Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Monat: Juni 2024

Woche 13 (24.6.24 – 30.6.24) – Paquera – Tambor (Fidelito Ranch)

Montag 24.6.24 – Paquera – Tambor (Fidelito Ranch)

gesamt: 3.612,66 km

Heute haben wir nur den kurzen Weg nach Tambor zur Fidelito Ranch vor uns, wo wir eine ganze Woche bleiben werden, um ab Mittwoch zusammen mit Barbara (Juttas Schwester), Hans-Jürgen (ihr Mann), Theo und Hanno (deren Söhne, unsere Neffen) Urlaub zu machen. Trotzdem machen wir uns schon um sieben Uhr auf den Weg, um noch ein bisschen morgendliche Kühle mitzunehmen. In einer Panaderia in Paquera kaufen wir noch schnell ein kleines Frühstück und fahren dann auf der 160 – Ruta del Sol – weiter.

Es gibt auf der kurzen Strecke zwei größere Steigungen, bei der ersten müssen wir auch wieder einmal schieben. In Tambor sind wir schon um kurz vor neun. Zunächst versuchen wir, zum Barcelo-Resort durchzukommen, um es eventuell anschauen zu können und einen Kaffee zu trinken. An der Schranke weist man uns aber ab, da wir nicht für je 25 US-Dollar frühstücken möchten.

So fahren wir an anderer Stelle ans Wasser und dürfen uns im Tambor Tropical Beach Resort hinsetzen und Kaffee und O-Saft trinken. Irgendwann hören wir laute Trommeln, nicht besonders schön (das Oranienburger Hoforchester klingt deutlich besser 🙂 ), und als wir dem nachgehen, sind es Schüler und Schülerinnen der örtlichen Schule beim Sportunterricht am Strand. Einige wenige spielen Fußball, aber die meisten spielen Trommel oder auch Lyra. Könnte es sein, dass es für anstrengenderen Sport zu heiß ist? – wir wissen es nicht!

Am Strand wollen wir eine Sonnenuhr bauen, weil es jetzt gerade genau 11 Uhr ist. Langer Stock in den Sand gesteckt. Schattenspitze mit Stein markiert. Eine Stunde herumlaufen und noch etwas trinken. Um 12 Uhr wieder zu dem Stock, um die nächste Steinmarkierung zu machen. Und siehe da, irgendwie ist der kurze Schatten in die andere Richtung gewandert, als wir erwartet haben, nämlich im Gegenuhrzeigersein. Wir sind verwirrt! Hat aber alles seine Richtigkeit: wir befinden uns hier in der Nähe des 9. nördlichen Breitengrades, und deshalb wandert die Sonne gerade über den Norden, also für uns „andersherum“. Haben wir uns vorher noch nie Gedanken darüber gemacht.

Dann machen wir uns auf zur Fidelito Ranch und vertrauen dummerweise erst einmal wieder dem Garmin, statt die exakte Anfahrtsbeschreibung von Brigitte und Leon, den Betreibern, zu nutzen. So landen wir irgendwo auf der falschen Seite des Panica Flusses (abends erfahren wir, dass es eine Hängebrücke gibt, aber mit beladenem Tandem wäre das auch eher suboptimal), also drehen wir um, nehmen unten die Brücke über den Fluss und den korrekten Weg hoch. Bei SUPER-JOHANNA, einem kleinen Supermarkt auf dem Weg, kaufen wir Nudeln, Tomatensauce und Brot, um uns versorgen zu können, denn abends im Dunklen kann man mit dem Rad den Weg in den Ort nicht fahren.

Es ist ein toller Ort, um hier Urlaub zu machen, aussen ist alles Costa Rica pur, aber die Räumlichkeiten entsprechen eher europäischen Standards, das fühlt sich wirklich wie Urlaub an. Morgens ab vier beginnen die Brüllaffen ihr Frühkonzert, werden wir von Brigitte „vorgewarnt“. Die Bepflanzung ist hier so angelegt, dass wir die Affen wahrscheinlich vom Bett aus durch die riesigen Glastüren werden sehen können. Auch Aras leben hier sehr viele, die wir auch beobachten können, wenn wir auf ihre Rufe achten. Jetzt ist es erst einmal dunkel, und es sind eher Schmetterlinge, Mücken, Fledermäuse etc. unterwegs.

In unserem Haus hängt ein Foto von einem Reiter, der auf der Fidelito Ranch übernachtet hat. In dem finden wir Rad-Touristen unseren Meister, denn er hat eine ähnliche Tour wie die unsere, von Feuerland nach Alaska, auf Pferden unternommen und dafür 20 Jahre benötigt. Er hat ein Buch darüber geschrieben und hält auch Vorträge.

Günter Wamser – https://www.abenteuerreiter.de

Abends lernen wir auch noch, dass hier in Costa Rica in städtischen Regionen an den Wochentagen Autos mit bestimmten Endziffern auf dem Nummernschild (jeden Tag zwei ) nicht fahren dürfen, aus Gründen des Klimaschutzes und um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren (20% täglich). An Wochenenden und in den Ferien ist dieses Fahrverbot ausgesetzt. Die Betreiber der Fidelito Ranch dürfen z.B. montags nicht fahren. Das wäre doch auch eine gute Idee für Deutschland … statt Tempolimit … wir hören den Aufschrei schon bis hierher 😉 .

Dienstag 25.6.24 – Tambor – Cóbano – Tambor

Gesamt: 3.650,35 km

Da die Familie erst morgen hier in Tambor eintrifft, haben wir uns für heute noch eine kleine Spritztour vorgenommen. Ohne Gepäck wollen wir über die Ruta del Sol nach Cóbano und dann weiter auf der Nacional 642 bis nach Montezuma. Dort soll es einen schönen Strand und einen Wasserfall geben, den man erwandern kann.

Wir frühstücken in unserer Ferienwohnung nach langer Zeit mal wieder „europäisch“, also … na ja … Toastbrot (BIMBO, aber immerhin eine Art Vollkorn) mit dem Rest unserer Nutella und Erdbeermarmelade, die wir über viele Kilometer transportiert haben. Dazu schwarzer Tee (für Jutta mit Milch).

Unsere Vermieterin müssen wir irgendwie falsch verstanden haben, als sie uns von einer Abkürzung Richtung Cóbano erzählte. Wir stehen jedenfalls nach einigen Kilometern vor einer Flussdurchfahrt und müssen umkehren. Die Strecke nach Cóbano ist ein ständiges Auf und Ab mit sehr steilen Abschnitten (trotz Gepäcklosigkeit müssen wir einmal schieben) und irgendwie nervt es uns beide, den Captain aber sehr viel mehr als die Stokerin. Insgesamt geht es mehr bergauf als bergab. Schon bald entscheiden wir uns, dass wir bereits in Cobano umkehren werden, wo wir noch in einem Supermarkt einkaufen wollen.

Wie meist an solchen Tagen gibt es dann doch noch ein sehr positives Erlebnis. Auf der Suche nach einem anderen Café überrascht uns ein starker Regenschauer, wir stellen uns im „Restaurante Como en Casa“ unter und bestellen zwei Kaffee Latte. Die Betreiber, ein freundliches junges Paar, interessieren sich für uns und unsere Tour, nachdem Viktor eine „Torta Chilena“ bestellt und nach einer Erklärung für den Namen fragt. Der Kuchen besteht abwechselnd aus mehreren Schichten „Dulce de Leche“ und Teig und basiert auf einem chilenischen Rezept. In Chile heißt der Kuchen „Mil Capas“ oder „Mil Hojas“. „Dulce de Leche“ dürfte Euch vielleicht als „La Lechera“ (Spanien) oder „Milchmädchen“ (Deutschland) bekannt sein, eine unglaublich stark gezuckerte Kondesmilch, die beim Warmmachen fest wird. Wenn man sie richtig erhitzt karamalisiert sie sogar und wird so braun wir in den Kuchenschichten. Sollten wir es bis Chile schaffen, werden wir den Kuchen dort natürlich ebenfalls probieren müssen.

Übrigens sind Kaffee und Kuchen wirlich gut … also Hingehen in das „Como en Casa“!

Der männliche Teil des Betreiberpaares fragt Viktor noch nach „Facebook oder YouTube oder sowas“ und freut sich sehr über einen der Aufkleber mit der Adresse dieses Blogs. Er scannt den QR-Code ein, findet sofort den Google-Übersetzer-Button und fängt gleich an zu lesen. Wir sind total gerührt. Den Aufkleber klebt er sofort an seine Kasse „um Werbung zu machen“, wünscht uns eine tolle Reise, drückt immer wieder seine Hochachtung aus und ist so unglaublich freundlich und lebensfroh dabei.

Wir bleiben so lange, bis der Regen aufhört, der wieder einmal die Straße regelrecht flutet. Aber kaum hört es auf zu regnen, sind auch die Wassermassen weggeflossen. Zunächst ist es relativ kühl, das ändert sich aber minutlich. In einem Supermarkt (Cobano scheint die Einkaufsstadt für die Umgebung zu sein, da es deren gleich mehrere gibt) kaufen wir ein paar Vorräte ein und treten dann den Rückweg an, wohl wissend, dass es wieder nur auf und ab gehen wird. Allerdings ist jetzt die Gesamttendenz abwärts und wir sind fast doppelt so schnell wie auf dem Hinweg. Da wir noch nicht in die Ferienwohnung wollen, bleiben wir noch unten am Strand in Tambor in der Bar Gitanos, wo wir gestern auch schon etwas getrunken haben. Da es wieder beginnt zu regnen, bleiben wir ein wenig länger, haben wieder trommelde Gymnasiasten, anschließend eine sich wohl langweilende kleine Gruppe Jugendlicher, die irgend etwas oben aus einem Baum schlagen wollen – vorher haben sie gegenseitig die Rucksäcke hineingeworfen – vergeblich. Viktor geht hin, um zu helfen, aber es stellt sich heraus, dass sie ein Wespennest kaputtschlagen wollen, was er natürlich nicht gutheißt. Daraufhin verziehen sich die Jugendlichen, kommen aber kurze Zeit später wieder …

In einer Regenpause – es donnert eigentlich fortwährend – fahren wir zurück zur Ranch und kommen gerade noch rechtzeitig an, bevor es dann nur noch schüttet.

Beim Einkauf im Supermarkt werden wir an der Kasse gefragt, ob wir denn für die 1- Liter-Bierflasche, die wir da kaufen wollen, auch Leergut zurückgebracht haben. Etwas unsicher verneinen wir das und befürchten schon, dass man hier Pfandflaschen nur kaufen darf, wenn man auch eine leere Flasche mitgebracht hat. Die Kassiererin erklärt uns, dass wir für die Flasche dann aber Pfand bezahlen müssten. „Äh, ja … gerne!“ Irgendwie scheint das hier nicht so häufig vorzukommen. Die Kühlschränke sind übervoll mit Dosenbier und Einwegflaschen … wir fühlen uns mal wieder wie Exoten.

Pfandflasche des nationalen Pilseners … man beachte das „Pura Vida“ über dem „ORIGINAL“

Mittwoch 26.6.24 – Tambor

Wir frühstücken mit neuen Brotaufstrichen, Käse und Weintrauben. Nachdem wir uns mit reichlich Repellentien eingesprüht haben, laufen wir los nach unten ins Dorf, diesmal auf einer Abkürzung, die nicht mit dem Tandem nutzbar ist, da es über eine wackelige, schmale Hängebrücke geht, auf die wir das Tandem gar nicht hochbekommen würden. Aber wir müssen laufen, da wir ab 12 Uhr einen Mietwagen bei Budget, die eine Niederlassung in Tambor haben, reserviert haben: einen Siebensitzer, um ggfs. mit den Hannoveranern gemeinsam Touren unternehmen können.

Es ist wieder einmal so warm, dass wir uns – kaum unten angekommen – in eine Sportsbar (im Schatten) setzen und dort bei Kaffee und kalten Getränke warten, bis es 12 Uhr ist.

An der Budget-Station ist niemand, als wir dort deutlich nach 12 Uhr ankommen, und das Telefon nimmt ebenfalls niemand ab. Gut, dass wir es nicht eilig haben! Irgendwann kommt ein Auto mit zwei Mitarbeitern an, die uns erklären, dass die angezeigten Öffnungszeiten nicht stimmen, weil diese Niederlassung sowieso bald geschlossen wird. Der Hof steht voller noch nicht zugelassener Autos, unsere Reservierung finden sie im System, haben aber keinen Siebensitzer da. Sie machen uns das Angebot, dass wir heute einen Pick-Up nehmen und sie uns morgen das gebuchte Auto zu unserer Unterkunft bringen. Dann ist es halt so, heute werden wir wohl sowieso keine größere Tour zu sechst machen. Unsere DKB VISA Debit Card (gebührenfreier Auslandseinsatz) wollen sie auch zunächst nicht akzeptieren. Auf unser Drängen hin probieren sie die Karte aus und es klappt dann doch.

Als wir gerade hoch zur Ranch gefahren sind, ruft Barbara an, dass sie bald in Tambor sein werden und wir verabreden, uns am Strand zu treffen, bevor sie hier hochkommen.

Es gibt also ein großes Wiedersehen am Strand, wir verbringen dort einige Zeit, zwei Wasserratten springen ins warme Wasser, andere ernten eine Kokosnuss und probieren die Kokosmilch. Wir enden bei Getränken und Nachos mit Blick auf Strand und Meer im „Gitanos“, wo Jutta und Viktor auch gestern schon saßen.

Danach geht es zur Fidelito Ranch, zum Einziehen und Sortieren der Neuankömmlinge, bevor wir pünktlich zum Start des abendlichen Regens in das Restaurant fahren, in dem wir schon morgens im Schatten saßen und das auch für die Jungs etwas passendes auf der Speisekarte hat. Zwei Mutige sitzen während der Hinfahrt auf der Ladefläche des Pickups und werden dabei ein wenig nass, der „richtige“ Regen startet aber erst als wir schon trocken im Restaurant sitzen.

Die Rückfahrt im Dunkeln und im strömendem Regen ist nochmal spannend, denn uns scheinen auf den unbefestigten und zum großen Teil unbeleuchteten Wegen kleine bis mittelgroße Bäche entgegenzukommen. Es gibt auch keine Freiwilligen mehr für die Ladefläche, aber die Rückbank hat genug Platz für vier. In der Ranch angekommen retten wir uns erstmal unter das Wellblechdach an der Unterkunft der Hannoveraner und sitzen noch eine Weile bei Bier und Chips beieinander bis der Regen etwas nachlässt und auch Jutta und Viktor die 50 Meter zu ihrem Haus rüberstapfen können, ohne völlig durchnässt zu werden.

Donnerstag 27.6.24 – Tambor

Es schüttet die ganze Nacht und morgens erfahren wir, dass das auch für diese Gegend ein Starkregen war. Wir sollen uns also vor Erdrutschen in acht nehmen. Den Wasserfall in Montezuma, den wir heute für den Nachmittag geplant haben, sollen wir lieber nicht erwandern. Dort müssen laut unserer Vermieterin regelmäßig Touristen vom Roten Kreuz gerettet werden und nach so einem Regen ist der Wasserfall und der zugehörige Wanderweg unberechenbar.

Vormittags machen wir eine kleine Wanderung zur nahegelegenen Hängebrücke über den kleinen Panica-Fluss. Wir beobachten eine Kuh, die durch den Fluß stapft und dabei an einer Stelle ganz ordentlich abgetrieben wird. Die Wege sind sehr matschig und Jutta will an einer Stelle einen vermeintlich größeren Stein nutzen, um trockenen Fußes weiterzukommen. Dieser stellt sich dann aber leider als frischer Kuhfladen heraus 😉 . Auf dem Rückweg entdecken wir eine ziemlich lange, tote Schlange auf der Straße, die nicht plattgefahren ist, aber in zwei Teilen tot dort liegt.

Mittags fahren wir mit unserem frisch angelieferten 7-Sitzer-Allrad-Mietwagen über Cobano (hier gibt es für alle ein Eis) nach Montezuma, das sich als sehr nettes Örtchen herausstellt. Wir sind froh, dass wir nicht mit dem Tandem hingeradelt sind, denn die letzten Kilometer zwischen Cobano und Montezuma sind extrem steil. Da ist der 4-Wheel-Drive schon ganz sinnvoll. Wir finden einen kostenlosen Parkplatz und außerdem ein nahegelegenes, sehr nettes Café/Restaurant (Playa de los Artistas) mit mediterraner Küche. Eigentlich wollen wir nur etwas trinken, aber als die Bedienung sagt, dass wir den Platz räumen müssen, wenn Essensgäste kommen (und es ist gerade Mittagszeit), lassen wir uns die Karte geben und bestellen mehr oder weniger Kleinigkeiten, um auf jeden Fall diesen Platz direkt am Strand behalten zu können. Die Jungs sind sofort ans Wasser verschwunden, finden Einsiedlerkrebse, bauen Flöße und sind einfach super beschäftigt, und wir lassen es uns gutgehen.

Die Wanderung zum Wasserfall müssen wir uns sparen: nach dem vielen Regen ist es zu gefährlich.

Auf dem Spaziergang durch den Ort entdecken wir noch Brüll- und Kapuzineraffen und erfahren, dass von hier aus 1963 zwei Aktivisten die Regierung zur Einrichtung des ersten Nationalparks „ermuntert“ haben. Heute ist Costa Rica das Land mit der weltweit höchsten Nationalparkdichte.

Auf dem Rückweg halten wir am Megasuper Supermarkt in Cobano für einen Einkauf, und wie auf Bestellung beginnt es wieder zu regnen. Das haben wir heute super hinbekommen, ohne nasszuwerden!

Am Nachmittag gelingt Viktor auf der Fidelito Ranch noch eine schöne Zeitlupen-Aufnahme mit Falter und Theo:

Alter Falter und Theo

Abends gibt es Nudeln mit Tomatensoße und Salat mit Thunfisch während der Regen wieder herunterprasselt als gäbe es kein Morgen. Wir finden trotzdem irgendwann eine Regenpause (na ja, schwachen Nieselregen), in der wir die 150 Meter von der Terrasse der Hannoveraner zu unserer Unterkunft halbwegs trocken bewältigen können (… wir scherzen noch, dass wir ja mit dem SUV rüberfahren könnten). Aber so kann die Regenzeit ruhig weitergehen: Tagsüber erträgliche Temperaturen mit wenigen schwachen Schauern und abends der Starkregen, dessen erstaunliches Prasseln wir aus sicherer Position unter Wellblechdächern bestaunen können.

Freitag 28.6.24 – Tambor

Wir haben für heute einen Tag im nahegelegenen Curú Wildlife Refuge geplant und eine Bootstour zu den Tortuga Islands gebucht. Dafür müssen wir um acht Uhr losfahren, d.h. gemeinsames Frühstück um sieben Uhr. Es regnet! Nicht so stark wie gestern Abend, aber ganz ordentlich.

Natürlich kommen wir erst kurz nach acht los, und da das Reinkommen in den Park ziemlich lange dauert (mit Namens- und Berufsangabe aller Personen) müssen wir uns bei der verbleibenen Fahrt an die Küste über regenaufgeweichte Wege schon beeilen. Der Regen hat aber rechtzeitig aufgehört! Wir sind nicht richtig gut informiert und etwas überrumpelt: sofort bekommen wir Schwimmflossen, Schwimmwesten und Schnorchelzubehör, sollen unsere Badesachen anhaben und los geht es auf ein Motorboot. Ziemlich schnell springen wir fast über die Wellen. Wir halten kurz vor einem Regenbogenfelsen, der bogenförmig ist und im September/Oktober bunt blüht. Das Wasser ist gerade zu hoch, und wir können nicht durchfahren. Der nächste Halt ist mit Sicht auf die Tortuga Islands „Isla Alcatras“ und „Isla Tortuga“, die ein bisschen aussehen, wie zwei Schildkröten, die sich angucken.

Nach kurzer Weiterfahrt sehen wir schon einige Menschen im Wasser schnorcheln. Hier halten wir und bekommen eine Stunde Zeit, dies ebenfalls zu tun. Ohne allzu große Erwartungen (wir haben uns einfach nicht vorher informiert…) springen wir alle ins warme Wasser. Und boah: viele verschiedene, kleine und größere, schwarze und bunte Fische schwimmen uns vor der Brille. Es ist wunderschön – leider wissen wir nicht einen Namen und müssen diese Recherche auf anschließend verschieben (abends suchen wir im Netz eine Stunde erfolglos und geben dann auf). Nach knapp einer Stunde zieht sich der Himmel wieder zu, wir klettern alle wieder ins Boot und werden noch an einen Strand auf der Isla Tortuga gefahren, wo es Obst und Getränke für uns gibt und wir Zeit bekommen, an der Bar etwas zu trinken, zu baden, zu schlafen, spazieren zu gehen… (was immer wir wollen). Leider regnet es wieder und wir sitzen fast nur unter dem Zeltdach. Die Temperatur sinkt bei Regen deutlich, und wir sind alle noch nass vom Schnorcheln, so dass uns fast etwas kalt wird.

Um 12 Uhr geht es wieder an Bord, auf der Rückfahrt fahren wir noch an der Playa Quesera vorbei, wo bei Regen auch nichts los ist, und dann wieder zum Ausgangspunkt im Refugio. Dort ziehen wir uns wieder an, essen eine Kleinigkeit und entscheiden uns für eine zwei Kilometer Wanderung. Diese soll relativ einfach und ohne besonderes Schuhwerk machbar sein. Es ist wieder wunderschön, allerdings ist der Weg sehr, sehr nass und geht viel über Stock und Stein und durch Pfützen. Viktor kehrt irgendwann lieber um, wir anderen fünf gehen weiter, und Hanno und Theo, die eigentlich gar keine Lust gehabt haben, sind ziemlich begeistert bei der Sache. Richtig viele Tiere sehen wir bei dem Regen nicht: sehr viele Krabben verschiedener Farbe, Kapuzineräffchen, einen Leguan. Aber dennoch sind wir froh, diesen Weg trotz des Wetters gegangen zu sein. Wir sind ganz allein unterwegs, und dieser Wald ist einfach schön!

Im Regen fahren wir zurück zur Fidelito Ranch. Während wir duschen, verstärkt er sich auch wieder sehr, weshalb wir notgedrungen beschließen, „einfach“ in der Pizzeria in Tambor zu essen. Die paar Kilometer sind z.T. eher Fluss als Straße, und auch unten in Tambor ist alles mehr oder weniger überschwemmt. Im Fernsehen beim Italiener laufen fast nur Nachrichten über die zahlreichen Schäden, die diese tagelangen Starkregen hier in der Provinz schon hervorgerufen haben. Bei so einem Wetter wäre es für uns unmöglich, überhaupt auf`s Rad zu steigen, wir können nur hoffen, dass es sich bis Montag etwas beruhigt.

Henry, der Besitzer der Pizzeria, kommt an unseren Tisch und fragt, wie uns die Pizzen schmecken. Er benutzt nämlich echten Käse und hat einen Liefervertrag mit einer lokalen Käserei. Allerdings ist es kein Mozzarella und der Käse erinnert uns stark an Schweizer Käsefondue. Henry muss aber früher gehen, denn er wohnt noch hinter der Fidelito Ranch und ein Baum versperrt seinen Heimweg. Er muss mit der Kettensäge los. Später erfahren wir auch von unserer Vermieterin, dass hier die Nachbarschafts- und Selbsthilfe gut organisiert ist. Fast jedes Viertel hat eine Nachbarschafts-WhatsApp-Gruppe. Wo wir in Deutschland vielleicht die Feuerwehr rufen würden, wird hier mit der Kettensäge selbst angepackt.

Samstag, 29.6.24 – Tambor – Santa Teresa – Tambor

In der Nacht und am Morgen regnet es weiterhin und wir sind alle ein bisschen genervt. Aber schon vor dem Frühstück hört es auf, und wir sind so zuversichtlich, dass wir uns vornehmen, nach Santa Teresa zu fahren, was eine Stunde Autofahrt bedeutet. Nur noch ungeklärt ist, wo um 13 Uhr das Fussballspiel Deutschland gegen Dänemark geguckt werden kann. Auf der Ruta del Sol Richtung Santa Teresa sind wir wieder einmal froh, diesen Teil ausgespart zu haben, denn tatsächlich ist die Straßenqualität ab Cóbane teilweise sehr schlecht und mit dem Tandem wäre Berg- und Talfahrt über diese Straße gruselig geworden.

Santa Teresa gefällt uns schon beim ersten Durchfahren sehr gut. Wir suchen uns zunächst einen Zugang zum Strand und gehen ein Stück im Sand/Wasser. Hier ist das erste Mal seit längerem wieder freie Sicht auf den Pazifik, und gerade die Hannoveraner sind überwältigt von der Aussicht. Man kann an vielen Stellen sehen, dass auch hier sehr viel Wasser in Richtung Meer geflossen ist und auch noch fließt – die Tropenstürme der letzten Tage haben Spuren hinterlassen – aber heute ist es trocken und die Sonne scheint, der Regen ist fast vergessen.

Wir kehren ein in einem Café inclusive Eis (La Gaucha) mit sogar täglich frisch gebackenen Eiswaffeln, wo wir den Hannoveranern das Eis ausgeben als Gegenleistung, dass wir Bilder von ihnen mit veröffentlichen dürfen 🙂 Es gibt leider kein Beweisfoto, aber es gibt Zeugen. Auf der Toilette hängt ein Schild: „Pick up 3“ – jeder Strandbesucher soll vom Strand drei Plastikmüllteile aufsammeln und dem Recycling zuführen. Gute Idee! Bei weiterer Recherche finden wir eine Organisation in Santa Teresa, die sich der Ozeanreinigung verschrieben hat und genau diese Idee des Müllsammelns hatte, auch, um das Bewusstsein bei den Menschen zu entwickeln, nicht einfach überall den Müll zu hinterlassen. Sollte ja eigentlich selbstverständlich sein!

Die folgenden Stunden werden unterschiedlich verbracht: ein Teil von uns guckt im KOOKS (Sportsbar und Smokehouse) das Fußballspiel, die anderen bummeln, shoppen oder baden in der Zeit. Deutschland gewinnt, aber Viktor und Hans-Jürgen sind sich einig, dass der VAR (Video Assistant Referee) dieses Spiel zu sehr beeinflusst hat. Wenn die Schuhgröße eines Spielers Einfluss auf die Abseitsentscheidung hat oder ein angeschossenes Handspiel, bei dem niemand im Stadion einen Elfmeter fordert, im Nachhinein zum 1:0 führt, dann verzichten wir lieber auf den VAR. Aber egal, Deutschland gewinnt und die Stimmung ist gut.

Als wir uns eine ganze Weile nach dem Spiel alle wieder getroffen haben, beschließen wir, auch noch im Ort ein frühes Abendessen einzunehmen, denn die Auswahl ist hier etwas vielseitiger als in Tambor. Wir landen in „La Cevicheria“ und essen verschiedenste leckere Dinge, bei denen wir Erwachsenen uns die Schärfe auf einer Skala von eins bis zehn aussuchen dürfen (und wir bei den Kinderessen hinterher feststellen, dass diese ziemlich scharf sind). Auf der Rückfahrt schläft Hanno schon ein, obwohl es nicht einmal 19 Uhr ist, Theo hält gerade noch so durch. Als die Kinder im Bett sind, treffen wir vier „Großen“ uns noch einmal (bei schönstem Wetter) in der Outdoor-Küche auf einen Absacker, bewundern eine Vogelspinne und genießen den letzten Abend (den spaßeshalber angekündigten „Bunten Abend“ schenken wir uns 😉 ).

Die Wettervorhersagen für die nächsten Tage sehen, zumindest was den Regen betrifft, etwas entspannter aus, aber über dem Atlantik liegt ein Tiefdruckgebiet, das sich laut US National Hurricane Center vermutlich im Laufe der Woche über der Karibik zu einem Hurricane verstärken wird. Costa Rica liegt zwar derzeit nicht direkt im vorhergesagten Gebiet, aber Starkregen und Wind werden ganz Mittelamerika betreffen. Wir müssen also von Tag zu Tag schauen, wie die Vorhersagen aussehen. Am Sonntagnachmittag Ortszeit, als wir das hier schreiben, ist er bereits ein Hurricane der Kategorie 4.

Sonntag, 30.6.24 – Tambor

Die Nacht war trocken und auch morgens sieht alles bestens aus – ein heißer Tag ist vorhergesagt. Der Abreisetag der Hannoveraner! Wir frühstücken ein letztes Mal um sieben Uhr zusammen, um acht fährt die Familie zum Fähranleger in Paquera. Der Abschied ist ein bisschen traurig und auch komisch, weil sie noch über zwei Wochen in Costa Rica unterwegs sind, und wir auch noch eine Weile – wir sind also ziemlich nah und doch wieder getrennt.

Wir zwei bleiben bis morgen früh, müssen heute das Auto vollgetankt zurückbringen, und die nächsten Tankstellen sind in Paquera oder Cóbano. Deshalb planen wir noch eine Fahrt nach Cóbano und wollen das Tanken zumindest mit einem Kaffee in dem schon vor ein paar Tagen angestrebten Café Terassa verbinden. Als wir dort vorfahren, steht ein „Cerrado“-Schild dort und auf Nachfrage erfahren wir, dass Montag oder Dienstag wieder geöffnet sein wird. Pura vida – wenn man keine Lust hat, macht man anscheinend einfach nicht auf … . Also fahren wir sogar noch herunter zur Küste nach Montezuma, weil wir dann wenigstens in diesem schönen Örtchen noch einen Strandspaziergang und eine Kaffeepause machen können. Danach wird das Auto vollgetankt und wir fahren in Tambor auch noch einmal zum Strand. Dort laufen wir noch am Strand und später über einen Weg zum Fischerdorf von Tambor, von wo der Blick noch einmal ein ganz neuer ist. Zurück am Strand trinken wir noch „Naturales“ im Gitanos, und Viktor guckt die erste Halbzeit von Spanien gegen Georgien. Um 14 Uhr bringen wir das Auto zu Budget zurück und laufen dann wieder (den Weg über die Hängebrücke) nach oben zur Fidelito Ranch, Viktor direkt, Jutta über den Abstecher zum Minisuper Johanna, um für heute und morgen noch Getränke zu kaufen.

Am weiteren Nachmittag bringen wir sowohl unsere Dokumentationen als auch unser Gepäck auf Vordermann, hören dem lauten Vogelkonzert draussen zu (das es an den Regentagen nicht gab) und bereiten uns seelisch auf unser Weiterfahren vor. Neu am Tandem gibt es ab morgen eine Deutschlandflagge, damit wir nicht immer für Amerikaner gehalten werden, und einen „Pura Vida“-Aufkleber auf dem Rahmen, den wir gestern in Santa Teresa gekauft haben.

Rotstirn-Amazonen-Konzert auf der Fidelito Ranch

Woche 12 (17.6.24 – 23.6.24) – La Cruz – Paquera

Montag 17.6.24 – La Cruz – Liberia

Gesamt: 3.409,15 km

Da es nicht mehr notwendig ist, vor der Mittagshitze am Zielort anzukommen, es auch nicht möglich ist, dem unberechenbaren Regen auszuweichen und es außerdem auf den ganzen 60 Kilometern nicht eine Möglichkeit zum Einkehren geben wird, bleiben wir heute zum Frühstück im Hotel und fahren später los. Es gibt schwarzen Tee, Reis, Ei, Platanos und Obst. Im Supermarkt kaufen wir noch Getränke und fahren dann kurz nach acht los. Zwar in noch ziemlich nassen Sachen aber immerhin ohne Regen von oben.

Der erste vollständige Tag in Costa Rica, und die ganze Zeit auf derselben Straße. Sie ist gut asphaltiert, hat aber keinen Seitenstreifen. Glücklicherweise gibt es auch nicht viel Verkehr, so dass es sich nicht unangenehm fährt. Die Gegend hier ist sehr viel weniger besiedelt als alles andere in den letzten Wochen – Natur pur. Lange geht es durch die Nationalparks Guanacaste und Santa Rosa, auf Schildern auch als „Biodiversitäts-Tunnel“ bezeichnet. Die ebenfalls auf Schildern angekündigten Tiere zeigen sich aber nicht, wir sehen nur ein totes Gürteltier.

Wir wollten Euch ja hier die Bilder von platten Tieren ersparen, aber nun müssen wir Euch doch eines zeigen und um Mithilfe bitten. Diese platten Dinger haben wir in allen Regionen und Klimazonen gesehen, durch die wir bisher gefahren sind, U.S.A., Mexiko, Mittelamerika … sie scheinen also ein sehr großes Verbreitungsgebiet zu haben. Wer kann Hinweise geben?

Vorsicht! Dieses Bild nur anklicken wenn Ihr das auch ertragen könnt!

Der erste Regen fällt um halb zehn, aber dieser und auch weitere Schauer sind nur sehr örtlich begrenzt, ein paar Hundert Meter weiter ist alles wieder trocken. An einem Unterstand spuckt Google tatsächlich noch eine Rastmöglichkeit aus, bei ca. Kilometer 30. Dort angekommen, ist alles verschlossen – ist ja auch Winter (von April bis Oktober ist hier Winter = Regenzeit und keine Saison, haben wir gestern gelernt). Aber ein paar Meter die Straße rein ist eine „Bar“, wo wir einen frisch aufgebrühten Kaffee bekommen. Da es gerade heftiger regnet, bleiben wir eine Weile, und die Besitzerin gibt uns Tipps zu Straßen in Richtung Süden (sie bestätigt, was wir auch schon recherchiert haben, nämlich dass die Küstenstraße – Ruta del Sol – in der Regenzeit nicht passierbar ist, nicht einmal für normale Autos).

Es hört nicht auf mit dem Regen, also fahren wir irgendwann einfach weiter. Ziemlich abrupt hört der Regenwald auf, und rechts und links sind Zuckerrohrplantagen und Viehweiden zu sehen. Ganz anders, aber auch schön.

In Liberia müssen wir fast drei Kilometer durch die Stadt gurken, unser Hotel Javy liegt nicht sehr zentral. In einem Supermarkt kaufen wir uns noch das von Joachim und Ursula ausgegebene 3.000-Kilometer-Eis – vielen Dank zum wiederholten Male! Auf einem Werbeschild steht „Carne para mechar“- Fleisch zum Spicken, aber Viktor liest erst „Carne para hechar“ – Fleisch zum Wegwerfen. Das wäre dann doch irgendwie komisch, dafür zu bezahlen. Endlich sind wir am Hotel! Wir bekommen ein Zimmer unten und können das Tandem vor der Tür unterstellen. Hier haben wir das erste Mal drei Wasserhähne in der Dusche. Während Viktor die zweite Halbzeit Fußball (Frankreich – Österreich) guckt, probiert Jutta die Dusche aus: dreimal kaltes Wasser, einzeln oder kombiniert aufgedreht! Warum macht man den Gästen denn dann mit drei Hähnen die Hoffnung auf warmes Wasser? Wir bleiben trotzdem zwei Nächte hier, denn morgen wollen wir eine Faultier-Tour machen, auch, um nicht viel zu früh am Treffpunkt mit der Familie anzukommen.

Wir nutzen den Nachmittag zur weiteren Tourenplanung. Da wir die „Ruta del Sol“ nicht fahren können, werden wir einen direkteren Weg nehmen müssen, der uns sehr schnell nach Tambor bringt, wo wir uns mit Familie treffen werden. Wir planen also ein paar kürzere Tage und Ruhetage mit Ausflügen ein, damit das Ganze dann auch passt. Sollte der Regen mal zu heftig werden oder einer von uns schwächeln, haben wir auch noch etwas Puffer.

Um fünf denken wir, wir gehen schon mal Abendessen. Alle Restaurants in der Nähe des Hotels sind entweder geschlossen oder gar nicht (mehr) zu finden. Besonders die beiden nicht existenten Restaurants „Donde Chino“ (Wo Chinese?) und „Donde Mary“ (Wo Mary?) fühlen sich irgendwie nach Verarschung an.

Um zwanzig vor sechs gibt uns der Hotelrezeptionist einen Restaurant-Tipp, und wir gehen gut einen Kilometer am Stadion und Krankenhaus vorbei dorthin. Das „El Patio“ öffnet um 18 Uhr zum Abendessen, wir sind Punkt 18 Uhr dort, aber erst nachdem Viktor um zehn nach sechs klopft, öffnen sie den „Patio“, und es kommen außer uns gleich noch mehrere andere Gäste. Gut, dass alles in der Nähe des Hotels nichts war – die Speisekarte ist sehr vielfältig und das Essen super, und da der Handyakku fast leer ist und wir im Dunkeln den weiten Weg zurück finden müssen, laden sie sogar noch das Handy mit ihrem eigenen Ladegerät und -kabel.

Dienstag 18.6.24 – Liberia – Faultierwald, Biokaffee- und Schokoladentour, Wasserfall und Regenwald

Nach einem frühen Frühstück im Hotel werden wir um halb acht von unserem Tourguide Gino abgeholt.

Von Liberia sind drei Vulkane mit dem Auto gut erreichbar: der Rincón de la Vieja (aktiv), der Miravalles (heiße Quellen) und der Tenorio (inaktiv). Auf unserer gebuchten Tour werden wir letzteren besuchen, da dort richtiger Regenwald wächst.

Zuerst fahren wir aber zum Wasserfall „Catarata Llanos del Cortés“, wo es morgens noch nicht so voll ist, und bewundern einen breiteren und zwei schmalere Wasserfälle. Hier bekommen wir auch die Unterschiede zwischen Dryforest, Tropical forest und Rainforest erklärt – hier ist nämlich eigentlich noch Savanne, auch wenn es für uns schon fast nach Regenwald aussieht.

Der nächste Stopp ist eine weitere Strecke entfernt. Auf der Fahrt passieren wir den Rincón de la Vieja und den Miravalles und sehen nach oben steigende weiße Dampfwolken. Außerdem halten wir immer wieder an auf der Suche nach Tucanen, einmal gehen wir auf eine Kuhweide, wo häufig welche in den Bäumen sitzen, wir sehen aber nicht einen. Im „Spring Paradise Bijagua“ bekommen wir eine Führung durch tropischen Wald und können dort Zwei- und Dreizehenfaultiere, verschiedene Vögel (leider keinen Tucan), Frösche, Brüllaffen und eine Wimpern-Viper sehen. Gino fährt mit uns noch etwas höher in der Hoffnung auf Tucane und wirklich, wir finden mehrere in Bäumen sitzen (Gelbkehl – und Regenbogentukane) und Gino ist glücklich – fast glücklicher als wir, denn es hat ihn gewurmt, dass seine Serie fast gerissen wäre.

Blattschneide-Ameisen bei der Arbeit
Unser Guide Gino imitiert am Wasserfall manuell ein Drohnen-Video

Weiter geht es zu einer Kaffee- und Schokoladenplantagentour (Proyecto Eco-Turístico Catarata Llanos del Cortés), wo wir Arabica-Kaffeepflanzen (Ernte zweimal jährlich) und zwei unterschiedliche Kakaopflanzen (Bestäubung durch männliche (!) Mücken, die stechen nämlich nicht und ernähren sich von Nektar) vorgestellt bekommen und sowohl Kaffeebohnen als auch Kakaobohnen mahlen dürfen. Beides wird dann auch zubereitet und wir bekommen einen Kaffee mit einem Maiskeks und einen Kakao mit einem Stück Zuckerrohr zum Süßen zum Probieren.

Jutta beim „Feinmalen“ des Kaffees … den groben Teil hat Viktor übernommen

Inwischen ist es Mittagszeit, und wir fahren zu einem Restaurant, wo es Casados und Wassermelonengetränk für uns gibt. Anschließend steht noch die Fahrt zum Tenorio an, wo Gino uns noch den echten Regenwald näherbringen will. Dort sehen wir zunächst noch zwei weitere Tucans. Dann folgen Fakten zum Regenwald: es braucht 2000 bis 6000 Liter Regen pro Quadtratmeter und Jahr, neun humide Monate jährlich, ausreichend Sonne, es gibt keinen freien Platz auf dem Boden, vier verschiedene Kategorien von Pflanzen: Riesige Bäume, Epiphyten (Aufsitzerpflanzen), Unterholz/Unterwuchs und Pionierpflanzen (die nach starken Stürmen, Erdrutschen o.Ä. als erstes wieder wachsen), es gibt Pflanzen, deren ätherische Öle Repellentien für z.B. Affen sind, man sieht keine vertrockneten Blätter auf dem Boden und wahrscheinlich noch vieles mehr, aus dem Mix aus Spanisch und Englisch ist nicht alles hängengeblieben.

Rotaugen-Laubfrosch

Die mehr als einstündige Rückfahrt erzählt Gino uns von privaten Rückschlägen und bestätigt uns den weiteren Verlauf unserer Tour (nicht über die Ruta des Sol Richtung Tambor, dafür aber später an der Küste (Costanera, Nr. 34) entlang Richtung Panama, da die Nr. 1 durch die Hauptstadt San José sehr viele Steigungen hat, bis über 3.000 m Höhe erreicht und auch nicht schön sein soll.

Um vier sind wir zurück im Hotel. Viktor geht es nicht so gut (Halsweh und Nebenhöhlen) – er legt sich hin, Jutta besorgt in strömendem Regen noch Getränke und Lutschpastillen, dann wird ausgeruht und geschrieben.

Costa Rica war übrigens das erste Land weltweit, das seinen Energiebedarf 100% CO2-neutral deckt: 72% Wasserkraft, 14% Geothermie (kein Wunder bei den vielen Vulkanen) und 12% Wind. Photovoltaik spielt hier kaum eine Rolle.

Mamon / Mamon Chino am Straßenrand gekauft, eine Art Litschi

Mittwoch 19.6.24 – Liberia – Santa Cruz

Gesamt: 3.468,04 km

Beim Aufstehen sieht es draußen trocken aus, und wir nutzen sowohl Sonnen- als auch Mückenschutz. Aber schon vor dem Frühstück beginnt es, aus Kübeln zu schütten, deshalb fahren wir heute erstmalig in Regenkleidung – die Temperatur von um die 20 Grad Celsius lässt es zu.

Getränke kaufen wir bei Walmart in Liberia, das liegt gleich an der Ruta National 21, der wir heute die gesamte Strecke folgen. Auf dem Parkplatz gibt es zwei Schnellladesäulen für Elektroautos, und da lohnt es sich auch zu berichten, dass es, seit wir in Costa Rica sind, immer wieder Ladesäulen gibt und auch schon ein Tesla von uns gesichtet wurde. Das war von Mexiko bis Nicaragua überhaupt nicht der Fall, auch wenn wir in Antigua ja einmal einen Tesla gesehen haben. Viktor stellt sich wegen des Regens unter das Vordach, während Jutta einkauft, und wird von einem wichtigen Menschen dort „verjagt“, obwohl massig Platz und nichts los ist. Na ja, er bleibt einfach dort im Trockenen stehen!

Auf der 21 ist ziemlich viel Verkehr, da auf einer anderen Hauptverkehrsstraße irgendeine Brücke gesperrt ist, so dass sich der Verkehr zur Zeit auf dieser Strecke bündelt. Aber die allermeisten Autos und LKW überholen in großem Abstand oder warten ggfs. hinter uns, bis die Gegenfahrbahn frei ist.

Kurz hinter dem Internationalen Flughafen von Liberia (der einzige neben San José in Costa Rica) gibt es das Restaurant Pizzeria Europa mit einer Panaderia Aleman und Biergarten. Auch wenn wir erst 16 km gefahren sind, halten wir an, trinken einen Kaffee und kaufen ein Rosinenbrot. Im Biergarten läuft auch die Europameisterschaft, aber es ist noch zu früh – Deutschland spielt erst ab 10 Uhr hiesiger Zeit.

Dann geht es weiter bis Santa Cruz, ohne dass wir irgendwo länger halten, das Wetter ist einfach nass und es gibt auch nichts Einladendes auf der Strecke. An einer Tankstelle halten wir kurz, Viktor guckt online nach, und gerade schießt Deutschland das erste Tor gegen Ungarn. Die letzten Kilometer ziehen sich etwas und Viktor schwächelt ein wenig. Die leichte Erkältung und der eher mäßige Schlaf der vergangenen Nacht machen sich bemerkbar. Eine Extrapause fünf Kilometer vor dem Ziel am Straßenrand richtet es dann aber.

Um viertel nach 12 sind wir am Hotel El Marino in Santa Cruz. Da wir erst ab 14 Uhr ins Zimmer dürfen, gehen wir in ein nettes Café um die Ecke, wo wir zwei Eiskaffee trinken. Wieder mal hat Viktor Sprachprobleme, da er einfach nicht beantworten kann, ob wir unsere Eiskaffees gerne mit „Santili“, oder „Chantilli“ oder sowas ähnlichem haben wollen. Die Bedienung schaut völlig ungläubig, dass uns das unbekannt ist. Am Ende kriegen wir einen kleinen Probeteller … sieht aus wie Sahne und schmeckt wie Sahne … stark gesüßt. O.K., also dann „mit bitte“. Nach dem Buchstabieren und googlen stellen wir fest, dass das Wort aus Frankreich stammt: Chantilly. Die Zeit im Kaffee nutzen wir für eine Bewertung unserer gestrigen Tour mit Gino.

Anschließend kauft Viktor sich in einer Apotheke noch etwas gegen seine Nebenhöhlenprobleme. Es gibt hier in Apotheken generell keine pflanzlichen Medikamente (doch, die Apothekerin findet noch einen Saft mit Efeu, aber Husten hat Viktor kaum), und jetzt hat er einen Blister (hier kauft man wohl nie Packungen, sondern einzelne Blister ohne Beipackzettel … und somit auch ohne Dosieranleitung) mit einem Wirkstoffcocktail aus fünf Wirkstoffen, von denen einer auch zur Behandlung von Parkinson eingesetzt wird.

Am Nachmittag machen wir noch einen kleinen Stadtrundgang, kaufen schon mal die Getränke für morgen, denn wir haben einen Kühlschrank im Zimmer, in dem wir sie kaltstellen können, und gehen um die Ecke im Restaurante Terraza essen, wo wir die Riesenportionen nicht schaffen.

In den Straßen hängt eine Art Weinachtsbeleuchtung, in der es um die „Anexion“ einer „Partei“ zu gehen scheint. Tatsächlich geht es um den Anschluss des Gebietes Nicoya an die Provinz Guanacaste, und somit an Costa Rica per Volksabstimmung am 25. Juli 1824. Da steht wohl eine 200-Jahr-Feier an.

Donnerstag 20.6.24 – Santa Cruz – Jicaral

Gesamt: 3.540,07 km

Wieder fahren wir im Regen los und heute regnet es auch kontinuierlich durch, mal stärker, mal schwächer, aber es hört nie ganz auf.

Es geht auch kontinuierlich hoch und runter, ganz subtil, aber auf Dauer ziemlich ermüdent. In Nicoya, nach gut 22 Kilometern die einzige Stadt auf der Strecke, wollen wir pausieren und uns ein bisschen trocknen. Im Mc Café ist die Kaffee-/Teemaschine defekt, das richtige Café gegenüber hat geschlossen, dann kaufen wir uns zwei Milchkaffee bei Burger King und setzen uns draußen bei Mc Donalds hin. Im Endeffekt wirft Jutta ihren Kaffee weg, weil er ungenießbar ist, aber wir sitzen wenigstens eine Weile im Trockenen.

Die Temperaturen sind heute trotz oder auch aufgrund des Dauerregens angenehm.

Anhalten und Fotos machen ist bei dem Wetter blöd. Deshalb gibt es weniger Fotos. Aber die Landschaft hier ist toll! Grüne Hügel in Nebelschwaden. Stellt Euch einfach „Gorillas im Nebel“ ohne Gorillas vor.

Irgendwo kommen wir an ein Stauende: es gab einen Erdrutsch, und unsere Straßenseite ist gesperrt. Ordner lassen immer nur ein paar Fahrzeuge aus jeder Richtung abwechselnd durch. Wir müssen vorne eine Weile warten und werden von einem der Ordner tatsächlich gefragt, ob wir eine Zigarette für ihn haben. Auf dem ersten Stück nach dieser Sperrung kamen von hinten phasenweise Autokolonnen oder kein Verkehr, das war mal ganz schön.

Die Sicht ist heute so schlecht, dass wir mit der rechten Radtasche einmal einen Baumstumpf mitnehmen, weil der Captain ihn übersehen hat. Etwa 15 Kilometer vor dem Ziel kommt nochmal ein kleiner Ort, San Pablo, und da es inzwischen 12 Uhr ist, und wir ziemlich aufgeweicht sind, wollen wir dort noch einmal pausieren. Laut Google gibt es eine Tankstelle und/oder eine Tienda de Café. Beides sieht nicht passend aus, aber am Straßenrand ist Werbung für ein Restaurant mit Cafeteria, nur 267m von der Straße entfernt. Es ist dann doch weiter (die 267m sind Luftlinie …), und als wir dort ankommen, ist das Tor verschlossen. Wir werden gesehen und darauf aufmerksam gemacht, dass sie um 13 Uhr öffnen. Na toll! Viktor macht ein Foto, um abends bei Facebook etwas zu schreiben (auf den Schildern an der Straße sollte die Öffnungszeit stehen), da kommt jemand ans Tor und sagt, es würde 15/20 Minuten dauern, aber wir könnten reinkommen. Es ist eine richtig schöne Oase, sie öffnen früher für uns, und sie haben eine richtig große Karte. Wir bestellen dann „nur“ zwei Milchkaffee, ein Stück Käsekuchen mit „Kürbishonig“ und ein Möhren-Ananas-Brot und dürfen trotzdem vorher Ceviche probieren. Alles ist wirklich lecker!

Auf dem letzten Stück ist die Straßenqualität plötzlich schlechter, da wird das Fahren noch mühseliger, aber um kurz nach 14 Uhr kommen wir am Ziel an, sagt Komoot. Das Ferienhaus, das wir gebucht haben, ist auch zu sehen, allerdings senkrecht nach oben. Die Auffahrt ist ein bisschen weiter, Jutta geht erst einmal hoch, checken, da kommen erst vier bellende Hunde und dann Hans (ein Deutscher), der bestätigt, dass wir richtig sind. Also schieben wir das Tandem die steile Auffahrt hoch und haben dann ein Ferienhaus, von dessen Balkon die Sicht wunderschön ist (bei schönem Wetter, aber auch heute kann man es erahnen). Und es gibt einen Wasserkocher in der Küche! Jutta geht im Ort Getränke und Milch kaufen (morgen früh gibt es den Rest Oatmeal von Trader Joes aus den USA) und dann wird erst einmal ein Liter schwarzer Tee gekocht!

Zum Abendessen suchen wir uns das Restaurant El Mirador aus, das eineinhalb Kilometer weg ist. Als wir den steilen Aufstieg hochgehen, denken wir noch, dass wahrscheinlich seit Jahren niemand zu Fuß dort hochgegangen ist, da beginnt es zu regnen (dabei hat Hans uns erzählt, dass es hier in Jicaral fast nie regnet – die letzten drei Tage war es wohl auch trocken). Wir rennen die letzten Meter, und als wir oben sind, schüttet es unglaublich stark. Während wir auf unser Essen warten, werden wir von winzigen Insekten umschwärmt und gestochen: Purrujas, wie wir von der Bedienung erfahren. Innerhalb von Minuten sind wir ziemlich zerstochen. DEET hilft nicht gegen diese Insekten, die bei Regen rauskommen. Die Pasta sind gut, aber hinterher wollen wir nicht durch den Regen zur Wohnung zurück. Als wir nach einem Taxi fragen, telefoniert die Bedienung, kurz darauf kommt ein Auto den Berg hoch, und der Fahrer bring uns zurück. Als wir zahlen wollen, winkt er ab – er ist der Besitzer vom Restaurant, und das macht er einfach so – erinnert ein wenig an das „Viktor-Taxi“, dass Jutta schon oft aus der Apotheke angerufen hat…

Ein bisschen Regen…

Freitag 21.6.24 – Jicaral – Paquera

Gesamt: 3.583,01 km

Der Regen hat in der Nacht aufgehört – es scheint die Sonne, und wir können auf dem Balkon unseres Ferienhauses frühstücken, während wir allerlei Getier beobachten: Echsen, Hunde, Rinder, Vögel und besonders viele Schmetterlinge. Ist schon schön hier!

Heute fahren wir endlich mal wieder bei Sonnenschein los. Die heutige Strecke ist kurz, soll aber ziemlich heftige Steigungen haben. Bei 25 – 30 Grad Celsius und 77% Luftfeuchtigkeit wünschen wir uns dann auf der zweiten Hälfte doch fast den Regen von gestern zurück.

In La Naranja bei Kilometer 20 halten wir nochmal an einer Tanke, bevor wir dort auf die Ruta del Sol (hier beginnt sie und ist auch mit dem Rad befahrbar, im weiteren Verlauf wird sie dann ja zu schlecht, weswegen wir unsere Route ja umplanen mussten) mit den vielen Steigungen wechseln.

Die Strecke bietet bis zu 15% Steigung. Wir schaffen es zu zweit mit vereinten Kräften fast nicht mehr, das Tandem hochzuschieben. Bei Sonnenschein sind wir nach wenigen Metern so kaputt, dass wir eine Pause einlegen müssen, denn sobald einer von beiden schwächelt geht gar nichts mehr. Das bedeutet auf einem Teilstück: 250 Meter schieben – Pause – 250 Meter schieben – Pause …. usw.
Die nächste Stufe wäre wohl: Gepäck abnehmen und einzeln hochtragen. Dann das leichtere Tandem hochschieben. Ab 16% wäre das derzeit die einzige Chance. Heute schaffen wir aber auch erstmalig eine 9%-Steigung mit einem kurzen 10%-Zwischenstück fahrend.

Wir brauchen fast drei Stunden für etwas mehr als zehn Kilometer. Glücklicherweise kommt da noch ein Ort (Rio Grande) mit einem Restaurant (Eli), wo wir uns im Schatten unter einem Ventilator ausruhen, etwas trinken und uns einen Fruchtsalat teilen. Die Bedienung bringt uns unaufgefordert noch eine Flasche kaltes Wasser mit zwei Gläsern, das bekommen die anderen Gäste nicht – wir sehen wahrscheinlich etwas fertig aus.

Auch auf den letzten zehn Kilometern kommen noch kürzere Steigungen, und wir beschließen, in Paquera nicht gleich im Supermarkt Lebensmittel für die nächsten Tage zu kaufen, sondern erst zu unserer gebuchten Ferienwohnung zu fahren. Die angegebene Anschrift ist noch ein ganzes Stück Schotterweg vor den Cabinas Alemar. Und dort angekommen entpuppt sich die Ferienwohnung als Hotel-/Motelzimmer. Gut, dass wir keine Lebensmittel eingekauft haben! Aber blöd, dass wir hier drei Nächte bleiben (und noch überlegt haben, noch eine vierte Nacht ranzuhängen), weil wir nur noch gut 20 Kilometer bis zur Fidelito Ranch fahren müssen, wo wir uns mit Juttas Schwester mit Familie treffen. Wir sind vielleicht doch ein wenig zu viel Bus gefahren … jetzt sind wir tatsächlich ein paar Tage zu früh dran. Hier in Paquera kann man aber Aktivitäten am Meer machen, und unsere Wäsche scheinen wir morgen hier um die Ecke auch einmal wieder in einer Maschine waschen lassen zu können.

Im Zimmer hängen wir wie immer unsere Wäscheleine auf – von der Gardinenstange zur Garderobenstange – um die noch von gestern feuchten Sachen zu trocknen. Nur leider reisst es beim x-ten Kleidungsstück die Halterung der Gardinenstange aus der Wand. Ein Stück Holz bricht richtig ab. Viktor nutzt einen Kabelbinder, um zu verhindern, dass die Gardine mit Stange nachts auf unser Bett fällt, das direkt vor dem Fenster steht. Muss ja nur solange halten, bis wir weiterfahren…

Zum Abendessen gehen wir in ein Restaurant mit Bar um die Ecke. Dort wird gerade alles aufgebaut für den Karaokeabend heute. Mal gucken, was wir dann nachher lauter hören: die Musik von dort oder die Fernseher/Menschen aus den Nachbarzimmern, es ist nämlich sehr, sehr hellhörig hier.

Samstag 22.6.24 – Paquera – Ruhetag, Fahrradwartung, Kajaktour im Sonnenuntergang

Wir nutzen den Ruhetag für eine Reinigung, Inspektion und Wartung des Tandems. Unter anderem haben sich seitlich am Stoker-Sitz kleine Schrauben gelöst, eine ist komplett verloren gegangen. Viktor findet halbwegs passenden Ersatz im mitgeführten Schraubenbeutel, auch wenn keine exakt passende M3-Senkkopf-Innensechskantschraube dabei ist.

Außerdem gilt es, die Ketten und Umlenkrollen zu prüfen, zu reinigen und zu ölen. Auch der Freilauf erhält nochmal eine ordentliche Portion Lithiumfett per Sprühdose mit Insulinspritzen-Aufsatz.

Außerdem nutzen wir den Tag, unsere gesamte Kleidung das erste Mal seit Tapachula (noch in Mexiko) mit einer Maschine waschen zu lassen. In einem Hostel in der Nähe soll es einen Wäscheservice geben. Google schlägt einen direkten Weg von vier Minuten zu Fuß vor, den es zwar nicht gibt, aber auch der Weg „außenrum“ ist nicht so weit. Die Besitzerin kommt aus Venlo und spricht Deutsch. Um halb zehn sind wir bei ihr, um dreizehn Uhr können wir die Wäsche wieder abholen.

Für die abendliche Kajaktour müssen wir an einen Treffpunkt, der noch zwei Kilometer hinter dem Fähranleger von Paquera liegt, und der ist etwa sechs Kilometer vom Ort entfernt. Wir wollen entscheiden, ob wir mit dem Rad fahren (und zurück dann im Dunkeln) oder hinlaufen (und zurück mit einem Taxi), also machen wir uns mittags mit dem Rad auf den Weg, um es auszukundschaften. Tja, und wer rechnet denn damit, dass der Weg zum Fähranleger über mehrere Hügel geht? Wir jedenfalls nicht! Aber immerhin wissen wir jetzt, dass wir ohne Gepäck auch eine 12-%ige Steigung hochfahren können!

Am Anleger angekommen ist uns klar, dass wir für den Hin- und Rückweg ein Taxi nehmen wollen, und das schon, bevor wir den noch steileren Anstieg auf losem Untergrund zur sehr abgelegenen Bahia Rica sehen, wo die Tour losgeht. Wir bitten also im Hotel, uns ein Taxi für 16:15 Uhr zu bestellen, und es wird der Neffe des Kochs, der uns dann privat fährt und um 19:30 Uhr auch wieder abholt. Das letzte Stück der Strecke ist mit einem normalen Auto nur mit großer Vorsicht zu schaffen, bei Regen wäre es unserem Fahrer zu gefährlich. Mit dem Tandem wäre die Strecke schlicht nicht machbar.

Die Kajaktour ist dafür ein absolutes Highlight. Wir paddeln vor einem Regenbogen, erleben einen tollen Sonnenuntergang, sehen Rochen und springende Fische, fischende Fledermäuse und haben auch noch das Glück, sehr starke Bioluminiszenz (Meeresleuchten) zu erleben, die bei jedem unserer Paddelschläge leuchtende Streifen ins Wasser malt. Gegen Ende sehen wir in der Ferne Blitze eines aufziehenden Gewitters, die sich im Wasser spiegeln. Traumhaft! Mit einem guten Guide ist so eine nächtliche Kajaktour wirklich ein tolles (und sicheres) Erlebnis. (Die anderen neun Teilnehmenden aus Skandinavien haben einen anderen Guide, der die Einführung für uns alle macht und ziemlich schwer verständliches Englisch spricht – wir haben also wirklich Glück mit José). Insgesamt paddeln wir in 2,5 Stunden ca. 7 km, ohne dass es besonders anstrengend wäre, und wir haben dabei viel Zeit im Wasser zu dümpeln und die Aussichten zu genießen. José ist ganz angetan, dass er mit uns ordentlich Strecke machen kann. Machmal müsse er die Touristen per Seil abschleppen, um die Orte zu erreichen, an denen er etwas zeigen möchte. Es würden bei der Einführung ja fast alle behaupten, sie könnten Kajak fahren. Wir müssen an Julius und Travis und ihre Paddeltour mit guten Freunden denken [kleiner versteckter Gruß 🙂 ].

Auf dem Rückweg bringt uns José noch ein besonderes costaricansches Wort bei, das die Einheimischen hier untereinander statt „Pura Vida“ verwenden: „A Cachete“. Natürlich antworten wir ab sofort auf den häufigen Zuruf „Pura Vida!“ nur noch mit „A Cachete!“

Noch ein paar andere „costarriqueñismos“ für die Spanischsprechenden unter Euch: Link

Am Nachmittag können wir uns noch zwei Banana-Split gönnen, auf Einladung von Uwe und Sabine. Vielen Dank! Auch wenn es heute gar nicht geregnet hat und wir keinen „Regentrost“ nötig haben. Dafür gibt es hier eine richtige Heladeria, und für die Kanutour kann man noch ein bisschen Energie gebrauchen.

Und nun noch zur Auflösung des „plattgefahrenen Tieres“ von weiter oben. Es war natürlich kein gruseliges Foto von einem toten Tier, sondern die Reifendecke eines Autoreifens. Die liegen hier wirklich oft am Straßenrand. Meist sind es Lastwagenreifen. Seit Mexico treffen wir sie gehäuft an. Früher konnte man in Deutschland „runderneuerte“ Reifen kaufen. Ob das heute noch geht, wissen wir gar nicht (doch … jetzt schon). Das Foto zeigt eine recht „sauber“ abgelöste Reifendecke, die auf der Straße liegend manchmal – je nach Form – an einen plattgefahrenen Alligator erinnert.

Sonntag 23.6.24 – Paquera – Ruhetag

Ohne Auto ist man hier in Paquera wirklich sehr eingeschränkt. Die Strände erreicht man nur über lange und beschwerliche Berg- und Talfahrten auf steinig-felsigen Straßen. Für uns bedeutet das eine 6 bis 7 km lange Wanderung, um an einen Strand zu gelangen. Wir überlegen länger, ob wir uns nochmal auf den Weg machen, entscheiden uns aber wegen der Temperatur und drohender Insketenstiche für das Chillen am Pool, Fussball gucken (Viktor), bloggen und Überlegungen für die kommenden Tage und Wochen (Aktivitäten mit Familie, Mietwagen, weitere Streckenführung nach Panama, etc.).

Auf der Suche nach einem dunklen Bier entdecken wir im Supermarkt dieses Bier und denken natürlich, dass es aus Costa Rica stammen muss. Überrascht stellen wir fest, dass es aus Girona (Catalunya, España/Spanien) kommt. Wir kaufen es natürlich nicht, da es einen unhaltbaren CO2-Fußabdruck hat … und Dosenbier … na ja.

Zu unserer manchmal vielleicht etwas überzogen wirkenden Suche nach guten Cafés mit ordentlicher Espessomaschine finden wir dieses Bild aus einem Café in Paquera ganz passend:

Alles ist relativ

Für die zweite Halbzeit des Fußballspiels Schweiz – Deutschland gehen wir in das Hotelrestaurant und Viktor bittet, es auf dem Fernseher dort zu zeigen. Daraufhin entsteht ein kleines „Public Viewing“, da mehrere anwesende insbesondere Männer (Restaurant- und Poolgäste) ebenfalls mitschauen. Kurz vor Schluss bessert sich Viktors Laune noch ;-), und wir gehen anschließend (es ist auch gerade eine Regenpause) einen Kaffee trinken in einem für abends ausgeguckten Restaurant. Wir verabschieden uns dort „bis später“, allerdings schüttet es abends dann doch so stark, dass wir uns dagegen entscheiden, das Grundstück überhaupt noch einmal zu verlassen und essen eine Kleinigkeit im Hotelrestaurant. Dabei erfahren wir auch, dass morgen Ruhetag ist, wir also kein Frühstück mehr bekommen können.

Ach ja, und hier kann man im Ort die lauten Rufe der Brüllaffen hören. Und im Zimmer hören wir die ganze Zeit einen Vogel – denken wir. In der Fidelito-Ranch lernen wir nämlich, dass es Geckos sind, die diese vogelähnlichen Rufe von sich geben.

Woche 11 (10.6.24 – 16.6.24) – Somotillo – La Cruz

Montag 10.6.24 – Somotillo – Chinandega

Gesamt: 3.036,82 km

Mit Rückenschmerzen wegen der extrem weichen Matraze stehen wir fertig gepackt um kurz vor sechs vor dem verschlossenen Tor zur Straße, dabei war um fünf schon ein LKW mit laufendem Motor im Hof. Wir rufen (leise) und schauen im Gebäude nach, wo eine Art Rezeption ist, finden aber nur Hunde. Die Telefonnummer auf der Visitenkarte anrufen! W-LAN-Anruf -klappt nicht! Anruf über Deutschland (also teuer)- klappt! „Wir fahren immer um sechs Uhr los!“. Kurz darauf erscheint eine verschlafene Frau und lässt uns raus – wo sie herkam, wissen wir nicht.

Es ist stark bewölkt und noch relativ kühl, dennoch benötigen wir Getränke für die Fahrt. Kein Laden, keine Tankstelle in der Nähe, aber nach dem Überqueren von zwei von Japan gespendeten Brücken ist rechts eine kleine Tienda: sie verkauft kein Wasser! Kurz darauf eine kleine Tankstelle mit drei Kühlschränken, alle mit Stahlketten und Vorhängeschlössern gesichert. Wir halten an! Der dritte Mann, den Viktor fragt, kann die Tür des einen Kühlschranks trotz der vorgehängten Kette ausreichend weit öffnen und verkauft uns für teures Geld zwei Liter-Flaschen Wasser, an die gerade so herankommt. Die eine hat jenen eigenartigen physikalischen Zustand, der beim Ausschütten des flüssigen Wassers sofort Eis entstehen lässt, die andere hat keinerlei flüssiges Wasser, nur einen Eisblock. Schön, dann bleibt es länger kühl! Dauert bloß ziemlich lange, bis überhaupt soviel geschmolzen ist, bis Jutta etwas trinken kann. Noch ein paar Kilometer weiter kommt eine Tienda, und Viktor kann sich sogar noch Gatorade kaufen.

Bei Kilometer 30, kurz vor dem Überfahren unserer virtuellen 3.000 – Kilometer – Marke, halten wir einfach am Straßenrand (es kommt einfach nicht einmal mehr eine Bushaltestelle mit `ner Bank zum Pausieren) und frühstücken trostlos Zwieback mit Marmelade (Viktor … Ihr wisst schon warum) und Toastbrot mit Nutella (Jutta opfert sich) ohne Heißgetränk, aber wir sind gestärkt für die 3.000, und es kommt heute sowieso auf der ganzen Strecke nichts zum Einkehren, sagt Google (und behält Recht).

Vor uns bzw. auf der rechten Seite, je nach Fahrtrichtung, haben wir eine schöne Aussicht auf den Vulkan „Casitas“, den wir heute auch fast komplett umfahren werden, die Route ist fast wie ein Fragezeichen geformt. Da sich der Himmel immer wieder ändert, ist die Sicht trotzdem abwechslungsreich. An seinen Hängen des Vulkans wird angeblich Kaffee angebaut, das können wir allerdings nicht erkennen. Der starke Regen der letzten Nacht hat rechts und links der Straße die Bäche anschwellen lassen und die Wiesen sind überflutet. Wir sehen viele Reiher in den Wiesen stehen. Wir sehen einige Zuckerrohrfelder, aber auch Mais.

Ansonsten ist das hier aber wieder eher eine Viehzucht-Gegend. Es kommen uns viele Männer auf Pferden entgegen, am Straßenrand grasen Rinder und Pferde, teils an Pflöcken festgebunden, teils auch frei herumlaufend. Ein junger Mann verfolgt auf seinem Pferd ein Kalb und versucht es scheinbar wieder zurück zu Herde zu treiben.

Der Jícaro-Baum (bei den Maya heilig, auch Kalabassen-Baum genannt) eignet sich besonders für eine Kombination mit Rinderhaltung. Er verträgt karge Böden und lange Trockenzeiten, aber auch Staunässe. Sein Schatten ist nicht zu stark, so dass das Gras noch wachsen kann, er bewahrt es aber vor dem Verdorren. Seine Früchte sind apfelgrün und wachsen direkt am Stamm und an den stärkeren Ästen. Alle Bestandteile der Frucht (Schale, Fruchtfleisch, Samenkerne) können genutzt werden. Für die, die Spanisch verstehen, hier noch ein interessanter Link.

Als wir noch 20 Kilometer vor uns haben, beginnt eine 10 Kilometer lange Steigung auf schnurgerader Straße, nicht besonders steil, aber ziemlich ermüdend, und das ohne eine erstzunehmende Ausruh- und Abkühlpause, aber auch die sind irgendwann vorbei.

In Chinandega haben wir gestern beim Pizzaesssen ein schönes Hotel vorgebucht (Hotel Los Portales), wo wir schon um viertel vor 12 Uhr ankommen. Leider ist Einchecken erst ab 15 Uhr möglich. Wir ziehen also erst einmal Cordoba Oro aus dem „Cajero Electronico“ oder Geldautomaten (am Schalter der Bank direkt neben dem Hotel scheitert es daran, dass Viktor seinen Reisepass nicht dabeihat!), trinken an der Hotelbar erst einen Kaffee, später einen Cocktail auf die 3.000 km – Marke und vertrödeln ein wenig die Zeit. Lust auf einen Gang in die Stadt verspüren wir genausowenig wie auf die Nutzung des Pools, der in der prallen Sonne liegt. Unbegleitet zu unserem Zimmer gehen dürfen wir nach dem Checkin auch nicht. Wir werden geführt und alle Handtücher werden uns persönlich vorgestellt. Aber das Warten lohnt sich: Wir haben das erste Mal seit langer Zeit wieder warmes Wasser in der Dusche – fühlt sich richtig gut an!

Abendessen gibt es im Hotelrestaurant, leckeren Salat buw. Suppe und gutes vegetarisches Risotto.

Dienstag 11.6.24 – Chinandega – Leon

Gesamt: 3.080,77 km

Für heute haben wir uns mit nur knapp 50 Kilometern einen entspannten kurzen Tag vorgenommen. An solchen Tagen werden wir leider manchmal etwas experimentierfreudig. Das rächt sich heute und doch passiert alles irgendwie wieder zum günstigsten Zeitpunkt.

Da wir ein kurzen Tag vor uns haben, nehmen wir uns die Zeit zum Frühstücken im Hotel, was ab 6 Uhr möglich sein soll. Wir haben schließlich Gutscheine für das Frühstück, also können wir den Luxus heute auch mal nutzen. Wir stehen also wie gehabt um 5 Uhr auf, packen schon mal alles, holen das Tandem aus dem Unterstand am Ende des Parkplatzes und befestigen alle Radtaschen. Punkt 6 Uhr stehen wir am Hotelrestaurant … Deutsche halt …. 😉 … der „Muchacho“ (wie er von der Dame an der Rezeption genannt wird) beginnt gerade damit, das Frühstück aufzubauen. Das dürfte noch ein wenig dauern. Jutta geht schon mal beim nicaraguanischen 24-Stunden-Späti „am:pm“ um die Ecke ein Isogetränk und Wasser kaufen, um die Zeit zu nutzen. Gegen 6:15 steht der Kaffee schon mal da, geschnittenes Obst unter Frischhaltefolie, Toastbrot, Butter und Marmelade. Den typisch amerikanischen Förderband-Toaster wirft Viktor an. Auch ein anderes Brot ist schon da, aber leider ohne Messer, welches auf Nachfrage so gegen 6:25 gebracht wird. Egal, wir haben ja heute Zeit und frühstücken in aller Ruhe, was so Stück für Stück auftaucht. Die beiden Warmhaltebehälter werden gefüllt …. Reis mit Bohnen, frittierte Bananen, Würstchenstücke, Kartoffelviertel … kein Rührei. Ach, das wird frisch gemacht! Das kann man beim Muchacho bestellen … aber der rotiert ja gerade noch mit dem Aufbau des Frühstücks. Zwischendurch kommt eine Managerin und fotografiert das aufgebaute Frühstück (Aufbauen ist aber wohl nicht so ihr Ding). Wir sind sicher, dass jetzt alles komplett steht … wozu sonst das Foto? Der Muchacho nimmt Viktors Bestellung für Rührei entgegen, welches wirklich sehr schnell da ist, deutlich schneller als der Förderband-Toaster die beiden Scheiben Toast rösten kann. Jutta frühstückt derweil Toastbrot, eine Scheibe von dem anderen auseinanderfallenden Brot, einen Apfeljoghurt und Kaffee mit Milch. Sie ist fertig als der Muchacho das Müsli aufbaut, das sie gerne gegessen hätte. 😉

Übrigens sind wir nicht die Ersten im Hotelrestaurant, denn ab 6:10 Uhr sind auch schon andere Menschen, vermutlich Geschäftsleute, mit dabei.

Gut gefrühstückt habend brechen wir also auf in den kurzen Tag. Wir haben gestern schon gemeinsam beschlossen, dass wir Komoot heute mal wieder eine Chance geben wollen – experimentierfreudig wie wir an kurzen Tagen so sind. Komoot schlägt nämlich eine parallele Route zur NIC-12 vor, eine ehemalige Eisenbahnstrecke (Ferrocarril Antiguo). Wir erinnern uns an unser Trainingslager im Erzgebirge, als wir auf einer zum Radweg ausgebauten ehemaligen Bahnstrecke unterwegs waren. Ja, ja, die geneigte Leserin denkt „wie blauäugig kann man denn nur sein“, der geneigte Leser schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und denkt „in einem armutsgebeutelten, sozialistischen Land werden die eine alte Bahnstrecke zum Radweg ausbauen“ … ist ja gut! Recht habt Ihr!

Nach wenigen hundert Metern erklären wir den Versuch für gescheitert. Komoot ist einfach unberechenbar … wenn das eine Rennradstrecke ist (eine andere Einstellung wählen wir schon gar nicht mehr) … dann ist Wacken ein Klassik-Festival. Wir sind durch Schlamm und zusammengeschwemmten Müll gefahren, haben massenweise Schlaglöcher mitgenommen und sind durch braune Rinnsale aus Regenwasser und Abwässern der Häuser rechts und links des Weges gefahren. Wir suchen den schnellsten Weg nordwärts zurück zu C-12.

Kaum sind wir 2,5 km auf der C-12 gefahren lenkt es sich plötzlich sehr komisch. Plattfuß vorne! Na super, das Experiment war ja ein voller Erfolg! An der Stelle gibt es nur eine schmalen Standstreifen an der zweispurigen C-12, in der Mitte trennt eine hüfthohe Betonwand uns von der Gegenfahrbahn.

Na gut, frisch ans Werk. Wir versuchen erstmal den alten Schlauch aufzupumpen, weil wir ja den „Slime“ für das Abdichten kleiner Löcher dabei haben. Aber es baut sich kein Druck auf. Das Loch muss zu groß sein. Also Vorderrad ausbauen, alter Schlauch raus, neuer Schlauch rein, Aufpumpen … Plopp!! … Viktor hat den Stempel unserer super SKS-Teleskop-Fahrradluftpumpe in der Hand. Zwei, drei fachmännische Blicke später ist klar: Die ist hinüber, der Kunststoff ist gebrochen … wir stehen ohne Luftpumpe mit plattem Reifen, sechs Kilometer hinter Chinandega am nicaraguanischen Straßenrand. Ein kurzer Anflug von Panik, dann die Vorstellung, was eigentlich wäre, wenn das irgendwo in der patagonischen Pampa passieren würde, wo alle paar Stunden mal ein Auto vorbeikommt … wenn überhaupt.

Mit der kaputten Luftpumpe und dem Vorderrad in der Hand hüpft Viktor über die Mittelmauer auf die andere Seite – nach langem Zögern, aber es muss ja sein – und beginnt in Richtung Chinandega zu gehen. Keine 30 Sekunden später hält ein Auto an, öffnet die hintere Türe an der Fahrerseite und Viktor sitzt im Auto von Moises, dem ehemaligen Präsidenten des lokalen Radsportvereins von Chinandega. Der fährt aus beruflichen Gründen kaum noch Rennrad, hatte uns auf unserem Tandem aber schon beim Herausfahren aus der Stadt gesehen.

Er fährt mit Viktor in die Stadt, klappert mehrere Marktstände nach einer TRUPER-Pumpe ab (das sind hier die besten und einzig akzetablen) und fährt ihn dann wieder zurück zum Tandem. Gut 30 Minuten später entsteht das Foto:

GRACIAS MOISES!

Moises ruft zwei Tage später nochmal per WhatsApp an und entschuldigt sich, dass er uns nicht als Allererstes in Nicaragua willkommen geheißen hat. Das sei eigentlich die Pflicht eines jeden Nicaraguaners gegenüber ausländischen Besuchern. Er wollte das deshalb unbedingt per WhatsApp-Telefonat nachholen.

Der Mann im blauen Shirt, offenbar ein Bekannter von Moises, kommt auf dem Fahhrad vorbei, hält extra an, schüttelt uns die Hände und sagt: „Gracias por visitar mi país!“ … „Danke, dass Ihr mein Land besucht!“.

Das ist doch der komplette Wahnsinn, oder? Wären wir um 6 Uhr losgefahren, hätte das Frühstück nicht länger gedauert, hätten wir das Komoot-Experiment nicht gewagt …. diese unglaublichen Zufälle und Begegnungen mit hilfsbereiten Menschen sind doch das Salz in der Suppe solcher Touren.

Und das war erst der Anfang des Tages … „Was … da bist Du erst im Blog … sagt Jutta gerade“ …. also kurz gefasst.

Es ist 9 Uhr, als wir mit erst gut sechs gefahrenen Kilometern die weitere Fahrt fortsetzen können – heute noch um die Südseite des Casitas-Vulkans – aber wir haben heute ja eine kurze Tour – gar kein Problem – und es ist bewölkt, also von der Temperatur her erträglich.

Wir kommen um halb elf in einen heftigen Schauer, stellen uns unter einen Baum am Straßenrand. Francisco, ein Junge, der dort wohnt, sieht uns, kommt mit einem Regenschirm heraus und bietet uns Unterstand auf ihrem Grundstück an. Wir kommen ins Gespräch, er schaut sich gemeinsam mit Mutter und Schwester (?) unser Tandem an, wir werden auf einen Kaffee eingeladen, und Viktor hat einen neuen Freund auf Facebook und WhatsApp. GRACIAS FRANCISCO (y familia)!

So, und dann wollten wir noch die Pferde am Straßenrand zeigen und die vielen Pferde- und Ochsenkarren, die hier fahren. (Video ergänzen?)

Außerdem gibt es einige Schweine und sehr viele Hühner und Rinder am Straßenrand, angebunden sind nur die Schweine und manche Rinder – für uns ein eher ungewöhnliches Bild, aber es funktioniert – wir sehen mehr tote Hunde auf der Straße als Hühner oder Rinder…

Als wir in Leon etwas durch die Stadt zu unserem Hotel “ Al Sole“ fahren, fängt gerade der zweite Regenguss des Tages an. Wir sind aber schnell da und dürfen unser Tandem im privaten Bereich unterstellen.

Nach dem Abendessen im Mediterraneo-Restaurant sehen wir im Hof des Hotels ein Bikepacking-Fahrrad, in der Küche sitzt Donivan aus Arizona, der Alaska – Feuerland radelt und nach längerer Krankheit in Guatemala noch zwei Monate Neuseeland zur Wiedererlangung der Motivation eingestreut hat. Er bleibt noch einen Tag hier, und wird uns übermorgen sicher überholen.

Mittwoch 12.6.24 – Leon – Nagarote

Gesamt: 3.134,15 km

Morgens um 6 geht es bei Regen los. Es ist den ganzen Morgen über bedeckt, was uns angenehme Temperaturen unter 30 Grad beschert. Es geht weiter durch Rinderzuchtgebiete. Häufig stehen Schilder am Straßenrand, die darauf aufmerksam machen, dass die Grundstücke, Fincas (größere Haciendas eher selten) zu verkaufen sind. Die Fläche wird meist in „Manzanas“ angegeben (eigentlich genau übersetzt „Äpfel“). Dabei ist 1 Manzana = 69,8737 Ar.

Wir frühstücken sofort in Leon an einer Tankstelle, da es sonst auf der Strecke wieder gar nichts geben soll, laut Google. Die erste Hälfte der Strecke fahren wir Richtung Südosten auf der Carretera Managua – León, dann biegen wir links ab, fahren Richtung Nordosten auf der Carretera Nueva a León – eine für uns neue Himmelsrichtung.

Die Gegend um La Paz, etwas vor Nagarote, scheint für Tonziegel und andere Ton-Produkte bekannt zu sein. Jedenfalls liegen diese auf sehr vielen Grundstücken in großen Mengen bereit.

Es ist heute völlig flach, auch etwas Seltenes, da kommen schon Gedanken, dass man ja auch eine weitere Strecke fahren könnte. Und wirklich – wir sind um halb elf schon in Nagarote, gehen dort erst einmal in`s AM:PM, weil es (wieder um halb elf, wie gestern) gerade anfängt zu regnen.

So um kurz nach elf kommen wir schon im Hotel Jerusalén an, das wir gestern per WhatsApp reservieren konnten. Es ist das einzige Hotel am Ort. Beim WLAN-Namen und auf allen Stühlen im Innenbereich fällt uns das „HJ“ auf, das wir in Deutschland vermutlich besonders in einem „Hotel Jerusalem“ eher nicht sehen würden.

Wir lassen uns viel Zeit mit dem Duschen (wieder mal kalt und ohne Duschkopf, aber mit ordentlich Wasserdruck) und gehen am frühen Nachmittag durch den Ort, der keine besonderen Sehenswürdigkeiten aufzuweisen hat. Der zentrale Platz mit einigen sozialistischen Sprüchen liegt in brütender Hitze, der Eisladen ist geschlossen.

Beim Zustand der Deutschen Bahn käme bei uns heute wohl niemand mehr auf die Idee, so einen Spruch zu machen. „Die Revolution ist wie ein fahrender Zug“.

Im Cafe Olé (mit Saeco-Espressomaschine), das einer Nicaraguanerin gehört, die mit einem Schweizer verheiratet ist, trinken wir gute Frappés und unterhalten uns mit der Besitzerin über Privatunternehmen im Sozialismus, Work Life Balance und darüber, warum man trotz doppelter Staatsbürgerschaft niemals in die Schweiz umziehen würde.

Nagarote buhlt gemeinsam mit La Paz darum, der Ort gewesen zu sein, an dem in den 60iger und 70iger Jahren der „Quesillo“, eine Art nicaraguanisches Nationalgericht, erfunden wurde. Das sind Mais- oder Weizentortillas mit relativ frischem Käse (mozarellaähnlich, aber mit noch weniger Aroma). Von der Konsistenz her schmeckt es wie „gummiartig auf gummiartig“, aber es sättigt. Und die zugehörigen Zwiebeln geben dem Ganzen dann doch noch ein gewisses Aroma. Wir teilen uns im Restaurant der Erfinderin eine Portion. Am Aushang im Restaurant erkennen wir, dass sie ihr ersten Restaurant in La Paz hatte und dann zurückging in ihren Geburtsort. Das erklärt das Buhlen.

Bei am:pm holen wir noch Getränke für den Abend und die Nacht (Viktor probiert ein „neues“ dunkles Victoria) und fahren mit einem Tuk Tuk (im Batman-Design) zurück zum Hotel, vor dem wir ein Tuk Tuk im Ferrari-Design entdecken. Im Innenhof lassen wir uns beim Blog-Schreiben ziemlich zerstechen – mal schauen, welche Krankheit die Mücken hier übertragen (Dengue, Zike, Malaria, Gelbfieber…)

Wir wollen ja nicht unken, aber es ist dann jetzt doch mal ein Zwischenstand in Sachen „Freilauf“ fällig. Die Aktion mit der Insulinspritze und dem Lithium-Fett scheint gewirkt zu haben. Die ersten zwei Tage konnten wir in der zweiten Etappenhälfte meist noch ab und zu ein leichtes Knacken im Lager vernehmen (besonders in den Steigungen), wir vermuteten eine angeknackste Kugel im Kugellager, die je nach Position unter Last das Geräusch verursacht. Seit zwei Tagen sind wir aber „knackfrei“. Entweder hat die Kugel keine blöde Postion mehr eingenommen oder es war doch noch ein letztes Staubkorn, dass den Weg nach draußen gefunden hat (oder zerrieben wurde). Oder die richtig harten Steigungen haben gefehlt. Wir werden sehen.

Fahrt mit dem Tuk Tuk in Nagarote

Donnerstag 13.6.24 – Nagarote – Masaya

Gesamt: 3.204,71 km

Mit noch nasser Kleidung – wir hatten sie draußen hängen – starten wir und frühstücken wieder gleich bei am:pm, so dass wir um halb sieben richtig rollen.

Nach 15 Kilometern erreichen wir einen Mirador (Aussichtspunkt) am Managua-See mit einem sehr schönen Panorama-Blick (siehe Galerie). Kurz danach haben wir für ca. hundert Meter einen Begleiter. Ein großer gelb-schwarzer Schmetterling fliegt länger neben uns her als wolle er sich dieses komische Gefährt mal genauer anschauen. Wie wir morgen lernen werden, ist es vermutlich ein „Black Swallowtail“, jedefalls hat er unten an den Flügeln solche „Schwänze“.

Beim ersten Toilettenstop winkt uns jemand wie wild zu: ein Bikepacker aus Russland, der vor zwei Jahren in Uruguay – Montevideo gestartet und auf dem Weg nach Norden ist. Sein Favorit bislang: Brasilien – da fahren wir nun gar nicht hin. Zu Costa Rica meint er, man könne überall wild campen, so sicher ist es dort, aber er fand es nicht so toll, weil er nicht rauchen durfte, wo er wollte. Da sei Nicaragua viel besser. Hier gäbe es mehr Freiheit. So hat halt jeder seine ganz eigen Vorstellung von Freiheit. Sowohl wild Campen als auch Rauchen steht bei uns nicht so hoch im Kurs. Aber es ist immer wieder nett, andere Bikepacker zu treffen und zu sehen, auf welch unterschiedliche Art und Weise man mit dem Rad unterwegs sein kann.

Auf dem Weg nach Managua hinein treffen wir an einer Ampel auf zwei Rennradfahrer, die uns ein ganzes Stück begleiten und ausfragen. Sie leben in der Hauptstadt und haben einen Tipp, wie wir die Stadt am besten durchqueren können. Über eine lange Strecke fahren sie mit uns, warten oben an Steigungen, wenn wir langsamer sind, und als sie beide nacheinander in ihre Wohngegend abbiegen, bekommen wir noch die Erklärung (erste Ampel links, danach am zweiten Kreisverkehr rechts abbiegen) für das weitere Durchkommen. Wir halten in Managua aber erst an einer Tankstelle und dann auch noch an einem Shopping-Center (so richtig“amerikanisch“, wie man sie kennt und hier sonst eher nicht sieht) und kommen danach genau mit der Beschreibung raus aus der Stadt in Richtung Masaya. Wir wollen nicht zu lange für die 70 km brauchen, da wir für 17 Uhr eine Masaya-Vulkan-Abendtour gebucht haben und gerne rechtzeitig im reservierten Apartement sein wollen. Irgendwann im W-LAN bekommt Viktor aber die Nachricht, dass die Behörden den Nationalpark wegen erhöhter vulkanischer Aktivität aus Sicherheitsgründen schon am Nachmittag schließen und wir ggfs. die Tour zu einem früheren Zeitpunkt machen können. Wir antworten, dass wir uns beeilen.

Um 12 Uhr mittags, ca. 10 km vor dem Ziel, haben wir den höchsten Punkt für heute erreicht, das Klacken des Freilaufs meldet sich wieder und es fängt an zu gewittern. Wir denken, wir fahren weiter – wollen uns ja beeilen -, und am Eingang zum Nationalpark halten wir und gucken, ob unser Guide reagiert hat, dem wir angeboten hatten uns dort zu treffen – negativ. Also weiter in den Ort. Allerdings wird der Regen so stark, dass das Wasser zentimerterhoch auf der Straße steht und man beim Fahren kaum noch etwas sieht, so dass wir uns doch irgendwo unterstellen müssen, nur 3 km vor dem Ziel, aber nicht zu ändern! Dort stehen wir fast zwei Stunden, bis wir weiterfahren können, und es ist uns das erste Mal seit langer Zeit ein bisschen kalt.

In Masaya steht die Straße, die Komoot uns zum Fahren vorschlägt, unter Wasser. Wir suchen also nach befahrbaren Straßen, sehen Kinder im hüfthohen Wasser auf der Straße baden, LKW durch mehr als reifentiefe Pfützen fahren, überschwemmte Häuser, kommen aber einigermaßen trockenen Fußes an unser Ziel – denken wir. Die Gegend sieht nicht wirklich einladend aus, und das letzte Haus am Ende einer Sackgasse ist das Ziel. Wir halten, und eine Frau guckt aus dem vergitterten Fensterladen. Dort ist kein Apartment für uns! Komoot liegt wieder einmal falsch! Das richtige Ziel ist nur einen Kilometer entfernt, aber in einer völlig anderen, zentralen Straße: eine kleine Ferienwohnung, nett eingerichtet, mit kleinem Schild im Bad, dass man hier das Papier in die Toilette werfen darf und scheinbar mit einer Toilettenbrillen-Heizung- wir können es kaum glauben. Nur für unser Tandem gibt es keinen Unterstand, was bei dem häufigen Regen für uns eigentlich wichtiger wäre als eine warme Toilettenbrille. Und diese Wohnung ist preislich sogar günstiger als das Zimmer gestern in Nagarote!

Viktor versucht noch Kontakt mit dem Vulkan-Guide aufzunehmen, aber auf das Angebot einer früheren Tour haben wir wohl nicht schnell genug reagiert und er sagt ab. Dumm gelaufen, denn wir haben zwei Tagestouren rund um diesen Vulkan-Besuch geplant und sind heute extra nicht weiter gefahren! Also suchen wir uns ein Taxi, dass uns zum Eingang des Parks fährt (die Straßen sind alle wieder trocken, nach nur einer Stunde!). Während der Taxifahrer dort wendet, erfahren wir, dass man nur mit einem Auto hoch zum Besucherzentrum und Museum fahren darf. Auf unsere Nachfrage macht der Fahrer uns das Angebot, uns für einen günstigen Preis hochzufahren, zu warten und uns wieder zurück in den Ort zu bringen. So können wir wenigstens auf eigene Faust noch eine kleine Wanderung zu einer Stelle mit „Fumadores“ machen, wo heißer, geruchloser Dampf aus Löchern kommt (hinterher erfahren wir, dass man auch noch höher hätte gehen können, aber es ist leider nichts richtig ausgeschildert und ohne Guide kann man das nicht wissen) und uns das Besucherzentrum anschauen. Dort wird unter anderem die Theorie eines wichtigen nicaraguanischen Wissenschaftlers zur Entstehung von Lava (gebündeltes Sonnenlicht schmilzt das Gestein am Meeresgrund) dargestellt, die damals von Alexander von Humbolt gelobt wurde (siehe Galerie).

Wieder im Apartment versuchen wir vergeblich, uns das Geld für die ausgefallene Tour zurückzuholen und gehen dann relativ frustiert um die Ecke im Casona Vieja Mexikanisch essen. Das einmalige Erlebnis, im Dunkeln in die Lava eines aktiven Vulkans zu schauen, ist somit hier nicht mehr möglich.

Freitag 14.6.24 – Masaya – Granada (mit Stadtbesichtigung)

Gesamt: 3.223,29 km

Um 6 machen wir uns auf den Weg und fahren den vermutlich schnellsten Schnitt der bisherigen Strecke. Es geht fast nur bergab und wir haben für 8 Uhr eine Stadtführung mit Bootsfahrt auf dem Nicaraguasee (oder Lago Cocibolca) gebucht. Bei der Einfahrt in die Stadt sieht uns ein Reporter vom lokalen Fernsehsender Canal 5 und folgt uns mit seinem Moped bis zum Hotel. Auf der Straße davor interviewt er Viktor und filmt und fotografiert uns. (https://www.facebook.com/share/v/tcUhqJ43Z2Lxqu6B/). Und hier noch für die, die nicht auf Facebook sind:

Canal 5 – Granada – Interview

Unser Hotel erlaubt uns, das Tandem mit Gepäck unterzustellen, obwohl wir so früh natürlich noch nicht einchecken können.

Wir frühstücken in einem schönen Cafe im Zentrum (Casa del Café) und werden kurz vor acht am Hotel von unserem Guide abgeholt. Er fährt mit uns zum Hafen, wo wir eine einstündige Bootsfahrt mit viel interessanter Flora und Fauna beginnen. Unter anderem können wir Brüllaffen beim Mango-Frühstück beobachten. Laut unserem Guide gibt es eine Studie, in der nachgewiesen wurde, dass die Brüllaffen mit den kleinsten Hoden am lautesten brüllen. Bitte zieht Eure eigenen Schlüsse. 😉

Unser Guide ist trotz seines jungen Alters sehr kenntnisreich und kann uns auch viele andere Fragen zu Nicaragua beantworten, besonders auch zu den Regionen, durch die wie schon gefahren sind. Wir unterhalten uns auch über die politische Lage im Land, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Aber wir können jedem, der vergessen hat, wie es vor 1989 um die Meinungsfreiheit in einem Teil Deutschlands bestellt war, nur raten, mal ein Land zu besuchen, in dem auch heute noch ganz ähnliche Verhältnisse herrschen.

Wir erfahren unter anderem, dass Managua heute nur deshalb die Hauptstadt von Nicaragua ist, weil es einen langen Bürgerkrieg zwischen León und Granada gab, die beide schon mal Hauptstadt waren. Das Ganze endete in der Kompromisslösung einer neuen Hauptstadt Managua auf halber Strecke zwischen León und Granada.

Seine Blütezeit hatte Granada als der Fluss zwischen dem Nicaraguasee und der Karibik noch schiffbar war. Das änderte sich aber nach einem Erdbeben und Granada verlor seine wichtigen Handelsbeziehungen. Heute lebt die Stadt von Dienstleistungen und vom Tourismus. Wir sehen entsprechend viele europäisch oder amerikanisch aussehende und so gekleidete Menschen in der Stadt.

Den Abschluss der Tour bilden ein Besuch in einer Schokoladenmanufaktur und in einem Restaurant, wo wir ein paar typisch nicaraguanische Speisen und ein lokales Getränk aus Granada (Fresco de Grama) probieren. Der von einem Teilnehmer erhoffte Besuch in einer Zigarrenmanufaktur fällt leider heute weg.

In der Schokoladenmanufaktur

Wir sind rechtzeitig im Hotel und checken ein, um noch einen Teil des Eröffnungsspieles der EM zu sehen. Deutschland führt schon 2:0 gegen Schottland und die spanischsprachigen Kommentatoren sprechen von „absoluta superioridad alemana“ (absolute Deutsche Überlegenheit), Na wenn das mal kein Sommermärchen 2.0 wird. Viele deutsche Spiele werden wir (Viktor von Gottes Gnaden … wenn wir „wir“ schreiben, meinen wir „uns“) uns vermutlich nicht anschauen können.

Den Rest des Tages nutzen wir für die Planung der nächsten paar Tage, noch zwei Etappen, dann sind wir in Costa Rica.

Samstag 15.6.24 – Granada – Rivas

Gesamt: 3.292,67 km

Um morgens aus dem Hotel zu unserem Rad kommen, müssen wir den Nachtportier zunächst aus dem Schlaf holen – er liegt auf der Couch vor der Rezeption. Bei am:pm hinter der Kathedrale kaufen wir nur Getränke und starten dann gleich durch. Die Frühstückspause wollen wir nach gut 20 Kilometern und dem einzigen langen Anstieg des Tages machen.

Es geht also erst einmal für zehn Kilometer bergauf, gut ausgeruht nicht soo schlimm, aber sie ziehen sich trotzdem mit bis zu maximal 8% Steigung, die wir aber noch ohne Schieben überwinden können. Glücklicherweise hält sich der Verkehr in Grenzen. Landschaftlich gibt es vor allem Zuckerrohrplantagen und Rinderherden zu sehen, später in der Ebene auf gerader Strecke, bei Nieselregen und 25°C denken wir beide, es könnte auch irgendwo in Norddeutschland sein, auch wenn die Rinder hier nicht schwarz-weiß sind. Wir sind wieder in einer ärmeren, landwirtschaftlich geprägten Region unterwegs, wo Ochsen- und Pferdekarren zum Straßenbild gehören und viele Nutztiere frei am Straßenrand herumlaufen oder dort an Pflöcken angebunden sind.

Beim am:pm in Nandaime beschäftigen wir zum Frühstück drei Mitarbeiterinnen mit unserem Latté-Wunsch, da die Nescafé-Kaffeemaschine einfach nicht so will wie sie. Wir bestellen letztendlich schwarzen Bohnenkaffee (das kann die Maschine auch) und kaufen einen Beutel Milch dazu. Auf dem Fernseher sehen wir zu, wie die Schweiz bei der Fussball-EM den Ungarn zwei Tore einschenkt.

Heute ist es erst 10 Uhr, als es bereits anfängt zu regnen. Viktor will sowieso gerade etwas trinken, und es gibt zufällig eine Tienda und eine überdachte Bushaltestelle – wir stellen uns unter. Der Regen wird weniger, und wir fahren weiter – allerdings nur bis zur nächsten Uno-Tankstelle, nicht weit entfernt, weil es doch ganz schnell wieder beginnt zu schütten. Wir stehen eineinhalb Stunden an einer Zapfsäule, da die Tankstelle leider keinen Raum zum Verweilen hat. Pudelnass! Der Regenradar verspricht erst eine Regenpause, irgendwann aber dann doch nicht mehr, und da es gar nicht mehr weit ist, fahren wir irgendwann doch weiter.

In Rivas – immer noch pitschnass – wollen wir uns vor der Ankunft im „Rivas Inn Hostal“ noch ein Heißgetränk gönnen und finden 700m vor dem Ziel ein „Casa de Café“. In dem klimatisierten Raum wird uns mit unseren nassen Sachen fast kalt. Wir sind nicht die Einzigen, die stundenlang dort sitzen und Schutz vor dem strömenden Regen suchen. Unter anderem sitzt eine Deutsche dort, irgendwann mit ihrem Mann, auch Deutsch, und wir kommen sogar noch ins Gespräch: sie leben hier, haben eine Bananenfarm, fünf Kinder, und müssen alle drei Monate nach Costa Rica aus- und dann wieder einreisen, vermutlich wegen der Visa … ganz verstanden haben wir es nicht. Jedenfalls bestätigen sie uns, dass die diesjährige Regenzeit nicht normal sei. Es regenet täglich früher und stärker als sonst üblich. Das läge an feuchtwarmen Strömungen, die dieses Jahr verstärkt aus der Karibik herunterzögen.

Erst um kurz vor vier raffen wir uns auf, die verbleibenden 700 Meter zu fahren, können am Hostal das Tandem glücklicherweise in einen Flur schieben, so dass es nicht so nass steht, und haben dann auch noch eine wirklich warme Dusche, die richtig gut tut. Eigentlich hatte es geheißen, der Regen in der Regenzeit beginnt immer erst spätnachmittags, aber heute war es ungewöhnlich früh und hat dummerweise auch sehr lange angehalten. Wenn das so weitergeht: so früh am Morgen können wir gar nicht losfahren, dass wir vor dem Regen am Ziel sind.

Beim Checken der Straßenqualität in Costa Rica stellen wir fest, dass unsere eigentlich geplante „Ruta del Sol“ (Ruta Nacional Secundaria 160) für Fahrräder wenig geeignet ist, und dass selbst Autos dort mangels Brücken und wegen der starken Regenfälle kaum durchkommen.

Komplexe Anleitung in der App „iOverlander“ zum Durchfahren eines Flusses auf der Ruta del Sol in Costa Rica. Das schaffen wir mit unserem Tandem nicht.

Das bedeutet wohl, wir sollten uns doch eine andere Strecke aussuchen. Morgen geht es aber erst einmal wie geplant über die Grenze.

Beim Abendessen im La Nani Café kommen immer wieder bettelnde Kinder an den Tisch – das erste Mal eigentlich, aber hier richtig gehäuft.

Sonntag 16.6.24 – Rivas (Nicaragua) – La Cruz (Costa Rica)

Gesamt: 3.348,95 km

Heute geht es also auf die letzte Etappe in Nicaragua. Wir haben tolle Menschen getroffen und sind landschaftlich schöne Strecken gefahren. Besonders die Panoramablicke auf die Vulkane und die freudlichen und hilfreichen Menschen bleiben in Erinnerung. Aber auch das „DDR-ähnliche“ Bespitzelungsgefühl, die fehlende Meinungsfreiheit und die Bezeichnung jedes Regierungskritikers als „Terrorist“. Die katholische Kirche kann z.B. seit vielen Jahren keine Osterprozessionen mehr auf den Straßen durchführen, weil die Regierung solche großen Menschenansammlungen fürchtet und manche Kirchen ihre Türen öffneten und Schutz boten, als von der Polizei auf regierungskritische Demonstranten geschossen wurde.

Der heutige Blick auf die letzten zwei Vulkane (Concepción und Maderas), die auf der Insel Ometepe im Nicaraguasee liegen ist nur ganz früh am Morgen noch sehenswert, auch wenn die Spitze der Vulkane in den Wolken unsichtbar bleibt. Als wir das erste Foto machen wollen, liegen Insel und Vulkane schon vollständig im grauen Nieseldunst.

Frühstück gibt es kurz nach 6 Uhr ein letzes Mal bei „AM:PM“ bevor wir uns auf den Weg in Richtung Grenzübergang „Peñas Blancas“ machen.

Wir verpassen leider einige Stichstraßen zum See, die schöne Ausblicke bieten sollen, und kommen an mehreren Windparks vorbei.

Erst einige Kilometer vor der Grenze, als es schon wieder zu nieseln beginnt, hören wir links auf einem Grundstück laute Musik und sehen ein paar Menschan am Ufer stehen. Es ist ein Restaurant und „Hotel im Bau“ und wir werden vom Eigentümer sogar auf der Baustelle in den ersten Stock geführt, um die Aussicht auf den See und die Vulkane zu würdigen (alles Nebel, aber er zeigt uns,wo die Vulkane sonst sichtbar wären). Wir sollen unbedingt „Propaganda“ machen, damit mehr Touristen nach Nicaragua kommen. Hier also das Werbebild mit der Aussicht:

Hier nicht zu sehen: Die Insel Ometepe mit den beiden Vulkanen

Bis zur Grenze regnet es noch nicht stark und wir sind gegen 9:30 Uhr da. Kurz vorher trinken wir noch eine Cola und einen Eistee, essen ein paar Yuca-Chips und Gebäck, und werden so noch ein wenig Nicaraguanisches Bargeld los.

An der Nicaraguanischen Grenze werden wieder ordentlich Dollar abkassiert, einer schon zum Betreten der Abfertigungshalle (städtische Steuer), dann nochmal 3 Dollar pro Person für die Ausreise. Alle Radtaschen müssen durch ein Röntgengerät, dann dürfen wir weiter auf die Costa-Ricanische Seite. Dort droht eigentlich Ungemach, weil man nur mit einem vorzeigbaren Ausreiseticket (Flugticket oder Busticket) nach Costa Rica einreisen darf, aber als man unser Fahrrad in der Abfertigungshalle sieht gibt es dazu keine weiteren Fragen. Eigentlich müssen auch hier alle Taschen durch ein Röntgengerät aber der Grenzbeamte zeigt sich gnädig und winkt uns mit dem vollgepackten Tandem einfach durch. Bezahlen müssen wir nichts und auch keine ausreichenden Bargeld-Reserven vorweisen, wie das manchmal ebenfalls nötig ist. Um 10:30 Uhr sind wir durch und ziehen an einem Geldautomaten ein wenig Bargeld (20.000 Colon = 35 Euro, ein einzelner Geldschein).

Ein Deutscher Reisender spricht Viktor in der Abfertigungshalle an, als er das Tandem sieht: „Ach, sind sie die berühmten Tandem-Reisenden?“. Viktor: „Na ja, berühmt …?“. Antwort: „Doch, doch, Facebook und YouTube und so“.

Nach der Grenze haben wir noch ca. 20 km bis zum Zielort La Cruz zu fahren, allerdings größtenteils bergauf, und natürlich fängt es jetzt wieder stärker an zu regnen. In der letzten Steigung steht ein kleines Schutzdach einer Bushaltestelle und wir machen eine letzte Pause, um eine Regenlücke abzuwarten. Nach ein paar Minuten sehen wir einen Radfahrer die Steigung hochstrampeln, es ist Donivan, den wir in León getroffen hatten. Wir unterhalten uns nochmal kurz über das Wetter, aber dann muss er weiter, denn er will heute noch bis Liberia (unser morgiges Etappenziel).

Um 12:45 sind wir an unserem Hotel, Restaurant und Mirador (Aussichtspunkt) in La Cruz. Viktor kann noch ein wenig Fussball sehen (England schlägt Serbien 1:0) und Jutta versucht, ihr ausgeliehenes eBook zu Ende zu lesen, bevor es um Mitternacht deutscher Zeit nicht mehr verfügbar ist. Draußen neben dem Hotel spielt den ganzen Nachmittag ein Spielmannszug immer wieder das Gleiche, als würden die einen Marathon veranstalten. Wir erfahren beim Abendessen im Hotelrestaurant, dass das jeden Nachmittag stattfindet – etwas nervig.

Während wir zu Abend essen setzt sich ein US-Amerikanischer Journalist aus Vermont an den Nachbartisch, der mit seiner Familie bislang in Nicaragua gelebt hat, heute am gleichen Grenzübergang wie wir wieder nach Nicaragua einreisen wollte, aber dort zurückgewiesen wurde, mit der Begründung, er sei in Nicaragua unerwünscht. Eigentlich hat er nichts Negatives über Nicaragua geschrieben, das seine Unerwünschtheit begründen könnte … meint er jedenfalls. Er schreibt unter anderem für den American Prospect. Er kennt die die deutschen Gewerkschaften „IG Metall“ und „Verdi“, weil er auch beratend für Gewerkschaften in den U.S.A. arbeitet. Sein Sohn ist Autist, und sie waren aus den USA weggezogen, weil es dort mit einem behinderten Kind viel schwieriger sei, die Betreuung zu organisieren und zu finanzieren. Jetzt packen Frau und Sohn alle Sachen und reisen ebenfalls aus. Sie schwanken noch, ob sie zukünftig in Costa Rica oder Mexiko (Yucatan) leben wollen. Wir hören ihn später aus seinem Zimmer noch laut telefonieren – das Ganze ist ja erst heute passiert und es gibt viel zu organisieren.

Woche 10 (3.6.24 – 9.6.24) – San Luis Talpa – Somotillo

Montag 3.6.24 – San Luis Talpa – Usulután

Gesamt: 2.722,78 km

Den ganzen Morgen über liegt der Volcán de San Vicente (Chichontepec) zu unserer Linken oder direkt vor uns und verändert am Gipfel ständig sein Aussehen. Wir werden uns nicht einig, ob das nur Wolken sind oder auch irgendeine Aktivität des Vulkans. Ein Einheimischer beantwortet Viktors Frage nach der Aktivität des Vulkans später mit einem klaren „Nein“. Bei Google kann man hingegen Videos von heißen Quellen finden, die vielleicht doch die eigenartigen Nebelschwaden rund um die Vulkanspitze hervorrufen. Jedenfalls ist es ein sehr schöner Anblick und das frühe Losfahren um 6 Uhr hat sich so richtig gelohnt. Ganz Mittelamerika besteht im Prinzip aus einer Aneinanderreihung von Vulkanen, besonders Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua, aber selten erhalten wir während der Fahrt so schöne Ausblicke wie heute Morgen.

Da wir in einem Hotel in der Nähe des Flughafens übernachtet haben, gab es ausnahmsweise sogar ein Frühstück, denn viele Flugreisende müssen früh zum Flughafen. Das Hotel hat eine sehr spezielle Inneneinrichtung mit vielen alten Musikinstrumenten (3-Saiten-Bass, Orgel, Klavier, Saxofon) und zwei Oldtimern vor dem Eingang (einer davon ein weißer Mercedes Benz mit roten Kotflügeln).

Hoteleingang mit Oldtimern

Heute erleben wir dann auch erstmals am eigenen Leib das tropische Regenzeit-Wetter. Kurze, extrem heftige Schauer, überraschend früh am Tag (so gegen Mittag), die wir zum Glück in Unterständen abwarten können, da wir einmal in einer „Ferreteria“ (Eisenwarenhandlung) eine Dose WD-40 kaufen und beim zweiten Mal gerade an einer Tankstelle sind, um den Freilauf unseres Tandems zu „spülen“. Es kratzt und knackt wieder einmal im Freilauf, nicht reproduzierbar und daher wohl auf Staub und Dreck zurückzuführen, der ins Lager geraten sein muss. In den einschlägigen Foren findet man dazu den Rat, ordentlich mit WD-40 zu „spülen“ und dann zu versuchen, irgendwie neues Fett ins Lager zu bekommen, was eigentlich unmöglich ist, denn es lässt sich nicht öffnen. Eventuell müssen wir da in den nächsten Tagen eine Spritze mit ganz feiner Nadel kaufen und dann irgendwie frisches Lagerfett hineindrücken. Der zur Zeit besonders von den LKW aufgewirbelte Sand/Staub ist anscheinend feiner als bislang, denn Jutta hat ihn seit gestern trotz der Sportbrille öfter im Auge. Wir haben also ein neues Feindbild: Entgegenkommende LKW, die andere Fahrzeuge mit einem Affenzahn überholen und uns dabei auf unserer Spur frontal gefährlich nahekommen. Wenn die uns passieren fühlen wir auf der Haut einen regelrechten Sandstrahleffekt. Wir sind überzeugt, das hat auch den feinen Staub in unseren Freilauf trasnportiert.

Weißes Lagerfett tritt nach der Behandlung mit WD-40 durch den Spalt nach außen. Hoffentlich nimmt es Staub und Dreck mit. Mit einem Zahnstocher konnte Viktor auch Sandkörner aus dem Schlitz herausholen.

Auf einem Teil unserer Strecke heute fehlt erst ein Kanaldeckel (direkt vor einem Verkaufsstand) und dann immer mehr, auch mitten auf der Fahrbahn. Also gar nicht so kleine, sehr tief nach unten offene, runde Löcher – völlig ungesichert und unangekündigt. Sollte man lieber einen großen Bogen herum fahren oder auch gehen – ganz schön gefährlich! Nachts fahren wäre hier auch aus diesem Grund verdammt gefährlich.

Die letzen paar Kilometer unserer heutigen, über 80 km langen Etappe fahren wir am Ende einfach durch den nachlassenden Regen, denn wir haben ja ein Hotel vorgebucht und können sofort unter die Dusche … denken wir ….

Leider haben wir unser „Hotel Sevilla“ über eine bisher noch nicht genutzte Plattform „PrimaStay“ (Partner von Expedia) gebucht. Der junge Mann an der Rezeption findet die Reservierung mit der Bestätigung der Vorausszahlung nicht (schon mal in den Spamordner geschaut?). Wir müssen mit PrimaStay in den USA telefonieren (vermutlich ist das Telefonat wegen der Roaming-Gebühren ungefähr so teuer wie die Übernachtung) und mehrere E-Mails schreiben (der junge Mann an der Rezeption drückt die englischsprechende Dame vom PrimaStay am Telefon mehrfach weg – er versteht und spricht nur Spanisch!) bis wir nach über einer Stunde endlich unser Zimmer haben. Aber es ist Dank frühem Aufbruch ja trotzdem noch früh am Nachmittag. Die Stunde nutzen wir zum Reinigen und Schmieren der Ketten, zum Nachspannen und Pflegen von Viktors feucht gewordenem Ledersattel und für weitere Reinigungs- und Schmier-Versuche am Freilauf. Außerdem reinigt Jutta in der Zeit einmal alle Fahrradtaschen (von außen), denn die haben es bitter nötig.

Viktor nutzt sogar noch den Hotel-Pool bevor er unsere neue Wäscheleine (10m, 1$) im überraschend großen Hotelzimmer aufhängt, damit wir alle Klamotten wieder trocken bekommen. Die Wäscheleine kaufen wir kurz vor Ankunft im Hotel in einem sehr modernen, großen Markt (LEMUS Home). An der Kasse werden vom System der Vor- und Nachname des Käufers verlangt (nachdem die offensichtlich bereits längere Zeit inaktive Kassiererin ganze vier mal ihr Windows-10-Passwort eingeben muss, bevor sie es richtig eintippt). Viktor sagt also wie immer „Viktor con una K en el medio“ (Viktor mit K in der Mitte), denn sonst schreiben hier alle „Victor“. Die Kassierin nimmt ihn beim Wort und wir finden später auf dem Kassenbon „Vicktor“ … das K ist völlig korrekt exakt in der Mitte. Und dieser ganze Aufwand für einen Dollar Umsatz.

Auf dem Parkplatz vor diesem Laden unterhalten wir uns über die krassen Kontraste hier: zum Beispiel dieses Grundstück mit großem, sauberen Parkplatz und dem großen Ladenlokal, klimatisiert, „schön“, und direkt davor und danach an der Hauptstraße Unmengen von ganz einfach aus Ästen, Brettern, manchmal mit Wellblechdach gedeckten Verkaufsständen, an denen phasenweise Kokosnüsse, Bananen, Ananas, Mangos … (immer etliche mit gleichem Produkt hintereinander) verkauft werden. Das sind zwei Welten ganz eng beieinander!

Abendessen gibt es im Hotelrestaurant mit zwei Riesenportionen Nudeln und frisch gemachter Limonade. Danach ist Jutta vor dem Zubettgehen etwas schwindelig … hoffentlich nur ein Kohlenhydrat-Schock.

Unser Zimmer 205 liegt direkt neben der Lüftung der Restaurantküche … ich denke an Herbert Grönemeyer „Es brummen die Motoren, es dröhnt in meinen Ohren“ … angeblich wird die Lüftung um 22 Uhr ausgeschaltet. Da liegen wir schon längst über eine Stunde im Bett, denn um fünf klingelt der Wecker. Irgendwie sind in diesem Hotel (das zwar eine AG ist, aber da der einzige Aktionär rechtliche Probleme hat, steht es unter Aufsicht der Regierung) alle Menschen unglaublich hilfsbereit und freundlich … aber entscheidungsfreudig und schnell sind sie definitiv nicht.

Dienstag 4.6.24 – Usulután – Santa Rosa de Lima

Gesamt: 2.812,12 km

Nein, wir fahren heute nicht über mehrere Grenzen und landen in Peru, der Zielort Santa Rosa de Lima ist sozusagen der letzte Ort, in dem man vor der Grenze nach Honduras übernachten kann, und liegt noch in El Salvador.

Jutta merkt morgens nichts mehr vom Schwindel, dafür hat Montezuma bei Viktor wieder einmal zugeschlagen, aber wir beschließen, trotzdem loszufahren und gegebenenfalls zu verkürzen. Morgens ist es noch etwas bewölkt und dadurch noch nicht so heiß. Allerdings wird uns ein Strich durch die Rechnung gemacht mit der Route, die wir nehmen wollen: als wir glücklicherweise mehrere Menschen fragen, bevor wir die Hauptstraße verlassen, um auf einer Regionalstraße in Richtung San Miguel zu fahren, wird uns von allen Seiten gesagt, dass die Straße nicht zu benutzen sei, es hätte doch stark geregnet, und sie sei sehr schlammig. Die alternative CA-2 – Route ist 20 Kilometer länger und hat ordentlich Höhenmeter mehr. Wir fahren also weiter auf der CA-2 und planen, während der Frühstückspause die geänderte Strecke per Bluetooth an unser Garmin-Navigationssystem zu schicken. Tja, und dann haben wir zwar wieder schöne Blicke auf einen Vulkan (Chaparrastique oder Volcán de San Miguel Bosotlan), aber es kommt lange keine Gelegenheit für eine Pause. Erst bei über 30 Kilometern landen wir wieder einmal an einer Tankstelle (Viktor frühstückt Oatmeal mit Wasser), und als wir die Route bearbeiten, suchen wir letztendlich wieder einen Teil auf einer „kleineren“ Straße aus, da es dort immerhin 350 Höhenmeter weniger sind.

In San Miguel besorgt Viktor in einer Apotheke zwei kleine Spritzen für das Kugellagerfett unseres Freilaufs am Tandem (s.o.) und lässt bei der Gelegenheit noch seine Blutdruckfunktion der Smartwatch kalibrieren – Jutta wartet draußen am Rad. Und ein paar Kilometer weiter fragt er in einer Fahrradwerkstatt nach Kugellagerfett. Haben sie nicht, aber einen Tipp, wo es White Lithium Grease von WD40 gibt. Den Baumarkt (auch groß und modern – er war uns schon aufgefallen) haben wir schon hinter uns gelassen und wenig Lust, nochmal zurück durch die Stadt zu radeln. Viktor nimmt also ein Taxi, lässt sich hin- und zurückfahren und besorgt dieses Fett. Die Hoffnung ist, dass wir mit dem Druck aus der Dose über die Spritzennadeln frisches Fett ins Lager drücken und gleichzeitig den Staub herausdrücken können, der offenbar hineingekommen ist. Jutta wartet währenddessen am Rad, vor der Werkstatt, diesmal länger, und es wird immer wärmer.

Als Viktor wiederkommt, haben wir gute eineinhalb Stunden in San Miguel verbracht, aber eigentlich noch keine Pause gemacht. Wir wollen bis zu dem auf Schildern am Straßenrand groß angekündigten Einkaufszentrum fahren und uns dort abkühlen. Leider fahren wir immer weiter, und es kommt kein Einkaufszentrum! Bei Kilometer 58 und gefühlter Temperatur von 43°C halten wir bei einer „Comida“ am Straßenrand, immerhin mit Kühlschrank, Eis und Tischen/Stühlen unter Ventilatoren, also ziemlich nobel. Während wir gekühlte Getränke zu uns nehmen, kommt Viktor mit dem Herrn am Nachbartisch ins Gespräch – dieser möchte auch irgendwann einmal nach Ushuaia, allerdings nicht mit dem Rad. Wir suchen uns dann noch zwei Eis aus, die uns diesmal von unseren Neffen Hanno und Theo aus Hannover ausgegeben wurden – vielen Dank, Ihr Beiden, und bis bald in Costa Rica! Wir freuen uns! Als wir schließlich alles bezahlen wollen, sagt die Dame uns, dass der Herr vom Nachbartisch alle unsere Getränke mitbezahlt hat – total nett! Das sind diese unbezahlbaren Erlebnisse von Gastfreundschaft, die kaum eine andere Reiseform hervorbringt. Er ist dort bekannt, und wir lassen einen unserer Panamericana-Tour-Aufkleber mit einer Dankesnotiz für ihn da – sehen ihn dann sogar noch einmal ein paar Kilometer weiter am Straßenrand und können uns persönlich bedanken.

Danke Hanno und Theo!

Die Steigungen wollen heute einfach nicht aufhören, und der Straßenbelag wird immer schlechter, so dass wir nicht einmal die Abfahrten genießen können. Viktor ist nur noch am Fluchen, und wir machen noch mehrere kleine Pausen, so dass es fünf Uhr nachmittags ist, als wir endlich am Hotel Mediterraneo im unglaublich hässlichen Ort Santa Rosa de Lima ankommen. Viktor plantscht noch ganz kurz im Pool direkt vor unserem Zimmer, und heute legt er sich nach dem Duschen gleich ins Bett, weil er zwar den Tag über keine Probleme hatte, aber sein Darm nach der Ankunft hier wieder verrückt spielt. Abendessen lassen wir heute ausfallen – auch Jutta hat trotz knapp 90 gefahrenen Kilometern keinen Appetit.

Mittwoch 5.6.24 – Ruhetag 1 – Santa Rosa de Lima

Wir sind ja darauf vorbereitet, dass es irgendwann passiert, und jetzt scheint es wohl soweit zu sein! Wenn es nicht so unangenehm wäre, könnte man fast von „Glück im Unglück“ sprechen, denn es erwischt uns – als perfekt harmonierendes Tandem – gleichzeitig.

Und wann passiert es? Natürlich einen Tag, nachdem Viktor auf einen Blog-Kommentar seiner Schwester antwortet und behauptet, wir hätten jetzt sogar etwas Puffer für die rechtzeitige Ankunft zum Familientreffen in Costa Rica. „Nur nicht unken“ in Reinform, würde er mal sagen.

Was ist also genau los?

Viktors Verdauungstrakt hat sich in der Nacht nicht beruhigt, es sind eher noch positionsabhängige Bauchkrämpfe dazugekommen, zum Glück nur leichte, aber an Radfahren ist da nicht zu denken. Tannacomp haben wir in der Reiseapotheke und Buscopan (bzw. „Espasmofin“ – Espasmo=Krampf, Fin=Ende) gibt es – wie auch Paracetamol – hier frei verkäuflich im Supermarkt. Peinlicherweise müssen wir auch schon an der Rezeption um Hilfe bitten, denn es war uns nicht klar, dass wir jetzt in einer Region unterwegs sind, in der das Toilettenpapier grundsätzlich nicht in die Toilettenschüssel gehört, sondern in einen Behälter daneben. Wir haben uns bisher auf die Schilder im Bad verlassen, die manchmal existieren und manchmal – wie hier im Hotel – eben nicht.

Schild im Hotel in San Luis Talpa

Jutta hatte vor zwei Nächten schon ein wenig gefroren, nachts im Spiegel rote Flecken am Oberkörper entdeckt und letzte Nacht dann richtigen Schüttelfrost (nach dem Schwindel) bekommen, aber bisher kein Fieber. Während der Fahrt gestern hatte sie schon Rückenschmerzen, die wir noch auf die schlechten Streckenverhältnisse geschoben haben, die jetzt aber stärker geworden sind, besonders im Liegen. Dazu Kopfschmerzen und allgemeine Schlappheit. Die Symptome passen ziemlich gut zu Dengue(-Fieber). Wir sind dagegegen doppelt geimpft, so dass wir nur mit einem leichten Verlauf rechnen, aber trotzdem ist da jetzt nicht an die körperlichen Anstrengungen des Radfahrens zu denken. Wer Jutta kennt, weiß um ihre Aversion gegen Schmerzmittel. Wenn Viktor Paracetamol kaufen darf und sie 1.000 mg davon einnimmt, dann ist es definitv schon etwas heftiger.

Zudem geht die nächste Etappe über die Grenze nach Honduras, wo die Gesundheitsversorgung noch schlechter sein soll als in El Salvador. Und hier am Ort gibt es gleich mehrere Krankenhäuser, eines nur 200 Meter vom Hotel entfernt. Dort könnten wir morgen eventuell auch einen Antigen-Bluttest machen lassen, um ganz sicher zu gehen. Also auch hier eher „Glück im Unglück“, zumindest was den Zeitpunkt und Ort angeht.

Womit wir auch noch eine ganze Weile unsere Zeit verbringen: vor der Einreise nach Nicaragua, die einen Tag nach unserem Aufbrechen von hier ansteht (denn wir werden planmäßig nur zwei Tage in Honduras sein), muss man ein recht aufwendiges Online-Formular ausfüllen, eigentlich mindestens sieben Tage im Voraus. Es sind mehrere Seiten, und erst beim dritten Versuch geht der Antrag durch. Ob wir den dann – wie erwünscht – auch noch als Papierausdruck mitnehmen müssen wir hier im Hotel noch klären. Bei Honduras sind wir uns nicht hundertprozentig sicher, ob wir als über Land Einreisende auch das Formular für dieses Land ausfüllen müssen, tun das vorsichtshalber aber auch noch.

Ein weiterer Vorteil des Ruhetages ist, dass wir in der Apotheke noch ein paar Spritzen kaufen können, die mit ihrer Nadel durch den seitlichen Spalt des knirschenden Freilaufes passen, um das Lithium-Fett hineinzupressen und hoffentlich damit den Staub herauszudrücken. Es werden am Ende Insulin-Spritzen von BD. Mit der 30-Gauge Nadel kommt Viktor hinein und kann mit der Sprühdose (statt Spritzen-Stempel hinten das rote Röhrchen einführen und beim Sprühen gut andrücken) auch noch einiges durch die feine Nadel in den Freilauf pressen. Jedenfalls tritt es an verschiedenen anderen Stellen wieder aus, was ihn hoffen lässt. Am nächsten Morgen ist aber auch klar, dass das Schmiermittel die feine Nadel so zusetzt, dass man für jeden Versuch eine neue Spritze benötigt – Wiederverwendung unmöglich.

Vom Supermarkt und den Obstständen am Markt sind wir auch nur einen Block entfernt, so dass wir uns um die Versorgung mit Zwieback, Krackern, Cola, Bananen, Wasser und Elektrolytgetränken nicht sorgen müssen.

Außerdem können wir ein paar Impressionen der Straßenverhältnisse fotografieren, nur damit man einen Eindruck bekommt. Klar, wir sind da vermutlich überkritisch, aber mit den Schlaglöchen haben selbst die großen LKW-Doppelreifen ihre Probleme.

Und damit keiner meint, wir kämen unseren staatsbürgerlichen Pflichten nicht nach: vielen Dank an Julius für das Ausfüllen und Einwerfen:

Wählen gehen! Sonst entscheiden andere für Euch.

Donnerstag 6.6.24 – Ruhetag 2 – Santa Rosa de Lima

Vormittags hoffen wir noch, dass das vielleicht der letzte Ruhetag in Santa Rosa wird und wir am nächsten Tag um 6 Uhr wieder auf unser Tandem steigen können. Jutta hat kaum noch Symptome und fühlt sich auch nicht mehr ganz so schlapp, vermutlich auch Dank der 1.000 mg Paracetamol, die sie morgens um 4 Uhr noch genommen hat. Die Verdauungsbeschwerden von Viktor sind auch 50% gebessert … Hoffnung keimt auf.

Am Nachmittag wird aber klar, dass es bei uns beiden weiterhin nur mit Medikamenten geht. Jutta braucht weiterhin Paracetamol, und für Viktor kaufen wir beim gemeinsamen Einkauf im Supermarkt noch ein stärkeres Mittel (Loperamid). Prophylaktisch nehmen wir auch eine Antiparasiten-Kur mit, von der uns unser WarmShowers-Kontakt in Antigua schon berichtet hatte. So eine 3-Tages-Kur würden viele Menschen in Guatemala alle paar Monate mal machen, hatte er uns berichtet. Die nehmen wir aber nicht ein, sondern sie kommt in unsere Reiseapotheke, denn wir wissen nicht, wie die Versorgung in Honduras und Nicaragua sein wird. Auf der Packung steht jedenfalls, dass sie in Honduras verschreibungspflichtig ist, während sie hier in El Salvador im Supermarkt frei verkäuflich ist.

Wir buchen das Hotel also für eine weitere Nacht und fahren somit frühestens am Samstag weiter, vielleicht auch noch später.

Um die Zeit totzuschlagen schauen wir uns auf dem Laptop einen Netflix-Film an, der sich aber als ziemlich schlecht herausstellt: „Im Wasser der Seine“

Wir nutzen den Tag aber auch für Sinnvolles:

Eine Prüfung der Etappen bis Costa Rica (Fidelito Ranch), wo wir uns mit Familie treffen wollen, ergibt, dass wir selbst bei einer Weiterfahrt am Samstag und einem Ruhtag für eine Vulkanerwanderung in Nicaragua noch vier Puffertage haben. Die können zwar auch ganz schnell weg sein, wenn wir weitere Erkrankungen oder technische Defekte haben sollten, aber wir sind immer noch ganz entspannt.

Viktor fragt außerdem in der Mittelamerika-Cycling-WhatsApp-Gruppe nach den Rezepten der anderen Mitglieder, um Mückenstiche zu vermeiden. Wir wissen beim besten Willen nicht, wie wir das noch besser hinbekommen können. Die Mücken, die Dengue übertragen, sind tagaktiv. Nachts können und wollen wir nicht radeln, es wird auch dringend davon abgeraten. Wegen der Temperaturen fahren wir früh los, zu einem Zeitpunkt kurz nach dem Sonnenaufgang, wo die Mücken besonders aktiv sind. Wir sprühen uns aber mit Repellentien ein. Wir schaffen es einfach nicht, in langer, heller, locker sitzender Kleidung unterwegs zu sein, wie das ebenfalls oft empfohlen wird. Das ist uns auf dem Rad einfach zu warm.

Die Antworten in der WhatsApp-Gruppe sind eindeutig: Den Mücken kannst Du auf dem Fahrrad nicht 100%ig entgehen. Du kannst nur versuchen die Stiche zu minimieren. Die meisten anderen machen es auf dem Rad ähnlich wie wir.

Unsere Frage
Übersetzung: Wir verbringen unseren zweiten Erholungstag in einem Hotel in Santa Rosa de Lima (El Salvador), bevor wir die Grenze nach Honduras überqueren. Meine Frau hat leichte Dengue-Symptome, aber kein Fieber (wir sind geimpft), ich habe einfachen Durchfall.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurden wir in den letzten Wochen in Guatemala und El Salvador einige Male von Mücken gestochen. Als Deutsche können wir die Hitze in langen Ärmeln und Beinen nicht ertragen. Wir fuhren um 6 Uhr morgens los und versuchten, mittags anzukommen, um den Höchsttemperaturen auszuweichen. Wir tragen kurze Sportkleidung und verwenden Repellentien. Wie machst du das? Was raten Sie uns? Danke für deine Antworten. Grüße Viktor
Eine der Antworten
Übersetzung: Zusätzlich zum täglichen Abwehrmittel verwenden wir eine zweite Schicht mit einem natürlichen Abwehrmittel, das ätherisches Citronellaöl enthält. 
Ich habe auch ein selbstgemachtes „Moskitonetz“ gemacht, das wir benutzen, wenn es beim Schlafengehen zu viele Mücken gibt. Aber tagsüber beißen sie uns immer. Ich denke, dass alle Radfahrer gebissen werden 😅, keiner von uns ist vor Mücken sicher. Die Variation liegt in den Heilmethoden.
Auch wir tragen kurze Kleidung, aber Mücken wissen sowieso immer, wie sie durch die Kleidung kommen.
Ich hoffe, dass sie bald wiederhergestellt werden! Das Beste meiner Meinung nach ist, zum Arzt zu gehen. Wenn es einem sehr schlecht geht, viel Wasser trinken und sich ausruhen!

Also, morgen gibt es hier wenig Neuigkeiten, nur den dritten Ruhetag.

Vielen Dank für die vielen Genungswünsche und die guten Ratschläge, lieber einen Tag länger als möglicherweise zu kurz zu pausieren. Wir nehmen diese sehr gerne an.

Freitag 7.6.24 – Ruhetag 3 – Santa Rosa de Lima

Jutta meint heute morgen, irgendjemand hätte uns bezüglich der Schlaglöcher geraten, einfach mit voller Geschwindigkeit durchzufahren. Wir finden diesen Ratschlag aber nicht mehr. War es im Blog, per WhatsApp, auf Facebook? Und wer war es? Na egal, hier ist der Beweis, dass es ein guter Rat ist:

Schlaglochtechnik
Der Vorteil von Ruhetagen: Man kann sich mal ein wenig belesen, um die extremen Kontraste und die am Straßenrand sichtbare Armut hier ein wenig besser zu verstehen. Danke für den Tipp Thomas.
“Atras de Pizza Hut”. Falls uns jemand sucht, wir sind im Hotel „hinter Pizza Hut“. Das ist die offizielle Adresse!

So ein Ruhetag schafft auch Freiräume, um z.B. Freundschaftsspiele der Deutschen Nationalmannschaft anzuschauen. Blöd nur, wenn beim entscheidenden 2:1 das ESPN-Signal versagt. Gut, wenn man dann per WhatsApp bei Fussball-Experten nachfragen kann, ob es ein schönes Tor war:

Wir schauen uns auch noch einen weiteren (polnischen) Netflix-Film an, der deutlich besser ist als der von gestern.

Es ist der Abend des dritten Ruhetages und wir fühlen uns beide fit genug, um morgen weiterzufahren. Das untätige Rumhängen an diesem eher hässlichen Ort (wir haben es „Cara Sucia 2 getauft – passt auch, erste und letzte Stadt in El Salvador) nervt und das rekonvaleszente Herumliegen tut dem Rücken auch nicht gut. Die paar Rückenübungen, die wir tagsüber einstreuen, helfen da nicht wirklich.

Wenn heute Nacht nicht noch irgendwas Unerwartetes passiert, geht es morgen um 6 Uhr weiter in Richtung Honduras. Und ab kurz vor der Grenze fahren wir dann auch das erste Mal auf der offiziellen Panamerikana. Zeitlich liegen wir ganz gut auf Kurs. Hier der grobe Plan, der sich natürlich täglich ändern kann.

Samstag 8.6.24 – Santa Rosa de Lima (El Salvador) – San Lorenzo (Honduras)

Gesamt: 2.882,02 km

Wir fahren endlich wieder Rad!

Die erste Stunde fahren wir heute direkt in den Sonnenaufgang. Und das auf einer erst sehr, sehr schlechten Straße. Viktor hat noch keine Sonnenbrille auf, also muss Jutta vor allen Straßenschäden warnen. Aber irgendwann wechseln wir auf die CA-1 – die Panamericana – und die Straßenqualität steigt gewaltig. Kurz vor der Grenze frühstücken wir noch im Stehen an einer kleinen Texaco und sind dann um etwa halb acht an der Grenze. Erst passieren wir den Zoll, einen Kilometer weiter ist das Migrationsbüro von El Salvador, wo wir den Ausreisestempel bekommen, dann geht es über eine recht lange, ganz leere Brücke, und schließlich gehen wir nacheinander in das Migrationsbüro von Honduras, weil uns das Alleinlassen des Tandems dort nicht geheuer ist. Jeder von uns muss drei US-Dollar Steuern für die Arbeit des Migrationsbüros zahlen.

Weiter geht`s bei immer größerer Hitze bergauf und bergab auf der CA -1, der LKW-Verkehr hält sich einigermaßen in Grenzen, vielleicht, weil Samstag ist. Wir brauchen noch eine kurze, und nach 50 Kilometern in Nacaome eine längere Pause zum Abkühlen und Stärken. Landschaftlich ist es ganz schön – viele grüne Hügel -, nur liegt hier in Honduras wieder sehr viel Müll am Straßenrand. Um 12:15 Uhr haben wir das Casa Vieja Hotel in San Lorenzo erreicht und dürfen glücklicherweise gleich auf`s Zimmer. Beim Duschen denken wir uns: gut, dass wir im letzten Hotel drei Tage bleiben mussten und nicht hier. Das Duschwasser (ich schreibe absichtlich nicht Strahl) rinnt an der ungefliesten Wand herunter, die auch schon ganz schimmelig ist. Die Dusche in Santa Rosa war tadellos! Als Viktor eine halbe Stunde später duscht, muss aber irgendwo eine Pumpe angesprungen oder ein anderer Wasserverbrauch eingestellt worden sein, denn da kommt das Wasser relativ normal aus dem Duschkopf.

Nachmittags gehen wir die Straße des Hotels weiter in Richtung Lagune und kommen zum „Strand“ von San Lorenzo, wo wir Sightseeing machen wollen. Der angeblich alte Pier ist 2018 neu aufgebaut und winzig, aber wir gehen am Wasser entlang bis zum Ende weiter, bekommen immer wieder Angebote für eine Bootsfahrt zu den Mangroven, sehen viele Menschen im Wasser baden, und kehren schließlich ein auf ein Getränk bei einem Restaurant, das auf dem Logo die Flagge von Honduras und von Deutschland hat und außerdem „Tucher“-Bier anbietet. Wir unterhalten uns, natürlich auf Deutsch, da kommt ein älterer Herr zu uns, der uns gehört hat: Werner Völk aus Stuttgart, der seit 1968 hier lebt und das Restaurant (und noch einiges mehr) aufgebaut hat. Seine Theke stand vor vielen Jahren mal waagerecht, aber mittlerweile ist das linke Thekenende mit dem gesamten Gebäude immer weiter abgesackt (trotz deutscher Gründlichkeit beim Betonfundament des Gebäudes). Er zeigt uns die Ecke, an der er nach jedem Erdbeben einen neuen Strich angebracht hat, um die Absenkungen zu dokumentieren (siehe Foto unten mit den Daten der Erdbeben).

Er hatte vorher schon in über 100 Ländern gearbeitet und fand es hier am schönsten. Er hat nach eigener Aussage Alzheimer und hat uns sehr viel erzählt – und zwischendurch immer wieder gefragt „oder habe ich das schon erzählt?“. Ob sein jüngstes Kind wirklich erst 14 Jahre alt ist – wer weiß? – aber es war recht unterhaltsam mit ihm und gar nicht so einfach für uns, wieder zu gehen.

Ein frühes Abendessen nehmen wir im winzig kleinen Restaurant unseres Hotels mit erstaunlich großer Karte ein und stellen währenddessen fest, dass gegenüber ein Stadion liegt, da die Flutlichter gerade angehen, und als wir ins Zimmer gehen, startet dort nicht etwa ein Fußballspiel, sondern eine Art Open-Air-Disco mit lauter Musik, Ansageversuchen und zahlreichen gedärmverdrehenden Rückkopplungen. Wir hoffen, dass es nicht zu lange gehen wird, denn um fünf morgen früh stehen wir wieder auf.

Sonntag 9.6.24 – San Lorenzo (Honduras) – Somotillo (Nicaragua)

Gesamt: 2.967,19 km

Die Veranstaltung gestern Abend dauerte bis Mitternacht, allerdings hat ein starkes Gewitter ab halb zehn eine Weile die Musik übertönt. Aber beides hat eine von uns am Schlafen gehindert. Egal, morgens um viertel vor sechs sind wir abfahrbereit – der Tag verspricht, lang zu werden.

Das Herauskommen aus San Lorenzo geht ein bisschen durch den Ort, bis wir an eine Straßensperrung kommen und daraufhin landen wir sogar schneller wieder auf der Hauptstraße, zunächst die CA-1. Es fährt sich sehr schön, noch nicht so warm und noch nicht so viel motorisierter Verkehr sonntags gegen sechs. Aber ein Mann, der um diese Zeit schon unterwegs ist, überholt uns, hält an, filmt uns und wir halten an zum Telefonnummern-Austausch. Kurz darauf hält er noch einmal vor uns an, da er Viktors Nummer doch nicht gespeichert hat. Und so haben wir wieder einmal Material mit uns Beiden fahrend – immer wieder schön:

Wir haben diesmal gar nicht geschaut, wie die Pausenmöglichkeiten so aussehen, und nachdem wir nicht gleich die erste Tankstelle nehmen wollen, kommt die nächste Möglichkeit erst nach 30 Kilometern, da sind wir schon ganz schön kaputt vor dem Frühstück, zumal es auch leider wieder sehr schnell heiß geworden ist. Frisch gestärkt (mehr oder weniger) geht es weiter durch die grüne Natur, vorbei an Mangrovenwäldern, durch hügelige Landschaften etc..

Die einzige echte Stadt, die wir heute passieren – Choluteca – beschert uns den Wechsel von der CA-1 auf die CA-3, und dabei folgen wir dummerweise Komoot und landen auf grottenschlechten Wegen, von Straßen kann da keine Rede sein, und die Stadt ist gar nicht mal klein. Die CA-3 ist aber glücklicherweise auch gut ausgebaut, ähnlich der Panamericana, auf einem Stück noch in der Stadt gibt es sogar einen Radweg, wenn auch in schlechtem Zustand…

Es wird immer wärmer und wir bräuchten eigentlich ab und zu eine Abkühlung, aber dieser Teil von Honduras ist so dünn besiedelt – es gibt lange nichts. Die Grenze nach Nicaragua steht erst bei Kilometer 78 an, und vorher soll es eventuell noch eine Tankstelle bei Kilometer 65 geben – wir hoffen darauf. Dort angekommen schwächelt Viktor schon etwas und braucht dringend ein kaltes Getränk aus dem zugehörigen klimatisierten Laden. Er rüttelt an der Türe … verschlossen. Verdammt, diese Sonntage sind echt blöd. Komisch nur, dass an einem Tisch eine Person sitzt, die auf das Rütteln an der Türe mit völliger Regungslosigkeit reagiert. Jutta entdeckt auf der andere Straßenseite einen kleinen Laden (Mercadito Sinai), also geht Viktor hinüber, ausgestattet nur mit einem 10-Dollar-Schein, denn wir haben natürlich bis kurz vor der Grenze dafür gesorgt, dass wir alle Lempira ausgegeben haben. Die Ladenbesitzerin akzeptiert zum Glück Dollar. Also werden zwei Gatorade und eine kleine Mirinda aus dem Kühlschrank geholt, der 10 Dollar-Schein wechselt die Seiten und die Mirinda wird sofort geöffnet – Zisch!

„Der 10 Dollar-Schein ist ja mit Kugelschreiber beschriftet, den kann ich nicht annehmen! Den nimmt die Bank nicht an.“ – Schockstarre mit bösem Blick – „Ich habe nichts anderes, wenn Sie keine Kreditkarte akzeptieren“. Viktor schiebt die Flaschen wieder rüber – inklusive der bereits geöffneten, aber noch nicht angetrunkenen Mirinda. „Ja, aber die ist ja schon geöffnet!“ – noch ein böser Blick – es folgen zwei Minuten Diskussion zwischen Mutter und Tochter und dann das Angebot, den Schein zu einem schlechteren Kurs anzunehmen – 22 statt 23 Lempira pro Dollar – oh Mann – das ist jetzt sowas von egal! Die fünf Dollar Wechselgeld gibt es natürlich in Lempira zurück.

Glücklich-genervt kehrt Viktor über die Straße zurück zur Tankstelle, wo Jutta weiterhin direkt neben dem Tandem steht und wartet. „Da sind gerade ein Mann und ein Kind reingegangen!“ sagt sie dann … häh … wo? Dieser verdammte klimatisierte Tankstellenladen, der natürlich Kreditkarten akzeptiert hätte, hat noch eine andere Tür und war die ganze Zeit geöffnet. Wer von uns diese Türe nun hätte eher entdecken können wird jetzt hier nicht diskutiert 😉 … noch ein böser Blick und tieeeeeeeefes Durchatmen … bevor wir uns auf die letzten Kilometer zur Grenze Nicaraguas machen.

Gegen 13 Uhr sind wir (neben einer großen Anzahl an LKW) an der Grenze. Zuerst fängt uns eine Grenzerin ab, kontrolliert schonmal unsere Pässe und meldet telefonisch zwei Deutsche mit einem sehr großen Fahrrad vor. Bei der Honduranischen Migrationsbehörde geht erst Jutta ins Gebäude und wird an den Einreiseschalter geschickt, obwohl wir doch ausreisen. Nun denn, nach einem erneuten Foto gibt es den Ausreisestempel. Als dann Viktor hinein geht, ist auch gerade ein ganzer Reisebus angekommen und es dauert ein bisschen länger. Wir überqueren eine längere Brücke, auf der wir sogar fahren und kommen auf Nicaraguanischer Seite an. Dort wollen wir ins Migrationsbüro, werden aber zurückbeordert, weil wir vorher bei einer Mitarbeiterin, die anscheinend für die Gesundheit zuständig ist, vorstellig werden müssen, die Einiges in ihren Computer tippt und uns mehrfach fragt, ob wir jemals in Südamerika waren. Der junge Mann im Migrationsbüro selbst ist ganz nett – wir müssen viele Fragen zum Aufenthalt hier, zu unseren Berufen (er will die Berufe auch auf Deutsch hören und spricht sie nach – A-PO-TE-KA-RIN) etc. beantworten, und hier reicht auch nicht das Foto, das wir ja schon von Honduras kennen, nein, hier müssen wir auch Fingerabdrücke aller zehn Finger abgeben und 13 US-Dollar pro Nase zahlen. Einen Einreisestempel gibt es aber nicht: wir seien jetzt im System und bekämen bei der Ausreise dann den Stempel. Das Ganze hat eine gute Stunde gedauert – das ist Rekord.

Jetzt sind es nur noch eine Steigung und wenige Kilometer bis zum Zielort Somotillo, und wir unken schon, dass wir nach so einem Tag nicht gleich in der ersten angefragten Unterkunft bleiben können, aber unsere erste Wahl (es gibt eigentlich nur zwei Hostales und ein Autohotel hier) vermietet uns gleich ein Zimmer – sehr einfach, mit vielen Mücken, aber AC, wenn der Strom nicht ausfällt, denn das ist abends der Fall.

Es fängt kurz nach unserer Ankunft schon an zu regnen, und wir entscheiden uns, den ganz kurzen Weg zur Pizzeria zu gehen, teilen uns eine große Pizza, zahlen die Rechnung mit dem Rest Lempiras (Wechselgeld von Viktor mittags) und US-Dollar gestückelt, weil wir noch keine Cordoba Oro für Nicaragua haben (als Wechselgeld gibt es unsere ersten Cordoba Oros) und gehen in der wohl einzigen Regenpause während des Stromausfalls wieder zurück. Im Zimmer prasselt der Regen wieder auf`s Wellblechdach, und das den ganzen Abend, richtig schön laut und irgendwann tropft es dann auch durch die Decke … zum Glück neben dem Bett.

Das „Badezimmer“ ist mit einem Vorhang vom Rest abtrennbar, das Abwasser des Waschbeckens wird über ein Rohr in die Dusche geleitet und läuft dort ab. Dasselbe passiert auch mit dem Kondenswasser der Klimaanlage. Viktor witzelt noch: „Gut dass sie das mit Toilettenwasser nicht auch so machen“ … aber das läuft einfach gar nicht ab. Erst wenn die Schüssel randvoll ist versickert es … oder vielleicht verdunstet es auch mit der Zeit.

Diese Woche sind wir zwar wegen unserer Krankheitstage nur vier Tage radgefahren, das aber in drei Ländern, das schafft man auch nicht überall.

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