Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Monat: November 2024

Woche 35 (25.11.24 – 1.12.24) Salar de Uyuni – Salta

Montag 25.11.24 – Uyuni – La Quiaca (Argentinien)

Nach einem sehr schönen Frühstücksbuffet ist unser Tandem schon wie von Geisterhand hinten auf einen Pick-Up geladen. Wir haben zu viertel nach acht einen Transport nach Uyuni bestellt, und obwohl es erst acht ist, hat der Taxifahrer schon ganz eifrig die Fahrt vorbereitet. Wir lassen uns mit dem Auto fahren, weil wir den blöden Weg von gestern nicht noch einmal fahren wollen, und weil wir schon um zehn Uhr den Bus nach Villazon nehmen wollen. Eine weitere Nachtfahrt mit wening bzw. gar keinem Schlaf wollen wir uns lieber ersparen und der zweite Bus des Tages nach Villazon fährt erst um 20:00 Uhr und kommt um 3:00 Uhr morgens an. Der Fahrer des Pick-Up hält in Uyuni noch am Büro von Todo Turismo, wo wir unsere restlichen Taschen einladen, und bringt uns dann zum Busterminal, genau an die Haltebucht, in der unser Bus halten wird.

Wir kaufen uns zwei Tickets und haben noch eine Stunde bis zur Abfahrt. Etwa fünf Minuten vor der geplanten Zeit kommt der Italienische Bikepacker von gestern und will den gleichen Bus nehmen. Heute fragen wir ihn dann auch nach seinem Namen: Matteo. Der Bus ist immer noch nicht da, aber immerhin kommt er um kurz nach zehn. Matteos Rad kann mit dem nur leichten Gepäck komplett in den Gepäckraum (und später noch woanders hin…). Auch unser Tandem und die Taschen werden gut verstaut, und wir müssen nicht einmal etwas zahlen.

Dann beginnt die Fahrt im sehr stickigen, heißen Bus. Die Lüftung funktioniert leider gar nicht, von einer Klimaanlage ganz zu schweigen. Es geht durch beeindruckende Landschaften, über viele Pässe oberhalb von 4.000m Höhe. Laut einem Verkehrsschild sollen in der Gegend Emus herumlaufen, aber leider sehen wir nichts in der Richtung. Die Ankunftszeit in Villazon soll 15 Uhr sein, aber während der Fahrt merken wir schon, dass das wohl nichts wird. Schließlich sind wir um 15:15 Uhr in Tupiza, ca. 100km vor Villazon. Dort wird uns gesagt, wir müssten jetzt in einen kleinen Van umsteigen – der Bus führe nicht weiter. So war es nicht geplant, aber unser Busfahrer ist krank – er sieht auch sehr schlecht aus – die bläulich-grünen Lippen könnten an Sauerstoffmangel liegen oder an den vielen Kokablättern. Jedenfalls gibt keinen Ersatzfahrer. Wir können wahrscheinlich froh sein, dass wir heile bis hierher gekommen sind.

Wir sind hin- und hergerissen, ob wir wirklich das Tandem oben auf dem Dach des Vans transportieren wollen, aber als das Rad von Matteo (inklusive dem Gepäck) oben drauf steht, lässt auch Viktor sich überzeugen. Letzten Endes sind beide Räder aneinandergelehnt, und dazwischen liegen noch einige unserer Radtaschen. Alles wird festgezurrt, und los geht es. Der Van ist brechend voll, ganz vorne neben dem Fahrer sitzen der kleine Sohn und seine Frau. Wir sitzen direkt dahinter und können sehen, wie der Sohn den Vater immer wieder ablenkt (bis er irgendwann einschläft … also zum Glück der Sohn 😉 ), und wie der Fahrer, der schon beim Losfahren eine dicke Backe hat, sich alle paar Minuten neue Kokablätter in den Mund schiebt. So richtig glücklich sind wir mit dieser Art des Transportes nicht, aber es sind ja nur noch 100 km.

Kurz vor Villazon jammert der Fahrer, dass sein Tank fast leer ist – er schafft es noch, fährt aber nicht bis zum Busbahnhof. Irgendwo am Straßenrand, schon nahe der Grenze nach Argentinien, werden wir rausgelassen. Mit dem Gepäck auf dem Dach ist tatsächlich alles gut gegangen.

Matteo schließt sich uns für den Grenzübergang an. Bei der Bolivianischen Migration bekommen wir keinen Ausreisestempel, nur ein Stück Papier. Bei den Argentiniern dauert es etwas länger. Juttas Grenzbeamter hat seine Backentasche auch voll mit Kokablättern – wahrscheinlich muss er schon sehr, sehr lange arbeiten, sehr eifrig scheint er trotzdem nicht. Aber auch hier bekommen wir keinen Stempel – unsere Einreise ist nur digital aufgenommen. Wir haben 90 Tage, aber nichts, was unser Einreisedatum nachweist, das ist etwas dumm. Matteo kann einfach an der Gepäckkontrolle weiterfahren, wir müssen unsere gerade erst festgemachten Taschen alle durch ein Röntgengerät laufen lassen und anschließend noch einmal aufs Rad packen.

Nach insgesamt nur ca. zwei km Fahrt sind wir am Hotel in La Quiaca angekommen. Der Preis des Hotels liegt hier in Argentinien wieder im vierstelligen Bereich (mehrere 1.000 Pesos), das hatten wir schon länger nicht mehr. Auch die Steckdosen sehen ganz fremd aus, mit diagonal stehenden Schlitzen. Wir bekommen an der Rezeption einen Adapter und einen Elektroladen genannt. Auch, wenn alle immer sagen, man solle hier in Argentinien auf dem Schwarzmarkt Dollar in Pesos tauschen, wollen wir den ehrlichen Weg versuchen und Geld am Automaten abheben. Bei strömendem Regen laufen wir zu einer Bank und bekommen nach vielen Versuchen mit höheren Beträgen nur 50.000 Pesos (ca. 50€) ausgespuckt, und das für über 10.000 Pesos Gebühr (über 20 %). Okay, das machen wir heute einmal, um Dinge zahlen zu können, aber das ist keine Lösung für die Zeit hier in Argentinien.

Wir gehen in ein von Viktor gesichtetes Restaurant um die Ecke. Die Bedienung sagt, dass die Chefin und Köchin in zehn Minuten wiederkäme, sie selber noch neu sei und nicht kochen würde. Während wir warten, bekommen wir mit, dass sie auf die mindestens drei Kinder der Chefin aufpassen muss, während sie im Restaurant die Stellung hält und ziemlich sauer ist. Sie fragt dann auch doch, was wir möchten, und geht selber in die Küche. Viktor bekommt eine Pizza, Jutta eine Kartoffeltortilla. Jutta muss ziemlich viel Schinken aus ihrem Essen heraussuchen, aber dann schmeckt es einigermaßen. Viktor sagt kurz vor Beendigung der Pizza: „Wenn der Teig kalt wird, schmeckt er noch schlechter“. Und, dass die Oliven ganz gut waren. Na ja, die richtige Köchin war ja nicht da, sie kommt aber gut gelaunt und von der Bedienung und den Kindern herbeigesehnt um 21 Uhr ins Restaurant marschiert.

Der Regen hat aufgehört, und wir gehen noch zum Elektroladen. Dort sehen wir, dass das angebotene Ladegerät ziemlich so aussieht, als würde es in unsere Schuko-Steckdosen passen. Wir kaufen erst einmal nichts und graben den Deutschen Stecker wieder aus. Den haben wir zwar in Peru mal ganz kurz benutzt (ganz im Norden), sonst aber noch gar nicht, aber er passt tatsächlich in die hiesigen Steckdosen. Wahrscheinlich passen in diese Steckdosen ganz viele verschiedene Stecker. Und wir kommen mit unseren Geräten auch hier zurecht.

Dienstag 26.11.24 – (124) – La Quiaca – Abra Pampa

Gesamt: 7.599,87 km

Morgens vor dem Frühstück telefonieren wir mit unserem Sohn Julius: im seit Langem laufenden Prozess gegen Viktor und ihn wegen Urheberrechtsverletzung (ein BitTorrent-Unfall) ist Viktor entgegen aller Erwartungen, selbst der des eigenen Anwalts, tatsächlich freigesprochen worden. Und das Urteil ist so formuliert, das auch eine Folgeklage gegen Julius wenig Erfolg versprechend ist. Das ist eine sehr gute Nachricht am frühen Morgen (und in Deutschland ist es nur noch vier Stunden später – kaum zu glauben!). Seit gestern sind wir in der Argentinischen Zeitzone, die sich offenbar an Buenos Aires orientiert.

Wir frühstücken gleichzeitig mit einigen Motorradreisenden aus Brasilien, die uns u.a. Tipps zum Geldwechseln geben können. Als wir das Tandem beladen, kommt Matteo gerade vorbei, um sich zu verabschieden: er will schnell Richtung Süden und heute schon den nächsten Bus nehmen. Vielleicht kann er uns dann berichten, ob man hier wirklich das Rad immer in einen Karton packen muss, oder ob es auch ohne geht.

Zuerst fahren wir zur einzigen Sehenswürdigkeit von La Quiaca: dem „Cartel La Quiaca“: wir sind hier im nördlichsten Ort von Argentinien und Ushuaia ist der südlichste, und deshalb gibt es hier diese Tafel. Unser Hotel bietet auch Pässe für die Ruta 40 an, die hier beginnt und nicht ganz bis Ushuaia geht. Viele Reisende (Auto, Moto, Rad) kaufen sich so einen und lassen sich in den Städten auf der Strecke Stempel geben. Wir haben uns diesen Pass gespart. Nach einem Supermarktbesuch fahren wir dann richtig los, es ist schon fast halb zehn.

Die heutige Strecke führt ohne auch nur einmal abzubiegen auf ziemlich gerader Strecke Richtung Süden. Es gibt keinen Seitenstreifen. Der ist aber auch nicht nötig, denn der Verkehr hält sich sehr in Grenzen. Meistens ist vor oder hinter uns kein motorisiertes Fahrzeug zu sehen, und nur manchmal sind es mehrere auf einmal.

Noch ziemlich zu Anfang hält uns ein Motorradfahrer aus Peru an: Daniel, genannt xx. Er ist aus Arequipa, seinerzeit auf die Deutsche Schule gegangen und war zum Schüleraustausch einmal in Osnabrück. Heute morgen ist er aus Abra Pampa gekommen, und er erzählt von seinem Hotel dort. Außerdem macht er uns mit der App xxx bekannt, mit der man leicht Routen berechnen lassen kann, und bei der man auch Karteninformationen hat, wenn das Handy offline ist. Unsere Maya-eSIM scheint hier nicht zu funktionieren, daher ist dieser Tipp sicher ganz hilfreich.

Die Landschaft variiert nicht sehr, aber rechts und links weiden viele Lamas und weniger Schafe, und auf beiden Seiten in der Ferne ziehen sich Bergketten entlang – wir fahren auf einer Hochebene – es gefällt uns ganz gut. Allerdings kommen wir auf den fast 75 Kilometern nur durch zwei winzige Ortschaften (Pumahuasi und Puesto del Marquez), in denen es weder Einkehrmöglichkeiten noch Läden gibt. In beiden Orten gibt es aber Sitzplätze im Schatten, und wir haben uns heute im Supermarkt wieder mit Snacks eingedeckt.

Unterwegs sind die Kilometerschilder am Straßenrand gerade die 19-Hunderter. Wir halten bei 1965, Viktors Jahrgang, und machen ein Foto. Später wollen wir eine Gruß an Viktors Mutter fotografieren, verpassen aber irgendwie die 1940 (oder fehlte das Schild?). So machen wir also ein Bild bei 1939 und senden einen Gruß an Maria-Luisa, aber natürlich auch an Günter, Hille und Thom.

In Abra Pampa finden wir ein Eisschild an einer Tür und wollen uns ein Eis gönnen, bevor wir uns eine Unterkunft suchen. Eiscafé kann man das hier nicht nennen, hinter einem kleinen „Verkaufstisch“ ist alles dunkel, und wir können nicht sehen, woher die Dame das Kugeleis holt – es dauert ziemlich lange, bevor sie erst die eine Waffel, dann die zweite zu uns herausbringt.

Einen Block weiter befindet sich das Hotel, in dem Daniel gestern war, und wir checken jetzt auch dort ein. Die Zimmertür bleibt nur geschlossen, wenn man zweimal abschließt, aber wir haben heißes Wasser, gutes WIFI und der Besitzer ist bereit, uns US-Dollar zu einem akzeptable Kurs (1:1.000) in Argentinische Pesos umzutauschen.

Den weiteren Nachmittag nutzen wir für den Blog und weitere Aufarbeitungen. Während wir um Zimmer am Blog schreiben wird es draußen kurzzeitig richtig stürmisch, man hört ein paar Donner und … der Strom fällt aus. Der kommt auch bis 21:00 nicht zurück, so dass wir in der Dämmerung in einem Restaurant am nahegelegenen Bus-Terminal essen und im Stockdunkeln Getränke für morgen kaufen, bevor wir uns im dunklen Hotelzimmer ins Bett begeben.

Irgendwann nachts kommt der Strom wieder – von draußen strahlt ein Flutlicht durch die halb geöffnete Gardine – aber es sind nicht alle elektronischen Geräte aufgeladen (der Garmin z.B. nicht).

Mittwoch 27.11.24 – (125) – Abra Pampa – Humahuaca

Gesamt: 7.685,56 km

Das hätte heute unser perfekter Radfahrtag werden können, wenn nicht unsere Schutzengel ganze Arbeit hätten leisten müssen. Aber von Anfang an:

Wir gehen um sieben im Hotel frühstücken und bekommen, obwohl wir auf die Frage Kaffee oder Tee mit „Tee“ geantwortet haben, Kaffee serviert. Immerhin richtigen, weder aus Pulver noch aus Konzentrat. Um acht machen wir uns auf die über 80 km lange Strecke. Die ersten gut 25 km geht es stetig etwas bergauf, es geht aber so gemächlich hoch (Gänge 5 – 9 der 14-Gang-Schaltung) und die Landschaft ist so schön, dass es uns ganz gut aus den Beinen geht – trotz der Höhe.

Kurz nach dem höchsten Punkt der heutigen Strecke (3.780 m) liegt links der Ort Tres Cruzes. Es soll tatsächlich eine Art Cafeteria dort geben, wird uns auf Nachfrage bei der Polizei an der Straße gesagt, also fahren wir ab. Neben der Kirche gibt es eine Hospedaje mit einer Tafel davor, die auf Sandwiches und anderes hinweist. Wir haben Glück, und bekommen neben Sandwiches und Kaffee auch noch Tipps von der Besitzerin Rosa sowie einen Blick aus dem oberen Zimmer (fast ein Mirador). Letzte Nacht hatte sie zwei Franzosen als Gäste, von denen immer einer Rad fährt, der andere läuft. Sie sind heute ebenfalls nach Humahuaca unterwegs – vielleicht sehen wir sie ja nachher.

Aus dem Café sendet Viktor noch eine Nachricht an die WhatsApp Gruppe „Cycling South America“, denn wir sind wirklich froh, dass wir den Ratschlag von Paul Bergmann (Pedalen-Paul), einem der Aktivposten in der Gruppe (wohnt übrigens in Berlin) angenommen haben, und nun hier im Norden Argentiniens unterwegs sind.

Pauls Anwort

Hier im Ort werden große Kunststoffflaschen weiter verwendet als Grundstücksumrandungen und als Schutz für Neuanpflanzungen – etwas skurril.

Nach ausgiebiger Pause dort haben wir noch weitere 56 km ohne jegliche Ortschaft vor uns – Rosa spricht aber von einer Art Kiosk auf etwa halber Strecke, wo man etwas zu Trinken kaufen könne.

Größtenteils leicht oder auch steiler bergab kommen wir sehr gut voran und staunen immer wieder über die verschiedenen Felsen auf der linken Seite – rechts ist weiter Pampa mit weidenden Lamas. Nach einer drei Kilometer langen Steigung nach gut halber verbleibender Strecke kommt am Rand eine rote Hütte, und wir vermuten den angekündigten Kiosk. Es stehen auch schon zwei Motorräder dort. In der Hütte scheint jemand zu wohnen, aber wir unterhalten uns ganz nett mit den beiden Argentinischen Motorradfahren, bevor wir weiterfahren.

Als nach einigen Kilometern links wieder ein Gebäude erscheint, neben dem wir Tische und Stühle zu erkennen meinen, erwarten wir dort diesen ominösen Kiosk. Aus der Nähe sehen wir zwar, dass dort keine Menschenssele ist, aber wir wollen uns trotzdem dort in den Schatten setzen. Und obwohl Viktor die ganze Zeit immer in den kleinen Rückspiegel geguckt hat und ihn heute immer wieder in die richtige Position drehen musste, weil der starke Fahrtwind ihn in den Abfahrten umgeschwenkt hat – diesmal guckt er nicht hinein. Und obwohl so wenig Verkehr ist – jetzt gerade kommt ein Auto von hinten, das man wegen des Windes nicht hören kann.

Wir schwenken nach links rüber genau im Moment, in dem der Autofahrer nach links fährt, um uns zu überholen. Der Fahrer reagiert ganz schnell und erwischt nur die vordere Spitze des Tandems. Wir kippen weder um noch bekommen wir irgendetwas an unseren Körpern ab. Selbst Juttas Fuß ist in der richtigen Position, dass er nicht einmal gestreift wird, obwohl die Pedalkurbel und das Kettenblatt vorne ziemlich verbogen sind, und die Schuhe mit den Cleats ja fest mit den Pedalen verbunden sind. Da müssen unsere Schutzengel eingegriffen haben – es hätte so viel mehr passieren können!

Trotzdem bricht für uns zunächst einmal die Welt zusammen – wir sehen schon das Ende unserer Tour. Erst durch das Sichten der geringer als erwarteten Schäden kommt ganz langsam die Gewissheit, dass es weitergehen kann. Wir haben zwar kein Ersatzkettenblatt für die Stokerkette mehr (das haben wir wohl zurückgeschickt…), aber das etwas größere für den Captain scheint erst einmal zu funktionieren, auch wenn es natürlich etwas eiert wegen der verbogenen Pedalkurbel.

Der Autofahrer ist übrigens ziemlich schnell wieder aufgebrochen, ohne Telfonnummern auszutauschen (Versicherung?) und auch nicht bereit, aus dem nächsten Ort Hilfe zu schicken, die uns einsammelt. Wir können zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass wir weiterfahren können.

Genau das tun wir aber schon eine gute Dreiviertelstunde nach dem Unfall. Es sind noch knapp 25 km, immer noch viel bergab, und wir wollen versuchen, wie es klappt. Da die Stokerkette nicht abspringt, kann Jutta sogar weiterhin in die Landschaft schauen, die jetzt hier viele Säulenkakteen zu bieten hat.

In Humahuaca suchen wir erst unser Hostal, wo wir das Tandem in das Wohnzimmer der Besitzerfamilie stellen dürfen. Viktor bemerkt, dass seine Trinkflasche nicht mehr da ist und vermutet, sie am Unfallort vergessen zu haben, nachdem er sie dort noch einmal aufgefüllt hat. Er lässt sich von einem Taxi dorthin zurückfahren – leider vergeblich! Jetzt ist auch „Juttas“ Flasche weg, nachdem „Viktors“ ja schon bei der Tunneldurchquerung verlorengegangen war.

In der Ferreteria Lucas kaufen wir nach 18 Uhr (da machen die Läden hier wieder auf) Unterlegscheiben, mit denen Viktor das Eiern beheben möchte, und gehen anschließend im Restaurant Pachamanka Abendessen. Dieses entpuppt sich als außergewöhnlich gute Wahl, was nach dem Nachmittag heute sehr gut tut. Während des Essens beginnt ein heftiges Gewitter (gestern hatten sie hier das erste Mal einen kleinen Tornado). In den Straßen fließt das Wasser.

Wir bleiben ziemlich lange, aber irgendwann müssen wir aufbrechen. Es sind nur drei Blöcke zu laufen. Zuerst gelingt es uns trockenen Fußes, auch wenn wir dafür immer ein Stück in die Querstraße laufen müssen, um über eine schmale Stelle des „Flusses“ springen zu können. Die Straße und Kreuzung vor unserem Hostal ist allerdings komplett überschwemmt, so dass dann doch Schuhe und Socken durchnässt sind. Mal schauen, ob sie bis morgen trocknen.

Mit den Unterlegscheiben lässt sich am Eiern des Kettenblattes leider nichts optimieren. Es bleibt also erstmal bei der behelfsmäßigen Reparatur vom Nachmittag.

Donnerstag 28.11.24 – (126) – Humahuaca – Purmamarca

Gesamt: 7.756,39 km

Das hätte heute unser perfekter Radfahrtag werden können, wenn nicht …

Das Frühstück im Hostal gibt es erst ab acht, also können wir etwas länger schlafen und dann ein liebevoll zubereitetes Frühstück genießen. Leider sind die gestern Abend nassgewordenen Kleidungsstücke und v.a. Schuhe nicht über Nacht getrocknet. Jutta muss nasse Socken und nasse Schuhe anziehen, Viktors nasse Sandalen hängen wir hinten am Tandem an unser Gepäck.

Auf der immer noch sehr pfützenreichen Straße packen wir alles ans Tandem und fahren gegen neun Uhr los – zunächst ein wenig den Weg von gestern durch Humahuaca zurück, in der Hoffnung, die hiesige Sehenswürdigkeit (die Serrania de Hornocal) noch zu erhaschen. Leider spielen die Lichtverhältnisse da nicht mit und wir sehen nur Dunst.

Das ist tatsächlich gar nicht schlimm, auf der heutigen Strecke fahren wir stundenlang an farbigen Felsen vorbei – man könnte alle paar Minuten für ein Foto anhalten. Die Gegend ist wirklich atemberaubend schön und hat es am dritten Tag bereits unter Viktors Top 3 unserer Tour geschafft (Costa Rica, Kolumbien, Argentinien).

Leider wird der Autoverkehr immer stärker, je weiter wir in den Süden kommen, und es gibt weiterhin keinen befestigten Seitenstreifen. Manchmal wird es etwas heikel, wenn gerade Fahrzeuge von hinten und vorne gleichzeitig an uns vorbeifahren müssen. Aber Viktor schaut heute besonders häufig in den Rückspiegel, gerade wenn Lastwagen-Gegenverkehr auf uns zukommt, denn dann könnte es von hinten knapp werden, wenn Lastwagen oder Busse keine Lust haben, hinter uns abzubremsen.

An einem sehr nett aussehenden Café am Straßenrand fahren wir heute tatsächlich einmal vorbei, da wir erst etwas über elf km gefahren sind und wissen, dass noch weitere Einkehr-Möglichkeiten kommen (deshalb auch der zunehmende Verkehr 😉 ). Nach knapp 30 km halten wir an einem sehr schönen Hotel in Huacalera und bekommen Milchkaffee und Applecrumble zu Europäischen Preisen. Jutta legt ihre immer noch sehr nassen Socken und Schuhe draußen in die Sonne und kann sie nach der Stunde Pause trocken wieder anziehen.

Und ab hier beginnt dann schon der stärkste Wind, den wir auf dieser Tour bisher hatten: ein heftiger Gegenwind an der Nordseeküste ist nichts gegen den Wind hier und heute, auch wenn dieser wohl nichts gegen den Wind in Patagonien ist, der uns auch noch erwartet. Selbst in den Abfahrten müssen wir kräftig in die Pedale treten – rollen lassen funktioniert nicht. Das Tal ist immer enger geworden, und der Venturi-Effekt schlägt zu. Ohne diesen Gegenwind wäre der Tag wirklich perfekt!

In Tilcara kommen wir an einem Bahnhof vorbei, an dem ein ziemlich neuer, zwei Wagen langer Personenzug steht. Am Bahnübergang können wir lesen, dass die Strecke bis nach Volcan geht, das wären knapp 42 Kilometer. Aber es ist (außer der Bahn nach Machu Piccu und Metro oder Straßenbahnen) der erste Personenzug, den wir sehen. Und später sehen wir sogar zwei Züge in Fahrt.

An der heutigen Strecke gibt es überhaupt keine Viehhaltung, es ist eher Ackerbau-Gebiet – und auch der erste Wein ist dabei. Und statt Lamas und Schafen sind es heute (weit weniger) Esel und Pferde, die wir passieren.

Am Mirador El Monolito in Maimara, der auf der linken Straßenseite liegt, halten wir heute am rechten Straßenrand und gehen zu Fuß über die Straße. Sicher ist sicher! Oben ist es sehr, sehr stürmisch, aber wir setzen uns kurz zum Pausieren. Einen Monolithen gibt es hier gar nicht, die Gemeinde hat den Aussichtspunkt einfach so genannt, erzählt uns der Herr eines Souvenierstandes dort. Trotzdem ist die Aussicht sehr schön – nach uns hält sogar ein Van mit Touristen mit einem Guide.

Um nach Purmamarca zu kommen, müssen wir von der Nationalstraße 9 (in der Schlucht des Rio Grande) gute dreieinhalb Kilometer in die Schlucht des Flusses Purmamarca fahren – es geht stetig bergauf, aber dafür ist der Wind fast verschwunden. Im Ort halten wir erst an einem Aussichtspunkt (sieben Farben), danach noch zu einem Kaffee, bevor wir zum Hotel fahren, das direkt an den Felsen liegt.

Nach Dusche und kurzer Pause laufen wir noch zum Mirador Cerro El Porito, sparen uns aber die 45-Minuten pro Weg dauernde Wanderung zu einem weiteren Aussichtspunkt. Stattdessen gehen wir zeitig essen und können danach in aller Ruhe am Blog schreiben, ein Hotel in Santiago de Chile buchen (an das Hase-Bikes unsere Ersatzteile schicken kann), die morgige Tour planen etc..

Der Hotelbetreiber schaut Viktor bei der Kettenpflege am Tandem zu und sie kommen ins Gespräch. Die großen Autotransporter, die uns heute auf der relativ kleinen Straße aus Pumamarca entgegen kamen, kommen aus Chile aus einem Überseehafen und fahren nach Paraguay. Es sind meistens Japanische oder Chinesische Fahrzeuge, die in Argentinien aufgrund von Strafzöllen extrem teuer sind. Die großen Europäischen und Amerikanischen Hersteller (VW, Renault, Peugeot, Fiat, Ford) haben eigene Fabriken in Argentinien und sind von diesen Zöllen nicht betroffen. Wir hatten uns schon gewundert, dass wir seit der Argentinischen Grenze so viele Europäische Fahrzeuge auf der Straße sehen. Jetzt haben wir die Erklärung.

Freitag 29.11.24 – (127) – Purmamarca – San Salvador de Jujuy

Gesamt: 7.820,93 km

Das hätte heute unser perfekter Radfahrtag werden können, wenn nicht …

Wir frühstücken mit Butter-Weihnachtsplätzchen und anderen Kleinigkeiten und dürfen uns zwei Bananen für die Fahrt mitnehmen. An HASE-Bikes schicken wir heute morgen noch die Adresse unseres Hotels, das wir für den 24.12. bis 28.12. in Santiago de Chile gebucht haben. Ein neuer Kurbelsatz inklusive Kettenrad soll per DHL-Express dort hingeschickt werden. Bis dahin muss unsere provisorische Reparatur durchhalten.
Als wir losfahren wollen, werden wir von anderen Hotelgästen angesprochen (Elena und Susana aus Buenes Aires). Während wir mit ihnen reden, gesellen sich noch weitere Gäste dazu, und schon haben mehrere Argentinier aus Interesse an unserer Tour und dem einzigartigen Tandem den Link zu diesem Blog.

Es geht nicht nur die ersten gut dreieinhalb Kilometer zurück zur Ruta 9 bergab. Auch im weiteren Verlauf fahren wir von etwa 2.300 m.ü.N.N. auf etwa 1.300 m.ü.N.N. herunter. Und da wir früh genug unterwegs sind, ist der Gegenwind noch nicht so stark.

Gleich zu Beginn auf der RN9 sehen wir an einem Käsestand einen Bikepacker (César), der mit seinem Husky (Tulia) im Anhänger unterwegs nach Ushuaia ist. Während wir uns kurz austauschen, wird Jutta von Tulia besprungen und beleckt – eine gänzlich andere Erfahrung als die vielen bellenden und uns verfolgenden Hunde. Die beiden haben heute das gleiche Ziel wie wir und wir sind gespannt, ob wir uns unterwegs wieder treffen. Da aber jeder sein eigenes Tempo fährt, fahren wir lieber getrennt voneinander weiter.

Es geht weiterhin sowohl am Rio Grande als auch an der Bahnstrecke entlang, vorbei an vielen farbigen Felsformationen. Nach 20 km sind wir in Volcan und haben nicht das Gefühl, schon eine Pause zu brauchen, aber dann liegt der nagelneue Bahnhof inklusive Café/Restaurant am Straßenrand, und wir können nicht widerstehen, da wir ja auch in Tilcara schon diesen Personenzug bewundert haben. Heute lernen wir noch, dass es sich bei dieser Strecke um den zweiten Solarzug der Welt, den ersten der Amerikas handelt, und dass der Betrieb erst im Juni diesen Jahres aufgenommen wurde.

Als wir weiterfahren, geht es eine Weile ziemlich aufwärts und wir sind froh, die frühe Pause gemacht zu haben. Wir haben uns beide das Höhenprofil von heute vorher nicht angeschaut und sind danach völlig überrascht von der über zehn Kilometer langen Abfahrt in schönen langgezogenen Serpentinen. Und während der Abfahrt hält sich auch der Verkehr gerade in Grenzen. Es ist herrlich, der Fahrtwind bläst uns um die Ohren, und wir können uns großenteils rollen lassen.

Und hatten wir vor der Abfahrt noch Felsen und karge Vegetation ringsum uns, so sind wir jetzt wie in einer anderen Welt: hier in der „neuen“ Höhe ist alles saftig grün, richtig saftiges Gras, Wälder, fast wie am Amazonas. Plötzlich hören wir auch wieder Grillen, Frösche und etliche Vögel. So ein schneller Wechsel mit einem langsamen Verkehrmittel, wie es ein Fahrrad ist, das ist schon der Wahnsinn!

Nach ca. 50 gefahrenen Kilometern erreichen wir die erste Shell-Tankstelle in Argentinien – wir haben uns in den letzten Tagen etwas gewundert, überhaupt keine Tankstellen an der Nationalstraße zu sehen – und wir halten noch einmal an, um uns ein Eis am Stiel zu gönnen. Und diese Pause wird dann leider sehr lang und ist der Grund, warum der Radfahrtag doch nicht so perfekt ist: schon zum zweiten Mal heute können wir nicht mit der Kreditkarte bezahlen, und jetzt findet Viktor im Mail-Postfach auch den Grund. Unsere gebührenfreie Haupt-Kreditkarte ist gesperrt worden. Viktor ruft die DKB-Hotline an und erfährt, dass es eine „Massensperrung“ gegeben hat und eine neue Karte an unsere Heimatadresse geschickt wird. Massensperrungen passieren ganz automatisch immer dann, wenn ein Händler ein Datenleck meldet, bei dem die Kreditkarten-Daten in falsche Hände geraten sein könnten. Wir müssen also irgendwo mal mit der Kreditkarte gezahlt haben, wo jetzt ein Datenleck entdeckt wurde.

Die neue Kreditkarte nutzt uns jedoch wenig, wenn sie nach Hohen Neuendorf geschickt wird. Um einen Versand nach Südamerika zu organisieren, verbringen wir fast 60 Minuten in Warteschleifen (und warten tausende „kurze Augenblicke“ bei wundervoller Warteschleifen-Musik), bevor wir gefrustet aufgeben. Es gibt zwar Notfallkarten, die per Kurier an Reisende geschickt werden, bei denen aber die kontaktlose NFC-Funktion und der Chip nicht aktiviert sind. Nur der Magnetstreifen funktioniert für Kartenzahlungen und eine Bargeldabhebung am Automaten ist ebenfalls nicht möglich. Ja super! Warum nicht gleich ausschließlich die alte „Ritsch-Ratsch-Technik“ nutzen?

Als wir Nachmittags im Hotel dann nochmals mit der DKB-Hotline telefonieren, entspannt sich die Situation zum Glück schon wieder deutlich. Denn die neue Karte landet zwar per Post in Hohen Neuendorf, oder aber auch in Hannover (per aktivem Nachsendeantrag – der Mitarbeiter kann uns partout nicht sagen, ob auf dem Briefumschlag „Nicht Nachsenden“ steht 🙁 ), aber in der DKB-App ist die Karte tatsächlich schon freigeschaltet und kann in ApplePay und GooglePay übernommen werden. Das heißt, wir können schon am gleichen Abend über diesen Umweg mit der neuen Karte bezahlen, obwohl wir sie noch gar nicht physisch in Händen halten. Nur überall da, wo der dreistellige CVC-Sicherheits-Code benötigt wird (z.B. im Profil bei Booking.com), da kommen wir nicht weiter und müssen eine andere Kreditkarte hinterlegen, bei der wir höhere Auslands-Gebühren zahlen müssen.

Die letzten Kilometer des Tages bleiben wir auf der Ruta 9 (RN9), obwohl Komoot die Planung auf diesem Teil nicht zugelassen hat. Die Straße ist ab hier in San Pablo de Reyes als Autobahn deklariert, wir sind aber nicht die einzigen Radfahrer, und sie ist sowohl zweispurig als auch mit einem (recht sauberem) Seitenstreifen ausgestattet. Ohne uns zu verfahren kommen wir ins Stadtzentrum von S.S. de Jujuy und finden um Punkt 14 Uhr unser Hotel.

Das Zimmer ist riesig (mit hohen Decken), und wir können das Tandem darin unterstellen.

Nach dem Duschen brechen wir recht schnell wieder auf: wir wollen das erste Mal Bargeld über Western Union (WU) besorgen und einen Fahrradladen finden, der eventuell unsere verbogenen Fahrrad-Teile wieder richten kann. Die Idee ist sogar, sie so zu „richten“, dass sie das Eiern aus der verbogenen Pedalkurbel korrigieren können.

Wir experimentieren seit ein paar Tagen (eigentlich nur als Option B) mit der Western Union App, da sie von vielen Bikepackern in Argentinien empfohlen wird, um halbwegs kostengünstig an Bargeld zu kommen. Die Geldautomaten kassieren hier ja 20% Gebühr (und mehr) und spucken nur kleinste Geldmengen aus. Bei Western Union überweist man einen Geldbetrag und erhält dafür innerhalb weniger Minuten einen Code, mit dem man das Geld an jeder WU-Stelle ausgezahlt bekommt. Allerdings muss dafür genug Bargeld in der WU-Stelle vorrätig sein, was in ländlichen Gebieten ein großes Problem sein kann, denn Teilsummen werden von WU nicht ausgezahlt. Die dritte oder vierte WU-Stelle in der Stadt sagt uns, wir könnten in einer Stunde wiederkommen, dann hätten sie genug Bargeld für uns zusammen. In der Zwischenzeit gehen wir Kaffee trinken und suchen einen Radladen auf. Dieser bietet keine Reparaturen an, gibt uns aber einen Tipp für eine Werkstatt – und einen Tipp, wie wir morgen am Besten über Radwege aus der Stadt herausfahren können. Wir gehen zwar noch zu der Werkstatt, und der Besitzer meint auch, er könne das Gewünschte machen, am Ende vertagen wir das Ganze dann aber auf eine andere Stadt, weil es inzwischen schon Abend wird.

Zurück in der WU-Stelle müssen wir feststellen, dass wir bei der Überweisung an Western Union einen entscheidenden Fehler gemacht haben. Wir haben den Haken bei „Sofortüberweisung“ nicht gesetzt. Nun wartet Western Union auf den Eingang des Geldes und wir können mit unserem Code nichts anfangen. Vermutlich dauert es jetzt bis Montag … und da werden wir wieder in eher ländlichen Gebieten unterwegs sein. Nun denn … da werden wir wohl weiter unsere Not-Dollar-Reserven auf dem Schwarzmarkt umtauschen müssen.

Nach etwas Zeit im Hotel brechen wir gegen acht zum Essen im Vegetarischen Restaurant auf, das um acht Uhr öffnen soll. Die Köchin kommt aber erst „so zwischen acht und halb neun“ – es wird am Ende kurz nach halb neun. Das Essen ist aber gut, und wir sitzen trotz abendlichem Regen draußen trocken unter einem Vordach und fühlen uns fast wie in Berlin im Sommer.

Samstag 30.11.24 – (128) – San Salvador de Jujuy – Salta

Gesamt: 7.920,01 km 1399m bergauf

Der abendliche Regen hat sich gestern zu einem Starkregen entwickelt, der die gesamte Nacht andauert. Auch morgens beim Aufstehen kommt es noch nass runter. Und das, wo wir heute knappe 100 km mit vielen Höhenmetern vor uns haben. Das kann ja heiter werden! Wird es auch – also das Wetter …

Um acht sitzen wir im Sattel – Jutta mit Regenhose und Schuh-Überziehern, Viktor ohne jegliche Regenkleidung. Der Regen hört kurz nach dem Losfahren komplett auf. Dank der Wegbescheibung des Herrn aus dem Fahrradladen gestern, fahren wir auf einem Radweg am Fluss entlang und von dort auf einem weiteren Radweg aus der Stadt heraus. Auf dem noch fehlenden Stück bis zur RN9 fahren kaum Autos, also können wir über den Stadtverkehr in San Salvador de Jujuy wirklich nicht klagen (höchstens über die Straßenqualität 😉 ). Geht also auch!

Am Ende des ersten Viertels der heutigen Etappe hat Jutta plötzlich folgendes Lied im Kopf: „Dort, wo die Wogen branden – schreiend die Möwe zieht, – singen aus fernen Landen – Wellen ihr rauschend Lie – ie – ie – ied. Ameland ……“. Da dieses Lied aus früheren Kinderferienlagern seit über 35 Jahren nicht mehr in ihrer Erinnerung war, muss das Unterbewusstsein diese flache, grüne Gegend mit schreienden Vögeln irgendwie mit Ameland assoziiert und dieses Lied ausgegraben haben. Schon lustig!

Nach 28 km sind wir in El Carmen und halten nach einer Pausenmöglichkeit Ausschau. Gegenüber von der Touristen-Information entdecken wir ein sehr nettes Café, dessen Besitzer uns noch einmal bestätigt, dass es im weiteren Verlauf der RN9 bis La Caldera (nach 45 km mit sehr viel Steigung) überhaupt nichts gibt zum Pausieren. Na toll!

Nach El Carmen beginnt erst eine gut zehn Kilometer lange Steigung mit kurzer anschließender Abfahrt und danach ein in Serpentinen aufwärts gehender Anstieg bis etwa km 60. Durch den Starkregen fließt sehr viel Wasser von den höheren in tiefere Lagen, auch quer über die Straße. Teilweise sind es reißende „Flüsse“, durch die wir mit dem Tandem fahren müssen. Wenigstens werden die Felgen dabei vom Salz aus dem Salar freigewaschen, und Viktor wäscht auch seine Schuhe an einer solchen Stelle.

Die RN9 ist viel schmaler und weniger befahren, als von uns erwartet. Busse und LKW dürfen sie nicht benutzen, und das macht sich ganz schön bemerkbar. Sie schlängelt sich durch sehr dichten, feuchten, grünen Wald, mit tiefhängenden Wolken oben drüber. Wir hören viel Vögel, Frösche und Kröten, Grillenzirpen und andere nicht identifizierbare Tiergeräusche. Es fühlt sich ein bisschen so an wie in Costa Rica oder am Amazonas, auch, wenn es hier kein tropischer Regenwald mehr sein kann.

Viele Auto- oder Motorradfahrer winken uns grüßend zu, und trotz der schmalen Straße werden wir nicht eng überholt. Und die Natur ist wieder einmal so schön, dass die Fahrt trotz der Länge und der vielen Steigungen wirklich Spass macht und gar nicht lange genug dauern kann. An der Grenze von der Provinz Jujuy zur Provinz Salta gibt es einen Picknick-Platz zum Pausieren. Dort breitet sich zwar gerade eine Familie aus, aber wir bleiben trotzdem stehen und machen die Pause am Straßenrand nahe einer Pfütze mit Kaulquappen.

Auf dem Weg nach La Caldera hält ein Autofahrer am Straßenrand und filmt uns. Wir halten an, unterhalten uns ein wenig mit Walter und bitten ihn, uns sein Video per WhatsApp zu schicken. Er rät uns zu einer Pause in La Caldera mit Besuch der Christo-Figur.

In La Caldera fahren wir über die Brücke in den Ort, da Walter erzählt hat, wie schön es dort sei und dass es auch ein Café gäbe. Wir folgen dem Wegweiser zu einem Café, irren aber eher durch den Ort, ohne etwas zu finden. Das gesuchte Café ist geschlossen, wir setzen uns an den Straßenrand vor einer Tienda und werden angesprochen: das Paar aus Pamplona, das wir vorgestern am Mirador in Purmamarca getroffen haben, hat uns heute schon mit dem Auto überholt (und gewunken) und ist jetzt ebenfalls gerade in La Caldera. Möglicherweise sehen wir uns heute Abend nochmal in Salta.

Von La Caldera geht es fast nur noch bergab, und dann fahren wir ziemlich lange durch die Stadt Salta – teilweise auf der Autobahn mit Fahrradverbot – bevor es ins Zentrum und in Richtung unseres Hotels geht. Wir legen uns für den Fall, dass wir von der Polizei angehalten werden, schon mal die Argumentation zurecht: „Wir sind kein Fahrrad, wir sind ein Motorrad.“
Viele Beobachter halten unsere Rohloff-Gangschaltung im Hinterrad für einen Motor – sie können einfach nicht glauben, dass wir ohne elektrische Unterstützung unterwegs sind – da soll uns die Polizei doch mal nachweisen, dass das kein Motor ist 😉 .

Bei der Einfahrt in die Stadt Salta stellen wir wieder fest, das die Straßen in den Ortschaften immer schlechter sind als die Verbindungssstraßen zwischen den Orten. Viktor formuliert daraufhin erstmals seine Gesetze zur Straßenqualität:

Makowski’sche Gesetze der Straßenqualität

  1. Gesetz der Straßenqualität

Unabhängig von Gesellschaftssystem und Staatsform haben Straßen innerorts grundsätzlich eine schlechtere Qualität als die Verbindungssstraßen zwischen den Orten.

  1. Gesetz der Straßenqualität

An den Übergängen von innerörtlichen Straßen zu Verbindungsstraßen an Ortsrändern ist die Qualität aufgrund von Zuständigkeitsunstimmigkeiten besonders schlecht.

Das Hotel Colonial liegt direkt am Platz des 9. Juli, ist 1943 eröffnet worden, und wir müssen für das Abstellen des Tandems im benachbarten Parkhaus knappe 16€ bezahlen (für zwei Nächte). Kostenfrei hätten wir es eine ziemlich steile Treppe hochtragen und dann woanders ein paar Stufen wieder runtertragen müssen, da nehmen wir dann doch den Parkplatz. Dummerweise sind die Steckdosen hier im Hotel wohl auch schon älter: es ist das erste Mal in Argentinien, dass unsere Stecker nicht passen, da es nur drei Schlitze sind. Da müssen wir wohl Adapter kaufen gehen.

Am Ende ist es ein rundum gelungener Radfahr-Tag, der Regen hat morgens pünktlich für uns aufgehört, wir haben 99 km mit über 1.300 Höhenmetern recht locker geschafft, die Strecke war einmalig schön und abwechslungsreich mit ein paar ungewöhnlichen Herausforderungen wie den Wasserfurten, wir hatten unterwegs ein paar nette Begegnungen. Radlerherz, was willst Du mehr?

Nach dem Duschen ist es schon fast halb sechs, und wir bringen erst einmal unsere Wäsche in eine Wäscherei. Auf dem Weg dorthin finden wir einen Radladen mit Werkstatt, der bereit ist, das verbogene Kettenblatt und die Schutzscheibe zu richten, also fährt Viktor im Anschluss mit dem Tandem dorthin, und sie bekommen es mit viel Feingefühl so hingebogen, dass vorne jetzt wieder das richtige (alte) Kettenblatt eingebaut ist.

Zum Abendessen gehen wir „nur“ in eine Pulperia hier am Platz (dort gibt es keinen Tintenfisch – überhaupt keinen Fisch – aber alles andere). Inzwischen sind die Wege und Straßen richtig voll, überall wollen Kinder etwas verkaufen, es wird Musik gespielt und Weihnachtseinkäufe werden getätigt.

Sonntag 1.12.24 – Salta

Wir haben einen Ruhetag in Salta und wollen gerne die Stadt mit einer Walking-Tour kennenlernen. Leider werden diese sonntags gar nicht angeboten – auch auf Anfrage nach einer „persönlichen“ klappt es nicht. Statt dessen versuchen wir es nach dem Frühstück auf eigene Faust mit Hilfe einer Tourbeschreibung auf einer Internet-Seite. Diese schickt uns von einem Museum zum nächsten. Das einzige, das wir uns anschauen wollen (das MAAM) öffnet erst um 11 Uhr, alle anderen laufen wir nur ab. Und wir wollen weder Souvenirs kaufen noch Empanadas essen – das sind ebenfalls Stationen bei dieser vorgeschlagenen Tour.

Bevor wir dann in das Museo de Arqueología de Alta Montaña gehen, machen wir im Van Gogh-Café eine Kaffeepause. Das Museum ist fokussiert auf den Fund von drei Kindermumien, die 1999 oben auf dem Vulkan Llullaillaco gefunden wurden. Es wird immer eines der drei Kinder in einer Kältekapsel gezeigt – heute ist es der Junge.

Dieses Museum ist wirklich faszinierend und vollständig auf das Thema der Opferungen in großer Höhe (so nahe wie möglich am Sonnengott Inti) durch die Inka fokussiert und auf die Konservierung der Mumien, die hier ausgestellt werden. Man kann sich natürlich mit Recht fragen, ob die öffentliche Zurschaustellung dieser menschlichen Überreste richtig ist, denn eine Zustimmung durch diese Individuen konnte ja nicht erfolgen, aber hier wird ganz offensichtlich mit einem gewissen Erfolg versucht, das mit dem größtmöglichen Respekt vor der Inka-Kultur und den jungen Opfern zu tun.

Empfehlung: Untertitel einschalten und Automatische Übersetzung in Deine Sprache wählen!

Weitere interessante Videos aus der Ausstellungfinden sich hier: https://www.youtube.com/@maammuseodearqueologiadeal1314

Anschließend gehen wir einen längeren Weg (in ziemlicher Hitze) zur Talstation der Seilbahn zum San Bernado. Ganz anders als in Medellin oder La Paz geht diese Seilbahn nicht über Wohngebiete oder zu Wohngebieten, sondern einen grünen Berg hoch. Oben ist eine gute Aussicht, ein künstlicher Wasserfall, ein Restaurant, ein Souvenir- und ein Weinladen und sogar Sportgeräte. Am Besten ist eigentlich, dass am Nachbarberg gerade drei Paraglider starten und sich wir Condore in der guten Thermik hochschrauben. Dann fahren wir mit der schon älteren Gondel Schweizer Bauart wieder nach unten.

Da wir in einer größeren Stadt sind, wollen wir jetzt versuchen, ein Eiscafé mit Banana-Split zu finden. Auf der Strecke zurück in die Innenstadt liegen einige Heladerias, aber keine bietet das Gewünschte an. Ein Eis der Sorte Banana-Split (Bananengeschmack mit Dulce de Leche) reicht uns nicht… Schon wieder an unserem Platz des 9. Juli angekommen probieren wir als Letztes das Lucciano’s Eiscafé, aber auch dort ist es unbekannt. Argentinien scheint diesen Klassiker nicht zu kennen – als erstes Land unserer Reise (obwohl wir glauben, es in Honduras gar nicht probiert zu haben). Sie portionieren hier das Eis nicht in Kugeln, sondern streichen es in Becher, wie seinerzeit Eis-Hennig in Berlin – auf so eines lassen wir uns heute von der Familie Rühle einladen. Vielen Dank dafür!

Leckeres Eis dank Familie Rühle!

Inzwischen ist es späterer Nachmittag, und wir setzen uns mit dem Laptop in den Salon des Hotels, denn: nachdem wir über unser WhatsApp-Gruppen und andere Kontakte zu Radreisenden (auch von Paul Bergmann bzw. Pedalen-Paul, s.o.) mehrfach den Tipp erhalten haben, dass es auf der Ruta 40 landschaftlich viel schöner ist und man sich Cafayate keinesfalls entgehen lassen sollte, planen wir die Route bis Mendoza nochmal um. So sollten wir außerdem mit weniger Verkehr zu kämpfen haben und die Strecke ist sogar ein Stückchen kürzer. Allerdings könnte es bedeuten, dass wir ab und zu mal im Zelt übernachten müssen.

Abends gehen wir in die Balcarce Straße in der Gegend des Alten Bahnhofs, wo es viele Peñas gibt. Wir schauen uns noch den heutigen Bahnhof von Salta an, an dem Werbung für den Tren de las Nubes steht, an dem aber expliziet nur Arbeiter und Studierende in den Zug steigen dürfen… Dann gehen wir im 802 sehr gut Abendessen – Viktor bestellt ein 400g Stück Rind!

Woche 34 (18.11.24 – 24.11.24) Cusco – Salar de Uyuni

Montag 18.11.24 – Machu Picchu (Zug – Bus)

Der Wecker klingelt um 4:10 Uhr, denn heute geht es um 5:00 zu unserem letzten großen Ausflug von Cusco nach Machu Picchu. Um 4:55 geben wir an der Rezeption nochmal einen Wäschesack ab und stehen pünktlich vor der Türe des Hotels. Trotzdem muss Viktor erstmal mehrere WhatsApps von der Agentur, dem Fahrer und dem heutigen Fremdenführer beantworten. Alle bitten darum, dass wir unsere „Ubicación” (Standort) schicken, weil der Fahrer uns nicht finden kann. Als er uns dann endlich findet, fährt er uns einen knappen Kilometer zum nahegelegenen Bahnhof Wanchaq. Na toll … das hätten wir schneller zu Fuß geschafft (es ist ber immer noch drei nach sechs, als wir ins Auto steigen – also kein langwieriges Drama!).

Am Bahnhof warten wir in einem Warteraum mit Livemusik (Saxophon) und Teestation bis 5:45 Uhr.

Dann werden die individuellen Tickets und Reisepässe kontrolliert und wir steigen am BAHNhof in einen …. BUS. Der fährt uns durch die Stadt Cusco in die Berge hinauf zum Bahnhof Poroy, an dem die Bahnlinie Richtung Machu Picchu beginnt. Dort wird um 6:10 wieder mit der Ticketkontrolle und Sortierung nach Waggons begonnen und wir warten weiter. Um 6:40 sitzen wir im hintersten Waggon G des PeruRail-Zuges, der nach Machu Picchu HINABfährt. Richtig gelesen! Viktor war vorher gar nicht bewusst, dass Machu Picchu tiefer liegt als die Stadt Cusco und bereits tropisches Bergklima besitzt. Hier regnet es viel mehr, es ist wärmer und man befindet sich bereits am Rand des Amazonas-Regenwaldes in der Region der Nebel-Bergwälder. Aus diesem Grund werden die Touristen von zahlreichen Mücken attackiert. Unser mitgebrachtes Repellent hilft auch einem anderen, dessen Beine schon ganz zerstochen sind. Hier herrscht ideales Klima für den Anbau von Coca (in Peru in kleinen Mengen erlaubt), aber auch Kartoffeln (auf den oberen Terrassen) und Mais (untere Terassen).

Die 92 km lange Zugfahrt dauert gute 3,5 Stunden und führt durch das Tal (und die Schlucht) des Urubamba, einem Zufluss des Amazonas (mündet nach 750 km in den Ucayali und danach in den Amazonas). Der Zug hat oben zusätzliche Panoramafenster, so dass wir auch in der Schlucht die Hänge und Steilwände hinaufschauen können. Es gibt atemberaubende Aussichten zu bewundern, und immer wieder gibt es Ansagen auf Spanisch und Englisch. So z.B. an der „Zig-Zag-Zone“, wo der Zug zweimal seine Fahrtrichtung ändern muss, um auf kurzer Strecke ein steiles Gefälle überwinden zu können.

Auf der anderen Seite des Ganges sitzt ein Familie mit einem circa 3-4-jährigen Jungen, die schon seit 14 Monaten in einem Volkswagen T4 (Allrad) durch die Amerikas unterwegs sind. Sie arbeiten zwischendurch immer wieder und wollen knapp zwei Jahre unterwegs sein.

Gegen Ende der Fahrt sehen wir an einer Steilwand ziemlich weit oben vier eigenartige Bauten. Die Zugbegleiterin in unserem Waggon erklärt uns, dass das „hängende Hotels“ sind, die man sich erwandern und über Metall-Leitern erklettern muss. Eine Nacht kostet ca. 1.000 Euro.

Um 10:30 Uhr kommen wir schließlich in Aguas Calientes (Machu Picchu Pueblo) an, und die Passagiere des Zuges ergießen sich an den Warteräumen und Toiletten vorbei auf den Vorplatz, der ein riesiger Souvenir-Markt zu sein scheint. Wir werden bereits von einer Fremdenführerin erwartet, die uns über das weitere Prozedere informiert und uns erklärt, dass es auf jeden Fall am Nachmittag in Machu Picchu regnen wird, weil auf dem von hier entgegengesetzten Berg Wolken hängen und das immer so sei.

Wir haben dann eine knappe Stunde Zeit (Stärkung im Peru Café), bis wir uns in eine Schlange stellen müssen für den Bus hinauf zur eigentlichen Besichtigung der Ruinen. Dort verharren wir in praller Sonne eine ganze Stunde, nur unterbrochen durch zwei Ticketkontrollen ;-), bis die ganze Schlange die Straße etwas weiter gehen darf, um dort etappenweise auf Busse verteilt zu werden. Dieses ganze Prozedere mutet wirklich wie Massentourismus an, aber wir wollen Machu Picchu ja auch unbedingt sehen… .

Nach ca. 25 Minuten Serpentinenfahrt nach oben (nur drei km) haben wir das Ziel erreicht und werden dort schon von Christian erwartet, der uns über die Anlage führen wird. Laut unserem Ticket haben wir „nur“ Zugang zum Rundgang 3, der nicht hoch zum Panorama geht. Das ist für einen von uns perfekt, aber wir dachten bislang, dass Jutta wohl nach ganz oben gehen dürfte. Christian zeigt und erklärt uns zwei Stunden lang viel und bietet immer wieder an, uns zu fotografieren, eigentlich zwingt er uns sogar regelrecht, und so haben wir heute einmal viele Bilder mit uns beiden.

Unter anderem erklärt uns Christian, dass Teile der Anlage, die früher noch betreten werden konnten, heute nicht mehr zugänglich sind, weil die vielen Touristen die Stufen und Mauern abgenutzt oder beschädgt haben. So ist eine Pyramide, die früher noch besteigen werden konnte, aufgrund neu entstandener Risse heute nicht mehr begehbar. Dies werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vermutlich so weitergehen, so dass wir heute vielleicht noch etwas besichtigen könnten, was in ein paar Jahren nicht mehr zu besichtigen sein wird.

Wir sehen auf einer großen Fläche ein grünes Zelt stehen und Viktor fragt, ob dort weitere Ausgrabungen stattfinden. Tatsächlich wir dort ein eine Art Obelisk untersucht, der 1978 noch aufrecht stand und für den Besuch des spanischen Königs Juan Carlos auf Befehl des damaligen Bolivianischen Präsidenten umgelegt wurde, damit der Hubschrauber des Königs dort landen konnte. Der Obelisk soll wieder aufgerichtet werden, hat aber wohl neue Risse, die zunächst untersucht werden müssen, damit er beim Wiederaufrichten nicht komplett auseinanderfällt.

Nach der Führung können wir noch selbstständig etwas bleiben und auch die anderen Besucherrouten auf dem Gelände nutzen, bevor wir mit dem Bus wieder nach Aguas Calientes fahren. Der erwartete Regen bleibt glücklicherweise aus! Im Dorf gehen wir zunächst etwas trinken. Viktors anvisiertes 7 Vidas -Oxapampa honey ale hat das Restaurant leider nicht gekühlt, als Entschädigung bekommt er dann einen kleinen Pisco Sour zum alternativ ausgesuchten Coca-Bier. Anschließend gehen wir im Green House ein spätes vegetarisches Mittag/frühes Abendessen mit viel Quinoa für beide essen und müssen dann wieder zum Bahnhof.

Auf der Rückfahrt fährt unser Zug (wie auch alle Züge) nur zwei Stunden bis Ollantaytambo, wo diejenigen, die nicht in dieser ebenfalls touristischen Stadt bleiben wollen, von Perurail mit Bussen zurück nach Cusco gefahren werden. Wir spekulieren, dass die vollen Züge es nicht aufwärts nach Cusco schaffen oder dass abends so viele Touristen weggeschafft werden müssen, dass die Züge schneller wieder am Bahnhof von Machu Picchu sein müssen. Jedenfalls sitzen wir dann noch zweieinviertel Stunden im Bus, bevor dann um viertel vor elf abends mehrere Busse am BAHNHOF Wanchaq ankommen. Am Ausgang warten zahlreiche Taxifahrer, die dieses Vorgehen zu kennen scheinen, aber wir laufen den kurzen Weg zum Hotel lieber zurück, wo wir aber müde ins Bett fallen.

Dienstag 19.11.24 – Cusco

Viktor schläft heute mal ein wenig länger, wenn auch nicht so richtig gut. Der Vogel, den Viktor heute morgen mit der neuen App bestimmten wollte und der uns die ganzen Tage in Cusco morgens vor Sonnenaufgang bereits mit seinem Geträller beglückt hat, schweigt heute morgen natürlich beharrlich. Dafür hupt irgendwann frühmorgens wieder mal ein Auto direkt vor dem Hotel, wahrscheinlich eine Touristen-Abholung, kurz nach dem Hupen hören wir auch die Türklingel des Hotels. So ist das nun mal in den Hotels hier … man hört eigentlich fast alles mit, was im Haus so geschieht. Jutta nutzt die frühe Stunde zum Blog-Schreiben des gestrigen Tages, weil wir das abends nicht mehr geschafft haben.

Heute wollen wir nur noch ein paar Museen besuchen, Dollar am Geldautomaten abheben (denn Bolivien und Argentinien sind dafür bekannt, dass man am Geldautomaten nur wenig oder gar kein Bargeld bekommt), unsere Haare mal wieder schneiden lassen und nochmal Multivitamine nachkaufen, die wir uns täglich selbst verabreichen.

Auf dem Weg zum Geldautomaten gehen wir ganz spontan noch in einem Kunsthandwerksmarkt einige Peru-Souvenirs kaufen, mit denen wir sofort zur Post gehen und sie nach Hohen Neuendorf schicken. In einer Wechselstube sagt man uns, dass die Bolivianische Währung dort gar nicht so gern gesehen wird – eher Peruanische Soles oder noch besser US-Dollar. Wir sehen daher erst einmal von einem Umtausch ab, auch, wenn wir übermorgen gleich nach der Ankunft des Busses in Copacabana Geld benötigen werden.

Jetzt soll es aber zum Piura-Geldautomaten gehen! Dort zieht Viktor leider nur mit der einen Karte Dollar, wie sich später herausstellen wird. Anschließend halten wir an einem Friseur, wo wir beide gleichzeitig bedient werden und entsprechend schnell (und günstig) wieder entlasssen werden.

Von dort gehen wir in das Museum für regionale Geschichte, das in unserem Touristenticket enthalten und für uns ohne längere Taxifahrt erreichbar ist. Das Gebäude ist recht schön, und die regionale Geschichte ist natürlich wieder stark Inka-geprägt. Der Rundgang ist ganz interessant und bringt tatsächlich noch neue Informationen.

Als wir dort durch sind, gehen wir zum Tap-Room der Brauerei 7 Vidas, damit Viktor heute am letzten Tag vielleicht doch noch ein gekühltes Honig-Ale trinken kann. Mittag ist schon vorbei, und wir teilen uns dort noch eine Portion Patatas Bravas. Das Honig-Ale ist zwar keine Enttäuschung, aber es schmeckt mehr oder weniger wie ein ganz normales Ale, eine Honig-Note ist auch beim besten Hobby-Imker-Willen von Viktor nicht herauszuschmecken.

Am Geldautomaten der Scotiabank macht Viktor dann erstmals eine jener Erfahrungen, vor denen es einem Reisenden immer graut, vor allem wenn man länger unterwegs ist. Die Kreditkarte wird vom Geldautomaten nicht mehr rausgerückt, nachdem Viktor den Vorgang abbricht, weil ihm die Gebühren für maximal 160$ Bargeld zu hoch sind. Den Abbruch nimmt der Automat offenbar übel und behält die Kreditkarte ein. Ein Vorsprechen bei der Filialleiterin in der Bank bringt gar nichts. Sie hat keinen Zugang zum Automaten. Verschluckte Karten werden automatisch gesperrt, in einer kleinen Schublade im Automaten aufbewahrt und bei der nächsten wöchentlichen Auffüllung dann zerstört. Zum Glück war es nicht unsere Hauptkreditkarte, mit der wir bislang fast alles zahlen konnten. Aber ärgerlich ist es trotzdem. Und so ganz sicher sind wir uns auch nicht, ob wir die Karte jetzt nicht lieber selbst sperren sollten, denn sie ist auch bei ApplePay und GooglePay hinterlegt, so dass wir sie eigentlich noch so lange verwenden können, bis sie von der Scotiabank gesperrt wird. Aber können wir darauf vertrauen, dass sie nicht doch noch in falsche Hände gerät?

Nach dieser Aktion haben wir noch ca. eine Stunde im Inkamuseum, bevor es schließt. Hier müssen wir zwar extra zahlen, aber es wurde uns von vielen anderen empfohlen.

Von halb fünf bis sechs ruhen wir uns im Hotel aus und packen alles für die Busfahrt heute Nacht. Dann gehen wir ein letztes Mal ins Peru-Café für ein leichtes Abendessen mit Sandwiches. Jutta bestellt einen Pfefferminztee, bekommt aber beim ersten Versuch Anis. Den darf sie behalten, bekommt im zweiten Anlauf dann die Minze.

Um kurz nach acht verlassen wir das Hotel nach inniger Verabschiedung von der Betreiberin, die selber auch noch Fotos von uns dreien macht. Den kurzen Weg zum Peru-Hop-Terminal schieben wir, und obwohl wir so früh sind, sitzen schon mehrere andere dort und warten. Unser Bus nach Puno, der um 21.30 Uhr fahren soll, wird erst verspätet hier eintreffen, sagt man uns, also können wir dieses hier noch wartend schreiben. Und dann verlangt man plötzlich von uns, dass das Tandem in einen Karton verpackt wird. Das hatten wir bislang nur im Flieger, und Peru-Hop hatte uns zugesichert, dass es ohne gehen wird (auf den letzten Fahrten war es auch so).

Am Ende können wir das Tandem aber so wie es ist im Laderaum unterbringen und die Nachtfahrt nach Puno kann beginnen. Wir sitzen im Doppelstockbus ganz vorne rechts und haben einen guten Blick auf die Straße. Viktor schafft es tatsächlich zwischendurch ein paar Stunden zu schlafen, Jutta eher nicht. Es ist kalt, holperig, ungemütlich und laut, wie soll man da schlafen?

Mittwoch 20.11.24 – Puno (Busfahrt und Full-Day-Tour Titicaca-See)

Während gefühlt alle anderen im Bus außer dem Fahrer schlafen, hat Jutta aufgrund des Fahrtziels stundenlang die Fuge aus der Geographie im Kopf, allerdings nur bis „Mexiko, Mexiko, Mexiko“. So vergeht zwar die Zeit, aber nicht die Müdigkeit. Das wird also ein langer, langer Tag…

Wir kommen um fünf Uhr morgens in Puno an und steigen am Stadion aus. Die meisten Fahrgäste werden nun mit ihrem Gepäck per Van zu einem von zwei Frühstückslokalen gebracht. Da wir eine Nacht in Puno bleiben werden, müssen wir zum Lucky Your House Hostel, wo auch unser Tandem und das Gepäck gelagert werden soll, während wir eine Ganztagestour auf dem Titicacasee mitmachen. Da das Tandem nicht in den Van passt schieben wir die 600 Meter bis zum Hostel und packen alles Gepäck in den Gepäckraum. Das Tandem verbringt den Tag im Frühstücksraum, nachdem alle Tagestourteilnehmer dort gefrühstückt haben.

Um 7 Uhr holt uns ein Van ab und fährt uns den knappen Kilometer zum Hafen von Puno. Wir fragen uns immer wieder, warum diese kurzen Strecken alle mit Shuttle-Vans absolviert werden. Nun gut … als wir abends bei strömenden Regen von der Tagestour zurückkehren, sind wir ziemlich dankbar dafür.

Der erste Stopp der Tagestour ist auf einer der schwimmenden Uros-Inseln. Diese sind aus Schilf gebaut, und aus diesem werden auch die Häuser und die Boote gebaut. Der weiße, untere Teil des Schilfs wird auch als Banane (allerdings geschmacklos) gegessen und zum Zähneputzen benutzt (enthält viel Calcium). Auf der von uns besuchten Insel leben sechs Familien – 25 Menschen. Wenn sie sich zerstreiten, wird die Insel einfach mit eine Machete geteilt, wird uns erzählt. Der immer für ein Jahr bestimmte Präsident begrüßt uns und erklärt uns den Bau und Erhalt der Inseln. Seine Frau zeigt uns das Innere ihres Hauses. Die Frauen handarbeiten sehr viel und verdienen sich durch den Verkauf an Touristen etwas Geld. Da wir kein zusätzliches Gewicht kaufen wollen, machen wir dann wenigstens noch die Bootsfahrt im Schilfboot mit, die zum wachsenden Schilf führt, in dem auch die Latrinen für die Inselbewohner sind, d.h. wenn sie mal „müssen“, müssen sie erst mit dem Boot ins Schilf fahren.

Nach einer weiteren Bootsfahrt landen wir an der Amantani-Island an. Dort haben wir die Wahl, eine Einstundenwanderung zu machen oder aber nach zehn Minuten mit dem Boot zum anderen Hafen zu fahren und dort z.B. zu meditieren, baden o.ä.. Wir machen die längere Wanderung. Zunächst geht es ziemlich bergauf, und auf diesem Teil sind manche schneller als andere. Wir sind mit zwei jungen Reisenden die Vorhut. Als wir an einem Platz ankommen und eine Tienda entdecken, halten wir zwei dort (glücklicherweise) an, die beiden anderen gehen weiter (leider den falschen Weg). Die Nachhut mit dem Guide Angel , der lieber mit den Langsamen läuft, um niemanden zu verlieren (einmal ist ihm jemand bewusstlos geworden und er hat das vorne nicht mitbekommen), kommt etwas später an, und erst jetzt erklärt Angel des weiteren Weg – es geht eigentlich sofort wieder abwärts. Unten am Boot fehlen dann Iris aus Spanien und Bert aus Belgien. Wir warten eine halbe Stunde, aber dann fahren wir ohne die zwei weiter. Angel telefoniert wie wild, sofern er Netz hat (denn mitten auf dem See geht da gar nichts), um zu organisieren, dass die beiden von der Insel wegkommen.

Infos Comunidad de Llachón

Die ländliche Quechua-Gemeinde Llachón liegt 74 km nordöstlich von Puno an der Spitze der Halbinsel Capachica am Ufer des Titicacasees. Die Bewohner der etwa 3.820 Meter hoch liegenden Siedlung haben die von den Vorfahren überlieferten Bräuche und Gewohnheiten (u.a. Kleidung, Tänze, Zeremonien, rituelle Handlungen) bis in die heutige Zeit bewahrt. Hauptverdienstquellen der Indigenas sind Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei und Kunsthandwerk sowie seit der Jahrhundertwende der Ökotourismus. Etwa 1.500 Meter nördlich von Llachón findet man archäologische Fundstätten, u.a. eine große Zitadelle der Tiwanaku-Zivilisation mit einer etwa 10 Hektar großen Nekropole.

Wir fahren zur LLachon-Halbinsel, wo wir ein spätes Mittagessen bekommen (Forelle oder Gemüseomelette mit Anistee), bevor wir fast drei Stunden wieder zurück nach Puno fahren. Heute morgen war der See noch sehr ruhig, jetzt ist es ziemlich windig und dementsprechend wellig, und wir kommen nur immer wieder kreuzend und ziemlich langsam voran. Schon während der Fahrt beginnt es zu regnen, als wir dann im Dunkeln zurück in Puno sind, schüttet es regelrecht.

Ein Van fährt uns zum Lucky Your House, wir verabschieden uns von den anderen aus der Gruppe und schieben das Tandem mit dem Gepäck zu unserem Hotel Maya Inn, nur ein paar Querstraßen weiter. Dort dürfen wir das Tandem in einen kleinen Saal hinten im Hotel stellen. Nachdem wir das Zimmer bezogen haben, gehen wir – nass, wie wir sind – auf die Suche nach einer Abendessensmöglichkeit. Auf der Simon Bolivar Straße gibt es eine Polleria neben der anderen, aber danach steht uns nicht so der Sinn. Schließlich finden wir eine Chifa, wo wir sehr günstig Riesenportionen bekommen, von denen wir die Hälfte liegenlassen müssen. Auf dem Rückweg zum Hotel – der Regen hat sich beruhigt – erstehen wir noch Wasser und ein paar Snacks für den morgigen Tag und gehen dann bald schlafen.

Donnerstag 21.11.24 – Puno – La Paz über Copacabana (Bus)

Schon vor dem Aufstehen um halb sechs hört man von der Straße (und es ist eine schmale Nebenstraße) recht viele Stimmen. Als wir dann die Vorhänge öffnen, klärt sich das auf: die ganze Straße ist übersäht mit Schuhhändlern, die auf einer blauen Plastikfolie immer nur einzelne Schuhe in der Auslage und den zweiten in großen Säcken hinter sich haben. Dieser Schuhmarkt geht sogar noch um die Straßenencke weiter, wie wir später sehen.

Straßen-Schuhmarkt vor dem Hotel

Nach dem Frühstück schieben wir zu ca. 7:15 Uhr das Tandem zum mit Peru Hop verabredeten Parkplatz, wo wir um acht aufbrechen sollen nach La Paz. Drei Personen bestätigen uns, dass hier der Bus hält, aber als um acht immer noch nichts in Sicht ist, werden wir etwas nervös.

Viktor ruft Peru Hop an und muss eine Viertelstunde in der Leitung bleiben – das kostet wahrscheinlich mehr als das ganze Busticket (denn für Telefonate haben wir keine nationale SIM-Karte, nur eine eSIM für Daten). Deshalb telefonieren wir eigentlich immer über WhatsApp und nur in einem Notfall wie heute direkt über Mobilfunk.
Und natürlich ist wieder etwas schief gegangen und wir wurden nicht rechtzeitig informiert (trotz eMail und WhatsApp Kontaktdaten). Der Nachtbus aus Cusco hatte wohl eine Panne, und der eingesetzte Ersatzbus fährt heute zwei Blöcke entfernt ab (am Stadion, wo wir gestern auch angekommen sind). Eigentlich kein Thema, wenn wir es gewusst hätten. Aber mit dem kleinstmöglich zusammengeschobenen Tandem und den losen Gepäcktaschen können wir nicht dorthin laufen, da wir das Tandem so nicht mehr schieben oder lenken können. Die 15 – 20 Minuten, die wir benötigen, um alles wieder fahrfähig zu machen, wollen die Leute von PeruHop auch nicht mehr warten, denn sie sind ja schon zu spät dran. Also müssen wir von einem Van abgeholt und zum Bus gebracht werden, und das Tandem kommt irgendwie in den Mittelgang. Natürlich sind wir jetzt die letzten im Bus, finden aber noch zwei Plätze nebeneinander und um halb neun fährt der Bus Richtung Bolivianische Grenze.

Dieser Ersatzbus darf nicht nach Bolivien fahren, denn die notwendigen Papiere (vermutlich Zollpapiere) fehlen. Also gehen an der Peruanischen Migration zunächst alle Passagiere „gepäcklos“ den Ausreisestempel holen, wir richten das Tandem so her, dass es geschoben werden kann, alle gehen zu Fuß über die Grenze, wo der Bolivia Hop Bus wartet, wir machen das Tandem wieder klein, es wird hinten quer hinter die Heckklappe gestellt (und passt glücklicherweise hinein), und dann gehen wir als letzte zur Bolivianischen Migration. Dort wird kein Wort gesprochen, wir bekommen einfach den Einreisestempel – leichter geht es kaum. Im Bus sind dann nur noch Plätze in der letzten Reihe frei, aber die Fahrt nach Copacabana dauert nur etwa 20 Minuten.

Im Hotel Gloria müssen alle Fahrgäste, die später nach La Paz weiterreisen (also auch wir), ihr Gepäck zwischenlagern, weil der Bus zwischendurch andere Fahrgäste zur Peruanischen Grenze bringen wird. Wir dürfen unser Tandem und das Gepäck als Einzige im Bus lassen. Jetzt haben wir 50 Minuten Zeit, im Taipi Uta Café die aus dem Bus vorbestellten Sandwiches zu essen, bevor es auf die Bootstour zur Isla del Sol geht.

Ganz gemächlich fahren wir bei Regen eine Stunde mit dem Boot, wo wir uns mit zwei in Australien lebenden Pärchen unterhalten (eines aus Brisbane).
Auf der Isla del Sol soll der Legende nach der erste Inka-König „Manqu Qhapaq“ als Sohn der Sonne (Sonnengott) geschaffen worden sein. Mit seiner ebenfalls dort geschaffenen Frau „Mama Ocllo“ soll er später die Stadt Cusco dort gegründet haben, wo das goldene Zepter des Sonnengottes im fruchtbaren Boden stecken blieb. Diese Insel im Titicaca-See ist also der Geburtsort der Inka-Kultur.
Wir zahlen zehn Bolivianos Eintritt und machen dann eine kleine Wanderung incl. Besichtigung des Sonnentempels/Pinkokaina. Oben am Aussichtspunkt trinken wir etwas, laufen dann zu einem anderen Anleger nach unten zurück. Auf der Insel leben etwa 3000 Menschen, der Hauptort sieht wirklich nett aus. Die Wege und Naturtreppen laden zu keiner Fortbewegung mit irgend etwas ein, das Räder oder Reifen hat, hier muss alles zu Fuß oder auch mit Eseln gemacht werden. Der Regen hat auf der Insel schnell aufgehört, wie von Viktor aufgrund des Inselnamens schon prophezeit.

Nach einstündiger Bootsfahrt sind wir zurück in Copacabana. Alle laufen wieder zum Hotel Gloria, und bald kommt der Bus. Da unser Gepäck ja noch im Bus ist, können wir dieses Mal früher einsteigen und bekommen Plätze weiter vorne. Pünktlich um 18 Uhr – wobei in Bolivien die Uhr eine Stunde vorgestellt werden musste – verlassen wir Copacabana schon wieder.

auf dem Weg vom Hafen zum Hotel

Der Weg nach La Paz geht über eine Wasserstraße: der Bus wird auf einer nicht sehr vertrauenswürdig aussehenden „Fähre“ über die Straße von Tiquina gefahren, wir Menschen auf ziemlich kleinen Motorbooten (ohne Schwimmwesten). Viktor ist der letzte auf einem davon, Jutta kommt auf das nächste. Wir verabschieden uns am Steg schon einmal voneinander und vom Tandem, aber es geht alles gut.

Manchmal muss man hier anscheinend länger auf die Überfahrt warten, heute abend ist nicht viel los. Trotzdem dauert dieser Spass eine Stunde. Am anderen Ufer wird gerade ein Mann vom Fernsehsender Uno interviewt – es geht um den Bau einer Brücke an dieser Stelle.

Es sind ab San Pablo de Tiquina noch ca. zwei Stunden Fahrt bis La Paz. Dort werden wir direkt vor unserem Hotel herausgelassen und haben sogar Hilfe mit dem Gepäck von einem Hotelpagen.

Freitag 22.11.24 – La Paz

Für heute mussten wir uns ausnahmsweise mal keinen Wecker stellen und wir schlafen bis gegen 7 Uhr bzw. bleiben zumindest so lange liegen. Der Geräuschpegel in unserer Seitenstraße ist heute morgen vergleichsweise erträglich, vermutlich auch, weil es hier das erste Mal seit unserem Abflug in Deutschland doppelt verglaste Schallschutzfenster gibt.

Nach dem Frühstück am recht gut bestückten Frühstücksbüffet (inklusive knusprigem Müsli) aktualisieren wir noch ein paar Blogeinträge der letzten paar Tage (gerne nochmal nachschauen 😉 ) und machen uns dann auf den Weg zum nahegelegenen Büro von BoliviaHop/PeruHop. Das Touri-Busticket von Lima bis La Paz haben wir ja nun „abgefahren“, aber sie bieten auch Hilfe für die Weiterfahrt nach Uyuni an. Deshalb wollen wir zunächst mal schauen, was die uns anbieten können, bevor wir wieder auf „gut Glück“ zum Busbahnhof fahren und darauf hoffen, dass irgendein Busunternehmen uns mit unserem Tandem schon mitnehmen wird.

Tatsächlich sitzt in dem Büro in La Paz auch eine Mitarbeiterin, die sich in den vergangenen Tagen schon häufiger mit uns beschäftigen musste, weil unser Tandem ja eine echte Herausforderung war. Sie habe sogar mehrmals mit einem der Firmengründer an unserem „Fall“ gesessen. Sie hofft daher auf eine gute Bewertung bei TripAdvisor und Google, was wir ihr auch zusagen können, denn PeruHop/BoliviaHop hat uns mit ein paar kleinen Adrenalinschüben insgesamt ja sehr gut nach La Paz gebracht und alle Versprechen eingehalten. Wir fragen sie daher auch, ob wir in den Radler-WhatsApp-Gruppen und hier im Blog eine Empfehlung für andere Reisende mit Fahrrad oder sogar Tandem aussprechen sollen. Wir möchten das nur tun, wenn sie auch weiter bereit sind, solche Problemfälle wie uns zu transportieren. Letzteres will sie erst mit dem Chef besprechen, bevor sie uns eine Antwort gibt.

Für die nächtliche Busfahrt nach Uyuni machen sie uns ein gutes Angebot. Morgen Abend um 21:00 Uhr vom Busbahnhof La Paz mit kostenloser Mitnahme des Tandems sowie Abendessen und Frühstück an Bord. Etwas teurer als bei den klassischen Busunternehmen aber dafür mit weniger Adrenalin … hoffentlich. Außerdem können wir in Uyuni den Großteil unseres Gepäcks für einen Tag beim Busunternehmen direkt am Busbahnhof einlagern und den Salzsee „Salar de Uyuni“ dann mit leichtem Gepäck befahren. Also schlagen wir sofort zu und buchen über Booking.com auch gleich ein Hotel im Salzsee, wo wir einen Sonnenuntergang und einen nächtlichen Sternenhimmel erleben wollen.

Für 10 Uhr haben wir uns für eine Walking Tour angemeldet, die am Platz „Plaza Sucre“ (offiziell) oder „San Pedro Plaza“ (inoffiziell von der Bevölkerung so genannt) startet. Unsere Fremdenführerin Amara beginnt mit einer längeren Einführung zum Platz und insbesondere zu dem am Platz gelegenen Gefängnis San Pedro, in dem es eine Art Selbstverwaltung gibt. Die Insassen zahlen Miete, haben Jobs, leben zum Teil mit ihrer ganzen Familie dort und der ganze Straßenblock ist quasi ein rechtsfreier Raum, in dem die Insassen ihr eigenes Rechtssystem aufgebaut haben. Der Australische Journalist und Schriftsteller Rusty Joung hat aus eigenem Antrieb – nicht verurteilt – eine Zeit lang dort gelebt und darüber ein Buch geschrieben.

Die Walking Tour führt uns dann weiter über den wichtigsten Markt der Stadt, den San Pedro – oder Rodriguez-Market. Die dort arbeitenden Marktfrauen sind viel mehr als Verkäuferinnen. Man sucht sich eine vertrauenswürdige „Casera“ aus, deren loyaler Kunde man wird. Sie gibt einem dann nicht nur immer die beste Ware und noch kleine Zugaben, sondern nimmt an deinem Leben teil, will alles erfahren, gibt psychologische Ratschläge etc.. Weil die Menschen hier alles bekommen, gibt es in der Stadt kaum einen Supermarkt, die werden nicht benötigt.Von dort geht es zum und über den „Mercado de las Brujas“ (Witch market, Hexenmarkt). 65% der Bevölkerung Boliviens bringen mindestens einmal jährlich ein Opfer an Pachamama, die „Mutter Erde“, dar. Diese Opfergabe wird Challa genannt. Dazu suchen sie eine Chiflera auf, die ihnen genau sagt, welches Opfer angemessen ist, um einen bestimmten Wunsch zu erfüllen. Je nach Größe des Wunsches muss das Opfer entsprechend groß sein. Bei kleinen Wünschen reicht ein mumifizierter Lama-Fötus, bei großen Wünschen ein mumifiziertes Lama und bei sehr großen Wünschen gibt es auch heute noch – einer urbanen Legende folgend – Menschenopfer. In den Fundamenten von Großbaustellen sollen bereits einige Obdachlose verschwunden sein. Auch dazu gibt es überraschenderweise eine Buchempfehlung von Amara: „Borracho estaba pero me acuerdo“ (Ich war betrunken aber erinnere mich) von Victor Hugo Viscarra, der einen solchen Opferungs-Versuch überlebt haben soll.

Die Tour endet nach einem Halt vor der San Franciscus Kathedrale und Erklärungen zur typisch lateinamerikanischen „mixed baroque“ Fassade schließlich an der Plaza de las Armas (Murillo Square), wo wir etwas lange Ausführungen zur politischen Lage der letzten 20 Jahre hören, in denen Ex-Präsident Evo Morales eine Hauptrolle spielt. Wir lernen die bunt-karierte Multi-Kulti-Fahne kennen, die er gegen Ende seiner Amtszeit noch einführte, um den „plurinationalen Staat Bolivien“ zu repräsentieren.

Nach einem weiteren Besuch im PeruHop/BoliviaHop-Büro, wo wir die Buchung für die Fahrt nach Uyuni klarmachen, gehen wir noch an einen Geldautomaten, um uns mit etwas Bargeld einzudecken. Im Cafe del Mundo nehmen wir dann völlig ungeplant unsere heutige Hauptmahlzeit ein, denn die Portion Churros mit (unechter) Nutella und die Brownie-Bombe sind riesig. Und das Ganze auf „Ko-Fi“-Einladung von Uwe und Sabine, bei denen wir uns ganz herzlich für die Spende über den „Buy us an Icecream“-Button auf dieser Seite bedanken.

Herzlichen Dank an Uwe und Sabine von Glorypedalling

Die dünne Luft hier in 3.650 Metern Höhe macht uns erstaunlicherweise doch zu schaffen. Wir haben zwar keine Kopfschmerzen oder Übelkeit, aber wir ermüden schnell und unsere Lippen und Ohrläppchen haben einen bläulichen Farbstich. Und das, obwohl wir ja nun schon häufiger in diesen Höhen unterwegs waren und auch in Arequipa, Cusco und Puno in gleicher Höhe waren. Unser Tour-Guide erklärt das heute mit der besonderen Trockenheit der Luft von La Paz, aber auch mit der schlechten Luftqualität. Viktor greift jedenfalls zwischendurch immer mal wieder zu den Cocablättern. Dia müssen eh weg, denn nach Argentinien können wir sie nicht mitnehmen. Der Konsum ist nur in Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien legal. Nachtrag: Im Coca-Museum erfahren wir morgen, dass im Norden von Argentinien ebenfalls viele Cocablätter konsumiert werden und man sie auf dem Landweg gefahrlos ins Land bringen kann.

Jutta liest über den öffentlichen Nahverkehr hier, dass es zwar über 200 verschiedene (Klein-)Busse hier gibt, aber schon mehrfach vergeblich versucht wurde, feste Haltestellen zu etablieren. Diese gibt es aber natürlich bei den zehn Seilbahnen (vom Schweizerischen Unternehmen Doppelmayr gebaut). Die Linien haben keine Nummern, sondern Farben, und sowohl die Stationen als auch die Gondeln haben diese Farbe.

Den späten Nachmitttag und Abend verbringen wir daher zur Erholung entspannt im Hotel, holen einiges an Blog-Einträgen nach und überlegen uns, wie wir den morgigen Tag in La Paz gestalten wollen, bevor wir abends in den Bus nach Uyuni steigen. Auf jeden Fall werden wir nochmal ausschlafen ….

Samstag 23.11.24 – La Paz

Nach dem Frühstück packen wir alles und dürfen die Taschen für den heutigen Tag zum Tandem in den Gepäckraum stellen – so können wir auschecken, bevor wir noch einmal „in die Stadt“ gehen. Wir laufen zur Station Obelisco der lila Linie der Teleferico und kaufen für umgerechnet zwei Euro Fahrten für zwei Personen mit zweimal Umsteigen.

Die Seilbahn fährt steil den Hang hinauf nach El Alto, ähnlich der Seilbahn in Medellin. La Paz und El Alto sind im Prinzip eine große Stadt, La Paz im Tal, El Alto auf der Hochebene (Altiplano). Die eine Station, die wir nur fahren, dauert acht Minuten. Die Häuser werden immer ärmlicher, je weiter wir nach oben kommen, und sind zum Teil bis an die Felsen oder fast integriert in die Felsen gebaut. Am Faro Murillo steigen wir um in die graue Linie, die quasi quer über El Alto zur Station 16 de Julio fährt (wieder acht Minuten). Der zweite Umstieg erfolgt in die rote Linie, die uns unerwarteterweise wieder nach La Paz herunterbringt (zehneinhalb Minuten) und mit der wir den Friedhof überqueren, zu dem hier extra Touren angeboten werden. Die Station Central ist am früheren Bahnhof – der Bahnverkehr wurde hier eingestellt. Ein paar herumstehende Waggons sind zum Café oder Restaurant umgebaut.

Als wir uns nach dem richtigen Weg aus dem Bahnhof umschauen, werden wir von einem älteren Herrn angesprochen, ob wir Euopäer wären. Als wir uns als Deutsche vorstellen, beginnt er Deutsch zu sprechen. Er ist aus Bosnien, war als Kriegsgefangener 19 Monate in Zirndorf bei Nürnberg im Lager. Die UN hat ihn vor die Wahl gestellt, nach Australien oder nach Südamerika „geschickt“ zu werden. Seit 26 Jahren lebt er jetzt in Bolivien, hat durch die Heirat mit einer Bolivianerin die Staatsbürgerschaft. Er erzählt von seinen Corona-Impfschäden und dass ihm das Geld ausgegangen ist, hier im billigsten Hostal zu übernachten – die ärztliche Behandlung hier in La Paz ist kostenfrei. Beim Verabschieden spendieren wir ihm eine Übernachtung.

Durch ziemlich verstopfte Straßen, auf denen überall Obst, Gemüse und andere Sachen zwischen dem Autoverkehr und den Fußgängern verkauft werden, laufen wir zu einem Restaurant/Café, das wir gestern gesehen haben und für das wir einen Rabattgutschein haben, das „The Carrot Tree“, ein richtiges Backpacker-Restaurant. Nach einem Avocado-Toast bzw. Crèpe mit Erdnussbutter und Banane gehen wir gestärkt zum Coca-Museum.

Es liegt sehr versteckt in einem Hinterhaus. Wir bekommen beide Mappen mit Deutscher Übersetzung aller Texte in der Ausstellung und erfahren vieles über die Geschichte und die Anwendungsmöglichkeiten der Koka-Blätter. Unter anderem erfährt Viktor, dass der Konsum im Norden Argentiniens weit verbreitet ist und man Koka-Blätter auf dem Landweg mitbringen darf. Die richtige Wirkung entfalten Koka-Blätter nur, wenn sie gemeinsam mit einem Katalysator konsumiert werden, der Lejía genannt wird und aus gepresster Asche besteht. Viktor kauft in einem Laden in der Nähe ein kleines Stück für zwei Bolivianos.

Wir verbringen noch einige Zeit in der Hotellobby (Blogschreiben, Tee trinken), bevor wir zu einem frühen Abendessen ins Lucky Llama gehen, das höchstgelegene Irische Restaurant und Pub der Welt. Unser Ober versteht Juttas Bestellung von „Agua sin gas“ nicht und etwas später auch nicht unsere Essenswünsche. Es ist heute sein erster Tag, und er ist ein gebürtiger Ire, der zehn Jahre in Brisbane/Australien gelebt hat, acht Monate gereist ist und nun hier gelandet ist. Auf jeden Fall im richtigen Restaurant!

Als wir zum Hotel zurückgehen, regnet es schon etwas – aber noch erträglich. Die gesamte Hotellobby ist voll mit Koffern und einer Asiatischen Reisegruppe. Na toll, unsere Taschen und das Tandem sind ganz hinten durch, das wird ein Spass! Wir schleichen uns durch die Wartenden und ziehen uns erst einmal beide für die nächtliche Busfahrt um – warm und gemütlich. Inzwischen hat sich die Menge aufgelöst, und wir bekommen das Rad und die Taschen nach vorne zur Tür. Der gerade noch leichte Regen ist jetzt leider ziemlich stark, aber es hilft nichts – wir schieben das bepackte Tandem den einen Kilometer durch verstopfte und teilweise überschwemmte Straßen.

Das Büro von „Todo Turismo“, wo wir vorstellig werden sollen, finden wir im ersten Anlauf nicht. Es ist nicht im Busterminal, sondern an der Straße davor, allerdings im ersten Stock eines Gebäudes. Das dort oben angebrachte Schild sehen wir nicht. Auf Nachfrage werden wir ins Busterminal geschickt, wo wir immerhin von der Touristeninformation erfahren, wo wir hinmüssen. Wir sollen eigentlich das Tandem inklusive Gepäck nach oben in deren Büro tragen, um es wieder auf die Straße zu tragen, wenn der Bus kommt. Das sparen wir uns trotz des Regens und warten lieber draußen, es wird sogar irgendwann wieder trocken. So stehen wir über eine Stunde im Dunkeln an einer potentiellen Haltestelle des Busses, trauen uns aber noch nicht, den Lenker schon wieder herunterzuklappen. Tatsächlich hält der Bus dann auch nicht dort, und wir können das Tandem noch die paar Meter zur richtigen Stelle schieben. Alles wird eingepackt, bevor überhaupt die anderen Reisenden aus dem Büro kommen – das ist gut organisiert.

Unsere Plätze sind wieder oben, ganz vorne. Und das Besondere in diesem Bus: es fährt ein Reiseleiter mit, und es gibt Abendessen und Frühstück. Wir haben ja eigentlich schon gegessen, aber als so gegen halb zehn das Abendessen kommt, nehmen wir es trotzdem, und es ist sogar recht gut. Hinterher gibt es einen heißen Tee und ein Stück Schokolade – und das im Reisebus! Die Nachtfahrt ist trotz allem wieder eine Tortur – Jutta gelingt es einfach nicht zu schlafen, obwohl man heute die Sitze sogar sehr weit nach hinten machen kann. Diesmal hat sie keinen Spechkanon im Kopf und die Zeit vergeht noch langsamer. Aber wir sind beide warm genug angezogen – zumindest das haben wir gerlernt!

Sonntag 24.11.24 – (123) – Uyuni – Salar de Uyuni

Gesamt: 7.525,75 km

Kurz nach Sonnenaufgang gegen halb sechs halten wir an einem Ausichtspunkt zum Bilder machen, bevor es nach Uyuni geht. Dort ist wegen Reparaturarbeiten heute bis nachmittags Stromausfall, so dass das „Todo Turismo“-Büro uns weder Heißgetränke noch WIFI anbieten kann. Wir können aber alles Gepäck, was wir für eine Nacht nicht brauchen, bis morgen dort unterstellen und uns so ganz unbeschwert endlich wieder aufs Fahrrad begeben.

Als erstes fahren wir zum Busterminal von Uyuni, um uns zu erkundigen, wann man zur Argentinischen Grenze nach Villazon fahren kann. Die einzige diese Strecke anbietende Gesellschaft fährt immer um 10 Uhr morgens und um 20 Uhr abends (mit Ankunft um drei Uhr nachts). Das müssen wir noch ausdiskutieren! Ebenfalls am Terminal kaufen wir Getränke an einem Kiosk, weil die geöffneten Geschäfte alle anderes als Lebensmittel verkaufen. Als wir dann noch den Ständer des Tandems etwas justiert haben, weil er seit heute am Hinterrad scheuert, können wir endlich richtig los.

Erst geht es zehn Kilometer „zurück“ (hier waren wir schon mit dem Bus) bis Colchani, wo eine Straße in den Salar de Uyuni abgeht. Jutta hofft, dort eine Toilette zu finden – vergeblich. Auch im ersten Hotel, an dem wir vorbeikommen, gibt es nur die privaten Toiletten in den Zimmern und keine Chance für jemanden von außen. An anderen Stellen hängen an allen Häusern Schilder mit „Baños“, hier gibt es gar nichts.

Als die Salzwüste anfängt, sind wir zunächst einmal erstaunt, dass der Boden nicht weiß, sondern eher rosafarben ist. Wir fahren zunächst auf einer nagelneuen, breiten, asphaltierten Straße, die hier fast etwas fehl am Platz scheint. Alle anderen Wege, wenn man sie überhaupt so nennen kann, kann man eher erahnen – auf manchen sind schon so viele Autos gefahren, dass zwei dunkle Spuren vom Reifenabrieb sichtbar sind.

Wir halten am Palacio de Sal, in dem wir vergeblich versucht hatten, ein Zimmer zu reservieren, um nach 30 Kilometern eine Pause zu machen. An der Rezeption sagt man uns, dass wir an der Bar etwas bekommen können. Dort schicken sie uns – aufgrund des Stromausfalls – in den Frühstücksraum, wo wir zurück in die Bar geschickt werden. In der Lobby steht für Gäste Tee und Kaffee bereit – wir bedienen uns jetzt einfach dort. Und das soll ein Vier-Sterne-Hotel sein?

Kurz vor dem Weiterfahren bietet man uns noch an, ab 13 Uhr dort zum Essen zu kommen. Wir wollen jetzt erst einmal weiter und überlegen tatsächlich, später noch einmal wiederzukommen.

Das Zwischenziel ist eigentlich die Plaza de las Banderas. Da auf der von Komoot beschriebenen Strecke Wasser ist und wir deshalb einen anderen Weg nehmen, kommen wir erst an eine Stelle mit vielen Menschen und Vans und halten dort ebenfalls. Es ist ein Fotostop, an dem viele mit irgendwelchen Tieren, Autos, Spielzeugen aus Kunststoff Bilder machen. Das liegt uns nicht so, aber Bilder machen wir trotzdem.

Der nächste Halt ist dann aber am Fahnenplatz. Zu unserem Glück steht dort gerade ein Mann mit einer Drohne, der auch bereit ist, uns zu filmen. Während er das Video schickt (was ewas dauert) kommen wir ins Gespräch. Er ist Kolumbianer und inzwischen seit 15 Tagen hier. Während des Gesprächs mit ihm und seiner Frau kommt ein Bikepacker angefahren. Er ist einmal durch die Salzwüste geradelt, auch durch einen See, und sowohl er als auch sein Rad sind salzverkrustet. Er ist Römer, in Bogota gestartet, nimmt auch ab und an einen Bus und will ebenfalls nach Ushuaia. Als wir weiterfahren, fällt uns auf, dass wir keinen der Beiden nach ihrem Namen gefragt haben, also bleiben sie anonym.

Obwohl wir von hier geplant haben umzukehren, lassen wir uns überzeugen, noch sechs Kilometer in eine andere Richtung zu fahren, wo es Salzskulpturen geben soll. Wir können eh erst ab 15 Uhr in unser Hotel, also machen wir uns dorthin auf den Weg. Die sechs Kilometer sind dann eher zehn (und wir müssen von dort wieder zurück), aber auf dem Areal gibt es neben ziemlich vielen Skulpturen auch ein großes Labyrinth aus Salz. Wie von uns vermutet, müssen wir einen kleinen Eintritt zahlen. Da es gerade sehr warm geworden ist und wir immer noch die warmen Sachen aus dem Bus tragen, machen wir nur ein paar Bilder und lassen das Labyrinth lieber bleiben.

Über die Hypotenuse eines großen Dreiecks fahren wir zurück in Richtung Colchani. Der Abzweig zum Luna Salada Hotel führt dann verdammte fast sechs Kilometer über unbefestigte Schlaglöcher. Wir sind mit den Kräften am Ende, und dieser Weg gibt uns den Rest. Das gebuchte Hotel macht schnell alles wieder gut: es gibt einen Spa-Bereich, und nach der Benutzung von Jakuzzi (mit Sicht nach draußen) und Dampfbad gönnt Viktor sich noch eine Rücken-Massage. Und später sitzen wir über eine Stunde in einem von mehreren Räumen an der Westseite und bestaunen einen tollen Sonnenuntergang und viele Blitze und Wetterleuchten. Die dafür ebenfalls vorgesehene Sitzecke mit Kamin im Außenbereich des Hotels bleibt heute wegen Regens leer.

Im hoteleigenen Restaurant gibt es glücklicherweise Abendessen, denn noch einmal auf den Weg machen wollen wir uns nicht. Viktor nimmt das Buffet, Jutta kann sich aus der Karte kaum aus den zahlreichen Vegetarischen Angeboten etwas aussuchen. Am Nachbartisch sitzen vier Russen, die untereinander viel Spaß haben, aber den Ober sehr geringschätzig und unfreundlich behandeln. Viktor fällt ein Zitat von Mohammed Ali ein:

https://www.goodreads.com/quotes/9576302-i-don-t-trust-anyone-who-s-nice-to-me-but-rude

Beim Blick aus dem Fenster können wir im dunklen Himmel weiter viele, viele Blitze sehen. Es ist richtig schön!

Woche 33 (11.11.24 – 17.11.24) Arequipa – Cusco

Montag 11.11.24 – Arequipa – Cusco (Bus)

Wir stehen um halb fünf auf und stehen pünktlich um halb sechs mit Sack und Pack vor dem Hotel. Als eine Peru-Hop-Guide mit Neuankömmlingen von der Straßenecke gelaufen kommt, haben wir die Hoffnung, dass dort unser Bus steht. Leider ist es der falsche Bus Richtung Nasca! Für uns kommt kurz drauf ein schon fast vollbesetzter Mini-Van ohne Möglichkeit des Fahrradtransports. Gestern Abend hat Peru-Hop auf unsere Erinnerung per WhatsApp geschrieben, dass alles geklärt wäre bezüglich unseres Tandems (und dass alle Mitarbeiter Bescheid wüssten). Die Transportfirma lässt noch einen zweiten Van anfahren, in den das Tandem aber ebenfalls nicht passt. Jutta soll jetzt mit allem Gepäck einsteigen, Viktor mit dem Tandem am Hotel warten.

Der Bus nach Cusco (über Puno), zu dem Jutta gebracht wird, ist noch fast leer, die Passagiere werden zunächst nach den beiden Zielen sortiert. Bevor das Gepäck in den Gepäckraum geladen wird, erklärt Jutta mehrfach, dass unser Rad noch kommt und aufrecht quer an die Metallstützen gestellt und festgezurrt werden muss. Trotzdem packt der Packer die Koffer und Rucksäcke von beiden Seiten dort ran und will das Rad später längs neben das restliche Gepäck stellen, ohne jegliche Möglichkeit es festzuzurren. Unsere Taschen packt Jutta erst dazu, als feststeht, dass wir mit dem Bus Viktor am Hotel abholen fahren werden. Und diesen ganzen Aufwand inclusive der Verzögerung hätte man sich sparen können, wenn wir selber per Rad zum Bus gefahren wären – die Strecke ist keine zwei Kilometer lang – sie hätten uns nur gestern Abend den Ort der Abfahrt mitteilen müssen. Als Viktor dann das Fahrrad einladen soll gibt er resolute Anweisungen, die paar Koffer wieder so umzupacken, dass das Tandem festgezurrt werden kann. Vermutlich aufgrund der bereits eingefahrenen Verspätung, traut sich keiner der beiden Busfahrer zu widersprechen und das Tandem steht am Ende so, wie wir es wollen.

Auf der 13,5-stündigen Fahrt (für 635 km!!) schickt Viktor dann etliche Nachrichten mit Peru-Hop hin und her, um zu klären, dass wir an den noch kommenden Orten immer Unterkünfte suchen, die uns ein eigenes Ankommen am Bus ermöglichen. Der Guide im Bus – Roberto – ist ebenfalls sehr engagiert in dieser Sache.

Roberto setzt sich unterwegs zu allen Fahrgästen und unterhält sich kurz mit ihnen, er ist FC Barcelona Fan und nutzt das Fussballthema gerne, um ins Gespräch zu kommen. Er ist sehr professionell, merkt sich die Namen aller Fahrgäste und spricht sie persönlich an. Uns fragt er unter anderem danach, wie lange wir schon zusammen sind und was unser „Geheimnis“ sei. Er sei jetzt sieben Jahre mit seiner Freundin zusammen und sammle die „Geheimnisse“ der Fahrgäste. Viktor fragt ihn danach, ob es etwas gäbe, was er an seiner Freundin so richtig hasse. Er lächelt und antwortet nicht. „Akzeptiere sie so wie sie ist und versucht Euch nicht gegenseitig zu verändern“. Natürlich fügt er noch hinzu, dass es nichts gibt, was er an Jutta hasst, aber vermutlich vieles, was Jutta an ihm hassen könnte und trotzdem akzeptiert. 😉

Der erste Teil der Strecke ist derselbe wie gestern und vorgestern nach Chivay, und an der Baustelle müssen wir heute ca. eine halbe Stunde warten, bis die Durchfahrt möglich ist. Da auch zwischen Juliaca und Cusco viele kleine (Brücken-) Baustellen sind, wird schon früh angesagt, dass die Fahrt wohl länger dauern wird als normalerweise.

An der Laguna Lagunillas halten wir an einem Mini- und Kunsthandwerkmarkt auf 4444 m.ü.N.N. . Es gibt heiße Getränke, Toiletten und eine tolle Aussicht zum Fotografieren.

Als wir dann näher am Wasser entlangfahren, können wir viele Anden-Flamingos sehen. Diese sehen wir auch auf der weiteren Fahrt noch in einigen anderen Gewässern.

Um ca. halb eins sind wir in Juliaca, wo alle aussteigen, die heute nach Puno fahren wollen und wenige einsteigen, die von dort kommen und nach Cusco wollen. Alle anderen dürfen hier nicht einmal kurz aussteigen. Die nächste Möglichkeit dazu gibt es erst um halb vier an einem Restaurant, in dem uns ein Lunchbuffet erwartet und wo wir fast eine Stunde bleiben. Na ja, ist dann für uns halt Mittag- und Abendessen in einem, um diese Zeit.

Für die 345 km von Juliaca nach Cusco benötigt der Bus (incl. der Pause) volle sieben Stunden, obwohl ganz wenig Verkehr ist. Die Straße auf dieser Hochebene ist so schlecht und voller Umleitungen um Baustellen, dass es einfach nur sehr langsam vorwärts geht. Wenigstens ist der Blick aus dem Fenster sehr schön, solange es noch hell ist.

Um halb acht sind wir am Peru-Hop-Terminal in Cusco. Wir haben extra ein Hotel nur 500m davon entfernt gebucht und schieben das bepackte Tandem an die angegebene Adresse. Dort ist ein Schild von einem Hostel mit völlig anderem Namen, und die an der Ecke parkenden Taxifahrer sind auch überfragt. Viktor geht schließlich in dem Hostel fragen und erfährt, dass es das gebuchte Hotel Templo Home ist. Auf den Zimmerschlüsseln steht allerdings Templo Inn, das laut Google – Eintrag ein Hostel im selben Haus sein soll. Alles etwas eigenartig, aber wir können problemlos noch eine Nacht verlängern und am Abreisetag das Zimmer bis abends behalten. Außerdem geht der Sohn des Hauses gleich zweimal für Viktor in die nahegelegene Tienda, einmal, um sich nach Viktors Bierwunsch (Cusqueña Negra) zu erkundigen, und dann, um diesen Wunsch zu erfüllen. Dafür gibt es natürlich ein ordentliches Trinkgeld in Höhe des Bierpreises für den jungen Mann.

Dienstag 12.11.24 – Cusco

Nach dem Frühstück geht Viktor das „Boleto Turistico General„-Ticket kaufen, während Jutta mit ihren Schwestern videokonferiert. Um 10 Uhr kommt Patricia von Peru4fun, um mit uns die Reise ins Peruanische Amazonasgebiet durchzusprechen und das Geld in bar (in US-Dollar) abzukassieren. Wir haben uns auf Anraten von Andy und Susan (unsere Überraschungs-Gastgeber in Monterey, CA) für einen Kurztrip von Cusco nach Puerto Maldonado und den Tambopata-Nationalpark entschieden, der vom 15.11.- 17.11. stattfinden soll.

Geplanter Kurztrip zum Tambopata Nationalpark im Amazonasgebiet

Anschließend machen wir uns auf den Weg zum Inkakomplex Sacsayhuamán über das San Blas Viertel und den San Blas Markt. Das sind zwar nur 2,7 km Fußweg, aber es sind sehr viele Stufen nach oben. Da merken wir dann doch, dass wir uns in ca. 3.400 m.ü.N.N. befinden – die Luft ist ganz schön dünn.

Auf dem Weg kommen wir erstmals am Ausichtspunkt „Mirador San Blas“ vorbei und laufen durch die schönsten Gassen der historischen Altstadt, unter anderem auch die „Calle Siete Borreguitos“ (sieben Lämmer).

Oben angekommen empfängt uns am Eingang des archäologischen Komplexes ein Guide (Santiago Leonardo), der uns seine Dienste anbietet und geschickterweise gleich erwähnt, dass alle Beschreibungen auf dem Gelände ausschließlich in Quechua, der indigenen Sprache des ehemaligen Inka-Reiches, erfolgen. Da wir den Mehrwert von Fremdenführern durchaus zu schätzen wissen – oft genug sind wir ziel- und kenntnislos durch ähnliche Anlagen gelaufen und haben uns gefragt, was wir da eigentlich gerade sehen – nehmen wir seine Dienste gerne in Anspruch.

Zunächst geht es nochmal ordentlich bergauf, bis wir an einen Parkplatz gelangen, an dem ein Kassenhaus steht. Dort wird unser für 16 Sehenswürdigkeiten gültiges Touristenticket gelocht und somit für diese Sehenswürdigkeit Nr. 16 entwertet. Auf dem Weg nach oben hält Santiago immer wieder an, gönnt uns so eine kleine Pause, um wieder zu Atem zu kommen, und erklärt schon mal einige Dinge. Sacsayhuaman wurde im 15. Jahrhundert unter der Regentschaft des neunten Inkaherrscher Pachacútec (1438 – 1471) erbaut, vermutlich als Festung und Tempelanlage. Sie wurde nie fertiggestellt, da die Eroberung durch die spanischen Konquistadoren „dazwischenkam“. Am Rande des Weges zeigt uns Santiago eine kleine Höhle, in der die Mumie eines circa 50-jährigen Mannes in Adelskleidung gefunden wurde. Alle gefundenen Mumien von Adeligen seien bei ihrem Tod circa 50 Jahre alt gewsen, während in den Gräbern der normalen Bevölkerung ein Großteil weit über 60 oder sogar 70 Jahre alt gewesen sei. Dies habe am Inzest gelegen, der unter den Adeligen betrieben wurde, um die direkte Abstammungs-Linie vom Sonnengott zu bewahren.

Ebenso erfahren wir schon im Aufstieg, dass die Inka Menschenopfer dargebracht haben, um für Regen oder gute Ernten zu beten. Die Opfer waren Kinder, die noch nicht die Geschlechtsreife erreicht haben, denn diese galten damals als Boten zu den Göttern im Jenseits. Santiago behauptet, dass die geopferten Kinder nicht aus den Adelsfamilien stammten, sondern aus der normalen Bevölkerung.

Oben angekommen führt uns der Guide über das riesige Gelände und erklärt uns einiges zur Architektur und Bauweise. Das Beeindruckenste an der Inka-Architektur sind die riesigen Steinblöcke, die komplett ohne Mörtel ineinandergefügt sind und keinen Fugenzwischenraum lassen, in dem sich Pflanzen ansiedeln könnten. Die Steinblöcke wurden mit harten eisenhaltigen Steinen und mit Meißeln bearbeitet, bis sie exakt ineinander passten. Santiago zeigt uns eine vermutlich selbstgemalte Zeichnung, in der die Einbuchtungen an den großen Steinblöcken so erklärt werden, dass sie als Ansatzpunkte für Hebel und Stützen dienten.

Sinn der Vertiefungen an den Steinen

Die Erdbebensicherheit der Inka-Bauweise erklärt Santiago mit der leicht schrägen Bauweise (unten breiter als oben, wie die Pyramiden), die besonders erdbebensicher sei. Die post-koloniale Bauweise mit 90°-Winkeln an den Wänden sei wesentlich weniger erdbebensicher.

Nach etwa eineinhalb Stunden ereichen wir als letztes den Mirador der Anlage und haben einen genialen Blick über die ganz Stadt Cusco.

Weitere Details über Sacsayhuaman in spanischer Sprache findet man hier.

Abstieg zur Plaza Mayor zum Treffpunkt der Free Walking Tour

Um 15:30 Uhr haben wir für heute eine Free Walking Tour gebucht, die durch die historische Altstadt führen soll und an der Plaza Mayor startet. Wir sind etwas knapp dran und erreichen erst kurz vor 15:00 Uhr hungrig und durstig den zentralen Platz der Altstadt. Also schnell in ein Café, zwei Café Latte und Kuchen bestellt, die aber ziemlich lange brauchen und entsprechend hastig verzehrt werden müssen.

Am Treffpunkt stehen mehrere Fremdenführer mit lila T-Shirts und einem großen lilafarbenen Regenschirm. Wir werden auf mehrere Gruppen aufgeteilt. Unsere englischsprachige Gruppe besteht aus einem italienischen Paar, einem Australier und uns beiden. Unser Guide heißt „Joshua Joel“ und ist 22 Jahre alt, also ungefähr so alt wie unser Sohn Joshua.

Die Tour führt durch die historische Altstadt, und wir kommen relativ schnell an einen kleinen eingemauerten Marktplatz, in dem ein Alpaca und ein Lama frei herumlaufen und grasen. Auf der Fahrt in den Colca Canyon hatten wir vom Guide noch erfahren, dass sich Lamas und Alpacas kreuzen können und dabei die Hybriden Huarizos entstehen, die ihrerseits ebenfalls fortpflanzungsfähig sind. Wenn sich zwei Huarizos paaren werden dann wiederrum Lamas oder Alpacas geboren. Unser heutiger Guide Joshua verneint zunächst die Existenz von Hybriden, korrigiert sich aber später nochmal. Jedoch seien die Hybriden meist nicht lange überlebensfähig, nur 20% erreichen angeblich selbst die Geschlechtsreife.

Diese kleinen Widersprüche zwischen den Aussagen und Erklärungen verschiedener Fremdenführer ziehen sich danach wie ein roter Faden durch den Rest der Tour. Bei dem einen waren es in Peru 3.000 Kartoffelsorten, beim anderen über 4.000, heute sind es bei Joshua 5.000, von denen es in Cusco genau 3.785 geben soll. Auch die gefriergetrockneten Kartoffeln (Chuño) werden heute wieder erwähnt. Bei Joshua sind sie 11 – 13 Jahre haltbar, von den anderen Guides hatten wir über 20 Jahre gehört.

Die Menschenopfer, von denen wir heute morgen gehört haben, erfolgten laut Joshua in einer Zeitspanne von 700 Jahren im Inkareich nur dreimal, weshalb er die Theorie glaubt, dass es nur in extremen Trockenzeiten dazu kam. Bei Joshua wurden den Göttern auch nrt die „besten“ Opfer dargebracht, und daher waren es natürlich die Kinder der Adligen, die geopfert wurden.

Heute morgen hatten wir noch erfahren, das die großen Felsen nie bergauf transportiert werden mussten, sondern immer nur bergab in die richtige Position gerollt wurden, bei Joshua werden sie über Rampen auch aufwärts transportiert wie bei den Ägyptern und den Pyramiden.

In einer Straße erklärt Joshua die Aus – und Einbuchtungen an den Felsen in der Mauer zu kalendarischen Markierungen. Mit seiner Handy-Taschenlampe imitiert er die Sonne und zeigt uns, wie die Schatten an bestimmten Stellen genau in die Fugen darunter fallen. So hätten die Inka mittels des Schattenwurfes das aktuelle Datum feststellen können und sich bei Aussaat und Ernte daran orientiert. Tja, sind das jetzt Ansatzpunkte für Holzstützen und Hebel, oder doch Kalendermarkierungen? Oder beides? oder stimmt gar Viktors Theorie, das die Inka die ersten waren, die den Boulder-Sport betrieben haben?

Trotzdem ist es eine wirklich interessante Tour, die blöderweise am gleichen Mirador endet, den wir heute morgen schon alleine erklommen haben. Na gut, in der Dämmerung bietet sich nochmal ein anderer Ausblick auf die erleuchtete Stadt, aber wir sind ganz schön platt und merken die dünne Luft leider immer noch deutlich, obwohl wir ja nun schon auf 4.000 Meter Höhe radgefahren sind und uns auch seit mehreren Tagen (seit Arequipa) in größerer Höhe befinden.

An dem Mirador erklärt Joshua uns auch nochmal, dass die Informationen aus der Inka- und Prä-Inka-Zeit aufgrund der fehlenden schriftlichen Überlieferungen (die Inka hatten keine Schrift entwickelt) sehr widersprüchlich sind und häufig auf den schriftlichen Aufzeichnungen der kolonialen, spanischen Chronisten basieren. Diese haben natürlich alles, was sie sahen, durch ihre eigenen Brille gesehen, interpretiert und beschrieben. Deshalb gibt es viele unterschiedliche Theorien, und jeder Fremdenführer legt sich seine Lieblingstheorien zurecht. Das erklärt zumindest einige der Widersprüche und beendet den etwas verwirrenden Tag für uns dann doch versöhnlich.

Den Cuy (das Meerschweinchen), den Viktor heute noch verspeisen wollte, lassen wir ausfallen (das Restaurant hat um 17 Uhr geschlossen) und gehen auf dem Rückweg in ein vegetarisches Restaurant, bevor wir im Hotel todmüde ins Bett fallen und den Blogeintrag für heute nur halb fertig geschrieben haben. Jutta fühlt sich vor dem Abendessen richtiggehend krank und hat starke Schluckbeschwerden, so dass wir etwas besorgt schlafen gehen, denn für die nächsten Tage haben wir einige anstrengende und nicht ganz billige Touren reserviert.

Mittwoch 13.11.24 – Cusco

Für den Vormittag haben wir uns Museumsbesuche vorgenommen. Dummerweise ist hier heute wieder einmal Streiktag, wobei die Hotelbetreiberin uns beim Frühstück sagt, dass die Touristen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden sollen. Wir gehen also zu neun Uhr – der Öffnungszeit – zum Museo de sitio Qorikancha. Mit einigen anderen warten wir vor dem verschlossenen Eingang, es wird fünf nach, zehn nach, viertel nach … – einige der Wartenden gehen schon wieder. Gegen halb zehn haben wir ebenfalls genug. Auf dem Bürgersteig vor dem Museum stehen zwei Tourismus-Polizisten, die uns beim Gehen sagen, dass doch heute Streik ist und das Museum deshalb geschlossen bleibt. Das hätten sie auch gleich mal sagen können! Sie zeigen in eine Richtung, und dass dort ein anderes Museum sei. Dort angekommen hat auch dieses geschlossen! Wir sind so genervt, dass wir einen Kaffee trinken gehen wollen, aber eine Frau von der Stadtverwaltung sagt uns auf dem Weg zur Plaza Major, dass das Qorikancha noch öffnen würde – vielleicht etwas später. Wir gucken erst noch beim privat geführten Inka-Museum vorbei, aber auch dieses hat die Tore verschlossen.

Tatsächlich kommen wir um zehn mit vielen anderen gemeinsam in das zuerst aufgesuchte, kleine Museum, von dem wir eigentlich mehr erwartet hätten. Nach dreißig Minuten sind wir durch!

Im Peru Café machen wir dann Kaffeepause, und gehen dann ohne weiteren Versuch ins Hotelzimmer, um den gestrigen Blogbeitrag fertigzustellen.

Um 13:15 Uhr sind wir am (heute noch veränderten) vereinbarten Treffpunkt zu einer Free Walking Tour per Fahrrad. Durch den Streik kann nicht die eigentliche Strecke gefahren werden, und aus diesem Grund ist es wohl auch nicht der eigentliche Guide, der eine andere Tour mit uns machen wird. Wir laufen zu einem Fahrradladen, wo wir und auch er ein Leihfahrrad bekommen. Und dann fahren wir hinter Paul her durch Cusco: anscheinend fährt er mit dem Rad genauso, wie er sonst läuft – über Fußwege auf der linken Straßenseite, über Stufen, über Kopfsteinpflaster, und rote Ampeln interessieren ihn ebenfalls überhaupt nicht.

In der Nähe des San Pedro Market bekommen wir Früchte zum Probieren: eine Lukuma, deren Eis und Joghurt wir schon kennen, eine Granadilla und eine Waba, auch Pacay genannt (letztere nehmen wir erst einmal mit und werden sie später essen).

Paul erzählt uns die Geschichten zu den Inka-Bauwerken wieder anders, zeigt uns aber auch Dinge, die wir noch nicht kennen.

Immer wieder sagt er, dass wir später dann zum Condor-Fotopoint fahren werden, dass muss der Höhepunkt sein. Das Handy zum Bildermachen ist vorher schon leer – wie auch die mitgenommene Powerbank. In San Sebastian kommen wir dann zu einer Säule mit einem Condor aus Kupfer oben darauf, und er macht Bilder von diesem ach so tollen Platz mit seinem Handy. Schön ist dort aber gar nichts, finden wir! Der große Platz von San Sebastian wird auch angefahren, ist allerdings gerade komplett mit Metall eingezäunt – wir können nur die angrenzende Kirche anschauen.

Auf der Rückfahrt vom Condor fällt Viktor immer wieder ein wenig zurück, denn es geht leicht bergauf und sein Leihfahrrad ist eine Qual. An den roten Fahrradampeln bleibt er dann immer stehen und fällt so noch weiter hinter Paul und Jutta zurück, die an jeder Ampel, egal ob grün oder rot, einfach weiterfahren. Jutta wird sogar einmal von einer Frau angesprochen, die darauf verweist, das rote Ampeln auch für Radfahrende gelten.
Irgendwo wartet Paul dann doch und fragt, ob Viktor eine Pause bräuchte. „Nein, nein … ich halte nur an den roten Ampeln an.“
Dann erklärt Paul: Früher, als sein Vater noch Polizist war, hätten sich die Leute noch an die Verkehrsregeln gehalten, aber heute seien die Polizisten keine Respektspersonen mehr und schauten sowieso nur noch auf ihr Mobiltelefon. Und weiter geht es … natürlich sofort wieder bei rot über die nächste Ampel.

Um halb fünf sind wir wieder am Fahrradladen, wo gerade ein Französisches Paar, das wir gestern mit ihrem Gepäck in der Stadt haben ankommen sehen, Ersatzteile kaufen möchte. Sie fahren noch bis in den Norden von Chile, dann müssen sie zurück nach Frankreich. Paul kassiert uns noch ab – mehr als bei der Reservierung angegeben – und dann laufen wir zurück.

Nach ganz kurzer Pause laufen wir noch einmal zum Hauptplatz: heute will Viktor dem Meerschwein noch seine zweite Chance geben, und zwar im Mr. Cuy direkt am Platz. Sie haben eine richtige Auswahl, und er lässt sich beraten – die Wahl fällt dann auf das Meerschwein aus dem Ofen. Für die vielen Touristen kommt es dann so an den Tisch:

Es wird anschließend aber in der Küche entkleidet und geschnitten:

Es schmeckt fast wie Huhn und viel, viel besser als beim letzten Versuch in Ecuador.

Auf dem Rückweg besorgen wir noch Cola, Wasser, Coca-Blätter und Snacks für morgen, denn um drei Uhr nachts werden wir abgeholt für eine Tour zu den Rainbow-Mountains – dazu morgen mehr.

Donnerstag 14.11.24 – Rainbow Mountain Vinicunca – Cusco

Um 2:30 Uhr klingelt der Wecker, denn wir sollen um 3:00 Uhr abgeholt werden, um den Rainbow Mountain zu erwandern. Wir haben gestern schon alles bereitgelegt, denn es muss in 4.000 bis 5.000 Metern Höhe mit jedem Wetter gerechnet werden. Also packen wir alle möglichen warmen Schichten ein, die wir dabeihaben, natürlich auch unsere Regen/Windjacken. Wasser, Snacks, Coca Cola und eine Packung Coca-Blätter haben wir gestern Abend auch noch besorgt.

Beim Schuhwerk entscheiden wir uns unterschiedlich. Viktor nimmt die Sandalen, mit denen er schon die Wanderung in Las Cajas auf über 3.900 Metern Höhe erfolgreich absolviert hatte, Jutta entscheidet sich für die geschlossenen Radfahrschuhe, die unter dem Ballen Metall-Cleats (Bindung zum Pedal) besitzen. Entscheidungen, die heute noch Konsequenzen haben sollen.

Um 2:55 Uhr stehen wir vor dem Hotel bereit. Es vergehen 20 Minuten, in denen nichts passiert, außer dass Viktor versucht, die angegebene Telefonnummer des Veranstalters zu erreichen. Wir machen uns etwas Sorgen, denn wir hatten ursprünglich für den 15.11. gebucht und dann um einen Tag vorgezogen, weil es morgen nochmal in das Peruanische Amazonasgebiet gehen soll. Nicht, dass man uns vergessen hat! Um 3:16 Uhr erscheint ein Mercedes Sprinter in der Straße und hält vor uns an. Er ist bis auf zwei Plätze bereits komplett besetzt. Jutta findet vorne noch einen Platz mit etwas Blick auf die Straße, Viktor klemmt sich in der hintersten Viererreihe noch dazwischen und fühlt sich wie der letzte Stein, der fugenlos in eine Inkamauer eingesetzt wird.

Dann geht es durch die Dunkelheit in die Berge hinauf. Unsere Guide, Vicky, macht ein paar Ansagen, und wir müssen uns einen Teamnamen aussuchen. Da niemand einen Vorschlag macht, müssen wir uns zwischen „Sexy Condors“ und „Sexy Alpacas“ entscheiden. Es werden dann die Condors.

Nach 1,5 Stunden Fahrt wird eine Frühstückspause von 25 Minuten in einem Restaurant mit Frühstücksbuffet eingelegt. Die Sexy Condors sitzen alle an einem zugewiesenen langen Tisch. Die Gespräche sind überschaubar, denn alle scheinen noch ziemlich verschlafen. Dann geht es nochmal für eine Stunde über eine unbefestigte Bergstraße zum Ausgangspunkt der Wanderung auf 4.300 Meter hinauf.

Das Ziel der Wanderung von 4 Kilometer Länge mit der Aussicht auf den Vinicunca (Rainbow Mountain, Montaña de los Siete colores) liegt auf 5.036 Meter Höhe.

Während sich der Van die holprige Bergstraße im Allradmodus hinaufkämpft erklärt Vicky, dass täglich circa 3.000 Touristen diesen Berg besuchen und wir auch deshalb so früh losgefahren sind, um oben zu den ersten Gruppen zu gehören. Denn schon nach kurzer Zeit wird man dort  Schlange stehen müssen, um „sein“ Foto zu machen. Viktor rechnet kurz, dass das etwa 150 Vans sind, die hier täglich hochfahren. Busse können die schmalen Serpentinen auf unbefestigter Straße vermutlich nicht schaffen. Es sind zwar hinter uns einige Vans auf den Serpentinen zu sehen, aber keine so hohe Anzahl. Später erklärt sich das dadurch, dass es zwei Aufstiege zum Aussichtspunkt gibt und sich der Verkehr dadurch verteilt. Außerdem kommen unterschiedliche Tour-Anbieter zu unterschiedlichen Zeiten, so dass es sich ebenfalls gut verteilt. Während wir durch kleine Bergdörfer fahren, in denen die Touristen-Vans wie Fremdkörper wirken, sinkt bei Viktor merklich die Motivation. Das Ganze hat für seinen Geschmack dann doch zuviel von Massentourismus in einer Region, in der solche Massen nach seiner Meinung nichts zu suchen haben. Er fühlt sich plötzlich an „Verstehen Sie Spaß“ (candid camera, versteckte Kamera) erinnert, als Reinhold Messner mit versteckter Kamera in den Alpen mit einem Souvenirstand auf einem Gipfel zur Weißglut getrieben wurde. Unsere Guide Vicky sieht das natürlich ganz anders und bedankt sich mehrfach, dass wir alle dabei sind, denn seit diese Berge 2013 per Zufall entdeckt wurden, hat sich das Leben der Einheimischen stark verbessert, auch wenn nach der Pandemie wohl ein Streit der verschiedenen Dörfer enstand : manche möchten gerne Eintritt nehmen, andere nicht. In unseren Van kommt heute ein Mann mit einem Zettel und teilt uns mit, dass wir nichts zahlen müssen…

Je höher wir kommen desto mehr Schneefelder sind rechts und links der Straße zu sehen. Wir befinden uns am Anfang der Regenzeit und in dieser Höhe bedeutet das natürlich Schneefall. Oben am großen Parkplatz, der gegen 10 Uhr circa 50 Vans Platz bieten wird, steigen wir alle aus und erhalten ein kurzes Briefing. Es stehen nun 4 Kilometer Wanderung bergauf an, zunächst 20 Minuten relativ flach, dann 40 Minuten steiler und wellig und am Ende dann 30 Minuten steil bergauf. Der letzte Abschnitt wird auch „Gringo-Killer“ genannt.

Man kann auch mit geführten Pferden hochreiten. Die Einheimischen führen diese zum Teil in offenen Sandalen schnellen Schrittes den Berg hinauf. Dann werden die Pferde teilweise von Motorrädern geführt wieder nach unten gebracht, um den nächsten Touristen hochzutragen.

Schon während der ersten 10 Minuten auf dem Wanderweg wird klar, dass einer von uns heute definitiv die falsche Schuhwahl getroffen hat. Wir laufen durch Schneematsch bergauf, der natürlich ruck-zuck in den Sandalen steckt und die Socken sind nach 20 Minuten am Ende des ersten kurzen Teilstücks bereits zur Hälfte durchnässt. Die Zehen sind schon klamm und trockener soll es weiter oben definitiv nicht werden, denn der Schnee beginnt bereits zu schmelzen, läuft in Rinnsalen über den Weg und bildet dort Pfützen, um die man nicht mehr herumlaufen kann. Viktor hat zwar Ersatzsocken dabei, aber die waren erst für die Rückfahrt gedacht.

Also ist die Entscheidung schnell getroffen. Nach einem Selfie vor schneebedeckten Bergpanorama trennen sich hier erstmals seit April unsere Wege für mehrere Stunden. Viktor probiert zwar nochmal ein Stück der zweiten Etappe, aber wie erwartet wird es zunehmend schlammiger. Da die Motivation sowieso schon eher schwach war, meldet sich Viktor bei Vicky ab und macht sich auf den Rückweg.

Selfie … und Tschüss

Unten am Parkplatz angekommen setzt er sich gemütlich am Toilettenhaus auf eine Bank in die Sonne, zieht seine trockenen Socken an und legt die nassen Socken zum Trocknen in die Sonne.

Jutta schafft mit einigen Luftholpausen in eindreiviertel Stunden den Aufstieg nach oben. Die Socken sind nur ein bisschen nass. Beim Loslaufen trägt sie noch eine Dauenjacke unter der Regenjacke, Mütze und Handschuhe, aber wie auch alle anderen wird bis auf die Regenjacke und die Mütze nach und nach alles ausgezogen. Der Weg ist trocken schon heftig, aber mit dem Schneematsch und den Rinnsalen aus Tauschnee eine noch größere Herausforderung. Wir haben Hoffnung, oben trotzdem etwas von den Farben sehen zu können – vielleicht scheint dort die Sonne ja schon.

Leider bewahrheitet sich das nicht: es liegt alles unter einer weißen Schneedecke. Das ist zwar auch sehr schön, aber überhaupt nicht das, weswegen man hier hochwandert.

Von der oberen Station, an der Jutta sich einen Stempel für den Pass holt und man sich Getränke und Snacks kaufen könnte, kann man noch 10 Minuten auf einen anderen Gipfel klettern. Beim Absteigen ist es so glatt, dass viele ausrutschen, auch Jutta legt sich hin und wird ziemlich nass in dem Matscheschnee.

Nach einer Stunde oben mit Gruppenbild der Sexy Condors macht sich Jutta wieder an den Abstieg zur „Talstation“/ zum Parkplatz. Der Schnee auf dem Weg ist komplett weg und auf der Bank, die auf dem Hinweg noch verschneit war, sitzen inzwischen Menschen.

Am Parkplatz treffen wir dann wieder aufeinander, und bald schon fährt unsere Gruppe zurück zum selben Restaurant wie heute früh, und es gibt ein Mittagessen. Von dort sind wir nach knapp zwei Stunden um kurz vor drei wieder in Cusco – jetzt werden alle in der Altstadt rausgelassen.

Wir halten auf dem Weg zum Hotel im Café Peru, wohin Viktor von Peru4fun für unseren Amazonastrip noch ein Paar Gummistiefel in Größe 45 gebracht werden (Juttas Größe gibt es wohl vor Ort) und verbringen den restlichen Nachmittag dann mit dem Blog im Hotelzimmer. Als wir zum Abendessen gehen wollen, schüttet es draußen. Daher gehen wir in eine nahegelegene Anticucheria und Pizzeria. Hier werden Peruanische Klassiker aus Rinderherz serviert aber eben auch Pizzen. Wir warten über eine Stunde auf unsere Pizza, denn der Pizzabäcker erscheint verspätet zur Arbeit und am Ende muss unser junger Kellner in der Küche selbst Hand anlegen, damit wir unser Essen bekommen. Dafür erhält der motivierte junge Mann das Trinkgeld trotz Kartenzahlung direkt bar auf die Hand, damir es nicht in der gemeinsamen Trinkgeldkasse verschwindet.

Freitag 15.11.24 – Cusco – Tambopata Reserve

Beim Frühstück tauschen wir uns mit einem jungen Argentinischen Paar aus. Sie waren auch schon bei den Rainbow Mountains und können uns erzählen, dass die Farben in Natur sehr schwach sind – demnach alle Bilder in den Broschüren der Touranbieter mit leuchtenden Farben digital nachbearbeitet sein müssen. Sie würden die Tour nicht nochmal machen und auch nicht weiterempfehlen. Tja, das nennt man dann wohl schlechtes „management of expectations“. Außerdem wird das Paar morgen für zwei Nächte ins Amazonasgebiet fliegen – vielleicht treffen wir sie, denn dorthin brechen wir heute auf.

Um 9:30 Uhr werden wir von Richard von Peru4Fun zum Internationalen Flughafen von Cusco gebracht (international, weil einmal täglich ein Flug von/nach La Paz in Bolivien geht – fast alle Flüge sind nach Lima). Wir haben alles Flüssige und eine Schere extra in eine Tasche zum Aufgeben gepackt, aber eine Flughafenmitarbeiterin meint, wir können beide Taschen mit an Bord nehmen, Flüssiges und Scheren seien kein Problem. An der Security fischen sie dann noch das Antirepellent (Mückenspray) heraus, weil es Treibgas enthält. Das mitgenommene Flaschenwasser und Obst gehen durch.

Der Flug nach Puerto Maldonado ist verspätet, und so verbringen wir einige Zeit im Warteraum, bis es endlich losgeht. Wir fliegen eine Stunde, werden sofort von unserem Guide Bryan eingesammelt und eine knappe Stunde mit dem Auto zum Hafen von „Infierno“ (Hölle) gefahren. Die Straße erfordert an vielen Stellen einen Allradantrieb. Mit einem kleinen Boot geht es ca. eineinhalb Stunden flussaufwärts zum Tambopata Reserve und dort zum Explorers Inn, dem einzigen Hotel innerhalb des Reservats. Zu Beginn der Bootsfahrt bekommen wir ein boxed lunch: sehen aus wie Tamales, sind aber „Amazonas Chaufas“, eine Lady-Banane und brasilianische Nüsse.

Der Zufluss zum Madre de Dios, wiederum Zufluss zum Amazonas, ist schon ganz schön breit, und wir bekommen erklärt, dass der Amazonas vier Kilometer breit sein kann. Und bei dem vielen Grün rechts und links, was wir schon länger nicht hatten, stellen wir beide unabhängig voneinander fest: je grüner, desto schöner!

In der Lodge bekommen wir vom Manager eine ausführliche Einweisung, bevor wir ins riesige, frisch renovierte Zimmer können. Nach kurzem Aufenthalt gehen wir wieder an den Fluss und legen uns in Hängematten, um den Sonnenuntergang (17:15 bis 17:50 Uhr) anzuschauen. Selbst bei diesem Nichtstun schwitzen wir, obwohl es heute „nur“ 34°C hat. Es ist halt ziemlich feucht.

Um 18:20 Uhr sollen wir uns einfinden, weil Bryan eine „Nachtwanderung“ mit uns machen will. Als wir eintreffen muss er erst geweckt werden. Später erklärt er uns, dass vor einer Woche sein erstes Kind geboren wurde und er Schlaf nachzuholen hat. Da wir keine geschlossenen Schuhe haben, tragen wir die Gummistiefel. In der Stunde Wanderung versuchen wir, gehörte Eulen zu entdecken, sehen verschiedene Tarantulas (am Baum und am Boden, sogar ein Nest mit vielen kleinen Chicken-Tarantulas), verschiedene Ameisen, u.a. die ziemlich große und durchaus gefährliche „Bullet“-Ameise (der Biss ist wie eine Pistolenkugel), eine ganz lange, schwarze Schlange, unterschiedliche Frösche… . Bryan erklärt die Symbiose zwischen einer kleinen Froschart (Dotted Humming Frog, chiasmocleis ventrimaculata, einen deutschen Namen gibt es nicht) aus der Familie der Engmaulfrösche (Grüße an Barbie) und einer Tarantula (Vogelspinne): die Tarantula-Larven ziehen Insekten an, die die Larven fressen wollen. Diese Insekten ziehen den Frosch an, der die Inseken frisst und damit das Nest der Tarantula schützt. Die Tarantula sitzt oft direkt neben dem Frosch und verjagt ihn nicht, denn er ist auch leicht giftig.
Den Nutzen von Pilzen im Ökosystem und viele andere Dinge erklärt uns Bryan ebenfalls während der kleinen Wanderung.

Wieder am Hotel hat das Abendessen schon begonnen. Außer uns Dreien isst eine recht große Gruppe am Nachbartisch, die aus Französischen Vogelbeobachtern besteht.
Da Jutta schon seit ein paar Tagen einen hartnäckigen Husten hat, und wir in Puerto Maldonado in einer Apotheke nur Antibiotika, aber keinerlei pflanzliche Hustenmittel angeboten bekamen, gibt es aus der Küche einen Ingwer-Tee (Gengibre) mit einigen weiteren geheimen Zutaten, u.a. etwas, das wie Knoblauch riecht und schmeckt. Tja, selbst die Apotheken im hiesigen Amazonasgebiet nutzen die üppige Biodiversität nicht wirklich, aber wenigstens die Köche tun es.
Anschließend verabreden wir uns für morgen um halb acht zum Frühstück und gehen unserer Wege.

Schlafen müssen wir bei ziemlicher Hitze unter dem Moskitonetz, bei nächtlichen Dschungelgeräuschen neben dem Brummen eines Generators (das aber zeitig abgeschaltet wird).

Samstag 16.11.24 – Tambopata National Reserve

Wir werden vom Geräuschpegel geweckt, als es hell wird und der Regenwald erwacht. Es wird richtig laut, aber endlich einmal keine Autohupen, Alarmanlagen, krähende Hähne, bellende Hunde oder laufende Fernseher und laute Musik aus den Nachbarzimmern.

Als wir unsere Brillen aufziehen, sehen wir erstmal …. nichts … denn die sind, obwohl sie einfach so auf dem Nachttisch lagen, komplett beschlagen. Das hatten wir bisher auch noch nicht.

Viktor versucht mit seiner neuen App „Merlin Bird ID“ einige der vielen Vogelstimmen zu bestimmen, die in einem vielstimmigen Chor zu hören sind. Juttas hartnäckiger Husten kommt aber immer wieder dazwischen. Zum Frühstück um 7:30 Uhr gibt es deshalb auch nochmal einen Ingwer-Tee aus der Küche.

Um 9:15 startet unser Wanderung mit dem Guide Bryan zum nahegelegenen SAGES-Forschungsturm. Da wir den Weg (und mögliche Ameisenhaufen) tagsüber gut erkennen können, empfiehlt er uns statt in Gummistiefeln ruhig mit unseren Sandalen zu gehen.

Unterwegs müssen wir über einige Bäche und Hängebrücken und können wieder einige Pfanzen und Tiere kennenlernen, unter anderem die Symbiose ziwschen den Feuer-Ameisen und dem „Devil Tree“.

Die kleinen Löcher sind Eingänge. Das Ameisenvolk lebt IN dem Baum.

Als wir den Turm erreichen steht auf dem Schild etwas von SAGES. Viktor denkt zuerst and die „Society of American Gastroenterologists“ , auf deren Kongressen er früher öfter war. Es geht aber bei dem Turm im Rahmen einer Kooperation mehrerer Universitäten um die Messung von CO2-Gasflüssen im Regenwald.

Von den 199 Stufen schafft Viktor 144, dann werden die Stufen schmaler, man spürt den Turm etwas schwanken und es weht eine leichte Brise. Alles nichts für ihn. Da er auf Anraten von Bryan auch noch vorsichtig sein soll, wenn er das Geländer anfasst (Ameisen, Wespen und andere stich- und bissfreudige Insekten sitzen dort sehr gerne) ist der Aufstieg wieder mal eine echte Herausforderung. Ohne krampfhaftes Festhalten am Geländer ist sowas für Viktor nicht zu schaffen. Die Fotos von ganz oben macht dann also wieder mal Jutta. 😉

Panorama von ganz oben

Oben auf der durchlöcherten Plattform ist der Blick sensationell. Überall grün, über das Blätterdach herausragende Iron Trees, im Hintergrund die Anden von Puno sichtbar, und dann sehen Jutta und Bryan auch noch einen Wald-Gelbkopfgeier, der ähnlich groß wie ein Condor und auch mit diesem verwandt ist, in der Luft schweben.

Nach ca. 30 Minuten machen wir uns auf dem Rückweg zum Hotel, wo wir bei Ankunft auf eine Unmenge von Schmetterlingen treffen.

Die Lodges des Hotels sind auf Stelzen gebaut, und es wird einiger Aufwand betrieben, um die Tiere aus dem Schlafzimmer heraus zu halten. Trotzdem gab es – wie uns Bryan beim Mittagessen erzählt – schon Gäste, die nach einer Nacht abgereist sind, weil es eine (völlig ungefährliche 😉 ) Vogelspinne in das Moskitonetz über dem Bett geschafft hatte, also von innen über der schlafenden Person hing.

Um 15 Uhr treffen wir uns zur Nachmittagsaktivität: mit dem Boot ein Stück den Fluss abwärts, 1,5 km zu Fuss zu einem See (der in der Vergangenheit aus einer Schleife des Flusses entstanden ist) und dort mit einem Katamaran zur Tierbeobachtung. Am Anleger vor dem Fussweg legt auch gerade ein weiteres Boot mit einem Guide und zwei Deutschen Frauen (Sonia aus dem Allgäu, Stefanie aus Konstanz) an, und wir beschließen, alle auf einem Katamaran den See zu befahren. So können sich die beiden Guides mit dem Rudern abwechseln, denn fortbewegt werden die Katamarane mit einem manuellen Ruder im Heck, aus Rücksicht auf die Fauna. Und dann gleiten wir langsam den See entlang, sehen mehrere Stellen mit Capybaras, die wir bislang nur im Zoo von Santa Barbara gesehen haben, nie in der Wildness, rote Brüllaffen, viele Kuhreiher (beim Nachschauen fällt auf, dass es diese wohl auch auf Helgoland gibt) und diverse andere Vögel und Fische.

Von Sonja aus dem Allgäu lernen wir auf dieser Bootstour, woher die Redewendungen „blau sein“, „blau machen“, „ein blaues Wunder erleben“ kommen: bei den Indigo-Färbern im Allgäu mussten die Männer viel Bier trinken, um viel urinieren zu können (sie waren dann betrunken), das Tuch wurde in dem Bottich mit Urin gerührt und noch weiß an die Leine gehängt – erst in der Sonne beim Trocknen kam die blaue Färbung zustande (wie durch ein Wunder wurde das Tuch blau). Und so etwas lernt man im Peruanischen Amazonas-Regenwald :-)!

Was wir heute nicht sehen, sind Stachelrochen und Riesenotter, die es in diesem See auch gibt. Aber es kündigt sich Regen an, und wir wollen nicht unbedingt nass werden, also fahren wir irgendwann lieber zügig zurück. Es ist inzwischen schon dunkel, nur die fast unwirklich wirkenden Blitze erhellen zwischendurch immer wieder den Himmel hinter der dunklen Silhouette des tropischen Regenwaldes. Während wir vor dieser unfassbaren Kulisse durch das Wasser gleiten, stellt sich dieses eigenartige Zufriedenheits- oder Glücksgefühl ein, das man meist irgendwo in der Magengegend verspürt. Serotonin und Dopamin bei der Arbeit 😉

Im Dunkeln laufen wir die Strecke zum Fluss zurück, verabschieden uns von den beiden Frauen und begeben uns auf der Rückfahrt noch auf Kaiman-Sichtungs-Jagd. Mit einem starken Scheinwerfer leuchtet Bryan das Wasser und die Ufer ab, und an zwei Stellen entdeckt er im Vorbeifahren im Ufergrün liegende Kaimane. Er erklärt uns, dass er die rote Reflektion der Augen im Scheinwerferlicht erkannt hat.

Sehr zufrieden kommen wir pünktlich zum Abendessen am Explorers Inn an. Als wir nach dem Essen noch etwas mit Bryan quatschen, wertet die Französische Gruppe gerade penibel alle Vogelsichtungen und die erkannten Vogelstimmen aus, was recht lustig klingt. Sie scheinen das sehr professionell zu machen.

Sonntag 17.11.24 – Tambopata National Reserve

Beim Erwachen und langsamen Lauterwerden des Regenwaldes wachen auch wir ebenfalls eher langsam auf. Viktor freut sich, dass es keine Vogelspinne ins Moskitonetz geschafft hat. Zum Frühstück um 7:30 gibt es heute kein Toastbrot mehr auf dem Buffet, dafür aber mehr Pancakes. Die französischen Birdwatcher haben gestern sämtliches Toastbrot für Sandwiches vertilgt, erklärt uns Marco, der Manager des Hotels. Da hatte er sich leider komplett verkalkuliert, und es kommt erst morgen wieder Toastbrot per Bootslieferung. Auf Vorrat kann man hier in dem feuchten Klima kein Brot kaufen, da es zu schnell schlecht wird.

Marco erzählt uns, dass Birdwatcher eine ganz besondere Kundschaft sind, besonders für die Fremdenführer. Er hat diesen Job als Guide früher auch gemacht. Birdwatcher laufen eigentlich ständig mit dem Blick nach oben durch den Regenwald und achten dabei nicht wirklich darauf, wo sie hintreten. Er ist selbst schon mit einer Gruppe Birdwatchern mitten in einem Ameisenhaufen gelandet und hat es erst gemerkt, als die Ameisen schon tief in den Hosenbeinen unterwegs waren. Zum Glück waren es keine Feuer-Ameisen sondern nur die Blattschneider-Ameisen, die hier überall große Kolonien bilden, in denen riesige Völker mit mehreren Königinnen leben. Sie können teilweise bis zu 60 Meter tief in den Boden reichen. Auf den Blattstücken betreiben diese Ameisen übrigens eine Art Landwirtschaft, denn sie züchten auf den Blattstücken Pilze, von den sie sich ernähren.
Bei solchen Führungen ist er auch schon mit Birdwatchern regelrecht über eine Anaconda gestolpert, die am Wegesrand in der Sonne lag und irgendetwas richtig Großes verdaute, denn der Körper war um ein Vielfaches dicker als der Kopf. Es war aber offenbar kein Birdwatcher, den sie verschlungen hatte.
Marco hat auch schon einmal einen etwas übergewichtigen Birdwatcher für 5.000 USD in eine entlegene Andenregion geführt, um irgendwo einen seltenen Vogel zu sehen, den es nur dort gibt. Nach anstrengender Bergwanderung, auf der er ständig Angst um das Leben seines Kunden hatte, und nach fünf Stunden Wartezeit, wollten sie sich gerade erfolglos auf den Rückweg machen, als der Vogel doch noch auftauchte. Der Birdwatcher sprang vor Freude wie ein kleines Kind auf und ab und konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Ein faszinierendes Hobby, bei dem sie offenbar bereit sind, unfassbare Summen für die Sichtung eines Vogels auszugeben, der auf ihrer Checkliste noch fehlt.

Für uns geht es nach dem Frühstück leider schon mit dem Boot zurück nach „Infierno“ und dann mit dem Kleinbus weiter zum Flughafen Puerto Maldonado. Es war ein toller Amazonas-Kurzurlaub und wir können uns nur nochmal ganz herzlich bei Andy und Susan für diesen Tipp bedanken. Auch wenn wir die riesigen Schwärme von Aras (Macaws) nicht gesehen haben, denn dazu hätten wir nochmal ein paar Stunden mit dem Boot fahren müssen, um ein Lehm-Steilufer zu besuchen, an dem diese Vögel Lehm fressen, um die Verdauung von giftigen Früchten zu ermöglichen. Das funktioniert so ähnlich wie das Essen von „Heilerde“ beim Menschen. Auf der Bootsfahrt sorgt Bryan heute sogar nochmal dafür, dass wir an einem kleineren Lehmufer auch noch ein paar Aras aus der Nähe zu sehen bekommen.

Wir erreichen den Flughafen von Puerto Maldonado sehr früh und haben bis zur geplanten Abflugzeit noch drei Stunden Wartezeit, die wir für den Blog nutzen. Es dauert aufgrund einer Verspätung des ankommenden Fluges sogar noch eine ganze Stune länger. Mmmmh … mit der Zeit hätte man vor Ort sicher noch eine kleine Wanderung machen können. Egal, wir haben die Zeit hier sehr genossen. Mal schauen, ob wir es heute Abend in Cusco noch rechtzeitig zum abendlichen Briefing für unsere morgige Tour nach Machu Picchu schaffen. Um 17:00 Uhr müssen wir uns dazu heute in einem Restaurant in der Nähe der Plaza Mayor einfinden und morgen um 3:00 Uhr morgens werden wir am Hotel eingesammelt.

Zunächst wird gemunkelt, dass es der Starkregen in Cusco ist, aber der Airbus kommt aufgrund eines erneuten Streiks in Lima noch viel später als zuerst erwartet – wir erfahren es allerdings nur nach und nach. Erst bekommen alle Fluggäste eine Tüte mit Wasser, Saft und zwei kleinen Snacks (was zwei bis vier Stunden Verspätung bedeutet – an der Anzeigentafel steht lange noch die eine Stunde), später gibt es noch ein warmes Essen und ein Getränk (entsprechend vier bis sechs Stunden – inzwischen steht an der Anzeigetafel 17:30 statt 13:25), und tatsächlich fliegen wir dann erst um 18:30 Uhr los.

Wir haben aber Sitzplätze und freies W-LAN und nutzen die „gewonnenen“ Stunden zur Planung unserer nächsten Radfahrtage und Sichtung der Unterkunftsmöglichkeiten incl. Reservierung von Valparaiso über Silvester, weil dort schon Einiges ausgebucht ist.

Als klar ist, dass wir es nicht zum Briefing für morgen schaffen, bekommen wir alle Infos und die Tickets digital geschickt, und aufgrund des Wetters werden wir erst um fünf statt um drei Uhr abgeholt werden, damit wir nicht so lange im Regen stehen und warten müssen.

endlich an Board – mit hoher Luftfeuchtigkeit

Vor dem Flug werden starke Turbulenzen angekündigt, aber die 35 bis 40 Minuten vergehen ganz ruhig. Auf dem Weg vom Flughafengebäude zum wartenden Auto von Richard von Peru4fun müssen wir allerdings wirklich mit Regenjacken und durch riesige Pfützen laufen – die lang erwartete Regenzeit hat begonnen.

Es ist fast 20 Uhr, als wir im Hotel sind. Wir bereiten nur alles für morgen vor und beenden den Blog – mit Nahrung wurden wir den Tag über ja ausreichend und müssen uns da nicht mehr drum kümmern ;-).

Woche 32 (4.11.24 – 10.11.24) Pisco – Arequipa

Montag 4.11.24 – (122) – Pisco – Huacachina (Ica)

Gesamt: 7.455,86 km

Wir frühstücken an Tischen im Treppenhaus unser Anden-Granola.

Für heute ist die letzte Etappe vor einer längeren Radfahrpause geplant. Es geht nochmal über 80 Kilometer durch wüstenhafte Gegenden, aber immerhin werden diese immer wieder durch Landwirtschaft aufgelockert. Dort wo bewässert wird, wachsen Wein und verschiedene Gemüse (z.B. Kürbis oder Melonen). So wird dem Auge ein wenig Abwechslung geboten und Pausen sind möglich, ohne sich in der prallen Sonne in den Sand setzen zu müssen. Auch der Nase wird heute Abwechslung geboten, denn es gibt ebenfalls große Zwiebel-Plantagen. Zum Teil liegen auf den abgeernteten Feldern tausende von Säcken voller großer Zwiebeln zur Abholung bereit und je nach Windrichtung weht ein intensiver Zweibelduft zu uns heran.

Trotzdem sind wir einmal doch deutlich länger im Sattel, als wir eigentlich wollen, bevor wir am Ende einer kleinen Steigung in der ansonsten recht einsamen Wüste an eine kleine Raststätte kommen, in der wir im Schatten etwas trinken und essen können … und einen Kaffee, eine Cola und eine Ananas-Limo kaufen, um uns damit den Schattenplatz und die Toilettennutzung zu erkaufen.

Die Betreiberin dieser kleinen Raststätte erzählt uns, dass sie Verwandte in den U.S.A. und Kanada hat, die sich aber kaum noch melden, weil sie jetzt einen gewissen Status erreicht hätten. Irgendwie traurig. Vor einiger Zeit sei ein Japaner bei ihr gewesen und hätte eine Nacht auf dem Grundstück gezeltet. Er sei mit einem 12 kg schweren Rucksack auf Rollschuhen („Patines“) unterwegs gewesen und hätte auch nach Argentinien gewollt. Also wenn Ihr uns für verrückt gehalten habt … 😉

Die letzten Tage waren eigentlich ideal zum Radfahren. Es ging bis Mittag auf ca. 25 Grad Celsius hoch, immer eine leichte Brise, die Frühjahrs-Sonne noch nicht so kräftig. Heute haben wir die leichte Brise von hinten, was uns im Sattel quasi Windstille beschert. Das ermöglicht doch tatsächlich den Fliegen, sich bei voller Fahrt (na ja, 15 bis 20 km/h eben) in aller Ruhe auf uns zu setzen und sich an unseren Schweißtropfen den Durst zu stillen. Die Temperaturen gehen heute Mittag bis 29 Grad Celsius hoch. Das ist noch ganz o.K., also verglichen mit 40 Grad Celsius in Mexiko, aber schon nicht mehr ganz so ideal.

Die Strecke geht auch den ganzen Tag leicht bergauf. So werden es am Ende 469 Höhenmeter. Wir sind eigentlich ganz angetan von dem Durchschnittstempo von 15 km/h, das wir bei diesem Streckenprofil erreichen.

Unterwegs sehen wir plötzlich auf dem Mittelstreifen einen einsamen Mitarbeiter der Autobahngesellschaft, der Müll einsammelt. Sein Name ist vermutlich Sisyphos.

Bevor wir von der Panamericana in Richtung unseres Ziels „Huacachina“ (die einzige echte Oase Perus) abbiegen, halten wir noch an einer Shopping Mall in Ica an, in der es ein italienisches Eislokal geben soll. Wir entscheiden uns für eine längere Pause und ein vorgezogenes Abendessen mit zwei üppigen Eisbechern, „Banana Split“ und „Crucero de Verano“ (Sommer-Kreuzfahrtschiff). Wir bedanken uns ganz herzlich bei Glorypedalling (Familie Wüpperman) für die Einladung über den Kofi-Button auf dieser Seite (irgendwo da rechts … oder beim Handy ganz unten … „Buy us an Icecream“).

Banana Split und „Crucero de Verano“ – mit herzlichem Dank an Familie Wüppermann von Glorypedalling

Danach geht es weiter nach Huacachina. Das ist eine echte Oase und ein Party-Ort mitten in den Dünen in der Nähe von Ica. Hier kann man unter anderem auf den Sanddünen Skifahren und „Sand“-Boarden.

Von hier startet morgen unsere erste Touri-Bus-Etappe nach Nazca (mit Zwischenhalt auf einem Pisco-Weingut), vermutlich mit lauter sehr jungen und sehr trinkfesten internationalen Touristen an Bord.

Wir checken in unserem Hotel ein und schieben unser Tandem schon einmal auf die kürzestmögliche Länge zusammen. Am späten Vormittag sollen wir morgen am Hostel nebenan, vor dem wir heute schon einen Bus von „PeruHop“ gesehen haben, mit Rad und Gepäck für unsere erste Bus-Etappe einchecken.

Dienstag 5.11.24 – Huacachina (Ica) – Nazca (Bus)

Schon vor dem Frühstück laufen (bzw. kraxeln) wir auf die Düne direkt hinter unserem Hotel. Der Sand ist noch recht kalt und ziemlich weich, so dass die Füße einsacken und man teilweise wieder etwas herunterrutscht. Wir sind trotzdem nach fünfzehn Minuten oben an der ersten Kuppe – hatten mit mehr gerechnet – und Jutta geht auch noch eine weitere Steigung hoch. Und selbst ganz oben liegen Getränkedosen, Kronkorken und Einiges an Plastik im Sand!

Nach unten nehmen wir den weniger steilen Weg. Das anschließende Frühstück schmeckt nach dieser Aktivität nochmal besser.

Anschließend verbringen wir noch Zeit im Zimmer – es muss wieder alles in möglichst wenig Gepäckstücke verpackt werden, die bustauglich sind. Zu 10:45 Uhr sind wir am „Peru Hop – Meetingpoint“, von wo wir mit vielen anderen heute vormittag eine Pisco-Vineyard-Tour mitmachen, und unser gesamtes Gepäck soll schon in den Bus gepackt werden.

Nach ca. 30 Minuten im Bus bekommen wir die Stationen der Weinherstellung gezeigt und erklärt, leider keinen Weinanbau, und die herumstehenden Fässer sind auch nur Dekoration. Hier wird der Wein noch mit den Füßen gestampft … zumindest wird das bei der Führung so behauptet.
Die Peruaner lieben angeblich nur süße Weine, weshalb hier trockene oder im Fass ausgebaute Weine nicht im Sortiment sind (und angeblich auch wegen des heißen Klimas …). Anschließend geht es zur Weinverkostung: verschiedene Mistellas (Likörwein), eine Lucuma-Crema (Pisco/Sahne/Frucht), einen Wein und puren Pisco. Mit drei Freiwilligen macht die Guide ein kleines Trinkspiel: sie bekommen so lange nachgeschenkt, bis sie alles richtig machen und kein Tropfen mehr aus dem Becherchen heraustropft.

Im Restaurant des Weinguts gibt es ein schon im Bus ausgesuchtes Mittagessen. Viktor isst wieder die regionale Spezialität, „Carapulcra con Sopa Seca“. Auf der Rückfahrt in die Oase erfahren wir vom PeruHop-Guide im Bus, dass diese Mahlzeit früher mit Katzenfleisch zubereitet wurde.

Zurück in Huacachina müssen wir im Bus bleiben (gut so, denn unser Gepäck ist ja unten verstaut), während fast alle anderen in zwei unterschiedliche Busse umsteigen und dafür viele andere Fahrgäste zusteigen. Wir fahren Richtung Nazca, die zwei anderen Busse Richtung Lima.

Wir haben uns nach Empfehlungen der Einheimischen ja schon hier Ica (Huacachina) in den Bus gesetzt und nicht erst in Nazca wie ursprünglich angedacht. Und auf der Strecke sind wir über diese Entscheidung recht froh. Die umgebende Wüste ist hier wirklich menschenleer, und es geht mehrfach ziemlich steil über Serpentinen bergauf und bergab. Mit so vielen Bergen hatten wir bis Nazca noch gar nicht gerechnet. Manchmal sehen wir aufgewirbelten Sand, häufiger sind es aber eher Steine oder Felsen, durch die sich die Panamericana hier fast schnurgerade zieht.

Kurz vor Nazca halten wir am Aussichtstturm, von dem aus man drei der Nazca-Linien sehen kann: einen Frosch, einen Baum und eine Eidechse. Letzterer ist der Schwanz durch die Panamericana „abgeschnitten“. Als die Straße gebaut wurde, gab es noch wenig Tourismus hier und man war sich der Bedeutsamkeit noch nicht bewusst. Heute steht das gesamte Gebiet unter Schutz und ist seit 1994 UNESCO-Weltkulturerbe. Morgen werden wir auf einem Rundflug noch mehr davon sehen.

Viktor erinnert sich noch an Fernsehsendungen von Erich von Däniken, der behauptet, die Linien hätten etwas mit außerirdischen Besuchern zu tun.

Vorsicht: Pseudowissenschaft – von Däniken ist gelernter Koch!

Nach dem Aussichtsturm geht es in den Ort Nazca, in dem wir zwei Nächte bleiben werden. Wir sind hier also „Off-Hopper“, denn Peru-Hop betreibt ein Hop-On/Hop-Off-System, bei dem das Busticket in die gleiche Richtung ein Jahr gültig ist und wir an jedem Ort so lange bleiben können, wie wir das gerne möchten. Der Bus hält direkt vor unserem Hotel, so dass wir relativ zügig einchecken können und unser Tandem einen sicheren Platz im Gepäckraum des Hotels findet. Erstmals seit langer Zeit haben wir für heute ein Zimmer mit zwei Einzelbetten buchen müssen, da alle Doppelbett-Zimmer schon ausgebucht waren.

Bevor wir in Mom’s Café zu Abend essen und die Sonne untergeht, gehen wir noch eine kleine Runde durch den Ort, kaufen ein paar Getränke und kommen auf dem Rückweg an einem kleinen Büchermarkt auf einem Platz vorbei. Dort liegen doch tatsächlich „Mein Kampf“ und „Das Tagebuch der Anne Frank“ direkt nebeneinander in der Auslage. Als Viktor dem Verkäufer erklärt, dass „Mein Kampf“ in Deutschland verboten sei, ist der völlig erstaunt und fragt, warum das denn der Fall sei.

Wie wir bei der Recherche für den Blog später feststellen, gibt es ein solches Verbot in Deutschland auch gar nicht. Tja, wieder mal erfolgreich ein Gerücht in die Welt gesetzt.

Beim Abendessen sitzt am Nachbartisch ein Pärchen, dass sich angenehm (und für Südamerika auffällig) leise miteinander unterhält. Viktor tippt bei der Spache zunächst auf polnisch oder tschechisch, hört aber dann plötzlich das Wort „Divendres“ – katalanisch für „Freitag“. Da muss er natürlich nachfragen und es ergibt sich eine kurze Unterhaltung auf Katalanisch und Spanisch. Die beiden sagen zunächst, sie seien aus Gírona (Gerona), tatsächlich sind sie aber aus Figuéres (Figueras). So wie ich hier immer sage, meine Mutter sei aus Barelona, haben sie offenbar auch die nächste größere Stadt für ihre Ortsangabe ausgewählt, um keine langen geographischen Erklärungen abgeben zu müssen.

Und da das Reisen ja bilden soll, kommt jetzt hier zum Tagesabschluss noch eine weitere überraschende Erkenntis: Auf solchen Reisen lernt man Dinge wertschätzen, von denen man gar nicht wusste, dass sie einem wichtig sein könnten. Wir sind heute zum – gefühlt – hundersten Mal in einem Hotel, in dem Viktor ständig zu stolpern droht. Wir sind ja überzeugte Treppengänger und benutzen den Aufzug eigentlich nur, wenn wir mit sehr viel Gepäck in den 4. Stock oder höher müssen. Und mit den Treppen ist das so eine Sache in Lateinamerika. Es gibt eigentlich kaum eine Treppe, bei der nicht irgendeine Stufe deutlich höher, flacher, kürzer, tiefer oder sonstwie „anders“ ist als der Rest der Stufen. Und wenn man auf so einer Treppe erstmal im Rhythmus ist, dann ist so eine „falsche“ Stufe echt nervig und auch gefährlich. Viktor hat also die Deutsche Gründlichkeit beim Treppenbau wirklich schätzen gelernt, obwohl er gar nicht wusste, dass das etwas Schätzenswertes sein könnte.

Bevor wir ins Bett gehen schauen wir über unser Smart-TV mal kurz in die Berichterstattung über die Präsidentschaftswahl in den U.S.A. und da kristiallisert sich schon heraus, was am nächsten Morgen dann zur Gewissheit wird.

Mittwoch 6.11.24 – Nasca (beide Schreibweisen sind korrekt)

Wir wachen gegen 7 Uhr auf, und die U.S.A. haben offenbar einen neuen, früheren (designierten) Präsidenten Trump. Die Freude der liberal-konservativen Welt ist auf Viktors WhatsApp- und Facebook-Kanälen beim besten Willen nicht zu übersehen. Harris scheint so geschockt, dass sie abtaucht und nicht einmal die Wahlniederlage in einer sonst üblichen Consession-Speech eingesteht und Trump gratuliert. Das scheint jetzt wohl traurige Normalität zu sein, in den polarisierten „Vereinigten“ Staaten von Amerika.

Wir frühstücken erstmal ganz entspannt und gehen dann eine Runde durch den Ort bis zur Plaza de las Armas und dann am ausgetrockneten Fluss entlang über den Platz mit den großen NASCA-Buchstaben zurück ins Hotel.

Gegen elf Uhr werden wir abgeholt von einem Van der Fluggesellschaft Aeronasca, mit der wir einen Flug über einen Teil der Nasca-Linien gebucht haben. Der kleine Flugplatz ist augenscheinlich (fast) nur für solche Flüge hier in die Wüste gebaut, an allen Schaltern gibt es diese Rundflüge, und er trägt den Namen „Maria Reiche„. Sie war die Deutsche Entdeckerin, Erforscherin und Kämpferin um den Erhalt der Nasca-Linien und stammte aus Dresden. Sie wird hier in Nasca regelrecht wie eine Heilige verehrt. Wer noch mehr über sie erfahren möchte findet hier noch weitere Details (in Deutsch, Englisch und Spanisch) aus ihrem Leben.

In dem kleinen Flieger hätten sechs Passagiere Platz – wir sind nur zu viert. Wir haben Kopfhörer, die einen Teil des Lärms verdecken, und über die der Pilot uns die 13 überflogenen Figuren erklärt. Es sollen immer die rechts und links Sitzenden einen guten Blick bekommen, weshalb das Flugzeug jedes mal eine ziemlich enge Rechts- und eine Linkskurve fliegt. Es ist so schaukelig, dass Jutta schon nach den ersten zwei Figuren speiübel ist. Sie bekommt einen mit vergälltem Alkohol getränkten Wattebausch nach hinten gereicht, der helfen soll. Die bereitliegende Tüte wird nicht gebraucht, aber zuhören kann sie ab da kaum noch. Das ist nicht so schlimm, denn die Augen funktionieren trotzdem ganz gut. Beim Aussteigen ist sie vom Angstschweiß zusätzlich nass geschwitzt, und die Übelkeit hält dummerweise noch eine ganze Weile an. Trotz allem bereut sie keinesfalls, diesen Flug gemacht zu haben. Dieses Mal ist es selbst Viktor nicht so gut gegangen, gibt er hinterher zu.

Wir lernen auf dem Flug unter anderem, dass einige der Linien mit ziemlicher Sicherheit Sternbilder darstellen. Die Spinne (die Viktor bisher für eine Ameise hielt) soll eine Darstellung des Sternbildes Orion sein, zufällig eines der Lieblingssternbilder von Viktor (sieht aus wie die Fünf auf einem Würfel, aber der mittlere Punkt ist der „Jakobsstab“ oder „Gürtel des Orion“ aus drei Sternen).

Wir ruhen uns erst im Hotel etwas aus, bevor wir uns in Mom’s Café nebenan setzen und sowohl die Nachricht über die zerbrochene Regierungskoalition in Deutschland lesen (wie es aussieht kommen wir wohl gerade rechtzeitig zu den Neuwahlen zurück nach Hause) als auch verschiedene Touren in Arequipa und Cusco buchen. Alles hing bisher an unserer Machu Picchu Tour, die jetzt für den 18.11. bestätigt ist. Um diesen Termin herum planen wir nun alle anderen Aktivitäten.

Wir entscheiden uns für ein frühes Abendessen, da wir um 18:30 Uhr in das nahegelegene Planetarium Maria Reiche gehen wollen. Bei GoogleMaps finden wir positive Rezensionen, und es soll dort recht gute Erklärungen zu den Nazca-Linien und ihrem Bezug zur Astonomie und den Sternbildern geben. Wir wollen uns zunächst vergewissern, dass der Eintrag noch stimmt und suchen den Eingang. Der ganze Block ist entweder von Bauzäunen oder einer hohen Mauer umgeben. Von Bauarbeitern erfahren wir, dass das Hotel renoviert wird, das Planetarium aber geöffnet ist. Der Eingang ist eine kleine Holztür in der Mauer. (Ein entsprechendes Schild wird erst um kurz vor 18:30 Uhr dort aufgehängt). Im nahegelegenen Restaurant Mamashana nutzen wir die Happy Hour für einen Pisco, und Jutta kann sich kaum zwischen den vielen vegetarischen Gerichten entscheiden. Am Nachbartisch sitzt eine französische Familie aus dem Elsass, der Vater spricht mit uns ein wenig Deutsch.

Als wir um 18:30 zum Planetarium gehen, erfahren wir von dem jetzt aufgehängten Schild, dass zunächst eine Vorführung auf Französisch erfolgt, dann um 19:30 auf Englisch und um 20:30 auf Spanisch. (Deutsch, Italienisch oder Portugisisch würde es nach Anmeldung für Gruppen um 21.15 Uhr ebenfalls noch geben). Im Hof steht ein Teleskop, durch das wir aber schon einmal schauen können. Es ist auf den gerade aufgegangenen Mond gerichtet, und wir dürfen ihn fotografieren. Wir gehen dann nochmal zum Restaurant zurück, geben der französischen Familie den Planetariums-Tipp und nutzen die Stunde nochmal für diesen Blog.

Mond durch das Teleskop fotografiert

Zu 19:30 Uhr sind wir wieder am Planetarium und treffen dort auch die französische Familie wieder. Nach einer kurzen Himmelsbeobachtung im Innenhof, bei der wir das Sternbild des Pegasus gezeigt bekommen (mit einem starken grünen Laser wird tatsächlich im Himmel auf die Sterne gezeigt), gehen wir in einen kleinen runden Raum, der ca. 30 Leute fassen dürfte und erhalten eine für die beschränkten technischen Möglichkeiten wirklich beeindruckende Präsentation. Die Sprache und Musik kommt vom Band, der Englische Sprecher ist Muttersprachler und gut verständlich, der vorführende Astronom Edgar zeigt mit seinem Laserpointer immer auf die gerade beschriebenen Sternbilder (Projektionsscheibe), die Linien von Nazca (Projektionsscheibe) oder eine rechteckige Beamer-Projektion weiterer Bilder und Videos.

Zum Schluss zeigt der Astronom noch ein eigenes zweiminütiges Video über Maria Reiche, von der er richtig fasziniert zu sein scheint. Maria Reiche lebte bis ins hohe Alter in Nasca, die letzten 25 Jahre kostenlos in einem Zimmer des Hotels, auf dessen Gelände auch dieses kleine Planetarium steht. Kurz bevor sie erblindete (vermutlich aufgrund der ungeschützen Augen und dem jahrelangen Sonnenlicht) nahm sie nochmal Abschied von „ihren“ Linien in der Wüste. Wir sehen einen kurzen schwarz-weißen Videoclip, in dem sie gebeugt und auf ihre Schwester gestützt ein letztes Mal durch die Wüste geht. Sie starb 1998 mit 95 Jahren als Peruanische Staatsbürgerin, denn sie erhielt kurz vor ihrem Tod die Peruanische Staatsbürgerschaft „ehrenhalber“, und ihre sterblichen Überreste wurden irgendwo in der Wüste zwischen den Linien von Nasca beerdigt.

Nach dieser Vorstellung wird im Hof das Teleskop noch auf den Saturn gerichtet, und wir können ihn richtig gut mit den Ringen erkennen, allerdings ist er so klein, dass man ihn nicht mit dem Handy festhalten kann, wie das noch beim Mond möglich war.

Donnerstag 7.11. 24 – Nasca

Nachts um ca. halb zwei werden wir geweckt. Die Erde bebt, alles wackelt, und wir sind uns nicht sicher, ob wir jetzt einen der sicheren Orte aufsuchen müssen. Im hellhörigen Hotel hören wir aber nichts dergleichen, alles still, keine Leute auf den Gängen, also bleiben wir liegen. Viktor schläft sofort wieder ein, Jutta liegt eine ganze Weile hellwach da. Beim Frühstück ist es das Gesprächsthema an allen ausländischen Tischen – für die Einheimischen war es nichts Besonderes, das Beben vor zwei Tagen war sogar noch etwas stärker.

Gestelltes Foto in „Zona Segura en caso de Sismo“ – „Sichere Zone im Falle eines Erdbebens“, meist unterhalb tragender Wände und Türstürze

Für heute haben wir nur eine Tour zu den Acueductos de Nazca gebucht, die um 13:30 starten soll. Wir können also in Ruhe ausschlafen und frühstücken. Anschließend packen wir und checken aus dem Hotel aus – die Radtaschen kommen den Tag über zum Tandem in den Gepäckraum. Wir laufen zu der Ausgrabungsstätte „Los Paredones„, die fußläufig erreichbar ist und uns mehr anspricht als die zwei möglichen Museen im Ort. Das Ticket für zehn PEN ist gleichzeitig noch für drei weitere Stätten gültig, die allerdings weiter entfernt liegen. Die Aquaeducte sind eine davon, so dass wir das Ticket dafür schon einmal haben.

Es handelt sich um ein von den Inka erbautes Verwaltungszentrum zwischen den Bergen und dem Meer. Wir laufen einen markierten Weg hoch und wieder herunter, und leider gibt es keinerlei geschriebenen Informationen am Rand. Wir finden noch die Ständer für Informationstafeln, aber die Tafeln selbst sind scheinbar abgebaut worden. So wissen wir nicht, ob die Mauern noch im Originalzustand sind oder wieder aufgebaut wurden. Wahrscheinlich teils, teils! Jedenfalls sind die Wände wieder mal eine Mischung aus Stein (Inka-typisch) und Lehm (Prä-Inka-Kulturen).

Zurück im Stadtzentrum setzen wir uns in Mom’s Café, wo wir die Routenplanung nach Santiago de Chile beginnen, bis wir im Mamashana (Restaurant von gestern Abend) ein schnelles „Almuerzo ejecutivo“ (Mittags-Menü) essen (Vorspeise, vegetarisches Chaufa plus Getränk), um rechtzeitig um 12:50 Uhr am Café auf unseren Guide für die Aquaeducte zu treffen – so steht es jedenfalls in der erhaltenen Mail. Nach 13 Uhr kommt ein Van mit Touristen, und der aussteigende Guide (Lui) ist auch der unsere. Er bittet darum, bis 13:35 Uhr Pause machen zu dürfen und wundert sich, als wir sagen, seit wann wir schon warten. Da ist augenscheinlich ein kleiner Fehler bei der Organisation passiert. Wir haben es zum Glück nicht eilig – warten einfach noch etwas in der Hotellobby.

Ein Fahrer fährt Lui und uns (wir sind die einzigen Touristen auf dieser Tour) zu den Acueductos de Nazca, und Lui erklärt uns nicht nur, wie und weshalb sie vor ca. 1350 Jahren hier gebaut wurden. Wir bekommen auch noch eine ältere Figur als die gestern gesehenen Nasca-Linien an einem Berghang zu sehen (einen Puma oder eine andere Katze) und er erklärt uns die sehr hohe Sanddüne hinter den dunkleren Felsbergen (die teilweise sehr starken Winde haben den Wüstensand hinaufgeweht und so die höchstgelegene Sanddüne Südamerikas gebildet). Es sieht so aus, als würde der Puma zu den Aquaedukten herabschauen, und als hätten die Menschen den einzigen hellen Berg aus Sand inmitten der dunken Felsenberge als Ursprungsort des Wassers für besonders heilig gehalten.

Zum Abschluss führt uns Lui zu den spiralförmigen Schächten, die als Belüftung- und Wartungsschacht dienen, denn die Aquaedukte müssen regelmäßig gereinigt und repariert werden, wenn z.B. durch Erdbeben einzelne Bereiche verschüttet sind. Das erfolgt auch heute noch, denn die Aquaedukte sind weiter in Funktion, und das Wasser wird von Bevölkerung und Landwirtschaft genutzt.

Lui hat als 13-jähriger eines der stärksten Erdbeben in Peru miterlebt, das über drei Minuten dauerte und viele Menschenleben in seiner damaligen Heimatstadt kostete. Er erinnert sich noch daran, dass er damals sicher war, die Welt würde untergehen, weil das Beben einfach nicht aufhörte. Dieses Trauma hat ihn letzte Nacht natürlich auf die Straße getrieben, so wie das seitdem bei fast jedem Erdbeben der Fall ist.

Auf der Rückfahrt unterhalten wir uns noch ein wenig mit Lui, der schon mal Deutsch gelernt hat und sich heute wieder vornimmt, es nochmal intensiver weiter zu versuchen. Wir laden ihn zu uns nach Berlin ein, er scannt den QR-Code für unseren Blog ein und erlaubt das Foto und das Video zu benutzen, in denen er auftaucht. Willkommen im Blog, Lui … and see you in Berlin!

Den Nachmittag verbingen wir in Mom’s Cafe, schreiben am Blog und stellen uns seelisch auf die Nachtfahrt mit dem PeruHop-Bus nach Arequipa ein. Dort sollen wir morgens um 5:30 eintreffen.

Der Bus kommt um halb sechs vor dem Café an, und wir können sofort unser Gepäck einpacken. Los geht es erst nach einer Pause, um 18:10 Uhr steigen alle ein. Da wir als einzige On-Hopper zu zweit sind und nebeneinander sitzen möchten, bleiben uns nur noch die zwei hintersten Sitze, direkt neben der Bordtoilette. Diese wird erstaunlich viel benutzt, und die Hälfte der Nutzer schließt die Tür hinterher nicht wieder. An Schlafen ist nicht wirklich zu denken – aus dem Toiletten-Grund (inklusive Geruch), weil es sehr eng ist und weil der Bus sehr häufig beschleunigt und abbremst. Die Straße ist sowohl schlecht als auch voller Reductores (speed bumps, Bremsschwellen, „schlafende Polizisten“), und die beiden Fahrer sind entsprechend vorsichtig, aber dadurch fahren wir selten gleichmäßig.

Freitag 8.11. 24 – Arequipa

Um halb zwei nachts hält der Bus zum Tanken, und wir können/sollen alle die Toilette besuchen. Manche der Mitfahrenden kennen diese Tankstellen-Klos noch nicht, an denen es kein Fließendwasser gibt, sondern nur einen Eimer, den man irgendwo füllen und nutzen kann – wir sind das inzwischen schon gewohnt. Um viertel vor fünf sind wir in Arequipa und es werden die Namen aufgerufen, die aussteigen sollen, weil sie von Minivans zu ihren Unterkünften gebracht werden. Wir dürfen zum Glück im Bus bleiben und werden inclusive Tandem bis um die Ecke vom Hotel Casa de Avila gebracht. Dort können wir zwar noch nicht ins Zimmer – es ist nicht einmal sechs Uhr morgens – aber dürfen ab halb acht frühstücken. Vorher gehen wir eine Runde durch die Altstadt, um wach zu bleiben und uns die angeschwollenen Füße zu vertreten.

Nach dem Frühstück sitzen wir noch ein bisschen im Garten, machen uns ein wenig frisch und gehen zu 10 Uhr zur Plaza de Armas, von wo wir eine Free Walking Tour bei Joan gebucht haben. Es warten noch zwei andere, die in unserem Bus saßen – insgesamt sind wir sieben. Joan kommt etwas später, weil er keinen Parkplatz gefunden hat. Viktor beginnt darufhin zu singen „I want to ride my bicycle ….“.

Joan beginnt fast jede Erklärung mit „My friends …“ und allzu oft sagt er „Indigenous people like me ….“, aber er ist voll engagiert und sein Englisch ist gut zu verstehen. Unter anderem erzählt er, dass in Arequipa viele spanische Auswander aus dem Baskenland und Katalonien ankamen und deshalb dort lange Zeit auch Katalanisch gesprochen wurde. Die Schreibweise seines Namens „Joan“ (nicht Juan wie im Spanischen) führt er darauf zurück. In Arequipa gibt es auch heute noch starke Unabhängigkeits-Bestrebungen und mancher nennt es auch das „Katalonien von Peru“.

Die historische Altstadt von Arequipa hat den Status eines Weltkulturerbes. Sie wird auch „Weiße Stadt“ genannt, da viele Gebäude aus dem speziellen hellen Sillar-Stein vulkanischen Ursprungs erbaut wurden, der nur in dieser Region vorkommt. Sie ist im Kolonialstil erbaut und erinnert daher stark an andalusische Städte wir Cordoba oder Granada. In einem der Innenhöfe, die wir besichtigen, fühlt man sich in den „Patio de los Leones“ in der Alhambra versetzt.

Der Name Arequipa stammt angeblich aus der Quechua-Sprache. „Ari, quepay“ bedeutet soviel wie „Ja, bleib hier“. Es liegt zwischen den Bergen und dem Meer, den zwei Gegenden, in denen in früheren Zeiten die Menschen eher gelebt haben.

Erinnerungen an die Alhambra

In der Kirche des Jesuitenklosters sehen wir unter anderem eine dunkelhäutige Jesusfigur und eine Darstellung des Abendmahls mit Cuy (Meerschweinchen), Mais und Chilischote.

Es gibt für die, die möchten, den hier überall verkauften „Queso helado“ zu probieren, der nur „Käse“ heißt, weil das Eis ein wenig so aussieht, wenn es hergestellt wird. Jutta probiert nicht, weil eine Zutat Kokos ist, und das für sie leider gar nicht geht.

Wir steigen auf verschiedene Türme oder Dächer, bekommen die drei Vulkane erklärt („Mutter“ – Chachani, „Vater“ – Misti, „Kinder“ – Picchu Picchu), hinter denen Macchu Picchu, Cusco und Puno liegen, und einige Tipps für Restaurants, Picanterias und typische Speisen.

Nach den zweieinhalb Stunden gehen wir in einem Rooftop-Café einen Kaffee trinken und eine Kleinigkeit essen, dann geht es ins Hotel, wo wir jetzt endlich ins Zimmer können. Nach einer guten Stunde des Ausruhens (mit „Lage der Nation“-Podcast zum Ende der Ampel-Koalition in Deutschland) machen wir uns noch einmal auf den Weg. Ziel ist das Recoleta-Museum, das Joan uns empfohlen hat, und das am anderen Ufer des Rio Chili liegt. Jeder Raum dort ist eher ein Museum für sich, neben Altem aus der Inka-Zeit gibt es auch Münzen (heutige), Briefmarken, Spielzeug, Naturkunde – einen roten Faden scheint es nicht zu geben. Zum Abschluss steigen wir auf den Glockenturm der Kirche – auch Viktor schafft trotz Höhenangst die schmale Wendeltreppe – und haben noch einen tollen Ausblick aus einer anderen Perspektive als heute vormittag.

Ein frühes Abendessen gibt es in einem schönen vegetarischen Restaurant in einem Innenhof in der Altstadt. Im Hotel schreiben wir nur noch und gehen früh schlafen, um morgen wieder frisch zu sein.

Samstag 9.11. 24 – Arequipa – Chivay

Wir haben eine Zwei-Tages-Tour zum Colca-Canyon gebucht und sollen zwischen sieben und halb acht abgeholt werden. Um kurz vor sieben machen wir uns an der Rezeption einen Coca-Tee (gestern Abend als Beutel gegen die Höhenkrankheit gekauft – die eigentlich besseren Blätter sind uns zu unpraktisch), um sieben dürfen wir uns Brötchen im Frühstücksraum machen. Während Jutta noch kaut kommt der Van. Wir sind die letzten Eingesammelten und haben die Plätze vorne rechts und hinten links. Die Gruppe besteht aus vier Spaniern, zwei Italienern, zwei Kanadiern, einem Mexikaner und fünf Deutschen (die anderen drei Deutschen sind erst heute früh mit Peru-Hop aus Nasca gekommen). Unser Reiseführer heißt Raúl und spricht hervorragendes English mit einem überraschend großen und guten Vokabular. Später finden wir heraus, dass er mehrere Jahre in den USA war und unter anderem auch in einem Deutschen Restaurant in Colorado gearbeitet hat.

Auf der Fahrt erklärt er uns unter anderem, wie wir mit Cocablättern wirkungsvoll gegen die Höhenkrankheit vorgehen können, die uns heute allen droht.

Auch bezüglich des vielen Mülls am Straßenrand erhalten wir nochmal interessante Einsichten von Raúl. So sind die „Municipalidades“ (Gemeinden, Städte) verpflichtet, vier mal im Jahr den Müll einzusammeln und zu entsorgen, der sich an den Straßen angesammelt hat. Trotzdem sieht es nach kürzester Zeit wieder genauso aus wie vorher. Hier im Nationalpark kommen bei jeder Sammlung 10 bis 15 Tonnen Müll zusammen.

Heute fahren wir 150 km nach Chivay, der Hauptstadt der Provinz Caylloma. Das erste Mal halten wir noch am Stadtrand an einer Tienda, wo wir uns noch Wasser und Coca kaufen können/sollen, da es hochgehen wird bis auf 4900 m.ü.N.N.. Wir kaufen „nur“ Schokolade, die ebenfalls ein wenig helfen soll in der Höhe, weil wir den Tee ja schon haben. Wir fahren erst einmal um den Chachani herum und können diesen und den Misti von der anderen Seite als aus Arequipa sehen – schneelos, da hier die Sonne länger draufscheint.

Hier in den Bergen leben die Vicuña, eine wilde Art von Alpacas, und wir halten mehrfach, um sie sowohl aus dem Auto als auch draußen anschauen und fotografieren zu können. Vicuñas liefern das beste und teuerste Naturhaar und dürfen von den Bewohnern des Nationalparks alle zwei Jahre geschoren werden. Dazu werden sie von hunderten Menschen großräumig eingekreist, und der Kreis wird dann allmählich immer enger gezogen. Das Scheren selbst muss bei jedem Tier innerhab von drei Minuten geschehen, da sie sonst aufgrund des Stresses einen Herzinfarkt erleiden können.

Wir fahren auf der Carretera Interoceanica und wollen vor einer bestimmten Uhrzeit an einer Baustelle sein, um daran vorbeifahren zu können. Falls wir nach zehn dort ankommen, wird die Vorbeifahrt erst ab 13 Uhr wieder möglich. Vor dem Abzweig nach Puno sind sehr viele LKW auf der Straße, und so sehen wir den Stau vor der Baustelle schon von ziemlich weit. Es geht aber etappenweise immer weiter, und wir kommen um halb zehn durch. Hier beobachten wir auch nochmal aus der Nähe, wie respektlos die peruanischen Autofahrer miteinander umgehen. Es herrscht absolutes Chaos. Jeder sucht den eigenen noch so kleinen Vorteil. Beide Fahrbahnspuren werden kreuz und quer benutzt, um sich gegenseitig zu überholen und vielleicht zwei Plätze gutzumachen. Nur blockieren sich alle dabei gegenseitig so sehr, dass sich manchmal minutenlang garnichts mehr bewegen kann, bis sich der Knoten irgendwie wieder aufgelöst hat. Es ist irgendwie beruhigend, dass die Respektlosigkeit, die wir hier häufiger auf unserem Tandem erfahren, nicht speziell den Radfahrenden gilt. Es ist offenbar einfach Teil der „Verkehrskultur“ in Peru.

Wir halten an einer Stelle, an der domestizierte Lamas, Alpakas und Schafe gemeinsam grasen und an einer anderen, an der wir Fotos mit Lamas machen können. An einer weiteren Stelle halten wir zum Beobachten von Vögeln. So haben wir immer wieder Möglichkeiten, uns nach und nach an die zunehmende Höhe zu gewöhnen.

An der Pampa Canahuas bei 4080m gibt es eine Einkehrmöglichkeit. Es wird uns empfohlen, den dortigen Inka-Tee (Mischung aus Coca, Muña= Andenminze und Chachacoma) zu trinken und die vermutlich höchstgelegenen Toiletten unseres gesamten Urlaubs zu benutzen ;-).

Der höchste und letzte (Zwischen-)Stopp ist der Mirador de los Vulcanes/de los Andes auf ca. 4900 m.ü.N.N..

Von dort fahren wir nach Chivay – es ist inzwischen 13 Uhr, und wir gehen zu einem Mittagsbuffet im Restaurant Mistituris mit sehr großer Auswahl an Vor-, Haupt- und Nachspeisen, unter anderem auch mit Alpaca-Fleisch. Anschließend werden wir in verschiedene Unterkünfte gebracht.

Nach einer Stunde Pause geht es zu den heißen Quellen „Aguas Termales AguaVerde„. Wir haben Zeit, uns in den fünf verschiedenen Becken mit aufsteigender Temperatur zu entspannen (zwei unter freiem Himmel, weitere drei überdacht).

Um zu den Bädern zu gelangen müssen wir eine Behelfsbrücke überqueren, da die letzte Brücke in der Regenzeit weggeschwemmt wurde. Viktor hat etwas Schwierigkeiten, kommt aber dann doch ganz gut rüber.

auf dem Rückweg

Zurück im Hotel können wir ein wenig am Blog schreiben, bevor es zum Abendessen im „Las Quenas“ geht. Wir haben zusammen mit dem italienischen Pärchen das Angebot angenommen, gemeinsam mit Raúl essen zu gehen. Alle anderen Tour-Teilnehmer liegen entweder mit Höhenbeschwerden flach oder gehen alleine irgendwo anders essen. In unserem Restaurant wird Live-Musik geboten und ein Tanzpaar führt verschieden lokale Tänze vor, u.a. Witiki, Qamili, Chukchu und Wayra, in die die Gäste kräftig mit einbezogen werden. Es wird ein heiterer, aber auch ein anstrengender Abend.

wir tanzen einen Weltkulturerbe-Tanz

Um 21:00 fallen wir mehr oder weniger fertig ins Bett. Um 5:45 soll es Frühstück geben, denn wer Condore im Flug sehen will muss früh raus. Manchmal ist Radfahren weniger anstrengend als ein Touristenprogramm.

Sonntag 10.11. 24 – Chivay – Arequipa

Wer hätte gedacht, dass in einem 5000 Seelen Ort die ganze Nacht laute Musik im Ort gespielt wird? Wir sind jedenfalls nicht vorbereitet und können entsprechend schlecht schlafen. Trotzdem sind wir um 5:45 Uhr im fertig eingedeckten Frühstücksraum und um halb sieben ausgecheckt vor der Tür. Während wir in unseren Van einsteigen, hält gerade vom selben Touranbieter einer, deren nachts um drei losgefahrene Insassen jetzt hier ihr Frühstück erhalten (wir hatten uns gegen diese Eintages-Tour entschieden wegen des frühen Starts).

Bei schönstem Sonnenschein und leichtem Wind fahren wir in Richtung des Mirador Cruz del Cóndor. In Yanque halten wir kurz an: wir können Getränke kaufen und den hier jeden Morgen tanzenden Schulkindern etwas Geld spenden – sie sammeln für eine Abschlussfahrt am Schuljahresende und tanzen dafür täglich frühmorgens eine Stunde bevor sie zur Schule gehen, weil sie wissen, dass viele Touristen um diese Zeit hier durchkommen.

Am Kreuz des Kondors stehen schon eine Menge Touristen, aber wir fahren daran vorbei, denn Raúl weiss aus Erfahrung, dass es eine bessere Stelle zum Sichten der Kondore gibt. Und wirklich! Ein Stück weiter sind wir fast unter uns und sehen mindestens sechs der großen Vögel (ein Zehntel alle hier in der Gegend lebenden).

Selbst auf dem Weg zurück zum eigentlichen Mirador halten wir noch einmal an, weil schon wieder ein Kondor in der Nähe kreist. Die vielen Menschen am Mirador sehen heute leider nur die als Kondor verkleideten Menschen und bekommen erklärt, dass die Vögel heute schon früher zum Pazifik aufgebrochen sind, weil dort die Seelöwen gerade Junge bekommen und die Kondore es auf deren Plazentas abgesehen haben. Das mit den Plazentas stimmt zwar, aber etwas weiter im Tal direkt oberhalb der Nester haben wir ja dank Raúl zahlreiche Kondore kreisend aufsteigen gesehen. Er zeigt uns auch noch eine Stelle, an der gezielt Tier-Kadaver ausgelegt werden, um die Chance zu erhöhen, dass die Kondore ihr Fressen hier im Tal finden und nicht zum Pazifik fliegen, damit die vielen täglichen Touristen nicht vergebens kommen.

Mirador Cruz del Cura

Auf der Rückfahrt halten wir an einem weiteren Mirador, um uns dort den Übergang vom Colca-Tal mit seinen vielen Terrassen zum Colca-Canyon angucken zu können.

Im Ort Maca ist der letzte Halt. Dieser Ort sackt jährlich um drei bis vier Zentimeter ab, weil er auf pflanzlichen Sedimenten gebaut ist, die immer weiter zusammenfallen. Wir bekommen die Sancayo (Kaktusfrucht, auch peruanische Kiwi genannt) zu kosten und können entweder einen Saft davon oder einen Colca Sour – Pisco Sour mit Sancayo – kaufen. Wir finden aber ein Café mit Espressomaschine und ziehen einen Milchkaffee vor. Außerdem werfen wir einen Blick in die Kirche Santa Ana de Maca.

Irgendwann unterwegs zeigt uns Raúl noch kleine Knollen und lässt uns raten, was das wohl sein könnte. Es sind tatsächlich auf natürliche Weise gefriergetrocknete Kartoffeln, die bis zu 25 Jahre lagerfähig sind. Sie werden im Winter auf über 4.000 Meter Höhe über Nacht im Freien gelagert und frieren dann bei ca. minus 15 Grad Celsius ein. Wenn dann morgens die Sonne herauskommt und auf die Kartoffeln scheint, verdunstet das Wasser aus den Kartoffeln bei Minustemperaturen (auch dank des niedrigen Luftdrucks in dieser Höhe) und sie verlieren 80% ihres Wassergehaltes. Übrig bleiben die gefriergetockneten unfassbar lange haltbaren Kartoffeln.

Kurz vor Chivay bekommen wir im Wititi Restaurant noch einmal ein Mittagsbuffet, bevor in Chivay selbst dann acht von uns den Bus wechseln müssen, weil diese acht weiter nach Puno statt zurück nach Arequipa fahren. Auf der Rückfahrt sind wir dann nur noch zu sechst. Obwohl Sonntag ist, sind viele LKW unterwegs (hier gibt es kein Sonntagsfahrverbot) und auf der Baustelle wird ebenfalls gearbeitet. Wir kommen vier Minuten vor einer Sperrung noch dort durch, andernfalls hätten wir wohl drei Stunden warten müssen.

Um kurz vor vier werden wir am Hotel abgesetzt und gehen dann noch in die Altstadt. Dort sind am Hauptplatz sehr, sehr viele Menschen, stehend und irgendwo sitzend, und wir fragen uns, ob sie wohl auf irgendetwas warten. Wir bekommen es nicht heraus – irgendwann hat sich die Menschenmenge aufgelöst. Wir besorgen uns für die morgige Ganztagesbusfahrt Proviant und gehen noch bei Mumis essen, einem Italienischen Restaurant, das vollhängt mit alten, schwarz-weißen Familienfotos, die aussehen, wie die alten Bilder unserer Eltern (die Menschen darauf sind augenscheinlich keine Südamerikaner).

Lang wird der Abend nicht mehr, denn wir müssen morgen um halb sechs fertig an der Straße stehen.

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