Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

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Woche 51 (17.3.25 – 23.3.25) – Hohen Neuendorf

Montag 17.3.25 – Hohen Neuendorf

Wir frühstücken „richtiges“ Brot mit kuspriger Kruste! Das haben wir definitiv vermisst.

Für 9 Uhr haben wir uns beim Bauhaus in Birkenwerder einen Transporter reserviert. Wir sind ja über den von uns mitgegründeten Verein Carsharing Hohen Neuendorf schon lange regelmäßige Carsharing-Nutzer. Leider haben wir im Verein, buchbar über den neuen Buchungs-Partner Carsharing-Deutschland, bisher noch keine Transporter im Angebot. Aber über unseren ehemaligen Partner Flinkster können wir die Bauhaus-Transporter bundesweit nutzen.

Viktor fährt also um 8:30 Uhr mit seinem Fahrrad zu Bauhaus, um den Transporter abzuholen. Es ist verdammt kalt in Deutschland! Nur knapp über dem Gefrierpunkt. Die dicken, leuchtend-gelben Fahrradhandschuhe, die Viktor auf der gesamten Tour nur zwei oder drei Mal benutzt hat, leisten heute morgen gute Dienste. So beginnt schon einmal eine der „neuen Routinen“, die wir uns für das „Leben danach“ vorgenommen haben. Wir wollen unser privates Auto, das wir jetzt ein Jahr an den Carsharing-Verein verliehen hatten, nicht mehr zurücknehmen. Es läuft im Carsharing ganz gut und der Vereinsvorstand hatte schon vor einiger Zeit angefragt, ob wir das Fahrzeug wieder zurückhaben wollen oder dem Verein permanent überlassen können. Wir werden zukünftig das Fahrrad noch stärker in den Alltag einbauen und für die wenigen verbleibenden Fahrten ist das Carsharing einfach deutlich günstiger, als ein 98%-iges „Stehzeug“ vor unserer Türe zu finanzieren.

Der Bauhaus-Transporter kostet uns am Ende über 100 Euro ( 4 Stunden á 9,50 € plus 116 Kilometer á 0,55 €), denn Bauhaus bietet keine Gutschrift, wenn man das Fahrzeug früher zurückgibt. Wir schaffen es trotz Stau auf der Stadtautobahn heute in drei Stunden statt der befürchteten vier. Am BER brauchen wir allerdings länger als die 10 Minuten kostenloser Parkzeit vor dem Terminal und zahlen 7 Euro für die 16 Minuten, die wir benötigen, um den Tandem-Karton aus der Aufbewahrung abzuholen. Dort zahlen wir für die Aufbewahrung 3 x 15€ (45€), denn jeder Kalendertag zählt hier extra. Nun ja, diese allerletzen Kosten gehen in den Gesamtkosten des Jahres wohl unter.

Den Zusammenbau des Tandems verschieben wir auf einen der nächsten Tage. Erstmal müssen wir unsere im Keller und unterm Dach gelagerten Kartons auspacken und alles wiederfinden, was wir im „normalen“ Alltag so brauchen. Das ist erschreckend viel, wenn man es mit dem vergleicht, was wir während des Jahres auf dem Rad dabeihatten. Wir nutzen das Auspacken der Kartons deshalb nochmal, um uns von Einigem zu verabschieden und es zu entsorgen. Bei Erinnerungsstücken fällt das besonders schwer, aber zum Glück kann man ja Fotos machen.

Auch Jan, Freund und Partner im Carsharing-Verein, Vater von Elias, den wir in Valparaiso und Chillán getroffen hatten, schaut am Abend kurz vorbei und wir erfahren schon die ersten Neuigkeiten aus dem Carsharing-Verein. Unser alter eGolf aus 2015 hat einen Käufer gefunden und wird demnächst aus dem Carsharing-Betrieb ausscheiden.

Am Abend freuen wir uns sehr über den Besuch unseres ältesten Kindes Jani. Wir essen rote Linsensuppe … Suppen oder Eintöpfe hatten wir unterwegs wirklich sehr selten … und reden lange über die Besorgnis erregenden politischen Zustände in U.S.A., Deutschland und der Welt. Viktor kann endlich mal wieder einen kräftigen spanischen Rotwein aus dem eigenen Weinkeller trinken (Juan Gil) bevor es ziemlich spät ins Bett geht.

DANKE!

Nun ist also der Zeitpunkt gekommen, an dem unser spannendes Jahr zu Ende geht, in dem wir unseren langgehegten Traum erfüllen konnten und ein Jahr auf und mit dem Fahrrad in der weiten Welt unterwegs waren.

Das wäre absolut unmöglich gewesen, wenn wir nicht so viele tolle Menschen um uns herum hätten, die uns die Möglichkeit gegeben haben, diesen Traum umzusetzen.

Unser Dank geht natürlich zuallererst an unsere Familien. Unseren Eltern können wir leider nur noch in einem Fall persönlich dafür danken, dass sie uns den Mut für ein solches Abenteuer in die Wiege gelegt oder auf andere Art für unser Leben mitgegeben haben. Uns ist bewusst, dass wir Dank unserer Eltern und Großeltern (und der Generationen davor) besonders gute (auch finanzielle) Startchancen hatten, die wir nutzen konnten, um dieses Jahr für uns möglich zu machen. Dafür können wir gar nicht genug dankbar sein.

Auch unsere Geschwister, unsere Kinder, Schwager und Lebensgefährten, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen und Neffen haben uns ermutigt und uns während dieses Jahres den Rücken freigehalten. Viele haben sich für uns um Dinge gekümmert, die wir selbst nicht erledigen konnten. Ohne Euch und Eure Unterstützung hätten wir uns das nie getraut! Danke!

Unseren Arbeitgebern und besonders unseren Kolleginnen und Kollegen gebührt ein besonderer Dank dafür, dass sie in dem Jahr an vielen Ecken und Enden für uns eingesprungen sind und zusätzliche Aufgaben übernommen haben. Die Sicherheit, dass wir zurückkehren können und von Euch wieder mit offenen Armen im Job aufgenommen werden, hat uns erst den freien Kopf ermöglicht, den wir unterwegs gebraucht haben.

Auch unseren Freunden, Bekannten, Nachbarn, Vereinsfreunden und ehrenamtlichen Unterstützern in Hohen Neuendorf (ADFC, Crossover Chor, Imkerverein, Jungimkerbetreuung, Sternsinger, Schulimkerei, Carsharing-Verein, etc.), aber auch in Berlin und ganz Deutschland wollen wir auf diesem Weg danken, besonders natürlich all denen, die unsere Aufgaben übernommen haben oder sich z.B. auch um unsere Bienen gekümmert haben.

Herzlichen Dank an Alle, die unsere Reise hier auf dem Blog mitverfolgt haben und uns immer wieder mit Kommentaren, Fragen und Hinweisen unterstützt und motiviert haben. Ein ganz besonderer Dank auch an die edlen Kaffee-, Eis- und Banana Split Spenderinnen und Spender!

Ergänzung: Den vielen freundlichen und hilfsbereiten Menschen, denen wir unterwegs begegnet sind und die unsere Reise erst zu dem schönen Erlebnis gemacht haben, das es für uns am Ende geworden ist, gilt natürlich ebenfalls ganz besonderes Dankeschön! Wie beenden dieses Jahr mit der Überzeugung, dass die „Guten“ überall auf der Welt in der Mehrheit sind. Allen Warnungen zum Trotz hatten wir unterwegs kein einziges schlimmes Erlebnis. Wir waren ganz im Gegenteil von der Hilfsbereitschaft und Unterstützung unterwegs tief beeindruckt und bewegt. Stellvertretend seien hier Andy und Susan aus Pacific Grove (Monterey) und Moises aus Chinandega (Nicaragua) genannt, die uns ganz besonders in Erinnerung geblieben sind. Vielleicht schaffen wir es ja im Laufe des Jahres hier im Blog eine kleine „Hall of Fame“ unserer Begegnungen aufzubauen.

Es ist für uns keine Selbstverständlichkeit, dass Ihr uns das ermöglicht habt und unsere bleibenden Erinnerungen an dieses tolle ereignisreiche Jahr werden immer auch mit Dankbarkeit an Euch alle verbunden sein!

Mittwoch 19.3.25 – Hohen Neuendorf

Heute kommen wir in Berlin-Frohnau auch dazu unsere letzte Eis-Einladung von Daniel B. anzunehmen. Das ist nun also wirklich der letzte offizielle Banana-Split unseres Sabattjahres. Danke Daniel!

Danke Daniel B.!

Donnerstag 20.3.25 – Hohen Neuendorf

Heute müssen wir erstmal mit dem Finanzamt Oranienburg telefonieren, die einfach unsere Steuerakten nach Hannover geschickt haben. Von dort haben wir überraschenderweise eine neue Steuernummer zugewiesen bekommen.

Wir hatten einen Nachsendeantrag zu Familie in Hannover eingerichtet und obwohl wir die Option „Vorübergehende Abwesenheit“ gewählt hatten, wurde die Nachsende-Adresse an das Finanzamt weitergegeben (die Option „Adressweitergabe“ war fälschlicherweise ebenfalls aktiviert, wie wir heute von unserer Briefträgerin erfahren). Das Finanzamt hat das dann als Umzug interpretiert und kann seine Daten offenbar nicht mit dem Einwohnermeldeamt abgleichen.

Nun muss also alles wieder zurückgenommen werden. Und der Steuerbescheid des letzten Jahres muss nochmal an uns abgeschickt werden. So kann man die Menschen im Finanzmat natürlich auch beschäftigen. 😉

Also aufgepasst, wenn Ihr so eine längere Abwesenheit plant:
Genau aufpassen, dass der Nachsendeantrag richtig gestellt wird und das Finanzamt Bbescheid weiß, dass Ihr nicht umzieht!

Woche 50 (10.3.25 – 16.3.25) – Buenos Aires – Hohen Neuendorf

Montag 10.3.25 – Buenos Aires

Der viertletzte vollständige Tag in Südamerika!

Wir haben für heute keine Tour geplant sondern eventuelle Museumsbesuche. Tja, aber am heutigen Montag sind auch in Argentinien (fast) alle Museen geschlossen. Dann erwandern wir halt weiter die Stadt, gehen vielleicht durch den Japanischen Garten und in das Holocaust-Museum und buchen dann doch noch eine Tour: um 17 Uhr im Palacio Barolo.

Nachdem wir mit Julius kommuniziert haben (der etwas krank in Thailand liegt) machen wir uns also zu Fuß auf den Weg – immer unsere Straße weiter, auch mal rechts oder links parallel, Richtung City-Flughafen bzw. Fluss. Wir laufen durch schönere Ecken, aber auch durch nicht so schöne. Mitten in einer Hochhaussiedlung liegt eine Müllumladestation und es stinkt bis zum Umfallen. Auf dem Mafalda-Platz hält man leider umsonst Ausschau nach irgend etwas mit dem berühmten Comic-Mädchen. Endlich erreichen wir das große grüne Gebiet, das an den Flughafen angrenzt. Wir wenden uns nach rechts, erst über den Holland-Platz, dann am Rosengarten vorbei (der geschlossen ist) in Richtung des Japanischen Gartens. An einer Straßenüberquerung spricht uns eine Frau, die Sportgeräte verleiht, an, ob wir eben dorthin unterwegs seien. Als wir bejahen, meint sie, auch dieser wäre montags geschlossen – wie der Rosengarten und alle Museen. Da der Deutsche Platz noch weiter weg liegt, gehen wir trotzdem weiter, und siehe da, im Japanischen Garten sehen wir Menschen flanieren. Als wir am Eingang ankommen, ist uns der Eintrittspreis mit 13.500 Pesos aber zu hoch und wir lassen es. Wir gehen auch nicht noch einmal zu der Dame mit den Sportgeräten zurück, einfach, weil wir schon ziemlich weit in der Wärme gelaufen sind und jetzt eigentlich mal eine Pause brauchen könnten.

Den Deutschen Platz nehmen wir vor einer Pause dann aber noch mit. Den derzeit abgeschalteten Springbrunnen haben die „Deutschargentinier“ zum 100-jährigen Jubiläum bauen lassen, und es sind die Wappen der 16 Bundesländer angebracht, wenn auch nicht immer ganz richtig geschrieben (Landhessen, Wurtemberg).

Jetzt aber in Richtung eines Cafés! Die Wahl fällt auf die „Tea Connection“, die fälschlicherweise nach einem Teehaus klingt. Während wir unseren (nicht bitteren) Kaffee trinken, tragen zwei Herren unzählige Müllsäcke durch den Gastraum nach draußen, und es riecht schon wieder ziemlich müllig. Als alles draußen ist, versprüht ein Kellner reichlich Raumspray zur Neutralisation. Wir haben vermutet, dass es eventuell der gesammelte Müll des ganzen Hauses sein könnte, werden aber eines Besseren belehrt: es ist nur der Müll aus diesem Restaurant, aber von mehreren Tagen – wohl deshalb auch der strenge Geruch.

Etwas ausgeruht laufen wir in Richtung des Holocaust – Museums und des Barolo – Palasts, die in gleicher Richtung liegen. Plötzlich werden wir herzlich gegrüßt: der Guide Nahuel kommt uns entgegen und hat uns wiedererkannt – er wohnt in dieser Gegend.

Das Museum hat tatsächlich heute geöffnet, und montags ist der Eintritt sogar frei. Wir beschließen einen Besuch, müssen dafür unsere Reisepässe vorlegen und Telefonnummer sowie E – Mail – Adresse angeben, aber dann dürfen wir rein. Den mehrsprachigen Audioguide nutzen wir nicht, weil wir die zugehörigen Stellen in der Ausstellung nicht finden, statt dessen gucken wir selber und hören teilweise den englischsprachigen Guides verschiedener Besuchsgruppen zu.

Die NSDAP hat in allen Ländern der Welt die Gründung von Auslandsorganisationen (AO) unterstützt, so auch in Argentinien. Es ist ein Foto der Feierlichkeiten zum Anschluss Österreichs aus der damals größten Kongresshalle von Buenos Aires, dem Luna Park ausgestellt. Ein Guide erklärt dazu, dass damals viele Tausende Argentinier vor der Halle mit dem Absingen der argentinischen Nationalhymne gegen diese Veranstaltung protestierten. Argentinien hat damals mehrere zehntausend jüdische Flüchtlinge aufgenommen. Ganz am Ende der Ausstellung gibt es einen Raum, in dem man mit einer argentinischen Zeitzeugin virtuell ins Gespräch kommen kann. Man spricht eine Frage in ein Mikrofon und ein passender (und manchmal auch nicht ganz passender) Videoclip mit einer Antwort wird abgespielt. Wir hören, dass sie die Deutschen nicht hasst, aber jeden Deutschen zur Begrüßung immer erst fragt, ob er denn ein Nazi sei. Insgesamt ein sehr interessantes Museum mit einem argentinischen Blickwinkel (Mengele und Eichmann wurden ja in Argentinien gefunden), auch wenn die Ausstellungsreihenfolge sich nicht so leicht erschließt und alles ausschließlich auf Spanisch beschriftet ist.

Anschließend geht es zum Barolo – Palast, wo wir unten im Café noch kurz Zeit finden für eine weitere Pause. Um fünf beginnt unsere knapp zweistündige Tour. Das zwischen 1919 und 1923 erbaute reine Bürogebäude ist voller Symbolismus, der sich auf die „Göttliche Kömodie“ von Dante Alighieri bezieht. Der Bauherr Luis Barolo und der Architekt Mario Palanti waren Freimaurer und wollten ursprünglich die Asche von Dante aus Ravenna nach Buenos Aires „retten“ und in diesem Gebäude bestatten, denn sie dachten, Europa und Italien seinen dem Untergang geweiht.
Das Gebäude ist in Hölle, Fegefeuer und Paradies aufgeteilt. Mit den Fahrstühlen aus der Hölle kann man nur bis ins Fegefeuer im 14. Stock aufsteigen. Für den Weg nach ganz oben in dieLeuchtturmkuppel muss man in einen anderen Fahrtstuhl umsteigen, denn es gibt keinen direkten Weg aus der Hölle ins Paradies. Wir müssen die Treppe nach ganz oben nehmen, denn der Fahrstuhl darf von Besuchsgruppen aus Denkmalschutzgründen nicht benutzt werden. Der Leuchtturm wird jeden Abend um 22:00 Uhr für 10 Minuten in Betrieb genommen. Anfangs war er die ganze Nacht in Betrieb, sorgte aber für viel Verwirrung bei den Schiffen auf dem Rio de la Plata und musste daher abgeschaltet werden.

Abends gehen wir bei PUNY italienisch essen, ein Zufallsfund direkt im Theaterviertel von Buenos Aires in der Nähe der U-Bahnstation, von der wir zurück in unsere Wohnung wollen. An der Wand hängen die Fotos verschiedener Showgrößen, die hier schon gegessen haben.

Dienstag 11.3.25 – Buenos Aires

Der drittletzte vollständige Tag in Südamerika!

Die Nacht ist ziemlich unruhig, diesmal aber nicht wegen des Wetters sondern wegen der Nachbarn. Schon vor dem Zubettgehen dringt aus der Nachbarwohnung Musik und der Geruch von Räucherstäbchen zu uns hinüber, obwohl wir alle Fenster und Türen verschlossen haben. Zunächst bemerkt Viktor den Geruch, wenn er nahe an der Wand zu den Nachbarn steht, später dann auch Jutta am weiter entfernten Esszimmer-Tisch. Entweder sind die Wände so dünn, dass starke Gerüche es hindurchschaffen oder die Steckdosen hinter dem Fernseher haben irgendwie eine atmosphärische Verbindung in die Nachbarwohnung. Auch die Wände zu den Nachbarn bestehen hier aus Gipskarton-Platten, wie wir sie aus Santa Barbara von unserem damaligen Reihenhaus in Goleta kennen. In Deutschland ist sowas als Trennwand zu den Nachbarn fast undenkbar.
Die Musik ist drüben jedenfalls laut genug, dass Viktor sich irgendwann die Ohrstöpsel von der Maschinenraum-Besichtigung auf der Esperanza-Fähre in die Ohren steckt und danach immerhin einschlafen kann, auch wenn man von einer echten Nachtruhe nicht sprechen kann. Das ganze dauert bis 3 oder 4 Uhr morgens … genau wissen wir es am Ende nicht mehr, als Jutta zwischen 7 und halb 8 Uhr mehr oder weniger ausgeruht aufsteht.

Jutta besorgt in der nahegelegenen Panaderia (Baguette-)Brötchen und wir frühstücken gemütlich, bevor wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle machen. Wir wollen den Sightseeing-Tag im Museum Evita beginnen und dann mal schauen, was der Tag noch so zu bieten hat. Dazu müssen wir den 93-iger Bus zur Plaza Italia nehmen, an der auch der Zoo und der Botanische Garten liegen. Als wir 100 Meter von der Bushaltestelle entfernt sind, kommt der Bus gerade, fährt an uns vorbei und nimmt an der Haltestelle Passagiere auf. Wir gehen langsam weiter, denn den haben wir ja wohl definitiv verpasst. Als wir näherkommen, 60 Meter … 50 Meter … 40 Meter … steht er immer noch da, denn die Ampel direkt vor der Haltestelle hat eine echt lange Rotphase. Also entscheidet sich Viktor bei 30 Metern dann doch zu rennen … kaum rennt er los, wird die Ampel grün und der Bus ist weg. Danach stehen wir wirklich lange an der Haltestelle, es kommt kein 93-iger Bus, dafür aber mehrere 111-er, die wir alle vorbeifahren lassen. Irgendwann schaut Viktor nochmal bei GoogleMaps nach und findet heraus, dass der 111-er genau die gleiche Strecke bis zur Plaza Italia fährt. Nun denn, wir warten also ab jetzt auf 111-er oder 93-iger. Und dann kommt natürlich ein … 93-iger … richtig 😉 !

In Buenos Aires gibt es wirklich unglaublich viele Busse in sehr kurzen Abständen, teilweise fahren die Busse einer Linie im Minutenabstand oder sogar direkt hintereinander her. Auf den Hauptstraßen sind am Straßenrand so viele Bushaltestellen, dass an jeder Haltestelle immer nur zwei oder drei Linien halten, denn wären es mehr, gäbe es an der Haltestelle einen Stau. Entsprechend schwierig ist es, die Haltestellen zu finden, denn teilweise sind die aufgeklebten Nummern der Buslinien an den Haltestellen nicht mehr erkennbar, wurden vielleicht vergessen oder auch abgerissen.

Ja, hier fährt der 93iger Bus

Im Museo Evita wird uns empfohlen, den Audioguide (Englisch) auf unserem eigenen Handy zu nutzen. Der QR-Code zum Einscannen ist jedoch an entscheidender Stelle sehr verwischt und funktioniert nicht, so dass uns am Ende die Frau an der Kasse helfen muss, die richtige URL einzutippen. Wir loggen uns vorher in das kostenlose WIFI des Museums ein, denn unser Datenvolumen möchten wir mit den Audiodateien nicht verbrauchen. Das ist aber vermutlich ein Fehler, denn während des gesamten Besuches kämpfen wir nun mit langsam ladenden Webseiten und mit Audiodateien, die ständig abbrechen oder immer wieder von vorne beginnen. Das macht den Museumsbesuch zu einem gemischten Erlebnis. Das Museum ist dem Leben der charismatischen Eva Duarte de Perón gewidmet, die in ihrem kurzen Leben (sie starb mit 33 Jahren an Gebärmutterhals-Krebs) zur einer nationalen Ikone Argentiniens wurde. Sie war eigentlich „nur“ die „First Lady“ und wurde nie in Wahlen demokratisch legitimiert, war aber unter anderem für die Einführung des Frauenwahlrechts und für fast alle Sozialprogramme der Regierung Perón verantwortlich. Sie genoss so große Popularität, dass die Gewerkschaften und viele Argentinier*innen noch ein Jahr vor ihrem Tod auf die Straßen gingen, um sie dazu zu bewegen, bei den anstehenden Wahlen als Vizepräsidentin zu kandidieren. Ihr Verzicht ging als Día del Renunciamiento in die Geschichte Argentiniens ein. Wir verlassen das Museum, das sich in den Räumlichkeiten eines von ihr gegründeten Frauenhauses befindet, beeindruckt von der Persönlichkeit, aber ein wenig verwirrt über die politischen Zusammenhänge, die in der Ausstellung wenig Raum einnehmen.

Im nahegelegenen Café Simona machen wir eine Stärkungspause, bevor wir den Botanischen Garten besuchen. Der Eintritt ist kostenlos, und es ist ein Sammelsurium vor allem an Bäumen, die auch meistens beschriftet sind und aus vielen Gegenden der Erde kommen. Wir gehen gezielt auch zu den Gewächshäusern, die erstens gar nicht zugänglich (per Vorhängeschloss verschlossen) und zweitens nicht mit dem bepflanzt sind, was draußen angeschlagen steht (Beispiel: es stehen Zwiebelpflanzen dran, wir sehen durch das Glas Kakteen, an einem anderen stehen Kakteen dran, drinnen sind Leguminosen?). Es ist trotzdem ein netter Spaziergang!

Wir nehmen einen anderen Ausgang und gehen ein kurzes Stück, bis wir einen Eingang zum ehemaligen Zoologischen Garten von Buenos Aires erreichen. Auch hier kommen wir kostenfrei durch das Drehkreuz. Die Parkanlage wirkt auf den ersten Blick fast gepflegter als im Botanischen Garten. Wir sehen gleich einen Teich mit Schildkröten und Fischen, und auf den Wegen und Grasanlagen Pfauenvögel und viele Pampashasen, bevor wir immer mehr Schilder mit der Aufschrift „Ecoparc“ sehen. Nach der Schließung des Tierparks 2016 soll hier seit 2018 eine Forschungs- und Bildungseinrichtung geschaffen werden, die diesen Namen trägt. Allerdings scheint es beim weiteren Durchlaufen, dass sämtliche Schaubilder oder interaktiven Elemente schon wieder im Verfall sind … Es leben noch einige Tiere in Gehegen (zwei Flusspferde, zwei Giraffen zusammen mit zwei Straußen, viele Flamingos, zwei Bisons, einige Nandus), aber viele Gehege und alle Häuser (Reptilien, Amphibien, Affen) sind leer. Im ehemaligen Affenhaus kann man gegen Bezahlung einen virtuellen Condorflug durchführen… . Ob hier wirklich noch geforscht wird, können wir nicht feststellen – vielleicht. Der Park ist aber sehr gut besucht, und selbst das alte Karussell auf dem Spielplatz ist in Betrieb. Dass die derzeitige Regierung es weiterhin akzeptiert, dass es keinen Cent kostet, ist eigentlich ein Wunder.

Nach dem „Zoobesuch“ halten wir auf dem Weg zur Bushaltestelle noch einmal in einem Café. Und dann finden wir die richtige Haltestelle nur durch Fragen, denn genau an dieser fehlt an der Bürgersteigseite die Linienangabe. Es dauert wieder einige Zeit, bis der 93-iger kommt, aber der bringt uns dann zuverlässig wieder zurück.

Mittwoch 12.3.25 – Buenos Aires

Der vorletzte vollständige Tag in Südamerika!

Jutta geht um sieben Uhr zum Bäcker, damit wir es pünktlich zu 8:45 Uhr zum Denkmal von San Martín schaffen (mit U-Bahn und längerem Fussweg), denn in der Bestätigung zu unserer heutigen Tour steht genau dieses! Als wir um 8:44 Uhr dort ankommen, werden auch gerade die Fahrräder gebracht – wir haben nämlich eine Tour zum Tigre – Delta mit dem Rad reserviert. Als wir gefragt werden, ob wir die Tour um halb zehn oder um zehn Uhr gebucht haben, beginnen wir zu zweifeln. Und dann stellt sich schnell heraus, dass heute gar keine Tour zum Tigre – Delta führt, da der Zug, mit dem wir fahren sollen, nur Donnerstags bis Sonntags fährt. Da muss die Person, die uns die Bestätigung geschickt hat, leider einen Fehler gemacht haben! Na, toll!

Wir bekommen angeboten, heute eine andere Tour mitzufahren, wir entschließen uns aber, bis morgen auf unsere Wunschtour zu warten – die allerletzte Möglichkeit überhaupt für uns.

Und so machen wir uns also stattdessen zu Fuß auf den Weg, in Richtung des Recoleta – Friedhofs mit Zwischenhalt in einer der schönsten Buchhandlungen der Welt. Die „Ateneo“ – Filiale nutzt die über 100 Jahre alten Räumlichkeiten eines ehemaligen Theaters, und es gibt sogar richtige Besichtigungs-Touren.

Trotz der noch frühen Stunde trinken wir auf der Bühne einen Kaffee, bevor wir weitergehen.

Beim Erreichen des Friedhofs kommen wir erst am Eingang für Reisegruppen vorbei, wo unzählige Reisebusse ihre Touristen ausspucken – wir befürchten schon, dass es sehr überfüllt sein könnte. Am Eingang für Einzelpersonen geht unsere Laune zum zweiten Mal heute den Bach hinunter: während Argentinier kostenlos auf den bekannten Friedhof gehen dürfen, müssen Touristen (heute) 17.620 Pesos (ca. 17 Euro) bezahlen – morgen vielleicht noch mehr! Auch wenn es hier tolle Mausoleen und interessante Architektur zu entdecken geben soll – das ist uns zu teuer! Außerdem sind wir von dieser Preispolitik in Argentinien sowieso schon angefressen, denn immer sollen die ausländischen Touristen ein Vielfaches von dem zahlen, was Einheimische zahlen. Das war schon in sämtlichen Nationalparks und Museen so. Wir haben uns immer wieder gesagt, dass die Gelegenheit nicht wiederkommt und wir auf dieser Jahrestour ja schon so viel Geld ausgegeben haben, dass es darauf jetzt auch nicht mehr ankommt. Aber irgendwann ist einfach mal Schluss und man wird bockig. Heute ist das bei uns so. Wir fühlen uns hier nicht Willkommen, denn in einem marktwirtschaftlich organisierten System sendet man vor allem über den Preis eine Botschaft, und über einen vielfach erhöhten Preis eben die Botschaft: „Du bist uns nicht willkommen“.
Viktor fragt noch, wie es wäre, wenn wir dort einen Verwandten liegen hätten, aber dann wären wir ja offensichtlich Argentinier und müssten nichts zahlen… Also wieder einmal umplanen!

Wir könnten mit einem der blauen Mietfahrräder zur Reserva Ecologica fahren! Da wir nur ein Handy mithaben, müssen wir dafür zunächst klären, ob man trotzdem zwei Räder ausleihen kann. Die WhatsApp-Hotline ist wohl nur ein Chatbot und antwortet nicht ohne Hochladen einer argentinischen DNI (Personalausweis). Also versucht Viktor, einen Account bei BA Ecobici zu erstellen. Es klingt gut, 30 Minuten sind immer kostenlos (laut Wikipedia sollte es komplett kostenfrei sein, aber das ist wohl veraltet), und es gibt sehr viele Stationen. Beim Weitermachen stellt sich aber heraus, dass Touristen (haben keine DNI) pro Ausleihe schon mal 2100 Pesos zahlen müssen! Das ist sogar mehr, als eine Metrofahrt! Die spinnen doch, die Argentinier! Wir beschließen, doch lieber einen Bus zu nehmen. Später kommt dann doch noch eine Antwort auf die Frage: mit einem Handy kann man eh nur ein Rad ausleihen, es wäre also in jedem Fall der Bus geworden.

Im Bus freuen wir uns, dass wenigstens die Nutzung der Öffis für alle das Gleiche kostet:

Und als wir am Reservat ankommen, können wir uns wieder freuen: der Eintritt ist für alle kostenfrei! Wir gehen eine etwa fünf Kilometer lange Runde (siehe Tagesbild) und genießen die Natur:

Die Strecke führt uns erstmals direkt bis an den Rio de la Plata, den breitesten Fluß der Welt. Das Wasser ist auf argentinicher Seite extrem verschmutzt und das kann man tatsächlich am Ufer sogar riechen. Viktor fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt, denn es riecht genauso wie in den 60iger und 70iger Jahren in den Rheinwiesen von Duisburg-Rheinhausen. Es liegt ein leicht beißender, chemisch-kloakiger Geruch in der Luft.

Als wir wieder in der Zivilisation sind, ist es fast zwei Uhr und wir suchen uns etwas für eine Pause. Die erste Möglichkeit ist das Café La Juana und wir kehren ein. Juttas Avocadotoast ist eine Toastscheibe mit Avocado plus Rührei – und das Ganze eiskalt aus dem Kühlschrank – unglaublich! Gestern bei Simona der Käsetoast war doppeltes Brot, frisch, warm und billiger! Wir stärken uns also etwas und gehen dann zu kurz vor drei in das Kulturzentrum, dass im Oktober 2024 von der Regierung Milei in Palacio Libertad, Centro Cultural Domingo Faustino Sarmiento umbenannt wurde. Überall hängen Kunststoffschilder mit dem neuen Namen, oben am Gebäude steht aber noch Néstor Kircher, der alte Name.

Mittwochs ist hier keine Tour um 15 Uhr, wie wir eigentlich dachten, aber man kann sich für die um 16 Uhr anmelden. Jetzt entdecken wir, dass es täglich wechselnde Touren zu wechselnden Zeiten gibt – aber alle sind kostenlos, wie alles hier im Haus, auch die zahlreichen Konzerte im Konzertsaal. Die Stunde bis dahin gehen wir durch das Gebäude und besuchen einige Räume – es ist irgendwie alles ziemlich leer an Besuchern, aber Aufpasser und Wegweiser gibt es jede Menge.

Um vier Uhr beginnt dann die Führung durch einen Herren, der entweder sehr nuschelt oder dessen Gebiss etwas locker sitzt – man versteht ihn sehr schlecht. Aber er erklärt mit Leib und Seele dieses alte Postgebäude, dessen Bau 40 Jahre (1889 – 1928) gedauert hat und dessen „vordere Hälfte“ inklusive der Fassade heute unter Denkmalschutz steht.

Unser Führer wiederholt mehrfach, dass er eigentlich gar kein „Guide“ ist, dass er aber schon lange hier arbeitet und den Umbau des Gebäudes (2005 – 2015) zum größten Kulturzentrum Lateinamerikas vollständig miterlebt hat. Er scheint auch für alle Führungen und die Guides verantwortlich zu sein, denn die sind alle nach seiner Aussage absolut großartig. Morgen wird er erstmals zusammen mit einem anderen Guide die neu entwickelte thematische Führung „Sinfonischer Escape-Room“ in der walförmigen Konzerthalle leiten und ist scheinbar schon ganz aufgeregt. Normalerweise ist unsere heutige Führung 45 Minuten lang, aber bei ihm sind die Führungen viel, viel länger, denn er ist authorisiert uns auch Dinge zu zeigen, die uns sonst niemand zeigen darf.

Das gesamt Gebäude ist ein Prunkbau, der für die Argentinische Post gebaut wurde. Das Büro des Präsidenten der Post ist ein riesiger Saal, der sich in exakt der gleichen Höhe befindet wie das Büro des argentinisches Präsidenten in der Casa Rosada in Sichtweite gegenüber an der Plaza de Mayo. Damals war die Post eben noch der monopolistische Kommunikationsanbieter und der Präsident der Post war entsprechend mächtig (und wurde vom Staatspräsidenten ernannt). Gleichzeitig befand sich im Untergeschoss des Gebäudeteiles, den unser Führer den „industriellen“ Teil nennt (im Gegesatz zum „administrativen“), auch die Postverteilanlage. In dem Gebäude arbeiteten damals 10.000 Personen, das Untergeschoss wurde von Postlastern befahren und im Boden des Erdgeschoss befinden sich heute noch die großen Glasbausteine, die bei einem Brand in der Postverteilanlage (das war ja alles leicht brennbares Papier) von der Feuerwehr zerschlagen worden wären, um Löschwasser hinein zu leiten.

In der Eingangshalle befindet sich an der Wand eine große Weltkarte, die Europa noch in den Grenzen von … na ja … jedenfalls in ziemlich alten Grenzen zeigt.

Das Prunkstück des Gebäudes ist heute die moderne Konzerthalle, auch „Ballena“ („Wal“) genannt, die mitten im Gebäude auf riesigen Neopren-Lagern steht und damit akustisch vom Rest des Gebäudes entkoppelt ist. Keinerlei Vibrationen (z.B. von der U-Bahn, die unter dem Gebäude fährt) können das Konzerterlebnis in der Halle stören. Alle 100 Jahre müssen die Neoprenlager ausgetauscht werden. Die Konzerthalle ist mit einer Art Metallnetz überzogen, das in Deutschland hergestellt wurde, und alle elektromagnetischen Wellen abschirmt (Faradayscher Käfig). Deshalb muss hier vor den Konzerten nicht angesagt werden, dass alle ihre Mobiltelefone abschalten sollen, denn hier drin wird niemals ein Anruf angenommen werden können. Die Orgel des deutschen Orgelbauers KLAIS ist leider kaum zu sehen, weil sie heute von den beweglichen, akustischen Reflektoren verdeckt wird, die je nach Orchestergröße und Position herauf- und heruntergefahren werden können, um so eine der angeblich besten Akustiken der Welt zu garantieren. In dem Saal gibt es keine nummerierten Sitzplätze, weil die Akustik angeblich auf allen Plätzen gleich gut ist.

Unser Guide erkärt uns die zwei Tonnen schwere Lampe, die über dem Konzertsaal hängt, aber nur dessen Außenhülle beleuchtet, und wie schwierig es war, diese ins Gebäude einzubauen, da die denkmalgeschützen Fassaden ja stehen bleiben mussten und alles mit einem riesigen Kran von oben ins Gebäude herabgelassen werden musste. Die Lampe ist begehbar und enthält einen großen Ausstellungsraum, den wir später noch besuchen. Es ist sehr moderne Kunst darin: Durchlöcherte Gipskartonplatten, die uns an unser AirBnB-Apartment und die unruhigen Nächte erinnern.

Wir werden noch in den Keller mit den Postfächern geführt, sehen ein Museum mit alten Telekommunikationsgeräten, u.a. einen Fernschreiber von Siemens, und erfahren von den Tränen in den Augen der Konzertmusiker, als sie ihre Instrumente zwischen zwei Probentagen einfach im Probensaal belassen durften, der ebenfalls Sinfonieorchester-Größe hat. Sie hätten sich erstmals in ihrem Leben nicht wie Nomaden gefühlt und hatten Tränen der Freude und Dankbarkeit in den Augen. Unser Guide hat definitiv einen kleinen Hang zu Dramatik. 😉

Zum Abendessen gehen wir ins Pétalo – Pizzeria direkt am U-Bahnhof Florida. Jutta bestellt Spagetti mit Pesto, und zum zweiten Mal heute ist es fast unverschämt, was kommt: ein Teller mit verkochten Spagetti mit ein paar zerpflückten, trockenen Basilikumblättern, kleinen Walnussstücken und etwas Reibekäse, dazu drei Tüten „Parmesan“. Satt werden wir zumindest beide! Nach dem heutigen Tag hat Argentinien aber keine Chance mehr, doch noch unter die ersten drei Länder unseres Reise- und Radfahrland-Rankings zu kommen!

Donnerstag 13.3.25 – Buenos Aires – Ausflug Tigre-Delta – Ezeiza (Nähe Flughafen)

Unser letzter vollständiger Tag in Südamerika!

Heute checken wir aus unserem AirBnB in Buenos Aires aus und holen unsere gestern ausgefallen „Radtour“ nach. Wir stehen also relativ früh um 6:15 Uhr auf, nachdem wir wieder eine eher unruhige Nacht hatten. Irgendjemand über, unter oder neben uns hat am sehr frühen Morgen offenbar eine Videokonferenz abgehalten und genauso ins Telefon gebrüllt, wie es Viktor immer tut, wenn er mit seiner Mutter telefoniert … also so als müsse es seine Stimme ganz ohne technische Hilfsmittel bis nach Spanien schaffen. Der Mann nebenan spricht kein Spanisch, Viktor vermutet eher eine slawische Sprache, es könnte also ein anderer AirBnB-Bewohner gewesen sein.

Wir schaffen es beim Frühstück ziemlich gut, unsere Reste (Butter, Marmelade, Käse) zu verbrauchen. Dann wird wieder alles in unsere Bordgepäck-Taschen zusammengepackt, und um kurz vor acht Uhr verlassen wir die Wohung und gehen zum U-Bahnhof Dorrego. Unsere SUBE-Karte haben wir gestern noch so passend aufgeladen, dass wir sie bis auf weniger als 400 Pesos verbrauchen können. Erstmals fahren wir heute mit Umstieg (Linie B –> Linie C) und erreichen das Fahrradlager der Bike Tours Buenos Aires mit großem zeitlichem Puffer. Unser Guide „Gérman“ (nein das steht nicht für „Deutsch“, sondern ist ein spanisch-baskischer Name und kommt von „hermano“ oder „germano“ und bedeutet „Bruder“) ist leider verspätet, andere Mitarbeiter sitzen vor den heruntergelassenen Rolläden und kommen nicht hinein.
Gérman kommt irgendwann etwas abgehetzt auf seinem Brompton-Klapprad angeradelt. Er musste am Ende sogar noch ein Taxi nehmen, weil die Züge einfach zu viel Verspätung hatten. Und etwas später – Viktor kauft sich gerade nebenan noch etwas Süßes – kommen dann auch diejenigen mit den Schlüsseln. Jetzt geht es schnell: unsere Taschen werden eingeschlossen, wir bekommen jeder ein Rad und einen Helm, und zu dritt – es wird eine private Tour 😉 – radeln wir die kurze Strecke zum Retiro – Bahnhof, einem sehr schönen, alten Sackbahnhof. Bevor wir in den Mitre-Zug nach Tigre steigen, sollen wir uns das Burger-King von innen anschauen.

Dann geht es in die Bahn. Gérman hängt unsere Räder in die Halterung – diesen Service haben wir wohl mitgebucht – und wir fahren eine gute Stunde bis zur Endstation Tigre, einer Stadt am Flussdelta, die Naherholungsgebiet für die Region von Buenos Aires ist.

Hier machen wir eine kleine Radrunde auf dem Festland, sehen etliche Rudervereine der argentinischen „Hauptstadt des Ruderns“ und das ehemalige Casino, in dem heute ein Kunstmuseum untergebracht ist, und fahren dann in den Ortsteil Puerto de Frutos, um dort eine Bootstour zu beginnen. Hier werden heute keine Früchte mehr verkauft, sondern vor allem Inneneinrichtungen – der Name ist aber geblieben.

Nach einem schnellen Kaffee im örtlichen „Havanna“ gehen wir mit „Minitourismo Bambi“ und nur wenigen anderen Gästen auf Rundfahrt zwischen den vielen kleinen Inseln des Deltas. Sie sind (fast) alle bewohnt, nur per Boot zu erreichen und nicht an die Trinkwasserversorgung angeschlossen. Jedes Haus hat einen eigenen Bootssteg mit Flussnamen und Hausnummer, es ist fast wie ein Straßennetz an Land. Die Kinder fahren (kostenfrei, staatlich subventioniert) mit dem Busboot zur Schule, die inklusive Mittagessen nur von 10 bis 14 Uhr dauert. Das Wasser ist nur rund 1,50 m tief, es gibt Passagen, durch die bei etwas niedrigerem Wasserstand keines der Motorboorte fahren kann – heute geht es aber und wir fahren ganz langsam durch eine der „Angosturas“ (Engstellen). Die Ansagen sind alle auf Spanisch und Englisch, und es wird viel erklärt.

Zwischen den Inseln fahren die ganze Woche über verschiedene Supermarkt-Boote, deren Betreiber an den auf den Stegen herausgehängten Taschen und Körben erkennen, dass jemand einkaufen möchte. Das Brauchwasser (auch zum Duschen) wird aus Flusswasser erzeugt, indem es gefiltert und gechlort wird. Das Trinkwasser wird in Kanistern angeliefert, das Gas zum Kochen und Heizen in Gasflaschen. Ein Gesundheitsboot mit Allgemeinmediziner, Kinderarzt und Augenarzt dreht ebenfalls werktags seine Runden. Die meisten Bewohner haben aber ein eigenes Boot. Auf einigen Inseln wird auch noch Forstwirtschaft betrieben, vor allem Weiden. Viele Inseln sind aber Erholungszentren mit Hütten, Campingplätzen, Sportplätzen und künstlich angelegten Stränden (denn hier gibt es natürlicherweise nur Sedimente und keinen Sand), zum Teil im Besitz von Gewerkschaften (z.B. Lehrergewerkschaft), die günstige Erholungsprogramme für ihre Mitglieder anbieten.

An einer Stelle passieren wir ein kleines Haus, das in einem Glaskasten steht. Hier hatte Sarmiento ein Grundstück mit drei Gebäuden – dieses ist ein Replikat, das auf diese Weise der Witterung nicht ausgesetzt ist. Sarmiento war einer der Präsidenten Argentiniens, der u.a. die Schulpflicht einführte und Bibliotheken eröffnete.

Nach einstündiger Tour legen wir wieder an. Mit Gérman gehen wir in die „Parilla La Ranchera“, wo wir bei angeregtem politischen Austausch eine Kleinigkeit zu uns nehmen. Die Bedienung ist ganz entzückt, als sie erfährt, dass dies heute der letzte Tag einer elfmonatigen Reise durch Lateinamerika ist.

Mit den Rädern geht es zurück zum Bahnhof, und wieder fährt eine Bahn ohne lange warten zu müssen. So langsam sie auch fährt, und auch nicht an allen Tagen, aber der Takt ist ziemlich eng, zumindest zu den Stoßseiten. Auf dieser Fahrt kommen sehr, sehr viele fliegende Händler mit den unterschiedlichsten Angeboten durch die Wagen. Die Preise liegen immer weit unter denen in Läden, und wir fragen uns, wie das sein kann. Gérman sieht darin von Allem ein Indiz für die unverschämten Aufschläge und Profite, die in den normalen Geschäften gemacht werden. Mit einem Augenzwinkern gibt er aber auch zu, das vielleicht auch geklaute Ware dabei sein könnte.

In Retiro fahren wir die Räder zum Fahrradlager und erhalten unser Handgepäck zurück. Wir gehen die Esmeralda runter, biegen ab zur Plaza de Mayo und wollen schauen, ob wir dort nicht noch die Großmütter antreffen, die dort donnerstags lange Zeit stumm demonstriert haben. Stattdessen ziehen heute jüngere Frauen laut gröhlend im Kreis herum und demonstrieren gegen die Entführung von Kindern durch Pädophile.

Auf Empfehlung von Gérman gehen wir in der Italienischen Bar D’Oro (die ein Restaurant ist) am letzten Abend sehr lecker Pasta essen. Das Rufen eines Ubers nach Ezeiza gestaltet sich etwas schwierig, bis wir herausfinden, dass die Bezahlung hier immer in bar erfolgen muss – ausschließlich in Argentinien. Durch viel Stau werden wir nach Ezeiza (Barrio Uno) zum Guga-Hotel gebracht, das seit zwei Wochen unser Gepäck und das Tandem lagert und in dem wir die letzte Nacht verbringen.

Freitag 14.3.25 – Buenos Aires – Abflug nach Deutschland

Nach dem spärlichen Frühstück in unserem Guga-Hotel (Zwieback, Tee, Frischkäse, Marmelade) checken wir um 10 Uhr aus und ziehen den Transfer zum Flughafen von 14:30 auf 11:30 Uhr vor, denn im Barrio Uno finden wir kein Café, in dem wir bis 14:30 Uhr würden warten wollen. Die einzigen Cafés (fast alles Starbucks) sind drei bis vier Kilometer entfernt, einige davon befinden sich sowieso am Flughafen (EZE).
Wir gehen also nur eine kleine Runde durch das Barrio Uno, sehen in dieser offensichtlichen Schlaf-Vorstadt einige Häuser eher gut betuchter Einwohner, kommen an einem Neubauviertel mit angrenzendem Park vorbei und bewundern (und riechen) die nach Erbrochenem stinkenden Früchte eines weiblichen Gingko-Baumes, der hier als Straßenbaum angepflanzt wurde. In diesem verschlafen wirkenden Nest kurvt die ganze Zeit ein Polizeiauto herum, und wir denken schon, jemand hätte uns gemeldet als Fremdkörper.

Als um 11:30 Uhr die angebliche „Camioneta“ (Transporter) vor dem Hotel steht sind wir wieder einmal negativ überrascht, obwohl wir doch nun wirklich mittlerweile damit hätten rechnen können. Der Wagen ist ein Toyota Hillux mit kurzer Ladefläche und reicht natürlich wieder nicht aus, um den Karton mit dem Tandem vollständig darin unterzubringen.

Der Fahrer hat außerdem keinerlei Spanngurte oder Seile dabei, mit denen man die Ladung sichern könnte. Wir müssen den Karton also flach auf die Ladefläche legen, was wir eigentlich verhindern wollten, damit kein Öl aus dem Rohloff-Getriebe austreten und auf die Bremsen tropfen kann. Die Ladeklappe des Wagens muss hinten offen bleiben und der Fahrer fährt die paar Kilometer zum Flughafen langsam mit eingeschaltetem Warnblinklicht, benutzt dabei aber fleißig den völlig sinnlosen Blinkerhebel ;-). Wir haben während der Fahrt immer ein Auge auf die Ladefläche, um ein mögliches Verrutschen des Tandem-Kartons und der drei Taschen sofort zu bemerken. Zum Glück bleibt aber alles in Position.

Am Flughafen besorgt Jutta zwei Koffer-Trolleys, wir hieven den Karton und die Taschen von der Ladefläche und zahlen der vereinbarten Preis. Dann geht es ins Flughafengebäude, und wir suchen nach den Check-in-Schaltern für Lufthansa. Unser Flug geht um 17:50 Uhr, der Check-in ist erst vier Stunden vor Abflug möglich. Wir werden gebeten um 13:50 wiederzukommen. Ach, was war das damals am BER doch toll, als wir am Vorabend bereits das Tandem als Sperrgepäck einchecken konnten.

Wir setzen uns also ins Starbucks in der Nähe der Check-in-Schalter, trinken einen Kaffee und essen eine Kleinigkeit, haben aber keine rechte Lust, am Blog zu schreiben oder noch irgendwas anderes zu tun. Immerhin könnten Gewicht oder Größe des Tandem-Kartons noch zu Problemen führen und einer von uns ist da zumindest noch etwas nervös.

Tatsächlich started der Check-in schon um 13:40, und als wir an den Schaltern ankommen steht dort schon eine lange Menschen-Schlange. Wir werden aber in eine separate „Schlange“ gebeten, die für Passagiere mit Sondergepäck gebildet wird. Vor uns steht dort zwar nur ein weiterer Fluggast, aber wir beobachten mit etwas Verwunderung, dass der Check-In seeeeehr lange benötigt. Die lange Schlange der „normalen“ Passagiere bewegt sich im Vergleich dazu recht schnell. Zwischenzeitlich sieht es kurz so aus, als würde noch ein zweiter Schalter für uns öffnen, aber das ist dann doch nur Wunschdenken.

Als wir endlich dran sind, werden zunächst unsere drei in Schrumpffolie gewickelten, rosafarbenen Plastiktaschen mit den Radtaschen gewogen und auf die Reise geschickt. Die größte davon bleibt auf dem Förderband nicht mehr richtig stehen, passt aber wegen des drangewickelten Zeltes und der Rückenlehnentasche nicht in eine der Transportkisten für das Gepäckförderband. Nach mehreren Versuchen geht es dann doch ohne so eine Kiste, aber wir machen uns ein bisschen Sorgen, ob das Gepäckstück heil in Berlin ankommen wird.

Dann wird der Karton mit dem Tandem gewogen und mit viel gutem Willen als 32 kg schwer angenommen (die Waage zeigt je nach Position des Kartons zwischen 32,5 kg und 35 kg). Der Mitarbeiter fragt nochmal nach, ob wir wirklich bereits 600 Dollar für das Sperrgepäck bezahlt haben, was wir wahrheitsgemäß mit „Ja“ beantworten. Wahrscheinlich hat er dann Mitleid bekommen und den Karton ohne weitere Beanstandung des Gewichtes angenommen, denn so viel haben wir für das Tandem weder auf dem Hinflug (250 Euro) noch dem Inlandsflug von Ushuaia (unter 20 Euro) bezahlt.

Der Karton erhält also seinen Gepäckaufkleber und wir werden zur Sperrgepäck-Annahme am Ende des Terminals geschickt. Wir sollen aber zunächst noch 10 Minuten warten, uns dann nochmal am Schalter melden und erst danach zur Sperrgepäck-Annahme gehen. Wir drücken uns also etwas mehr als zehn Minuten in der Nähe des Check-In-Schalters herum und gehen dann nochmal zu dem jungen Mitarbeiter am Schalter. Der ruft irgendwo an und schickt uns dann los. Wir gehen recht zügig durch die Halle bis nach ganz hinten und treffen dort auf eine junge Frau, die einen der kleinen Barcode-Aufkleber, die gerade erst aufgeklebt wurden, vom Karton entfernt und auf ein Formular klebt. Dann trägt sie irgendwas in das Formular ein und bemerkt einen Fehler, fummelt den Aufkleber wieder vom Formular ab, steht nochmal auf, klebt den Aufkleber wieder zurück auf den Karton und sucht nach dem zweiten kleinen Barcode-Aufkleber. Sie erklärt, dass der erste für den Flug von Frankfurt nach Berlin gilt, sie benötigt aber den für den Flug von Buenos Aires nach Frankfurt. Sie findet den richtigen Aufkleber auf der anderen Seite des Kartons, klebt und schreibt alles ins Formular und teilt uns mit, dass wir nun eine unbestimmte Zeit warten müssen, bis an der Sperrgepäck-Annahme ein Mitarbeiter von Lufthansa erscheint.

Während wir warten kommt ein anderer Fluggast mit einem Gepäckstück für seinen FlyBondi-Flug, wird ebenfalls formular-technisch abgefertigt und wartet nur wenige Minuten, bis ein FlyBondi Mitarbeiter das Rollfenster öffnet und er seinen Karton auf das Band legen darf.

Ooooookeeeeey … da soll also nachher unser Tandem-Karton hinunterfahren? Aufrecht passt der hier schon mal nicht durch. Viktor misst oben die Breite des Bandes, circa 100 cm, also könnte es liegend funktionieren. Allerdings sieht das Röntgengerät da unten ziemlich schmal aus … wie schmal wissen wir nicht. Unser Karton ist 90 cm hoch, passt also liegend aufs Band … aber passt er auch durch das Röntgengerät?

Erstmal schließt sich das Rollfenster wieder und wir warten weiter. Nach circa 20 Minuten teilt uns die Mitarbeiterin mit, dass vorhin – etwa drei Minuten bevor wir hier auftauchten – ein Mitarbeiter der Lufthansa das Fenster geöffnet und nach einem Fahrradkarton gefragt hätte. Da niemand hier war, sei er dann wieder abgezogen. Es könnte also sinnvoll sein, ein weiteres Mal am Check-In-Schalter nachzufragen, ob sie von dort nochmal bei Lufthansa Bescheid geben könnten. Ja „Herrschaftszeiten!“ … hätte sie uns das nicht gleich sagen können? Viktor geht also wieder durch die Halle zurück zum Check-In, es wird nochmal telefoniert und als Viktor wieder an der Sperrgepäck-Annahme auftaucht, geht auch schon bald das Rolltor auf. Wir hieven den Karton auf das Band und legen ihn flach darauf. Rechts und links bleiben wenige Zentimeter Abstand. Der Karton fährt hinunter und ….
… bleibt natürlich am Eingang des Röntgengerätes hängen. Das kennen wir ja schon aus Ushuaia. Wieder erhält der Karton einige Tritte, das Band wird angehalten, der Karton hin- und hergeschoben. Und dann passt er doch tatsächlich ganz knapp durch die Eingangspforte des Röntgengerätes. Kaum steckt er allerdings halb drin bleibt er offenbar am Ausgang des Gerätes hängen. Wieder wird das Band angehalten. Es folgen weiteres Schieben, Drücken, Boxen und Treten. Schließlich ist das Ding irgendwie drin und kommt offenbar an der anderen Seite auch wieder heraus. Es folgt ein zufrieden klingendes Geräusch der Keller-Person, die wir nie zu Gesicht bekommen, und das Rollfenster schließt sich wieder. Puh – geschafft!

Endlich können wir zur Sicherheitskontrolle. Wir folgen den Schildern zu „Departures International“, verlaufen uns dabei fast, weil wir die Treppe nach oben verpassen, erreichen dann aber den Wartebereich der Sicherheitskontrolle. Es ist eine dieser typischen Zick-Zack-Gassen aufgebaut, in denen man wie ein dummes Schaf sinnlos durch Gassen laufen muss, obwohl noch alles leer ist. Viktor hat keine Lust, sein Bordgepäck im Zick-Zack durch einen leeren Raum zu tragen und stellt seine Tasche so ab, dass er sie nach dem einmaligen Auf-und-Ab-Laufen ein Stückchen weiterstellen kann. Kaum wendet er am Ende der ersten Doppelgasse, sieht er auch schon eine der Security-Mitarbeiterinnen, die seine Tasche ergreifen will. Er ruft hinüber, dass es seine ist, und erntet einen deftigen Rüffel, dass er die Tasche da nicht einfach abstellen dürfe. Also geht es nun mit Bordgepäck durch die etwa 20 leeren Zick-Zack-Gassen. Dann geht es aber ganz schnell. Hier in Buenos Aires dürfen wir bis zu einem Liter Wasser und alle Powerbanks im Bordgepäck lassen, nur Laptop und Handies müssen separat durch die Röntgengeräte.

Jetzt erst kommt die Passkontrolle, für die zahlreiche Automaten aufgestellt sind. Nach dem Einscannen des Passes und der Bestätigung, dass alles stimmt, wird der Daumenabdruck genommen und das Gesicht gescannt. Jutta ist ganz schnell durch, Viktor muss zur manuellen Kontrolle, weil sein Daumenabdruck nicht funktioniert. Das Tor in den Wartebereich öffnet sich dann nach einem Gesichtsscan.

Mit allem fertig setzen wir uns nochmal hin, trinken etwas und warten darauf, dass das Gate angezeigt wird, an dem wir an Bord gehen sollen. Viktor genehmigt sich ein letztes Schinken-Käse-Croissant und will noch an einem aufgestellten alten Pacman-Arcade-Spielgerät eine Runde spielen. Aber wie meist in Argentinien steht dort – und auch am Tischfußball in der Nähe – „No funciona“.

Wir geben am Flughafen unser letztes Bargeld aus, unter anderem kauft sich Viktor zwei 300-Gramm Cofler-Block-Schokoladentafeln, seine Lieblingsenergiequelle beim Eintreten eines Hungerastes während des Radfahrens.

Als es an Bord geht, sehen wir neben dem Flugzeug einen Krankenwagen stehen. Das Boarding ist ziemlich chaotisch und von seltsamer Hektik begleitet. Es werden bestimmte Passagiergruppen aufgerufen, dann aber von anderen Mitarbeitern wieder gestoppt und umsortiert. Selbst in der Gangway kurz vor der Türe des Flugzeugs werden bestimmte Sitzreihen durchgelassen, andere dann zunächst nicht. Auf Viktors Nachfrage, ob wir einen Krankentransport an Bord hätten (seine Schwester arbeitet in diesem Bereich), ist die Antwort eines Flugbegleiters: „Ja, sogar mehrere“. Das erklärt die seltsame Hektik.

Wir fliegen mit einer Boeing 747-8 (also einem klassischen Jumbo-Jet neuerer Generation) und haben uns beim Buchen wegen des geringen Preisunterschiedes für Sitze in der Premium Economy entschieden, die 17 cm mehr Beinfreiheit bietet. Zum Glück! Denn die Frau, die vor Viktor sitzt, wirft direkt nach dem Abendessen ihre Rückenlehne so weit nach hinten, wie es irgendwie geht. Natürlich tut sie das, wie fast alle Fluggäste, ohne sich auch nur einmal kurz umzudrehen und nachzuschauen, ob das gerade vielleicht ungünstig sein könnte. Bei einem normalen Sitzabstand wäre jetzt wieder ein kurzer Schmerzensschrei von Viktor erfolgt, weil seine Kniescheiben in Richtung Scheinbein verschoben worden wären. Heute aber ist genug Platz und der Rotwein ist zum Glück auch schon ausgetrunken, so dass kein größeres Malheur passiert. Nur Jutta muss anschließend über Viktors Sitz klettern, um ins Bad zu gehen, weil auch ihr Vordermann die Lehne komplett hinten hat.

Hier also die Bitte an die Vielflieger unter den Mitlesenden (also die, die Economy fliegen … Du nicht Stefan 😉 ): Einmal kurz Umdrehen, Nachschauen und Vorwarnen kostet nix. Auf dem Flug von Ushuaia nach Buenos Aires saß ein ziemlich großgewachsener Niederländer vor Viktor und hat – da er diese Erfahrung wohl öfter selbst gemacht hat – erst freundlich nachgefragt und die Lehne dann langsam und vorsichtig nach hinten bewegt. Natürlich hat er nach der Landung im Bus zum Terminal ein extra Dankeschön von Viktor erhalten – „positive Verstärkung“ hieß das damals im Abiturfach „Erziehungswissenschaften“.

Die Crewmitglieder, die für uns zuständig sind, sind super freundlich und zum Scherzen aufgelegt. Viktor hat viel Spaß mit ihnen, denn die spanischen Ansagen macht ein deutsches Crew-Mitglied, das ganz offensichtlich die spanische Sprache in Argentinien erlernt hat. Zum Abendessen gibt es „Pollo“ zu Auswahl, also Huhn. Das Doppel-L wird in Argentinien – und besonders in der Region Buenos Aires – „Poscho“ (mit ganz weich genuscheltem „SCH“) ausgesprochen. Auch „Caballero“ hört sich immer wie „Cabaschero“ an.
Auf unserer Tour ins Tigre-Delta haben wir gestern gelernt, dass dieser Dialekt auch „Porteño“ heißt, denn er wird in der Region Buenos Aires und Montevideo (Uruguay) rund um den Rio de la Plata gesprochen und ist dort in den Häfen (Puerto –> Porteño) als Spanisch mit italienischen und portugiesischen Einschlägen entstanden. Die Porteños sind ganz stolz darauf, dass sie wie die Italiener beim Reden viel gestikulieren und von italienischen Muttersprachlern sehr leicht verstanden werden, selbst wenn sie einfach nur ihren Spanisch-Akzent sprechen.
Das Scherzen und die Neckereien mit der Crew bescheren Viktor einen zusätzlichen Rotwein zum bereits gelieferten Bier, so dass er nach dem Essen sogar ein wenig schlafen kann, was sonst auf solchen Flügen eher eine Seltenheit ist.

Samstag 15.3.25 – Buenos Aires – Frankfurt – Berlin

Die Flugroute (LH511) nach Frankfurt führt uns diagonal über den Atlantik und eigentlich in direkter Linie mitten über die iberische Halbinsel. Wir knicken aber heute über Afrika nach Osten ab und fliegen stattdessen über Mallorca. Wir sind schneller als vom Flugkapitän avisiert und landen schon kurz nach dem Frühstück um 10:43 Uhr (statt 11:00 Uhr) in Frankfurt. Es kommt sogar eine Durchsage für die Crew: “ Es geht schneller als gedacht!“. Die Crew muss sich richtig beeilen, um alle Tabletts wieder einzusammeln, bevor sie sich hinsetzen und anschnallen müssen.

Direkt nach der Landung prüfen wir, ob es unsere Gepäckstücke nach Frankfurt geschafft haben. Wir haben im Tandem-Karton und in den drei Gepäckstücken jeweils ein AirTag verstaut und wissen so relativ schnell, dass es alle Gepäckstücke nach Frankfurt geschafft haben.

In Frankfurt werden wir mit unserem Handgepäck nochmal durch eine Sicherheitskontrolle geleitet. Hier müssen alle elektronischen Geräte, Powerbanks und Flüssigkeiten separat aufs Band gelegt werden und unser Wasser, das in Buenos Aires noch problemlos mitgenommen werden durfte, sollen wir hier austrinken oder wegschütten. „Welcome in good old Germany“ trifft auf jeden Fall auf die Geräte in der Sicherheitskontrolle zu. Eine der Mitarbeiterinnen bestätigt uns, dass die Geräte hier so alt sind, dass sie die Flüssigkeiten und Batterien nicht von Sprengstoff und brennbaren Flüssigkeiten unterscheiden können. Wenn das in Buenos Aires anders war, läge das an den moderneren Geräten dort.

Nach der Sicherheitskontrolle geht es zur Passkontrolle. Wir kommen wieder an automatische Schranken, die diesmal bei Viktor sehr schnell funktionieren, während Jutta etwas länger braucht. In Buenos Aires war Viktor an ähnlichen Schranken noch hängengeblieben, weil sein Daumenabdruck nicht erkannt wurde und er zur manuellen Passkontrolle umgeleitet wurde. Hier in Frankfurt wird nicht mit dem Fingerabdruck, sondern nur mit einer Gesichtserkennung gearbeitet.

Schließlich laufen wir zum Gate A15, an dem unser Flug nach Berlin boarden soll (nachdem zehn Minuten vorher noch A11 angezeigt war) und besorgen uns dort nochmal etwas zu trinken. Viktor „versüßt“ sich die Wartezeit mit der BILD und kennt nun so wichtige Dinge wir die neue Liebe von Meryl Streep und das geplante XXL-Investitions- bzw. Schuldenprogramm (je nach Perspektive).

Zunächst kommt eine Durchsage, dass das Flugzeug vollständig ausgebucht ist und wir gebeten werden, größere Handgepäckstücke kostenlos am Gate einzuchecken. Jutta nutzt das Angebot. Dann wird irgendwann angesagt, dass es ein technisches Problem gibt und wir auf ein Ersatzflugzeug warten müssen. Das soll von der Fluglinie SWISS bereitgestellt werden. Es wird also auf jeden Fall Verzögerungen geben. Am Ende wird es noch ein Lufthansa-Flugzeug an einem anderen Gate auf der anderen Seite des Gebäudes. Viktor beobachtet interessiert, ob es alle Gepäckstücke von dem einen Flugzeug auf die andere Seite in die neue Maschine schaffen. Am Ende scheinen 3 von 4 an Bord zu sein, beim letzten Gepäckstück ist es nicht ganz eindeutig. Mit einer Stunde Verspätung fliegen wir los und landen kurz darauf auch schon wieder.

Am BER wartet Jutta am Gepäckband, Viktor geht gleich zum Sperrgepäck. Als das Band zu laufen aufhört, stehen noch einige Passagiere dort, denen etwas fehlt, so auch Jutta. Sie muss es Viktor aber gar nicht erzählen, denn beim Sperrgepäck hat die Mitarbeiterin erst gedacht, der Fahrradkarton wäre in Frankfurt geblieben, während Viktor auf seinem Handy sehen kann, dass es „nur“ eine der Taschen ist. Anders herum wäre es uns lieber, denn das Tandem können wir heute gar nicht mitnehmen, und die Einlagerung am BER ist zwar möglich, kostet aber. Die fehlende Tasche, die wir problemlos mitnehmen könnten, wird uns dagegen kostenfrei nach Hause gebracht.

Wir benötigen für die zwei Trolleys zwei Münzen, haben aber nur eine. Jutta geht schon einmal zum Ausgang, bis die Tür aufgeht, bleibt aber dort stehen und fragt die wartende Verwandtschaft sofort nach ’nem Euro. Da müssen die schon so lange auf uns warten, und dann kommen wir erst einmal für so etwas heraus! Kurz darauf werden wir dann aber wirklich herzlich willkommen geheißen, und das Pappplakat wird hinterher sogar noch von anderen Wartenden für Ankommende weiterverwendet – sehr nachhaltig!

Die S-Bahn fährt gerade nicht, aber wir fahren alle gemeinsam im überfüllten Regionalexpress zum Ostbahnhof, wo wir eine Nacht im Schulz-Hotel bleiben wollen. Ziemlich übermüdet beziehen wir unser Zimmer, machen uns aber nur etwas frisch, und dann sitzen wir in der Lobby und haben viel zu erzählen mit Schwestern/Schwägerinnen, Schwagern und Neffen. Der Kicker-Tisch im Nebenraum wird für eine Partie „MSV Duisburg“ (Viktor) gegen „Hannover 96“ (Hanno und Theo) genutzt. Die Zebras gewinnen ;-).

Zu 19 Uhr gehen wir zu Jäger und Lustig und Joshua kann sogar doch dazukommen – zu unserem Glück ist eine Sängerin krank und er hat heute Abend überraschenderweise frei. So verbringen wir einen tollen letzten Abend, bevor es morgen wieder richtig „nach Hause“ geht.

Sonntag 16.3.25 – Berlin – Hohen Neuendorf

Die Nacht ist erstaunlich ruhig, obwohl das Hotel direkt gegenüber vom Ostbahnhof liegt. Wir schlafen trotz Zeitverscheibung recht gut. Es war eine gute Entscheidung, möglichst lange wach zu bleiben, so kommen wir scheinbar recht gut in der neuen Zeitzone an.

Um 10 Uhr treffen wir uns alle zum Frühstück und sitzen gemeinsam im Wintergarten des Hotels. Das üppige Frühstücksbüffet bietet viel Gutes und damit auch viel Zeit und Gelegenheit, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Leider können wir unsere Mitbringsel nicht verteilen, denn die befinden sich natürlich in dem Gepäckstück, das in Frankfurt hängengeblieben ist. Aber immerhin können alle mal von den Alfajores probieren, die wir am Flughafen in Buenos Aires vom Restgeld gekauft haben, eine typische Süßigkeit, die natürlich mit Dulce de Leche gefüllt ist, wie könnte es in Lateinamerika auch anders sein.

Gegen Mittag trennen sich dann unsere Wege leider schon wieder, denn die Familie muss zurück nach Hannover und Hameln. Wir bestellen uns ein UBER nach Hause, das wir bar bezahlen müssen, weil wir die Einstellung in der App noch aus Argentinien übernommen haben. Zum Glück hatten wir auf der Navimag-Fähre ja mit den anderen deutschen Reisenden genügend Euro gegen unsere überschüssigen Pesos eingetauscht.

So erreichen wir also relativ unspektakulär mit dem UBER-Taxi und ohne unser Tandem unser Zuhause. Vor der Haustür steht schon das angelieferte dritte Gepäckstück und wir können gleich mit dem Auspacken und dem Bilden der Wäschestapel für die Waschmaschine beginnen. Unsere Mieter haben Haus, Garten und Grundstück im Top-Zustand hinterlassen. Die Hecken und unsere Kiwipflanzen sind sogar besser gestutzt als wir das sonst hinbekommen haben. Wir sind sehr froh, dass das so gut geklappt hat, und die beiden mit ihrer Bungalow-Renovierung so weit waren, dass sie sogar schon umziehen konnten.

Auch die ersten Kartons packen wir heute schon aus und können so endlich mal wieder in bunte Socken und unsere Birkenstock-Hausschuhe schlüpfen. Unsere Fußgewölbe haben auf der Radtour scheinbar ordentlich gelitten, denn die Birkenstock drücken mächtig unter den Füßen.

Am Nachmittag machen wir noch einen kleinen ersten Spaziergang durch Hohen Neuendorf und schauen unter anderem an den Baustellen am S-Bahnhof (Kulturbahnhof), dem Wildbergplatz und der Unterführung Karl-Marx-Straße vorbei. Es hat sich dort zwar einiges getan, aber irgendwie wird uns auch klar, dass ein Jahr gar keine sooo lange Zeit ist. Zum Abschluß der Runde schauen wir im Kunst & Filterkaffee vorbei, trinken Milchkaffee, Viktor isst einen Kalten Hund und wir reden mit der Besitzerin Kirsten über die laufende Entwicklung ihres kleinen Cafés zum Musikcafé mit grüner Künstler-Couch.

Viktor pflanzt am Nachmittag noch die gekeimten Araukarie-Kerne, die er aus Chile schon angekeimt im Zip-Beutel mitgenommen hatte, in einen Topf. Mal schauen, ob die hier wohl überleben. Jedenfalls haben sie die zwei Monate in der Radtasche überstanden.
Die ersten Waschladungen sind durchgelaufen und tagsüber ist es sonnig genug zum Trocknen auf der Terasse. Abends steht unser Wohnzimmer dann voller Wäscheständer.

Zum Abendessen gibt es Vollkorn-Spaghetti mit Pesto, die unsere Mieter uns dankenswerterweise besorgt haben. Vollkornspaghetti … endlich wieder! Und zum Wiedereinstieg in den Alltag dürfen natürlich am Sonntagabend weder Tagesschau noch Tatort fehlen. Kommissar Borowski (Axel Milberg) klärt seinen letzten Fall.

Woche 49 (3.3.25 – 9.3.25) – El Calafate – Buenos Aires

Montag 3.3.25 – El Chaltén – Tagestour von El Calafate

Zeit in Bewegung war 3:38:59 und 4,3 km/h Geschwindigkeit

Da alle Tagestouranbieter für das Wanderparadies El Chaltén die Touren mit mehr als 1,5 Stunden-Wanderung nur für Personen zwischen 14 und 50 Jahren anbieten (aus Versicherungsgründen, wir fühlen uns diskriminiert und gemobbt 😉 ), haben wir beschlossen, auf eigene Faust loszuwandern. So benötigen wir auch nur das Busticket!

Da wir um 7:45 am Busbahnhof sein müssen, um den 8-Uhr-Bus nach El Chaltén zu nehmen, frühstücken wir mal wieder um 6:30 Uhr, nehmen wieder eine Lunch-Tüte mit und machen uns um 7:15 auf den zwei Kilometer Fußmarsch zum Busbahnhof. Nachdem wir die zusätzlichen 2.000 Pesos pro Nase Busbahnhof-Steuer bezahlt haben, können wir an Bord gehen. Die vorderen Plätze im oberen Stock sind schon besetzt, also bleiben wir unten. Wir haben einen sehr modernen Bus mit funktionierendem Wifi und leider auch sehr gut funktionierender Heizung. Gegen Ende der ansonsten ereignisarmen Fahrt durch die patagonische Steppe zeigt die elektronische Anzeige eine Innentemperatur von 33 Grad Celsius an. Die Fahrt geht lange Zeit über die Ruta 40, die in El Calafate beginnt bzw. endet, bevor wir an einem Unterstand links auf eine Regionalstraße Richtung El Chaltén abbiegen. In dem Unterstand sehen wir einen Bikepacker (mit Hund und Hundeanhänger) sein Zelt zusammenpacken. Auch hier sind die Orte und Unterkünfte so rar gesät, dass es nur mit wildem Zelten an solchen Unterständen möglich ist, längere Strecken mit dem Rad zu überwinden. Das ist Nichts für uns, wie wir auf dieser Tour gelernt haben. Auf der Rückfahrt sehen wir am Abend, dass der Unterstand gut mit Bikepackern gefüllt ist. Um diese Jahreszeit sind hier einfach zu viele von uns unterwegs.

Wir kommen in El Chaltén sogar 10 Minuten vor der geplanten Zeit an und machen uns auf den Weg quer durch den Ort, der 12 Blöcke lang sein soll und an dessen anderem Ende der Wanderweg zum Fitz Roy beginnt, den wir bis zur Laguna Capri hinaufwandern wollen. Da die Navigatorin in unserem Team heute mal frei hat, weist Viktor den Weg und prompt laufen wir eine Extraschleife durch den Ort, die uns aber an einem netten Café vorbeiführt, wo wir einen Milchkaffee trinken. Die vorgetäuschte Absicht des kleinen Umweges zum Café wird aber leider nicht anerkannt. Gegenüber des Cafés – wir haben nur draußen einen Sitzplatz – läuft ein Fuchs herum, erst im Garten, dann kommt er auf die Straße.

An der Pforte zum Nationalpark direkt hinter dem großen Parkplatz müssen wir unsere bereits gekauften Nationalpark-Tickets vorweisen, stellen uns unnötigerweise an der Schlange für den Ticketkauf an und können dort beobachten, wie vor uns ein junges Paar – nach zwei erfolglosen Bezahlversuchen mit ihren Kreditkarten – kostenlos eingelassen wird, da hier nicht mit Bargeld bezahlt werden kann.

Nach drei Tagen mit mäßigem Wind bläst er heute wieder „normal stark“. Deshalb sind wir ziemlich eingepackt mit langer Unterhose oder Regenhose unter oder über der Hose, und zu mehreren Oberteilen (immer schön in Schichten kleiden – die klassische Zwiebelmethode) auch noch mit Mütze und Handschuhen. So machen wir uns mit vielen anderen auf den Weg. Der ist heute wesentlich trockener als der zur Lagune Esmeralda bei Ushuaia, dafür aber zum Teil steiler, näher am Abhang (nichts für Viktor) und eben auch viel bevölkerter. Irgendwo liegt ein Kopfhörer-Paar in einer Leopardenmuster-Hülle auf dem Boden. Viktor nimmt es mit, fragt einige andere Wanderer, ob sie es verloren hätten, und legt es letztendlich gut sichtbar auf einen Baumstumpf (auf dem Rückweg ist es später weg). Außerdem überholt uns ein Jogger – und kommt uns später wieder entgegen – in Shorts uns T-Shirt – das muss ein Patagonier sein – nicht wegen seiner Füße (die sind normalgroß), sondern wegen seiner augenscheinlichen Kälte-Unempfindlichkeit.
„Wegen seiner Füße?“ … ja genau … wie wir soeben bei Wikipedia gelernt haben, bedeutet „Patagon“ auf Spanisch „Großfuß“ … Viktor schlägt sich im Geiste vor die Stirn … stimmt ja … „Pata“ bedeutet „Fuß“.

Um circa halb zwei gelangen wir an einen Campingplatz, der an der zu erwandernden Lagune Capri liegt. Hier hat man einen guten Blick über die Lagune und auf den legendären Berg Fitz Roy, der aber ziemlich im Nebel liegt. Die Ureinwohner hatten den Berg seinerzeit Chaltén genannt, was in ihrer Sprache „der Rauchende“ bedeutet, eben weil die Spitze so gut wie immer in den Wolken liegt. Den heutigen Namen hat er erst 1877 von Perito Moreno bekommen…

Wir suchen vergeblich nach einem Picknikplatz im Windschatten, verzehren unser Lunchpaket dann auf einem windigen, kalten Baumstamm. Die Mayonnaise und das Öl sind natürlich dieselben Chargen wie gestern. So schnell kann ja auch nichts Frisches aus der Hauptstadtregion hier nach Patagonien transportiert worden sein!

Dann laufen wir nicht denselben Weg zurück, denn es gibt eine kleine Runde über einen weiteren Aussichtspunkt, die wir gehen wollen, und die dann wieder auf den Hauptweg trifft. Hier ist der Weg nicht immer gut zu erkennen, und irgendwann denken wir, wir wären wohl schon im Kreis gelaufen, aber schließlich landen wir (ohne falsch gegangen zu sein) an der richtigen Stelle, von der wir wieder runter nach El Chaltén kommen. Um halb vier verlassen wir den Nationalpark und kommen in den Ort.

Es sind noch gute zwei Stunden Zeit, bis wir wieder am Busterminal sein müssen, eine weitere Wanderung schließen wir aus. Schließlich sind wir hier heute schon 15 km mit über 400 Höhenmetern gewandert, und dazu kommen die zweimal zwei – ebenfalls mit Steigungen – in El Calafate, das reicht uns. Also setzen wir uns in eine Microbrauerei (mit den deutschen Bezeichnungen „Biergarten“ und „Hausbrauerei“), die auch Cafébetrieb anbietet. Hier nutzen wir bei kostenfreiem Popcorn (mit Nachschlag) beide Angebote und Viktor guckt sich auch noch die Braustube an.

Nachdem wir während der Wanderung das Hotel Patagonia Eco Domes aus der Ferne gesehen haben, schauen wir zum Preisvergleich auch noch nach den auf Plakaten angepriesenen „Eiern“ – Ovos -, die mit Blick auf den Fitz Roy am Felsen hängen und nichts für Menschen mit Höhenangst oder Schwindel sind. Ganz ähnliche haben wir ja auch schon in Peru nahe Machu Picchu gesehen.

Pünktlich gelangen wir zum Terminal, müssen auch hier wieder die Terminalsteuer zahlen (hier sogar 3.000 Pesos pro Nase – zur Instandhaltung und den Betrieb des Gebäudes), bevor wir in einen fast leeren Bus einsteigen. Überpünktlich fahren wir los. Auf der Fahrt sehen wir viele tote Tiere (Schafe) im Zaun hängen, Skelette auf dem Boden liegen, ein totes Stinktier auf der Mittellinie, aber auch sehr, sehr viele lebendige Guanakos.

Außerdem überholen wir trotz der fortgeschrittenen Zeit noch drei Bikepacker, die anscheinend ihr heutiges Ziel noch nicht erreicht haben.

Der Busfahrer ist schnell, und so kommen wir ganze 35 Minuten vor der geplanten Zeit in El Calafate an, laufen die zwei Kilometer zurück (Juttas Schrittzähler zeigt für heute 31.548 Schritte an!) und gehen ohne Abenessen ins Hotelzimmer. Zum Glück ist das Frühstücksbuffet hier gut, da müssen wir morgen einfach ein wenig mehr frühstücken.

Dienstag 4.3.25 – El Calafate – Fahrradtour

Der zehntletzte vollständige Tag in Südamerika! Wir wollen noch einmal Radfahren, heute auf geliehenen Individualrädern. Die bekommen wir ab halb neun Uhr beim BAFT Reisebüro (backpacking free travel). Die äußere Türklinke ist noch abmontiert (das Büro ist noch geschlossen), aber man öffnet uns (der Fahrradverleih öffnet früher), und nachdem wir digital einige Angaben gemacht und Bedingungen akzeptiert haben, bekommt Viktor ein XL Specialized Rad und Jutta ein Raleigh. Die Wetterprognose ist gut, es soll erst nachmittags windig werden und nicht regnen.

Wir fahren direkt zur Küstenstraße und biegen zuerst einmal nach links ab – Richtung Westen, um am Lago Argentino den „Buchtradweg“ von Anfang bis Ende abzufahren. Vorher halten wir an den Calafate-Buchstaben, wo gerade eine Reisegruppe aus Deutschland fotografiert. Anschließend macht ein Teilnehmer Bilder von uns, und wir tauschen uns ein wenig aus. Die deutschsprachige Guide gibt uns noch Tipps für heute mit dem Rad.

Der Radweg beginnt aus dem Nichts! Kein abgesenkter Bordstein, man muss sein Rad zum toll gemalten „Anfang/Ende“ tragen. Aber dann kann man sehr schön am Wasser auf dem Zweirichtungsradweg entlang fahren und die Aussicht genießen. Nach ca. fünf Kilometern endet er in einem Wendekreis. Wir schieben die Räder auf die nahegelegene Straße und fahren noch ein ganzes Stück weiter, auch noch, nachdem die befestigte Straße sich in Schotter wandelt. Erst, als es nur noch Sand wird, drehen wir um.

Der Himmel sieht plötzlich sehr dunkel aus. Jutta zieht die Regenjacke an, und als sie weiterfahren will, springt die Kette ab. Mit ölbeschmierten Fingern holt sie Viktor wieder ein, und dann beginnt es auch schon zu regnen. Dabei ist keiner angesagt, und angeblich regnet es hier doch nur max. 250 mm im Jahr! Wir fahren Richtung Ort und werden ziemlich nass und auch kalt. Die Möglichkeiten an der Küstenstraße, eventuell ein Heißgetränk zu bekommen, sind alle noch geschlossen, also biegen wir in den Ort ab und landen im Mabra-Café, wo die Bedienung Jutta sofort mit ihren verschmierten Fingern zur Toilette lotst. Mit unseren nassen Hosen trauen wir uns gar nicht, auf die mit Stoff bezogenen Stühle zu setzen, also nehmen wir nebeneinander auf der Bank aus Kunstleder Platz. Inzwischen scheint die Sonne schon wieder, die Fenster des Cafés werden geputzt, die Tische und Stühle draußen abgewischt, als wäre nichts gewesen.

Wir wärmen uns etwas auf, trocknen aber nicht komplett – das muss jetzt der Fahrtwind machen. Es geht zurück zur Küstenstraße, und diesmal biegen wir nach rechts (Osten) ab. Unser nächstes Ziel ist das Open-Air-Museum Punta Walichu. Dafür verlassen wir am Ende der Küstenstraße jegliche befestigte Straße – es geht über sehr groben Schotter, abwechselnd mit tiefem Sand – mehrere Kilometer bis zur archeologischen Stätte. Zu Beginn sind wir noch genauso schnell wir ein Touristenvan (der hier wegen der riesigen Steine nicht wirklich gut fahren kann), aber irgendwann müssen wir schieben und fallen zurück.

Nach einer sehr netten Begrüßung und Erklärung neben der Bezahlung bekommen wir jeder einen Audioguide in Form eines Handys und per Blootooth verbundene Kopfhörer. Per VLC-Player können wir an 27 Stationen die Erklärungen zu den Steinen und den über 4.000 Jahre alten Höhlenmalereien anhören und uns in die damalige Zeit zurück versetzen.

Nach einem Kaffee wollen wir aufbrechen. Caesar (rechts auf dem Bild) „autorisiert“ uns, an einem Verbotsschild vorbeizufahren, weil der Weg direkt an der Küste besser sein soll als der, über den wir gekommen sind. Weil gerade wieder dunkle Regenwolken einen Guss vorhersehen lassen, zieht Jutta ihre Regenhose über, und wir machen uns auf den Weg. Den beschriebenen Weg an der Küste verpassen wir anscheinend ungesehen, denn wir landen doch wieder irgendwie weiter oben am offiziellen Ausgang. Und so fahren wir auch auf dem Rückweg etliche Kilometer über Schotter.

Eine lange Straße in Richtung Stadt sieht aus, als sollte hier schon vor längerer Zeit eine Siedlung entstanden sein: älter aussehende Masten für Straßenlaternen alle paar Meter und Stromkabel gibt es, aber weder Häuser noch eine befestigte Straße. Es zieht sich, bis wir endlich wieder im Ort ankommen, aber auch hier bestehen die Straßen noch aus Schotter, bis wir endlich eine Hauptstraße erreichen.

Gegen vier Uhr geben wir die Räder wieder ab, auch, wenn wir sie bis abends behalten dürften – wir haben keine Idee und auch keine wirkliche Lust auf noch eine andere Tour. Nach einem Eis auf die Hand (Jutta probiert Calafate-Eis) geht es ins Hotel. Viktor will/muss auch noch einmal zum Friseur.

Im Barber-Shop gegenüber gibt es einen Haarschnitt und eine Rasur für 10.000 Pesos. Der junge Friseur aus Buenos Aires, der nur die Sommersaison hier arbeitet, hat gerade Ärger mit einer Mutter, deren Sohn er einen schlechten Haarschnitt verpasst hat. Und das, wo doch nächste Woche Einschulung ist. Der Kleine hat aber auch hinten ein Menge Haare abstehen, während der Rest des Kopfes ziemlich kurz geschoren ist. Der Vater war vorher mit dem Sohn hier und hat vermutlich eine heftige Standpauke zu hören bekommen, als er nach Hause kam.
Auch Viktors Anweisung „überall mit der Maschine, 4 mm“ wird nicht eingehalten. Oben muss Viktor mehrfach nachfordern, dass es bitte noch kürzer geschnitten werde, obwohl da ja eigentlich kaum noch Haare vorhanden sind. Die Hoffnung auf eine tolle Nassrasur wird brutal enttäuscht, als plotzlich ein elektrischer Rasierapparat in Viktors Gesicht gedrückt wird … oha ! … na gut, jetzt ist es eh zu spät.

Beim Apotheker unseres Vertrauens – direkt gegenüber vom Hotel – kauft Viktor noch eine Clotrimazol-Salbe gegen eine kleine juckende Hautstelle an der Hüfte. Als der Apotheker erfährt, dass die Gattin Apothekerin ist, bestellt er „Grüße an die Kollegin“ und spart sich jegliche Anwendungshinweise. Und hier in Argentinien ist Clotrimazol verschreibungspflichtig, wie wir dann auf der Verpackung lesen, das hat ihn auch gar nicht gekümmert.

Zum Abendessen gehen wir ins Nativa, die ebenfalls selbstgebrautes Bier anbieten. An der Tafel über der Theke werden acht Biere angepriesen, von denen genau eines tatsächlich gerade verfübar ist. Das Stout-Fass wird für Viktor zwar noch angeschlossen, aber das Bier ist noch zu warm und schäumt am Zapfhahn noch viel zu stark. Jutta geht es bei den vegetarischen Optionen ähnlich. Auch da gibt es heute eigentlich nur eine der Optionen aus der Speisekarte. Das Essen ist nicht schlecht und auch das IPA schmeckt gut, aber Viktor erklärt zum Abschied der freundlichen Bedienung, was man unter „Management of Expectations“ versteht. Denn während wir auf die Rechnung warten, beobachten wir einen neuen Gast dabei, wie er sich die Tafel über der Theke genau anschaut und dazu sogar mehrfach von seinem Tisch aufsteht. Die Bedienung hält es nicht für nötig, ihm einen kurzen Hinweis zu geben, dass es heute nur eine der Biersorten gibt.

Dann geht es durch stürmische Straßen zurück ins Hotel. Der Mond steht am Himmel und hat seit gestern zugenommen, jedenfalls erscheint uns die Sichel breiter als gestern. Aber gestern waren wir uns sicher, dass die Form der Sichel unserer Eselsbrücke für ein „a“ (also abnehmend) entspricht, und nicht dem altdeutschen „z“ (also zunehmend). Und wie schon in Costa Rica bei der Sonnenuhr, lernen wir auch heute wieder etwas Überraschendes dazu (Reisen bildet!). Auf der Südhalbkugel sehen wir zwar die gleiche Mondphase (logisch, denn es geht ja um den Schatten der Erde auf der Mondoberfläche), aber die Mondsichel ist spiegelverkehrt, weil wir sie aus einer anderen Perspektive sehen. Eine gute Erklärung zu dem Thema findet man hier.

Mittwoch 5.3.25 – El Calafate

Der neuntletzte vollständige Tag in Südamerika!

Wir schlafen aus, frühstücken gemütlich und gehen dann erst einmal in den Park an der nahegelegenen Touristen-Information vom Gletscher-Nationalpark, in dem kurioserweise alte Motoren, Zapfsäulen etc. ausgestellt sind. Aber auch mehrfach Charles Darwin und Perito Moreno. Außerdem gibt es dort Birken, europäische Eichen, Douglasien und viele andere autochtone und allochtone Pflanzen der Region.

Anschließend gehen wir ein zweites Mal zum Naturreservat der Lagune Nimez. Mit unserem Ticket vom letzten Mal kommen wir kostenlos hinein, leihen heute aber ein Fernglas zum besseren Beobachten der Vögel. Es ist schön sonnig, aber sehr, sehr windig, und viele Vögel sind wohl entweder ausgeflogen oder haben sich im Windschatten des Schilfs versteckt. Was wir sehen, sind hauptsächlich verschiedene Entenarten – eine davon taucht richtig lange und über weite Strecken – und Blesshühner. Außerdem ein Gänsepaar und einen Ibis jeweils ganz aus der Nähe, aber leider keine Flamingos, die es hier ab und zu auch zu sehen gibt, aber eher in der Dämmerung.

Heute gehen wir auch durch das originelle selbstschließende Tor an den Lago Argentino, wo man bei weniger Wind einen Strandspaziergang hätte machen können.

Um die Mittagszeit verlassen wir ziemlich durchgefroren das Reservat und gehen gleich gegenüber im La Cantina Kaffee trinken. Hier im Haus hinter einer großen Glasscheibe in der Sonne ist es fast schon wieder zu warm, es ist also nur der Wind, der alle frösteln lässt. Sie sammeln hier im Restaurant anscheinend gerne, es hängen etliche Bierkrüge aus deutschen Städten an der Decke, aber es gibt auch mehrere Gitarren, Getränkedosen und Einiges mehr verteilt im Raum.

Nach einem „Umweg“ über die Hauptstraße hin und her (auf der Suche nach einem Nackenkissen für unsere Flüge) gehen wir ins Hotel, wo wir beginnen, die Tage in Buenos Aires zu planen. Gegen vier brechen wir noch einmal auf zum „Centro de Interpretación Histórica Calafate„, einem Museum zur Naturgeschichte Südpatagoniens mit Dinosaurierfossilien bis hin zu menschlichen Artefakten. Es gibt einen Audioguide (mit eigenem Handy und eigentlich Kopfhörern) in verschiedenen Sprachen. An einigen Stellen spricht die künstliche Stimme des Sprechers den deutschen Text US-amerikanisch-englisch aus (bei 0:36 kommt der erste so ausgesprochene Text – wir glauben „hieraus erlernen“, „Vergangenheit“ und „Gegenwart“ zu verstehen), was dann immer etwas schwer zu verstehen ist, besonders weil der deutsche Text offenbar eine Goole-Übersetzung des spanischen Textes ist. Der gesprochene Audioguide ist auch nur ein Überblick – die Details stehen auf etlichen Tafeln, die leider nur auf spanisch sind. Aber die Ausstellung behandelt die gesamte Zeitspanne seit dem Urkontinent Gondwana bis heute und setzt sich auch sehr kritisch mit der Behandlung der Indigenen Bevölkerung Patagoniens auseinander. Es wird unverblümt von Genoziden gesprochen, die hier stattfanden. Und auch Deutsche haben sich hier an Genoziden, Entführungen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt, u.a. wurden in Hagenbecks Völkerschau entführte Menschen aus Patagonien in Berlin und München „zur Schau gestellt“.

Als wir das Museum verlassen, ist es schon fast Abendessenszeit, also gehen wir direkt ins Restaurant „Mako“ – eigentlich vor allem aufgrund des Namens und der Ähnlichkeit mit unserem Nachnamen. Viktor bestellt eine „Promo“ mit Guanaco-Burger und einem inkludierten kleinen Porter-Bier, das sich aber als nicht so leckeres geräuchertes Bier (Smoked Porter) herausstellt. Im Fleisch findet er Knorpelteile und hat ordentlich daran zu kauen. Da Juttas Ravioli sehr übersichtlich sind, wollen wir uns noch einen Nachtisch teilen. Die erste Wahl, Mousse au Chocolat, gibt es heute nicht, die zweite – Tiramisu – auch nicht. Das kennen wir ja schon – wir sind schließlich ziemlich nah am Ende der Welt.
Wir zahlen – nicht ohne dass Viktor noch einen freundlichen Gruß an die Küche ausrichtet und dringend empfiehlt, den Fleischwolf etwas feiner einzustellen, wenn schon der ganze Knorpel mit in den Burger kommt – und gehen statt dessen noch in einer Chocolateria eine heiße Schokolade trinken.

Aus dem Hotelzimmer hören wir abends sehr lange Automotorenlärm vor dem Fenster. Die drinnensitzende Familie scheint mehrere Panchos nacheinander zu bestellen und zu essen – bei laufendem Motor. Viktor versucht es erst rufend, dann geht er nach draußen und bittet darum, dass sie den Motor ausmachen. Statt dessen fahren sie um die Ecke. Kurz danach erklingt erneut Motorenlärm. Als Viktor aus dem Fenster nach unten ruft, lässt der Fahrer den Motor extra ein paar Mal laut aufheulen.

Donnerstag 6.3.25 – El Calafate – Buenos Aires

Der achtletzte vollständige Tag in Südamerika!

Wir stehen um sieben Uhr auf und packen dann alle unsere wenigen Sachen ein, da wir nach dem Frühstück auschecken müssen. Gegen neun Uhr werden wir mit einem PKW zu einer letzten Tour abgeholt: wir reisen in eine unwirkliche Welt – einen versteinerten Wald.

Bis zur Parada La Leona sind wir alleine mit dem Guide Pablo, genannt Pol, und dem Fahrer, dort treffen wir auf vier Kanadier aus Toronto, die mit einem Leihwagen unterwegs sind, und nach einer kurzen Pause fahren wir zunächst über sehr viel Schotter und danach die letzten Kilometer hinter einem verschlossenen Tor auf einem Privatgrundstück bis zum Startpunkt der Wanderung.

Wir blicken uns um. Und sehen „fifty shades of grey“, eine an die Mondoberfläche erinnerde graue, hügelige Wüste. Zu sechst – ein Kanadier fühlt sich nicht wohl (zittert als hätte er Schüttelfrost) und bleibt im Auto – machen wir uns auf den Weg.

Schon bald bekommen wir den ersten Dinosaurierknochen zu sehen, einen Femur (Oberschenkelknochen) im Vergleich zu einem darauf abgelegten Rinder-Femur.

Rinderknochen auf versteinertem (und zersprungenem) Dinosaurierknochen

Pol ist total begeistert vom Wunder der Versteinerung, das uns eine 100%ige Kopie des Ausgangsmaterials liefert, aber eben als Stein. Die Versteinerung beginnt immer von außen und geht nach innen weiter, manchmal mit unterschiedlichen Mineralien, meist Silikat, aber auch Eisen, Kohlenstoff oder Quarz. Alle Formen und Strukturen werden so eins zu eins abgebildet, bei Baumstämmen kann man die Jahresringe zählen, bei Knochen kann man die feinen Trabekel im Inneren erkennen. Selbst die kleinsten Fossilien haben schon ein hohes Gewicht, weil sie eben versteinert sind.

Für eine Mittagspause halten wir an einer Stelle mit „Tisch und Stühlen“ in Form von versteinerten Baumteilen und machen ein Picknik. Ab dort liegen die Bäume nun gehäuft herum. Der letzte Anstieg zum Parkplatz hat es in sich, in Serpentinen geht es steil hinauf. Nach etwa drei Stunden sind wir wieder an den Autos und fahren noch einmal gemeinsam zur Parada La Leona. Dort tauschen wir Telefonnummern, Bilder und Videos mit den Kanadiern, bevor wir in unterschiedliche Richtungen weiterfahren, nicht ohne uns gegenseitig nach Berlin und Toronto einzuladen.

Auf der Rückfahrt überholen wir richtig viele Bikepacker, die heute alle noch lange fahren müssen, bis sie irgendwo eine Übernachtungsmöglichkeit finden werden. Pol bietet in seiner Wohnung und seinem Wohnwagen in El Calafate auch vielen Radfahrenden Unterschlupf (über Air B&B), wird heute sogar noch zwei Pärchen beherbergen. Außerdem sehen wir drei Nandus recht nah und dürfen sie kurz filmen.

Wir werden direkt zum Flughafen gefahren, wo wir um halb fünf ankommen für unseren für 20:25 Uhr geplanten Flug nach Buenos Aires. Die Anzeigetafel zeigt leider schon eine Verspätung an. Wir setzen uns ins Café „Coffee is in the air“ und warten… Um 19 Uhr heißt es, wir fliegen um 21:45, mal schauen. Außerdem investieren wir in einem Souvenirshop am Flughafen doch noch in ein Nackenkissen für den Flug, da mit Juttas Nacken nicht zu spaßen ist. Viktor lädt die Bilder und Videos des Tages auf den WordPress-Server und auf YouTube hoch. Jutta beginnt schon mal mit dem heutigen Blog-Beitrag.

Irgendwann erledigen wir unseren Check-In und bestellen uns Burger, mittlerweile zeigt die Anzeigetafel für unseren Abflug eine Zeit nach 22:00 Uhr. Da wir den Securityleuten nicht den Feierabend vermiesen wollen, gehen wir schon einmal durch die Sicherheitskontrolle und setzen uns in den Abflugbereich. Dort finden wir eine Steckdose, in die unsere Ladegerät mit europäischem Stecker passt, laden Viktors Mobiltelefone und schreiben weiter am Blogbeitrag.

Es wird spät … um 22:00 Uhr hängen wir immernoch am Flughafen El Calafate fest. Um etwa 20 nach zehn landet unsere Maschine, bis wir wieder abfliegen, ist es fast 23 Uhr. Um zehn vor zwei landen wir am EZE an einer Außenposition, haben zum Glück nur unser Handgepäck und können gleich zum Taxistand. Beim Bestellen eines offiziellen Taxis wird hier am Flughafen im Vorraus ein fester Preis – egal, wohin in der Stadt – bezahlt, und auch hier werden 10% aufgeschlagen, wenn man mit Karte zahlt.

Um drei Uhr werden wir an der Adresse abgesetzt, finden schnell den an einem Mülleimer am Straßenrand befestigten Schlüsseltresor und gelangen problemlos in das Apartment im vierten Stock. Noch schnell eine Nachricht an die Vermieterin, dass der Techniker für die defekte Klimaanlage bitte noch nicht um neun Uhr kommt, wie vorgeschlagen, und dann schnell ins Bett.

Freitag 7.3.25 – Buenos Aires

Der siebtletzte vollständige Tag in Südamerika!

Um acht Uhr morgens kommt eine laut trommelnde und grölende Demonstration durch unsere Straße und weckt uns. Jutta steht auf, Viktor dreht sich noch einmal um und schläft noch eine ganze Weile weiter.

Wir haben heute erst für nachmittags unsere erste Free Walking Tour gebucht. Der Techniker für die Klimaanlage soll zwischen 12:00 und 12:30 Uhr kommen. Also geht Jutta erst ziemlich spät zum Dia-Markt und besorgt ein paar Dinge zum Frühstück, wir frühstücken und warten auf den Handwerker. Hierbei erfahren wir, dass es in der letzten Nacht nur auf 27°C abgekühlt ist, es die weiteren Nächte aber besser werden soll. Der Unterschied zwischen der Kälte Patagoniens und hier hätte also kaum größer sein können.

Als um 12:45 Uhr immer noch niemand gekommen ist, schreiben wir der Vermieterin, dass wir nicht länger warten und den Schlüssel in den Tresor legen. Dann fahren wir mit der U-Bahn (Subté = Subterráneos) schon einmal in die Nähe des Nationalkongresses, wo die Tour losgehen soll, laufen ein wenig durch die Straßen, immer auf der Schattenseite, gehen ins Café Martinez, laufen weiter, bis es kurz vor drei ist.

Die beiden Guides schicken alle ankommenden Touris um die Ecke in den Schatten – selbst sie sagen, dass es ungewöhnlich heiß ist. Dann wird eine kleine spanischsprachige und eine sehr große englischsprachige Gruppe gebildet. Unser Guide ist Martin (Wasserman mit Nachnamen), ist in Buenos Aires geboren und hat offenbar deutsche Vorfahren. Wir bekommen eine sehr engagierte und in Teilen auch emotionale und humorvolle Führung durch das Stadtzentrum.

Er geht besonders auf den Palacio Barolo, den Denker und die Madres de la Plaza de Mayo ein. Besonders emotional wird es, als er erzählt, dass die Abuelas de la Plaza de Mayo es geschafft haben, über 100 während der Militärdiktatur von 1976–1983 zwangsadoptierte Kinder wieder in Kontakt mit ihren leiblichen Großmüttern zu bringen. Dazu wurde eines der besten DNA-Labore der Welt in Buenos Aires aufgebaut und zweifelnden Kindern aus Militär- und Polizeifamilien (die damals in der Regel die Adoptiveltern wurden) die Möglichkeit gegeben, ihre DNA mit der von „Großmüttern“ abzugleichen, deren schwangere Töchter damals spurlos verschwanden. Diese wurden nach der Geburt ihrer Kinder von der Militärdiktatur exektuiert und die Kinder zwangsadoptiert.

Auch den Peronismus erklärt uns der studierte Soziologe Martin auf unnachahmliche, wenn auch extrem vereinfachende Art, besonders die Tatsache, dass der Peronismus sowohl von der extremen Linken als auch von der extremen Rechten abgelehnt wurde. Die extremen Linken wollten eine marxistische Revolution mit Produktionsmitteln in Arbeiterhand statt im Privateigentum, die extremen Rechten wollten keinerlei staatliche Interventionen und ein freies Aushandeln der Arbeitsbedingungen ohne Streikrecht und Gewerkschaften, die unter Peron legalisiert wurden (allerdings erst nach der Verhaftung einiger Gewerkschaftsführer).

Ebenfalls erwähnt werden auf der Tour die Todesflüge während der letzten Militärdiktatur, bei denen politische Gegner nach Erhalt einer Betäubungsspritze aus großer Höhe über dem Rio de la Plata abgeworfen und so ermordert wurden. Der „Erfinder“ dieser Flüge, Adolfo Scilingo, sitzt in Spanien in Haft.

Am Emotionalsten wird Martin, als es um den Obelisken geht: Auf dem Platz am Obelisken treffen sich spontan die Menschen, wenn es etwas zu feiern gibt, und 2022 nach der Fußball-Weltmeisterschaft waren es 5 Millionen, die den neuen Weltmeister feierten. Und dann erzählt er, wie wichtig der Fußball in diesem Land ist, mit einer wahnsinnigen Inbrunst. Er ist Anhänger das Fußballvereins River Plate, einem der beiden beliebtesten Vereine Argentiniens, zusammen mit den Boca Junios. Beide Vereine sind aus Buenos Aires und die Rivalität zwischen ihnen ist enorm. Die Spiele zwischen den beiden werden Superclasico genannt und sind das bekannteste Stadtderby der Welt. Martin erzählt von dem wichtigsten Derby, bei dem es 2018 sogar um die Copa Libertadores ging, also den Südamerika-Pokal, der vergleichbar mit der Champions League in Europa ist. Das Rückspiel des Finales musste in Madrid ausgetragen werden, weil die Sicherheit in Buenos Aires nicht gewährleistet werden konnte. Er erzählt mit besonderem Grinsen von den „toten Augen“ der Boca Fans, die er nach dem Sieg seiner River Plate Mannschaft so sehr genossen habe.

Zu guter Letzt empfiehlt uns Martin noch den Film „Argentinien, 1985 – Nie wieder“ und sein eigenes Videoprojekt „La Biografia de Dios“ über das alte Testament und wer es geschrieben haben könnte.

Abendessen gehen wir in der Panera Rosa, die „Rosa Brotkammer“ (nicht zu verwechseln mit Pantera Rosa = rosaroter Panter), wie sich herausstellt eine Restaurant-Kette, die es auch in Spanien, Uruguay, Chile und Paraguay gibt.

Samstag 8.3.25 – Buenos Aires

Der sechstletzte vollständige Tag in Südamerika!

Die Nacht ist ziemlich unruhig, denn draußen scheint es richtig heftig zu regnen und zu stürmen. Wie wir später während der ersten Tour des Tages erfahren, waren die letzten 14 Tage in der Region Buenos Aires von großen Temperturschwankungen, Starkregen und Sturm geprägt. Überall liegen abgerissene Äste herum und einige Parks sind gesperrt, weil Aufräumarbeiten erforderlich sind. In der Hafenstadt Bahia Blanca (ca. 600 km südlich) gab es bei Überschwemmungen sogar Todesopfer.

Die Wetter-App schreibt, dass es heute zehn Grad Celsius kälter als gestern ist und wird. Kalt es es trotzdem nicht – wir nehmen nur vorsichtshalber die Regenjacken und langen Hosenbeine unserer multifunktionalen Hosen mit. Da die Free Walking-Tour in den Vierteln Recoleta & Retiro erst um halb elf statt wie (von Jutta) vermutet um zehn beginnt, sind wir schon etwas früh am Treffpunkt, dem Teatro Colón, weshalb wir die Zeit nutzen, im nahegelegenen Café Petit Colón einen schnellen Kaffee zu trinken. Man kommt sich ein wenig wie in Paris vor, allerdings ist der Kaffee hier wieder einmal so stark geröstet, dass Viktor nach dem Süßen (was er sonst nie benötigt) ein noch nie dagewesenes Geschmackserlebnis hat: viel zu bitter und gleichzeitig viel zu süß.

Nahuel ist der Guide für die wieder sehr viel gößere englischsprachige Gruppe. Wegen seines „schwierigen“ indigenen Namens hört er auf mehrere andere Namen, unter anderem Jenny, wie er sich heute mehrfach auch selber nennen wird. Die erste Erklärung gibt es zum Teatro Colón, einem Theater und Opernhaus mit einer der besten Akustiken der Welt. Plácido Domingo, Luciano Pavarotti und andere haben dieses bestätigt. Fast nebenan befindet sich das Teatro Cervantes, nur ein weiteres der sehr vielen Theater hier in der Stadt.

Dann bekommen wir etwas über die Geschichte des Landes zu hören. Es gab eine Zeit, als innerhalb von nur 20 Jahren die Bevölkerung der Stadt Buenos Aires von 200.000 Menschen auf 1,5 Millionen Menschen gestiegen ist – durch Einwanderer aus vielen Europäischen Ländern, vor allem Italien und Spanien. Und da alle Einwanderer ihre Architektur und Kultur (besonders die Musik) mitbrachten, hat Argentinien heute eine so vielfältige Kultur.

Aus der Kolonialzeit findet man hier nur noch vereinzelte Gebäude. Statt dessen finden sich hier in Recoleta eher prunkvolle Villen im Pariser Stil, weshalb es auch das Paris Argentiniens genannt wird. Als die Patrizierfamilien die Häuser während der Weltwirtschaftskrise nicht halten konnten, wurden viele von Staaten gekauft. Heute sind in diesem Viertel die Botschaften vieler Länder.

Wir gehen weiter ins Viertel Retiro. Dieses heißt so, weil es zunächst die Ruhestends – oder Urlaubsresidenzen der Reichen waren – es lag damals noch auf der anderen Flussseite. Während der Gelbfieberepedemie wollte man der engen Innenstadt entkommen und zog permanent dorthin – damals war es eine große Entfernung, von der man dachte, dass die Mücken sie nicht zurücklegen. Es wurde immer mehr Land dem Fluss abgewonnen. Ein Block macht über die gesamte Strecke eine Steigung nach unten – hier war vor der Landgewinnung das Ufer.

Die Tour endet an einem Platz vor dem Recoleta-Friedhof, wo der älteste Baum der Stadt steht (bzw. botanisch gesehen ist es ein australischer Busch – die Gomera de la Recoleta). Die Äste werden teilweise von Metallstützen getragen, an einem Ast schultert eine Atlas-Skulptur einen dicken Ast – oder die ganze Erde.

Atlas

Um halb zwei endet die Tour. Wir wollen mit dem Bus in die Nähe des Hafens fahren, wo um drei die Nachmittagstour beginnt. Immerhin gibt es Bushaltestellen mit angeschlagenen Linien in der Stadt, das wollen wir ausnutzen. Nach etwas Suchen finden wir die richtige Station und winken auch brav zwei passenden Bussen, die leider nicht anhalten, aus welchem Grund auch immer. Erst der dritte lässt uns einsteigen. Langsam wird die Zeit knapp!

Nach relativ kurzer Fahrt sind wir da und gehen dorthin, wo es mehrere Cafés geben soll. Die ersten scheinen nur wochentags geöffnet zu haben, aber immerhin gibt es ein geöffnetes Starbucks, das uns eine kurze Stärkungspause ermöglicht.

Um 15 Uhr treffen wir vor dem Kulturzentrum Kirchner auf die Guide Paloma und eine relativ kleine Gruppe. Diese Tour durch den Puerto Madero gibt es nur in spanischer Sprache. Dieser Hafen wurde in den 1880-er Jahren gebaut, weil der erste, weiter südlich liegende Hafen (Boca), zu klein für den wachsenden Schiffsverkehr geworden war. Eduardo Madero, der keinerlei Erfahrung mitbrachte, aber wohl der Schwiegersohn des Präsidenten war, durfte ihn bauen – und nach ihm ist er benannt. Schon 40 Jahre später waren die Schiffe zu groß für die engen Einfahrten, und weiter im Norden wurde ein größerer, neuer Hafen gebaut, diesmal von dem Mann, der Madero seinerzeit im Wettbewerb unterlegen war (Luis Huergo). Dieser kammförmige Hafen erfüllt auch heute noch zuverlässig seinen Dienst.

Wir gehen über die Puente de la Mujer und bekommen den Drehmechanismus erklärt (wie bei der Kaiser-Wilhelm-Brücke in Wilhelmshaven ;-)). Santiago Calatrava, der die Brücke entworfen hat, stammt aus Valencia und hat unter anderem erklärt, dass sie ein tango-tanzendes Paar darstellen soll. Unsere Guide gibt sich alle Mühe, die Linien der Brücke mit Tangopositionen darzustellen, aber so ganz klar wird es uns nicht.

Jetzt sind wir im neuesten Wohnviertel von Buenos Aires mit lauter luxuriösen Hochhäusern und bekommen zum Beispiel das gezeigt, in dem das Penthouse keinem Geringeren als Messi gehört. Auf der Promenade gab es Skulpuren von ihm und anderen Berühmtheiten, aber nachdem sie in Teilen oder ganz geklaut wurden, hat man sie abgebaut, und es gibt nur in den Boden eingelassene Erinnerungssteine – eine Art Walk of Fame.

Wir machen eine kleinen Zwischenstopp an einem Denkmal für den Tango, dessen wichtigstes Instrument das Bandoneon ist, das in Deutschland erfunden wurde, und in dem Denkmal dargestellt wird. Der Tango ist im Großraum „Rio de la Plata“ in Buenos Aires und Montevideo entstanden. Er ist aus einer Mischung sehr vieler unterschiedlicher Tanz- und Musikrichtungen enstanden und ist damit ein typisches Multi-Kulti-Produkt der Einwandergeschichte von Buenos Aires.

Wir schließen gegenüber der Reserva Ecológica de Buenos Aires. Hier befand sich bis 1960 eine große Badeanstalt, die dann aufgrund der starken Kontamination des Flusses geschlossen werden musste. Der Bauschutt besonders des Autobahnbaus von Buenos Aires wurde im Fluss versenkt, um dort ein neues Regierungsviertel bauen zu können. Dieses Projekt wurde 1984 fallengelassen, da der Boden nicht ausreichend stabil war. Seitdem hat sich die Natur dieses gewonnene Land erobert, und heutzutage findet man dort eine vielfältige Flora und Fauna. Nur ist der Eintritt gerade heute wegen des nächtlichen Unwetters verboten – vielleicht kommen wir an einem anderen Tag noch einmal wieder.

Wir laufen zur Enthaltestelle unserer Metro und fahren zu unserer Station „Dorrego“. Dort gehen wir im Condarco essen, auch wenn es die eigentlich von Viktor avisierten Gerichte um diese Zeit nicht gibt, sondern nur Kleinigkeiten, denn die online gefundene Abendkarte ist erst ab 20 Uhr gültig. Wir teilen uns eine spanische Tortilla und ein Sandwich mit Kimchi, müssen relativ lange darauf warten und sind aber überraschend zufrieden damit.

Im Appartment schaffen wir heute nicht mehr viel.

Sonntag 9.3.25 – Buenos Aires

Der fünftletzte vollständige Tag in Südamerika!

Nach einer ruhigeren Nacht frühstücken wir in aller Ruhe, denn wir haben erst für 11 Uhr eine Free Walking Tour im Viertel San Telmo reserviert. Wir entdecken auf dem Milch-Tetrapack den argentinischen Impfkalender und sind überrascht, was man so alles auf Tetrapacks unterbringen kann.

Impfkalender auf Milchtüte

Gegen 10 Uhr machen wir uns auf den Weg, und es wird fast ein wenig knapp, denn sonntags fährt „unsere“ U-Bahn-Linie scheinbar nur alle 10 Minuten. Der Fahrpreis, der von unser SUBE-Karte abgebucht wird, ist schon wieder höher als in den vergangenen Tagen. Heute sind es 1.500 Pesos. So ein Land mit galoppierender Inflation bietet schon ganz besondere Erfahrungen. Dabei war die Inflation im vergangenen Jahr schon deutlich niedriger, z.B. nur noch 84,5% (Februar 2025 gegenüber Februar 2024) im Vergleich zu zeitweise über 200% in den Jahren davor.

Die U-Bahn ist hier in Buenos Aires schon ziemlich in die Jahre gekommen. Während der Fahrt hat man das Gefühl, dass sie beim Anfahren und Abbremsen nur die Zustände „An“ und „Aus“ kennt. Es ist ein ständiges Rucken, das uns im Stehen immer wieder vor- und zurückschwanken lässt. Sanftes Beschleunigen und Abbremsen scheint hier völlig unmöglich, vermutlich gibt es die Technik einfach nicht her. Viktor wird daran erinnert, dass die zeitliche Ableitung des „Weges“ (m) die „Geschwindigkeit“ (m/s) ist, die zeitliche Ableitung der „Geschwindigkeit“ (m/s) die „Beschleunigung“ (m/s²), und die zeitliche Ableitung der „Beschleunigung“ (m/s²) der „Ruck“ (m/s³). Jede Änderung der Beschleunigung erzeugt also immer einen Ruck. Die zeitliche Ableitung des „Rucks“ ist übrigens der „Knall“.

Die Walking Tour beginnt am Rande des Viertels San Telmo an der Kirche San Ignacio de Loyola, die als eine der ersten Kirchen von Buenos Aires von den Jesuiten erbaut wurde. Unter uns befindet sich noch das Tunnelsystem, dass in der Kolonialzeit von den Spaniern errichtet wurde. Man sagt, dass die Schüler des Collegs nebenan „die Ratte gemacht“ haben, wenn sie schwänzen wollten, weil sie sich – wie die Ratten – in die Tunnel statt in die Schule begeben haben.

In San Telmo sind die Straßen am Sonntag ziemlich voll und wir wundern uns, dass diese Tour nur einmal in der Woche und dann gerade am Sonntag angeboten wird. Am Ende ist es auch gar keine Free Walking Tour, denn wir zahlen jeder 10 US-$ und nicht – wie bei einer Free Walking Tour üblich – einen selbst gewählten Betrag, der bei uns meist höher als diese 10 US-$ ausfällt. Unser Guide ist Juan, der uns sehr engagiert durch das Viertel führt und sogar die Stimmen von Comic-Figuren imitiert, die hier an vielen Stellen am Straßenrand stehen. Die wichtigste davon ist Mafalda, die in der ganzen spanischsprachigen Welt sehr bekannt ist und hier in Buneos Aires „geboren“ wurde. Ihre Figur am Straßenrand ist jedoch sonntags so belagert, dass wir nicht mal nah genug herankommen, um sie zu sehen.

Mafalda

Unsere Tour endet auf der sonntäglichen Feria de San Telmo, einem Antiquitätenmarkt auf der Plaza Dorrego, der es mit seiner Einführung 1957 geschafft hat, den Abriss des gesamten Stadtviertels zu verhindern, weil es durch den Markt neuen touristischen Zulauf gab. Heute ist es eines der beliebtesten Stadtviertel mit hohen Immobilienpreisen.

Schon heute morgen hatten wir uns vorgenommen, wenigstens eine der beiden Eis-Einladungen „abzuarbeiten“, die wir noch in „Reserve“ haben. Hier in Buenos Aires ist es wenigstens wieder warm genug, so dass wir auch Appetit auf Eis haben. Allerdings ist ja Argentinien das Land, in dem sie zwar die Eissorte „Banana Split“ kennen, aber nicht unbedingt den Banana Split, der aus drei Kugeln Eis auf einer der Länge nach geteilten Banane besteht. Während der Walking Tour ist Viktor schon in einige Eisläden gesprungen und hat vergeblich nach „Copas de Helado“ und Banana Split gefragt. Überall wird das Eis nur in Wegwerfbechern oder Waffeln serviert, aber nicht im Glasbecher. Bei Google finden wir La Veneciana am Puerto Madero, und auf den Fotos sind Eisbecher in Glasschalen zu sehen. Und tatsächlich erhalten wir dort sogar Banana Split, es gibt sogar zwei Varianten mit gleichem Namen. Wir bedanken uns herzlich bei den treuen Lesern und Spendern – Familie Rühle aus Hohen Neuendorf.

Mit herzlichem Dank an Familie Rühle

Viktor hat schon den ganzen Tag über Kopfschmerzen und es kommen links am Nachmmittag auch noch Ohrenschmerzen hinzu. Die Schluckbeschwerden der letzten Tage scheinen nun doch langsam dorthin zu wandern, wo es ungemütlich wird. Also machen wir uns nach dem Banana Split auf den Rückweg in unsere Wohnung, wo er eine Ibuprofen einehmen und sich für zwei Stunden hinlegen kann, während Jutta an den Blog-Beiträgen der letzten Tage arbeitet, die noch nicht ergänzt und korrigiert waren.

Für das Abendessen finden wir nur ein geöffnetes Restaurant in der Gegend, das La Farola de Dorrego. Für die Speisekarte müssen wir – wie so oft – einen QR-Code einscannen. Gedruckte Speisekarten ergeben in einem Land mit hoher Inflation auch wenig Sinn, hier müssen die Preise schließlich wöchentlich erhöht werden.
Da wir nur ein Telefon ohne Internetzugang dabei haben, benötigen wir das Passwort für das WIFI im Lokal, um die Speisekarte aufzurufen. Die Bedienung wiederholt mehrfach für Viktor das Passwort „Corriente 6196 – todo minuscula“, also „Corriente 6196 – alles in Kleinbuchstaben“, aber es will auch nach mehrmaligem Nachfragen und Eintippen nicht funktionieren. Beim allerletzen Nachfragen steht zum Glück ein Kollege unserer Bedienung in der Nähe und sagt „Corrientes – no te trages la ‚S‘ !“ , also „Corrientes – verschluck doch nicht das ‚S‘ !“. 😉 Ja so ist das hier in Argentinien und besonders in Buenos Aires. Das Spanisch, das hier gesprochen wird, erinnert stark an Südspanien, wo das „S“ am Ende der Worte auch oft weggelassen wird, z.B. „Vamo!“, statt „Vamos!“. Jedenfalls funktioniert das Passowrt „corrientes6196“ natürlich auf Anhieb. Wir bestellen uns zwei Pizzen, die fett mit Käse belegt sind und auf jeden Fall gut sättigen.

Bei der Rückkehr in die AirBnB-Wohnung dokumentieren wir noch unser Eintreten am Hauseingang. Das Sicherheitssystem ist so geschaltet, dass man nur circa 3 Sekunden Zeit hat, um die Tür wieder zu schließen, bevor ein ohrenbetäubender Alarmton losgeht. Wir schaffen es nur jedes zweite Mal, schnell genug zu sein, aber diesmal gelingt es.

Der abendliche Versuch, auf Amazon Prime den Film „Argentinien 1985 – Nie wieder“ anzuschauen schlägt fehl. Die Amazon Prime App behauptet, der Film sei „derzeit nicht verfügbar“ … was auch immer das genau bedeuten mag. Später (also jetzt beim Schreiben dieser Zeile) bemerken wir, dass wir den Film auf dem Laptop problemlos anschauen könnten, aber da stecken wir schon mitten im Blog-Schreiben.

Woche 48 (24.2.25 – 2.3.25) – Ushuaia – El Calafate

Montag 24.2.25 – Ushuaia

Am Tag nach der Bundestagswahl in Deutschland haben wir unseren letzten kompletten Tag hier am Ende der Welt, denn morgen abend geht es weiter nach Buenos Aires. Nach dem Frühstück gehen wir in das „Museo Marítimo y del Presidio de Ushuaia„, das in den Räumlichkeiten des damaligen Gefängnisses einige verschiedene Museen enthält. Netterweise kann man mit dem (recht teuren) Ticket noch ein zweites Mal am Folgetag Eintritt erhalten, denn für einen einzelnen Besuch ist es fast zu groß.

Wir beginnen mit dem Besuch des Maritimen Museum, das gleich hinter der Kasse beginnt und dann aber in einem der Gefängnistrakte im ersten Stock weitergeht.

Es gibt den Audioguide sogar in deutscher Sprache, und wir hören uns die Erklärungen so lange an, bis der Akku des Handys leer ist. Unklar bleibt uns aber auch nach dem Besuch dieses Museums der Status der Falkland-Inseln/Malvinas. Auf den hier gezeigten Karten ist die Hauptstadt Stanley mit einem kleinen Papier mit „Puerto Argentino“ überklebt, der direkt danebenliegende Hafen heißt aber „Stanley Harbour“. Es ist alles sehr seltsam! Offensichtlich befindet sich der Streit um die Inseln zwischen Argentinien und Großbrittanien nach wie vor in einer Art Schwebezustand, der uns gar nicht bewussst war. Überall stehen hier in der Region Schilder oder hängen Plakate – so z.B. vor allen Polizeistationen und Kasernen -, die besagen, dass die Malvinen schon immer Argentinisch waren, es immernoch sind und auch immer sein werden – trotz des verlorenen Falkland-Krieges gegen Großbrittanien 1982. Bei den Vereinten Nationen erklärt Argentinien seit Jahrzehnten jährlich seine Besitzansprüche. Gleichzeitig waren die Falklandinseln bis 2020 Teil der überseeischen Länder und Gebiete der Europäischen Union, als Großbrittanien noch Teil der EU war.

Im Gefängnismuseum ist es gleich wesentlich kälter, obwohl alles im selben Gebäude ist, besonders in dem noch alt belassenen ersten Originaltrakt ist es fast kälter als draußen.

In einem halben Trakt, noch hinter dem Museumsladen versteckt, gibt es eine kleine Ausstellung über die Indigenen Völker dieser Gegend. Wir erfahren unter anderem, wie gespendete Kleidung aus Europa mit dazu beigetrug, dass die Yagan innerhalb weniger Jahrzehnte ausstarben.

Nach drei Stunden verlassen wir das Museum erst einmal und gehen in einer Tante Sara-Filiale Kaffee trinken, bevor wir uns wieder ins Hotel begeben. Hier packen wir das Tandem abschließend fertig und bleiben dieses Mal (der Karton ist nicht ganz so schwer wir letztes Jahr) gut unter den erlaubten 32 kg.

Als dieses erledigt ist, beschäftigt Viktor sich mit den Aufzeichnungen des PAJ der letzten Wochen, insbesondere der Schiffsreise von Puerto Montt nach Puerto Natales, die mangels Handynetz nur unvollständig aufgezeichnet wurde und in unerer Google MyMap nicht richtig dargestellt wird, während Jutta liest.

Zum Abendessen gehen wir ins Augusto Ushuaia – hier in Ushuaia kann man tatsächlich locker jeden Tag woanders essen, das wäre auf unserer langen Reise längst nicht überall möglich gewesen. Zurück im Hotel schauen wir die Tagesthemen vom Tag eins nach der Wahl, bevor wir uns dem Blog und dem Packen des restlichen Gepäcks – aller Radtaschen – widmen.

Dienstag 25.2.25 – Ushuaia – Flieger nach Buenos Aires

Vor dem Frühstück versuchen wir, unsere gepackten Taschen in die pink-bunten gekauften Jumbotaschen zu packen – leider bleiben Teile übrig, die beim besten Willen (ein Reisverschluss ist schon gerissen) nicht mit hineinpassen. Also doch lieber einen preiswerten Koffer kaufen gehen? Wir wollen im Frühstücksraum überlegen. Der Hotelbesitzer hätte einen alten Koffer, der allerdings nicht leer ist, schlägt aber vor, doch einfach alles mit Schrumpffolie zu umwickeln, eine Idee, die Jutta auch schon hatte, aber von Viktor vehement verworfen wurde.

Genau das machen wir dann aber nach dem Frühstück, denn wir hören ja auf die Ratschläge der „Locals“, bringen die drei Taschen in den Gepäckraum und das Tandem in den Flur, um alles bis abends dort stehen zu lassen.

Bei immer noch andauerdem Regen gehen wir noch einmal zum Museo Marítimo y del Presidio de Ushuaia, wo es heute anscheinend sogar noch voller ist als gestern. Bei dem Dauerregen und den dazu niedrigen Temperaturen (unter 5°C) kein Wunder. Wir beginnen im Trakt mit dem Antarktis-Museum. Hier geht es vorwiegend um die Entdeckung und spätere Erforschung des weißen Kontinents, untergebracht wieder in den kleinen ehemaligen Gefängniszellen.

Im Anschluss gehen wir in einen nur nummerierten Trakt, in dem komischerweise zwei der Entdecker der Antarktis, Larson und Amudsen, und deren Expeditionen ziemlich durcheinander auf Bannern erklärt werden.

Am Skurrilsten ist schließlich ein Trakt, in dem Gefängnisse aus aller Welt vorgestellt werden, und zwischendrin ohne größere Erklärung das ehemalige KZ Sachsenhausen sowie das KZ Auschwitz-Birkenau.

Viktor geht alleine noch ganz kurz durch die Kunstgalerie, während Jutta im Mehrzweckraum in der Mitte wartet. Der ausgestellte lokale Künstler scheint irgendwie Schlipsträger und die Mittelschicht zu verabscheuen und sich ganz den sozialen Fragen der Ureinwohner zu widmen.

Durch den Regen gehen wir ins Café der Tourist Box, da wir noch einen 10%-Gutschein hierfür haben, und bleiben dort für eine ganze Zeit. Hier im WIFI können wir noch ein wenig mit Julius hin und her schreiben, bevor dieser morgen für fünf Wochen in Richtung Thailand aufbricht und also nicht zuhause sein wird, wenn wir wieder zurück kommen.

Am späteren Nachmittag sitzen wir im Hotelfoyer und ruhen uns ein wenig aus – der Abend wird noch lang und wir haben letzte Nacht nicht so gut geschlafen – sind offenbar beide etwas nervös wegen des Tandem-Transports! Für 18 Uhr ist ein großes Taxi bestellt, das uns zum Flughafen bringen soll, da das Auto des Hotels nicht groß genug für den Tandemkarton ist. Schon eine gute Viertelstunde früher steht der Taxifahrer auf der Straße. Wir sehen sofort, dass auch dieses Auto nicht groß genug ist. Na super, er hatte die genauen Maße des Kartons erhalten und bestätigt, dass es passen würde. Nachdem alle Sitze umgeklappt bzw. die Vorderen ganz nach vorne geschoben sind, passt der Karton dann doch liegend hinein. Nur für uns beiden muss jetzt noch ein weiteres Taxi her! Und besonders glücklich sind wir mit dem eingequetschten Karton nicht!

Wir werden also mit zwei Autos zum Flughafen gefahren, laden dort im Regen alles wieder aus und bringen es zum Schalter. Hier können wir den großen Karton nicht zu einem extra Schalter für Sperrgepäck bringen, statt dessen hieven die Mitarbeitenden ihn auf das normale Transportband für Gepäck, um es irgendwie durch das Röntgengerät zu quetschen. Der Karton erhält dabei einige paar Fußtritte. Wir mögen kaum hinsehen!

Wahrscheinlich benötigen wir in Buenos Aires noch einen neuen Karton, so, wie hier schon damit umgegangen wird. Positiv ist, dass uns das Extragewicht keine 20 Euro kostet, das wird bei Lufthansa definitiv teurer werden.

Die Zeit bis zum Abflug verbringen wir im einzigen Flughafencafé. Wieder gibt es ganz in der Nähe im Terminal ein Schild zum Falkland/Malwinen-Konflikt und eine Vitrine mit der Fahne Argentiniens, die dereinst auf den Malwinen gehisst werden soll, wenn sie wieder unter argentinischer Kontrolle stehen.

Am Flughafen: Die Malwinen sind Argentinien

Als wir an Bord gehen schaut Viktor routinemäßig auf das Typenschild des Flugzeugs, das sich in der Einstiegstüre befindet. Wir fliegen mit einer Boeing 737-8. Viktor behält diese Tatsache bis zur Landung lieber für sich, denn die geringen Turbulenzen beim Start machen Jutta schon nervös genug.

Boeing 737-8
An Bord

Mittwoch 26.2.25 – Buenos Aires – Ezeiza Flughafennähe (EZE)

Wir landen gegen 1:00 Uhr in Buenos Aires. Die schnelle Überprüfung der Apple AirTags, die wir im Gepäck haben, zeigt uns – noch im Flugzeug sitzend -, dass alles im Flieger mitgekommen ist, auch unser Tandem. Das ist schon mal sehr gut. Wir halten auf einer Außenposition und werden mit einem Bus zum Terminal gefahren. Dort wird auch das Sperrgepäck über das normale Gepäckband angeliefert und unser Tandemkarton ist tatsächlich das Erste, was auf dem Band herausgefahren kommt.

Am Gepäckband werden wir auf Englisch angesprochen, ob wir im Hotel Austral waren. Jutta versteht es erst gar nicht, aber der U.S.Amerikanische Herr war in Ushuaia im selben Hotel und hat uns und auch das Tandem dort gesehen. Er fragt aber erst jetzt, tausende Kilometer weiter, nach unserer Tour.

Wie erwartet sieht der Karton ziemlich mitgenommen aus. Er scheint länger auf dem Vorfeld in Ushuaia im Regen gestanden zu haben. Er ist unten stark eingedrückt und feucht. Oben ist er an dem von uns gebastelten Griff stark eingerissen. Das werden wir wohl nochmal mit weiteren Pappkarton-Stücken reparieren und verstärken müssen, damit er den Flug nach Berlin mit Umladen in Frankfurt überleben kann.

Zu allem Überfluss besteht unser gebuchter Abholservice aus Vater und Sohn mit zwei normalen Autos. Kann es vielleicht einmal klappen, wenn man doch schon die Abmaße mehrfach per Whatsapp schickt, Fotos vom Karton anhängt und darauf hinweist, dass man mit einem riesigen Fahrradkarton unterwegs ist? Offenbar nicht! 🙁
Das Auto, in dem das Tandem transportiert werden soll, hat im Kofferraum außerdem noch weniger Platz als normal, weil es auf Gasbetrieb umgebaut wurde und sich dort eine große gelbe Gasflasche befindet. Irgendwie kriegen wir den Karton hinein und die Heckklappe mit porösen Gummibändern so festgezurrt, dass zumindest eine gewisse Chance besteht, dass der Karton während der Fahrt nicht einfach hinten herausrutscht und von einem Lasterwagen überrollt wird. Der Vater fährt die 40 Autobahnkilometer vor uns her und nutzt die gesamte Spurbreite seiner Autobahnspur.

Wir sitzen beim Sohn im Auto und unterhalten uns unter anderem auch über Fußball. Er spielt in einer Hobbyliga in Buenos Aires bzw. Ezeiza, und die Mannschaften tragen die Namen deutscher und baskischer Fussballvereine (viele Menschen in Buneos Aires haben Vorfahren aus dem Baskenland in Spanien), um die Rivalität zwischen den einzelnen Stadtvierteln nicht zusätzlich anzuheizen. Er spielt für „Paderborn“ und kennt auch Vereinsnamen wie „FC Saarbrücken, „Leipzig“ und „Fortuna Düsseldorf“. Sogar den MSV Duisburg kennt er und aussprechen kann er die Vereinsnamen und die Umlaute auch sehr gut.

Um nach drei Uhr morgens können wir uns endlich schlafen legen, nachdem sowohl die Taxifahrer als auch das Hotel noch bezahlt wurden – bar und das Hotel in US-Dollar. Und um halb neun stehen wir wieder auf. Das Frühstück in diesem wirklich nicht billigen Hotel besteht aus Zwieback mit Frischkäse und Marmelade, etwas enttäuschend. Aber die Möglichkeit, unser Tandem und Gepäck hier für zwei Wochen unterzustellen, ist es wirklich wert und das Zimmer ist auch in Ordnung. Und trotz Flughafennähe ist es nicht besonders laut hier.

Wir machen uns auf einen Rundgang durch das „Barrio Uno„, um nach Pappe zur Stabilisierung unseres Kartons und neuer Schrumpffolie zu schauen. Weder der Supermarkt noch die Ferreteria haben etwas Passendes, aber wir finden eine Bushaltestelle mit einigen Wartenden, die in „die Stadt“ nach Ezeiza fahren (so, wie der Flughafen auch heißt). Die benötigte SUBE-Karte haben die Läden hier gerade auch nicht im Verkauf, aber zwei Fahrgäste sind so nett, jeweils einen von uns gegen Bargeld (400 Pesos = 40 Cent) auf ihrer Karte mitzunehmen, also fahren wir einfach mal mit. Die Fahrt dauert recht lange, obwohl der Weg gar nicht so weit wäre.

In der Nähe des Bahnhofs von Ezeiza steigen wir aus. Da wir auf der Navimag-Fähre mit den Deutschen dann doch etwas zu viele Argentinische Pesos in Euro zurückgetauscht haben, gehen wir als Erstes in eine Western Union Niederlassung und besorgen noch ein letztes Mal etwas Bargeld: für 300 Euro bekommen wir heute 382.000 Pesos in 1000 Pesos-Scheinen, also 382 Geldscheine. Gut, dass die jetzt in keine Radtasche mehr gepackt werden müssen…

Auf der Suche nach Pappe fragen wir in mehreren Geschäften, werden fündig im Fahrradladen Royal Bikes, wo die Besitzerin und ihr Sohn so nett sind, uns sogar zwei ganze Fahrradkartons mitzugeben, die einfach deutlich stabiler sind als die Kühlschrank-Kartons aus Ushuaia. Sie kleben uns die Kartons sogar mit Klebeband zusammen und sind total begeistert von unserem Tandem-Sabbatjahr.

Beladen mit den Kartons gehen wir zum Bahnhof, wo wir an einem Kiosk erst die SUBE-Karte erwerben und diese dann am Bahnhofsschalter mit Geld aufladen können – am Bahnhofsschalter kaufen kann man die SUBE-Karte nicht – eigenartiges Vorgehen!

Jetzt wollen wir nach dem schon länger zurückliegenden Zwiebackfrühstück eine Kaffeepause machen und begeben uns (mit den beiden Kartons) auf die Suche. Wieder hat es die laut GoogleMaps vorhandenen Cafés (u.a. ein McCafe) auf der anderen Seite der Gleise offenbar noch nie gegeben, und Einheimische scheinen sich auch gar nicht auszukennen, denn plötzlich entdecken wir ein Café, obwohl uns gerade gesagt worden war, dass es in der Gegend gar keines gäbe. Auch wenn es die angepriesenen Waffeln nicht gibt, bekommen wir im Serendipia immerhin Milchkaffee und je einen Keks zur Stärkung.

Anschließend geht es bei inzwischen über 30°C wieder unter dem Bahnhof zurück in Richtung Schreibwarenladen und/oder einem Bus zurück. Man schickt uns immer weiter bis zu dem Ort, an dem wir ausgestiegen sind, von dort allerdings schickt uns ein Mann wieder in eine ganz andere Richtung zum Bus 518 Richtung Flughafen. Ganz eigenartig! Immerhin kommen wir direkt an einer Papeleria vorbei, die Schrumpffolie hat. Als wir die Haltestelle für die Linie 518 endlich gefunden haben, ist der Bus wohl gerade weg, und wir müssen mit 30 Minuten Wartezeit rechnen. Diese versüßen wir uns mit je einer Eiskugel von Yummi, bei denen die Auswahl riesig ist. Viktor überquert mehrfach die Straße zur Bushaltestelle, bis wir unsere Eissorten gewählt haben.

Auswahl bei Yummi

Als der Bus endlich kommt, verpassen wir ihn fast, weil er gar nicht in der Straße der Haltestelle fährt und hält. Jutta sieht ihn per Zufall in der Querstraße (an einer anderem Haltestelle) halten. Wir laufen schnell hin, und netterweise wird die Tür noch einmal geöffnet und wir werden glücklicherweise auch mit den großen Kartons mitgenommen.

Im „Collectivo“ Bus 518

Nach wieder ebenso langer Busfahrt zurück verbringen wir am Hotel die Zeit damit, das Tandem für die weiteren zwei Flüge transportbereit zu packen. In einem Carport nutzen wir diverse Latten, Podeste, einen Dachbalken zum Aufhängen und hoffen, dass die Versteifungen oben und unten und das vollständige Einwickeln in Folie jetzt ausreichend Stabilität und Schutz vor Regen bieten. Leider landen wir jetzt knapp über den zugelassenen 32 Kilogramm Gesamtgewicht, aber wir wollen beim Lufthansa-Check-In einfach „Aerolineas Argentinas“ die Schuld geben, weil sie den leichteren Karton zerstört haben. 😉

Jetzt können wir den Karton und unsere Jumbotaschen in einen Abstellraum schaffen, wo sie bis zum 14. März bleiben dürfen. Und der Taxifahrer von gestern versucht, für diesen Tag doch ein größeres Auto zu besorgen.

Obwohl wir eigentlich um 20 Uhr schlafen gehen wollen – morgen früh um vier werden wir wieder abgeholt – müssen wir uns mit dem Abendessen bis 19:30 Uhr gedulden – dann erst öffnet das einzige Restaurant am Ort, das keine grottenschlechten Rezensionen bei Google hat. Es wird ein richtig gutes Abendessen bei Ivana Cocina mit frittierten Tintenfischringen und Knoblauchmajonaise, Pizza und Tortilla Española (Kartoffel-Tortilla mit Chorizo-Stückchen). Und natürlich mit einem Craft Stout-Bier für Viktor.

Donnerstag 27.2.25 – Ezeiza Flughafennähe (EZE) – El Calafate

Schon bevor um 3:15 Uhr der Wecker klingelt, sind wir wach, weil shon weit früher zwei U.S.-Amerikanische Frauen lauthals im Flur diskutieren, unter anderem darüber, wir man „Ushuaia“ richtig ausspricht (nicht mit „SCH“ sondern mit relativ scharfem „S“). Um vier Uhr kommt uns das Taxi abholen, und es bleibt vorher sogar noch etwas Zeit, in der Viktor seinen Wanderschuh mit Éccole-Kleber repariert – jetzt glänzt die Stelle als habe jemand draufgespuckt.

Geklebter Riss im Obermaterial des nagelneuen Wanderschuhs

Als wir um zehn nach vier Uhr morgens am Terminal ankommen, könnte man meinen, es wäre mitten am Tag – es wimmelt von Menschen. Wir checken kontaktlos am Automaten ein und haben dann noch sehr viel Zeit, die wir bei Starbucks mit einer Tasse Tee verbringen. Hier an der Security muss der Laptop nun doch wieder ausgepackt und separat geröntgt werden (in Ushuaia musste Viktor ihn sofort wieder einpacken, als er ihn aus der Tasche nehmen wollte – da soll man draus schlau werden). Die Nagelschere und das mitgenommene Wasser sind aber auch heute kein Problem. An den Gates ist es so voll, dass wir keine Sitzplätze finden können. Gerade, als Jutta mal zur Toilette aufgebrochen ist, wird unser Name (mit vielen anderen) aufgerufen, und sie geht erst wieder zurück. Erst jetzt werden unsere Pässe und Identitäten abgeglichen, da wir ja am Automaten eingecheckt hatten, wo keine Passkontrolle stattfand.

Der recht turbulenzenreiche Flug ist pünktlich, und so kommen wir zwischen neun und halb zehn in El Calafate an, bzw. an dessen Flughafen. Die gar nicht mal kurze Strecke (ca. 16 km) durch die Steppe in die Stadt kann man nicht zu Fuß gehen, und Busse gibt es erst gar nicht. Also lassen wir uns per Taxi zum Hotel fahren, wo wir das Einchecken schon erledigen und unsere Taschen abstellen können. Im nahen Zentrum gehen wir dann erst einmal frühstücken. Dieses recht große Frühstückscafé Don Pietro hat Marmelade und Frischkäse in den Portionspackungen aus Plastik wie in manchen Hotels und Viktor trinkt nicht einmal die kleine Tasse Milchkaffee zuende aus, weil dieser so schlecht schmeckt. Hier werden wir wahrscheinlich nicht noch einmal herkommen.

Müde, wie wir sind, entscheiden wir uns dann gegen einen Museumsbesuch und für einen längeren Spaziergang zum und im Landschaftsschutzgebiet Laguna Nimez, auch, weil die Sonne ganz toll scheint und wir das ausnutzen wollen. Die Eintrittskarte (für Touristen zwölfmal so teuer wie für Menschen aus dieser Provinz) ist eine ganze Woche gültig, und das Gebiet ist schön zu durchlaufen, so dass wir eventuell noch öfter hierher kommen werden. Heute leihen wir uns kein Fernglas, so dass es mit dem Vögel-Beobachten nicht so toll klappt, wo hier doch je nach Jahreszeit bis zu 100 Vogelarten leben, aber das können wir noch nachholen. Die Flamingos, die man am besten in der Abenddämmerung finden können soll, werden wir eher nicht zu sehen bekommen, denn die Abenddämmerung ist z.Z. an diesem Ort deutlich nach der Schließung am Abend. Den Flyer mit Erklärungen gibt es sogar auf Deutsch – die Übersetzungen sind aber so schlecht, dass Jutta überlegt, für eine Neuauflage eine korrigierte Version an die Macher zu schicken. Mal schauen, ob bzw. wann sie dazu kommt!

zur Veranschaulichung des bekannten Kinderliedes „Alle meine Entchen“

Nach den zwei Stunden dort laufen wir an der Küstenstraße zurück ins Zentrum und müssen teilweise gegen den starken Wind ankämpfen. Inwischen ist es fast zwei Uhr und wir machen eine Pause in einer Bäckerei mit Café, bevor wir zum Hotel zurückgehen und unser Zimmer beziehen. Dort ruhen wir uns zwar etwas aus, gehen aber dann noch eine Runde durch den Ort, um wachzubleiben. Beim Schlendern über die Hauptstraße halten wir schon Ausschau nach potentiellen Restaurants für heute und die kommenden Tage. Und um etwa 18 Uhr gehen wir dann auch schon Abendessen, im zweiten Versuch, da es beim ersten Restaurant nicht das richtige Bier gibt. Und im „Schwarzen Schaf“ (La Oveja Negra) ist dafür das Essen nicht so toll und es liegen immer wieder verschiedene Hunde zu unseren Füßen. Hunde liegen hier sowieso erstaunlich viel an und auf den Straßen und in Cafés und Restaurants. Sie liegen eigentlich mehr, als dass sie streunen würden!

El Calafate ist ein Touristenort – so steht es geschrieben – und wir hören ziemlich viel Deutsch auf den Straßen. Und plötzlich auch ein „Viktor und Jutta, Hallo“! Sehr lustig – es haben uns Johanna und Loik, die Münchener, die wir auf der Carretera Austral im Regen getroffen haben, erkannt, die ihre Tour nach Villa O’Higgins pannenfrei geschafft haben und jetzt hier auch noch ein wenig Sightseeing machen, bevor sie nach Deutschland zurückfliegen.

Freitag 28.2.25 – El Calafate

Gleich morgens hat Viktor eine WhatsApp von seinem guten Studienfreund Holger im Eingangskorb. Der Artikel in der NRZ ist erschienen. Jetzt wissen wir auch, wer der NRZ den Link zu diesem Blog „durchgesteckt“ hat. 😉 Holger war mit dem Chefredakteur Skifahren 😉

Für heute haben wir eine Ganztagestour in den Parque Nacional Los Glaciares gebucht. Deshalb stehen wir um sechs Uhr auf, frühstücken um halb sieben und werden dann mit einem Bus von der Tourgesellschaft abgeholt. Nach etwa 40 Kilometern steigen wir auf einen geräumigen Katamaran (Maria Turquesa), werden zu einem Paar aus Puerto Rico (die in der Nähe von Boston leben) an den Tisch gesetzt und bald darauf fahren wir los.

Auf dieser Busstrecke landet nicht weit von der Straße gerade ein Condor – aus solcher Nähe haben wir bislang noch keinen gesehen. Und das, obwohl in dieser Gegend nur ein Paar ständig lebt, weitere nur geflogen kommen, wenn es hier gerade totes Getier gibt, wie wir später erfahren. Leider ist der Bus so schnell, dass es für ein Foto nicht reicht!

Auf dem größten See Argentiniens, dem Lago Argentino, fahren wir den höchsten (Spegazzini), den größten (Upsala) und den bekanntesten – weil am leichtesten zugänglich und mit den spektakulärsten Formationen – (Perito Moreno) Gletscher dieses Nationalparks an.

Gleich am ersten Gletscher werden vom Personal mehrere Eisbrocken aus dem Wasser gefischt, denn einer der Gags an Bord ist es, dass die Getränke mit Gletschereis serviert werden.

Wir lernen heute unter anderem, dass das Südliche Patagonische Eisfeld die drittgrößte Eismasse der Welt ist (nach Antarktis und Grönland). Das Gletschereis bildet sich hier besonders schnell (10 – 15 Jahre), während es woanders teilweise tausend Jahre und älter sein kann. Dies liegt unter anderem an den großen Niederschlagsmengen, die hier auf den Gipfeln fallen und an den nicht so sehr tiefen Temparaturen.

Zwischendurch steigen wir am Puesto Las Vacas aus, laufen in einer englischsprachigen Gruppe ein Stück und erfahren, warum es hier an einigen Stellen Rinder oder Pferde gibt, obwohl im Nationalpark keine Menschen mehr leben: als der Nationalpark in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts (1937) beschlossen wurde, wurden die wenigen hier lebenden Menschen umgesiedelt – eigentlich mit dem Vieh zusammen. Die Tiere waren aber so schwer vollständig mitumzusiedeln, dass man einige „vergessen“ hat. Im Laufe der Jahrzehnte haben sie sich zu Wildtieren entwickelt, und da sie keine natürlichen Feinde haben, vermehren sie sich recht gut. Zur Zeit leben wohl ca. 3.500 Tiere im ganzen Park. Man müsste sie eigentlich umsiedeln, es fehlt aber das Geld für diese sehr mühselige Aktion.

So schafft es die Vegetation nicht mehr, sich nach den Brandrodungen der frühen Siedler hier wieder zu erholen. Der verbliebene Baumbestand wird immer älter und es wachsen keine jungen Bäume mehr nach, da sie sofort abgefressen werden. In 30 bis 50 Jahren wird das hier ein großes Problem sein, erzählt uns der Guide. Hier scheint es definitv Raum für ein Crowdfunding mit anschließender „Freiwilliges ökologisches Jahr in Patagonien“-Aktion zu geben. Und an die Jagdfreunde unter Euch: Nein, die Tiere sollen und können hier nicht geschossen werden.

Am Perito Moreno Gletscher (in Deutschland lange Bismarck-Gletscher genannt) bleiben wir wirklich lange, sehen aber leider keine größeren Teile abfallen, obwohl das sehr häufig passiert, da er sich täglich etwa zwei Meter fortbewegt. Einen kleinen Platscher bekommen wir allerdings mit.
Aber auch ohne das erhoffte „Kalben“ ist der Anblick des ewigen Eises einfach ein geniales Erlebnis: dieses Blau des Gletschereises, das ja nur aus komprimiertem Schnee besteht, die skurrilen Formen, die monumentale Größe über und unter Wasser, die Breite und Höhe der Eiswand, die im Wasser des türkisfarbenen Sees schwimmenden Eisberge, das bedrohlich tiefe Knacken der Gletscherfront …

Ganz rechts am Bildrand schauen
10% geringere Dichte des Gletschereises als des Wassers bedeutet, dass nur 10% des Eisberges aus dem Wasser schauen. Man sieht also wirklich nur die Spitze des Eisbergs.

An Bord beobachten wir den Tag über zwischendurch immer wieder zwei jüngere Kinder, ein argentinisches Mädchen und einen niederländischen Jungen (oder belgisch?), die die ganze Zeit wunderbar miteinander spielen, obwohl sie kein Wort von dem verstehen, was sie zueinander sagen. Viktor muss an diesen Videoclip denken:

Frage: Gibt es in Deinem Kindergarten viele Ausländer?
Antwort des Kindes: Nein da sind nur Kinder!

Wir haben heute einen Tag mit wenig Wind und ruhigem Wasser, was uns sehr entgegen kommt, dafür ist es nicht sehr sonnig und ziemlich kalt.

Um 17 Uhr landen wir wieder an Land und werden im Bus zum Hotel zurückgebracht, nachdem wir einige andere zu den abgelegensten Hotels gefahren haben, und so ist es halb sieben, als wir zurück sind.

Auf der Busfahrt erleben wir noch etwas Lustiges: Nach uns steigt vorne ein deutschsprachiges Paar in den Bus, das ungefähr in unserer Altersklasse sein dürfte. Er geht vor und fragt, auf welche Seite des Busses sie denn gerne möchte. Sie antwortet “rechts” und er geht kurz hinter der Mitte des Busses logischerweise in Laufrichtung nach links und setzt sich ans Fenster. Es entspinnt sich zwei Reihen hinter uns ein lustiger Dialog darüber, wo denn im Bus „rechts“ sei, und dass man seiner Meinung nach die Seite des Busses natürlich in Fahrtrichtung angibt, er also sehrwohl den Platz rechts gewählt habe. Wir grinsen uns an, denn das kommt uns sehr bekannt vor. Jutta hat als Navigatorin unterwegs häufiger angesagt, wir müssten uns eher links halten, meinte damit aber auf einer genordeten Landkarte den Westen (denn so zeigt Komoot die geplante Route nun mal auf einer Karte an). Dieser Westen lag aber meist in Fahrtrichtung rechts von uns, da wir hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung unterwegs waren. Viktor war jedesmal entsprechend verwirrt. „Ach … das andere Links!“ 😂

Samstag 1.3.25 – El Calafate

Wir schlafen aus, denn Viktor ging es gestern nicht so richtig gut. Wir waren früh und ohne Abendessen im Bett. Erst um 9 Uhr erscheinen wir beim Frühstück.

Nach dem Frühstück gehen wir einmal die Hauptstraße von El Calafate entlang und schauen in den einzelnen Agenturen nach weiteren Touren und Wanderungen, die wir noch unternehmen wollen. Insbesondere suchen wir nach einer Tour, die uns noch erlaubt, El Chaltén zu besuchen und eine Wanderung zum Berg Fitz Roy bzw. Cerro Chaltén zu unternehmen, die uns ja vorgestern auch nochmal von Johanna und Loik empfohlen wurde. Nach längerem Überlegen entscheiden wir uns dann für eine eigenständige Busfahrt und selbstgeführte Wanderung, bei der wir uns dann tagesformabhängig entscheiden können, wie weit wir wandern wollen. Die Bustickets kaufen wir direkt im Stadtbüro von CalTur. Der junge Mann hat einen Geldschein-Zählautomaten auf dem Schreibtisch stehen, denn viele Touristen zahlen bar und alle haben das gleiche Problem, das wir in den letzten Wochen hatten: Sie haben bündelweise 1.000-Peso-Scheine, mit denen sie die Bustickets bezahlen. Wir zahlen unsere Tickets heute aber nicht mit 152 Scheinen sondern nutzen unsere Kreditkarte.

Nachdem das erledigt ist, gehen wir erstmal einen Kaffee trinken und suchen online noch nach weiteren Touren, die uns hier interessieren könnten, weil wir schnell entscheiden müssen, ob wir noch mehrere Touren im Nationalpark unternehmen werden, denn die Eintrittskarten-Preise sind etwas kompliziert gestaffelt. Der erste Tag kostet 45.000 Pesos, der zweite Tag 22.500, aber nur bei Vorlage der ersten Eintrittskarte und auch nur innerhalb von 48 Stunden nach dem ersten Besuch, drei Tage kosten 90.000 (aber nur beim Online-Kauf), sind dann aber beliebig innerhalb eines Jahres nutzbar. Und dann gibt es noch 7-Tage-Pässe. Da wir nur noch zwei weitere Eintritte benötigen, werden wir wohl nochmal eine Tageskarte zum vollen Preis und eine weitere zum halben Preis kaufen müssen. Wenn man einmal nicht mehrere Tage im voraus plant und spontan bzw. flexibel sein will, fällt man doch gleich wieder finanziell auf die Nase … na ja.

Die nachfolgende Aktivität in der Yeti Bar, die wir online finden, buchen wir dann lieber nicht, obwohl Viktor die Eisbar schon interessiert hätte. Aber da wir dort mit Flaschen jonglieren müssten, um Spirituosen probieren zu dürfen, lassen wir es lieber 😉 :

Die Groß- und Kleinschreibung ist schon wichtig. „Sie“ oder „sie“ jonglieren mit Flaschen?

Heute ist das Wetter hier sensationell gut. Strahlender Sonnenschein und wenig Wind. Eigentlich wäre es ideal zum Radfahren gewesen, was wir eigentlich auch noch mit geliehenen Fahrrädern vorhaben. Stattdessen wollen wir heute ins Glaciarium Museum, eigentlich eher etwas für mieses Wetter, aber wir haben für heute nichts weiteres geplant. Vom Stadtzentrum gibt es einen stündlichen kostenlosen Shuttlebus, den wir um 14 Uhr nehmen.

Wir sind völlig überrascht, am Eingang des Museums eine ostfriesische Wetterstation vorzufinden. Bei genauerem Hinschauen stellen wir aber fest, dass die uns bereits bekannte Version hier in Patagonien um Erdbeben und Tornados erweitert wurde.

Für das Glaciarium kaufen wir die etwas teurere Kombikarte, in der auch ein Besuch inklusive Getränk in der „Glaciobar“ enthalten ist. Diese befindet sich im Keller und ist auf gemütliche -18 Grad Celsius temperiert.

Zunächst gibt es aber eine kurze Führung durch die Ausstellung, und wir erhalten die wichtigsten Erklärungen zur Gletscherbildung, zum Gletscher Perito Moreno und zu den Patagonischen Eisfeldern (Nord und Süd). Unser Führer ist Glaciologe, eine Fachrichtung, die es noch nicht sehr lange gibt. Hier erfahren wir auch, dass der Perito Moreno Gletscher nicht nur so bekannt ist, weil er für den Tourismus sehr gut zugänglich ist, sondern auch, weil er in unregelmäßigen Abständen ein ganz besonderes Naturschauspiel bietet, das es so bei keinem anderen Gletscher weltweit gibt. Alle paar Jahre versperrt der Gletscher einen Zulauf zum Lago Argentino und bildet einen natürlichen Eisdamm. Das aufgestaute und immer weiter ansteigende Wasser des Rio Rico lässt dann irgendwann die Gletscherfront aufschwimmen (denn Eis ist leichter als Wasser) und das Wasser kann dann unter der Gletscherfront wieder abfließen. Dadurch wird ein Tunnel in das Eis gespült, der immer größer wird. Irgendwann ist es ein Eistor bzw. eine Eisbrücke, die dann unter großem Getöse kollabiert.

Am Ende der Führung gibt es einen zehnminütigen Film zu sehen, der wirklich gut gemacht ist und dieses Naturschauspiel mit dramatischer Musik und einem sonoren Männerstimmen-Kommentar aus der Ich-Erzähler-Perspektive des Gletschers untermalt.

Danach können wir die Ausstellung selbstständig besuchen und zwischendurch (um 15:30) die Glaciobar besuchen, denn Letzteres geschieht nur in festgelegten Gruppen, die vorher warme Kleidung und Handschuhe erhalten. Die Getränke werden in Bechern aus echtem Eis serviert und wir trinken mit Strohhalmen, damit wir nicht am Becherrand festfrieren können.

Beim weiteren Rundgang erfahren wir, dass es ein Insekt gibt, dass hier in den Gletschern lebt. Es heist Andiperla und ernährt sich von Algen.
Auch die Erklärung für die blaue Farbe des Gletschereises erhalten wir hier: Das Eis ist durchsichtig und nur die blauen Anteile des Sonnenlichtes (angeblich die energiereichsten) kommen durch. Alle anderen Wellenlängen werden herausgefiltert. Je nach Dicke des Eises ergeben sich auf diese Art viele verschiedene leuchtende Blauschattierungen, also sozusagen „50 Shades of Blue“.

Nach einem abschließenden Besuch im Museumscafé geht es mit dem Shuttle zurück in die Stadt. Wir bestellen für unsere morgige Aktivität an der Rezeption Lunchpakete, gehen noch ein paar Getränke und Snacks kaufen und beenden den Tag schließlich in einem der Parrilla-Restaurants, das patagonisches Lamm vom Grill serviert, aber auch ein paar vegetarische Optionen (Risottos, Grillgemüse, etc.) anbietet.

Tja … die Inflation …

Sonntag 2.3.25 – El Calafate

Wir haben für heute eine Tour gebucht, mit der wir auf den Paserelen am Perito Moreno Gletscher „wandern“ werden, deshalb müssen wir wieder zeitig frühstücken. Um halb acht werden wir von Iceberg-Tours abgeholt. Eigentlich haben wir die englischsprachige Version reserviert, da aber elf von zwölf spanischsprachig sind, verzichtet Jutta auf die Übersetzung.

Lucrecia macht ihren Fremdenführer-Job voller Elan und Motivation und beantwortet uns zudem noch so manche Frage. Wir fahren mit dem Bus quer durch ein sehr breites Tal, das in der letzten Eiszeit durch einen Gletscher geformt wurde und daher eine U-Form besitzt. Hier befinden wir uns noch im Regenschatten der Andenkette und die Vegetation ist noch reine Steppe. Die asphaltierte Straße wurde nur gebaut, um den Touristen eine Anfahrt zum Perito Moreno Gletscher zu ermöglichen. Entlang der Strecke sind abschnittsweise Weiden-Alleen gepflanzt, die die Straße vor dem heftigen Wind schützen sollen.

Im Nationalpark wird die Landschaft bergiger und wir kommen in die typischen Nothofagus-Wälder (Scheinbuchen) der Anden, die hier schon deutlich mehr Regen abbekommen. Während El Calafate gerade mal 250mm pro Quadratmeter im Jahr erhält, sind es hier schon 1.500mm. Jenseits der Andenkette auf der chilenischen Westseite sind es dann 3.000mm und in den Regenwäldern der gemäßigten Zonen, die wir in Chile kennengelernt haben, sogar 10.000mm und mehr.

Auf der Fahrt bemerken wir den sich bereits herbstlich verfärbenden Wald und Lucrecia merkt an, dass dies in diesem Jahr besonders früh passiert. An der Strecke sehen wir außerdem ein Stinktier und mehrere Feldhasen. Letztere wurden vom Menschen hier eingeschleppt, um weiterhin dem Hobby der Jagd nachgehen zu können, heute werden sie aber nicht mehr gejagt, denn niemand will sie essen. Wir erfahren ebenfalls, dass es in dieser Region nur ein Condor-Paar gibt, denn die nötigen Aufwinde für ihren Segelflug gibt es hier eigentlich nicht.

Als wir uns mit Lucrecia über unsere Sabattical-Tour unterhalten ist sie sehr interessiert und beglückwünscht uns mehrfach. Sie ist schon viel als Backpackerin gereist, auch alleine in muslimischen Ländern und in Asien (u.a. Indien), und hat ebenfalls nie schlimme Erfahrungen machen müssen. Außerdem ist sie Triathletin und trainiert gerade auf den halben Ironman. Sie erzählt uns von Eiswasser-Schwimm-Wettbewerben im Lago Argentino, an denen sie regelmäßig teilnimmt. Es werden ohne Anzug bei Wassertemperaturen zwischen 4 und 9 Grad Celsius Strecken von 25, 50 und 100 Metern geschwommen. Als „Eiswasser“ zählt alles unter 7 Grad Celsius. Demnächst gibt es auch ein Eiswasser-Langstecken-Rennen (10 – 25 km Strecken) in einem nahegelegenen Fluss. Dabei schwimmt man aber im Anzug und mit Handschuhen.

Nach 90 Kilometern Kleinbus-Fahrt – die Hälfte davon schon im Nationalpark – kommen wir erst an der unteren Station (mit Anleger, Restaurant, großem Parkplatz) an, werden dann aber noch zur oberen gefahren, wo es ebenfalls ein Restaurant gibt und drei verschiedene „Wanderwege“ losgehen, gelb, rot und blau.

Lucrecia läuft mit uns zum Fahnenplatz, erklärt uns, wie wir am besten gehen und dass wir um 14 Uhr unten wieder eingesammelt werden. Die Paserelen sind Wege aus Metallgitter mit Geländer, immer in Elementen mit sechs Stufen, wenn es rauf oder runter geht, und an den Pfosten sind Kreise mit der entsprechenden Farbe. Immer wieder gibt es Pläne, wo man sich gerade befindet und Tafeln mit Informationen zum Perito Moreno Gletscher, den patagonischen Eisfeldern und zur Flora & Fauna der Region.

Der Gletscher macht fast durchgängig richtig laute Geräusche – Knacken, Donnern, Knallen – und von den verschiedenen Balkonen hat man ständig wechselnde Sichten auf den Gletscher und ganz andere Perspektiven als vom Boot aus. Wir finden, diese Tour ist eine richtig gute Ergänzung zu der Bootstour und dem Glaciarium Museum.

Um halb eins machen wir uns über den blauen Weg auf den Rückweg nach unten, weil er eine Stunde dauern soll und wir noch einen Kaffee trinken wollen. Als wir unten ankommen ist es mal gerade ein Uhr, also haben wir noch viel Zeit. Im Restó del Glaciar trinken wir während einer musikalischen Darbietung eines jungen Streicherensembles aus El Calafate einen kleinen, vergleichsweise teuren Kaffee und ziehen danach um in den Selbstversorgerbereich, um den Salat aus unserem Lunchpaket zu essen. Sowohl das Maisöl als auch die Mayonnaise sind schon länger abgelaufen, die MHDs sind 12/23 bzw. 06/24. Viktor schaut etwas genauer nach, weil ihm das Öl ranzig vorkommt. Da hat wohl jemand nicht aufgepasst – wir melden es später an der Hotelrezeption und sind schon ganz gespannt auf unser morgiges Lunchpaket.
Als Viktor seinen 300-Gramm-Cofler-Block aus dem Rucksack holt, kommen wir ins Gespräch mit den Zwei vom Nachbartisch. Sie kommen aus Cordoba in Zentral-Argentinien, wo diese Milchschokolade mit Erdnüssen hergestellt wird. Sie sind in zwei Tagen über 3.000 Kilometer Auto gefahren, um das verlängerte Karnevalswochenende für einen Besuch in Patagonien zu nutzen.

Um 14 Uhr beginnen wir die Rückfahrt. Während dieser unterhält sich Viktor intensiv mit einem Argentinier, der in der Erdöl-Industrie arbeitet. Das Gespräch startet mit dessen Frage, ob Merkel denn Sozialistin war, weil Viktor kurz zuvor erwähnt hatte, dass die Mitte-Links-Regierung in Deutschland gescheitert sei und am vergangenen Sonntag eine Mitte-Rechts-Regierung gewählt worden sei. Scheinbar hatte sich die Ampel-Koalition noch nicht bis nach Argentinien herumgesprochen, geschweige denn deren Scheitern Ende letzten Jahres. Es wird ein interessantes Gespräch, in dem wieder mal deutlich wird, wie unterschiedlich doch die Perspektiven sein können. Viktors Gesprächspartner meint, dass es doch schon ein riesiger Fortschritt sei, dass das Erdgas an den Ölfördertürmen jetzt nicht mehr wie früher direkt am Förderturm abgefackelt, sondern aufgefangen und genutzt werde. Dadurch würden schon sehr viel CO2-Emissionen eingespart. Außerdem investiert seine Firma in diesel-freies Fracking, Carbon-Capture-and-Storage-Systeme und hat eine deutsche Geothermie-Firma gekauft. Es geht also richtig voran!

In El Calafate werden wir an einer deutschen Bäckerei herausgelassen, weil direkt daneben ein Reisebüro liegt, das eine Tour in den „Versteinerten Wald“ in der Nähe anbietet, die Lucrecia uns sehr empfohlen hat. Wir trinken also erst einmal noch einen Kaffee in der German Bakery Pantagonia – es ist niemand an der Theke, der Deutsch spricht – aber es gibt Apfelstrudel, Bretzeln und deutschprachige Bücher in der „Leihbücherei“ im Regal.

Nebenan reservieren wir für unseren Abreisetag die „petrified forest“ Tour. Der Veranstalter ist sehr stolz darauf, seit vielen Jahren einziger Anbieter dieser Tour zu sein, die über ein Privatgelände führt. Dort liegen angeblich noch sehr viele unerforschte Fossilien, mehr oder weniger offen auf dem Boden herum. Sogar Dinosaurierknochen (ein Femur) sollen dabeisein. Er hat überwiegend Interessenten aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich) und aus Belgien, die sich besonders für diese Fossilien zu interessieren scheinen. Für ihn ist diese Tour neben den Gletschertouren „die wichtigste“ in El Calafate.
Er hat italienische Vorfahren und erzählt uns davon, dass er kürzlich in Sizilien war, um seine italienische Staatsbürgerschaft zu erneuern, denn seine Kinder leben in Spanien und den U.S.A., deshalb will er sich alle Optionen offen halten. Er scheint kein Fan von Präsident Milei zu sein.

Im Hotel ruhen wir uns etwas aus, bevor wir um etwa 18 Uhr losgehen, um uns Wanderstöcke für morgen auszuleihen und zu essen. Nach mehreren Geschäften, die entweder nur Stöcke zum Verkauf anbieten oder gar keine haben, erfahren wir von einer Verkäuferin, dass wir auf den geplanten Wegen gut ohne Wanderstock laufen können. Also lassen wir das Projekt und laufen statt dessen zum Busbahnhof, damit wir wissen, wie wir morgen früh dorthin kommen.

Auf dem Rückweg gehen wir am Aussichtspunkt vorbei, oben auf einem sehr steilen Hügel mit ständig dort stehendem riesigen Metall-Weihnachtsbaum. Anschließend essen wir in „La Zorra“ – Die Füchsin – zu Abend.

Im Zimmer lassen wir den Tag Revue passieren und versuchen, zeitig schlafen zu gehen.

Woche 47 (17.2.25 – 23.2.25) – Puerto Natales – Ushuaia

Montag 17.2.25 – Puerto Natales – Ushuaia (Bus)

Wir verlassen das Hostal Nataly gegen sechs Uhr in der Früh, holen das Tandem von gegenüber, bepacken es und fahren zum Busterminal. Ein anderer Gast läuft zu Fuß und kommt fast gleichzeitig mit uns an. In der ziemlich vollen Halle bereiten wir unser Vehikel auf die Busfahrt vor und können dann schon fast zum passenden Bus von Bus Sur aufbrechen.

Ziemlich pünktlich fahren wir um fünf nach sieben los, unsere Plätze sind fast ganz hinten. Auf der Ruta 9 geht es ziemlich parallel zur Grenze nach Argentinien (ein langes Stück ist Ripio, also Schotterstrecke), bis wir dann Richtung Süden abknicken. An einer Tankstelle an der Gabelung mit der Ruta 255 müssen alle, die nach Ushuaia wollen, aus- und umsteigen. Jutta beginnt die Taschen schon zum anderen (falschen) Bus zu tragen, als noch ein weiterer einfährt, und das ist erst der Richtige. Dieser Bus ist etwas kleiner, und dort, wo das Tandem in den Gepäckraum soll, hängt etwas an der Decke, so dass die Höhe etwas zu klein ist – das Tandem muss ein wenig schräg stehen. Aber diese störende Box ist wohl für das WIFI zuständig, das es in diesem Bus tatsächlich einmal während der gesamten Fahrt gibt, dafür nimmt man das gerne in Kauf.

Um halb zehn fahren wir (weiter vorne sitzend) mit dem zweiten Bus weiter. Um 10:40 Uhr kommen wir nach einem Abbiegen auf die R-257 an einer gerade abgefahrenen Fähre an, die über den „Estrecho der Magellan“ – die Magellan-Meerenge fährt. Erst heißt es, wir dürften nicht aussteigen, aber da das Warten eine Stunde dauert, können wir doch noch einen Kaffee trinken und die Toilette benutzen. Auf der Fähre können wir im Bus sitzen bleiben entgegen der Vorhersage der Busgesellschaft. Die Überfahrt dauert nur 15 Minuten, aber wir sind durch die Warterei erst um 12:20 Uhr am anderen Ufer, auf der Insel „Feuerland“ – „Tierra del Fuego“. Weiter geht es!

In der versteppten Landschaft leben viele Guanacos und Nandus, die wir im Vorbeifahren zwar gut sehen, aber aus dem Bus schlecht fotografieren können. Rinder, Schafe, Pferde und natürlich viele Vögel (neben den Nandus) gibt es zwar auch, aber die sind nichts Besonderes…

Die Fahrt führt uns heute wieder nach Argentinien, und der Grenzübertritt dorthin ist für weitere Verzögerungen verantwortlich: einige Kilometer vor der Grenze ist die Chilenische Kontrolle (Complejo Fronterizo San Sebastián), wo viel zu viele Menschen in einem kleinen Raum darauf warten, ihre „PDI“ (Ausdruck des Einreisedatums) abgeben zu können – das dauert schon einmal fast eineinhalb Stunden. Dann fahren wir etwa 15 Minuten über eine schlechte Straße, deren Nummer sich an der Grenze ändert, bis zur Argentinischen Kontrolle (Módulo egreso San Sebastián), wo wieder alle anstehen, was hier aber wesentlich schneller geht, obwohl man sogar eine Adresse in Argentinien angeben muss. Und obwohl wir längst alle im Bus sitzen, bleibt der Bus noch sehr lange dort stehen, aus wechem Grund auch immer. Wenigstens konnte sämtliches Gepäck im Bus bleiben, also erfolgt hier keine Röntgenkontrolle wie bei der Einreise nach Chile.

Dank dem WIFI können die Fahrgäste jetzt schon absehen, dass wir wohl nicht nach den versprochenen elf Stunden in Ushuaia ankommen werden, sondern erst nach dreizehn Stunden. Etwas Puffer hat Bus Sur also wohl schon eingeplant!

Die lange versteppte, karge, platte Landschaft wandelt sich auf Feuerland, je näher wir dem Ziel kommen: erst Bäume (z.T. mit Flechten bewachsene), dann auch Berge, zum Teil mit schneebedeckten Gipfeln und Hängen.

Um 20 Uhr sind wir am kleinen Busterminal von Ushuaia. Wir machen das Tandem wieder fahrbereit und brechen zu einem reservierten AirBnB auf – das erste Mal nutzen wir diese Plattform und es geht auch prompt etwas schief. Wir haben statt des gewünschten großen „Atila“ das kleinste „Calido Studio“ gebucht. Der Parkplatz zu dem Appartmenthaus ist verschlossen, also geht Jutta erst einmal zur Wohnung. Als die Tür geöffnet ist, kommt aus dem einen Zimmer (reserviert hatten wir eigentlich zwei – dachten wir) total heiße Luft – tja „Calido Studio“ bedeutet übersetzt auch „Warmes Studio“. Die Fussbodenheizung heizt wie verrückt, obwohl das Thermostat auf „AUS“ gestellt ist. Einen weiteren Schlüssel für das Tor gibt es nicht, aber nach einigem Geschreibe mit dem Vermieter bekommen wir das Tandem durch das Haus hinten auf den Parkplatz. Da es in dem Zimmer nur ein Bett gibt, aus dem man noch ein niedrigeres wie eine Schublade herausziehen kann, und die einzige Möglichkeit, es kühler zu bekommen, das Öffnen der Fenster ist (Tipp vom Vermieter! Wir fühlen uns an DDR-Zeiten erinnert), buchen wir uns für die weiteren Nächte ein Hotelzimmer. Viktor geht abends um 21:30 Uhr los und besorgt Pizza und Getränke, mit denen wir den Tag dann beenden.

So wird die Ankunft am geplanten Zielort unserer langen Tour dann doch deutlich unspektakulärer als man sich das unterwegs manchmal ausgemalt haben mag. Das Eingangstor nach Ushuaia mit dem Namen der Stadt passieren wir mit dem Bus statt auf unserem Tandem. Wir sind nicht völlig erschöpft, auch nicht vom patagonischen Wind mehrfach von der Straße geweht worden, und nicht bis auf die Haut durchnässt und durchgefroren.

Wir wollen jetzt etwa eine Woche in Ushuaia bleiben, denn es gibt einiges zu sehen am „Ende der Welt“. Natürlich wollen wir auch noch ein wenig ohne Gepäck mit dem Tandem unterwegs sein, um das „Ende der Welt Schild“ und das Eingangstor der Stadt zu besuchen. Vielleicht bleiben wir auch länger, denn es gibt von viertägen Wanderungen bis zu mehrwöchigen Antarktis-Kreuzfahrten hier auch längere Abenteuer zu erleben. Bis zum 14. März, unserem Abflugtermin aus Buenos Aires, bleibt uns noch einige Zeit. Wir werden uns sicher eine Woche oder länger für Buenos Aires nehmen, denn wir haben auf dieser Tour auch gelernt, dass uns die größeren Städte meist positiv überraschen (z.B. Medellin, Valpariso, Cali).

Sollte uns noch mehr Zeit bleiben, haben wir auch noch El Calafate und die umgebenden Nationalparks als mögliche Zwischenstation vor dem Inlandsflug nach Buenos Aires ins Auge gefasst. Dorthin könnten wir über Punta Arenas mit chilenischen Bussen reisen (die – anders als die argentinischen – Fahrräder problemlos mitnehmen) und sie haben einen größeren Flughafen mit guten Verbindungen nach Buenos Aires.

Der Inlandsflug in Argentinien könnte sich aber auch noch als echtes Problem herausstellen, denn alle Airlines haben ein 15 kg oder 23 kg Limit für das Gepäck. 32 kg für Fahrräder, die wir mit dem Tandem nur knapp einhalten können (mit einem 10-kg-Extra-Karton abgebauter Zubehörteile), haben wir auf keiner Webseite gefunden. Sicherheitshalber haben wir gestern aus dem Bus schon per E-Mail ein Angebot der Luftfracht-Abteilung von Aerolineas Argentinas erbeten.

Dienstag 18.2.25 – Ushuaia

Irgenwann in der Nacht wird es in dem kleinen Apartment bei offenem Fenster dann doch wieder kühl genug, dass wir das Fenster schließen können. Die Fussbodenheizung scheint aber immer noch weiter zu heizen, nur nicht mehr so stark wie gestern abend.

Jutta ist schon früh wach, kann aber erst um 9:00 Uhr im Carrefour einkaufen gehen. Sie besorgt Brot (Baguette-ähnlich), Frischkäse und Käsescheiben fürs Frühstück, das wir auf Pastatellern einnehmen. Dazu gibt es den vorletzten Bünting-Schwarztee. Die Teebeutel sind in der Radtasche derartig vertüdelt, dass wir nach mehreren Minuten aufgeben und drei Teebeutel in die Kanne hängen und zwei außen hängen lassen. Später kommt ein Messer zum Einsatz, um die übrigen Teebeutel beim nächsten Mal verwenden zu können.

Zur Feier unserer Ankunft in Ushuaia packt Viktor seine letzte frische Rasierklinge auf den Nassrasierer, die nun schon über 10 Monate im Gepäck war. Die vergangenen zwei Wochen war das Rasieren mit der vorletzten stumpfen Klinge nicht mehr wirklich angenehm, was auf einigen Selfies auch erkennbar ist. Heute gibt es endlich wieder eine schmerzfreie und glatte Rasur.

Wir lassen uns beim Packen viel Zeit, denn wir wollen heute eigentlich nur zum „Fin del Mundo“- Schild am Passagierhafen, ins Museum und eventuell zum Flughafen, um das Flugticket nach Buenos Aires zu kaufen und gleichzeitig die Tandem-Frachtproblematik zu lösen. Außerdem ziehen wir aus dem AirBnB in das Hotel Austral um. Wir konnten das AirBnB stornieren (bis auf die ersten zwei Nächte) und gehen doch lieber in ein Hotel mit Doppelbett und Frühstück.

Da wir ab 12:30 Uhr einchecken können, machen wir uns gegen Mittag auf dem wieder komplett gepackten Tandem auf den Weg zum Hotel. Vorher essen wir noch so viel von den gestrigen Pizzen, wie wir schaffen können, aber leider landet einiges im Müll, denn sie ist kalt noch ungenießbarer als gestern. Der Weg zum Hotel führt am Ufer entlang und wir kommen an den großen Ushuaia-Buchstaben vorbei, die wir natürlich für ein Foto nutzen. Da wir schon mal dabei sind, fahren wir auch gleich noch ein Stück weiter und machen auch am „Fin del Mundo“-Schild ein Foto mit bepacktem Tandem.

Da dort auch direkt die Ticketbuden für die Schiffstouren sind, informieren wir uns über die angebotenen Touren und erhalten überraschenderweise die Info, dass für die nächsten zwei Tage so starke Winde vorhergesagt sind, dass die Schiffstouren aller Voraussicht nach im wahrsten Sinne des Wortes „abgeblasen“ werden müssen. Wenn wir sicher gehen wollen, sollen wir lieber heute noch die Pinguin- und Seelöwen-Tour durch den Beagle-Kanal vor Ushuaia machen. Spontan, wie wir in diesem Jahr nun mal sind, kaufen wir sofort die Tickets für die 15:00 Uhr-Tour.

Wenn wir vorher noch einen Kaffee trinken wollen, müssen wir uns jetzt aber ranhalten und im Hotel einchecken, denn ab 14:30 können die Fahrgäste an Bord gehen. Punkt 15 Uhr wird abgelegt. Wir machen uns also auf den Weg zum Hotel Austral, dass zweieinhalb Straßenblöcke vom Ufer entfernt liegt. Als wir in die Straße einbiegen schauen wir auf eine Steigung, die uns stark an San Francisco erinnert. Die letzten zwei Straßenblöcke sind derartig steil, dass wir bereits weit davor absteigen, um zu schieben. Viktor hat wirklich Bedenken, ob wir das überhaupt schaffen können, oder möglicherweise jetzt erstmals die Taschen abnehmen und einzeln hochtragen müssen, bevor wir das Tandem hinaufschieben können. Kaum beginnen wir zu schieben, kommt von hinten plötzlich eine Frau angelaufen und beginnt, uns beim Hinaufschieben zu helfen.

Wir können es kaum glauben, aber vor uns steht Hanne, die wir auf der Schiffsfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales kennengelernt haben. Sie und ihr Mann Thomas saßen zufällig im Eckcafe unten an der Straße und haben uns gesehen, als wir in die Straße einbogen. Sie sind gestern auch mit Bus-Sur um circa 20 Uhr in Ushuaia eingetroffen, saßen aber in einem anderen Bus. Wir können fast nicht glauebn, dass wir uns gestern an den Grenzkontrollen nicht gesehen haben. Thomas zahlt gerade noch im Café und kommt dann hinterhergespurtet, zu Viert schieben wir das Tandem ratz-fatz bis zum Hotel hinauf. Was für ein genialer Zufall! Die beiden sind ab morgen mit dem Bus unterwegs Richtung Buenos Aires. Letztendlich haben sie sich gegen eine Verlängerung ihrer Tour entschieden, denn sie scheinen zuhause dringender gebraucht zu werden. Schade eigentlich, sonst hätten wir uns vielleicht noch öfter getroffen oder gar Buenos Aires gemeinsam erkundet.

Nach einem nochmaligen herzlichen Abschied von den Beiden (und dem abermaligen Versprechen, sich in Deutschland gegenseitig zu besuchen) checken wir ein – jetzt wirklich unter Zeitdruck, denn natürlich haben wir uns mit Hanne und Thomas wieder völlig verquatscht. Trotzdem schaffen wir es noch auf einen schnellen Kaffee in das Eckkaffee „Ana y Juana“ bevor es zum Anleger geht.

Jutta muss sogar nochmal schnell ins Hotel zurück, denn heute soll die Tablette gegen Seekrankheit dann doch lieber vorher eingeworfen werden. Wir schaffen es rechtzeitig zum Boarding an den Anleger und steigen über ein zweites Schiff hinweg in den Katamaran „Chonek“ von Tolkeyen Patagonia, der uns auf der sehr schönen Pingüinera-Tour durch den Beagle-Kanal an Puerto Williams (dem „wahren Ende der Welt“ auf chilenischer Seite, also noch weiter südlich, das aber nur noch per Schiff erreichbar ist) vorbei zu einer Pinguin-Insel fährt.

Hier ergänzen: , Name Ushuaia Bay that penetrates to the West ,

Die erste Station der Schiffstour ist die Isla de Los Lobos, auf der wir von Bord aus Seelöwen beobachten können. Dann geht es weiter zur Isla de Los Pájaros, auf der wir Kormorane (Cormoran Magallanico oder Cormoran Roquero = Felsenscharbe und Cormoran Imperial = Blauaugenscharbe) und Riesensturmvögel sehen. Die Kormorane sehen an Land fast aus wie Pinguine, sie haben aber Federn und etwas längere Flügel. Sie sind recht schlechte Flieger und fliegen nur in geringer Höhe über der Wasseroberfläche. Dafür sind sie um so bessere Taucher. Die Riesensturmvögel rund um die Insel haben es zu dieser Jahreszeit auf die jungen Pinguine abgesehen, die erstmals alleine ins Wasser gehen und ein wollkommenes Fressen darstellen.

Danach geht es weiter zum Leuchtturm „Les Eclaireurs„, der fälschlicherweise immer wieder als der Leuchtturm am Ende der Welt (Faro del Fin del Mundo) bezeichnet wird und auch auf vielen Souvenirs in Ushuaia so bezeichnet wird. Der wahre „Ende-der-Welt-Leuchturm“, der im Roman von Jules Verne beschrieben wird, ist aber der 300 Kilometer entfernte Faro San Juan de Salvamento. Auf der Insel befinden sich auch noch sehr viele weitere Seelöwen und die Luft riecht so fischig, dass Viktor kurzzeitig denkt, an Bord würden irgendwelche Fischgerichte angeboten.

Dann geht es über eine längere Strecke durch den Beagle-Kanal, der zwischen der Insel „Tierra del Fuego“ (in diesem Teil Argentinien) und der Insel „Navarino“ (Chile) liegt. Der Kanal entstand nach der letzten Eiszeit, als sich ein Gletscher zurückzog und Meerwasser nachströmte. Wir fahren bis zur Pinguin-Insel Isla Martillo, wo wir vom Katamaran aus eine halbe Stunde lang Pinguine (Magellan-Pinguine und Gentoo-Pinguine = Eselspinguine) beobachten können. Die Eselspinguine, die man an den orangenen Füßen erkennen kann, können wir aber beim besten Willen nicht sichten. Dafür stehen zwischen den Pinguinen sehr große braune Vögel, die im Boden picken, und von denen niemand weiss, wie sie heißen.

Wir unterhalten uns auf dem langen Rückweg des Bootes nach Ushuaia mit Samantha aus Rhode Island, die uns gegenüber sitzt und mit einem tiefen Seufzer reagiert, als Viktor auf dem Handy (auf Deutsch) für Jutta die Nachricht vorliest, dass Trump die Journalisten von Associated Press zukünftig nicht mehr im Weißen Haus an Pressekonferenzen teilnehmen lassen wird, weil diese sich geweigert haben, den „Golf von Mexiko“ in ihren Nachrichten zukünftig „Golf von Amerika“ zu nennen. Ihre Mutter stammt aus Polen, und sie will sich jetzt auch mal um ihre polnische Staatsbürgerschaft kümmern, denn sie kann ihre Arbeit für eine US-amerikanische Firma im Bereich „Disaster Recovery“ und Offshore Windenergie von überall dort machen, wo es stabiles Internet gibt. Es ist nicht das erste und vermutlich auch nicht das letzte Mal, dass wir Amerikaner treffen, die mit dem Gedanken spielen, das Land zu verlassen.

Um 20 Uhr landen wir wieder im Touristenhafen von Ushuaia an. Wir gehen sofort im Hard Rock Cafe essen und denken zunächst, dass das die teuersten Burger sind, die wir auf der ganzen Tour gegessen haben werden. In den Folgetagen stellt sich aber heraus, dass hier wirklich alles extrem teuer ist und die Burger auch in anderen Restaurants ebenso teuer sind. Es muss hier unten im tiefsten Süden halt praktisch alles eingeflogen werden. Das hat natürlich seinen Preis.
Viktor hat den „Classic Burger“ bestellt und wundert sich, dass da oben drei Garnelen auf dem Fleischpatty liegen, die es schärfemäßig ganz schön in sich haben – Viktors „Kopfhautjuckgrenze“ ist erreicht. Es stellt sich heraus, dass er den „Surf & Turf Burger“ erhalten hat. Die Bedienung entschuldigt sich, eine Garnele wandert an den Tellerrand und zum Glück zahlen wir später nur den Classic-Preis. Das „gesparte“ Geld wird daraufhin sofort in ein Hardrock-T-Shirt für Viktor investiert 😉

Mittwoch 19.2.25 – Ushuaia

Heute steht ein organisatorischer Tag auf dem Programm. Wir wollen Kartons für unser Tandem besorgen, den Inlandsflug nach Buenos Aires buchen und klären, ob wir unser Tandem mit 32 kg Gewicht überhaupt auf dem Inlandsflug mitnehmen können. Alternativ müssen wir Luftfracht, Versand per LKW oder einen One-Way-Mietwagen nach Buenos Aires in Erwägung ziehen, die entsprechenden Preise herausfinden und entscheiden, was wir mit der restlichen Zeit bis zum 14. März anfangen wollen.

Wir wollen nach dem Frühstück zu einem etwas entfernten Fahrradladen, wo es angeblich gerade große Kartons zu kaufen gibt, wie ein anderer Radfahrer mit Spezialfahrrad aus der WhatsApp-Gruppe gestern geschrieben hat. Beim Verlassen des Hotels gibt uns der Rezeptionist den Tipp, doch erst einmal in der Ferreteria die Straße hoch zu fragen, bzw. an deren Lager (der Herr im Laden sei etwas unfreundlich), dort hätte letztens jemand kostenlose Kartons bekommen. Wir laufen zunächst daran vorbei und können deshalb das beschriebene Tor zum Lager nicht finden, überlegen schon, weiter zu dem Radladen zu laufen, aber Jutta gibt nicht auf und will lieber noch einmal im Hotel fragen. Beim Zurücklaufen entdecken wir doch noch die beschriebenen Gefahrensymbole an einem Tor und klingeln dort. Der Mitarbeiter fährt mit einem großen Aufzug eine Etage nach oben und kommt mit zwei Fahrradkartons zurück. Die sind alleine zwar etwas klein, aber wir müssen eh basteln, und wir dürfen auch noch einmal wiederkommen, wenn wir mehr benötigen.

Als wir die Kartons im Zimmer abgestellt haben, fragen wir als nächstes bei einem Mietwagenbüro nach One-Way-Autos nach Buenos Aires. Dort bieten sie das gar nicht an, nennen uns aber drei andere mit diesem Service und machen uns noch den Vorschlag, das Tandem mit einer Spedition im LKW zu schicken. Bei „Tiger“ erkundigen wir uns nach dem Preis für eine Mietwagen-Ausleihe, entscheiden aber sofort, dass dieses der allerletzte Strohhalm sein muss, so teuer wie das würde. Da war sogar das teure Luftfrachtangebot noch deutlich billiger!

Jetzt machen wir uns zu Fuss auf den Weg zum Flughafen, weil es das Büro von Aerolineas Argentinas im Ort nicht mehr gibt. Die Sonne scheint, der Weg ist immer nur der Straße folgend, also ein schöner Spaziergang. Denkste! Der Wind ist wirklich sehr heftig, in einer Laufrichtung bläst es ins eine Nasenloch hinein und kommt aus dem anderen heraus, ein Gefühl wie eine Kaltwasser-Nasenspülung, aber eben mit Luft. So einen eigenartigen Wind haben wir noch nie gehabt. Die Strecke zieht sich etwas, aber wir kommen irgendwann am Terminal an – mit Sand im Mund und in den Augen, weil es kurz vor dem Ziel eine Baustelle mit kleinem Sandsturm gibt. Wir suchen vergeblich nach Verkaufsschaltern, landen dann an einem Check-In und Viktor erklärt unser Problem. Der Mitarbeiter geht kurz nach hinten, kommt dann mit einer für uns beruhigenden Antwort zurück: Wenn wir beim Einchecken nach Buenos Aires das Lufthansa-Ticket nach Berlin vorzeigen können, gilt auch auf dem Inlandsflug die 32 kg- Gewichtsgrenze, die für Auslandsflüge gilt. Puh! Kein LKW, kein Frachtversand oder gar Mietwagen scheint notwendig! Aber ein Flugticket hier am Flughafen kaufen, das geht heutzutage auch nicht mehr, das sollen wir bitte online machen! Viktor macht zur Absicherung lieber noch ein Foto von dem Mitarbeiter, denn online kann man halt so spezielle Dinge wir das zu schwere Fahrrad nicht anmelden, sonst hätten wir das schon gemacht….

Der Aufenthalt im Terminal ist so kurz und der Weg so weit, dass wir uns für den Rückweg in den Ort ein Taxi nehmen. Dort setzen wir uns ins Café „Tante Sara“ und stellen fest, dass die Preise anscheinend überall in Ushuaia so hoch sind, wie wir es gestern abend erstmals erlebt hatten. Hier kann man ein Continentales Frühstück, also nichts Besonderes, für umgerechnet über 40 € bekommen. Wir machen nur eine – teure – Kaffeepause.

„Cabrales“ ist hier kein Käse, sondern eine Kaffee-Marke

Nachdem wir auf dem Weg zum Hotel noch Tickets für eine Tour in den Nationalpark für morgen gekauft haben, machen wir uns im Zimmer an den Ticketkauf und auf die Suche nach Unterkünften in Buenos Aires. Das dauert sehr viel länger als vermutet, da der Bezahlvorgang häufige Male schiefgeht und wir danach immer alle Daten (Passnummern, Geburtsdaten, E-Mail Adressen, Telefonnummern, etc.) wieder neu eingeben müssen. So kann man einen ganzen Nachmittag herumbringen! Irgendwann haben wir die Flugtickets und auch schon Extragepäck angemeldet und entscheiden, dass wir auch noch nach El Calafate „zurückfliegen“ (über El Calafate nach Buenos Aires geht wegen des Tandems dummerweise nicht, also müssen wir hin und her). Außerdem geben wir AirB&B noch eine Chance und reservieren die Wohnung, die wir von Klemps empfohlen bekommen haben (auch wenn einer der Gründer von AirBnB jetzt gerade ins DOGE-Team von Elon Musk aufgenommen wurde, und die ersten Boykottaufrufe laut werden).

Am späten Nachmittag machen wir uns noch einmal zu Fuss auf den Weg zur „Paseo del Fuego“ Shopping-Mall, um eventuell große Taschen zu finden, mit denen wir unser restliches Gepäck verpacken können. Ein Bürgersteig existiert nur auf Teilen dieser Strecke, und bei dem Sturm muss man teilweise aufpassen, nicht auf die Straße „geweht“ zu werden. Die Mall ist relativ klein, und einen Laden wie eine „Mall Chino“ in Chile, die so große Taschen verkaufen, gibt es hier nicht. In einem Elektroladen bekommen wir aber noch einen großen Kühlschrank-Karton geschenkt. Nach den ganzen WhatsApps hätten wir uns das Besorgen von Kartons tatsächlich wesentlich schwieriger vorgestellt… Der Rückweg mit diesem Karton geht auch etwas besser als gedacht, da der Wind inzwischen abgeflaut ist. Wir hatten schon überlegt, dass Jutta (hinten) den Karton loslässt, wenn sie ihn nicht mehr halten kann, und Viktor (vorne) ihn dann entweder windabgewandt halten kann oder auch loslässt, aber wir kommen relativ gut zurück ins Zentrum. Dort kaufen wir in einem „Free Store“ sogar noch eine große Tasche zum Ausprobieren, ob sie groß genug für zwei große und eine kleine Radtasche ist, und bringen dann beides ins Hotelzimmer.

Danach machen wir uns sofort zum Abendessen auf den Weg. Während diesem fragen wir in diversen Läden nach einer Waage, weil wir unser Gepäck ja irgendwie wiegen müssen, und finden eine kleine Kofferwaage, die bis 50 kg wiegen kann. Essen tun wir im Barcelit 1912: Juttas Spagetti mit Tomatensauce sind die Geschmacklosesten, die man sich vorstellen kann, und Viktors Wolfsbarsch mit Roquefort-Sauce ist zwar ganz lecker, hat aber so viele Gräten, dass Viktor sich an seinen Opa erinnert: „Da isst man sich ja hungrig“ (eigentlich auf Fondue bezogen).

Donnerstag 20.2.25 – Ushuaia

Um halb zehn Uhr hat Viktor ein Telefonat mit einer Journalistin von der NRZ, die ihn interviewen will. Sie hat den Link zu diesem Blog erhalten mit der Information, dass er aus Duisburg stammt. In zwei Tagen soll ein Artikel in der Zeitung stehen, die im westlichen Ruhrgebiet unter dem Namen Neue Ruhr Zeitung und am Niederrhein als Neue Rhein Zeitung erscheint. Dieses Telefonat dauert so lange, dass wir noch nicht beide abfahrbereit sind, als wir gegen zwanzig vor elf zu unserer heutigen Tour abgeholt werden – wir müssen heraustelefoniert werden. Nachdem noch einige andere Unterkünfte angefahren sind und der Van voll ist, geht die Fahrt in Richtung des Nationalparks Tierra del Fuego.

Obwohl Jutta (wegen der unerwünschten Müdigkeit) keine Reisetablette genommen hat, geht es ihr während der Fahrt erstaunlich gut: sie kann vorne auf die Straße gucken und Caesar, der Fahrer, fährt sehr, sehr vorsichtig und mit angepasster Geschwindigkeit über den kurvenreichen Schotter. Geht doch! 🙂
Der erste „Halt“ ist am Parkeingang, wo alle ihr Ticket vorzeigen bzw. noch kaufen müssen. Ziemlich schnell kommen wir zur Ensenada Zaratiegui, einer Bucht im Beagle-Kanal, mit schönen Ausblicken und einem Postamt. Wir lassen unsere Pässe stempeln und Jutta schreibt eine Postkarte. Der dort arbeitende ältere Herr hat mütterlicherseits sowohl katalanische als auch baskische Wurzeln (wie Viktor), väterlicherseits sizilianische – und er arbeitet jetzt hier am Ende der Welt.

Von hier fahren wir weiter zum Ende der Ruta-3/Panamericana, wo auch ein klitzekleiner Hafen mit eigenem Namen (Puerto Arias) liegt, und wo wir Chile ganz in der Nähe im Rücken haben.

Wir sind mit dem Tandem ja schon am Kilometer Null der Panamericana gewesen – in Quellón auf der Chiloé-Insel. Aber Argentinien und Chile haben wohl beide eine Panamericana und ihre eigenen „Nullpunkte“ definiert. Und dieser Nullpunkt heute liegt definitiv weiter südlich. Man kann ihn allerdings über Land nur auf Straßen durch Chile erreichen, da auf der Argentinischen Seite das offene Meer zu überqueren wäre, auf dem wetterbedingt keine Fähre fahren kann.

An einer Station machen wir eine kurze Einkehrpause mit Blick auf einen See, und an den sehr windigen und aufgewühlten „Lago Roca“ (oder Lago Acigami) fahren wir danach dann auch.

Der letzte Programmpunkt der Tour ist die Fahrt mit dem „Tren del Fin del Mundo“ , die zu den beliebtesten Touristenattraktionen der Welt gehören soll (unter den oberen 10%). Die Strecke wurde von 1909 bis 1952 von einem Gefängniszug befahren, denn Ushuaia begann als Strafgefangenenkolonie und bestand nur aus Gefangenen (zum Teil mit ihren Familien) und ihren Wärtern (mit ihren Familien). Die Gefangenen mussten die Wälder in der Umgebung als Energiequelle für Strom und Heizung abholzen und das Holz mit dem Zug nach Ushuaia schaffen. Entlang der Gleisstrecke sehen wir noch die Baumstümpfe, die aus dieser Zeit stammen. An der Höhe der Stümpfe und der Schnittfläche ist noch zu erkennen, wie hoch der Schnee gerade lag, und mit welchen Werkzeugen (Axt oder Säge) die Bäume gefällt wurden.
Seit 1994 wird eine Teilstrecke als Touristenattraktion mit modernen Diesel- und Dampfloks betrieben (der Dampf wird mit Kerosin erzeugt statt mit Kohle). Und genau wie eine Touristenattraktion fühlt es sich hier heute auch an: es ist sehr voll, verkleidete Sträflinge bieten lustige Erinnerungsfotos an (die erstaunlich viele auch tatsächlich kaufen), der Zug (und mindestens sieben weitere, die im Abstand von 15 Minuten fahren) ist bis auf den letzten Platz besetzt, mit Kopfhörern in acht Sprachen. Nach kurzer Fahrt wird am Bahnhof Macarena gehalten, wo dann alle zum Wasserfall hochlaufen, um dort Bilder zu machen, und danach geht es im Zug weiter bis zur Endstation im Nationalpark.

An der Parkstation werden wir wieder von Pablo und Caesar eingesammelt und dann nur noch zurück in die Stadt gefahren.

Da wir am Zug alle einen Gutschein für eine heiße Schokolade bei „Laguna Negra“ bekommen haben, gehen wir auf dem „Nachhauseweg“ noch eine solche trinken. Im Hotel arbeiten wir etwas am Blog und brechen um 20 Uhr auf in die Brixbar zum Abendessen, weil wir auch für diese einen 10%-Gutschein haben. Die Karte ist sehr vielfältig und es ist sogar relativ preiswert, auch ohne den Discount (der Mensch an der Kasse hat allerdings statt des teuren dunklen Bieres nur eine günstige Süßigkeit, einen „Alfajor negro“, berechnet, das haben wir heute mal nicht berichtigt…)

Freitag 21.2.25 – (182) – Ushuaia

Heute radeln wir die letzten Kilometer dieser Tour durch Ushuaia, um noch einmal zum Ortseingang zu fahren und wenigstens das Einfahrtstor nach Ushuaia nochmal aus einer anderen Perspektive zu sehen als nur aus dem Busfenster heraus.

Vorher versuchen wir noch, ein Hotel am internationalen Flughafen von Buenos Aires (EZE) zu finden, das bereit wäre, unser Tandem für gut zwei Wochen (25.2. bis 14.3.) aufzubewahren. Alternativ wollen wir am Flughafen fragen, ob eine Lagerung dort – ähnlich wie am BER – gegen Gebühr möglich wäre. Ein Telfonat mit den Guga Suites macht zunächst Hoffnung.

Die etwa sieben Kilometer bis zum Ortseingang fahren wir bei Sonnenschein und Wind an der Küstenstraße. Der Wind scheint aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen, auch die Oberfläche des Wassers sieht irgendwie so aus. Am Ortseingang machen wir ein paar Bilder, kleben einen Aufkleber zu den vielen anderen an einen Mast und unterhalten uns mit einem Churros-Verkäufer, der uns beim Kommen gefilmt hat.

Dann beschließen wir, denselben Weg zurückzufahren. In dieser Richtung ist die Straßenqualität um einiges schlechter, da es aber mehr abwärts geht, sind wir trotzdem um einiges schneller.

Im Zentrum fahren wir weiter bis zu einem Damm auf die gegenüber liegende Seite, um noch eine andere Perspektive auf die Stadt zu haben.

Nach einer Kaffeepause im Ana & Juana wollen wir beginnen, das Tandem auseinanderzubauen und transportfertig in Kartons zu packen. Der Hotelbesitzer erlaubt es nicht im großen Flur, also stellen wir uns in einen Hauseingang gegenüber, der so groß ist, dass wir keinen Durchgang versperren. Das Abschrauben der extra zu transportierenden Teile geht recht zügig, bis wir an die Pedalen kommen.

Den Pedalschlüssel haben wir irgendwann auf das Drängen von Jutta zurückgeschickt, und ohne diesen großen Hebel bekommen wir die Pedale nicht lose (Viktor gibt zu, dass es trotzdem die richtige Entscheidung war). Viktor schiebt das Tandem also zu einem Fahrradladen, bei dem wieder einmal die Öffnungszeiten bei GoogleMaps nicht stimmen – er macht erst ab 16:30 Uhr wieder auf.

In der Zwischenzeit bringt Jutta also noch einmal Wäsche weg und kauft Powertape, und wir verpacken schon einmal Juttas Fahrradsitz (das größte Problem) und alle kleineren Teile in einer Tasche. Zur rechten Zeit geht Viktor noch einmal zum Radladen, wo sofort die vier Pedale gelockert werden. Jetzt nehmen wir das Tandem mit in unser geräumiges Zimmer und beginnen, die Kartons zurechtzubasteln. Außerdem misten wir schon ein paar Dinge aus, die wir nicht mit zurücknehmen werden.

Inzwischen hat sich auch das Hotel aus Buenos Aires zur Lagerung des Tandems bereit erklärt, so dass wir die Nächte dort auch jetzt buchen. Und sie sind sogar bereit, uns mitten in der Nacht mit all unserem Gepäck am Stadtflughafen abzuholen, dann müssen wir kein ausreichend großes Taxi suchen.

Da es inzwischen stark regnet, wollen wir zum Abendessen nicht so weit laufen. Das Nächstgelegene ist der Irish Pub „Dublin„. Wir sind ein paar Minuten vor 20 Uhr dort und wundern uns über die digitale Karte. Auf Nachfrage erfahren wir, dass sie sich um 20 Uhr ändert – sie haben eine Karte bis und eine ab 20 Uhr. Und wirklich erscheinen ein paar Minuten später andere Gerichte. Obwohl dieser Pub der südlichst gelegene Irish Pub der Erde ist, gibt es kein solches Schild – wie in La Paz (mit dem höchstgelegenen Irish Pub). Sie finden die Idee aber gut und wollen es sich überlegen.

In den Blog-Kommentaren (Andy) und auch in den Videotelefonaten mit unserer Familie erhalten wir nun häufiger die Frage, wie es sich denn anfühlt, dass die Tour nun zu Ende geht. Das ist gar nicht so leicht zu beschreiben, aber der Begriff „gemischte Gefühle“ trifft es wohl am Besten.
Einerseits ist es schade, dass die Tour nun zu Ende geht, denn es hat uns wirklich sehr viel Spaß gemacht und die Erlebnisse werden uns unser restliches Leben lang als Erinnerungen begleiten und beeinflussen. Sicherlich ist auch ein klein wenig Stolz dabei, dass wir einen Großteil der Strecke mit dem Rad geschafft und Ushuaia tatsächlich erreicht haben, ohne das Tandem irgendwo in die Ecke zu stellen. Dabei sind wir uns aber einig, dass uns weder das Erreichen Ushuaias noch die geradelte Kilometerzahl besonders wichtig sind. „Der Weg ist das Ziel“ war von Anfang an unser Motto und es ging uns mehr um die Erlebnisse und die buchstäblichen „Erfahrungen“ unterwegs, als um irgendwelche sportliche Höchstleistungen.
Andererseits freuen wir uns natürlich sehr darauf, endlich unsere Familien wiederzusehen, Freunde, Bekannte, Kolleginnen und Kollegen. Endlich können wir wieder unsere Kontakte pflegen, am Vereinsleben in unserem Heimatort teilnehmen und auch die ehrenamtlichen Tätigkeiten wieder aufnehmen, die uns so viel Freude bereiten.
Auch auf das eigene Bett im eigenen Zuhause und auf die Möglichkeit, sich im dunklen Schlaf- und Badezimmer wieder zurechtzufinden, ohne ständig anzuecken, zu stolpern oder sich blaue Flecke zuzuziehen, kann man sich tatsächlich freuen.
Mit etwas Nervosität schauen wir auf den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben, denn im Gesundheitswesen (Apotheke und Medizintechnik/Krankenkassen) kann in einem Jahr so viel passieren, was wir verpasst haben, da wir uns wirklich nicht gekümmert haben. Jeder Gesundheitsminister versucht ja, seinen Fußabdruck im Gesundheitssystem zu hinterlassen, und Lauterbach war da sicher keine Ausnahme. Außerdem haben wir schon von einigen Menschen gehört, die den Wiedereinstieg nicht so leicht geschafft haben und dann jahrelang mit dem Rad durch die Welt weitergereist sind. Wir sind überzeugt, dass uns das nicht passieren wird, aber Viktors Motto „Expect the worst and hope for best“ hinterlässt natürlich auch hier seine Fragezeichen.
Aber noch sind wir mit der Organisation der Rückreise und der verbleibenden zwei Wochen so beschäftigt, dass diese Gedanken nur zwischendurch immer mal wieder hochkommen. Schließlich gibt es in Buenos Aires und in El Calafate noch Einiges zu erleben.

P.S.: Wir haben heute auf der GoPro-Actioncam noch ein lustiges Video von einer Fährfahrt aus der Woche 45 gefunden (es ist dort auch nochmal eingefügt): Die Navigatorin macht klare Ansagen.

Samstag 22.2.25 – Ushuaia

Für den heutigen Tag haben wir uns eines der Museen vorgenommen und wir wollen einige Einkäufe tätigen, sowohl für das Verpacken des Tandems als auch für die etwas längeren Wanderungen, die wir in den letzten Wochen unserer Tour noch vorhaben.

Über Nacht haben wir das Öl aus der Rohloff-Schaltung abgelassen und ziehen den letzten Rest mit einer Spritze ab, denn im Flugzeug könnte es bei niedrigem Luftdruck im Laderaum austreten und je nach Transportposition des Tandems die Bremsen beschädigen.

Nach dem Frühstück beginnen wir im Zimmer mit dem Reservieren/Buchen von Touren zum Gletscher-Nationalpark von El Calafate aus.

Als wir damit fertig sind, laufen wir die Einkaufsstraße von Ushuaia (San Martin) fast komplett ab. In dem Fahrradladen (Ushuaia Extremo), in dem uns gestern die Pedale am Tandem gelöst wurden, fragen wir nach Verpackungsmaterial und werden an das Schreibwarengeschäft (Librería Rayuela) nebenan verwiesen. Dort erhalten wir Stretchfolie, Blasenfolie, A4-Papier für selbstgemalte „This Side UP ↑“-Schilder und einen Klebestift. Nur Luftballons, die wir auf dem Hinflug schon zur Polsterung das Tandems im Karton benutzt hatten, müssen wir noch in einem Geschäft für Party-Accessoires kaufen.

Danach geht es in den Outdoor-Laden „Cape Horn“, in dem wir uns wasserfeste Wanderschuhe zulegen. Solche haben wir auch zuhause in Deutschland noch nicht und mit unseren Radfahrschuhen, die unten wasserdurchlässige Gewindelöcher haben, in denen die Bindungen für die Fahrradpedale (Cleats) festgeschraubt sind, wollen wir die nächsten Wanderungen zu den Gletschern dann doch nicht wagen. So hängen wir also heute im Hotelzimmer offiziell unsere Radfahrschuhe an den Nagel (bzw. packen sie bis zum Heimflug in unsere Radtaschen).


Abschließend kaufen wir in einem Souvenirgeschäft noch einen Ushuaia-Aufkleber für unser Tandem und machen dann Kaffeepause im Café Martinez.

Auf dem Rückweg ins Hotel buchen wir an der Touristen-Information für morgen eine geführte Wander-Tour zur „Laguna Esmeralda“, die nur mit wasserfesten Schuhen und wetterfester Kleidung erlaubt ist. Der Reiseführer kontrolliert angeblich die Kleidung und entscheidet selbst, ob er uns mitnimmt.

Im Hotel beginnen wir mit dem Verpacken des Tandems. Als wir mit unseren Fortschritten zufrieden sind und glauben, dass wir es bis Dienstag problemlos schaffen können komplett transportsicher zu verpacken, machen wir uns auf den Weg ins Museum.

Das „Museo Fin del Mundo“ (Museum Ende der Welt) besteht aus zwei Gebäuden, der „Antigua Casa de Gobierno“ (Altes Regierungsgebäude) und dem eigentlichen Museum, zwei Straßenblöcke entfernt.

In der Antigua Casa de Gobierno gibt es eine kleine Ausstellung zur Architektur und zu den Bauphasen des Gebäudes. Ein Raum ist dem Untergang des Kreuzfahrtschiffes Monte Cervantes (auch „Titanic des Südens“ genannt) der Reederei Hamburg Süd im Jahr 1928 vor Ushuaia gewidmet. Alle Passagiere wurden gerettet und mehrere Tage lang von der Bevölkerung in Ushuaia beherbergt und versorgt, obwohl die Passagierzahl die Einwohnerzahl Ushuaias bei weitem überstieg.

Im eigentlichen Museum erfahren wir dann endlich erstmals etwas mehr über die Ureinwohner dieser Region und ihr trauriges Schicksal. Wie so oft wurde ihre ca. 5.000 Jahre alte Kultur beim Eintreffen der ersten Europäer als minderwertig und unzivilisiert angesehen und innerhalb von 50 bis 100 Jahren durch Krankheiten (vor allem Tuberkulose), Missionierung, Landnahme und Verdrängung ausgelöscht.

Die Ureinwohner Feuerlands gehörten zu vier großen Gruppen, die jeweils aus circa 3.000 bis 4.000 Menschen bestanden. Die Yámana, Haush, Selk’nam und Kawesqar. Die Yámana waren Wassernomaden und lebten überwiegend auf Kanus und an Stränden. Sie ernährten sich von Meeresfrüchten und Seelöwen, die sie mit Speeren jagten.

Auf dem Rückweg holen wir noch unsere saubere Wäsche ab. Wir haben nicht ausreichend Bargeld dabei, die Mitarbeiterin schaut in die Tüte und reduziert unseren Preis auf das, was wir noch haben – es sei ja gar nicht so viel Wäsche ;-). Wir hätten noch Geld geholt, aber bei dem Regenwetter muss es natürlich nicht sein… Vielen Dank an die Ecolaundry!

Im Hotel arbeiten wir dann weiter an der Verpackung des Tandems. Jutta bastelt im Flur vor dem Hotelzimmer das vordere und hintere Karton-Ende. Viktor bastelt den Schutz für das vordere Kettenblatt und die Kurbelarme. Außerdem fertigt er aus Pappe einige Quer“streben“, die das Tandem im Karton zentrieren und gleichzeitig den Karton stabilisieren sollen.

Zum Abenessen wollen wir auch nicht so weit durch den Regen laufen und gehen in die Fuego Restobar – ehemals Fin del Mundo. Es gibt keine vegetarische Auswahl, also isst Jutta das Stroganoff de Champignones mit Reis. Das schmeckt leider sehr stark nach etwas, was sie nicht mag, sie weiss nicht, ob es nur der Wein ist, mit dem es gekocht wurde oder noch etwas anderes. Die Jakobsmuscheln von Viktor sind umso leckerer!

Sonntag 23.2.25 – Ushuaia (Laguna Esmeralda)

Für heute morgen stellen wir uns mal wieder den Wecker, aber nur auf 7:15 Uhr. Das reicht für ein schnelles Frühstück bevor wir um 8:40 Uhr zu unserer Wanderung zur Laguna Esmeralda abgeholt werden. Viktor will seine noch nie getragene Daunenjacke mitnehmen, kann sie aber partout nicht finden. Sie wird wohl auf der Bootstour durch den Beagel-Kanal auf dem Schiff liegen geblieben sein.

Neben uns werden noch eine Reisende aus Buenos Aires und ein Paar aus dem Norden Mexikos eingesammelt, und nach einer nur 15-minütigen Fahrt werden wir mit unserem Guide (Marcelo ?) an einer Absperrung rausgelassen. Die Wanderung beginnt an einer Hundeschule und Zucht für Schlittenhunde (Huskys und eine weitere Rasse) und geht dann durch Wald und Moor, durch sehr viele Pfützen und Schlamm, über Baumstämme und Wurzeln (Viktor bleibt mit seinem neuen Wanderschuh an einer Wurzel hängen und reißt sich sofort einen Schaden ins Obermaterial), manchmal über Holzstege und immer etwas weiter bergauf. Der Tipp, sich nicht nur regendichte Schuhe, sondern auch Hosen anzuziehen, war absolut richtig: der Matsch spritzt die Hosenbeine hoch. Zu Beginn erinnert es Jutta an die kleine Wanderung mit den Hannoveranern in Costa Rica, als es auch nass und uneben war, aber hier wird es noch extremer. Marcelo gibt uns sowohl die Calafate-Frucht (Buchsblättrige Berberitze, nach deren Strauch die Stadt El Calafate benannt ist, die Frucht ist bitter/sauer) als auch Walderdbeeren zum Probieren und erzählt etwas über die Biber (den Wasserbau-Ingenieur unter den Tieren), während er uns die von ihnen angerichteten Baumschäden und das angestaute Wasser zeigt. Der Biber wurde aus Nordamerika vom Menschen nach Feuerland eingeführt und hat hier keine natürlichen Feinde. Dadurch hat er sich zu einer Plage entwickelt und darf gejagt werden. Es jagt ihn bloß niemand, weil er nicht schmeckt.

Nach circa eineinhalb Stunden kommen wir an der Lagune an, mit erstaunlich vielen Anderen. Auf dem Weg sind wir gar nicht so sehr vielen begegnet, aber wir sind auch nicht den Hauptwanderweg gelaufen. Wir machen eine einstündige Pause zur freien Verfügung, und wir beiden gehen ein Stück weiter am Ufer entlang, setzen uns auf einen umgekippten Baumstamm und verzehren das „Boxed-Lunch“ dort halbwegs in der Sonne.

Also ich habe meinen Atem gesehen – Warum das auf dem Video nicht der Fall ist, ist mir ein Rätsel.

Beim Abstieg gehen wir einen teilweise anderen Weg. Diesmal laufen wir auch über Moorboden, der richtig federt, und in dem Wasser wie in einem Schwamm gespeichert ist. Außerdem sehen wir richtig große Pilze.

Jutta bekommt auf dem Rückweg irgendwie das Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ in den Kopf. Dann vergeht die restliche Zeit damit, die erste und zweite Strophe textlich wieder zusammen zu bekommen – es hakt immer wieder. Erst an der Hundeschule, als sie es Viktor erzählt, fügt sich alles zusammen!

Das war doch mal eine richtig schöne Wanderung! Endlich mal wieder in bequemen Schuhen und mit trockenen Füßen. Wir freuen uns richtig auf ein paar weitere Wanderungen in und um El Calafate. Nach fast einem Jahr ziemlich einseitiger sportlicher Betätigung ist das auch kein Wunder.

An der Hundeschule geben wir alle unsere Wanderstöcke, die hier im Gelände sehr, sehr hilfreich waren, wieder ab und steigen in einen Jeep für den Rückweg nach Ushuaia. Beatriz aus Mexiko fragt nach unserem Blog und scannt während der Rückfahrt unseren Aufkleber mit dem QR-Code ein. Mal schauen, ob sie hier vielleicht einen Kommentar hinterlässt.

Wir lassen uns nicht zum Hotel bringen, sondern steigen am ersten Halt mit aus, um, dreckig, wie wir zwar sind, erst im Tante Sara Café einen Kaffee zu trinken und danach noch zum Ticket-Office von Tolkeyen zu gehen und nach Viktors Daunenjacke zu fragen. Dort wollen sie beim Reinigungspersonal nachfragen, und später kommt die Nachricht, dass die Jacke nicht gefunden wurde. Jetzt ist Viktor nach den zwei Kegoo-Trinkflaschen auch noch die Daunenjacke verloren gegangen. Aber bisher wurde uns nichts geklaut – außer vielleicht die Kreditkarte, die der Geldautomat in Cusco „gefressen“ (also uns geklaut) hat.

Schon bei Tante Sara verfolgen wir die ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl in Deutschland, später im Zimmer guckt Viktor Deutsches Fernsehen (Livetream auf YouTube inklusive „Elefantenrunde“ um 20:00 Uhr, hier 16:00 Uhr), während Jutta sich lesend in den Hotelflur setzt.

Zum Abendessen gehen wir später ins Marcopolo Freelife, das im gleichen Gebäude wie das Hotel Cap Polonio liegt. Das Schiff mit diesem Namen von der Reederei Hamburg Süd brachte wohl 1923 die ersten Touristen nach Ushuaia.

Historisches Originalschild vom Schiff

Viktor isst zum Nachtisch eine Schwarzwälder-Kirschtorte (Selva Negra), die schon etwas trocken und mit kandierten Kirschen zubereitet ist … na ja …

Den Abend verbringen wir schreibend im Hotelzimmer und immer wieder auf die Wahlergebnisse schauend. Es wird ein spannender Abend und kurz vor dem Schlafengehen – es fehlen bei der Auszählung nur noch drei Wahlkreise – rutscht das BSW unter die 5,0 Prozent. Um 1:33 Uhr deutscher Zeit (21:33 Uhr in Ushuaia) steht das vorläufige Wahlergebnis fest und das BSW liegt bei 4,972 %, was bedeutet, dass die neue Bundesregierung wohl eine große Koalition ohne grüne Beteiligung wird. Vemutlich ist so eine Regierung stabiler und nach dem Ampel-Hickhack der vergangenen Jahre für Deutschland auch besser als eine Koalition von CDU/CSU, SPD und Grünen, gerade in diesen unkalkulierbaren Zeiten mit Präsident Donald Trump als „Partner“ in den U.S.A.
Und es ermöglicht den Grünen vielleicht auch eine Erneuerung in der Opposition.

BSW unter 5% – Große Koalition ohne grüne Regierungsbeteiligung

Woche 46 (10.2.25 – 16.2.25) – auf See – Puerto Natales

Montag 10.2.25 – Nähe Volcan Corcovado bis Canal Pulluche kurz vor der offenen See (Navimag-Fähre Esperanza)

Wir wollen schon gegen 6:30 Uhr aufstehen, um den Sonnenaufgang um 7 Uhr an Deck erleben zu können, stellen aber keinen Wecker, denn wir wollen in der Achter-Kabine niemanden vorzeitig wecken. Jutta wacht sowieso immer früh auf und auch heute ist sie um 6:00 Uhr aufstehbereit. Gegen 6:30 Uhr tun wir das dann auch und gehen nach unten in den Speise- und Aufenthaltsraum, in dem sich praktisch alles an Bord abspielt, was mit den Passagieren zu tun hat. Draußen ist es nicht nur dunkel, sondern auch sehr bedeckt, so dass wir einen Sonnenaufgang heute sicher nicht zu sehen bekommen, jedenfalls keinen, bei dem man die Sonne am Horizont sieht. Außerdem beginnen wir kurz nach Sonnenaufgang mit der Fahrt über den Golf von Corcovado, der zum offenen Meer hin keine schützenden Inseln besitzt. Entsprechend stärker wird der Wind und die Wellen werden von Minute zu Minute größer.

Um 8:00 beginnt das Frühstück und schon beim Schlangestehen schwanken die Passagiere bedenklich hin und her. Wir müssen uns an den Tischen festhalten, bei einem der ersten 20 Passagiere rutscht das Tablett während einer größeren Welle vom Tisch und das gesamte Frühstück verteilt sich auf dem Boden. Der Supervisor und ein weiterer Helfer fegen und wischen alles auf und das übrige Personal verteilt zusätzlich zum Essen nun auch Gummi-Matten, die unter die Tabletts gelegt werden können, damit sie nicht mehr von Tisch rutschen können. Jetzt rutschen nur noch die Teller und Tassen auf den Tabletts hin und her, fallen aber zumindest nicht gleich vom Tisch, allerdings schwappen gut gefüllte Tassen und Saftgläser jetzt halt über. Die Ausstattung und die Auswahl beim Frühstück sind – anders als befürchtet -wesentlich besser als im Hotel Ibis in Puerto Montt.

Nach dem Frühstück bleiben wir noch lange mit Hanne (mit der Viktor sich schon vor dem Checkin-Hotel unterhielt) und Thomas, frisch verrenteten Deutschen vom Bodensee (er Anästhesist und Hobbyförster) und der jungen Lisa (aus dem Allgäu) sitzen und unterhalten uns, hören um 10:30 Uhr den Vortrag über das Schiff und die Highlights der Strecke, gehen bei trockenem Wetter zwischendurch nach draußen und sehen einige Wale aus der Entfernung. Diese lassen sich aber nicht bestimmen, weil sie sehr weit entfernt sind. Wir sehen ihren „Soplo“ (Blas) und erkennen einen Rücken ohne Rückenflosse (es sind also keine Schwertwale bzw. Orcas), aber mehr kann man nicht erkennen. Auch für Fotos mit dem Handy sind sie zu weit entfernt. Eine Weile puzzeln wir am gemeinschaftlichen Puzzle mit.

Mittagessen gibt es von 12 bis 13 Uhr, und da die See gerade sehr ruhig ist, wackelt oder rutscht jetzt nichts. Um 14 Uhr sind wir in einer Gruppe von 25 Personen an der Reihe, die Kommandobrücke zu besuchen. Der geräumige Raum ist schon sehr interessant, und da sich niemand outet, der oder die Älteste der Gruppe zu sein, darf eine junge Deutsche den grünen Knopf – die Hupe – drücken. Der Kapitän teilt uns nochmal mit, dass wir in der kommenden Nacht zehnfach schlimmere Bedingungen erwarten sollen, als wir sie heute beim Frühstück hatten. Eine Spanierin fragt besorgt, ob er damit zehnfach höhere Wellen meint. Der Kapitän präzisiert daraufhin, dass das Ganze nur 10-mal länger dauern wird.

Um 17:30 Uhr schließt sich Jutta der Yoga-Gruppe im Sportraum der Mannschaft an und dehnt nach dem ständigen Radfahren einmal wieder alle möglichen anderen Bänder und Gelenke.

Beim Abendessen und danach unterhalten wir uns mit Peter und Anne aus den U.S.A. (Kalifornien?), die sehr viel reisen und gerade auf der Suche nach einer neuen Heimat sind. Wegen der zweiten Amtszeit von Donald Trump wollen sie die U.S.A. verlassen. Potenzielle Länder scheinen Spanien, Portugal, Italien, Kroatien und Griechenland zu sein.

Ab 21 Uhr findet ein Karaoke-Abend statt. Dieser läuft etwas langsam an, entwickelt sich aber im Laufe der Zeit. Wir sitzen in einer größeren deutschsprachigen Gruppe an einem Tisch in einer Ecke des Speisesaales, haben schon vor dem Karaoke richtig Spaß und unterhalten uns bestens. Es werden Reise-Erfahrungen und Reisepläne ausgetauscht, aber auch viel von zuhause erzählt und darüber geredet, warum man gerade auf dieser Tour oder eben auf dieser Fähre ist. Wir sind überzeugt, dass hier ein paar längere Bekanntschaften oder gar Freundschaften beginnen.
Von „uns“ Deutschen trauen sich Benedikt (ein Lehrer und echter Kletterfreak) mit Piano Man (Billy Joel), Max (ebenfalls Kletterer – und Zimmermann) mit Griechischer Wein (Udo Jürgens) und Sophie (eine der drei Medizinerinnen) mit Perfekte Welle (Juli) ans Mikrofon und werden von dem Anderen stimmlich unterstützt – und das, obwohl wir alle nicht wirklich Karaoke-Freunde zu sein scheinen.

Später erhalten wir auf Nachfrage alle tolle Profi-Spuckbeutel, da es ab etwa Mitternacht auf die hohe See geht. So manche(r) nimmt auch schon Reisetabletten. Thomas und Hanne haben sogar Ondansetron und Lorazepam dabei…

Gegen 23:00 Uhr gehen wir alle gut gelaunt aber mit ordentlichem Respekt vor der bevorstehenden Nacht in unsere Kabinen.

Dienstag 11.2.25 – Offene See bis kurz vor der Angostura Inglesa (Navimag-Fähre Esperanza)

Die Nacht ist tatsächlich sehr unruhig, aber weniger schlimm als erwartet und wir bleiben vor der Seekrankheit bewahrt. Viktor schläft recht gut durch, aber Jutta kann lange nicht einschlafen, weil es nicht nur schaukelt, sondern auch ziemlich laut ist, wenn der Bug mit einem heftigen Schlag aufs Wasser aufschlägt. Als sie aber endlich einschläft geht das Schlafen sehr gut, und das erste Mal ohne jegliche Übelkeit. Genauso geht es auch vielen anderen diese Nacht, wie wir beim Frühstück um 8:00 Uhr erfahren, bei dem nur wenige (z.B. Hanne) nicht auftauchen und lieber liegenbleiben.

Nach dem Frühstück werden alle Fahrgäste überraschend im Speisesaal zusammengerufen. und wir erfahren, dass wir einen Tag später in Puerto Natales eintreffen werden als ursprünglich geplant. Wir sind in der Nacht wegen des Gegenwindes nicht schnell genug vorangekommen und werden eine Engstelle, die „Angostura Inglesa“, durch die man nur bei Tag navigieren kann, nicht mehr rechtzeitig erreichen. Wir werden also vor der Einfahrt in den „Canal Messier“ stehenbleiben und auf den Tagesanbruch warten müssen.

Wir sitzen nach dem Frühstück wieder an einem deutschsprachigen Tisch zusammen und unterhalten uns unter anderem über das Wahlhelfer-Dasein und die nervige Bürokratie, die wir in unseren unterschiedlichen Jobs in Deutschland erleben.

Währenddessen entwickelt sich ein hektisches Treiben an der „Rezeption“ hinten im Speisesaal, denn dort gibt es einen Computer, mit dem wir online unsere Hotelreservierungen und Tourbuchungen stornieren oder ändern können. Einige wollen auch eine kurze Nachricht an die Familien absetzen, damit sich keiner Sorgen macht, wenn sie einen Tag länger als geplant nichts von uns hören. Wir erhalten die Wartenummer 9 und sind irgendwann am späten Vormittag an der Reihe.

Wir wollen unser Hotel und eine Tour in den Nationalpark „Torres del Paine“ umbuchen. Unser Login bei Booking.com ist jedoch mit einer Zweifaktor-Authentifizierung gesichert. Also wird uns nach dem Login-Versuch angezeigt, dass wir nun bitte die sechsstelliger PIN eingeben sollen, die uns gerade aufs Handy geschickt wurde. Tja, irgendwie doof, wenn Du kein Netz hast. Zum Glück kennen die Mitarbeiterinnen das Problem schon und wissen, dass man mit der Reservierungsnummer aus der Bestätigungs-E-Mail und der darin angegeben PIN ebenfalls eine Buchungsänderung vornehmen kann. Das klappt dann auch tadellos. Für die Umbuchung unserer Tour müssen wir aber auf einen Link in der Bestätigungs-E-Mail klicken. Der Login in den Webmailer von IONOS gestaltet sich dann doch etwas schwierig, denn auf Anraten von Julius hat Viktor sich ein sehr sicheres Passwort für seinen Mailaccount zugelegt, 39 Zeichen lang, mit vielen Sonderzeichen. Und nun finde mal auf einer spanischen Tastatur auf Anhieb alle Sonderzeichen. Es klappt aber tatsächlich gleich beim ersten Versuch und wir können auch unsere Tour um einen Tag verschieben. Ein Login bei WhatsApp klappt auf dem Laptop hingegen nicht, denn dazu muss man mit dem Handy einen QR-Code einscannen, um sich zu authentifizieren – und richtig – dazu muss das Handy natürlich online sein. Also loggt sich Viktor bei Facebook ein und bittet Barbie in einem Beitrag darum, eine kurze Nachricht an die WhatsApp-Familiengruppe zu senden, damit sich keiner sorgt.

Das Gemeinschaftspuzzle wurde gestern Abend offenbar noch fertiggestellt, in das Logbuch auf der Packung wurden 10 Stunden als benötigte Zeit eingetragen. Viktor fragt an der Rezeption, ob es noch ein zweites Puzzle gäbe, und tatsächlich erhalten wir eine Schachtel mit einem 2.000-Teile-Puzzle, das nochmal deutlich schwieriger wirkt als das von gestern. Eine Engländerin erkennt die Burg von Bodiam. Die Teile sind fast nur blau oder braun.

Da wir ja mit allen unseren Geräten offline sind, probiert Viktor mal wieder die Motorola-Satelliten-Kommunikation aus, um den Checkin für die automatisch erstellte Karte auf der Blog-Homepage über Satellit zu senden. Leider funktioniert das Ganze mal wieder nicht. Der Motorola-Defy-Sender&Empfänger soll einen möglichst großen Abstand von hohen Gebäuden, Bergen und großen Metallstrukturen haben. Das stellt sich auf einer großen Metall-Fähre im patagonischen Fjord als relativ schwierig heraus. Unser Fazit zu dem Motorola-Teil: Rausgeschmissenes Geld – immer wenn wir es unterwegs hätten benutzen wollen, hat es nicht funktioniert.

Am späten Nachmittag wird die Geschwindigkeit gedrosselt, und schließlich bleiben wir fast stehen (es wird gemunkelt, dass es noch 5 km/h vorwärts geht).

Nach dem Abendessen sitzen wir nochmal mit Hanne und den drei Medizinerinnen (im November gerade fertig geworden und vor der ersten Stelle auf großer Reise) aus Würzburg zusammen und unterhalten uns angeregt über alles mögliche. Auch unsere Aufkleber mit der Blog-Adresse wechseln wieder die Seiten.

Ab 21 Uhr wird statt des eigentlich geplanten Bingo-Abends der Film ”Canoeing Living Memory” gezeigt, der von einer National Geographic Expedition im Jahr 2022 handelt, die zur Unterstützung Indigene der Kaweskar und der Yaganes mit dabeihatte. Leider sind die englischen Untertitel ziemlich klein in weißer Schrift geschrieben, so dass Jutta mehr die Bilder als die Sprache mitbekommt. Heute gehen wir anschließend schon in die Koje, um ein wenig Schlaf nachzuholen.

Mittwoch, 12.2.2025 – Angostura Inglesa bis Canal Sarmiento (Navimag-Fähre Esperanza)

Wir lassen uns vom Wecker um 5:45 Uhr wecken, da wir den Sonnenaufgang anschauen wollen. Die Fähre bewegt sich immer noch kaum, und draußen ist es gerade noch so dunkel, dass man nur schwarz sieht. Ganz, ganz langsam kommen die Silhuetten der Berge ins Blickfeld, aber je heller es wird, umso nebeliger ist es und man sieht leider keine Sonne aufgehen.

Um kurz vor acht erreichen wir eine Stelle, an der zwei Schiffswracks übereinander auf einem Unterwassergipfel liegen. Die ”Cotopaxi” ist 1889 hier innerhalb von 10 Minuten gesunken und der Kapitän ist als Held in die Geschichte eingegangen, weil kein Passagier bei dem Untergang starb. 1964 wollte ein Kapitän die ”Capitán Leonidas” hier absichtlich versenken. Das Frachtschiff hatte eine Ladung Zucker aus Brasilien nach Valparíso geladen, diesen aber bereits unter der Hand in Uruguay verkauft. Der Kapitän wollte nun zusätzlich die Versicherungssumme für Schiff und Ladung abkassieren. Aber das Schiff blieb auf der Cotopaxi liegen und ragt heute noch aus dem Wasser. Bei der Inspektion des Schiffs fiel dann natürlich das Fehlen des Zuckers auf und der Versicherungsbetrug platzte.

Um neun Uhr erreichen wir die engste Stelle des Tages, die ”Angostura Inglesa”, an der auf einer kleinen Insel neben der Fahrrinne eine Marienstatue (Stella Maris) steht. Wir werden auf dem Bug vorgewarnt, dass der Kapitän bei der Vorbeifahrt das Schiffshorn betätigen wird. Hier sind schon sehr viele Mobiltelefone und Fotoapparate ins Wasser gefallen, weil sich die Passagiere erschreckt haben. Heute ist das Dank der Warnung aber nicht der Fall.

Kurz nach dem Frühstück sichten wir erst Delfine, die teilweise ganz dicht neben der Fähre mit uns mitschwimmen. Als etwas später die Durchsage kommt, dass Orcas auf der rechten Bordseite zu sehen seien, hat sich Viktor gerade frisch rasiert und seine Zahnbürste steckt noch im Mund. Trotzdem schafft er es noch rechtzeitig zum Bug, um den Blas mehrerer Orcas zu sehen und mit dem Handy zu filmen (allerdings auf der linken Seite).

Auf der Weiterfahrt in Richtung Puerto Edén macht sich auf dem Bug unter den Passagieren plötzlich Unruhe breit. Es kommt regelrecht zu kleinen Jubelszenen, und die Leute starren auf ihre Mobiltelefone … wir haben Mobilfunknetz, das aus Puerto Edén bis zu uns herüberreicht! Unser Handy mit der Maya-eSIM-Karte hat aber natürlich keinen Empfang und wir können daher weiter der Entschleunigung und dem ”Digital Detox” fröhnen.

Gegen halb zehn Uhr erreichen wir Puerto Edén, ein kleiner Fischerort (der einzige in dieser Gegend) mit nur 100 Einwohnern und ankern in der Bucht. Dieser Ort wird von unserem Schiff mit allem versorgt, was sie nicht selbst anbauen, jagen oder herstellen können. Es steigt eine ganze Anzahl Passagiere hier aus, unter anderem eine Mutter mit zwei Kindern, die wohl hier wohnen und zwei Handwerker, die Arbeiten an der Kirche ausführen werden. 19 Passagiere und ihr Gepäck werden mit einem Boot herangebracht und die hintere Laderampe wird heruntergefahren, um sie an Bord zu nehmen und die anderen Passagiere aussteigen zu lassen. Es sind insgesamt zehn teilweise sehr kleine Boote, die neben den Passagieren und Lebensmitteln auch Styropor, Holzbalken, Latten, eine Holzplatte von der Fähre in das Dorf transportieren. Wir ankern dort mindestens eine Stunde.

Um 14:30 Uhr soll es endlich auf die Führung in den Maschinenraum gehen. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, denn es müssen Helme und Ohrenstöpsel getragen werden. Als wir alle mit Helm auf dem Kopf bereitstehen heißt es plötzlich ”Kommando zurück” … wir fahren jetzt doch erstmal durch den ”Paso del Abismo”, einer der schönsten Engstellen auf dieser Schiffsreise. Das Schiffshorn kommt dabei zweifach zum Einsatz und hallt als Echo an den Wänden der Schlucht wider. Das Baby an Bord erschrickt sich wieder mächtig und fängt an zu weinen. An der rechten Steilwand sind alle paar hundert Meter Wasserfälle zu sehen. Viktor nimmt kurze Videos auf und schießt ein Foto nach dem anderen. Aber eigentlich ist das sinnlos, denn den wahren Eindruck können diese Bilder sowieso nicht vermitteln. Und das Ganze sieht so irreal schön aus, dass wahrscheinlich jeder Betrachter denken wird, die Bilder stammen aus Photoshop oder von einer KI.

Danach geht es dann in Vierergruppen in den Maschinenraum. Viktor, Thomas und Benedikt haben sich auf eine Liste eingetragen. Martin aus der deutschen Gruppe hat es zu spät mitbekommen, aber mit einem Trick schafft Benedikt es, einen Platz mit einem Fahrgast der  zweiten Gruppe zu tauschen und Martin in unsere Vierergruppe hineinzuschmuggeln. Im Maschinenraum sehen wir einen 9-Zylinder-Diesel in Aktion, der vom Schweizer Hersteller Wärtsilä stammt, bei dem Thomas’ Neffe gearbeitet und an den Einspritzpumpen mitentwickelt hat. Die Männerrunde kehrt mit leuchtenden Augen von der Tour zurück und Viktor sagt scherzhaft: ”Vergesst die schönen Landschaften … das war das Highlight der Schiffsreise!”

Kurz vor 17:00 Uhr passieren wir eine Stelle, an der wir mehrere größere Eisbrocken im Wasser schwimmen sehen. Vor der Bergkette ist in größerer Entfernung im Wasser eine eigenartige weiße Linie zu erkennen, die in der Sonne leuchtet. Diese stellt sich schnell als Eiswand eines Gletschers heraus. Wir betrachten sie durch verschiedene Ferngläser und Fernrohre und machen mit aufgesetzten Mobiltelefonen sogar einige halbwegs gelungene Fotos vom Gletscher-Ende. Unsere Schätzungen variieren zwischen 5 und 15 Metern Höhe. Auf die Entfernung ist das schwer zu schätzen, aber wir sind glücklich, einen der Gletscher des ”Southern Patagonian Icefield” (Campo de Hielo Sur) gesichtet zu haben. Das ist bei den wechselnden Wetterbedingungen keine Selbstverständlichkeit.

Um 17.30 Uhr ist Jutta wieder beim Yoga angemeldet, mit einigen der anderen Deutschen (und anderen). Als wir uns sammeln, wird gesagt, dass es heute nach draußen geht. Dabei ist es heute viel kälter und windiger als vorgestern. Wir nehmen die Matten aus dem Sportraum und gehen auf das Vorderdeck. Und dann wird bei Wind und Kälte, mit immer wegwehenden Matten, aber einem atemberaubenden Blick Yoga gemacht. Im Anschluss gehen alle sofort zum Heißwasserbehälter und machen sich Kaffee oder Tee. Und Jutta geht sich heiß duschen. Viktor spielt derweil das Keltis-Kartenspiel mit Martin und Tanja. Das dritte Spiel gewinnt Viktor sogar.

Beim Abendesssen finden alle einen Umschlag für Trinkgelder für das Service – Personal auf dem Tablett. Nach dem Essen wird vom Personal einem französischen Paar zum 30. Hochzeitstag und einer Schweizerin zu ihrem 60. Geburtstag gratuliert. Und eigentlich wären wir inzwischen ja schon wieder an Land …

Da wir noch so viele Argentische Pesos haben, tauschen Lisa, Martin und Tanja bei uns Euros gegen Pesos, weil deren Reisen noch nach Argentinien gehen und wir immer noch viel zu viel Argentinische Pesos haben, die wir gar nicht mehr vollständig ausgeben können.

Der Abend endet mit Bingo im Speisesaal. Zu gewinnen gibt es Landkarten und Navimag-Fahnen. Eine Niederländerin, die ihr Essenstablett immer auf den fünf Fingern einer erhobenen Hand transportiert, gewinnt eine vom Kapitän signierte Fahne. Wir rätseln, was wohl ihr normaler Job sein könnte.

Donnerstag, 13.2.2025 – Canal Sarmiento bis Puerto Natales (Navimag-Fähre Esperanza)

Jutta steht früh auf, aber es gibt heute wieder keinen sehenswerten Sonnenaufgang. Also bleibt der Weckversuch bei Viktor eher zaghaft und er schläft bis zur Frühstückzeit um 8 Uhr durch.

Heute gibt es die letzten ”Highlights” der Route. Bei Sonnenaufgang sind wir am ”Paso Farquhar” und fahren dann durch den ”Canal Unión” bis zum südlichsten Punkt unserer Route, den ”Paso Sobenes”. Von dort geht es wieder nordwärts, bis wir die engste Stelle der gesamten Fahrt erreichen, die ”Angostura White”, an der rechts und links des Schiffes noch jeweils 17 Meter Abstand zum Ufer verbleiben. Wieder fließt überall an den Berghängen Wasser aus den Schneefeldern und Gletschern und wir sehen viele kleine Wasseerfälle.

Nach der Durchfahrt der Engstelle frischt der Wind merklich auf und wir lernen von Thomas den Begriff ”fliegendes Wasser”, das entsteht, wenn die Wellenkämme vom Wind abgerissen werden und als Gischt horizontal vor den Wellen herfliegen. Wenn man hier ins Wasser fällt, kann man trotz Schwimmweste an diesem Wasser ”ertrinken”, weil man das fliegende Wasser einatmet, wenn man den Kopf nicht vom Wind abwendet.

Am ”Deutschen Tisch” (zu zwölft) unterhalten wir uns unter anderem auch über das Wäschewaschen unterwegs. Da wir die Waschmittel-Blätter von „Sea to Summit“ in den ganzen Monaten nicht wirklich gebraucht haben, schenken wir sie jetzt den Medizinerinnen, damit sie damit eventuell ihre fleckigen Klamotten wieder sauberer bekommen 😉.

Um 12 Uhr gibt es ein letztes Mal Mittagessen, vorher sollen die Zimmer geräumt werden, das große Gepäck draußen gesammelt bzw. in die Autos gebracht werden. Nach dem Essen müssen alle ihre Schlüsselkarten abgeben – richtig mit Durchstreichen der Namen zur Kontrolle.

Gegen 15:30 Uhr – eigentlich ist das Anlegemanöver für diese Zeit geplant – taucht am Horizont Puerto Natales auf. Freudig erregt versammeln sich viele Fahrgäste auf dem Vorderdeck am Bug, um diesem zuzuschauen. Es dauert noch ein bisschen, aber dann fährt unser Schiff am Ufer entlang, wir sehen verschiedene Anlegestellen, an denen das Schiff vorbeifährt … dann sind wir auch schon schnell am Rand von Puerto Natales … und fahren vorbei! Alle schauen sich mehr oder weniger verwundert und fragend an, denn die Anlegestelle soll zwei Blöcke von der Ortsmitte entfernt sein. Die Einen vermuten, der Kapitän sei am Ruder eingeschlafen, Andere vermuten unbezahlte Hafengebühren. Tatsächlich stellt sich der starke Wind als Ursache heraus. Das Anlegemanöver ist bei diesem starken Wind nicht machbar, das Schiff würde vom Wind an Land gedrückt und könnte beschädigt werden oder die Hafenanlagen beschädigen. Wir müssen auf ein Nachlassen des Windes warten.

Wir hören, wie der Anker herabgelassen wird, und bald dreht sich des Schiff in den Wind und beginnt zu ”schwojen”, ein neues Wort, das wir heute von Thomas lernen. Es bedeutet, dass das Schiff an der Ankerkette in Windrichtung langsam hin und her schwingt. In dem Zuge machen wir die anderen auch noch mit den Worten ”begeiden” und ”sitt” bekannt, die im Deutschen Sprachgebrauch fehlen, die es aber noch nicht in den Duden geschafft haben.

Und dann beginnt das lange und völlig informationslose Warten. Auf so einem Schiff hat nur einer das Sagen und das ist der Kapitän. Der scheint sich für seine einsame Entscheidung sehr viel Zeit zu lassen und die gesamte restliche Crew auch nicht über seine Gedankenspiele zu informieren. Jedenfalls sagen alle Crewmitglieder auf Nachfrage immer wieder, dass sie auch keine Ahnung hätten, wie es jetzt weitergeht. Selbst der Supervisor, der für die Information der Passagiere zuständig ist, sagt lediglich, dass es zum Abendessen um 19:00 (mittlerweile dringen die ersten Kochgerüche aus der Küche herüber in den Speisesaal) weitere Informationen vom Kapitän persönlich geben soll.

Die meisten Passagiere haben mittlerweile wieder Mobilfunknetz, nur unser Handy scheint endgültig ”incommunicado”, denn wir haben vergessen die EMEI rechtzeitig in Chile anzumelden. Nach 30 Tagen werden Handies hier gesperrt, wenn sie nicht angemeldet wurden. Über Hotspots von Thomas und Lisa erfahren wir per Facebook – Messenger von Bekannten aus unserer Nachbarstadt Lehnitz (Heiner und Petra), die heute Abend in Puerto Natales an Bord der Esperanza gehen wollen und die wir eigentlich zum Kaffee oder Abendessen treffen wollten, dass ihr Boarding auf den nächsten Morgen 9:00 verschoben wurde.

Um 21:15 Uhr (!!) , also viel später als das Abendessen, bekommen wir von Alexia (nicht vom Supervisor oder vom Kapitän) die Information, dass alle noch eine weitere Nacht an Bord bleiben müssen. Um Mitternacht soll der erste Anlegeversuch starten, falls dieser misslingt, um drei Uhr in der Früh der nächste. Um sechs soll es Frühstück geben, und um sieben dürfen dann alle von Bord. Diejenigen mit Autos können ihre Autoschlüssel abgeben, dann werden sie schon nachts an Land gefahren, oder sie werden nach dem Anlegen geweckt und können selber fahren. Unsere Schlüsselkarten können bzw. müssen wir uns wieder an der Rezeption abholen.

Die nächste Viertelstunde nehmen alle ihre Gepäckstücke und beziehen die Zimmer wieder – ein richtiges Déjà vu – und setzen sich dann wieder in den Essensraum, um eventuell noch einmal einen Karaoke-Abend zu beginnen. Die Crew macht da aber nicht mehr mit, und so wird einfach noch weiter geredet – zum Glück ist es so eine nette Truppe, dass wir genug zu erzählen haben.

Um 23 Uhr wird der Motor gestartet, die Fähre beginnt sich fortzubewegen. Was ist das? Es ist noch noch nicht Mitternacht. Und tatsächlich legen wir jetzt an der Kaimauer an. Es lag wohl nicht an einer Entscheidung unseres Kapitäns, sondern am Hafenmeister von Puerto Natales, dass wir so lange warten mussten. Trotzdem dürfen wir jetzt noch einmal mit Urs und Ruth aus der Schweiz und Benedikt und Max in unserer Kabine Nr.625 übernachten.

Freitag, 14.2.2025 – Puerto Natales

Nach einem frühen Frühstück können wir nach 15 Stunden ”vor Ort” und fünf statt drei Nächten auf der Esperanza das Schiff verlassen. Der Abschied nicht nur von der Deutschen Truppe ist herzlich, auch die Familie mit dem Einjährigen Kind, die mit der US-Amerikanischen Austauschfamilie des Mannes und deren Nachbarn auf dieser Fahrt waren, verabschiedet sich noch total herzlich von uns, nicht ohne uns Gottes Segen zu wünschen.

Nachdem wir die Kette unseres Tandems wieder gerichtet haben, die beim Verspannen an Bord wohl abgefallen war, können wir losfahren und wollen zunächst schauen, ob wir nicht Heiner und Petra aus Lehnitz noch irgendwo treffen können. Im WIFI eines Hotels liest Viktor die frische Nachricht, dass sie in der Nähe im Café Darwin frühstücken. Wir schieben dorthin und verbringen eine nette Zeit des Austauschs, bevor die beiden gegen halb neun zum Einchecken aufbrechen müssen.

Wir fahren zu unserm Hostal Don Guillermo, wo wir auch sofort ins Zimmer können, weil wir ja eigentlich schon gestern kommen wollten. Die Dame an der Rezeption war zum Deutschlernen in einem Dorf in Sachsen-Anhalt und fährt auch immer wieder mal dorthin, daher spricht sie mit uns Deutsch. Uns steht auch ein Frühstück zu, aber Jutta ist plötzlich ziemlich übel inklusive Kopfschmerzen. Die Mitarbeiterin sagt sofort, das sei die Landkrankheit. Jetzt war Jutta in den viereinhalb Tagen auf der Fähre nicht seekrank, aber hier an Land landkrank, das soll mal jemand verstehen. Sie legt sich ins Bett, muss sich tatsächlich zweimal übergeben. Nach drei bis vier Stunden wird es besser, und gegen Mittag gehen wir dann beide eine Runde durch Puerto Natales.

Im Café Dulce Chulada machen wir eine Kaffeepause und gehen zum Busterminal für weitere Informationen über eine mögliche Weiterreise im Bus, denn in den nächsten Tagen soll es noch höhere Windgeschwindigkeiten bis 90 km/h geben. Wir laufen an der Promanade entlang bis zu den „Amores de Viento“ (wir lieben den Wind gerade nicht so sehr) und sehen die Esperanza immer noch am Kai liegen. Die große Fähre wirkt in diesem beschaulichen Ort ziemlich überdimensioniert. Im Ortszentrum treffen wir auf zwei der Schweizer vom Schiff.

Im Zimmer macht Viktor ein Nickerchen, während Jutta beginnt, die letzten Tage im Blog abzuarbeiten. Zum Abendessen gehen wir ins „Entre Pampa y Mar“, wo wir auf zwei Niederländer von der Esperanza treffen, mit denen wir uns einen Tisch teilen (die Zweiertische sind heute knapp und die Bedienung freut sich). Sie ist diejenige, die das Tablett immer so toll balanciert hat. Jetzt erfahren wir, dass sie diese mehrmonatige Reise machen kann, weil sie danach das Café de Pilaren in Alkmaar übernimmt, in dem sie schon lange arbeitet, und die Vorbesitzer sie förmlich aufgefordert haben, voher noch ordentlich zu reisen. Daher dieses professionelle Balancieren des Tabletts an Bord.

Hinterher müssen wir uns etwas Proviant für morgen besorgen und stehen sehr lange im Supermarkt an – blöde Zeit zum Einkaufen. Unsere Nachfrage beim Hostal, ob wir eine Nacht verlängern könnten, wird verneint, also werden wir noch in ein anderes Hostal ziehen. Der Abend bis zur Veröffentlichung der neuen Woche im Blog – immerhin ist schon Freitag – wird noch lang, obwohl wir morgen früh um sieben schon für eine Tour in den Nationalpark „Torres del Paine“ abgeholt werden.

Samstag 15.2.25 – Puerto Natales – Nationalpark Torres del Paine Tour

Für heute haben wir eine typische Touristen-Tagestour in den Nationalpark Torres del Paine gebucht. Alle Highlights werden an einem Tag mit einem Kleinbus abgefahren, Aussichtspunkt nach Aussichtspunkt, aber immerhin mit einer Stunde Wanderung um die Mittagszeit.

Zwischen 7:00 und 7:45 Uhr sollen wir an unserem Hostal abgeholt werden. Kurz vor sieben gehen wir hinunter, um die vorbestellten „boxed lunch“ (Frühstücks-Papiertüten zum Mitnehmen) am Küchentresen abzuholen und pünktlich abfahrbereit zu sein. Wir fragen die Mitarbeiterin, wo die Frühstückspakete denn sind und erhalten zur Antwort, dass die alle heute morgen auf dem Tresen bereitstanden. Na super! Die große Reisegruppe, die Jutta vor einer Stunde hat abfahren hören, hat offenbar unsere Tüten gleich mit eingepackt. Die Mitarbeiterin sagt zwar, das könne doch nicht sein, denn es hätte unsere Zimmernummer 21 draufgestanden, aber im selben Atemzug sagt sie, dass so etwas letzte Woche schon einmal passiert sei.
Sie bietet uns an, noch schnell zu frühstücken, denn sie hat kein zusätzliches Brot mehr übrig, um uns neue Tüten mit einem Sandwich zu packen. Da wir noch keinen Hunger haben, machen wir uns ein Toastbrot-Sandwich und packen es in eine Tüte, die sie uns schnell mit Apfelsine, Joghurt, einem leeren Coffee-To-Go-Becher mit Nescafe-Tütchen sowie ein paar Knabbereien und Süßigkeiten füllt.

Um 7:30 kommt unsere Fremdenführerin zur Hoteltüre herein und begleitet uns zum Kleinbus. Wir haben mal wieder Pech und sind die Letzten, die abgeholt werden. Also sind nur noch Sitze ganz hinten frei, in der einzigen Reihe mit vier Sitzen nebeneinander. Viktor sitzt trotz allen Gewichtsverlustes mit der rechten Po-Backe auf dem Hebel für das Zurückkippen der Rückenlehne, der aus unerfindlichem Grund zwischen den Sitzen hervorragt. Es fühlt sich an als versuche jemand, das rechte Hüftgelenk mit einem Meißel aus der Gelenkschale zu hebeln. Und das soll jetzt 11 bis 12 Stunden so gehen?

Schon die ersten paar Kilometer auf relativ gerader Strecke lassen erahnen, dass das heute nicht wirklich gutgehen kann. Der Fahrer fährt mit einem Affenzahn, schaltet und bremst extrem ruppig, nutzt in den Kurven die volle Fahrbahnbreite inklusive Gegenspur und weicht den großen Schlaglöchern auf der Straße immer wieder durch heftiges Zickzack-Fahren aus. Der heftige Seitenwind nötigt ihn außerdem immer wieder zu heftigem Gegenlenken, was die ganz Sache nicht besser macht.

Es dauert keine halbe Stunde und Jutta zückt die erste Spucktüte. Darauf waren wir heute echt nicht vorbereitet. Viktor schafft es mühsam mit einem starren Blick auf den Horizont oder die Berge links und rechts der Strecke, den eigenen Mageninhalt unter Kontrolle zu halten.

Am ersten Aussichtspunkt, an dem wir anhalten, fragt Viktor bei unserer Guide Nathalie nach, ob sie Tüten für Reiseübelkeit dabeihabe, was diese bejaht. Später stellt sich leider heraus, dass fast jede dieser Tüten ein Loch hat, weil sie diese etwas grobmotorisch von einer Rolle abreißt und nach hinten reicht. Zum Glück sind wir mittlerweile Spuckprofis und unterziehen jede Tüte vor der Benutzung durch kurzes Aufblasen einer sorgfältigen Qualitätskontrolle.

Am zweiten Aussichtspunkt spricht Viktor beim Aussteigen unsere Guide und den Fahrer an, ob wir denn schon sehr spät dran seien, oder warum wir so rasen müssten. Der Fahrer reagiert stinksauer, erzählt etwas von 30 Jahren Berufserfahrung und davon, dass er noch nie einen Strafzettel bekommen habe und sich immer an die Tempolimits halte. Sie hätten schließlich einen Fahrtenschreiber an Bord und das würde strikt kontrolliert. Viktor versucht noch zu erklären, dass wir normalerweise mit dem Rad reisen und er für uns „rapidissimo“ (sehr schnell) fahre, aber der Fahrer bleibt beleidigt.
Tja, so unterschiedlich können eben die Definitionen eines „guten Fahrers“ im Personentransport aussehen. Nicht der Komfort der Fahrgäste, sondern die maximal mögliche Geschwindigkeit sind für diesen Fahrer das Maß aller Dinge. Immerhin sagt er aber zu, dass er versuchen wird, das Tempo etwas zu drosseln.

Erstaunlicherweise haben die anderen Fahrgäste kaum Probleme mit dieser Fahrweise, obwohl es Touristen aus Asien und U.S.A. sind, also auch nicht unbedingt an so einen Fahrstil gewöhnt sein dürften. Wir scheinen tatsächlich empfindlicher zu sein als der Rest an Bord. Nach dem dritten Halt und weiteren gefüllten Spucktüten wird Jutta von einem amerikanischen Paar ein Platz weiter vorne im Bus angeboten, den sie dankend annimmt. Auch die von einem anderen amerikanischen Paar gereichte Kau-Tablette (mit Himbeergeschmack) gegen Reiseübelkeit nimmt sie an (und ein). Wenige Minuten später hat die Tablette den Magen jedoch schon wieder verlassen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Teufelskreis schon längst in vollem Gange und nicht mehr aufzuhalten. Jeder Tropfen Wasser und jede Nahrung (denn Jutta hat richtig Hunger … eine Nahrungsmittelvergiftung, Erkrankung oder Infektion ist also sehr unwahrscheinlich), die sie in den Pausen zwischen den Fahrstrecken aufnimmt, landet kurze Zeit später während der nächsten Fahrstrecke im Spuckbeutel.

Nach dem nächsten Halt zieht das amerikanische Paar aus Sacramento freiwillig in die letzte Reihe um (der Mann nennt es scherzhaft die „coach class“ und bedankt sich freundlich 😉 ) und Viktor setzt sich vorne neben Jutta, um beim Anreichen, Halten und Verstauen der Tüten zu helfen. Denn zu allem Unglück muss man im Nationalpark Torres del Paine sämtlichen Müll wieder mitnehmen. Es gibt keine Mülleimer, in denen man irgendwas entsorgen kann. So müssen wir also die Tüten in der freien Natur an den Haltepunkten leeren und dann benutzt in unsere Coffee-ToGo-Becher stopfen.

Es wird ein absolut unvergesslicher Tag. Denn wer kann schon von sich behaupten, einen der schönsten, farbenprächtigsten, kompletten Regenbögen seines Lebens gesehen zu haben, während er eine Spucktüte hielt bzw. füllte? Gute Fotos sind aus nachvollziehbarem Grund heute eher Mangelware, der Regenbogen ist ein Bild, das lediglich in unseren Gehirnwindungen gespeichert bleibt. Eigentlich nur in Viktors – Jutta sieht auf den Autofahrten gar nichts, nur bei den Zwischenhalten mit Aussteigen.

Ein paar Dinge sind dann heute aber doch noch im Gedächtnis geblieben:

Tourstationen: Lago Sarmiento, Laguna Amarga, Pehoé Camping, Salto Grande Wasserfälle, Salto Chico Wasserfälle, Lago Grey (südliches patagonischen Eisfeld), Milodon Höhle

Der Torres del Paine ist nach drei turmhohen, nah beieinander stehenden Bergen benannt, den „Türmen des Blaus“ (Torres = Türme, Paine = Blau in einer der lokalen indigenen Sprachen). Sie sind auf diesem Foto in der Mitte zu sehen.

Hinten mittig die „Torres del Paine“, vorne Wasserfälle

Christina Calderon, last Speaker of Yahgan language

Sociedad Explotadora de Tierra del Fuego committed genocide on the Selk’nam indigenous people (with the permission of the Chilean government). The Selk’nam had no concept of ownership and started hunting and eating the sheep, as their original source of food, the Guanacos, were displaced by the large sheep herds.

Die „Laguna Amarga“ (Bittere Lagune) hat keinen Zufluss oder Abfluss und speist sich nur vom Regenwasser. Das Wasser enthält eine hohe Konzentration an Kalziumkarbonat und ist daher sehr alkalisch (pH10). Wir dürfen „nur gucken, aber nicht anfassen), also nicht bis ans Ufer gehen.

Wie auf den Videos zu sehen ist, ist es den ganzen Tag extrem windig. Unsere Guide warnt uns immer wieder und fordert uns auf, vorsichtig zu sein, da die Windböen von bis zu 90 km/h uns umwerfen oder über die Kante eines Aussichtspunktes blasen könnte. In den nächsten paar Tagen soll der Wind weiterhin so stark bleiben. In uns reift die Entscheidung, uns das Radfahren bei diesen Bedingungen lieber nicht anzutun. Ab 30 km/h Windgeschwindigkeit gilt das Radfahren als schwierig, aber 35 km/h bereits als gefährlich. Windböen von 90 km/h sind auf dem Rad richtig gefährlich.

Abends gehen wir bei Ñandú essen. Viktor probiert Guanaco-Fleisch, das wirklich gut schmeckt, ähnlich wie Rindfleisch, aber mit einem leichten Wildgeschmack, der nicht so extrem ist wie z.B. beim Reh.

Sonntag 16.2.25 – Puerto Natales

Nach dem Frühstück packen wir unsere acht Radtaschen wieder „richtig“, als würden wir weiterradeln, nachdem wir für die Fährfahrt auf der Esperanza ja alles umgepackt hatten – so finden wir uns besser zurecht. Gegen zehn Uhr checken wir aus, dürfen aber die Taschen und das Tandem vor Ort lassen.

Bei leichtem Regen und – natürlich – Wind wollen wir noch ein wenig Puerto Natales angucken und eventuell ins Historische Museum gehen. Auf dem Weg zur Promenade kommen wir am Bus Sur-Büro vorbei und kaufen uns Tickets für eine Busfahrt nach Ushuaia für den morgigen Tag. Die Strecke wollten wir ursprünglich ja radeln, aber es gibt keine Möglichkeiten zum Übernachten (abgesehen vom Zelten) und der starke Wind in der eher kargen Landschaft kann uns auch nicht wirklich überzeugen, also haben wir beschlossen, dass die Fährfahrt mit der Esperanza eigentlich auch ein toller Abschluss unserer Tour gewesen sein könnte. Jetzt fahren wir mit dem Bus und überlegen, unten in Ushuaia vielleicht noch ein wenig ohne Gepäck radzufahren, die letzten Wochen aber eher noch sehenswerte Sachen anzuschauen (z.B. Pinguine, Gletscher, Buenos Aires) statt Kilometer auf dem Tandem zu machen.

Dann laufen wir die Promande entlang, häufig begleitet von drei Straßenhunden, die wir schon kennen, und die fast selbstmörderisch viele Autos anspringen und anbellen. Wir beobachten einen sehr lange bestehenden, sich ständig ändernden Regenbogen, Schwarzhalsschwäne und andere Vögel, besuchen die Skulptur „El Mano“ und das Denkmal „Monumento al Milodón“ und gehen danach noch einmal ins Darwin-Café zum Aufwärmen.

Regenbogen-Panorama

Das Museum hat dummerweise sonntags geschlossen, es öffnet sogar erst am Dienstag wieder, die Chance, es zu besuchen, haben wir leider verpasst. Weil wir noch einen kleinen Aufkleber für unser Tandem kaufen wollen, klappern wir ein paar Souvenier-Läden ab (finden aber nur viel zu große Sticker). Bevor wir im Hostal Nathalie, genau neben dem Don Guillermo, einchecken gehen, machen wir noch eine Kaffeepause im Angelica’s und Jutta will noch ein paar Getränke für heute und die morgige Busfahrt besorgen. Im Unimarc-Supermarkt sind die Regale ziemlich leer, sie warten wahrscheinlich auf die nächste Fähre, denn bis auf Salat und andere schnell wachsende Gemüse, die hier in Gewächshäusern angebaut werden, werden alle Lebensmittel aus der Hauptstadtregion hierher transportiert, und das sind ca. 3000 Kilometer (und in Chile nicht durchgängig durch Straßen verbunden). Wir sind hier bzw. weiter nördlich schon an Apotheken vorbeigekommen, an denen steht, dass sie nur die Bewohner versorgen, keine Touristen. Die bekommen wahrscheinlich auch nicht so häufig Nachschub…

In einigen Straßen im Ort gibt es sehr nette Mülleimer, von denen wir ein paar festgehalten haben:

Wir checken ein und bringen unsere Taschen von nebenan in unser neues Zimmer. Das Tandem kann bis morgen am alten Platz gegenüber stehen bleiben. Den weiteren Nachmittag verbringen wir schreibend und planend im sehr hellhörigen Hostal. Viktor hat noch einen WhatsApp-Videocall mit Mutter und Schwester.

Wir buchen danach über AirBnB eine Unterkunft in Ushuaia. Aus irgendeinem Grund wäre diese über Viktors Mobiltelefon-Profil viel teurer geworden als bei Errichtung eines neuen AirBnB-Profils auf dem Laptop. Also machen wir das und werden durch eine WebCam-Identifizierung gezwungen, die ziemlich lange dauert. Wir nehmen mehrmals die Vorderseite des Personalausweises auf, dann die Rückseite (beides ständig zu unscharf und zu schlecht ausgeleuchtet, denn unser Zimmer ist ziemlich dunkel), danach dann noch ein Selfie. Aber irgendwann ist die Buchung durch und wir haben relativ günstig eine Unterkunft in Ushuaia gefunden.

Zum Abendessen laufen wir noch einmal durch die Straßen und bleiben schließlich beim Koreanischen Restaurant „La W“ hängen, das nicht nur koreanisches Essen anbietet, sondern auch Guanaco und Vegetarisches. Der Quinoa-Tabouleh-Salat ist auf jeden Fall nachahmenswert – einfach Quinoa statt Bulgur, sonst alles gleich – und Viktors Guanaco-Burger ist ebenfalls sehr gut.
Wir rätseln während des Essens, wie denn noch die Besatzung des Segelbootes zwischen Panamá und Cartagena heißt und kommen nicht drauf. In unserem Blog finden wir nur den Schiffsnamen (Sophia), den des Hundes (Arya) und den des Kapitäns (André). Immerhin ein Name der Dreiercrew! Das kommt davon, wenn man nicht alles aufschreibt…

Wir recherchieren noch ein wenig, wie wir das Tandem per Flieger nach Buenos Aires bekommen, da die Argentinische Fluggesellschaft auf Inlandsflügen anscheinend nur 23 kg erlaubt und wir beim Hinflug ja schon Probleme hatten, die bei Lufthansa erlaubten 32 kg einzuhalten.

Woche 45 (3.2.25 – 9.2.25) – Puerto Cárdenas – auf See

Montag 3.2.25 – (177) – Puerto Cárdenas – Chaitén

Gesamt: 11.262,26 km

Wir schlafen aus, da unsere Strecke heute „nur“ wieder zurück nach Chaitén geht, lassen uns Zeit mit dem Frühstück und dem Packen, da es schon wieder regnet, und schauen viel aus dem Fenster, wo sich alle paar Minuten die Aussicht ändert. Sonne, Wolken und Regen sorgen für ein faszinierendes Schauspiel. Ein Fernsehgerät wäre in dieser Cabaña fast schon ein Verbrechen, denn man sollte hier eigentlich permanent am Fenster sitzen und hinausschauen.

Um kurz nach zehn ist es gerade trocken, und wir tragen erst alle Taschen hoch zum Parkplatz und schieben/ziehen dann das unbepackte Tandem, um es oben zu bepacken. Das ganze dauert eine Weile, so dass wir erst um kurz vor elf Uhr losfahren. Heute morgen fahren wir erst ein klitzekleines Stück die R-7 weiter bis zur Brücke über den Rio Yelcho, um von dort noch einen anderen Blick auf den See (und unsere Villa Gesell) zu haben. Von dort fahren wir den Weg zurück, den wir gestern erst gefahren sind.

Immer wieder schauert es, und wenn dann alles nass ist, hört es wieder auf. Zwischendurch können die Sachen mehrfach wieder trocknen – der langsam zunehmende Gegenwind hilft bestimmt dabei.

Am Supermarkt von gestern halten wir heute nur kurz, Viktor will den Betreiber nur fragen, wie er im Spnaischen nochmal den Regen genannt hat, der ja gar kein richtiger Regen ist. „Garuba“ oder „esta garubando“ ist der Begriff, den er dafür benutzt hat. Er steht für leichten Regen und wird so nur in Lateinamerica benutzt.

Statt eines längeren Haltes am Supermarkt wollen wir die Pause im gestern geschlossenen Café „El Avion“ machen und nur zurückkommen, wenn dieses heute auch wieder gschlossen sein sollte. Wir haben aber Glück: das Tor steht offen, und es regnet sogar gerade nicht. Beth ist ursprünglich aus England, ihr Mann aus Südafrika (mit Irischen und Deutschen Wurzeln), der Sohn ist Chilene. Sie macht uns Kaffee und erzählt mit Hilfe eines Tablet-PCs die Geschichte des Flugzeuges: diese DC-3 war im 2. Weltkrieg an der Landung der Aliierten in der Normandie beteiligt und wurde später von der Chilenischen Fuerza Aérea gekauft. Es wurde zur Kartografierung des Chilenischen Südens für den Bau der Carretera Austral genutzt und war sechs Kilometer vom heutigen Standort entfernt abgestürzt. Eine Familie hat es mit Hilfe von zwei Ochsen und Baumstämmen hierher, auf das eigene Grundstück, gezogen und dann von 1975 bis 1995 darin gelebt.

15 Jahre davon haben sie mit Macheten einen Weg zu einem anderen Grundstück am Flussufer freigemacht und sich dort ein Haus gebaut. Inzwischen sind sie ziemlich betagt und leben immer noch dort. Beth und ihr Mann Ignacio betreiben das Café nur im Sommer, den Rest des Jahres gehen sie anderen Jobs nach, wollen aber die Geschichte erhalten und ein richtiges Museum daraus machen. Es kommt zwischenzeitlich noch ein Vater mit seinem siebenjährigen Sohn Diego dort vorbei, die aus Puerto Varras sind. Diego besucht dort die Deutsche Schule.

Uns kommen mehrere andere Bikepacker entgegen, aber den meisten winken wir nur kurz zu, so z.B. auch Josefine und Lancelot aus Brüssel, die wir vor ein paar Tagen in Quemchi trafen. Jutta hat sich die Namen super einprägen können und nutzt dazu eine Eselsbrücke – „Sir“ Lancelot. Viktor hat es mit der gleichen Eselsbrücke versucht, aber ihm fällt dann immer nur „Voldemort“ statt „Lancelot“ ein, weil ihm leider zunächst immer „Lord“ statt „Sir“ einfällt.

In einer Trockenphase halten gegenüber gerade zwei Bikepacker am Straßenrand und wir fahren kurz rüber zu ihnen. Es sind Johanna und Loik aus München, und sie haben fünf Wochen Zeit, um von Puerto Montt bis Villa O’Higgins zu fahren. Als wir von unserem Plan erzählen, sagen sie sofort, dass wir den Weg bis zur Fähre in Caleta Gonzalo nicht in der erforderlichen Zeit schaffen können – es sind 32 Kilometer unbefestigt – Schotter mit dem berüchtigeten Ripio (Waschbrett). Sie haben mit ihren Mountain-Bikes vier Stunden für diesen Abschnitt benötigt. Wir bedanken uns (das war uns bislang entgangen) und wissen, dass wir wieder einmal umplanen müssen. Das war mal wieder einer dieser Glücksfälle unterwegs. Wenn die beiden nicht gerade gestanden hätten, um eine kurze Trinkpause zu machen, wären wir vermutlich einfach winkend aneinander vorbeigefahren. Auf der unerwarteten Schotterstrecke nach Caleta Gonzalo wären wir dann aber in zwei Tagen so richtig in Stress geraten, um unsere Fähre zu erreichen.

Auf der weiteren Strecke bis Chaitén beginnt es dann doch noch einmal richtig heftig und ausdauernd zu regnen, so dass wir unsere tropfnassen Sachen erst einmal zum Trocknen an eine unter dem Carport der Cabaña aufgehängte Wäascheleine hängen müssen als wir in Chaitén ankommen. Viktor wärmt sich mit einer heißen Dusche auf, bevor wir überlegen, wie wir jetzt am besten rechtzeitig nach Puerto Montt kommen. Die beste und risiko-ärmste Möglichkeit scheint eine Fähre von hier zu sein, und wir buchen diese für übermorgen. So können wir die für morgen reservierte Unterkunft in Santa Bárbara noch nutzen und übermorgen früh für die Fährfahrt hierher nach Chaitén zurückkommen. Von Puerto Montt aus können wir eventuell noch einen Tag Richtung Süden auf der Carretera Austral fahren, wenn alles glatt geht.

Anschließend gehen wir zu Fuß wieder hinaus in den Regen. Die Straßen sind ziemlich nass, das Wasser scheint nicht gut abzufließen, und unsere beim Radfahren durch die Schuhüberzieher relativ trocken gebliebenen Schuhe werden sofort pitschnass. Wir machen eine Kaffeepause im uns schon bekannten Café Buen Sabor, gehen Brot und Getränke kaufen und suchen dann noch den Outdoor-Laden hier in Chaitén auf. Das scheint uns der einzige Ort zu sein, in dem wir vielleicht ein Imprägnierspray für unsere Regenjacken erhalten können. Wir haben sie schon zu oft gewaschen, und nur einmal in Panamá imprägniert, und inzwischen saugen sie sich regelrecht mit Regenwasser voll und sind sehr durchlässig. Leider gibt es keinerlei Imprägnierzeug, nur wasserdichte Kleidung. Nach recht kurzen Überlegungen kaufen wir uns beide eine neue Regenjacke – die wenigen noch kommenden Wochen werden ziemlich nass sein, und wir wollen unbedingt trockener bleiben, als das gestern und heute der Fall war.

Neue Regenjacken von Patagonia, gekauft in Patagonien

Vom Outdoor-Laden gehen wir noch schnell in das Museo de Sitio Chaitén, an dem wir vor zwei Tagen noch vor verschlossenen Türen standen. Hier erfahren wir, dass der gesamte Ort Chaitén nach einem Vulkanausbruch 2008 eigentlich aufgegeben wurde und hier niemand mehr wohnen sollte. Stattdessen sollte der Ort in der Nähe von Santa Barbara (wo wir morgen hinradeln) neu aufgebaut werden. Die Bevölkerung ist aber nach dem Vulkanausbruch einfach in den zerstörten Ort zurückgekehrt, wo Unmengen von Asche und Schlamm den Fluss anschwellen ließen, den Ort als sogenannten Lahar überfluteten und ganze Straßenzüge zerstörten. Noch heute ist ein großer Teil der Kanalisation mit zementhartem Asche-Schlamm verstopft. Chaitén ist weiterhin ein nur „bedingt bewohnbarer“ Ort und Neubauten sind nicht erlaubt.

Auf dem Rückweg essen wir in der Pizzeria Chaitén wirklich gute Blauschimmel-Walnuss- bzw. Pesto-rote Zwiebel-Pizza, die wir uns beide zum Nachkochen merken wollen, und verbringen den restlichen Abend in der Cabaña.

Dienstag 4.2.25 – (178) – Chaitén – Santa Bárbara

Gesamt: 11.286,47 km

Weil wir keine andere Unterkunft gefunden haben, ist für heute nur eine kurze Tour bis Santa Bárbara geplant. Da wir morgen aber nach Chaitén zurückfahren müssen, um mit einer Fähre nach Puerto Montt zu fahren, nehmen wir uns vor, auf der Carretera Austral nordwärts zu fahren, bis wir die Stelle erreichen, die uns zur erneuten Umplanung gezwungen hat. Wir wollen also dorthin, wo der Asphalt endet und die schlechte Schotterstrecke beginnt.

Wir stellen uns keinen Wecker, sind aber kurz nach 8 Uhr auf den Beinen und frühstücken in unserer Cabaña mit ungetoastetem Toastbrot (leider kein Toaster da), Butter, Käse, Honig, Marmelade und Bünting-Tee. Zum Checkout um 10 Uhr sind wir gerade rechtzeitig abfahrbereit.

Schon gestern hatte Viktor beim Schalten bemerkt, dass es wieder ziemlich „hakt“, die Schaltvorgänge also ungewöhnlich schwergängig sind. Das hatten wir bei circa 4.000 Kilometern schon einmal und kurz darauf ging dann gar nichts mehr, weil eine Litze des Schaltzuges gerissen und aufgedröselt war. Eigentlich wollte Viktor gestern Abend noch nachschauen und eventuell den Schaltzug wechseln, aber weil alle Klamotten so nass waren und wir auch noch ins Museum wollten, wurde das Vorhaben nochmal um einen Tag verschoben. Tja, und wie es das Schicksal so will, passiert das Befürchtete schon auf dem Hinweg genau in der letzten Steigung vor Santa Bárbara. Die Schaltung bewegt sich gar nicht mehr. Wir fahren an den Straßenrand auf die Sonnenseite der Straße – ja wir haben mit dem Wetter Glück und die Sonne scheint – und überprüfen die Schaltzüge in der Schaltbox der Rohloff-Schaltung. Wie erwartet ist eine Litze gerissen, aufgedröselt und verknotet, und blockiert so die Schaltung. Da wir nur wenige Kilometer von unserer Unterkunft für die kommende Nacht entfernt sind, lösen wir nur den Knoten und entfernen die aufgedröselten Teile. Den Schaltzugwechsel wollen wir an unserer Unterkunft vornehmen. Wir fahren die letzten zwei Kilometer bis zur Unterkunft und beginnen dort mit dem Schaltzugwechsel.

Und dann nimmt das Drama seinen Lauf. Wir wollen keine halben Sachen machen und gleich beide Züge wechseln. Es sind also zwei Schaltzüge, einer fürs Hochschalten und einer fürs Herunterschalten. Wir ziehen erst einen alten Schaltzug heraus, schieben einen neuen durch die Schaltzughülle, bis er unten übersteht und schneiden ihn auf genau 20 cm Länge ab. Zum Abmessen der Länge benutzen wir einen exakt 20 cm langen Kabelbinder, den wir beim letzten Mal vorbereitet haben, denn wir haben kein Maßband im Gepäck. Der Kabelbinder sieht so aus:

Mit dem zweiten Schaltzug machen wir es genauso. Als wir alles zusammenbauen wollen, stellen sich die neuen Schaltzüge als zu kurz heraus. Wir rätseln und rätseln, was wir falsch gemacht haben könnten. Beim Einfädeln der Schaltzüge am Lenker-Drehgriff kann man Einiges verkehrt machen, was dann beim Abschneiden zu einer falschen Länge führen kann, aber eigentlich nie zu einer zu kurzen Länge, sondern eher zu einer zu langen. Wir ziehen den ersten Schaltzug heraus und vergleichen die Länge mit den alten, ausgebauten Schaltzügen. Tatsächlich ist er circa zwei Zentimeter zu kurz. Wir ziehen nochmal einen neuen Schaltzug ein. Jetzt muss es aber klappen, denn wir haben nur zwei Paar Ersatz-Schaltzüge dabei, die uns Julius in das Paket nach Medellin gepackt hatte. Wir schneiden den dritten Schaltzug ebenfalls auf 20 cm Länge ab, aber es passt alles immer noch nicht.

Und dann wird uns klar, was wir die ganze Zeit falsch machen. Wir verwenden das Kabelbinder-„Maßband“ falsch. Der Kabelbinder ist genau 20 cm lang, aber wir haben immer an der schwarzen Linie geschnitten, also immer zu kurz. Das bemerken wir erst, als wir die Putzfrau nach einem Zentimetermaß fragen. Wir finden gemeinsam in der Werkstattecke einen Winkel mit Zentimetermaß. Damit überprüfen wir unseren Kabelbinder und stellen den Fehler schließlich fest.

Wir sind am Boden zerstört, denn wir haben soeben drei von vier verfügbaren Schaltzügen zu kurz abgeschnitten und somit ist eine Reparatur der Schaltung jetzt unmöglich. Jutta schaut nochmal durch alle Ersatzteile und findet – wir können unser Glück kaum fassen – noch ein weiteres Paar Rohloff-Originalschaltzüge. Julius hatte fälschlicherweise eine größere Anzahl bestellt und geschickt, weil er nicht wusste, dass in einer Packung immer gleich zwei Schaltzüge enthalten sind.

So haben wir also doch noch eine letzte Chance, die Schaltung zu reparieren. Mittlerweile sind über drei Stunden vergangen, während derer wir auch noch ständig von irgendwelchen kleinen schwarzen Fliegen angegangen werden, die zubeißen, wenn man sie nicht wegschlägt. Bei Viktor liegen die Nerven langsam blank. Beim letzten Festziehen der Madenschraube, mit der der Schaltzug seitlich festgeklemmt werden muss, ist uns auch noch zuallem Unglück aufgefallen, dass der Innensechskant schon ziemlich ausgeleiert ist. Der Innensechskantschlüssel rutscht im Kopf bereits bei geringer Kraft durch. Wenn es jetzt also nicht klappen sollte, war es das wohl mit unserer Reparatur (und auch mit unserer Tour, denn auf Ersatzteile aus Deutschland können wir jetzt nicht mehr warten). Wir ziehen nochmal zwei neue Schaltzüge ein, schneiden diesmal die richtige Länge ab und montieren alles zusammen. Zunächst sieht es beim Durchschalten der Gänge ganz gut aus, aber dann rutscht plötzlich irgendwas durch und die Schaltzüge springen oben am Drehgriff aus den Halterungen.

Also müssen wir nochmal alles auseinandernehmen und stellen dabei fest, dass die ausgeleierte Madenschraube tatsächlich nicht mehr fest genug gezogen werden kann. Der Schaltzug ist einfach herausgerutscht, weil er nicht fest genug geklemmt war. So … das war´s dann jetzt also endgültig, denn eine Ersatz-Madenschraube haben wir nicht dabei. Obwohl … warte mal … vielleicht passen zufällig die Madenschrauben, die an unseren Pedalen auf der Rückseite angebracht sind. Sie sollen das Abrutschen eines normalen Schuhs von der Pedale verhindern.

Passende Madenschrauben an den Shimano-Pedalen

Und tatsächlich passt das Gewinde. Die Schrauben sind am Ende zwar spitz zulaufend, was für das Festklemmen des Schaltzuges nicht die beste Lösung ist, aber wir bekommen alles wieder zusammengebaut und machen uns nach fünf Stunden Reparaturzeit mit entsprechend angeknackstem Nervenkostüm auf eine Probefahrt ohne Gepäck. Dieses konnten wir schon oben in unserer Cabaña unterbringen.

Am Minimarket an der Carretera Austral halten wir kurz für ein kaltes Getränk. Die dort ebenfalls gerade anwesenden Chilenen (zwei von den fünf auch mit dem Rad) machen uns darauf aufmerksam, dass auch weiter im Süden, auf dem Weg nach Ushuaia, auf der Chilenischen Seite ganz viel unbesfestigte Strecke liegt. Das bestätigt sich beim späteren Nachschauen – erst exakt ab der Argentinischen Grenze ist alles wieder betoniert oder asphaltiert. Das bedeutet für uns, dass wir uns auch für den dortigen Streckenabschnitt noch etwas Neues überlegen müssen.

Wir fahren jetzt noch einige Hügel Richtung Norden, und die Schaltung tut ihren Dienst, wenn auch etwas schwerfällig. Da es aber schon so spät ist, fahren wir nicht bis zur Grenze der Schotterstrecke (Ripio), sondern drehen vorher um. Wieder in Santa Bárbara fahren (bzw.schieben) wir noch zum Strand, wo etliche Wohnmobile für die Nacht stehen, und geniessen die tollen Aussichten.

Nach einem Abendessen im refugioeigenen Restaurant wird in unserer Cabaña der Holzofen angefeuert, da dieser den um das Ofenrohr liegenden Wassertank aufheizen muss, damit wir eine warme Dusche nehmen können. Das soll ca. 40 Minuten dauern. Nach zwei Stunden, es ist inzwischen fast 22 Uhr, ist das Wasser von 25°C auf 38°C erwärmt. Viktor duscht bei 38°C und ohne Kaltwasserzumischung passt das auch ganz gut. Erst um 23 Uhr erreicht das Wasser 55°C … duschen will zu diesem Zeitpunkt bloß niemand mehr.

Heute erhalten wir auch mal wieder eine E-Mail von Navimag. Die Fähr-Kreuzfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales ist um einen weiteren Tag verschoben worden. Jetzt soll es also am 9.2. losgehen.

E-Mail von Navimag

Mittwoch 5.2.25 – (179) – Santa Bárbara – Chaitén – Puerto Montt

Gesamt: 11.299,15 km

Der Wecker klingelt um sechs Uhr und wir hören schon wieder den Regen prasseln. Der Wassertank hat immer noch 50°C, obwohl im Ofen nur noch ganz wenig Glut ist, dadurch ist die Cabaña heute früh nicht so ausgekühlt. Die Küchenausrüstung ist so la-la (nur ein einziges Messer, aber eine kleine Teekanne…) und unsere Vormieter haben wohl nicht abgespült. Die Reinigungskraft aber ebenfalls nicht, jedenfalls sind Tassen und Teller dreckig im Schrank. Wir denken darüber nach, dass es ziemlich ungünstig ist, dass das Tandem so weit weg steht wie sonst selten, weil die Regensachen in den grünen Taschen daran hängen und wir ohne Regensachen bis zum Tandem laufen müssen. Glücklicherweise macht der Regen eine Pause, bevor wir abfahrbereit sind, und in dieser holen wir schnell die Regenausrüstung hoch in unsere Cabaña.

Es ist fast acht, als wir losfahren, und heute brauchen wir für den Weg zurück nach Chaitén keine Dreiviertelstunde. Am Anleger sagt man uns, wir sollen um halb zehn (spätestens aber um zehn) dort sein, also wollen wir im Ort noch einen Kaffee trinken. Das Café Buen Sabor ist noch geschlossen, aber ein Tour-Büro an der Promenade ist geöffnet und hat auch Heißgetränke. Während wir uns dort aufwärmen, hören wir, wie Kunden vergeblich nach Fähren für heute fragen und bieten der Mitarbeiterin unsere Fährtickets nach Hornopiren an, die wir ja nicht nutzen können. Dafür sind sie aber nicht das richtige Büro. Aber eine junge Frau hat das gehört und spricht uns auf Deutsch an: sie möchte heute nach Hornopiren und bekommt kein Fähr-Ticket mehr. Wir schicken ihr unsere Tickets per WhatsApp (indem sie einen Hotspot ihres Handys einrichtet) und erklären ihr, dass sie dafür aber irgendwie (per Anhalter?) nach Caleta Gonzalo kommen muss, und dann müssen wir uns auch schon auf den Weg zum Anleger machen. Maru (Halbdeutsch) schreibt uns später, dass sie es bis Caleta Gonzalo geschafft hat und noch ein wenig später, dass sie als „Jutta“ auf der Fähre ist. So sind unsere Tickets wenigstens teilweise genutzt, das freut uns sehr! Und weil wir auch den ganzen Tag Fähre fahren, fährt „Jutta Makowski“ heute parallel in zwei verschiedene Richtungen gleichzeitig :-).

die zweite Jutta alias Maru auf der Fähre nach Hornopiren

Am Anleger müssen wir auch heute wieder länger als geplant warten und kommen dort ins Gespräch nicht etwa mit einem der anderen Radfahrer, sondern mit zwei Motorradfahrern aus Costa Rica, die von Bariloche nach Ushuaia, dann von dort hoch bis hierher gefahren sind und jetzt auch die Fähre nach Puerto Montt nehmen, weil sie für die nach Hornopiren mehrere Tage hätten warten müssen. Sie freuen sich über unseren „Pura Vida“-Aifkleber auf dem Tandem und wir unterhalten uns länger über die Biodiversität in Costa Rica, den Nationalpark Corcovado, unsere unvergessliche Bioluminiszenz-Kajakfahrt und einiges mehr. Costa Rica rückt dabei kurzzeitig wieder auf Platz 1 von Viktors Länderranking. Costa Rica, Chile, Colombia … die drei „C“ sind jedenfalls bei ihm ganz vorne.

Auf der Fähre darf das Tandem wieder in einen Gepäckraum gestellt werden. Und dann verbringen wir neuneinhalb Stunden im Salon dieser Fähre, die sich etwas in die Länge ziehen.

Zum Glück ist das WIFI auf der Fähre recht gut und wir können uns mit Dan von (Ex-)PankeRad über den Schaltzugwechsel austauschen und recherchieren, ob wir die abschließende Strecke von Porvenir nach Ushuaia (440 km) wirklich mit unserem Tandem wagen wollen, denn da wären 94 Kilometer Schotterstrecke („Loser Untergrund“ im Komoot-Sprech) dabei und wir haben keine Ahnung wie gut oder schlecht dieser Schotter ist.

Um 20:30 Uhr landen wir in Puerto Montt an, zu unsererm Glück recht zentral, so dass wir nur 1,5 km bis zum Hotel fahren müssen. Dort dürfen wir das Tandem nach einigen Überlegungen im Treppenhaus auf eine Zwischenebene stellen. Im Hotelrestaurant essen wir und beenden dann bald diesen ereignisarmen Tag.

Donnerstag 6.2.25 – (180) – Puerto Montt – Contao

Gesamt: 11.356,44 km

Wir stehen um halb sieben auf, nutzen das Frühstücksbuffet im Hotel, gehen gegenüber im Santa Isabel Markt die Getränke kaufen und holen danach das Tandem aus dem Treppenhaus. Es ist kurz nach neun, als wir losfahren, und es ist vollkommen trocken (soll es heute auch bleiben).

Nach nur 1,3 km halten wir das erste Mal, denn wir sind am Kilometer 0,00 der Carretera Austral, und das müssen wir festhalten. Bislang sind wir ja von Kilometer 203 einmal weiter in den Süden, einmal in den Norden gefahren, jetzt machen wir zwei Tage die Anfangskilometer.

Jetzt folgen wir einfach dieser Straße, aus Puerto Montt heraus gibt es sogar einen Fahrradweg. Es geht einen Großteil direkt an der Küste entlang, und diese ist hügelig. Bei einer Pinkelpause am Straßenrand überholt uns ein einzelner Bikepacker, den wir danach ein- und überholen. Er tut sich noch schwerer mit den Steigungen als wir, und bergab sind wir einfach eh schneller. Als nach weniger als 20 Kilometern eine Gelegenheit zum Pause machen am Straßenrand ist, denken wir, es sei noch zu früh – wir wollen noch ein paar Kilometer weiterfahren.

Aus den paar Kilometern werden leider ein paar mehr, denn die wenigen potentiellen Möglichkeiten, die wir passieren, sind geschlossen, und bei Kilometer 40 ereilt Viktor ein Hungerast, der wie üblich mit einer halben Tafel Vollmilchschokolade mit Erdnüssen bekämpft werden muss, so dass wir wieder einmal an einer Bushaltestelle pausieren.

Während wir dort sitzen, überholen uns erst ein Wohnmobil mit Insassen aus Deutschland und dann drei Bikepacker auf Mountain-Bikes. Die Radfahrer treffen wir ca. vier Kilometer weiter wieder, denn an dieser Stelle muss jede(r) auf der R-7 eine Fähre nehmen. Hier braucht man im Gegensatz zu anderen Stellen keine Reservierung, es fahren mehrere Fähren immer hin und her, und man wird ohne viel Wartezeit mitgenommen. Die Fahrt kostet uns weniger als eine S-Bahn-Fahrt für eine erwachsene Person in Berlin. Abkassiert wird gleich an der Straße, auch wenn wir vorher noch einen Kaffee trinken gehen wollen – das Ticket kann egal wann genutzt werden. Und dort bei „Donde la Pola“ treffen wir sowohl die drei Radfahrer (aus Spanien auf der Carretera Austral mit geliehenen Rädern) als auch eine herzliche Mitarbeiterin mit einem Großvater aus dem Baskenland (wie Viktor, dessen Opa mütterlicherseits auch aus dem Baskenland, aus San Sebastian bzw. Donostia stammte), die gleich ein Bild mit uns dreien machen möchte, weil wir doch vielleicht „Primos“ (Cousins) sein könnten und somit quasi verwandt wären.

Primos 😉

An der Decke hängen ganz viele Kappen und die Holzbalken und -wände sind mit vielen Namen von Besuchern beschrieben. Der Kaffee ist zwar nicht so toll, aber wir bestellen uns frische Apfelempanadas aus der großen Auswahl, und die sind sehr gut.

Und dann schieben wir auf die nächste Fähre und haben eine 40-minütige Fahrt mit grandiosen Blicken vor uns.

Danach sind es nur noch zehn weitere Kilometer. Wir fahren zunächst in den Ort Contao, fragen in der Ferreteria nach einer Madenschraube für unsere Rohloff-Schaltbox (negativ) und gehen noch im Café Señora Berta einen „richtigen“ Kaffee trinken (mit französischer Espressobereitung, alternativ haben sie auch hier Nescafé Instant-Tüten). Unsere Cabaña liegt noch vor der Brücke, über die wir in den Ort gefahren sind, und wir müssen erst fragen, wo sie ist, denn es steht nirgendwo der Name. Wir fragen aber genau richtig, im Mercado Particular genau davor, und die Vermieterin fährt just in diesem Moment die Auffahrt hinunter.

Unsere Cabaña ist ziemlich groß, mit vielen Pflanzen ausgestattet (selbst im Bad neben der Dusche steht eine Art Kaktus) und wir finden Essensreste im Kühlschrank, unter anderem eine ziemlich schrumpelige halbe Paprika. Wie sich später herausstellt, ist das aber Absicht, da die Vermieterin keine Nahrungsmittel wegwerfen will und wir die Reste nutzen können, falls wir kochen sollten.

Während Jutta duscht, versucht Viktor mit WD-40 und Lithum-Fett den Ständer unseres Tandems wieder leichtgängiger zu machen. Nach der Reparatur mit Carlos in Valdivia hat er gut funktioniert, aber jetzt schafft es die Feder nicht mehr, ihn komplett einzuklappen. Der Regen der vergangenen Tage scheint in die letzten Ritzen des Tandems gekrochen zu sein und dort seine Wirkung zu zeigen. Auch das Vorderrad-Lager gibt bei jeder Umdrehung leicht quietschende Geräusche von sich. So richtig von Erfolg gekrönt sind Viktors Versuche aber leider nicht. Na gut … dann müssen wir ab jetzt den Ständer immer mit einem extra Fußtritt zurückklappen. Ist ja nicht mehr so lang.

Nach dem Duschen wird die Google-MyMap unserer Tour mal wieder auf den aktuellen Stand gebracht und mit dem Blogbeitrag für heute begonnen. Zum Abendessen geht es mit dem Tandem in das Restaurante Chucao, das wieder eher was für Viktor ist, denn auf der Karte finden sich vor allem Meeresfrüchte und Fleisch. Viktor ißt ein „Paila Marina“, die unter anderem „Picoroco“ (Rankenfußkrebs) enthält. Dazu mal wieder ein recht gutes, lokal gebrautes Porter. Jutta stellt sich aus den Beilagen etwas vegetarisches zusammen: „Verduras salteadas a la pobre“. „A lo pobre“ ist eigentlich eine Zubereitungsart, bei der ein großes Stück Fleisch mit Pommes Frites und Spiegelei überschüttet und kompett zugedeckt wird. Viktor muss an den Witz denken: „Wie fanden Sie das Fleisch?“ – „Als ich die Kartoffeln beiseite schob, fand ich es unter dem Salatblatt.“
„Verduras salteadas“, also sautiertes Gemüse, wurde in diesem Restaurant sicher noch nie „a lo pobre“ bestellt oder zubereitet, aber es kommt ein riesiger Teller Gemüse mit Pommes Frites und Spiegelei, bei dessen Vertilgung Viktor später noch mithelfen muss.

Ein großes Grinsen treibt Viktor dem Betreiber des Restaurants mit seinem Extra-Lob für die selbstgemachte Majonaise ins Gesicht. Der Geschmack dieser Majonaise hat bei Viktor sofort Kindheitserinnerungen ausgelöst, denn in Spanien wurde im Sommerurlaub die Majonaise auch oft selbst gemacht, meist natürlich als Knoblauchmajonaise „All i Oli“ (katalanisch für „Knoblauch und Öl“). Viktors Bemerkung „Da ist doch auch etwas Knoblauch mit drin, oder?“, macht den Betreiber besonders froh, denn er macht die Majonaise persönlich und benutzt dazu ein wenig angerösteten Knoblauch, den er zu einer Paste mörsert. Ach … so eine Karriere als Restaurant-Tester wäre vielleicht auch was gewesen ….. 😉

Freitag 7.2.25 – (181) – Contao – Puerto Montt

Gesamt: 11.413,11 km

Der in der Nacht befeuerte Mini-Ofen hält leider nicht bis morgens durch, und es ist doch ziemlich kalt in der Cabaña, aber während eines etwas längeren Geburtstagstelefonats mit Julius bekommt Viktor doch noch wieder ein Feuer hin. Zum Frühstück haben wir uns gestern Marraquetas gekauft als Alternative zu immer nur Toast. Die noch im Kühlschrank der Cabaña befindliche halbe Paprika, Wurst, Marmelade und das im Schrank liegende Ei nutzen wir lieber nicht, auch wenn die Vermieterin es wohl absichtlich dort gelassen hat, weil sie ungerne etwas wegschmeißt. In einer Schublade liegen Mesalazin- und Paracatamol-Tabletten – so etwas sollte man keinesfalls für andere Mieter liegenlassen…

Wähend des Frühstücks versucht Viktor zum wiederholten Mal, seine Führerschein-Validierung für die App-basierte BAUHAUS-Transporter-Vermietung online hinzubekommen, denn wir wollen im März eigentlich einen solchen Transporter für den Rücktransport des Tandems vom Flughafen BER nach Hause mieten. Aber irgendwie scheinen die eine solche Validierung von einer ausländischen IP-Adresse grundsätzlich nicht zu akzeptieren. Oder liegt es an der Qualität des obligatorischen Selfies mit Führerschein und Personalausweis? Oder muss man frisch rasiert sein?

Um zehn Uhr machen wir uns auf den Rückweg nach Puerto Montt. Die Sonne scheint, wir kennen den Weg und haben den leichten Wind von hinten, was will man mehr. Nach ungefähr einer halben Stunde sind wir am Fähranleger. Heute sind wir auf einer größeren, moderneren Fähre als gestern und das einzige Zweirad.

Nachtrag: Wir haben noch ein lustiges Video gefunden. Die Navigatorin macht klare Ansagen 🙂

Viktor kann der Anwesenheit einer Cafeteria nicht widerstehen und braucht schon einen Kaffee und ein geschmacklich stark an eine Rumkugel erinnerndes „Trufa“ (jedenfalls nennen die das Ding hier an Bord so).

Nach dem Anlegen dürfen wir als erste von Board gehen, aber oben an der Straße lassen wir erst alle Autos vor, damit uns nicht sofort der ganze Schwall überholt. Gerade in Steigungen ist es blöd, wenn die Autos immer so stoßweise von der Fähre kommen, da lässt man sie als Radfahrer lieber vorbei.

Und dann fahren wir die ganzen Hügel von gestern anders herum wieder zurück. Heute liegen die Boote nicht wie gestern auf dem Trockenen – es ist viel mehr Wasser da als gestern, dabei war es fast dieselbe Zeit an beiden Tagen. Das versteht Jutta irgendwie nicht, denn an der Nordsee ist der Unterschied nach genau 24 Stunden ja nur minimal, und hier verschiebt sich das Hoch- und Niedrigwasser zeitlich genauso. Muss wohl an der „Anatomie“ der Küste liegen…

Wir peilen zum Pause machen das Café an, an dem wir gestern vorbeigeradelt sind, weil es uns zu früh war, heute sollten es etwa 35 km bis dorthin sein, und die Fähre war ja auch schon eine Pause. Wir sehen am Straßenrand die Werbeschilder mit Angaben zu Entfernung, und am fast steilsten Stück der langen Steigung soll man dann plötzlich noch 50 Meter links einen Weg rein. Wir fahren vorbei, denn wer kann uns sagen, ob überhaupt geöffnet ist! Dafür halten wir kurz danach an einer Botilleria, kaufen uns ein kaltes Getränk und setzen uns in die nahe Bushaltestelle. Dort fragen wir uns wieder einmal, warum die kleinen Flaschen der Coca-Cola-Company hier immer 591 ml Inhalt haben und Dank ausnahmsweise mal gut verfügbarem Internet ist die Antowrt schnell gefunden, 591 ml sind 20 fl.oz. (US-amerikanische Flüssig-Unzen). Vor der Weiterfahrt überlegen wir uns noch, an der demnächst folgenden Tankstelle einen Kaffee trinken zu gehen, was wir dann auch bei „aramco“ (nicht etwa „aranco“ … Wette gewonnen! 😉 ) tun.

Am Mirador von Puerto Montt halten wir heute und machen ein paar Bilder.

Dann halten wir an der Mall Paseo Costanera noch einmal, fahren in die Tiefgarage, stellen das Tandem zur Beobachtung nahe eines Autowasch-Services ab (hinterher finden wir einen Fahrradstellplatz) und suchen in der Mall nach einem Eiscafé mit Banana-Split, denn wir haben noch eine Einladung und außerdem Hunger. Leider suchen wir erfolglos! Irgendwann fahren wir doch zum Hotel, wo sie unsere Anmeldebögen tatsächlich von gestern aufbewahrt haben und wir nicht noch einmal alles ausfüllen müssen.

Nach dem Duschen laufen wir mit einem Wäschesack los, um für die Vier-Tage-Fährfahrt nach Puerto Natales alles wohlduftend und sauber zu haben, aber auch hier sind wir heute Abend erfolglos. Ein Telefonat mit einer schon geschlossenen Wäscherei bringt aber Klärung – wir können morgen früh die Wäsche bringen und mittags wieder abholen. Puh!

Eigentlich will Viktor nur ein Bier in einer Cerveceria Artesanal (lokal gebrautes Bier) trinken, aber wir bleiben dann doch auch zum Essen. Anschließend landen wir zum zweiten Mal heute in der Mall, da es dort einen Schlüsseldienst geben soll. Nach mehrfachem Fragen finden wir den Laden im ersten Untergeschoss, einem Parkdeck. Wir haben die Hoffnung, dass ein Schlüsseldienst das richtige Werkzeug hat, unsere Pedalen-Madenschraube flach abzuschleifen, damit sie beim Festklemmen den Schaltzug seitlich nicht abscheren kann. Der „Schraubstock“ für die Schlüssel passt zwar nicht für die Madenschrauben, aber der nette Herr macht es mit einer Feile, probiert verschiedene Techniken aus und ist schließlich so erfolgreich, dass er gleich eine zweite mitgebrachte Schraube auch noch abfeilt. Nebenbei unterhalten wir uns die ganze Zeit mit ihm und seiner Mutter, die in Punta Arenas lebt (wo ihr Sohn auch geboren wurde) und die gerade auf Besuch zum Wochenende hier ist. Die Familie hat irische Wurzeln und in Punta Arenas sind durch Heiraten auch noch kroatische Wurzeln hinzugekommen. Am Ende dürfen wir nichts bezahlen – der nette Mann bedankt sich stattdessen für das Gespräch. Wir laden sie noch ein, diesen Blog mitzulesen, und erhalten die Erlaubnis das Foto zu benutzen.

Von dort geht es ins Hotel, und mit Blick auf die sehr belebte Promenade von Puerto Montt schreiben wir den Blog-Eintrag und beenden den Tag.

Samstag 8.2.25 – Puerto Montt

Ein Verschnauftag, bevor es auf die Fähre nach Puerto Natales geht!

Wir frühstücken im völlig überfüllten Frühstücksraum zu einer wohl ungünstigen Zeit, aber so, dass wir anschließend zur Öffnungszeit der Wäscherei um 9:30 Uhr dort sein können. Entgegen der Erwartung in Lateinamerika ist tatsächlich auch schon geöffnet, als wir auf die Minute genau dort sind, und uns wird die saubere Wäsche zu möglichst nah an 13 Uhr (Schließzeit) versprochen.

Ein paar Querstraßen weiter besorgen wir noch einmal etwas Chilenisches Bargeld, was heute nur wenige Minuten dauert (sie haben Bargeld da und der Transfer klappt sofort mit Hotspot von Viktors Handy!). Auf dem Weg zum Hotel kaufen wir auf Empfehlung von Navimag noch Reisetabletten und gehen dann erst einmal zurück.

Hier tauschen wir im Treppenhaus am Tandem die Pedalen-Madenschraube an der Schaltung gegen die abgefeilte von gestern Abend aus. Das Einstellen der Schaltung macht dann etwas Mühe und wird nur mäßig zufriedenstellend beendet. Viktor muss danach zur Beruhigung eine Partie Pool-Billard spielen, versenkt die „acht“ aber sehr schnell.

Mit dem Laptop bewaffnet gehen wir ins Café Panichini, wo wir schon einmal waren, und machen im WIFI weitere Planung (heute in fünf Wochen sind wir schon wieder zurück in Deutschland). Um kurz vor 13 Uhr geht Viktor zwischendurch schnell die saubere Wäsche holen. Wir verbringen viel Zeit hier und leben von Café Latte und Bananasplit (mit riesigen Kugeln Eis), was uns heute von K.-S. Konrad, unserer langjährigen Zahnärztin, ausgegeben wurde. Vielen Dank, und wir putzen unsere Zähne immer gründlich 😉 !

Wir sagen herzlich Dankeschön!

Nach 15 Uhr gehen wir kurz am Hotel vorbei und von dort zu einem kleinen Anleger, an dem Boote zur Isla Tengo fahren. Auf der Hinfahrt ist dieses Bötchen sehr, sehr voll – zu voll – aber wir kommen heile rüber. Vom dortigen Anleger laufen wir über steile, steinige Wege (zum Radfahren nicht geeignet) hoch zum großen Kreuz und Aussichtspunkt. Von hier oben kann man den Vulkan Osorno wieder sehr gut sehen, die Perspektive ist eine ganz andere als aus der Stadt Puerto Montt. Und auch der Blick auf die Stadt ist noch einmal anders.

Beim Abstieg machen wir eine Trinkpause im Restaurant Hoffmann. Als wir gerade wieder aufbrechen, ruft ein kleiner Junge mit Fahrrad um Hilfe: er ist unten am Wasser und schafft es nicht alleine, das Rad hochzuschieben. Viktor eilt ihm zu Hilfe und richtet das Rad erst einmal vom Liegen auf. Der Junge setzt sich darauf und lässt sich mitsamt seinem Rad hochschieben, bis zum Restaurant. Und ruft währenddessen, wie stark er doch sei! Viktor versucht ihm zu erklären, dass er als Schiebender hier der Starke ist, das will der Junge aber nicht hören.

Es ist fast sechs, als wir am Hotel zurück sind, so dass wir bald aufbrechen zu einer ausgesuchten Trattoria. Der Weg dorthin geht unter anderem über eine steile Treppe mit 124 Stufen. In der entsprechenden Straße liegen einige Restaurants, und als wir an der Trattoria ankommen, sieht dort alles leer und dunkel aus. Eine Frau guckt aus der Tür und teilt uns mit, dass sie leider keinen Strom haben und auf den Techniker warten. Der könne zwar jede Minute kommen, aber eventuell auch erst nach längerer Zeit. Schade für uns, aber wir wollen nicht auf gut Glück warten. Auf dem Weg zu einer Alternative spricht uns eine junge Frau an, die auf dem Weg zur Arbeit im „Los tres Platos“ ist und nimmt uns sozusagen mit dorthin. Erst sind wir etwas zögerlich, aber die Karte sieht gut aus und das Essen ist wirklich ziemlich gut. Heute Abend findet auf einer Bühne auch noch Chilenische Stand-Up-Comedy statt. Da wir dabei als nicht Lokale nichts verstehen würden, hätten sie sogar noch weitere Räume zum Umsetzen, aber wir sind vor dem Beginn fertig und brechen wieder auf.

Den restlichen Abend schreiben wir und bereiten uns langsam auf die Offline-Tage auf der Fähre vor. Von morgen Nachmittag bis zum 12. Februar dürften wir kein Netz haben und können deshalb wohl keine neuen Sachen hochladen. Das wird dann in Puerto Natales nachgeholt werden.

Sonntag 9.2.25 – Puerto Montt – Boarding Navimag-Fähre

Schon vor dem Frühstück versuchen wir, alles in den acht Radtaschen zu verstauen, und zwar so, dass jeder von uns nur eine von den Gepäckträgertaschen mit in die Kabine der Fähre nehmen muss.

Beim Frühstück ist es wieder sehr voll, und heute kamen die Mitarbeiter nicht zum Auffüllen – es gibt keine Gläser, Teller, Becherchen für die Brotaufstriche… Wir sagen uns, dass wir uns in den kommenden Tagen eventuell trotzdem danach zurücksehnen – wer weiß, wie es an Board werden wird.

Bis um 12 Uhr können wir auschecken, also verbleiben wir noch etwas im Zimmer und machen uns gegen 11.15 Uhr ans Beladen des Tandems. Kurz darauf fahren wir die Küstenstraße bis zum ehemaligen Hotel Versalles, dass als Check-in-Örtlichkeit für die Navimag-Fähre genutzt wird. (und wie wir später erfahren werden, auch als Notunterkunft für die Fahrgäste bei den häufigen wetterbedingten Verspätungen der Navimag-Fähre, die oft mehrere Tage betragen können). Als wir um 12 Uhr ankommen, sind wir längst nicht die Ersten, obwohl das Einchecken erst um 14 Uhr starten wird. Es ist Einiges an Deutsch zu hören.

Wir nutzen die Wartezeit und gehen zum gar nicht weit entfernten Restaurant Kiel, in dem wir vor zwei Wochen schon zum Essen waren. Man erkennt uns wieder, und wir bekommen nicht nur einen Kaffee, sondern auch ein Stück Apfelkuchen nach dem dänischen Rezept der Mutter des Besitzers. Ein anderes Paar, das dort gerade zu Mittag isst, treffen wir hinterher bei Navimag wieder. Der in Dänemark geborene Besitzer (Jahrgang 1965 wie Viktor) lebt schon über 50 Jahre in Chile, spricht aber akzentfreies Deutsch und regt sich über die langsame Entwicklung Chiles auf. Egal ob rechte oder linke Regierung, alle bereichern sich seines Erachtens in dem korrupten System vor allem selbst, und sie warten mit ihrem Restaurant schon seit Jahrzehnten auf einen Anschluss an die Kanalisation. Er hat schon mit jedem Abgeordneten gesprochen, der aus seinem Wahlkreis im Parlament saß, erreicht hat er nichts.

Zurück am Hotel sind wir uns nicht sicher, wie unser Tandem zum Schiff kommen wird, ob wir oder einer von uns es zur Fähre fahren soll, wie das bei den Autos der Fall ist, mit Gepäck oder ohne. Beim Check-in sagt man uns, wir sollen nur die in der Kabine benötigten Taschen abmachen, das ansonsten vollbepackte Tandem würde dann per Van zum Anleger gebracht werden. Viktor wird wieder einmal ziemlich nervös, aber als der Van kommt und zunächst ein anderes Rad eingeladen wird und danach auch unseres zu dritt hineingehoben wird, hat wieder mal alles relativ gut geklappt. Das Auto fährt erst nur die zwei Räder fort und kommt hinterher für das Gepäck der Passagiere zurück. Viktor unterhält sich zwischendurch auf dem Parkplatz mit Hanne, bei der ein schwäbischer Einschlag erkennbar ist. Wegen des stundenlang vor dem Hotel laufenden Busmotors ist man sehr schnell beim Umweltthema und die anderen „Umwelt-, Müll- und Recyclingerfahrungen“, die wir in Lateinamerika schon so gesammelt haben.

Alle müssen noch recht lange warten, bis auch die Menschen im besagten Bus zur Fähre gefahren werden, und obwohl es fast Mitte Februar ist, läuft in der Halle des ehemaligen Hotels die ganze Zeit Weihnachtsmusik.

Wir werden zimmerweise aufgerufen, um in den Bus zu steigen, und nach einer kurzen Fahrt werden wir einzeln oder zu zweit zur entsprechenden Kabine gebracht. Aus Kostengründen haben wir eine Achter-Innenkabine (ohne Fenster) gebucht, die überraschend geräumig und glücklicherweise nur mit sechs Personen belegt ist. Das Schiff wurde erst im Jahr 2019 in China gebaut und ist sehr modern ausgestattet. Jede Kabine verfügt über ein eigenes kleines Bad mit Toilette und Dusche. Wir schlafen in Doppelstockkojen übereinander und können direkt vor den Kojen einen Vorhang zuziehen.

Es ist etwa 16 Uhr, als alle Passagiere an Bord sind. Allerdings dauert das Beladen der Fähre noch viel länger, denn nach den Lastwagen müssen auch noch die Fahrzeige der Passagiere an Bord gebracht werden. Irgendwann werden die Fahrer aufgerufen, ihre Fahrzeuge, die an Land zwischengeparkt waren, auf die Fähre zu fahren. Jedes Fahrzeug wird an allen vier Reifen mit Spannriemen an Deck festgezurrt. Langsam wird uns klar, was mit den ca. 12 Stunden „offene See“ gemeint sein könnte, in denen wir den „Golfo de Pena“ durchqueren (Pena = Leiden).

Um 17 Uhr müssen alle im Speisesaal sein: der Kapitän begrüßt uns und erklärt auf Spanisch und Englisch mehr oder weniger wichtige Sachen. Unter anderem teilt uns der Kapitän mit, dass wir auf dieser Fahrt nur 3 Gegner haben: Wind, Wind und Wind! Außerdem teilt er uns mit, dass während der Fahrt ausschließlich seine Gesetze an Bord gelten, und dass er uns rechtsgültig verheiraten und – noch viel wichtiger – auch rechtsgültig scheiden könne.
Im Anschluss müssen alle das Safety-Video anschauen und dafür auf einer Liste unterschreiben. Wir sitzen die ganze Zeit im Speisesaal. Hier läuft jetzt keine Weihnachtsmusik, sondern ABBA rauf und runter.

Wer vegetarisch oder auch vegan essen möchte, bekommt einen entsprechenden Sticker auf seine Schlüsselkarte.

Um 19 Uhr gibt es unser erstes Essen an Bord. Alle stehen in einer langen Schlange im Speisesaal, nehmen sich Tablett und Teller und erhalten die Hauptspeise auf den Teller serviert. Salat, Brot und Obst nimmt sich jeder Passagier nach eigenem Belieben.

Kurz vor Sonnenuntergang legt das Schiff gegen 21 Uhr ab. Dabei wird es von mehreren kleinen Booten unterstützt, die beim Lösen der Schiffstaue von den Mooring-Bojen helfen und das Schiff nach dem Ablegen noch in der Fahrrinne halten.

Ab 21 Uhr läuft im Speisesaal ein Film vom WWF, der von Plastikmüll, einer ganz speziellen Möwenart im Golf von Corcovado und von Blauwalen handelt. Die kleinen Möwen sind besonders faszinierend und noch wenig erforscht, denn sie verbringen ihr ganzes Leben auf dem Wasser und ernähren sich von Krill, den sie durch Eintauchen der Füße in die Meeresoberfläche anlocken. Das alles geschieht im Flug und sieht aus, als würden die Möwen auf der Wasseroberfläche Ballett tanzen. Bisher weiß man z.B. noch nicht, wo diese Vogelart brütet.

Nach dem Film führt der Supervisor Viktor auf das Ladedeck und zeigt ihm, wo das Tandem gemeinsam mit dem weiteren Fahrrad abgestellt wurde. Es steht an der Bordwand, relativ nah an den Lastwagen und ist noch nicht festgezurrt. Das soll erst morgen erfolgen, bevor es auf die offene See geht. Als Viktor erklärt, an welchen Stellen es lieber nicht festgezurrt werden sollte (z.B. dort, wo die Kette in Führungsrohren verläuft), verspricht der Supervisor, Viktor nochmal dazuzuholen, wenn es ans Festzurren geht.

Um 22 Uhr gehen wir in unsere Kabine, wo auch alle anderen Kabinenbewohner schon dabei sind, sich bettfertig zu machen. Wir schlafen erstaunlich gut, Viktor meint zwischendurch sogar, dass wir irgendwo in einem Hafen angelegt haben, weil es so ruhig ist. Aber Jutta empfindet die nächtliche Fahrt bereits als etwas schaukelig. Die einzige Beinaheverletzung, die wir uns zuziehen, resultiert aus einem kräftigen Tritt von Viktor gegen die Kabinenwand. Er hat irgendetwas mit Fußball geträumt und als Torwart wohl einen weiten Abschlag versucht.

Nachfolgende Fotos sind zeitlich rückwärts sortiert … haben wir das immer so gemacht? Ich glaube nicht 😉

Woche 44 (27.1.25 – 2.2.25) – Puerto Montt – Puerto Cárdenas

Montag 27.1.25 – Puerto Montt

Wir frühstücken um acht und gehen danach gleich los in Richtung der ersten Western Union – Stelle. Der Plan ist, die verschiedenen Niederlassungen zu bitten, uns zu kontaktieren, wenn jemand Geld eingezahlt hat und es ihnen möglich ist, uns auszuzahlen. Das „Chilexpress“ in unserer Straße liegt am nächsten. Und sie haben trotz der frühen Stunde Geld da! Nur der Server funktioniert nicht, das sollte aber bald behoben sein. Damit hätten wir gar nicht gerechnet – gleich der erste Versuch! Wir setzen uns also in den Wartebereich, bis es irgendwann dann doch Zeit ist, weiterzugehen, obwohl wir das Geld noch nicht haben. Für 10 Uhr haben wir uns nämlich für eine Walking Tour angemeldet und müssen bis zum Startpunkt noch einige Zeit laufen. Der Mitarbeiter notiert sich noch unsere Telefonnummer, um und gegebenenfalls kontaktieren zu können, und wir beeilen uns, zum Treffpunkt zu gehen.

Am hohen Fahnenmast an der Uferpromenade werden wir erwartet von Bernhard und sind die Einzigen. Heute liegt kein Kreuzfahrtschiff im Hafen, von denen sonst häufiger die Touristen kommen. Bernhard stammt aus Simbach am Inn in Bayern (direkt gegenüber von Braunau in Österreich), ist vor sieben Jahren als Deutschlehrer hierher gekommen, hat Walking Touren vermisst und das kurzerhand selbst in die Hand genommen. Inzwischen arbeitet er freiberuflich (als Online-Lehrer – Sitz seiner Firma ist in Deutschland) und bietet diese Walking-Tour an, manchmal gemeinsam mit einem Mapuche-Freund, der heute aber nicht kommt.

Die nächsten gut zwei Stunden erfahren wir von Bernhard etwas über die Denkmäler und Kunstwerke der Stadt (die vier Hügel, Deutsche Einwanderer, wichtige Persönlichkeiten) und über die Proteste 2019, während derer z.B. die Bänke aus der Kathedrale auf dem Kirchenvorplatz von Protestierenden verbrannt wurden, unter anderem auch aus Wut über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche von Puerto Montt – die Fassade ist noch immer provisorisch verrammelt, weil die Fenster ebenfalls zerstört wurden. Außerdem zeigt er uns das Diego Rivera Theater: der Eintritt kostet umgerechnet einen Euro, egal ob für einen Kinofilm oder eine Theatervorstellung, die einmal monatlich gezeigten Filme in Deutscher Sprache mit Spanischen Untertiteln sind sogar kostenlos. Wir sehen die Casa Pauly und die Jesuitenkirche mit dem Glockenturm dahinter. Im Pueblito Melipulli bekommen wir hiesige Spezialitäten gezeigt, unter anderem den Curanto-Eintopf, ein Fleisch-Fisch-Gericht, das schon vor 6.000 Jahren in dieser Region um die Insel Chiloé in Erdlöchern zubereitet wurde. Während der ganzen Zeit tauschen wir uns – alle drei in ihrer Muttersprache – sehr viel aus.

Im Anschluss an die Tour machen wir „unten“ noch eine Kaffeepause in einem Café mit lauter riesigen Teddybären an den Tischen, bevor es die Terrassen wieder nach „oben“ geht und wir beim Western Union/Chilexpress wieder vorstellig werden. Das Personal hat inzwischen gewechselt, Jutta zieht eine Wartenummer, kommt sofort dran und erhält ganz schnell und ohne viele Worte neues Bargeld. Geht doch!

Im Hostal machen wir die Planung der kommenden Tage, bis wir uns zeitig von einem Uber-Taxi zum Restaurant „Kiel“ bringen lassen, das montags nur bis 18 Uhr geöffnet hat. Hier geniessen wir ein frühes und sehr gutes Abendessen – typische überbackene Suppen (Chupes de Pulpo und Camaron) und Viktor einen tollen Nachtisch mit Eis, Maronen und einem Schuss Whisky (Copa Kiel), einen Nachtisch den die Gründerin des 1973 eröffneten Lokals erfunden hat.

Von der Restaurant-Gründerin erfundener Nachtisch

Per Uber fahren wir wieder zurück und beschäftigen uns weiter mit der Planung der Tage bis zu unserer Fähr-Kreuzfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales am 8. Februar. Am Ende kommt eine machbare Rundtour dabei heraus, die aber einige Tage mit bis zu 1.000 Höhenmetern zu bieten hat. Wenn uns da noch heftiger Wind in die Quere kommt, was hier nicht selten der Fall ist, könnte das schwierig werden, aber wir sind ganz zuversichtlich und wollen die schöne Landschaft und die wunderbaren Ausblicke möglichst genießen.

Plan für die „Chiloé – Austral“ Runde

Dienstag 28.1.25 – (172) – Puerto Montt – Chacao

Gesamt: 10.933,86 km

Heute, am dritten Morgen im selben Hostal, sind die Brötchen inzwischen ziemlich trocken – wahrscheinlich noch dieselbe Charge wie vorgestern. Frühestmöglich um halb acht sind wir im Frühstücksraum (der mit dem piependen Rauchmelder – häufiger als einmal in der Minute), um 8:45 Uhr fahren wir los. Es geht über einen Halt im Supermarkt direkt zur RN-5, denn das ist der einzig für uns mögliche Weg zur Fähre auf die Insel Chiloé.

Auf dem dauerhaft guten Seitenstreifen begegnen wir heute recht vielen anderen Radfahrenden, zwei kommen uns sogar auf unserer Seite entgegen. Nach nur 20 Kilometern halten wir am südlichst gelegenen Pronto (Raststätte der COPEC-Tankstellen), wie wir dort erfahren, und trinken schon mal einen Kaffee.

An der Straße stehen heute alle paar Kilometer interessante Schilder von gefährdeten Tierarten, die dazu aufrufen, keinen Müll aus dem Fenster zu schmeißen.

Vielleicht hätte es einen noch größeren Effekt, wenn auf den Bildern süße Katzen, Hunde, Seehunde oder so zu sehen wären… (sie sind weder gefährdet noch leben sie hier in der Wildnis, aber mehr Mitleid würden sie wohl hervorrufen).

Kurz vor Pargua müssen wir von der Ruta 5 abfahren zur Fähre. Schon seit 1967 gibt es Bemühungen, eine Brücke über den „Kanal“ zu bauen, nach mehreren Rückschlägen steht die Eröffnung wohl demnächst bevor, so zumindest noch 2017 – inzwischen heisst es 2028 bis 2030.

Am Fährhafen können wir als Radfahrer praktisch sofort auf eine der Fähren. Diese fahren so häufig, dass selbst Kraftfahrzeuge nie lange warten müssen.

Nach 20-minütiger Fahrt landen wir in Chacao an. Im Ort machen wir noch eine Kaffeepause mit Apfel-Empanada und Orangen-Marmorkuchen, weil unsere Unterkunft sehr einsam und etwas außerhalb liegt. Wir besorgen uns sogar schon die Getränke für morgen, bevor wir die verbliebenen zwei Kilometer mit sehr starker Steigung in Angriff nehmen. Am Platz gucken wir noch die Holzkirche an, die aber nicht zum Weltkulturerbe gehört wie einige andere der über 150 auf dieser Insel.

Unsere Cabaña hat wie die ganze Nachbarschaft gerade weder Strom noch Wasser. Wir haben die dafür verantwortlichen Arbeiter überholt: sie arbeiten an der Stromleitung, also ist der Strom seit 11 Uhr abgeschaltet. Und ohne Strom kann kein Wasser in den Wasserturm gepumpt werden, der alle hier oben versorgt und mitttlerweile leergelaufen ist. Ab 17 Uhr soll beides wiederkommen, das ist noch etwa eine Stunde, also kein Problem.

Plötzlich startet die Waschmaschine in unserer Cabaña von ganz alleine, um Einiges früher als 17 Uhr. Scheinbar ist sie so eingestellt, dass sie sofort einen Waschvorgang startet, wenn sie mit Strom versorgt wird. Nur das Wasser braucht länger, bis es wieder fließt.

Bevor Viktor überhaupt duschen kann, klingelt sein Handy und das Café aus Chacao ist am Apparat: er hat etwas im Café vegessen! Sie haben vorher schon über den Facebook-Messenger eine Nachricht geschrieben. Viktor bietet an, das Vergessene (wir wissen noch nicht, was es ist) abzuholen, aber der Anrufer sagt, er bringe es vorbei und wäre in fünf Minuten da.

Es ist das Portemonnaie inklusive dem Führerschein, über den dann der Facebook-Account gefunden wurde. Und der Mann (Axel) lehnt jeglichen Finderlohn ab, obwohl er mit einem Freund sogar noch im Auto den Ort abgefahren ist, um uns eventuell auf dem Fahrrad zu sichten! Das war wohl der richtige Ort, um seine Geldbörse liegenzulassen! Was wäre passiert, wenn es irgendwo mitten auf der Strecke passiert wäre, womöglich bei jemandem, der Facebook gar nicht kennt oder nutzt? Gar nicht auszudenken!

Unsere Cabaña hat zwar eine Küchenzeile, aber wir können abends ein Essen von der Betreiberfamilie bekommen, was wir neben dem Frühstück morgen auch gerne annehmen. Auf der einen Seite der Gebäude weidet eine Kuh, auf der anderen Seite ein Pferd, wir sind richtig auf dem Land.

Das Abendessen ist ein riesiges Stück gebratener Lachs aus der Region mit gekochten Kartoffeln, Brot und Salat. Gekochte Kartoffeln! Keine Pommes! Wann konnten wir eigentlich das letzte Mal gekochte Kartoffeln essen? Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an.

Beim Abendessen unterhalten wir uns kurz mit einem anderen Gast am Nachbartisch, dessen Tochter an der Deutschen Schule in Temuco war und nun als Krankenpflegerin in Düsseldorf arbeitet. Sie hat gerade vor ein paar Tagen ihre erste eigene Wohnung bezogen und 1.500 Euro Abstand für die Küche an den Vormieter gezahlt. Wir reden kurz über den Fachkräftemangel in Deutschland und darüber, wie sehr unsere „Boomer“- Generation im hohen Alter darauf angewiesen sein wird, solche Menschen aus anderen Ländern für das Leben und Arbeiten in Deutschland zu begeistern.

Da wir morgen sehr früh aufbrechen wollen, bringt uns die Betreiberin der Cabañas um kurz vor 21:00 Uhr sogar noch das gesamte Frühstück vorbei, damit wir es morgen auch schon in aller Frühe einnehmen können. Wir sind ziemlich begeistert von der Freundlichkeit und Flexibilität.

Mittwoch 29.1.25 – (173) – Chacao – Dalcahue

1438 m Gesamtanstieg

Gesamt: 11.037,73 km

Der Wecker klingelt um sechs Uhr. Es ist ziemlich abgekühlt in der Cabaña und wir versuchen vergeblich, den kleinen Heizbrenner ans Laufen zu bekommen (er arbeitet wahrscheinlich mit Kerosin). Statt dessen ziehen wir uns etwas dicker an – schließlich müssen wir noch frühstücken. Beim Aufbacken der Brötchen im Miniofen verkohlt die Unterseite etwas, richtig gut dagegen ist der Kuchen, den wir auch noch bekommen haben.

Um acht Uhr kommen wir los. Gleich nach einigen Kilometern ist die Straße unbefestigt – das versuchen wir eigentlich immer zu vermeiden, aber gestern Abend nach der letzten Änderung der Strecke hat es wohl keiner von uns mehr kontrolliert. Umdrehen und noch einmal durch den Ort fahren wollen wir aber auch nicht, das wären noch einige Höhenmeter mehr, und die Strecke heute hat es schon in sich.

Nach dem Überqueren der RN-5 ist die Straße asphaltiert. Es ist wenig Verkehr, aber es geht den ganzen langen Tag auf und ab – mit sehr schönen Abfahrten zwischendurch.

Nach etwa 25 Kilometern wollen wir beim Café Cakes and Cream eine Pause machen, laut google maps hat es ab neun Uhr geöffnet und liegt direkt an unserer W-15. Da scheint wieder einmal ein Pin falsch gesetzt worden zu sein, dieses Café liegt nirgendwo auch nur dort in der Nähe. Also halten wir ein paar Kilometer weiter an einer Aussichtsplattform.

Kurz bevor wir weiterfahren wollen, überholen uns zwei Bikepacker, die wir auf den folgenden etwa 15 Kilometern bis Quemchi die ganze Zeit uneinholbar vor uns fahren sehen. Kurz vor diesem Ort bleiben die zwei stehen, und im Überholen „verabreden“ wir uns im ersten Café in Quemchi. Und das klappt in der Cafeteria Mi Barrio am Platz. Josefine und Lancelot aus Brüssel sind in Temuco losgefahren und haben vier Monate Zeit, Ende April fliegen sie zurück.

Kurz nach dem Weiterfahren haben wir erst die halbe Strecke, und es kommt eine so steile Steigung, dass wir schieben müssen. Beziehungsweise schieben und ziehen: Jutta läuft vorne und zieht mit der „Schiebehilfe“ von Carlos. Das funktioniert prima, es ist für beide weniger anstrengend als vorher.

Und nach 66,14 Kilometern haben wir dann die 11.000 Kilometer geknackt, gerade nach einer schnellen Abfahrt und bevor es wieder steil hoch geht – das passt gut.

Bei genau 70 Kilometern geht eine Schotterstraße zu den Cascadas de Tocoihue. Wir lassen das Tandem einfach an der Grenze von Asphalt zu Schotter stehen und laufen die Strecke zum Eingang, wo wir nur gegen Eintrittszahlung die Stufen zum Aussichtspunkt hochgehen dürfen. Den Weg nach unten sparen wir uns aus Zeit- und Energiegründen.

Kurz nach dem Besuch der Wasserfälle haben wir zunächst wieder eine lange Steigung zu bewältigen und danach fahren wir ein ziemlich steile, sehr gerade Abfahrt mit fast perfektem Straßenbelag hinunter. Vor ein paar Tagen haben wir den Reifendruck kontrolliert und wieder auf 3,2 bar aufgepumpt. Wir haben ideale Bedingungen und überbieten mit 73,7 km/h unseren bisherigen Geschwindigkeitsrekord.

Bei der Beschreibung der Bedingungen für unseren Rekord muss Viktor an seinen Vater und unseren alten Volkswagen K70 denken. „Watt macht der Spitze?“ war so eine typische Frage im Ruhrpott. Vater Günter hat dann immer mit der Phrase „Bergab, mit Sonne und Wind im Rücken, da schafft’er…“ geantwortet. Wir hatten heute bergab zumindest auch die Sonne im Rücken … beim Wind sind wir uns nicht ganz sicher.

Da fällt mir (Viktor) ein, dass die ganzen Schreine am Wegesrand auf einem lateinamerikanischen Volksglauben basieren. Solange sich noch ein Mensch an einen Verstorbenen erinnert, ist derjenige nicht ganz tot. Manche der Schreine am Wegesrand sind ganze Kapellen mit Stegen, Plattformen und Sitzbänken, auf denen man sich zum stillen Gedenken niedersetzen kann. Ich stelle mir die „ewige Ruhe“ ja immer als ultra-langen Schlaf vor und hoffe mal, dass nicht jedes Mal der Wecker klingelt, wenn jemand an den Verstorbenen denkt. Falls doch: Sorry Papa!

Als wir ein am Rand stehendes Auto überholen, aus dem die Familie gerade Wassermelonenpause macht, ruft Viktor im Vorbeifahren dem Sohn im Real-Madrid-Shirt ein „ViscaBarca“ zu. Als sie uns kurz darauf mir dem Auto überholen, ruft der Junge aus dem geöffneten Fenter ein „Real Madrid“ zurück.

Auf halber Strecke vom Wasserfall bis zum Ziel findet sich leider nur eine Bushaltestelle zum nochmaligen Anhalten. Noch etwas später können wir aber wenigstens in einem Minimercado noch einmal kalte Getränke kaufen – sie haben sogar gekühltes Clausthaler Lemon :-).

Um halb sieben nach einem langen Tag kommen wir an der Plaza de Dalcahue an, wo wir erst abendessen wollen, bevor wir mit einem noch verbleibenden langen Anstieg zum Hostal die heutige Tour endgültig beenden. Eventuell wollen die Kinder von Claudio und Rosana auch noch mit uns hochfahren. Auf dem Platz hören wir wieder einen „Real Madrid“-Ruf, der Junge hat uns wiedererkannt. Und wir treffen ein Deutsches Paar, dessen Sohn schon mit dem Rad von Ecuador nach Ushuaia und das selber schon einige Male mit dem Rad in Asien unterwegs war. Hier sind sie jetzt mit dem Auto.

Im Refugio de Navigantes essen wir leckere Mangold-Lasagne bzw. Mangold-Quiche und dürfen uns noch eine Vorspeise (Suppe oder Salat) auswählen. Beide nehmen den Salat, und dann kommt Juttas Quiche noch einmal mit Salat. Das kommt nämlich immer zusammen… das hätte die Bedienung ja eventuell bei der Salatbestellung klären können, aber egal! Viktor schafft im Anschluss noch eine großes Stück Tiramisu.

Die Radfahrfamilie ist noch unterwegs, also machen wir uns ohne jugendliche Begleitung auf die letzten drei Kilometer bergauf zum Hostal Casa del Bosque, das Claudio für uns zu einem reduzierten Preis reserviert hat. Um halb neun erst kommen wir dort an, und Viktor bekommt „wegen der Anstrengung“ sogar noch eine Dose Bier ohne Berechnung auf’s Haus.

Der Abend wird nicht mehr sehr lang, und zu unserem „Glück“ kommt die ganz in der Nähe wohnende Familie von Claudio und Rosana nicht mehr vorbei (auch wenn es eigentlich schade ist;-) ) – wir sind wirklich sehr müde!

Donnerstag 30.1.25 – (174) – Dalcahue – El Pulputo (Lago Natri)

1004 m Gesamtanstieg

Gesamt: 11.111,07 km

Im netten Hostal Casa del Bosque frühstücken wir um acht und sind um neun fertig zur Abfahrt. Leider hat es nicht geklappt mit einem Treffen mit denen, die uns dieses Hostal reserviert haben (Claudio, Rosana, Vicente, Cristobal) – wir lassen wenigstens unsere Aufkleber für sie da, denn sie wohnen ganz nah und kommen eventuell später vorbei. Aber wir müssen wirklich pünktlich los, sonst schaffen wir den heutigen Tag nicht, besonders wenn noch schlechtes Wetter oder Gegenwind aufkommen sollte. Abends haben wir ein total liebes Dankesvideo von ihnen.

Wir fahren aus Dalcahue in Richtung Norden heraus, ohne noch einmal herunter in den Ort zu fahren, sondern gleich in Richtung der R-5, die hier auf der Insel wenigstens keine Autobahn mehr ist, sondern nur einspurig mit Seitenstreifen. Nur in den Steigungen gibt es bei Bedarf eine zweite Spur, und das ist heute mehrfach der Fall.

Die R-5 geht mitten durchs Landesinnere, bis sie in Castro zur Küste führt. Dort wollen wir eine Pause machen, halten an einem nach „Café“ aussehenden Laden, dessen Verkäuferin uns aber den Weg zum Café Blanco erklärt. Dort im WIFI kümmert sich Viktor um eine Übernachtungsmöglichkeit für heute, Jutta soll die Tickets für die Fährfahrt nach Chaitén buchen. Kurz nachdem dieses beim dritten Bezahlversuch endlich geklappt hat, entdeckt Viktor im Spam-Ordner seiner Mails, dass er vor drei Tagen schon Tickets gekauft hatte. Die Pause wird also noch etwas länger, da wir versuchen, die gerade getätigte Buchung wieder zu stornieren. Das ist ohne Chilenische Kontonummer nicht so leicht. Wir sollen es per E-Mail an die Buchhaltung versuchen, aber vermutlich müssen wir später die Kreditkartenabbuchung für die doppelten Tickets stornieren. An einem Nachbartisch sitzt eine Katalanin aus dem Empordà, mit der Viktor sich austauscht. Außerdem entdeckt uns der Junge mit dem Real Madrid-Trikot auch hier am Platz wieder und ruft grüßend zu uns rüber, die Familie ist mit dem Auto auch nicht schneller unterwegs als wir.

Für eine zweite Pause fahren wir nach Chonchi rein. Die lange Straße in den Ort ist eine tolle Allee. Wir suchen den Hauptplatz, zu dem es ziemlich abwärts geht und in dessen Nähe rein gar nichts zum Einkehren ist. Eine Passantin rät uns zum wohl einzigen „Restaurant“ (in der Hauptstraße), also setzen wir uns dort und Viktor kann einen weiteren Completo essen.

Als wir weiterfahren, hören wir ein neues Geräusch am Hinterrad. Hängt da eventuell ein Gurt in den Speichen? Wir halten an, und es ist „nur“ ein überfahrenes Kaugummi, dass bei jeder Umdrehung ans Schutzblech stößt.

Am Ende einer Steigung wartet ein Auto auf uns, die Beifahrerin ist ausgestiegen und winkt uns zu warten. Sie haben uns gestern auch schon gesehen und wollen uns heute eine Übernachtung oder ein „Descanso“ bei ihnen zu Hause anbieten. Der Ort Compu liegt zehn Kilometer hinter dem Lago Natri, wo wir erst heute mittag eine Cabaña reserviert haben, und wir lehnen dankend dieses nette Angebot ab.

Um halb sechs sind wir an der Abfahrt zu den Cabañas San Nicolas, schieben nach unten an den See und bekommen die Cabaña Canela, in der auf zwei Etagen sechs Schlafplätze sind – eigentlich viel zu groß. Oben an der Straße gibt es ein Restaurant „Casa del Lago“ nur 650 m entfernt, dass bald schließt, also gehen wir zunächst dort essen. Die Nichte der Betreiberin bedient uns, und der frische Lachs mit Rosmarin (hier ist einfach absolute Lachsregion) ist sehr lecker, kann man sich merken.

Auf dem Rückweg nehmen wir die „Abkürzung“ am Strand (ein Mann bestätigte uns, dass der See öffentlich sei und es keine Zäune gäbe) und müssen halb durch das Wasser über große Kiesel laufen. Währenddessen kommt immer mehr Wind auf, und kurz bevor wir am Haus sind beginnt der Regen. Drinnen befeuern wir den Ofen und gucken dem richtig starken Regen zu. Hoffentlich reicht die Ofenwärme, unsere Kleidung zu trocknen, inklusive der Handtücher (wir müssen unsere eigenen nutzen).

Freitag 31.1.25 – (175) – El Pulputo (Lago Natri) – Quellón

Gesamt: 11.168,46 km

Leider hat der Ofen nicht die ganze Nacht durchgehalten und die Hütte ist morgens ziemlich kalt und die Klamotten kalt bzw. noch klamm. Wir nutzen deshalb die Küche, um vor dem Verlassen schon ein paar Tassen Bünting-Ostfriesentee zu trinken – so sind wir wenigstens von innen warm. Über dem See wabert dert Nebel, es sieht richtig mystisch aus, trotzdem sehen wir keinen der in dieser Gegend lebenden Gnome ;-). Um kurz nach acht fahren wir zur Casa del Lago (von gestern abend), da es dort auch Frühstück gibt.

Die Fahrt auf der R-5 ähnelt der gestern, auch wenn wir nur zwei größere, steile Anstiege neben dem ganz normalen „Grundrauschen“ zu bewältigen haben, und heute können wir alles fahren.

Da die Strecke nicht so lang ist, gucken wir ab der Hälfte nach einer Pausenmöglichkeit. Die Auswahl ist gering, und das, was wir sehen, ist geschlossen. An einer geöffneten Einfahrt mit vielen wehenden Fahnen verschiedener Lebensmittelhersteller finden wir den entsprechenden Laden nicht, ein angesprochener Herr druckst ein wenig herum, ruft dann eine Frau, die uns fragt, was wir den bräuchten. Bei ihr kann man wohl Grundnahrungsmittel kaufen, heißes Wasser für Tee oder Kaffee aber nicht. Aber zwei Kilometer weiter wäre ein Autoservicio, da könnten wir etwas finden.

Auf dieser ja kurzen Strecke überholt uns ein Auto und fährt rechts ran. Der Fahrer (Matías) holt etwas aus dem Kofferraum und macht Handzeichen, damit wir anhalten. Er schenkt uns einen ganzen Karton mit Sushi (Lachs, Thunfisch und Huhn). Wir nehmen dankend an, er wendet und fährt zurück. Matías muss also extra hinter uns her gefahren sein – er hat bestimmt geahnt, dass wir gerade Pause machen wollen.

Tatsächlich finden wir bald eine Art kleines Einkaufszentrum: ein Klamottenladen, eine Ferreteria, ein Supermarkt und ein Restaurant, wo wir draußen sitzend Pause machen können. Viktor (der die Sushi leider allein essen muss) beginnt mit dem Verzehr, der Rest wird eingepackt.

Dann sind es noch weniger als 15 Kilometer bis Quellón, und als die zweite harte Steigung überwunden ist, geht es recht zügig.

Im Ort wollen wir erst einmal einchecken, über booking.com ist ein Zimmer gebucht. Im entsprechenden Gebäude in der Hauptstraße ist ein dunkles, dreckiges Treppenhaus, wir denken schon, wir wären falsch. Unter der Telefonnummer meldet sich zunächst niemand. Viktor bekommt dann aber einen Anruf, und die Tochter der Vermieterin soll das Zimmer fertig machen. Es scheint sich um ein Zimmer der Wohnung zu handeln, in dem die Familie lebt, und dieses Zimmer liegt hinter einem Vorhang. Jutta geht parallel auf die Suche nach einer anderen Unterkunft.

Das nahegelegene Hotel Rincon del Sur hätte ein Zimmer für uns, und die Vermieterin des „Zimmers“ verzichtet ungefragt auf das Geld, das wir eigentlich hätten zahlen sollen, und so lassen wir der Familie ihr Zimmer und wechseln zum Hotel.

Gegenüber im Café wollen wir vor dem Duschen noch Kaffee trinken (und weitere Sushi bzw. eine Waffel essen). Mit der betreibenden Venezuelanerin (Horexi) und einem ihrer Söhne (Horacio, 15-jähriger Zwilling, der ihr hilft) unterhalten wir uns nett. Der Sohn würde gerne Deutsch lernen, und wir vermitteln ihm den Kontakt zu Bernhard in Puerto Montt, der ja Deutsch im Online-Unterricht lehrt. Außerdem erfahren wir, dass nur gut sechs Kilometer von hier die Panamericana beginnt bzw. endet, je nach Blickrichtung. Gut, dass wir noch nicht geduscht haben! Das können wir uns doch nicht entgehen lassen, wo wir doch unsere ganze Reise „Panamericana“ nennen und schon auf weiten Strecken darauf gefahren sind.

Also fahren wir – mit stark reduziertem Gepäck – noch einmal los. Zuerst am Büro der Naviera Austral vorbei, um zu erfahren, wo heute Nacht unsere Fähre ablegt und wann wir da sein müssen. Und dann über die immer schlechter werdende R-5 bis zum Ende.

Zurück im Hotel wird geduscht, gebloggt, ein wenig ausgeruht. Abendessen gibt es im Hotelrestaurant (Bandnudeln Pomodoro und Bolognese). Die Bedienung hat gerade ihren dritten Arbeitstag, kennt die Speisekarte noch nicht und die „Limonada Menta-Gengibre“ (Limonade Minze-Ingwer) wird ein bisschen stärker als sonst üblich … aber Jutta schmeckt es.

Gegen 23 Uhr brechen wir zum Anleger von Naviera Austral auf, denn wir sollen nach den Autos, die um elf boarden sollen, auf die Fähre. Allerdings ist noch kein Schiff in Sicht, statt dessen sammeln sich in den drei Straßen der T-Kreuzung nicht nur PKW, sondern auch LKW und ein Bus, die alle warten müssen und die Straßen verstopfen. Wir brauchen also Geduld, und es ist ziemlich kalt, so um die 10 Grad Celsius. Einige der Rucksack-Touristen sind barfuß und in Shorts, die müssen noch mehr frieren als wir.

Um kurz vor Mitternacht legt die Fähre an, alle Fahrzeuge und anschließend die Personen müssen von Board, die Kontrollcrew muss kontrollieren, ob desinfiziert werden muss, die Cafeteria wird aufgefüllt, und dann erst wird mit dem Beladen begonnen.

Samstag 1.2.25 – Quellón – Chaitén

Es ist inzwischen Samstag, als erst die Lastwagen rückwärts über den langen Anleger hinunter zur Fähre fahren müssen (die Fahrer müssen das wirklich beherrschen!). Wir sind letztendlich mit den zu Fuß Gehenden die Letzten und dürfen unser Tandem in einem Gepäckraum unterstellen, der heute nicht anderweitig gebraucht wird. Im Salon ist es relativ leer, man kann sich auf nebeneinander liegenden Plätzen hinlegen. Bis auf einige laute Schnarcher ist es auch recht leise. Aber es ist kalt! Wieder einmal! Trotz mehrerer Lagen Kleidung übereinander!

Um 4:30 Uhr ertönt eine laute Ansage, dass wir in 15 Minuten in Chaitén anlegen. Es ist noch stockduster. Wir sind zwar wieder bei den Letzten, die an Land gehen, aber es ist trotzdem erst viertel nach fünf in der Früh. Hinter anderen her gehen wir erst in ein Wartegebäude. Dort ist es einigermaßen warm, es gibt Sitzplätze und sowohl einen Automaten mit drei Heißgetränken (der nur Münzen nimmt), als auch einen mit Snacks (der auch Scheine nimmt). Unter den dort Wartenden sind mehrere andere Deutsche, und fast jede(r) muss sich erst einen Snack ziehen, um an Münzen zu kommen, um danach etwas Heißes trinken zu können. Manch einer legt sich mit Schlafsack noch schlafen – oder auch auf Styroporplatten, die herumstehen, in einem Plastiksack. Wir warten mehr oder weniger einfach darauf, dass es hell wird. Unser Hostal hat angeboten, dass wir schon früh kommen dürfen, und das nehmen wir an.

Gegen sieben sind wir am Hostal, der Schlüssel steckt und wir kommen rein, und bald darauf begrüßt uns der Betreiber. Das Zimmer ist schon bereit, wir bekommen aber sogar erst noch ein Frühstück und können unsere Wäsche abgeben, bevor wir uns gegen acht Uhr ins Bett begeben. Im Frühstückraum ist eine größere Runde Väter mit Kindern, die zum Lachs- und Forellenfischen an einen See wollen. Der eine Sohn ist in San Francisco geboren, wo die Chilenischen Eltern seinerzeit lebten – wir haben jedenfalls Gesprächsthemen…

Unsere nachgeholte Nachtruhe beenden wir um halb zwölf. Die Wäsche ist wie von Zauberhand schon fertig gewaschen und getrocknet. Im Café Buen Sabor machen wir auch ohne vorherige Radtour eine Kaffeepause, gleichzeitig mit einem Deutschen Rentnerpaar, dass gerade aus dem Süden kommt (mit dem Auto) und noch bis Ende März unterwegs sein wird (Atacama-Wüste und Bolivien). Im Supermarkt gegenüber decken sich in der Zwischenzeit fünf Bikepacker ein, und die beiden sagen, dass sie unheimlich vielen Radfahrenden begegnet sind.

Den weiteren Nachmittag arbeiten wir den Blog auf und versuchen die nächsten Tage zu planen. Die Fähren, die auf dem Weg nach Norden liegen, sind dummerweise nicht so verfügbar, wie wir sie bräuchten. Jetzt können wir noch einen Tag Richtung Süden fahren, dort umkehren, und dann kommen wir gerade so rechtzeitig in Puerto Montt an, um unsere lange gebuchte Fähre nach Puerto Natales zu bekommen. Auch beim Unterkunft-Buchen gibt es Probleme – hier ist absolute Hochsaison und wir können nicht dort übernachten, wo es für die Fährfahrten eigentlich ideal wäre.

Zur Erläuterung: Die Carretera Austral („Austral“ ist spanisch für Südlich, aus dem Lateinischen „Australis“), auch „Ruta Nacional 7“, war zwar ein Prestige-Projekt des Militärdiktators Pinochet, sie ist aber nicht komplett durchgängig ausgebaut. Wir werden in den nächsten Tagen mehrere kurze und längere Fährfahrten (bis zu 5 Stunden) unternehmen. An einer Stelle müssen wir eine circa 10 Kilometer lange Strecker über Land fahren, die gerade in 2024 asphaltiert wurde (davor war es eine schlimme Schotterstrecke), und diese möglichst schnell durchradeln, damit wir eine Anschlussfähre erreichen, die nicht besonders lange auf Radfahrer wartet. Hier sind schon oft Radfahrende gestrandet und erst sechs Stunden später in der Dunkelheit weitergekommen oder sie mussten sogar wild zelten (teilweise ohne genug Verpflegung), wenn die nächste Anschluss-Fähre ausgebucht war und es erst am nächsten Morgen für sie weitergehen konnte.

Zum Abendessen geht es in das Restaurant „El Volcan„, wo Viktor einen Meer-Aal probiert, ein weißer Fisch, der insgesamt etwas langweilig schmeckt, aber trotzdem überraschend gut ist.

Sonntag 2.2.25 – (176) – Chaitén – Puerto Cárdenas

Gesamt: 11.214,14 km

Schon während der Nacht hören wir es draußen ordentlich regnen und stürmen. Als der Wecker um sieben Uhr klingelt und wir aus dem Fenster sehen, bestätigen sich unsere Befürchtungen. Wir werden es heute (und vermutlich auch in den kommenden Tagen) mit dem typischen Wetter Patagoniens zu tun bekommen: Regen und Wind.

Wir legen uns also vor dem Frühstück schon alle Regensachen (Regenhose, Neopren-Überzieher für die Schuhe) bereit, die wir tief unten in unseren kleinen grünen Packtaschen monatelang mit uns herumgefahren haben. Benötigt haben wir sie eigentlich nie, denn in Mittelamerika war der Regen so warm und meist auch nur so kurz, dass wir keine Regensachen anziehen wollten. Danach hatten wir monatelang keinen Regen oder nur ganz kurze Schauer hier und da, die man in Unterständen locker abwarten konnte.

Wir ziehen das Frühstück ab 8 Uhr ein wenig in die Länge, immer mit dem Blick aus dem Fenster und auf das Regenradar, auf dem es zeitweise so aussieht, als müsste der Regen bald nachlassen. Als der Regen um 9 Uhr eher stärker wird, ziehen wir die Regensachen an und machen uns auf den Weg. Hilft ja alles nix!

Die Carretera Austral (oder Ruta National 7) geht mitten durch den Ort Chaitén, wir müssen also nur der Hauptstraße folgen und sind schnell aus dem Ort heraus und auf der berühmten Straße Richtung Süden unterwegs. Die Landschaft rechts und links der Strecke ist wirklich atemberaubend schön. Wie wir gestern in Chaitén gelernt haben, ist das der einzige Regenwald gemäßigter Zonen in Südamerika. „50 Shades of Green“ ist hier vermutlich noch untertrieben. Und natürlich braucht es dazu ausreichenden Regen, wie wir ihn heute genießen dürfen.
Rechts und links der Straße erheben sich majestätische Berge mit schneebedeckten Gipfeln, die aber gar nicht mal so hoch sind, wie wir es erwartet hatten. In diesen südlichen Breitengraden bleiben auch Gipfel mit 1.800 m Höhe den Sommer über schneebedeckt, vermutlich auch Dank der kalten Humboldt-Meeresströmung (im Gegensatz zum warmen Golfstrom, der in Europa für das Gegenteil sorgt).
An der Strecke sehen wir rechts und links immer wieder kleine Wasserfälle an den Berghängen. Den ersten filmen wir noch, den zweiten fotografieren wir, ab dem dritten Wasserfall genießen wir einfach nur noch die Aussichten (trotz des Regens). Was haben wir auf dieser Tour schon für Wanderungen unternommen, um einen Wasserfall zu sehen … hier lauern sie gefühlt hinter jeder Bergkuppe oder Kurve.

Wir fahren 20 Kilometer durch den … nennen wir ihn mal „halb-starken“ … Regen. Es gibt schlimmeren Regen, aber es ist auch kein leichtes Nieseln mehr. Jedenfalls ist er stark genug, um seinen Weg durch die Wind- und Regenjacken zu finden, die wir nach dem letzten Waschen nicht noch einmal imprägniert haben. Bei Jutta findet das Wasser auch seinen Weg in die Regenhose, so dass sie in dem „ach-so-gemütlichen“ vorderen Sitz irgendwann ziemlich feucht sitzt. Zum Glück haben wir uns nur etwas über 40 Kilometer vorgenommen, mit der Option am Zielort noch eine lange Steigung hinaufzuradeln, um einen schönen Aussichtspunkt (Mirador) auf den Lago Yelcho zu erreichen. Beim heutigen Regen, Nebel und den Wolken entscheiden wir uns schnell, dass wir uns die anstrengende Steigung sparen werden. Außerdem haben wir zum Doppelglück auch noch Rückenwind, was das Ganze auch nochmal deutlich erträglicher macht, als wenn uns der Regen vom Gegenwind ins Gesicht gepeitscht würde. Letzteres blüht uns aber vermutlich ab morgen, denn dann geht es Richtung Norden über die Carretera Austral zurück nach Chaitén und dann weiter bis nach Puerto Montt.

Nach gut 20 Kilometern in Amarillo sind wir gegen 11.15 Uhr trotz der körperlichen Anstrengung ein klein wenig angefroren (es herrschen circa 14 Grad Celsius). Wir nutzen also die einzige Gegelegenheit auf der heutigen Strecke, einen kleinen Supermarkt mit danebenliegendem Restaurant (Supermercado, Restaurant y Cabañas Panchito), betrieben von einer Familie (Vater und Tochter), für die einzig mögliche Pause. Im Supermarkt trinken wir jeder zwei heiße Automaten-Cappuccino, denn das Restaurant öffnet erst in ca. einer Stunde (am Ende sind es sogar fast 1,5 Stunden), wärmen uns auf und unterhalten uns mit dem Besitzer, der behauptet, das sei gar kein Regen sondern nur ein leichtes Nieseln.

Nachdem die Tochter dann die Reinigung der Cabañas beendet hat, öffnet sie um fast halb eins das Restaurant (dranstehen tut als Öffnungszeit täglich 9 – 21 Uhr) und kann uns entgegen der Aussage ihres Vaters sowohl Tee als auch Kaffee anbieten. Wir trinken Tee und essen sogar etwas, sind danach endlich richtig warm und können um viertel nach eins (zwei Stunden Pause nach zwei Stunden Fahrt haben wir sonst noch nicht gemacht) weiterfahren.

Wir verabschieden uns mit „Hasta Mañana“, denn wir werden hier morgen sicherlich wieder eine Pause einlegen. Als wir weiterfahren, hört es tatsächlich auf zu regnen. Ab und zu kommt nochmal ein kurzer Schauer auf, aber zwischendurch zeigt sich auch mal kurz die Sonne, was sofort die Temperaturen und die Stimmung hebt.

Nach 45 Kilometern erreichen wir Puerto Cárdenas am Lago Yelcho und fahren links in eine kleine Straße ab, an der unsere Cabaña der Villa Gesell liegen soll. Leider ist die entscheidende WhatsApp, in der uns der Weg unten am See entlang beschrieben wird, nicht mehr bei uns angekommen, da wir unterwegs mit unserer MAYA eSIM kein Internet mehr hatten. Auch unsere Pausenlokalität bietet kein kostenloses WIFI an, was wir sonst unterwegs oft nutzen. Wir folgen also aus Sicht der Vermieterin fälschlicherweise den Schildern vor Ort, die aber für die mit dem Auto anreisenden Gäste aufgestellt wurden. Dazu müssen wir die bisher steilste Stelle unserer ganzen Tour überwinden. Viktor hat bereits entschieden, das Tandem abzupacken und die Taschen einzeln hochzutragen, als Jutta nochmal eine letzte Anstrengung bis zur nächsten Kurve vorschlägt. Und tatsächlich wird es dort zur Glück flacher. Als wir beim Spaziergang später den angeblich richtigen, einfacheren Weg für Fahrräder entlanggehen, stellen wir fest, dass dieser für uns unbenutzbar ist – wir haben also nichts falsch gemacht und werden morgen genauso wieder zurückfahren auf die Austral.

Wir haben die Cabaña Martin Pescador mit wahrscheinlich besserem Blick auf den See als vom nicht angefahrenen Aussichtspunkt. Sie ist eigentlich für vier Personen, richtig nett eingerichtet, und die Vermieterin heizt uns vor dem Eintreten den Ofen an – hier ist wohlgemerkt Hochsommer! Auf der Terrassenbrüstung sitzt lange ein junger Greifvogel, der wohl noch nicht gut fliegen kann.

Obwohl es jetzt trocken bleibt und die Sonne auch länger mal rauskommt, sind wir froh, sofort hierher gefahren zu sein. So können wir die ganzen feuchten Sachen ausreichend trocknen lassen und nutzen dieses schöne Häuschen auch hinreichend, nicht nur zum Schlafen. Dummerweise ist das WIFI hier „unten“ so instabil, dass das ganze Bilder- und Videohochladen sehr lange dauert, immer wieder muss man „hoch“ in die Nähe des Haupthauses gehen. So vergeht dann der restliche Nachmittag und Abend damit. Nur zwischendurch machen wir den Spaziergang zum See, der uns (wie schon geschrieben) bestätigt, dass wir doch den für uns richtigen Weg hierher genommen haben – unser Tandem ist halt das Wohnmobil unter den Fahrrädern.

Uns fällt auf, dass in dieser schönen Cabaña kein Fernseher vorhanden ist. Nicht, dass wir diesen nutzen würden – äußerst selten kommen wir dazu, mit Smart-TVs mal Nachrichten zu schauen – aber allermeistens, selbst in den einfachsten Unterkünften, gibt es einen Fernseher im Zimmer. Schon so oft haben wir den aus dem Nachbarzimmer sehr laut hören müssen…

Woche 43 (20.1.25 – 26.1.25) – Panguipulli – Puerto Montt

Montag 20.1.25 – (167) – Panguipulli – Los Lagos

Gesamt: 10.554,73 km

Ein gestern Abend lange Zeit heulender Hund in der Nachbarschaft hat dann doch irgendwann Ruhe gegeben. Wir sind pünktlich um acht beim sehr netten Frühstück an einem Tisch mit SINGER-Nähmaschinen-Unterbau. Unser Hotel war hier in Panguipulli die erste Schneiderei. Der Frühstücksraum ist unter anderem mit einem alten, kohlebetriebenen Bügeleisen dekoriert. Um neun fahren wir los.

Die ersten 3,7 Kilometer gehen ziemlich steil bergauf, da ist uns trotz der morgendlichen Kühle schon sehr warm. Ab dort fahren wir durch schöne Natur auf der T-39, die vollständig asphaltiert ist, auch wenn uns die Damen in Lican Ray etwas anderes erzählt haben. Wir sind sehr froh, dass wir diesmal nicht auf „lokale Experten“ gehört haben und diese Route fahren, und nicht den über 100 Kilometer langen Umweg mit einem Teil auf der Ruta 5 Autobahn.

Da auf Schildern am Straßenrand immer wieder Verkaufsstände angekündigt werden, von denen kein einziger existiert, machen wir eine Pause in einem Bushaltestellenhäuschen. Dort vertilgen wir die letzten Weihnachtsschokoladenkugeln und Marzipankartoffeln. Nochmal lieben Gruß und Dank an die Weihnsachtsfrauen aus Deutschland!

Eine weitere steile Stelle müssen wir noch erklimmen, nachdem wir den Rio San Pedro überquert und an der Brücke am wirklich schönen Aussichtspunkt angehalten haben. Wir kommen am Parkplatz mit einer Familie ins Gespräch und wieder mal wird ein kleines Mädchen auf Juttas Stoker-Sitz fotografiert.

Nur ein paar Kilometer vor Los Lagos liegt das geöffnete SKPE (sprich: escape) an der Straße, wo es zwar keinen Kaffee, aber wenigstens ein kaltes Getränk für uns gibt.

Um kurz vor zwei kommen wir am „Hospedaje Dulce Amanecer“ (Süßes Erwachen) an, das anscheinend von Zeugen Jehovas betrieben wird, jedenfalls hängen entsprechende Flyer an der Fassade. Das war die einzige Unterkunft, die auf WhatsApp-Anfragen reagiert hat. Wir bekommen immerhin ein Zimmer mit privatem Bad. Der Boden ist ziemlich abschüssig – hoffentlich stürzt das Haus nicht in den kommenden Stunden ein. Das WIFI-Password kennt die Dame, die uns einlässt, nicht, aber später kommt die Besitzerin und wir haben tatsächlich ein funktionierndes WIFI, mit dem wir in dieser Hütte nicht gerechnet haben.

Wir gehen zuerst einmal zur Plaza de Armas, weil es dort angeblich ein Café und – laut Aussage der Hausdame – sogar „Einfach Alles“ („Hay de todo“) geben soll. Das Café gibt es zwar, aber die Kaffeemaschine funktioniert nicht. Wir werden ein paar hundert Meter weiter geschickt, zum Café Laguino. Dort funktioniert alles und sie haben sogar Banana-Split im Angebot – hier mit zwei Bananen! Das wird heute unser Mittagessen, zusammen mit einem Milchkaffee. Und da es hier sehr nett ist, sie ein funktionierendes WIFI haben und man auch noch Abendessen kann, planen wir, später noch einmal wiederzukommen.

Da unser Ständer am Tandem seit Kurzem muckt, kriecht Viktor vor dem Duschen noch unter das Rad und guckt sich den nicht mehr richtig durchgesteckten Stift an. Das Gegenstück – falls es eine gab – müssen wir wohl verloren haben, es ist auch nicht von der „Windel“ um den Ständer aufgefangen worden. Vielleicht muss der Stift aber auch nur zurück in eine Passung gedrückt werden. Das werden wir demnächst mal mit einem Hammer probieren.

Nach langer Zeit müssen wir mal wieder unsere eigenen Handtücher benutzen, denn in diesem Hospedaje erhalten wir keine, wir können unsere aber im Anschluss an einer Wäscheleine im Hinterhof aufhängen. Nach ein weinig Ruhezeit gehen wir noch einmal los. Los Lagos geht auf der anderen Flussseite noch weiter, das wollen wir erkunden. Richtig lohnenswert ist es hier ebenfalls nicht, aber in der Cervecero de Garage (Bier-Garage) setzen wir uns auf ein Getränk (dunkles Stout oder Apfelschorle). Weil uns hier die Musik zu laut ist, gehen wir zum Essen dann wirklich zum Café von heute Mittag zurück. Auf dem Weg sehen wir einen der kräftigsten Regenbögen, die wir je gesehen haben.

Kräftiger Regenbogen in Los Lagos

Im Café beginnen wir schon vor dem Essen mit dem Blogschreiben. Die Musik ist wirklich sehr dezent, dafür ist es gerade ziemlich voll, und wegen der vielen anwesenden, teilweise laut heulenden Kinder (es gibt eine Spielecke mit Bällebad) ist es auch hier nichts mit Ruhe, nur eben anders als in der Bier-Garage. Das Essen ist ganz o.K. aber Viktors „papas fritas“ sind schon kalt und die Limo (Bier gibt es hier nicht) kommt mit großer Verspätung. Als Entschuldigung gibt es einen Alfajor geschenkt, ein typisch lateinamerikanisches Gebäck mit spanisch-maurischen Wurzeln.

Und da wir in der Hauptstraße hier im Ort ein eigenartiges Schild gesehen haben, geben wir heute nach langer Zeit wieder ein Rätsel auf:

Was gibt es hier wohl zu kaufen? Wir nehmen Ideen in den Kommentaren entgegen! Auflösung morgen.

Dienstag 21.1.25 – (168) – Los Lagos – Valdivia

Gesamt: 10.605,46 km

Das Haus ist heute Nacht stehen geblieben und wir bekommen um acht Uhr ein Frühstück serviert. Auf dem Bürgersteig bepacken wir das Tandem, gegenüber im Trebol kauft Jutta schnell die Getränke, und um kurz nach neun begeben wir uns auf die Straße nach Valdivia. Auch heute beginnt der Weg erst einmal mit einem steilen Aufstieg – die Muskeln haben keine Chance, sich vorher aufzuwärmen, und die Oberschenkel brennen schon nach weniger als 5 Kilometern.

Und wie die Betreiberin der Hospedaje schon meinte: die Straße nach Valdivia hat viele Steigungen. Sie sind bis auf ein, zwei Ausnahmen alle kurz, aber steil. Wir fahren mehr oder weniger parallel zum Rio San Pedro, und die Ufer sind ziemlich hügelig.

Landschaftlich sind es heute so wie wir es mögen: grün, grüner, am grünsten, sozusagen „Fifty shades of green“, dazu noch Schweine, Rinder, Pferde, hoch über uns kreisende Geier (Condore oder nicht können wir nicht genau sagen) und immer wieder Blicke auf den Fluss.

Nach nur 16 Kilometern in Antihue ist uns schon nach einer Pause. An einem Haus mit großen Nescafé-Bannern halten wir, und obwohl der Laden noch geschlossen ist, ist die Frau bereit, uns heißes Wasser und Nescafé-Pulver zu servieren. Im Inneren entdecken wir verschiedene handwerklich hergestellte Dinge, z.B. Lampen aus Fahrradfelgen oder Spiegel in Baumscheiben. Die macht die Wirtin alle selber und ist stolz auf ihr „Recycling“, wie sie sagt.

Wir halten an einem Mirador, von dem man aber kaum etwas sehen kann, weil alles zugewachsen ist. Da war der Blick ein paar hundert Meter vorher wesentlich besser. Jutta läuft ein wenig zurück, um überhaupt ein Bild machen zu können.

Um kurz nach ein Uhr sind wir im Zentrum von Valdivia und trinken noch eine Malteada (Milchshake mit Vanilleeiskugel), bevor wir um etwa zwei Uhr zu Carlos fahren, der uns zwei Nächte bei sich aufnehmen wird (ein ehemaliger Arbeitskollege von Juttas Schwester Barbara). Bei ihm trinken wir gemeinsam Kaffee (deshalb vorher die Malteada).

Carlos ist Schiffbau-Ingenieur und hat in der Garage eine sehr gut ausgestatette Werkstatt. Viktor und er reparieren den Ständer des Tandems, während Jutta duscht. Entscheidend für den Erfolg der Reparatur ist das „Auf-die-Seite-Legen“ des Tandems und die Entdeckung zweier versteckter Madenschrauben. Carlos sei Dank! Ab heute sind Viktors zweitliebste Ingenieure nicht mehr die Agrar-Ingenieure, sondern die Schiffbau-Ingenieure 😉
Als Viktor dann ebenfalls geduscht hat, fährt Carlos mit uns (im Auto) eine große Runde mit mehreren Halten an der Küste entlang. Wir sehen Festungen der Spanier (eine können wir besichtigen), die größte komplett auf Flüssen umschiffbare Insel Südamerikas, wir machen einen Strandspaziergang und können dabei Carlos‘ Freund Martin beim Paragliding zusehen. Ein perfekter Spätnachmittag und Abend!

Nachdem Martin wieder am Boden ist, stehen wir eine ganze Zeit zu viert beisammen und unterhalten uns – wohlgemerkt auf Deutsch – und Martin spendiert ein kühles Bier. Danke Martin!

Carlos, Martin und Viktor

Als die Sonne fast schon untergeht, fahren wir die Runde weiter bzw. über einen anderen Weg zurück. Carlos bekocht uns (mit ein wenig Schnippel-Unterstützung von Jutta) Chinesisch, denn er hat für die Reederei Döhle (in Hamburg) auch dreieinhalb Jahre in China gelebt. Es wird ein für uns langer Abend, und wir kommen erst ab 23 Uhr dazu, unserer Schreibroutine nachzukommen.

Und hier noch die Auflösung von gestern:

Die Autowaschanlage war nahe dran, aber es ist eine Tankstelle 🙂

Heute haben wir wieder ein neues Verkehrsschild gesehen und fragen wieder in die Runde, was es bedeutet:

Mittwoch 22.1.25 – Valdivia

heute mal Kanu statt Fahrrad

Um halb neun sind wir bei Carlos‘ Mutter Helga zum Frühstücken eingeladen. Es gibt neben den Chilenischen Marraquetas und Hallulla – Brötchen auch Dinkelbrot aus der Panaderia „Bäckerei“ aus der Nachbarschaft sowie Eier, deren Schale bläulich-grünlich aussieht. Gentests haben ergeben, dass die Hühner, die diese Eier legen, ursprünglich aus China kommen und offenbar schon vor den Spaniern hier in Chile lebten (Gallina Mapuche oder Gallina Araucana).

Aus dem Carport laden wir ein Zweierkayak auf den Dachgepäckträger von Carlos‘ Auto, fahren zu ihm zurück und laden ein Einzelkayak dazu, packen weiteres Zubehör in den Kofferraum und fahren zu einem Anlegesteg in der Nähe (am Grundstück einer Art Studentenverbindung).

Und dann verbringen wir gute zwei/zweieinhalb Stunden auf dem Wasser, Viktor im Einzel, Jutta zusammen mit Carlos, der sich heute das erste Mal seit seinen Rippenbrüchen Ende Dezember (beim Karate) wieder traut zu paddeln. Wir fahren einmal um die Insel Teja herum, durch den Rio Valdivia, den Rio Cau-Cau und den Rio Cruces. Ein Versuch, durch die Binsen zu fahren, klappt nicht – es ist zu wenig Wasser da. Auf dem Weg, den wir statt dessen nehmen müssen, kommt ziemlicher Gegenwind auf, aber zum Glück fahren wir mit der Strömung, was beim Vorwärtskommen hilft.

Das „Tsunami“ und das „Passat“ von Carlos sind die bislang besten Kayaks, mit denen wir je gefahren sind. Wir sitzen relativ wasserdicht mit Spritzdecken, auch wenn Viktor am Ende der Tour doch so viel Wasser auf die Spritzdecke geschaufelt hat, dass sein T-Shirt und die Hose ordentlich durchnässt sind.

Nach der Tour trinken wir bei Carlos einen Kaffee, nachdem wir das erste Kayak (Tsunami) wieder in der Garage verstaut haben. Dank jahrelanger Optimierung der Logistik geht das extrem zügig und wir haben noch den ganzen Nachmittag, um Valdivia zu erkunden.

Wir machen uns zu Fuß auf den Weg in die Altstadt, besuchen den Fischmarkt und das Foucault’sche Pendel am Pier, gehen eine kleine Brauerei besuchen (nicht Kunstmann sondern El Regreso) und zum Schluß durch die historischen Straßen von Valdivia, „Gral Lagos“ und „Yungay“, wo die ältesten Häuser Valdivias stehen, die von deutschen Einwanderern gebaut wurden.

Als wir zurückkehren hat Carlos eine kleine ergonomische Hilfe produziert, mit der wir vielleicht das Schieben unseres Tandems in den extremen Steigungen optimieren können. Der Prozess-Optimierer in Carlos hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Wir probieren es ohne Gepäck in der recht steilen Garagenauffahrt und es hat tatsächlich Potential, denn es hält das Tandem beim Schieben in gerader Fahrtrichtung, ohne kraftraubende Lenkbewegungen zu erfordern. Gleichzeitig muss Viktor seinen Arm zum Schieben nicht mehr extrem weit strecken, um den rechten Handgriff am Lenker zu erreichen, sondern kann den Fahrradsattel zur Krafteinleitung nutzen. In der nächsten schweren Steigung wird das Ganze einem Praxistest unterzogen.

Wir beschließen den Tag gemeinsam mit Carlos zunächst bei einem Abendessen im Cafe Haussmann gegenüber der deutschen Schule von Valdivia und später noch bei Carlos mit einem liebevoll zubereiteten „Piscola“ auf sphärischen Eiswürfeln (also eigentlich Eiskugeln). Wir unterhalten uns den ganzen Abend intensiv über alles mögliche, tauschen Erinnerungen und Erfahrungen aus und die Gespräche sind fast so, als würden wir uns schon seit ewigen Zeiten kennen.

Irgendwann zwischen 23 Uhr und Mitternacht müssen wir diesen genialen Tag dann aber doch beschließen und in die Federn, denn für morgem haben wir über 80 Kilometer geplant.

Schon auf dem Rückweg vom Resutaurant fing es an zu nieseln und es roch sehr schön nach Sommerregen. Als wir ins Bett gehen hören wir, dass es draußen mittlerweile stärker regnet. „In Valdivia regnet es immer“ hatte Felipe uns noch erzählt. Das stimmte zum Glück nicht für unsere Tage hier in Valdivia, aber heute Nacht dann doch.

Donnerstag 23.1.25 – (169) – Valdivia – Rio Bueno

10.691,70 km

Wir packen das Tandem in der Garage fertig und fahren dann zu acht Uhr noch einmal zu Carlos‘ Mutter Helga, die uns auch heute zum Frühstück eingeladen hat. Es gibt diesmal noch Kürbisbrot, und für uns beiden zaubert sie Glückskekse auf den Tisch (Jutta wird viel Geld gewinnen, Viktor wird gut aus Verhandlungen herauskommen 🙂 ). Außerdem bekommen wir geschälte Möhren und Sandwiches von Helga und Bananen von Carlos als Proviant mit, weil es auf der Strecke nicht viel geben wird. So nett!

Schnell vorbei ist solch nettes Frühstück nicht, und so ist es fast 10 Uhr, als wir nach dem Starten noch unsere Getränke gekauft und vergeblich in einem Western Union nach Bargeld gefragt haben (morgens haben sie noch gar kein Geld).

Wir werden auf der 206 bis Paillaco und von dort auf der RN-5 bis Rio Bueno fahren. Zu Beginn ist es recht flach, aber von ungefähr Kilometer 20 bis 29 müssen wir eine lange Steigung hoch, die auf den ersten und letzen Kilometern am steilsten ist. Mit einer Bananenpause zwischendurch schaffen wir alles fahrend, was bedeutet, dass wir heute die „Schiebehilfe“ von Carlos noch nicht ausprobieren konnten bzw. mussten.

Ziemlich am höchsten Punkt gibt es eine kleine Hütte mit Gastronomie, die „La Clavela“. Wir halten für löslichen Tüten-Cappucino und Käse-Empanada, unterhalten uns nett mit der Frau (Dina Guadalupe/Arriagada Flores steht auf dem Kassenbon?), dürfen uns in ihrem Gästebuch verewigen und einen Sticker aufkleben. Sie sagt wir sollen „Memorias“, „Recuerdos“ und „Saludos“ (Erinnerungen und Grüße) hineinschreiben und fügt scherzhalber noch hinzu „y Herencias“ (und Erbschaften), damit sie sich erinnert, wen sie später beerben will ;-). Das erinnert uns plötzlich wieder einmal daran, wem wir dieses Sabattjahr eigentlich zu verdanken haben.
Unser Dank geht hinaus an Eltern und Schwiegereltern, Großeltern, Geschwister, Cousins & Cousinen, Onkel & Tanten, Kinder & Neffen und überhaupt … an die ganze Verwandschaft & Mischpoke und unseren Freundes- und Kollegenkreis, auf deren Fundament und Unterstützung wir unsere unvergessliche Reise aufbauen konnten.

Kurz nach der Weiterfahrt winken wir uns mit einem entgegenkommenden Bikepacker zu – beide Seiten fahren weiter – es ist wohl gerade zu bergig um anzuhalten und zu schwätzen.

In Paillaco fahren wir in den Ort und landen in einem Café „Nueva Estacion“. Dort verzehren wir unsere Sandwiches und Möhren zu bestellten Milchkaffees. Als wir weiterfahren ist es schon 15 Uhr, und wir haben noch 35 Kilometer Autobahn vor uns.

Der Seitenstreifen reicht heute von ganz neu und sauber über alt und holperig bis hin zu „gar nicht vorhanden“. Die Strecke führt nämlich über viele Brücken, an denen wir nach intensiven Blicken in den Rückspiegel immer wieder gefahrvoll auf die Fahrbahn wechseln müssen. Meistens haben wir das Glück, dass uns in dieser Zeit gerade keine Lastwagen oder Busse überholen, obwohl die Straße eigentlich nicht gerade leer ist. Am nervigsten sind die unerklärlichen diagonalen Asphaltstreifen die streckenweise alle 40 bis 50 Meter den Seitenstreifen „zieren“. Einen richtigen Grund (irgendwelche Leitungen?) lässt sich nicht erkennen. Sie sind aber immer höher oder niedriger als der übrige Asphalt und wir rattern mit „Tatam-tatam!“ darüber hinweg. Irgendwann flucht Viktor: „Wer auch immer für diese Dinger verantwortlich ist, der soll in der Hölle schmoren!“

Gegen 16:45 Uhr kommen wir am Hostal Caulle an. Die Rezeptionistin sagt uns, dass einige der bei GoogleMaps angezeigten Restaurants schon seit der Pandemie nicht mehr geöffnet sind, so auch das von uns anvisierte im „Club Aleman“. Dort stehen und hängen draußen sogar noch die Schilder, aber es gibt hier wohl nicht einmal mehr den Club, geschweige denn das Restaurant.

Dafür ist die Feuerwehr hier sehr Deutsch. Alles ist auf Deutsch beschriftet, sogar „Feuerwehr Stadt Rio Bueno“ und die Wehr ist Mitglied im Deutschen Feuerwehrverband. Das ist im Süden Chiles keine Seltenheit, und auch schon in Valparaiso gibt es ja von deutschen Einwanderern aufgebaute Deutsche Feuerwehren, die auch heute noch so heißen.

Wir landen am Ende am zentralen Platz im netten Café und Restaurant Murta del Dia, das auch regionale Spezialitäten anbietet. Viktor probiert den „Chupe de Jaiba„, einen Auflauf mit dem Fleisch der Blaukrabbe, und der ist wirklich gut.

Danach geht es sofort zurück ins Hostel zum Blog-Schreiben und mal wieder deutsche Nachrichten schauen – wir haben ein Smart-TV mit Youtube-Funktion im Zimmer und wollen mal schauen, was der neue U.S.-Präsident und der Bundestags-Wahlkampf in Deutschland so für Überraschungen parat haben.

Und hier kommt noch die Auflösung zu dem Verkehrsschild von vorgestern. Es zeigt an, dass über der Straße Hochspannungsleitungen verlaufen. Meist folgt kurz danach ein Schild mit einer Höhenangabe.

Freitag 24.1.25 – (170) – Rio Bueno – Puerto Octay

10.785,10 km

Wir frühstücken mit sehr leckeren Bäckerbrötchen, Jutta geht schnell zum Unimarc gegenüber, und um kurz nach neun machen wir uns auf den Weg nach Purranque (80 Kilometer Autobahn). Osorno liegt ungefähr auf halber Strecke, hat mehrere Western Union Niederlassungen und ein „Murta del Dia“, wo es uns gestern abend so gut gefallen hat, also planen wir, dort in die Stadt zu fahren und Pause zu machen.

Die kurze Strecke bis zur RN-5 geht wieder einmal ziemlich bergauf, so dass uns gleich warm ist. Dann sind wir auf dem Seitenstreifen, über den es heute sehr wenig zu meckern gibt. Die Gegend ist bestimmt von Ackerbau und Viehzucht, es gibt nichts Ungewöhnliches zu sehen, wir radeln einfach mit dem Zwischenziel Osorno.

An einem Pronto bei der einzigen Tankstelle halten wir spontan dann doch für einen kleinen Kaffee an. Wie immer schieben wir das Tandem eine Rampe hoch, stellen es auf den Ständer und erfahren dann, dass der Markt gerade geschlossen ist, weil es kein (Trink-)Wasser gibt. Der Mitarbeiter an der Tür hat uns die ganze Zeit schon bei Rangieren unseres Tandems zugesehen und kein Wort gesagt – erst, als wir bei ihm ankommen … und wir sind bei Weitem nicht die Einzigen, die erst wenige Zentimeter vor dem Erreichen der Türe gesagt bekommen, das hier gerade geschlossen ist … Unser Glück ist es, dass unser Losfahren immer etwas länger dauert (Helme wieder aufsetzen, Trinkrucksack auf den Rücken, Fahrradhandschuhe an, Handy und Geld in die Lenkertasche, Rangieren des schweren Tandems), denn in der Zwischenzeit geht die Tür auf und eine andere Mitarbeiterin gibt bekannt, dass alles wieder funktioniert.

Während unseres kleinen Kaffees ist am Nachbartisch ein Familienvater mit einem „Wacken – Winternights“ T-Shirt von 2019. Wir sprechen ihn an! Das Festival ist wegen der Pandemie ausgefallen, aber er hat das T-Shirt halt trotzdem. Er ist Brite, lebt aber in Chile.

Vor Osorno fahren wir von der Ruta 5 ab und ein ganzes Stück vom Nordosten der Stadt in den Nordwesten und von dort ins Zentrum. An der ersten Western Union Stelle zieht Jutta eine Nummer, und als diese dann endlich an der Reihe ist, erfährt sie, dass es gerade kein Bargeld gibt. Bevor wir es weiter probieren, wollen wir uns beim „Murta del Dia“ etwas stärken. Hier in Osorno gibt es leider nur eine Mitnahmefiliale ohne Sitzplätze (und ohne Toiletten), also lassen wir das. Nachdem wir noch zwei weitere Western Union vergeblich aufgesucht haben (es wird uns geraten, dort „einfach“ so lange zu warten, bis eventuell jemand zum Geldeinzahlen kommt – das kann aber mehrere Tage dauern – na toll!) geben wir das Projekt Geld abholen für heute wieder auf.

An der Plaza de Armas landen wir eher zufällig im Café „Cassis“ (wir haben keine Lust, nochmal den ganzen Platz zu überqueren, um ins Café Central zu gehen). Die Cassis-Kette kennen wir schon aus Viña del Mar. Als wir das Tandem vor dem Fenster parken, gucken zwei Männer nach draußen und gestikulieren heftig, um anzuzeigen, dass wir das Tandem unbedingt abschließen sollen. Unser schweres ABUS-Schloss war aber eine der ersten Sachen, die der Gewichtsreduktion am Anfang unserer Tour zum Opfer gefallen und in einem Paket nach Deutschland gelandet ist. Drinnen sollen wir uns zu ihnen setzen, um das Rad im Blick zu haben, weil es ja so gefährlich ist, es einfach dort stehen zu lassen. Viktor erklärt wie so oft, dass unser Tandem in ganz Lateinamerika nicht geklaut wurde, und dass das jetzt in einem so sicheren Land wie Chile bestimmt nicht passieren wird. Wir kommen ins Gespräch und stellen schnell fest, dass wir alle vier Deutsch sprechen. Rudi und Rudi 2 (Vater und Sohn) fragen, wohin wir heute fahren und raten uns von Purranque ab. Statt dessen wäre es doch viel schöner, heute nach Puerto Octay (wie wir später per WhatsApp erfahren ist das ihr Wohnort) an den Lago Llanquihue zu fahren und morgen von dort nach Puerto Montt, statt beide Tage auf der Autobahn zu verbringen. Insgesamt wäre die Strecke sogar kürzer. Rudi 2 ruft sogar im Hotel Haase in Puerto Octay an und fragt nach einem Zimmer für uns. Wir nehmen den Ratschlag von Ortskundigen an und planen spontan um, auch wenn es jetzt noch 55 km von Osorno statt vorher 40 sind.

Da war mal wieder so eine Zufallsbegegnung, wie wir sie auf dieser Tour lieben gelernt haben, inklusive spontaner Planänderung. Nachdem sich die beiden Rudis verabschiedet haben (wir tauschen noch Telefonnummern mit Rudi 2 aus), stärken wir uns mit „Bärentatzen“ (die bei uns in Deutschland Schweineohren heißen) und fahren nach unerwartet langem Aufenthalt in dieser Stadt weiter. Um 15 Uhr haben wir die Stadtgrenze erreicht und noch 50 Kilometer vor uns – da werden wir spät ankommen.

Die U-55-V führt genauso durch Ackerbau- und Rinderzucht – Gebiete, fährt sich aber dank weniger Verkehr deutlich angenehmer, auch ohne breiten Seitenstreifen. Die meiste Zeit geht es ein wenig aufwärts, nicht steil, und wir kommen gut voran. An einem Fluss ist gerade eine größere Brücken-Baustelle, an der wir ziemlich lange warten müssen, ehe unsere Fahrtrichtung freigegeben wird – es rangieren gerade mehrere Baufahrzeuge und die Strecke ist blockiert.

Kurz danach wollen wir noch eine Pause machen – Viktor hätte gerne einen „Completo“ (also den lokalen Hot Dog). Irgendwie braucht er jetzt etwas Herzhaftes. Es kommt aber leider lange keine Gelegenheit. In einem Mini-Markt gibt es immerhin eine Empanada, die er sich nur aufwärmen, aber nicht vollständig durcherhitzen lässt. Hoffentlich ist das ausreichend und hat keine schlimmen Folgen wie damals in Trujillo…!

Bald erscheint am Horizont wieder ein schneebedeckter Vulkangipfel (Vulkan Osorno) und kommt im weiteren Verlauf immer näher. In dieser Gegend stehen auf den saftigen grünen Wiesen richtig große Rinderherden – es ist genug Gras für alle da. Die schwarz-weißen Kühe vor dem schneebedeckten Vulkan sind schon ein einmaliger Anblick. Dummerweise ist das stets griffbereite Handy für die Fotos schon leer und das Zweithandy steckt tief in der Radtasche – der Tag ist zu lang.

Um kurz vor sechs kommen wir mit unserem Hase-Tandem im Hotel Haase an. Das Hotel ist 130 Jahre alt und noch ziemlich original. Im Flur stehen Waschtische (es gibt ein richtiges Gemeinschaftsbad), aber Rudi 2 hat uns ein Zimmer mit privatem Bad reserviert. Die Decken sind wahnsinnig hoch, die Wände wahnsinnig hellhörig.

Wir gehen noch eine Minirunde an den See, bevor wir im Hotelrestaurant essen gehen. Anschließend wird nur noch geduscht und Blog geschrieben – wir sind ziemlich kaputt.

Samstag 25.1.25 – (171) – Puerto Octay – Puerto Montt

10.868,34 km

Als wir um fünf nach acht in den Frühstücksraum kommen, ist dieser noch verwaist. Also wollen wir das Tandem schon einmal packen – das geht aber auch nicht, denn alle Türen und Tore sind noch verschlossen. Um zehn nach acht kommt eine Mitarbeiterin, die bestätigt, dass das Frühstück um acht Uhr beginnt, aber sie hätten schließlich lange Wege zur Arbeit zurückzulegen („es que viajamos“) … da werden wir uns definitiv nicht mehr daran gewöhnen! Jedenfalls gibt es hier heute für jeden neben Brot und Ei auch ein Stück Johannisbeerkuchen – das ist etwas Besonderes!

Der Minimarkt in unserer Straße ist auch um fast halb zehn noch geschlossen, aber am zentralen Platz ist ein weiterer, bei dem wir unsere Getränke erhalten. Dann geht es auf eine wunderschöne Strecke mit über 900 Metern Gesamtanstieg. Gleich der Beginn ist wieder sehr steil, und es vergehen kaum einmal mehrere Kilometer ohne eine Steigung, aber es geht sehr lange am Lago Llanquihue entlang. Aus verschiedenen Perspektiven blicken wir auf den Vulkan Osorno, und im Hintergrund liegen die Anden mit weiteren schneebedeckten Bergen.

Nach guten 25 Kilometern sind wir in Frutillar, wo wir an den See nach „Bajo“ fahren. Jutta hätte eigentlich gerne Erdbeeren, weil sich der Name des Ortes nach Erdbeeren anhört (und wohl wirklich daher rührt), aber wir finden nichts mit selbigen. Da an allen Bushaltestellen große Violinschlüssel hängen und über den Ort verteilt mehrere Instrumente als „Denkmäler“ stehen, denken wir erst, dass Frutillar eventuell ein Instrument sein könnte (der Ort ist bekannt für ein Musikfestival und hat die südlichst gelegene Konzerthalle der Welt – lesen wir abends). Wir machen jedenfalls eine Pause im Café Lindemann mit Blick auf den See.

Der Strand hier ist lange nicht so überfüllt wie der in Lican Ray, obwohl auch heute Wochenende ist und der Strand und der See eigentlich viel schöner sind. Vielleicht ist es hier zu weit weg von größeren Städten?

Um halb eins fahren wir mit noch 55 Restkilometern vor der Brust weiter. An einer sehr steilen Stelle müssen wir schieben und Viktor probiert es mit der Schiebehilfe von Carlos. Das hilft am Anfang recht gut, aber wir schieben so lange, dass er eigentlich gerne umgegriffen hätte, was aber mit der Schiebehilfe sehr kompliziert ist. Halb aus Ernst, halb aus Spaß, probieren wir am Ende der Steigung, ob Jutta die Schiebehilfe zum Ziehen des Tandems benutzen könnte, denn wir kommen uns am Sattel beim Schieben gegenseitig mit den Händen in die Quere und ihrem Rücken tut die gebückte Haltung beim Schieben auch nicht gut. Das Ziehen klappt erstaunlich gut und wir werden das wohl nochmal ausprobieren, wenn es wieder einmal so steil wird.

Im Ort Llanquihue wollen wir wieder eine Pause machen. Als wir an den Ortsrand kommen, herrscht ein Verkehrs- und Parkchaos, alles ist verstopft. Grund ist ein an diesem Wochenende stattfindendes „Bierfest“ – wir sehen die mit Deutschlandflaggen geschmückten Festzelte unten am See. Kurz überlegen wir, es zu besuchen, aber es ist uns zu voll. Wir fahren lieber richtig in den Ort hinein. Dort haben die Cafés anscheinend alle geschlossen (sind ja alle beim Bierfest), nur eine kleine Pasteleria ist geöffnet, in der es sogar ein Gatorade für Viktor zum Nachkaufen gibt.

Nur ca. zehn Kilometer weiter liegt das etwas größere Puerto Varas, wo Viktor doch noch auf einen Completo (Hot Dog) hofft und wir bei einer weiteren Western Union Niederlassung unser Glück versuchen wollen. Diese ist in einem Santa Isabel Supermarkt und verfügt über ausreichend Bargeld, darf dieses aber leider nicht auszahlen, denn sie sind nur zum Versenden von Geld aber nicht für Auszahlungen autorisiert. Also müssen wir jetzt bis mindestens Montag in Puerto Montt bleiben, um mit frischem Bargeld weiter in den Süden fahren zu können. Dafür entdecken wir einen Club Aleman (Deutscher Verein), in dessen Restaurant Viktor zwar keinen Completo, dafür aber eine Currywurst essen kann.

Auf dem letzten Teilstück des Tages erwarten uns am Ende einer weiteren Steigung zwei Männer in einem Pick-up, die uns gerade zum dritten Mal heute gesehen haben und uns jetzt eine Mitnahme anbieten wollen. Die lehnen wir dankend ab (es sind nur noch 15 Kilometer), nehmen aber den Beutel Kirschen als Geschenk an. Diese haben sie gerade heute selbst geerntet und auch schon gewaschen. Vielen Dank an Marcos und Javier (dieser ist Kolumbianer)! Wir unterhalten uns noch kurz über die Schönheit Chiles und Marcos freut sich darüber, das Chile gerade dabei ist, Kolumbien auf Viktors persönlicher Rangliste auf Platz 3 zu verdrängen.

Diese 15 Kilometer ziehen sich noch ganz schön hin, lange geht es durch städtisches Gebiet, und wir kommen erst nach halb sieben im ziemlich ungünstig gelegenen Hostal an. Es gibt zwar eine Feuerwehr gegenüber und eine Schule in der Nähe, aber weder Restaurants noch Einkaufsmöglichkeiten. Es muss ja einen Grund geben, weshalb es so viel günstiger ist als all die anderen Unterkünfte in Puerto Montt. Unser Zimmer ist ganz oben, recht warm und laut (der Fernseher aus dem Nachbarzimmer an einer dünnen Holzwand). Heute sind wir müde genug, dass uns das nicht so viel ausmacht, aber morgen? Zum Abendessen gibt es im einzigen geöffneten Fastfood-Laden Completos (Hot Dogs) und eine Extraportion Pommes.

Wir begegnen heute den ganzen Tag über fünf anderen Bikepackern (drei einzelne, ein Pärchen), so viele waren es noch nie, aber wir sind inzwischen ja auch wirklich nah an der Carretera Austral. Von den vielen Menschen, die uns gestern mit Fahrrädern im Auto überholt haben, sehen wir auch einige, allerdings weniger als erwartet.

Sonntag 26.1.25 – Puerto Montt

Unsere Muskeln und Gelenke brauchen Erholung. Und wir benötigen dringend Bargeld. Also entscheiden wir uns, heute einen Ruhetag einzulegen und morgen sogar noch einen dranzuhängen, damit wir notfalls den ganzen Tag bei Western Union herumhängen können, bis sie genug Bargeld eingenommen haben, das sie uns auszahlen können (sonntags sind die nämlich alle geschlossen, heute geht da gar nichts!).

Wir schlafen also ein wenig aus und erscheinen erst kurz nach 9 Uhr zum Frühstück, das hier in unserem Hostal bis 10 Uhr angeboten wird. Schon gestern piepte alle paar Sekunden der Rauchmelder im Frühstücksraum, der gleichzeitig auch die Rezeption ist. Mit sowas Nervigem kann Viktor ja garnicht umgehen und er nimmt sich vor, heute eine Batterie für das Teil zu besorgen. Bei der niedrigen Decke im Frühstücksraum ist es keine Problem, den Rauchmelder kurz abzunehmen und den Batterietyp herauszufinden – eine 9-Volt-Blockbatterie.

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg „nach unten“ ins Stadtzentrum. Es sind zwar nur 1,8 km, aber die gehen fast nur bergab (knapp 100 Höhenmeter) und wir spüren unsere Knie und Oberschenkel ganz ordentlich. Immerhin haben wir einen ganz netten Ausblick auf die Stadt und das Meer.

Je näher wir der Uferpromenade kommen, desto lauter hören wir irgendwelche Lautsprecher-Ansagen. Unter anderem werden ständig die Fußgänger davor gewarnt, die Straße zu überqueren. Hier findet heute morgen eine Radrenn-Veranstaltung statt, die letzte Etappe der dreitägigen „Vuelta de la Juventud 2025“. Überall stehen Rollen herum, auf denen sich die jungen Sportler warmfahren.

Wir schauen uns das sportliche Treiben kurz an, gehen dann aber weiter zum Denkmal „Monumento a la Colonización Alemana“, das an die ersten Siedler aus Deutschland erinnert, die hier am 28.11.1852 an Bord der „Susanne“ eintrafen.

Aufgrund des starken und erfolgreichen Widerstandes der Mapuche war die Seen-Region nördlich von Puerto Montt lange kein offizieller Teil von Chile, selbst nach der Unabhängigkeit von Spanien 1818. Im Jahr 1845 wurde in Chile ein Gesetz zur Steuerung der Immigration erlassen und es wurde mit der Bezahlung der Überfahrt, einem Stück Land und mit Steuerfreiheit geworben. Die Immigranten sollten ganz gezielt in den Gebieten der Mapuche angesiedelt werden. Allerdings ging der Plan, nur katholische Einwanderer mittlerer und höherer Bildung anzuwerben, nicht ganz auf. Heute haben ca. 500.000 der circa 20 Millionen Chilenen deutsche Wurzeln. Welchen Einfluss sie auf die Entwicklung Chiles hatten ist umstritten, denn die in Deutschland oft kritisierten „Parallelgesellschaften“ unter Einwanderern scheint es auch bei den Deutschen in Chile gegeben zu haben. Die Deutschen Schulen, Deutschen Vereine und Deutschen Feuerwehren in dieser Region sind jedenfalls auch heute noch Zeugnis davon.

Vom Denkmal gehen wir an der Uferpromenade entlang in Richtung Hafen, denn wir wollen die Gelegenheit nutzen und uns schon einmal anschauen, wo unsere Fähre nach Puerto Natales am 8. Februar ablegen wird. Wir haben uns entschieden, von hier aus eine große Runde Richtung Süden zu fahren und dabei die Isla Chiloé und einen Teil der Carretera Austral zwischen Chaitén und Puerto Montt zu befahren. Dann nehmen wir eine Fähre von Puerto Montt bis Puerto Natales und wollen von dort die restlichen 750 Kilometer bis Ushuaia mit dem Rad fahren. Den Fähranleger finden wir heute aber gar nicht, denn es stellt sich heraus, dass der fast 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt ist. Vielleicht fahren wir morgen nochmal mit einem Taxi hin, denn das recht bekannte Fischrestaurant „Kiel“, für das wir an der Strecke schon viele Werbeschilder gesehen haben, liegt ganz in der Nähe.

An der Promenade stehen einige alte Dampflokomotiven auf Gleisen, deren Spurweite Viktor extrem groß erscheint. Zum Größenvergleich legt sich Jutta extra hinein.

Tatsächlich wurden ein Teil der Promenade und die Shopping Mall Paseo Costanera dort erbaut, wo früher der Bahnhof von Puerto Montt stand. Die Lokomotiven sind sozusagen letzte Erinnerungsstücke an dieses veraltete Massentransportmittel (gell Joachim M. 😉 ).

Als wir von unserem langen Spaziergang an der Promenade zurückkehren läuft das Radrennen immer noch. Da wir uns nicht ganz klar darüber sind, welche Route wir in den nächsten Tagen über die Isla Chiloé nehmen wollen, spricht Viktor kurzerhand am Rand der Strecke die Eltern von Rennradler-Jugendlichen an, die ein „Isla Chiloé“ Trikot tragen. Und tatsächlich erhalten wir wertvolle Ratschläge über den Zustand der Straßen (Asphalt? Schotter? Steigungen? Seitenstreifen?) und Tipps, wo sich die Küstenstraße wegen der Aussichten lohnt und wo eher nicht. Und wir tauschen Telefonnummern aus und sollen uns auf jeden Fall bei Rosana und Claudio melden, wenn wir unterwegs irgendein Problem haben. Genial!

Wir ruhen uns in der Shopping-Mall noch etwas aus und kaufen Getränke im Supermarkt (und eine 9-Volt-Blockbatterie), denn es lohnt sich nicht mehr, vor dem Abendessen ins Hostal zurückzukehren. Im Foodcourt essen wir vegane Burger und bestellen uns für den Aufstieg zurück zum Hostal tatsächlich ein Uber-Taxi, denn unsere alten Knochen wollen da einfach nicht mehr hochwandern, schon gar nicht mir drei Litern Wasser in der Einkaufstasche und bei dem gerade einsetzenden starken Regen.

Zurück im Hostal stellen wir fest, dass wir im Bad ein anderes Shampoo bereitliegen haben, als das „Head & Shoulders“ von gestern.

Dieses ist speziell für welliges (Ondas) und lockiges (Rizos) Haar. Wir streiten den Rest des Abends darüber, wessen Haar dafür wohl den Ausschlag gegeben hat. 😉

Die neue 9-Volt-Batterie hat übrigens genau NICHTS bewirkt. Das Teil piept weiter wie bekloppt vor sich hin. Auch das Durchpusten in der Hoffnung, den Sensor von Staub zu befreien, war erfolglos.

Woche 42 (13.1.25 – 19.1.25) – Bulnes – Panguipulli

Montag 13.1.25 – (160) – Bulnes – Saltos del Laja

Von Elias haben wir erfahren, dass es nicht allen Mitlesenden bewusst ist, dass sie nur einmal pro Woche eine E-Mail erhalten, wir aber täglich den Blog ergänzen. Da heute Montag ist, hier also unser Hinweis: Die vergangene Woche 41 ist jetzt komplett, es kann sich also lohnen dort nochmal nachzuschauen. Auf dieser Seite hier wird (ohne weitere E-Mail-Nachricht) der Rest der Woche täglich ergänzt.

Gesamt: 10.074,57 km

Wir stehen um sechs Uhr auf und sitzen um sieben im Sattel – wir haben nichts zum Frühstücken eingekauft, und den Ostfriesentee aus dem Weihnachtspaket wollen wir ausschließlich auch nicht trinken. Nachdem es gestern Abend einfach nicht abkühlen wollte, fahren wir jetzt langärmelig los – es ist frisch.

Jutta hat heute komischerweise lange Zeit die Titelmusik von „Nils Holgersson“ im Kopf. Ob das wohl an dem Buch liegt, das im Apartment im Nachtschrank lag:

Wir werden ausschließlich auf der RN-5 fahren, da auf den Alternativen einfach zu viele unbefestigte Wege sind. Nach einigen Kilometern packt auf der anderen Straßenseite ein Bikepacker gerade seine Sachen zusammen, er scheint am Rande der Autobahn übernachtet zu haben. Wegen der Leitplanke in der Mitte bleibt es beim Zuwinken.

Nach 17 Kilometern in San Miguel wollen wir frühstücken. Es scheint zunächst alles noch geschlossen zu sein (es ist ja auch noch vor 9 Uhr), aber die „Fuente de Soda, Don Roberto“ ist dann doch geöffnet und wir bekommen Brot mit Ei und einen Becher heiße Milch, in die wir Nescafé bzw. Carocafé (heißt hier „Ecco“, „Caro“ würde auf Spanisch auch „teuer“ bedeuten) einrühren können.

Außerdem leeren „wir“ die Packung Dominosteine, bevor sie schmelzen und die Tasche beschmieren können.

Auf der Autobahn halten wir nicht so häufig an, um Bilder zu machen, auch wenn es rechts und links oft ganz nett ist, heute fahren wir auf der „Ruta del Bosque“ die ganze Zeit durch Forstgebiete, die „Rutas del Vino“ und die „Ruta de la Fruta“ liegen nun hinter uns, auch wenn wir immer wieder verunfallte Wassermelonen (und heute auch Honigmelonen, dicke Maiskolben und grüne Paprika) auf dem Standstreifen entdecken.
Weil unser Tandem ein neues Geräusch macht halten wir irgendwo am Rand noch einmal im Windschatten eines geschlossenen Restaurants an. Es scheint aber nur ein Gurt in den Speichen gewesen zu sein, also geht es weiter … gegen den viel zu früh auffrischenden Wind.

Und eventuell ist genau dieser kurze Halt unser Glück! Wir kommen an einer frischen Unfallstelle vorbei, wo sich das Auto kopfüber jenseits des Straßengrabens befindet. Es muss mit überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen sein, und es hätte uns sicher auf dem Standstreifen mitgerissen, wenn wir gerade auf der Höhe gewesen wären. Puh! Die Insassen werden schon an einen Baum lehnend versorgt, scheinen also nicht lebensgefährlich verletzt zu sein.

Das eine Schleifgeräusch am Tandem haben wir vorhin behoben, aber gestern haben wir in der Vorderachse ein deutliche Spiel bemerkt. Dort ist ein Nabendynamo der Deutschen Firma SON aus Tübingen verbaut, völlig wartungsfrei und angeblich unverwüstlich. Aber das Lagerspiel kann man nicht nachjustieren. Nach 10.000 Kilometern dürfte so ein starkes Spiel eigentlich noch nicht auftreten. Vermutlich liegen wir mit unserem Tandem auch hier wieder an den Belastunsgrenzen „normaler“ Fahrradbauteile. Wir schicken eine Telegram-Nachricht an Dan von Pankerad (er hat seinen Fahrradladen allerdings im Dezember geschlossen) und eine E-Mail an die Firma SON. Mit dem YouTube-Video-Link (unten) hoffen wir auf Ratschläge. Wir rechnen noch mit maximal 3.000 bis 4.000 Kilometern und möchten wissen, ob wir einfach so weiterfahren können.

Als etwa 12 Kilometer vor unserem Ziel links eine Shell-Tankstelle liegt, halten wir wieder an, lassen das Tandem stehen und gehen über eine Fußgängerbrücke (die es hier sehr häufig gibt, weil es viele Bushaltestellen gibt) zum „Upita“-Laden der Shell-Tankstelle.

Fußgängerrampe zur Shell-Tankestelle (unser Tandem ganz hinten unten)

Auf der RN-5 müssen wir immer wieder über Brücken, an denen der Standstreifen fehlt und wir auf die Fahrbahn hinüberwechseln müssen. Das erinnert uns stark an den Highway 101 vor Santa Barbara, auf dem ein Radfahrer an genau so einer Stelle zu Tode kam, und zwar kurz bevor wir nach Santa Barbara fuhren. Seit Santa Barbara fahren wir mit Rückspiegel, seit unserem Unfall in Argentinien mit zweien.

Die letzten Kilometer vergehen schnell, und um viertel vor eins haben wir uns die holperige Auffahrt zur Hotelrezeption hinaufgekämpft. Wir müssen uns bis zum Einchecken um 15 Uhr beschäftigen. Hier gibt es keinen richtigen Ort, die Wasserfälle sind so ein Touristenmagnet, dass es dieses Hotel, Campingplätze und Cabañas und jede Menge Souvenierläden gibt. Wir erkunden also erst einmal ein wenig das große Areal des Hotels, gehen im Hotelrestaurant, das unten an der Straße liegt, etwas trinken und anschließend reihen wir uns in die Massenwanderung zum großen Wasserfall ein. Vom Hotel aus sehen wir die obere Kante, hier laufen wir unten ziemlich nah daran. Die Gischt sprüht und kühlt, und im Wasser unten sind viele Menschen und planschen.

Es ist kurz vor 15 Uhr und wir können langsam einchecken gehen. Auf dem Weg zu Rezeption kommt uns auf der steilen Auffahrt ein Pferdekarren entgegen. Wir wundern uns, wie der überhaupt bremsen kann … und finden heraus, dass das Pferd das alles stemmen muss, denn die Bremse des Karrens ist schon lange kaputt.

Unser Zimmer hat eine Fensterfront zum Wasserfall und viel Platz, ansonsten ist hier seit den 80-er Jahren wohl nichts gemacht worden. Noch ungeduscht gehen wir erst eine weiter Runde über das großzügige Terrain: Ein paar Arbeiter errichten gerade einen kleinen Solarpark. Der Naturpool ist voller grüner Algen und hat zur Zeit eher wenig Wasser. Am „Strand“ am Fluss kann man sich im klaren aber stark strömenden Wasser erfrischen.

Der Golfplatz ist nur durch Schilder zu erkennen, das Gras steht kniehoch bzw. liegt abgemäht auf dem Platz, an einer Stelle grasen Alpakas. Es gibt ein Rotwild-Gehege und eines mit Ziegen. Dort ist wohl heute erst ein kleines Zicklein geboren worden, es müht sich noch, aufrecht zu stehen und bei der Mutter sieht es auch noch nach Geburt aus.

Zum Abendessen geht es ins Hotelrestaurant, wo es für Viktor heute Hirsch und Rotkohl gibt, auch wenn der Hirsch doch nicht vom Gelände des Hotels stammt (wegen der Hygieneauflagen beim Schlachten).

Dienstag 14.1.25 – (161) – Saltos del Laja – Mulchén

Gesamt: 10.137,83 km

Wir stehen kurz vor Sonnenaufgang um 6:15 Uhr auf und haben aus dem Hotelzimmer einen einmaligen Blick auf den mondbeschienenen Wasserfall. Hier versagen beim Einfangen der Stimmung alle unsere Handykameras gnadenlos, der Mond war viel schärfer und schöner, aber dennoch:

Und zehn Minuten später schon ist er nicht mehr zu sehen.

Beim Frühstück verbrennt sich Viktor die Fingerkuppe im heißen Teewasser der Teetasse und als er deshalb beim Abstellen der Teetasse zusammenzuckt, bleibt er am Teebeutelfaden hängen und reißt ihn samt Anhang aus der Tasse. Der Teebeutel fliegt im hohen Bogen aus der Tasse, platscht an Viktors Oberschenkel und landet auf dem Boden – es gibt eine kleine Überschwemmung und eine noch kleinere (aber für Männer extrem schmerzhafte!) Oberschenkelverbrühung.

Um acht Uhr fahren wir los, zunächst ganz langsam den steilen Weg zur Straße hinunter (wo gestern der Pferdekarren herunterfuhr), ähnlich der Abfahrt von der Fidelito Ranch in Tambor/Costa Rica. Im „Supermarkt“, in dem man an einer Theke bestellen muss, was man haben möchte (heißt aber Supermarkt) besorgen wir noch die nötigen Getränke für heute, dann geht es wieder auf die RN-5. Heute geht es die gesamte Zeit in flachen Wellen auf und ab, rechts und links varriiert es zwischen Wald, Ackerland und auch Tierhaltung.

Die einzige Stadt auf der Strecke ist Los Angeles nach etwa halber Strecke. Wir fahren von der RN-5, die dort sozusagen eine Umgehungsstraße ist, ab und auf der Ex-5 auf einem Fahrradweg durch den östlichen Stadtrand. Auf Höhe des Zentrums gibt es sogar eine Tankstelle mit Pronto-Laden, wo wir eine Kaffeepause machen können. Insgesamt sparen wir knapp 17 km Autobahn, das lohnt sich schon.

Kurz hinter dem Rio Bio-Bio der gleichnamigen Region, in der wir gerade fahren, machen wir noch eine kurze „Hinternpause“ für Viktor – das viele Auf und Ab…- und sind um kurz nach eins am Zielort Mulchén. Da es eh noch zu früh für das Hotel ist, halten wir an einer Heladeria am zentralen Platz und essen seit langer Zeit das erste selbstbezahlte Banana-Split, das auch einmal ganz gut schmeckt 😉

Eine Passantin spricht uns an, und als wir sagen, dass wir seit San Francisco unterwegs sind, setzt sie sich erst einmal zu uns und gibt uns Tipps für Thermen, die wir unbedingt besuchen sollen (die liegen aber nicht so auf unserer Strecke), dann steht sie plötzlich wieder auf und steigt in ein (Elektro-)Auto.

Beim Hotel Mulchén sollen wir das Tandem einen sehr schmalen, ziemlich zugewachsenen Weg am Haus entlang mühevoll nach hinten schieben (nachdem die Satteltaschen abgenommen sind, damit wir überhaupt duchpassen) und sehen – dort angekommen – ein großes Tor zur Seitenstraße mit der Parkplatz-Einfahrt für die Autos. Dann können wir ja morgen früh lieber den einfacheren Weg zur Straße nehmen! Und wieder einmal kommen nicht alle unsere Endgeräte über das Hotel-Wifi ins Internet, obwohl sie sich alle mit dem Netzwerk verbinden. Das haben wir in Chile häufiger schon gehabt. Aber immernoch besser, als gar kein Internet, was es auch schon manches Mal gab.

Nach dem Duschen gehen wir nochmal an den zentralen Platz (Plaza de Armas) und trinken einen Moccaccino bzw. eine Limonade, dann geht es in den Supermarkt für die Getränkeversorgung und schließlich in die Neko-Restobar, wo Viktor Sushi bestellt, das auch wirklich gut schmeckt (mit frittierter Garnele … nicht roh … und Avocado, Reis, Champignons und Palmenherzen). Der zweite Gang sind dann Zwiebelringe mit Guacamole … na ja … eine sehr gewagte Speisenfolge … und süßliche Zwiebelringe passen auch nicht so wirklich zu Guacamole … aber die Taco-Chips waren leider gerade aus. Aber das dazu gereichte „Cuello Negro“ Stout-Bier ist wirklich gut. Jutta isst ein vegetarisches Sandwich.

Der zentrale Platz von Mulchén, die Plaza de Armas, ist an den Straßen mit richtig großen Linden (spanisch Tilo) bepflanzt. Viktor spricht zwei ältere Herren auf einer Parkbank an, und fragt, ob es unter den Linden irgendwann im Laufe des Jahres richtig klebrig wird, von den Exkrementen der Blattläuse, so wie wir das in Deutschland kennen. Dieses „Problem“ kennen die beiden gar nicht und meinen, Chile sei halt nicht so „kontaminiert“ wie Deutschland. 🙂
Tja, dann kennen die hier in Chile sicher auch nicht den würzigen Lindenhonig aus dem Honigtau, den die Honigbienen sammeln, also das, was Viktor in der Imker-AG an der Grundschule gerne „Läusekacke-Bienenkotze“ nennt, weil der gesammelte Honigtau „Läusekacke“ ist und Honig erst dadurch entsteht, dass Honigbienen den gesammelten Nektar immer wieder auswürgen und von Biene zu Biene weitergeben.

Auf dem Weg zum Abendessen sehen wir mal wieder einen ganz „normalen“ Rasenmäher (na gut … ein Verbrenner … aber immerhin). Die haben wir in anz Lateinamerika bisher nicht gesehen. Dort wurde überall mit Motorsense gemäht. Erst seitdem wir in Chile sind sehen wir wieder regelmäßig Rasenmäher, wie wir sie von zuhause kennen.

Außerdem sehen wir auf einem Haus ein kleines Windrad, das uns sofort anspricht:

P.S. Aus unerfindlichem Grund und obwohl hier absolutes Rauchverbot herrscht, riecht unser Hotelzimmer heute nach kaltem Zigarettenrauch

Mittwoch 15.1.25 – (162) – Mulchén – Victoria

Gesamt: 10.213,67 km

Nach einem mittelmäßigen Frühstück ohne Rührei (huevos revueltos) für Viktor kommen wir um acht Uhr los, heute durch das große Tor statt den engen Gang von gestern. Die Zufahrt zur RN-5 ist (aufgrund der Enge des Tals?) ganz eigenartig:

Wir überqueren heute die Grenze von der Region BioBío (Region VIII) zur Region Araucania (Region IX) in Chile. Araukania wird auch die „chilenische Schweiz“ genannt und ist nach dem bekanntesten Baum benannt, der hier wächst, die Araukarie (auch Andentanne oder Chiletanne genannt).

Trotz aller Vorbereitung werden wir heute doch etwas vom Wetter überrascht. War es bis gestern nachmittags noch richtig heiß, so ist es heute bedeckt und beim Losfahren so frisch, dass wir langärmelig losfahren. Die gesamte Strecke geht heute wellenartig auf und ab, so wie gestern schon ein Teil der Strecke, und wir müssen häufiger in den leichtesten Gang. Zum Glück haben wir heute aber schiebenden Rückenwind (bis 12 Uhr – dann wechselt er die Richtung und kommt von vorne), was die Anstiege etwas erleichtert. Unter unseren Regenjacken schwitzen wir uns in den Anstiegen allerdings klitschnass. Viktor tropft es aus den Ärmeln der Regenjacke heraus auf seine Knie. Da es aber auch zu regnen beginnt – das erste Mal seit Mittelamerika fahren wir im Regen – wollen wir die Regenjacken auch nicht ausziehen.

Wir kommen heute auf insgesamt mehr als 800 Höhenmeter, obwohl wir nur zwischen 120 und 380 Meter Meereshöhe auf und ab schwanken. Das blöde an diesen Wellen ist, dass man bergauf für 3 Kilometer schon mal 20 Minuten brauchen kann (bei 9 km/h), bergab aber für die gleichen 3 Kilometer nur 6 Minuten (bei 30 km/h) braucht. Dadurch kommen einem die Steigungen natürlich elend lang vor, während die Abfahrten immer viel zu schnell wieder vorbei sind.

Die erste Pause machen wir an einer kleinen Holzhütte, deren eine Hälfte eine richtige Küche ist, und in deren anderen Hälfte Tische und mit Flickenteppichen belegte Bänke stehen. Wir sitzen im Trockenen, trinken heißen Nescafé-Moccacino und zahlen im Anschluss, auch wenn die Betreiberin ein Schild ausgehängt hat, dass Touristen bitte erst bezahlen, dann verzehren sollen. Wir sind wohl so vertrauenswürdig wie „Camioneros“ – die LKW-Fahrer.

Nach ziemlich genau der halben Strecke halten wir noch einmal (an einem richtigen Gebäude) beim „Portal del Sur“ und machen eine ausgiebigere Pause und Viktor holt das fehlende Rührei vom Früstück nach.

Kurz danach erreichen wir Collipulli und fahren über eine lange Autobahnbrücke ohne jeglichen Seitenstreifen. So eine lange Brücke hatten wir schon lange nicht mehr, und das gehört zu den gefährlichsten Fahrsituationen, die wir so erleben. Zum Glück können wir recht flott leicht bergab fahren, und es überholen uns nur wenige Laster, die alle für uns auf die Überholspur ausweichen. Direkt hinter der Brücke bleiben wir auf dem Seitenstreifen stehen, denn wir sind soeben an einem Denkmal vorbeigefahren, das wir leider keines Blickes würdigen konnten, dem Malleco-Viadukt, der zweithöchsten Eisenbahnbrücke Chiles.

Nur zwölf Kilometer vor „Victoria“ halten wir noch ein drittes Mal, diesmal an einem Rastplatz. Es gibt nichts zu kaufen, aber zwei unterschiedliche Toiletten- und Duschhäuschen: eines nur für die „Camioneros“, das andere für die „Generales“, Frauen, Kinder und Behinderte sind aufgeführt. Wir fragen einen Lastwagenfahrer, ob es in Chile Lastwagenfahrerinnen (Camioneras) gibt, und er antwortet „Sehr viele!„. Und wo diese dann Duschen oder zur Toilette gehen? „Na, da drüben!“ – und zeigt auf das andere Gebäude. Das ist doch mal Gleichberechtigung!

Viktor hat aufgrund des heutigen Zielortes den ganzen Tag einen Ohrwurm im Kopf – „Da hat das rote Pferd sich einfach umgekehrt …“. Gruß an Viktoria H.

Pünktlich um drei kommen wir am Hotel Royal in Victoria an. Das Tandem darf in einen sehr liebevoll bepflanzten Garten, wir bekommen ein Zimmer, dass mit drei Betten recht vollgestellt ist, und das mit unseren nassen Sachen. Hoffentlich trocknet alles bis morgen früh – eine Klimaanlage zur Unterstützung braucht es hier in der Gegend offenbar nicht mehr.

Nach dem Duschen gehen wir zur nahegelegenen Plaza de Armas und im Café Momento noch einen Kaffee trinken. Viktor kann auch der Cognac-Sahne-Torte nicht widerstehen. Wir gucken uns auch schon ein Italienisches Restaurant für abends aus, gehen aber erst zurück und lesen, schreiben und rechnen ein bisschen (bzw. lassen Excel rechnen).

Das „Bon Appetit“ entpuppt sich vor Ort als richtig gut, wir haben beide unterschiedliche Canelones, die man hier mit verschiedenen Bechamelsaucen verfeinert bestellen kann, z.B. mit Nussmehl oder mit dem Mehl der Kerne der Araukarie.

Abschließend noch etwas zur Tandem-Technik und unserem Problem mit dem Lagerspiel an der Vorderachse: Wir haben sowohl von Dan (ehemals PankeRad) als auch von der Firma SON sehr gute Antworten erhalten. Es handelt sich wohl wirklich um einen beginnenden Lagerschaden, mit dem man aber gefahrlos noch ein paar tausend Kilometer weiterfahren kann. Wir müssen das natürlich im Auge behalten, aber eine frühzeitige Reparatur kommt derzeit auch logistisch kaum in Frage. Wir können und wollen nicht schon wieder irgendwo eine lange Pause einlegen und auf Ersatzteile aus Deutschland warten.

Eine kurze Recherche der im SON 28 verbauten Kugellager ist erst einmal beruhigend. Die Vorderachse mit zwei SKF-Kugellagern müsste eigentlich 400 Kilogramm (statisch) aushalten. Da liegen wir mit dem vollbepackten Tandem deutlich darunter (230 – 250 kg).

Donnerstag 16.1.25 – (163) – Victoria – Temuco

Gesamt: 10.280,04 km

Beim Packen unserer Sachen hören wir vor unserem Fenster die ganze Zeit ein Deutsches Handy erzählen, nach dem Frühstück immer noch, aber eine dazugehörige Person sehen wir nicht. Die Rezeptionistin organisiert uns einige Samen der Araukarie im Hotelgarten (ziemlich groß), damit wir sie mitnehmen und in Deutschland eventuell einpflanzen können. Zwei davon sind allerdings schon gekeimt.

Piñónes der Araukarie (rechts zwei schon gekeimte)

Als wir im nahegelegenen Supermarkt unsere Getränke gekauft haben und losfahren können, ist es etwa neun Uhr und trotzdem noch recht kalt. Wir fahren beide mit langer Hose und langen Ärmeln – erstmalig, aber eventuell ab jetzt immer bzw. häufiger. Der Weg zur RN-5 ist nicht weit, und dann hat uns der Autobahn-Seitenstreifen wieder. Auch heute ist er immer wieder ordentlich verdreckt und Reifenteile mit den bei Radreisenden berüchtigten feinen Drähten liegen darauf herum. Nicht immer ist die Slalomfahrt erfolgreich.

Die Hügel halten sich heute in Grenzen, so dass wir gut vorankommen. In dieser Gegend wächst vor allem Getreide rechts und links, wir identifizieren Hafer, aber auch Raps und Dinge, die wir nicht (er-) kennen.

Die Pause (heute nur eine, einmal abgesehen von PP) machen wir nach knapp 40 Kilometern wieder einmal in einem Pronto, der zu der Zeit (halb zwölf) gerade sehr, sehr gut besucht ist – viele Familien, die heute entweder in den Urlaub fahren oder zurückzukommen scheinen.

Die Abfahrt nach Temuco liegt noch fast 15 Kilometer vor der Stadt, die Straße ist fast so befahren wie die Autobahn, hat aber einen Radweg. Kurz hinter dem Stadtrand halten wir doch noch einmal an einer Mall, weil es noch zu früh zum Einchecken scheint, und essen ein Eis.

Nur 200 m vor dem Hotel bemerken wir einen platten Reifen hinten, können aber zum Glück noch bis zum Hotel schieben. Das Einchecken ist etwas mühselig, da beide ein Online-Formular aus Corona-Zeiten ausfüllen müssen (das dann zum Unterschreiben ausgedruckt wird). Wir erhalten später auch noch eine Bestätigungsmail, in der unter anderem angekündigt wird, dass unsere Körpertemperatur bei Ankunft im Hotel gemessen wird und unsere Füße desinfiziert werden. Die Rezeptionistin ist etwas überrascht, als Viktor später am Abend nochmal hingeht und auf einer Temperaturmessung besteht.

Direkt nach der Ankunft im Hotel wechseln wir aber als Erstes auf dem Parkplatz vor dem Hotel den Schlauch, denn aufs Flicken können wir zur Zeit verzichten, da wir sehr viele Schläuche mit uns herumfahren. Bei der Reparaturarbeit liegen zeitweise Kleinigkeiten auf der Treppe zum Hoteleingang, was sofort von der etwas gestressten Rezeptionistin bemängelt wird, aber immerhin dürfen wir auf dem Grundstück die Reparatur durchführen. Grund für den Platten ist natürlich ein feiner Draht (Filament) aus einem überfahrenen Autoreifen-Fetzen.

Nach dem Duschen gehen wir eine Runde durch das Zentrum dieser uns relativ hektisch anmutenden Stadt. Temuco ist die Hauptstadt der Region Araucanía, hat über 200.000 Einwohner*innen und wurde erst sehr spät von den spanischen „Eroberern“ (oder muss man besser „Invasoren“ oder „Besatzer“ sagen?) gegründet. Die in der Region lebenden Mapuche wehrten sich über 300 Jahre lang erfolgreich gegen die Eroberung. Temuco ist aber auch wichtiges Zentrum der Deutsch-Chilenen.
In der Touristeninformation erfahren wir, dass eigentlich schon alles geschlossen ist oder gleich schließt, nur den Parque Urbano Isla Cautín könnten wir noch besuchen, in dem es von allen Chilenischen Bäumen mindestens ein Exemplar geben soll. Das lassen wir aber, statt dessen besorgen wir erst Getränke für morgen und gehen dann schon früh Abendessen.

Gleich bei uns um die Ecke ist das „vegan bike food„, da müssen wir als Radfahrende natürlich hin. Der Eingang ist im Obergeschoss eines Wohnhauses, man muss an der Tür klingeln, um eingelassen zu werden, aber ist man erst einmal drinnen ist es wirklich sehr nett.

Es ist immer noch relativ früh, also gehen wir nach dem Essen noch zur 2021 eingeweihten „Puente Treng Treng Kay Kay„, der ersten asymmetrischen Brücke Chiles, deren Name Mapuche ist.

Auch zu unserem beginnenden Lagerschaden am Vorderrad haben wir heute nochmal weitere Nachrichten erhalten. Unter anderem wird es als „mutig“ bezeichnet, mit dem Pino-Tandem auf große Tour gegangen zu sein. Na Mahlzeit! Aber wir erhalten für die Schraubenverbindung der Spannachse vorne noch einen wichtigen Tipp, den wir beherzigen werden. Die auf der Spannschraube angegeben 10 Nm Drehmoment sind wichtiger als wir gedacht haben, denn je nach „Weichheit“ der Gabel können Biege-Wechselbelastungen das Kugellager schädigen, wenn die Schraube nicht voll angezogen ist. Später erfahren wir außerdem, dass unsere Wasserdurchfahrten (z.B. Richtung Salta) das Lager ebenfalls beschädigt haben könnten. Vielleicht ist aber auch der Unfall in Argentinien die Ursache des Lagerschadens, denn das war ja auch ein sehr starker seitlicher Schlag.

Das tatsächlich verbaute SKF-Rillenkugellager – doch etwas weniger tragfähig.

Freitag 17.1.25 – (164) – Temuco – Villarrica

Gesamt: 10.362,79 km

Vor dem inkludierten kontinentalen Frühstück bepacken wir das Tandem und können so direkt im Anschluss losfahren. Viele der anderen Gäste haben ihr Gepäck im engen Frühstücksraum dabei – sehr gemütlich!

Es ist bei Abfahrt wieder ziemlich kühl, so um die 10 Grad Celsius, und wir sind wieder langärmelig und in langen Hosen unterwegs. Zu Beginn können wir längere Zeit über einen eigenständigen Radweg quer durch die Stadt fahren, bis er durch eine Baustelle unterbrochen ist, nach der wir dann auch bald auf eine Hauptstraße ohne Radweg abbiegen müssen. In diese viel befahrene Hauptstraße mündet etwas später die um Temuco herumgeführte RN-5, wir fahren „einfach“ geradeaus und sind wieder auf der Panamericana bzw. RN-5. Um ohne Schotterstrecke nach Villaricca zu kommen, fahren wir heute bis Freire noch auf der 5, ab dort dann auf der CH-199.

Kleiner Radwegschaden auf dem ersten Streckenabschnitt

Kurz vor dem Straßenwechsel auf die CH-199 liegt an der Gegenfahrbahn in Freire die einzige Tankstelle und sicher vorhersehbare Pausenmöglichkeit. Es gibt dort heute keine Fußgängerbrücke, aber eine Ausfahrt, das scheint für uns ja fast noch besser zu sein. Als wir aber an der anderen Seite ankommen, führt die Straße nur in Richtung Norden zurück auf die Autobahn – es handelt sich nur um einen „Retorno“ (Wendemöglichkeit) und ein Ausfahrt, aber es gibt keine Zufahrt zur Tankstelle. Wir nutzen die Ausfahrt regelwidrig auf dem Standstreifen als Geisterfahrer und fahren die paar Meter zur Tankstelle auf der falschen Straßenseite zurück. Niemand hupt oder schimpft!

Nach der Pause ist der Rückweg zur Fahrbahn Richtung Süden dann ganz einfach und regelkonform, denn wir können die Ausfahrt diesmal in die richtige Richtung benutzen. Kurz darauf kommt die Abfahrt nach Villarrica – es sind aber noch 52 Kilometer Landstraße bis dorthin. Wir hatten gehofft, dass unsere Ohren ab hier ein wenig Erholung bekommen, den der Verkehr auf der RN-5 war schon nervig laut auf dem linken Ohr, aber die CH-199 ist im Prinzip genauso laut wir die Autobahn. Es gibt zwar zwischendurch mal kurze Atempausen (bzw. „Ohrenpausen“) ohne Autoverkehr, dafür ist der Gegenverkehr jetzt deutlich näher an uns dran und somit lauter, denn es gibt keinen trennenden Mittelstreifen und jede Fahrtrichtung ist noch einspurig. Zum Glück ist die Straße auf dem größten Teil neu asphaltiert und hat einen schmalen, aber sehr guten Seitenstreifen.
Wenn im Gegenverkehr wieder mal ein mutiger Autofahrer überholt, ohne uns als „echten“ Gegenverkehr anzusehen, kommt er uns bei verdammt hoher Geschwindgkeit schon gefährlich nahe und wir können auf dem schmalen Standstreifen nicht weiter nach rechts ausweichen. Einmal ist es knapp genug, dass Viktor den berühmten Finger zum Gruß hebt.

Als wir um eine Kurve fahren, haben wir ganz plötzlich und unverhofft für kurze Zeit erstmals einen atemberaubenden Blick auf den Vulcan Villarrica.

Plötzlich fahren wir darauf zu – Vulkan Villarrica

25 km vor dem Ziel wollen wir noch eine Pause machen, gerne mit dem hier überall angebotenen Käse. Und zufällig liegt gerade hier das Restaurant „Hornitos de Puquereo„, das laut Aushang am Zaun auch Käse im Angebot hat. Dummerweise haben sie zur Zeit keinen da, da der lokale Hersteller im Verzug ist. Wir bleiben trotzdem, denn immerhin steht auf der Karte neben Nescafé auch Juan Valdez Café, den wir ja aus Kolumbien kennen. Als wir dann die zwei Milchkaffee serviert bekommen, sind das zwei Becher Milch und ein Glas Instantkaffee – von Juan Valdez! Damit haben wir ja überhaupt nicht gerechnet!

Um zwanzig nach vier kommen wir am reservierten Bed & Breakfast „Omi Kika“ in Villarrica an, und wie von Jutta fast vermutet, kommt der Name von „Oma Erika“ aus dem Deutschen. Oma Erika sitzt auch auf der Terrasse und begrüßt uns in Deutscher Sprache. Auch die schon etwas älteren Söhne sprechen Deutsch, aber nicht mehr ganz so fließend. Sie sind erst hier in Villarrica zur deutschen Grundschule, danach in ein deutsches Internat in Temuco gegangen. Heute geht die Schule hier bis zum Abitur, damals musste man nach der sechsten Klasse wechseln. Wir haben aus dem Zimmer vom Balkon seitwärts Blick auf den See, geradeaus auf einen Bach.

Nach dem Duschen gehen wir erst zu einem Eisenwarenhandel (Ferreteria), um einen 21-er Maulschlüssel für die Vorderradachse zu kaufen, denn ab sofort wollen wir die Schraube so fest wie möglich anziehen, weil wir den Hinweis von SON beherzigen wollen. Viktor gibt den Hinweis auch an die Pino-Community auf Facebook weiter.

Danach gehen wir weiter durch den sehr touristischen Ort spazieren und suchen ein Restaurant mit schönem Ausblick auf den See und den Vulkan. In der Vizenta Trattoria setzen wir uns zum Abendessen und werden sofort gefragt, ob wir wegen des „Tenedor Libre“ gekommen wären: heute Abend gibt es Pizza satt für einen Festpreis und nicht á la Carte, alles andere kann aber bestellt werden. Viktor nimmt das Pizzabuffet, Jutta ein Risotto. Die Bedienungen kommen immer wieder mit Pizzen nach draußen, und wenn noch etwas übrig ist, wenn sie bei uns ankommen, kann Viktor ein Stück bekommen. Das geht immerhin schneller als das Servieren der Getränke. Unser Ober muss sich mehrfach „1000-fach entschuldigen“, wie man im Spanischen sagt (mil disculpas).

Als wir wieder im Zimmer sind, hören wir von draußen sehr laut Heavy-Metal-Musik – hier ist wohl am Freitag Abend richtig was los! Am nächsten Morgen erfahren wir von unserem Wirt, dass beim Peruaner Karaoke gesungen wurde und er irgendwann die Polizei gerufen hat.

Samstag 18.1.25 – (165) – Villarrica – Lican Ray

Gesamt: 10.440,83 km

Wir bekommen unser Frühstück mit See- und Vulkanblick um kurz nach acht serviert. Heute ist cremiger Honig dabei, der an Rapshonig erinnert, von dem wir aber später erfahren, dass es Scheinulmen-Honig (Miel de Ulmo) ist. Bis wir bei einem Supermarkt Getränke gekauft haben, ist es halb zehn, ehe wir loskommen.

Für heute haben wir uns eine landschaftliche schöne Strecke am See entlang ausgesucht. Wir sind schließlich in einer der schönsten Seen-Regionen Chiles unterwegs, der Araucania Lacustre, wie es hier auch auf vielen Hinweisschildern steht. Wir wollen nach Pucón am See Villarrica entlangfahren, dort Pause machen, umkehren und dann nach Lican Ray an den nächsten See fahren. Wir hoffen während der Fahrt auf schöne Aussichten auf den See und wenig Verkehr, da uns die Ruta 5 mit ihrem Verkehrslärm schon manchmal ein wenig gestresst hat.

Tja, und dann sind wir an einem Samstagvormittag in den Sommerferien offenbar auf einer der am Wochenende meistbefahrenen Straßen unterwegs. Und die hat einen sehr schmalen, und dazu noch extrem schlechten Seitenstreifen. Außerdem sind Reflektoren links neben der Fahrbahnbegrenzung so angebracht, dass wir entweder auf dem Begrenzungsstreifen fahren müssen (mit Absturzrisiko auf den schlechten Seitenstreifen zu dem es meist eine kleine Asphaltkante gibt) oder noch weiter auf der Fahrbahn als es ohne die Refelktoren erforderlich wäre. Das ist fürs Radfahren so ziemlich das Blödeste, denn du kannst den Seitenstreifen nicht sicher befahren, ohne in riesige Schlaglöcher zu fallen oder dir einen Platten einzufahren, die Autofahrer sind aber der Meinung, dass du genau dorthin gehörst, und lassen dich das beim Überholen mit 30 cm Seitenabstand deutlich spüren. Der eine oder andere hupt natürlich auch hinter dir. Der Großteil der chilenischen Verkehrsteilnehmer ist aber sehr geduldig und bleibt hinter uns, wenn ein sicheres Überholen mit genug Seitenabstand nicht möglich ist. Trotzdem ist das natürlich recht stressig. Wenn das wenigstens mit schönen Ausblicken belohnt würde. Aber nein, die Sicht auf den See ist eigentlich immer durch Zäune, Hecken oder (kräftig mit dem „schönen Seeblick“ beworbenen) Immobilien verdeckt. Ganz selten können wir durch eine offene Grundstücks-Pforte mal einen Blick auf den See erhaschen. Oder wir fahren an einem öffentlichen Strand vorbei und sehen dort das Wasser.

In Pucón versuchen wir vergeblich, ein Café mit Seeblick zu finden – dort sind nur Kanuverleihe o.ä., für Cafés muss man ins Ortsinnere. Das relativ neu eröffnete Café Brutal öffnet zwar erst um halb zwölf, lässt uns aber schon 15 Minuten eher setzen und bestellen. Juttas „Seeds and Nuts“ kommen mit Honig, und hier bekommen wir auf Viktors Nachfrage die Tüte mit dem lokalen Ulmenhonig gezeigt. Honig in Tüten ist für uns eher ungewöhnlich. Einen Krug Zitronen-Rosmarin-Wasser gibt es hier für jeden Gast kostenlos.

Als wir nach einer guten Stunde Pause einen Großteil der Strecke bis Villarrica zurückfahren, stehen auf der Gegenfahrbahn kilometerlang die Autos im Stau, wir waren dann doch glücklicherweise vor dem großen Ansturm in Richtung Pucón unterwegs und fahren jetzt gegen den Strom.

Bevor wir an der S-853 nach Süden abbiegen, halten wir für einen Eiskaffee noch bei Onces Alemanas (Deutsche Imbisse) – für ein Bier der angeschlossenen Igel-Brauerei ist es noch zu früh. Es liegt ein Gästebuch aus und wir verewigen uns mit unserem Aufkleber – wegen des „Alemanas“ natürlich in Deutsch.

Der Weg vom einem zum nächsten See ist sehr viel hügeliger als der vorherige Weg am See entlang, wir müssen immer rauf und runter. Immerhin ist hier etwas weniger Verkehr. Wir kommen durch ein Neubaugebiet von Villarrica, sogar auf einem Radweg. Der ist dummerweise irgendwo abrupt mit „Absturzkante“ zuende (Tagesbild). Kurz darauf geht es auf die S-95-T, die Villarrica mit Lican Ray verbindet, und auf der schon wieder deutlich mehr Autos unterwegs sind.

Ohne eine weitere Pause schaffen wir es zu zwanzig vor fünf zum Hostal Playa Grande direkt am großen Strand mit schwimmenden Bädern im See. Alle Straßenränder hier sind voll mit kreuz und quer parkenden Autos, am Strand liegen die Menschen wie Ölsardinen. Es ist so ganz anders als in Villarrica oder Pucón. Unsere Hostalbetreiberinnen erzählen uns, dass von dort (und anderswo) die Menschen hierher zum Baden kommen und meist abends wieder wegfahren.

Ziemlich voll am Strand

Wir machen nur einen kleinen Rundgang – mehr lohnt sich hier nicht – und gehen beim „Rosa Mond“ Chinesisch essen, anschließend einen Pisco Sour zur Happy Hour trinken.
Viktor hat nämlich heute mit sich selbst um einen Pisco Sour gewettet, dass wir auf den letzten 33 Kilometern ab den Onces Alemanas keine weitere Pause machen werden, wenn er keine vorschlägt (denn Jutta braucht nachmittags eigentlich gar keine Pausen). Und obwohl das Auf und Ab wieder mal von der Sorte „wir brechen jetzt Deinen Willen“ ist, also teilweise ganz knapp an die Grenze der für uns gerade noch fahrbahren Steigungen herankommt, gewinnt Viktor seine Wette, denn die Stokerin spult das Nachmittagsprogramm herunter als wäre es eine kleine Landpartie.

die Happy Hour Piscos, die Viktor mehr oder weniger alleine trinkt – am nächsten Morgen hat er einen kleinen Brummschädel
Moderne Wurlitzer mit Musikvideos vor der „Happy Hour“ Kneipe

Im Hotelzimmer ist die auf der Terrasse aufgehängte Wäsche schon trocken, dem Wind und der Sonne sei Dank. Während des schönen Sonnenuntergangs lassen wir den kalten Wind noch unser heißes Zimmer abkühlen, dann geht es ans Schreiben.

Sonntag 19.1.25 – (166) – Lican Ray – Panguipulli

Gesamt: 10.496,56 km

Wir haben die netten Hotelbetreiberinnen dazu gebracht, uns statt erst ab neun schon um halb neun das liebevolle Frühstück zu servieren. Da es die ganze Nacht bis früh morgens draußen sehr laut von den vielen Partygästen hier war (wenn die Disco um 4 Uhr schließt, geht die Disco für einige Hartgesottene halt vor unserem Hotel am Strand weiter), kann man fast verstehen, warum hier niemand früh aufstehen will, aber wir wollen ja nicht zu spät loskommen.

Die ersten fliegenden Händler bauen sich auch schon wieder auf, und wir erfahren, dass sie alle illegal dort am Strand stehen (und meistens keine Chilenen sind … und wie fast immer in ganz Lateinamerika haben die Venezuelaner angeblich die wachsende Kriminalität und die Drogen im Ort zu verantworten). Unser Hostal und Restaurant ist 1965 eines der ersten hier gewesen, und seit die Händler dort am Strand stehen, ist der Restaurantbetrieb stark eingebrochen. Kein Wunder, dass die Betreiberinnen nicht gut auf die unerwünschte Konkurremz zu sprechen sind.
Wir bekommen zum Abschied noch Honig und eine Kupfertafel mit einer nur hier in der Region wachsenden (also endemischen) Pflanze, der „Copihue“ (Chilenische Wachsglocke) geschenkt. Das ist die Nationalblume Chiles und sie symbolisiert für die indigene Bevölkerung der Mapuche Glück, Tugend, Freude, Freundschaft und Dankbarkeit. Bei unserer Abfahrt gibt es noch ein paar noch ein paar Fotos, die wir später sogar per WhatsApp erhalten.

Chilenische Nationalblume: Copihue – Chilenische Wachsglocke

Der Weg aus Lican Ray heraus sieht vor, dass wir über eine gefährliche Brücke fahren bzw. schieben – es geht also schon mal gut los.

Danach gibt es noch kurz ein wenig Schotter, aber dann sind wir auf der Hauptstraße. Wir nehmen nicht den direkten Weg nach Panguipulli, sondern wollen im Uhrzeigersinn um den Lago Calafquén herumfahren. Nach nur einigen Kilometern verlassen wir die Region Araukanien und kommen in die XIV. Region „Los Rios“.

Auf der Straße um diesen See fahren längst nicht so viele Autos, und wir sehen viel häufiger den See im Vorbeifahren oder von verschiedenen „Miradores“ (Aussichtspunkten). Teilweise sind es wirklich atemberaubende Aussichten auf schneebedeckte Gipfel mit kristallklarem See im Vordergrund.
Heute begegnen wir auch wieder vielen anderen Radfahrenden, in unserer Richtung, aber auch entgegenkommend. Die Strecke hat einige starke Steigungen zu bieten und scheint deshalb auch eine beliebte Trainigsstrecke zu sein.

Nach nur knapp 20 Kilometern sind wir im einzigen größeren Ort Coñaripe und suchen etwas zum Pausieren. Die an der Hauptstraße angezeigte Seeterrasse ist noch geschlossen, aber nebenan ist eine kleine Bäckerei mit Café, die wir auswählen (leider ohne WC – dafür müssen wir zur „Feria“ zurücklaufen und dort bezahlen, und zwar passend!). Eine in Brasilien lebende Familie unterhält sich eine ganze Weile mit uns – sie sind schon 5000 km gefahren (mit dem Auto 😉 ). Sie machen ein Foto von uns und unserem Tandem mit ihrer Tochter auf dem Stoker-Sitz. Wir geben ihnen einen unserer Sticker mit. Wenn Sie das hier also lesen, schicken Sie uns doch bitte gerne das Foto per email an panamericana@themakowskis.de, dann fügen wir es hier im Blog ein.

Kurz darauf halten wir beim „Mirador Ñisoleufu“, wo wir uns mit einer Gruppe Rennradfahrenden austauschen. Ein junge Triathletin (sie trägt ein Ironman-Shirt) meint, wir würden „hacer trampa“ (Schummeln), weil wir auch Bus gefahren sind. Viktor erklärt ihr, dass man das als Triathletin gerne so sehen darf, es uns aber in diesem Sabbatjahr vor allem um „disfrutar“ geht (Vergnügen, Spaß haben) und nicht um „sufrir“ (leiden).

Und ab hier kommt die heftigste Steigung heute, mit zum Teil über 13 %. Nur im ersten Teil müssen wir einmal schieben, den Rest schaffen wir fahrend, bevor wir dann mit einer tollen Abfahrt belohnt werden. Hier haben wir den Lago Calafquén schon verlassen, fahren noch dicht an der Laguna Pullinque entlang und danach weiter in Richtung des Lago Panguipulli. Landschaftlich ist das alles sehr schön!

Etwa 15 km vor dem Ziel halten wir an einem kleinen Stand, gleichzeitig mit zwei Radfahrerinnen aus Temuco, die heute den ganzen Lago Calafquén umrunden – von Lican Ray einmal im Gegenuhrzeigersinn. Sie haben die große Steigung noch vor sich.

Wir kommen immer näher an Panguipulli heran, aber es geht immer noch überwiegend aufwärts, und wir sehen weder Wasser noch einen Ort am Horizont. Erst einen guten Kilometer vor dem Hotel erahnen wir den Ort – wir fahren wirklich von oben in ein Tal hinein. Das Hotel ist sozusagen auf halber Strecke zwischen Ortsanfang und dem Seeufer, der ganze Ort liegt am Hang. Heute ist es bei unserer Ankunft circa 15 Uhr.

Um vier können wir einen Willkommenskaffee trinken, den wir mit einem Stück Kuchen versüßen, danach gehen wir an den See, machen einen kleinen Rundgang und landen zum Essen in einem Pasta-Restaurant.

In ganz Lateinamerika sind uns immer wieder alle möglichen Dinge (Geschäfte, aber auch andere Lokalitäten) aufgefallen, die „Eben-Ezer“ heißen, was uns bislang kein Begriff war. Weil es aber immer wieder zu sehen ist, haben wir es doch einmal nachgeguckt. „Stein der Hilfe“.

In der Araukanier-Region gibt es häufig das Gewürz „Merkén“ zu kaufen (auch in Deutschland). In Lican Ray haben wir erfahren, dass es sich um geräuchertes Chilipulver handelt, das ist ein traditionelles Gewürz der Mapuche aus dieser Region und es gibt davon verschiedene Variationen.

„Merken“: „Aji ahumado“ – geräuchertes Chilipulver

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