wird.





















Samstag 21.12.24 – (145) – Lavalle – Mendoza

Gesamt: 9.159,11 km
Wir haben heute eine kurze Tour, also schlafen wir aus, frühstücken erst gegen acht und fahren gemütlich gegen neun Uhr los. In diesem Hauptortsteil von Lavalle – Tulumaya – haben wir uns schon gestern Abend ganz wohl gefühlt, und der Geräuschpegel von der Straße an einem Freitagabend war in unserem Zimmer auch nicht zu lange zu laut zu vernehmen. Jetzt bemerken wir noch positiv die vielen Straßenbäume und fahren sogar auf einem Radfahrstreifen aus dem Ort heraus. Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich sich Ortschaften „präsentieren“ können. Unser Hotel ist übrigens 2014 das erste Hotel hier am Ort gewesen.
Nach den knapp zehn Kilometern zurück bis zur Ruta 40 machen wir an der Tankstelle von gestern schon eine Kaffeepause, und das ist gut so! Nicht nur, dass wir beim Weiterfahren noch eine große Honigmelone geschenkt bekommen (von Mario aus seinem Pick-Up voller Melonen), nein, ab hier ist die 40 bis Mendoza Baustelle und schon wieder macht das Radfahren wenig Spass. Wir können nicht „durchfahren“, denn es gibt Stellen, an denen es über übelsten Schotter geht und wir schieben müssen. Wir versuchen es über eine Parallelstraße, aber auch diese wird zur Schotterpiste, so dass wir wieder wechseln.
Glücklicherweise sind es nur etwa 15 km durch diese Baustelle, bevor die Stadt beginnt und es wieder besser wird. Kurz hinter dem Flughafen von Mendoza beginnt sogar ein Radweg. Die ersten Blöcke kommen wir noch nicht drauf, weil es Durchfahrtsperren gibt, die für uns mit Gepäck zu eng sind, aber später nutzen wir den Radweg. Manchmal muss man den Kopf einziehen, weil Zweige der Bäume zu tief hängen, manchmal ist die Streckenführung aber auch einfach katastrophal:
Bemerkenswert ist, dass in Mendoza kilometerlang riesige Oleanderhecken am Straßenrand stehen, immer abwechselnd meterlang in weiß, rosa und rot. Die werden hier richtig groß und tragen so viele Blüten, da können wir in unseren heimischen Breitengraden nur von träumen.
Unser Hotel liegt sehr zentral und ist schnell gefunden. Wir dürfen auch schon das Zimmer beziehen, gehen dann aber zunächst zu Starbucks an der nächsten Straßenecke, stärken uns ein wenig und gehen dann zum Busterminal. Dort fragen wir an allen (geöffneten) Schaltern von Busgesellschaften, die nach Santiago fahren, ob sie uns morgen mit dem Rad mitnehmen würden. Und heute erfahren wir dann das, was uns schon immer vorhergesagt wurde: entweder werden Räder prinzipiell nicht mitgenommen oder zwischen November und Februar nicht (bis März können wir nicht warten ;-)), oder das Tandem müsste im Karton verpackt sein. Ein einziger Anbieter (Ahumada aus Chile) sagt, das wir eventuell am Montag mitfahren können, wenn dann noch ausreichend Platz ist. Später, beim zweiten Besuch, gibt dieser noch zu, dass auch für morgen früh bislang noch zehn Plätze frei sind, von denen er aber glaubt, sie noch loszuwerden. Wir können aber morgen früh um sieben fragen, wie es aussieht…
Eine Aufsichtsperson im Terminal sagt uns, wir könnten das Rad ja auch per Fracht schicken lassen, allerdings sehen wir dann, dass das Frachtbüro erst Montag wieder öffnet. Viktor fragt dann noch bei Taxifahrern, ob man sich von denen wenigstens bis zur Grenze bringen lassen könnte. Ein „Maletero“ (Kofferpacker) bekommt das mit und rät uns, einfach morgen früh zu ihm zu kommen, und er würde das dann schon mit den Busfahrern klären. Man sollte mit sowas auf gar keinen Fall zu den offiziellen Ticketschaltern gehen, denn die würden sowieso immer ablehnen. Man dürfte dort niemals Aussagen über das Gepäck machen, das man mitnehmen möchte, schon gar nicht bei Fahrrädern. Hier ist das Bus-Terminal riesig, fast wie ein Flughafen, und die Leute an den Schaltern sollte man mit so etwas wohl lieber erst gar nicht behelligen. Na gut, wir versuchen es morgen einfach mal!
Danach gehen wir aber erst einmal im Hotel duschen und umziehen, um gegen fünf Uhr zu einer Free Walking-Tour zu gehen. Zunächst sind wir da aber am falschen Platz, und kurze Zeit später finden wir den Guide mit der orangefarbenen Mütze am richtigen Ort leider nicht mehr – es ist schon etwas zu spät. In der nahegelegenen Touristeninformation erhalten wir einen Stadtplan mit der Empfehlung, den Parque San Martin zu besuchen.
Dorthin laufen wir eine ganze Weile bei weiterhin ziemlicher Hitze, erst in eine falsche Richtung, bis wir es bemerken und umschwenken. Im Park gibt es einen langen, schmalen See, der in der prallen Sonne liegt, aber auch andere Wege im Schatten, ebenso Radwege. Die vier Kilometer zum höhergelegenen Aussichtspunkt gehen wir lieber nicht, sondern über einen kleinen Handwerks- (Weihnachts-) Markt. Endlich kann Viktor dort einen „Pancho con Poncho“ probieren, die es in Argentinien überall zu kaufen gibt.

Wir gehen noch zum vier-seitigen Brunnen den Kontinente (an dem Australien und Antarktis fehlen…) und zum Eingangsportal, die uns beide ans Herz gelegt wurden und haben danach genug.
Auf dem Rückweg zum Hotel essen wir noch in einem guten Restaurant mit großer Weinkarte zu Abend. Jutta bestellt einen Chefsalat, der ihrer Meinung nach süßes Brot enthalten soll. Als er serviert wird, liegen eindeutig Fleichstücke oben darauf. Wir fragen nach und erfahren, dass „Sweetbread“ wirklich kein Brot, sondern Bries ist, was wir noch nie gehört haben. Man kann die Stücke aber gut beiseitelegen … und irgendwie hat Viktor heute auch keine große Lust, dieses „besondere“ Fleisch nach seinem Rindersteak auch noch zu vertilgen.
Auf dem Rückweg kommen wir nochmal an der Plaza Independencia vorbei wo ein weihnachtliches Rap-Konzert gut besucht ist und wir bleiben kurz stehen.
Es ist fast halb zehn, als wir im Hotel zurück sind, und wir müssen noch Melone zum Nachtisch essen (mitnehmen können wir sie morgen nicht). Drei Viertel schenken wir anschließend den Hotelmitarbeitenden, die sich freuen.









Sonntag 22.12.24 – Mendoza – Santiago de Chile (Bus)
Der Wecker klingelt um 5:20, denn wir wollen vor 7 Uhr am Busbahnhof sein und das Tandem auf Kleinstmaß zusammengeschoben haben, bevor die Ticketschalter um 7 Uhr öffnen. Wir verzichten also auf das Frühstück im Hotel, das eigentlich im Preis inbegriffen ist, packen alles aufs Tandem und radeln die 3 Kilometer zum Busbahnhof.
Dort fahren wir direkt zum Taxistand und wollen zu den Maleteros, die uns ja angeblich mit dem Tandem im Bus unterbringen können, ohne dass wir an den Ticketschaltern etwas vom Tandem erzählen. Heute morgen ist nur ein junger Maletero dort, der den in den Nachtbussen ankommenden Fahrgästen die Koffer in die Taxis packt. Viktor spricht ihn auf Spanisch an, er antwortet in relativ gutem Englisch, sagt, er habe ein paar Jahre in den U.S.A. gelebt, und wir könnten ruhig Englisch sprechen. Viktor erwidert, dass er besser Spanisch als Englisch spricht, aber das interessiert den jungen Mann nicht, und er bleibt beim Englischen. Es ergibt sich ein kurzes Gespräch, aus dem sich relativ schnell ergibt, dass dieser Maletero wohl nicht die notwendigen Kontakte zu den Busfahrern hat. Er schickt uns … na wohin? … richtig! … zu den Ticketschaltern. 🙂
Um kurz nach sieben ist Viktor also wieder am Ticketschalter von AHUMADA, einem Chilenischen Busunternehmen, und siehe da, ein anderer Mitarbeiter als der von gestern Abend hat überhaupt kein Problem damit, uns zwei Tickets zu verkaufen und die Mitnahme des Tandems (unverpackt!) sofort zuzusagen.





Für die Einreise nach Chile müssen wir online eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass wir keine Früchte, Fleisch- oder Wurstwaren, Nüsse, Samen oder andere verbotene Dinge einführen. Das erledigen wir während der Wartezeit im Busterminal auf unseren Handies, können aber nichts ausdrucken, wie es einige andere Reisende offenbar getan haben.
Die Busfahrt für die gut 350 Kilometer soll laut Ticket 8 Stunden dauern. Bis zur Grenze sind es etwa 3,5 Stunden. Wir essen in der Zeit unsere Äpfel und alle Nüsse/Rosinen/Schoko-Erdnüsse, die wir als Power-Mix immer dabeihaben.
An der Grenze wird das gesamte Gepäck (aber zum Glück nicht das Tandem) aus dem Gepäckraum geholt und auf ein Gepäckband gelegt. Wir müssen zunächst die Einreiseformalitäten (Migración) erledigen und dann unser Gepäck durch ein Röntgengerät laufen lassen. Unsere eidestattliche Erklärung schaut sich jemand nur ganz kurz auf dem Bildschirm unserer Handies an. Wir müssen lange in einer von vier Schlangen warten, um unseren Einreisestempel für Chile zu bekommen. Von Argentinien erhalten wir auch heute keinen Stempel, das Land hat sich also nicht in unseren Reispässen verewigt, aber wir werden ja noch einmal weit im Süden einreisen, vielleicht klappt es ja dann…
Nach den Grenzformalitäten stehen alle Fahrgäste mit ihrem Gepäck an den Busparkplätzen und warten, dass der Bus durch die lange Halle nach vorne gefahren kommt, um uns wieder einzusammeln. Wir kommen mit einem jüngeren und einem etwas älteren Paar ins Gespräch, die auch im Bus in unserer Nähe sitzen. Als wir von unserem Paket im Zoll erzählen, meint die jüngere Frau, dass man die „Clave Única“ innerhalb von Minuten online erhalten könne, und zwar auch als Ausländer (z.B. Argentinier), wenn man einfach seine Reisepassnummer eingibt. Es keimt wieder etwas Hoffnung auf, dass wir vielleicht doch selbst dafür sorgen können, dass das Paket durch den Zoll freigegeben wird. Abends probieren wir es im Hotel aus, und leider schaffen wir es doch nicht. Immer wieder wird die RUN verlangt, die nur Chilenen haben.

Nach fast eineinhalb Stunden steigen alle wieder in den Bus. Die folgende Strecke geht zweimal über sehr enge und steile Serpentinen – die „Caracoles“ (Schnecken) – eine richtige Sehenswürdigkeit: alle stehen an den Busfenstern und filmen oder fotografieren.

Schräg vor uns sitzt ein Pärchen, das letzte Woche dort inklusive Gepäck herunterlaufen musste, weil der Bus einen Defekt hatte. Na danke – wir sind sogar ganz froh, dass wir nicht mit dem schweren Rad unterwegs sind … auch wenn die „Caracoles“ natürlich für jeden Radfahrende ein Traum (oder Alptraum?) sind, der Straßenbelag besteht aus schlimmsten Betonplatten mit Fugenversatz, wie wir ihn auch auf der Panamericana in Panama schon unter den Felgen hatten.
Nach einem Halt in Los Andes kommen wir um kurz nach vier am zentralen Terminal in Santiago de Chile an, wo wir aussteigen. Vielleicht wäre eine Weiterfahrt bis zum Südterminal besser gewesen, die Entfernung zu unserem Hostal ist in etwa dieselbe, denn die Radfahrt durch die Innenstadt ist ziemlich bescheiden. Die Straßen sind (sonntags, 4. Advent) überfüllt, von Autos und auch wieder mal viel Müll und Glasscherben, und auf dem zentralen Radweg, den wir entdecken und nutzen, stehen an jeder Kreuzung fliegende Händler und versperren die Weiterfahrt.
Unser Hostal Black Cat liegt aber sehr ruhig in einem etwas alternativ anmutenden Viertel. Wir werden jetzt sechs Nächte hierbleiben und hoffentlich mit repariertem und durchgechecktem Tandem weiterfahren.
Nach dem Bezug des Zimmers gehen wir schon bald früh Abendessen (hier haben die Restaurants anscheinend wieder früher geöffnet) und finden ein ganz nah gelegenes Veganes Restaurant (Vegan Dealer) mit riesiger Auswahl.












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