Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Monat: Oktober 2024

Woche 31 (28.10.24 – 3.11.24) Lima – Pisco

Montag 28.10.24 – Lima (Ruhetag)

Viktor hat gestern abend zwar nicht viel, aber zu scharf und fettig gegessen, und sein Darm rebelliert schon wieder, außerdem hat ihn jetzt noch eine Erkältung im Griff. Nach dem Frühstück legt er sich deshalb noch einmal ins Bett, Jutta liest währenddessen und packt zwei Pakete.

Um 9:30 Uhr machen wir uns auf den Weg, um unser Tandem bei 13Bikers abzuholen. Das wird ein nettes kleines Treffen, denn Manuel bittet uns, ein kurzes Interview für seinen 13Bikers-Instagram-Auftritt mit uns führen zu dürfen. Da sagen wir nicht nein, auch wenn Viktors Stimme extrem rau (gegen den erbitterten Widerstand von Viktor ohne „h“ geschrieben – seit 1996 so richtig) ist und zwischendurch wegzubrechen droht. Da das Tandem blitzblank ist, die Ketten wie geleckt aussehen, die Rohloff-Schaltung gut eingestellt ist und die vordere Bremse schön greift, wird es natürlich ein rundum positives Interview.

Eigentlich wollen wir danach erst die Pakete zur Post bringen und danach ins „Museo de Sitio Huallamarca„. Aber Viktor fühlt sich nach der kurzen Tandem-Fahrt zum Hotel wieder kränklich und legt sich nochmal hin. Als er bereit zum Losgehen ist, ist es schon nach ein Uhr mittags. Wir nehmen ein Taxi für die gut zwei Kilometer und sind gegen halb zwei vor der Post. Das Gitter ist geschlossen, obwohl die Öffnungszeit bis 17 Uhr sein soll. Viktor klopft energisch, und eine Frau steckt den Kopf aus einer Tür und sagt, sie würde bis zwei Uhr „Refrigerio“ machen, so heißt hier in Peru offenbar die Mittagspause. Zu unserem Glück ist direkt nebenan das Piola-Café, in dem wir nicht nur die Wartezeit verbringen, sondern nach Öffnung der Post (um 13:45!) auch die nötigen Formulare ausfüllen. An den Wänden hängen diverse Rucksäcke und Taschen mit einem Logo mit Fahrrad. Piola ist nämlich eine kleine Manufaktur, das Café ist nur der Nebenbetrieb.

Da man bei der Post nur bar bezahlen kann, geht Jutta auf die Suche nach einem Geldautomaten, während Viktor wieder u.a. Fingerabdrücke abgeben muss, um Pakete aufzugeben. Unser in einem DHL-Karton eingepacktes Paket wird gegen 3 Soles von der Postfrau in einen neutralen Karton umgepackt. Wenn sie von einem Konkurrenzunternehmen einen Karton annimmt, wird sie angeblich entlassen. Die zwei Pakete kosten uns über 500 Soles (über 100 Euro), aber dafür haben wir jetzt einiges an Ersatzteilen und Equipment endgültig zurück nach Deutschland geschickt, so z.B. den Campingkocher und das dazugehörige Kochgeschirr, das wir aus Medellín noch per Paket nach Lima geschickt hatten, weil wir damit rechneten, irgendwo in der Wüste von Peru oder Chile zu zelten und uns selbst verpflegen zu müssen. Wir wissen nun, dass wir die Gegenden, in denen das passieren könnte, sowieso mit dem Bus (oder anderen Transportmöglichkeiten) überbrücken werden. Unser Zelt nehmen wir für den Notfall zwar weiter mit, aber uns unterwegs auf Campingplätzen oder beim wilden Campen selbst zu bekochen, das werden wir zu vermeiden wissen.

Als wir endlich dort fertig sind, ist es inzwischen 15 Uhr. Viktor geht es eh nicht gut, und das Museum schließt um 17 Uhr, der Weg dorthin würde noch einmal 30 Minuten dauern, also lassen wir uns von einem Taxi wieder zum Hotel fahren. Viktor legt sich hin, Jutta geht noch ein paar Getränke und ein paar Milliarden Darmbakterien kaufen und dann auch ins Hotel.

Abendessen gibt es – es tut uns wirklich leid für die gute Peruanische Küche – bei Chili’s direkt neben dem Hotel, denn dort bekommt Viktor einfaches Kartoffelpürree und Bohnen ohne überraschende Schärfe oder andere Darmrisiken.

Dienstag 29.10.24 – Lima (Ruhetag)

Heute morgen hustet Viktor grünen Schleim ab, weshalb wir im Hotel noch einmal zwei Nächte verlängern, um am Donnerstag dann hoffentlich weiterfahren zu können.

Nach dem Frühstück wollen wir (trotzdem) zum „Museo de Sitio Huallamarca“ fahren, dem zweiten archäologischen Museum, das uns empfohlen wurde. An der Straße vor dem Hotel bekommen wir heute kein Taxi zu fassen, nach einiger Wartezeit lassen wir uns eines vom Hotel rufen. Nachdem wir das Geld einem Herren gegeben haben, fährt uns ein anderer durch viele Staus zum Eingang der Stätte: es ist ein Ausstellungsraum und eine Pyramide (inmitten von umgebenden Hochhäusern, was etwas skurril wirkt). Just, als wir in die Ausstellung gehen, geht das Licht aus: auch in Peru ist jetzt einmal Stromausfall. Also besichtigen wir die Pyramide, die ab 200 vor Christus erbaut wurde, später (ab ca. 1400) von den Incas umgebaut wurde und im letzten Jahrhundert leider ziemlich „geplündert“ wurde, bis sie in den 1960-er Jahren wieder aufgebaut wurde, dann nicht mehr oval, sondern eckig (also nicht originalgetreu), warum auch immer. Als wir draußen fertig sind, ist der Strom noch nicht wieder da. Wir schauen uns das kleine Museum ein wenig im Dunkeln an, verlassen es dann aber und laufen ein wenig durch die Straßen. Hier in Lima gibt es sehr viel Straßengrün, und viele Blöcke sind kleine Parks – das ist richtig schön, und das hatten wir schon sehr lange nicht mehr.

In einem Starbucks machen wir eine Trinkpause, bevor wir uns von einem Uber zum Museo Nacional de Arqueología, Antropología e Historia del Perú bringen lassen. Dieses wird zu einem großen Teil gerade erneuert, so dass wir eigentlich nur den Teil mit der Geschichte Perus ansehen können – vor allem, wie Peru unabhängig wurde. Und die Beschriftung ist ausschließlich auf Spanisch, bis auf eine Tafel pro Raum, was für Jutta etwas herausfordernd ist (das sind alles Vokabeln, die man nicht täglich hört…). Immerhin gibt es einen kleinen Bereich im Innenhof, der eine Übersicht der präkolumbianischen Kulturen Perus „Von Lima bis Inca“ bietet.

Der Uber-Fahrer, der uns im Anschluss zurück zum Hotel fährt, nimmt die Küstenstraße – ein ziemlicher Umweg, aber z.Z. wohl am schnellsten – die wir noch nicht gesehen haben. Das kommt einer kleinen Stadtrundfahrt nahe und wir sehen zum ersten Mal die Strände und die steilen Hänge Limas. Über sehr viel Natursteinpflaster fahren wir an der richtigen Stelle die steilen Felsen nach Miraflores hoch, mit einem Fahrrad kann man hier eher nicht fahren.

Den späteren Nachmittag verbringen wir im Hotel wieder einmal mit dem Planen und Verwerfen verschiedener Routen für Peru, Bolivien, Chile und Argentinien im November und Dezember. Entweder gibt es keine asphaltierten Straßen an den richtigen Stellen oder die Strecken auf Asphalt sind dermaßen lange Umwege, dass sie ebenfalls nicht in Frage kommen. Irgendwie wollen wir schöne Radfahrstrecken mit der Besichtigung von Nasca, Cusco, Machu Piccu, Titicaca-See und dem Salar de Uyuni kombinieren und gleichzeitig zu Weihnachten in Santiago de Chile sein. Derzeit erscheint das wie die Quadratur des Kreises.

Ein halbes Abendessen gibt es am frühen Abend noch im Hotel, für mehr reicht der Appetit nicht aus, und dann ist der Tag auch schon wieder fast vorbei. Noch ein wenig am Blog schreiben und … gute Nacht!

Mittwoch 30.10.24 – Lima (Ruhetag)

Da es Viktor immer noch nicht gut geht (anhaltender Husten und Durchfall), besorgt Jutta nach dem Frühstück ein paar Bananen und Haferflocken, und Viktor macht sich auf den Weg zur „Policlinico de Miraflores“, die ihm von Susana empfohlen wurde.

Auf dem Weg zu Poliklinik kommt er noch an einer Werkstatt vorbei, in der einige Transformers-Figuren stehen. Und vor der Werkstatt steht ein Auto, das stark vom DeLorean aus „Zurück in die Zukunft“ inspiriert scheint.

Am Empfang der Klinik erkennt eine Schwester (oder Ärztin?) aus einigen Metern Entfernung angeblich an Viktors trockenen Zunge, dass er dehydriert ist und will ihm eine Infusion legen lassen, die zuständige Ärztin nimmt aber davon wieder Abstand. Stattdessen soll er zehn Tage lang das Peruanische Perenterol (heißt hier Floratil) nehmen und heute mehrere Male Glucose-Elektrolyt-Lösung trinken. Außerdem ist absolute Schonkost („Dieta Blanda“), nichts Gebratenes oder Frittiertes angesagt, keine eiskalten Getränke und kein Eis (Horror!). Gegen den viralen Atemwegsinfekt soll er zweimal täglich Ibu 400 nehmen … (das lässt er aber sein). Als er dort fertig ist, beschließen wir, heute das „Museo de Sitio Huallamarca“ zu besuchen, das ganz in der Nähe ist.

Jutta macht sich sofort zu Fuß auf den Weg dorthin, hat außerhalb des Hotels kein Internet und bekommt die Nachricht nicht mehr, dass Viktor in einem Restaurant warten will. Telefonisch bekommen wir uns dann aber noch am Museumseingang verabredet. Hier darf man nur mit einem offiziellen Guide auf das Gelände, die englischsprachige Gruppe ist recht groß – dieses Museum ist eines der am meisten besuchten in ganz Peru.

Auch hier gibt es u.a. eine Pyramide, die aber völlig anders ist als die gestern gesehene, die ganz in der Nähe steht. Hier haben die „Lima“ von ca. 200 bis 650 n.Chr. in „Bücherregal-Bauweise“ beständig und erdbebensicher aus ungebrannten Lehmziegeln gebaut. Anschließend lebten hier bis ca. 1100 n.Chr. die „Wari“ und bis 1450 n.Chr. die „Ychsma“, und alle bauten weiter nach oben, bis es dann die insgesamt sieben Ebenen gab. Als nach 1500 die Inca auch hierher kamen, fanden sie nur noch einen Hügel vor, der sie nicht interessierte, und zogen weiter in den Süden.

Gut, dass wir notgedrungen diese Reihenfolge genommen haben – umgekehrt wäre die Stätte von gestern eher enttäuschend gewesen.

Nach der etwa einstündigen Tour lassen wir uns per Taxi zum Hotel zurück fahren. Viktor meint inzwischen, dass er morgen wieder auf’s Tandem steigen kann, ruht sich jetzt wieder ein wenig aus, und dann machen wir in der Tiefgarage schon einmal alles wieder ans Tandem, was wir nicht mehr im Zimmer benötigen. Jutta besorgt Getränke und Snacks, und dann warten wir, dass sich Susana meldet, weil wir noch mit ihr Kaffee trinken gehen wollen.

Sie schreibt allerdings erst gegen sechs, dass sie jetzt mit dem Mittagessen fertig ist und noch eine Stunde für den Weg zurück benötigt. Ihr Treffen mit den alten Schulfreunden findet einfach zu selten statt. Wir verabreden also stattdessen einen Gegenbesuch in Berlin bzw. Hohen Neuendorf.

Im Restaurant des Hotel Ibis gibt es zum Aberndessen tatsächlich eine Hühnerbrühe mit Reis für Viktor und einen Pfefferminztee aus frischer Pfefferminze.

Donnerstag 31.10.24 – (118) – Miraflores – San Bartolo

Gesamt: 7.184,42 km

In der Nacht ruft Viktor die Rezeption an, da (von oben) Musik in unser Zimmer dringt und uns vom Weiterschlafen abhält. Kurz darauf klingelt das Zimmertelefon (nachts um drei!) – ob denn jetzt alles wieder leise sei?

Um halb sechs stehen wir auf, packen alles incl. dem Tandem, frühstücken frühestmöglich um halb sieben und sind für sieben verabredet mit Rodrigo, dem Schwager von Sergio (in Mancora getroffen). Er wird heute gemeinsam mit uns nach San Bartolo fahren und kennt eine gute Radfahrstrecke aus Lima heraus.

Rodrigo ist schon über 70 Jahre alt und hat erst vor kanpp zwei jahren mit dem Radfahren begonnen. Er kennt die Strecke Richtung Süden recht gut, fährt aber normalerweise auf Nebenstraßen, die in schlechtem Zustand und teilweise auch nur Schotterwege sind. Heute führt er uns über Radwege aus Lima heraus und dann über die Panamericana weiter nach Süden. Er fährt vorneweg und sein Tempo ist vielleicht ein wenig schneller als wir normalerweise fahren, aber wir kommen gut mit. Rodrigo ist im Ruhestand und hat früher für eine Holzfirma gearbeitet, die Stützholz für die Minen (Silber, Kupfer) in Peru liefert. Seit dem Beginn des Bergbaus durch Kanadische Unternehmen wird dazu in Peru das umstrittene Eukalyptus-Holz angebaut und genutzt. Wie wir später feststellen, soll auch die Lagune in der Oase Huacachina bereits Opfer des Eukalyptus-Anbaus sein, weil er sehr viel Wasser benötigt.

Tatsächlich landen wir schon in Lima relativ bald auf einem Radweg, und bis auf einen Teil auf der Autobahn zwischendurch fahren wir eigentlich immer auf einem solchen. Manchmal rechts, manchmal links, manchmal mittig, z.T. ziemlich versandet, aber immer abgetrennt von der Straße. So schnell wären wir ohne die Hilfe wohl nicht aus der Stadt herausgefahren, und wir hatten die heutige Strecke wegen der erwarteten schwierigen Stadtfahrt extra kürzer geplant.

Mit einer Pause an einer Tankstelle und einem kurzen Umweg mit Halt an der Playa Caballeros (eine Bucht daneben liegt die Playa Señoritas 😉 ) sind wir schon um 11 Uhr an der Adresse unserer Unterkunft. Um wenigstens die Räder abzustellen und dann mit Rodrigo noch in den Ort zu gehen, muss Viktor den Vermieter anrufen, um zu erfahren, wo wir genau hinmüssen. Irgendwann kommt ein Herr, sucht mit Handy am Ohr den richtigen Schlüssel zu einem Apartment, händigt uns diesen aus, ohne zu sagen, welche Wohnung in dem Haus mit mehreren Stockwerken die angemietete ist. Also ruft Viktor wieder an. Das Apartment hat weder Toilettenpapier oder Seife noch WIFI, aber dafür Meerblick (und Kabelfernsehen!). Und diesen muss man eben teuer bezahlen! Wir zahlen hier mehr für die Nacht als im Zentrum Limas im Hotel Ibis für eine Übernachtung mit Frühstück. Per WhatsApp erfahren wir vom Vermieter, dass bei Booking.com alles korrekt beschrieben sei, keine Handtücher, kein Wifi, kein Toilettenpapier. Aber er will uns trotzem jemanden schicken, der noch einige Utensilien und Handtücher bringt, als freiwillige Sonderleistung, damit wir uns wohlfühlen.

Mit Rodrigo gehen wir auf einem schönen Weg die Bucht entlang zum Zentrum des Ortes und finden ein Eiscafé, das für Viktor nicht nur Sorbet-Sorten sondern auch schwarzen Tee hat, und verbringen dort noch Zeit mit unserem Begleiter, der sich im Anschluss mit seinem Rad von einem Taxi zurück nach Lima bringen lassen will.

Während wir dann im Zimmer auf die Handtücher, Seife und Toilettenpapier warten, nutzen wir Viktors mobile Daten, um wenigstens ein wenig am Blog zu schreiben und das Busticket für den Peru-Hop-Bus zu kaufen. Wir haben uns jetzt endgültig entschieden, Cusco, Machu Piccu und den Salar de Uyuni in Bolivien per Bus in unsere Tour einzubauen. Das wird eine ziemlich große Busrunde. So werden wir jetzt noch vier Tage bis kurz vor Nasca an der peruanischen Küste radfahren und dann in Etappen per Peru-Hop-Bus einige peruanische und bolivianische Sehenswürdigkeiten besuchen. Mit dem Tandem weiterfahren wollen wir dann erst wieder Anfang Dezember in Chile, südlich der Atacama-Wüste, von Copiapo nach Santiago de Chile (~1.000 km), so jedenfalls der grobe Plan.

Abendessen gibt es heute bei einem Argentinier, der die Hühnersuppe für Viktor mit entsprechendem Akzent serviert („Sopa de Pollo“ ausgesprochen „Sopa de Poscho“). Auf dem Rückweg durch den Ort sehen wir viele verkleidete Kinder und Jugendliche, die in den Läden am Hauptplatz „Happy Halloween“ aufsagen und Süßigkeiten sammeln.

Als wir ins Apartment zurückkehren, haben wir noch keine Handtücher im Apartment, aber auf dem Gang läuft eine Frau mit Wischmopp herum, die aussieht, als könnte man von ihr auch Handtücher erhalten. Viktor spricht sie an und tatsächlich war sie auch damit beauftragt, uns Handtücher ins Apartment zu legen, nur leider haben wir Dank der frühen Anreise jetzt offenbar alle Schlüssel in unserem Besitz, und auf ihr Klopfen hat niemand geantwortet.

Damit ist das Handtuchproblem also gelöst. Allerdings hat Jutta gar keine Lust mehr, sich zu duschen und behauptet, sie hätte heute gar nicht geschwitzt. Tatsächlich vertraut sie aber der Konstruktion in der Dusche nicht so recht, denn dort hat ein Handwerker ähnlicher Qualität wie Viktor, den Duschkopf mit Power-Tape „repariert“.

Also geht Viktor ins Bad und dreht erstmal das warme Wasser auf. Es läuft und läuft und läuft …. und bleibt kalt. Also erstmal wieder abdrehen. In der Küche ist ein eigenartiger Boiler an die Wand geschraubt, Kabel schauen aus der Wand und sind irgendwie mit dem Teil verbunden, teilweise sind lose Kabelenden miteinander verzwirbelt … aber immerhin mit Isolierband isoliert. Darunter eine Sicherung mit Kippschalter. Viktor schaltet die Sicherung ein und tatsächlich … am Boiler leuchtet ein rotes Licht auf. Viktor schreibt dem Vermieter, ob es nötig sei, diesen Boiler einzuschalten, um warm zu duschen. Dieser bestätigt per Sprachaufnahmen-Nachricht.

Zum Abschied raten wir dem Vermieter am nächsten Tag per WhatsApp zu einer kleinen Anleitung, die im Apartment liegen sollte, mit Informationen zu fehlendem Toilettenpapier, Handtüchern, Warmwasser etc.. Wir sind auf Wangerooge schließlich auch erfahrene Booking.com Vermieter (was Viktor nicht verschweigen kann 😉 ) und kennen solche Problemmieter, die ständig Fragen stellen. Er bedankt sich auch artig für den Hinweis („Consejo“). 😉

Am Ende entscheidet sich Viktor übrigens, heute auch nicht gschwitzt zu haben – bis das Wasser im Boiler warm ist wird es vermutlich Mitternacht.

Freitag 1.11.24 – (119) – San Bartolo – Rosario (de Asia)

Gesamt: 7.242,12 km

Gegen halb acht haben wir fertig gepackt. Viktor holt das Tandem aus dem Segelclub, in dem wir es abstellen durften, während Jutta alle Taschen die Treppen hinunter trägt. Wir müssen noch frühstücken und Getränke/Bananen für die Fahrt kaufen. Hier im Ort ist ein OXXO – dort gibt es heiße Getränke, (Trink-) Joghurt und Zwieback zum Frühstück. Wir sehen ziemlich viele junge Frauen zum Hauptplatz strömen, alle sind im schwarzen Kostüm gekleidet und tragen schwarze Sport (?)-Taschen bei sich. Wir tippen auf Musik zum Allerheiligen, bis Jutta auffällt, dass sie allesamt einen Kurzhaarschnitt haben. Das ist für Lateinamerikanerinnen völlig untypisch! Viktor fragt im OXXO, und wir bekommen die Erklärung: sie alle besuchen die Polizeischule hier im Ort! Dort dürfen sie keine langen Haare tragen. (Und wie es aussieht, lernen hier angehende Polizisten und Polizistinnen getrennt voneinander.)

Der Minimarket Panamá gegenüber öffnet um acht, dort hatten wir gestern beim Obst auch Bananen gesehen. Heute ist nur noch eine einzige (ziemlich schwarze) übrig, also kauft Jutta nur Getränke, Viktor in der Markthalle die Bananen. Und endlich können wir los.

Ganz kurz gibt es auch heute noch einen Radweg, anschließend fahren wir auf einer heute sehr vollen Panamericana-Autobahn. Eine Toilettenpause machen wir an einer Stelle, an der sehr viele Autos rausfahren: es sieht aus, wie ein Restaurant, das sehr, sehr gut angenommen ist (die Menschen stehen Schlange), und es liegt mitten im Nirgendwo in der Wüste. Ebenfalls mitten im Nichts scheint die weltbeste Universität im Ranking 2024 zu liegen. Wir sehen nur die Schilder und ein einziges Gebäude, alles andere muss hinter den Bergen liegen. Hier haben die Studierenden jedenfalls keinerlei Ablenkung!

An einer Tankstelle machen wir ein kurze Pause, essen unsere Bananen und ein bisschen Zwieback (Pan Bimbo Zwieback). Ein junger Hund mit erkennbarer Hüftdysplasie stromert hier herum, wird von den unmotivierten Mitarbeiterinnen der Tankstelle offenbar geduldet, aber nicht wirklich gemocht. Er leckt die Zwieback-Krümel vom Boden, die uns herunterfallen und als ein Auto wegfährt „trinkt“ er das Kondenswasser aus der Klimaanlage, das als Pfütze am Boden liegt. Viktor gibt ihm einen halben Zwieback, den er sofort frisst, und auch den Eimer Wasser, den wir ihm hinstellen, nimmt er sofort dankbar an.

Scheinbar warten die beiden Tankwärterinnen heute noch auf den Tanklastwagen, der ihnen Benzin liefert, jedenfalls besteht ihr ganzer Job darin, allen Autos, die auf die Tankstelle fahren, kopfschüttelnd zuzuwinken und dabei anzuzeigen, dass sie weiterfahren sollen. Hier kann man heute offenbar nicht tanken. Nach einer Viertelstunde Pause beobachten wir eine von beiden Tankwärterinnen dabei, wie sie Verkehrskegel aufstellt, die die Zufahrt zu einigen Zapfsäulen versperren, was aber wenig bewirkt, denn die Autos kommen weiterhin angefahren und stellen sich an die noch unversperrten Zapfsäulen.

Weiter geht es auf der Panamericana. Zweimal kommt der Autoverkehr dermaßen ins Stocken, dass wir auf dem Standstreifen schneller sind und erhobenen Hauptes vorbeifahren (Die Prinzen: … und sind immer schneller da) – solange nicht irgendwelche Blödköpfe mit ihrem Auto auf den Standstreifen fahren und dort steckenbleiben. Viktor wünscht, so jemanden im Graben zu sehen, und tatsächlich passieren wir bald einen Pick-Up, der halb im Graben liegt.

An der Straße sind sehr viele Stände, an denen man „Pan …“ kaufen kann, es ist uns aber noch zu zeitig. Als wir nach 25/30 km so weit wären, gibt es leider nichts in der Gegend. Nicht einmal zehn km vor dem Ziel ist neben einer Tankstelle ein kleines Restaurant, das u.a. Pan Artesanal anbietet. Wir halten und bestellen drei einfache und ein Olivenbrötchen. Das pure Brot ist gar nicht so pur, es enthält Anissamen im Teig.

Die Landschaft ist heute durchaus ansprechend. Wir sind zwei weiter in der Wüste, aber immerhin kommen wir immer wieder nah ans Meer und haben wunderschöne Ausblicke auf die Küste. Ein Hauch von Highway No. 1 in Kalifornien. Unter anderem kommen wir an der Playa Leon Dormido (schlafender Löwe) vorbei, an dem ein Felsen im Meer wirklich sehr stark an einen schlafenden Löwen (oder Hund? Siehe oben das Tagesbild) erinnert.

Gegen halb zwei haben wir die Hospedaje Olas Inn erreicht. Während Viktor das Tandem nach hinten schiebt, entdeckt Jutta im Treppenhaus den Zettel mit dem WIFI. Sehr schön, nach gestern. Die Handys und der Laptop verbinden sich auch super, leider ohne Zugang zum Internet zu bekommen.

Nach der warmen Dusche lassen wir uns deshalb zur fünf km entfernten Shopping Mall fahren, wo es ein Eiscafé geben soll und hoffentlich auch WIFI. Das Eiscafé hat diese Saison noch nicht geöffnet, viele Ladenlokale stehen leer, aber wir finden letztendlich ein Café mit Eisangebot. Ihnen fehlen zwar die Früchte und die Sahne, aber wir können zwei Banana-Splits mit den privaten Bananen der Bedienung bekommen. WIFI gibt es hier leider auch nicht.

Eisdiele „ABIERTO“ – „GEÖFFNET“

Anschließend versuchen wir es in einem Restaurant. Ebenfalls negativ, aber draußen am letzten Tisch verbindet sich der Laptop mit einem freien W-LAN. Na endlich! Wir bleiben, bis das Restaurant schließt. Bis morgen zu warten wäre zu lange, da kommen wir dann schon fast nicht mehr hinterher.

Samstag 2.11.24 – (120) – Rosario (de Asia) – San Vicente de Cañete

Gesamt: 7.288,64 km

Wir haben nur eine kurze Tour geplant, deshalb stehen wir erst gegen sieben auf und fahren eine Stunde später los, nachdem wir das ganze Treppenhaus nass gemacht haben. Juttas Camelbak hat ziemlich viel Wasser verloren – obwohl bei der Kontrolle alles dicht ist. Die sehr freundliche Hotelbetreiberin wischt schnell alles wieder auf. Wir wollen schnell zur Panamericana und fahren deshalb ein kleines Stück zurück. Der Umweg wird dann noch etwas größer, weil hier in Rosario nicht alle Straßen asphaltiert sind und wir uns keinen Platten einfahren wollen.

Nach nur etwa sieben Kilometern halten wir an einer Tankstelle zum Frühstücken. Aus diesem Grund haben wir diese Strecke gewählt, denn danach kommt länger keine Gelegenheit. Als wir dort weiterfahren wollen, werden wir auf Deutsch angesprochen: ein Autofahrer hat uns gestern schon beim Überholen gesehen und anhand der Deutschlandflagge zugeordnet. Deutsch spricht er, weil er in Lima auf eine Deutsche Schule gegangen ist (und seine Kinder heute gehen). Und es ist nicht die Alexander von Humboldt – in Lima gibt es laut ihm nämlich zahlreiche Deutsche Schulen.

Im Gegensatz zu allen letzten Tagen ist es heute schon gleich von Beginn sehr sonnig, so kommt es uns beim Weiterfahren schon viel später vor als es ist. Die Straße ist heute etwas hügeliger und geht durchweg durch die Wüste, auch wenn rechts von der Straße immer wieder (Bade-) Orte an der Küste sind, die wir aus mehr oder weniger Abstand sehen können.

An einem „Kimba“-Laden am Straßenrand machen wir eine Pause. Kaffee gibt es dort nicht, und das Restaurant gleich nebenan ist an einem Geschäft wohl nicht interessiert – die Mitarbeiterin reagiert in keinster Weise auf Viktors Eintreten, Grüßen und Fragen. Kurz darauf kommt der Abzweig nach Cerro Azul, und die Hotelbetreiberin in Rosario hat in einem der Gespräche ein kleines Museum dort empfohlen. Heute können wir uns die Zeit für solch eine „Unterbrechung“ nehmen, also fahren wir ab. Ein vorher anvisiertes Café (Mandala) gibt es nicht mehr bzw. gab es an dem angegebenen Ort vielleicht auch noch nie – keiner kennt es, also fahren wir gleich zum Municipal Museum of Cerro Azul.

Ein kleiner Junge begrüßt uns ganz überschwenglich und rechnet für uns aus, dass wir zusammen zwei Soles Eintritt zahlen müssen ;-). Ein junger Archäologe führt uns durch das kleine Museum und organisiert uns kurzfristig einen Guide, der uns gegen eine kleine Spende über die archäologische Stätte führen kann. Wir erfahren, dass die Huarca-Kultur hier in der Gegend die letzte Kultur vor der Eroberung durch die Inka im 15. Jahrhundert war. Die Herrschaft der Inka wurde dann wiederrum durch die spanische Kolonialherrschaft abgelöst. Es wird vermutet, dass die Huarca in einer matriarchial organisierten Gesellschaft lebten. Jedenfalls war die letzte Verteidigerin gegen die Inka eine sogenannte „Curaca“, eine weibliche Stammesführerin.

Wir dürfen für den Rundgang über die archäologische Stätte unser Tandem in einem Lagerraum des Museum abstellen. Statt angekündigter 30 bis 40 Minuten sind wir danach mit unserem Guide Valentin eine gute Stunde unterwegs. Die Huarca haben ihre repräsentativen Bauten ebenfalls aus ungebranntem Lehm erbaut, jedoch nicht aus Lehmziegeln wie wir sie in Lima gesehen haben. Stattdessen wurden große quaderförmige Lehmblöcke direkt vor Ort geformt. Die Huarca lebten überwiegend vom Fischfang. Zur Konservierung und Lagerung wurde der Fisch gesalzen und getrocknet. Dazu dienten große Terrassen, auf den der Fisch in der Sonne trocknete. Auf einigen Terrassen wurde der Fisch zur längeren Lagerung in Löchern vergraben und mit Sand zugeschüttet. Die Tour führt bis an den höchsten Punkt des Geländes, an dem die Überreste eines Inka-Gebäudes und ein Leuchtturm aus 1974 stehen. Von oben hat man eine beeindruckende Aussicht auf die Küste.

Es ist nach zwei Uhr, als wir das Tandem wieder aus dem Abstellraum holen und weiterfahren können. Eigentlich würden wir gerne noch etwas essen und trinken, finden aber nichts Passendes, und so starten wir erst einmal. Hier ab Cerro Azul müssen wir von der „Panamericana“ auf die „Antigua Panamericana “ wechseln, und an dieser sollen Pausenmöglichkeiten liegen.

Der Mini Market einer Tankstelle sieht ganz nett aus, hat Tische im Innenraum und Trinkjoghurt einer hiesigen Firma – in Liter-Flaschen. Wir kaufen uns eine mit Lucuma-Geschmack zu einem Beutel Anden-Granola und löffeln erst das Gemisch, dann den restlichen Joghurt aus Einweg-Plastik-Trinkbechern. Eigentlich wollten wir hier unsere Bananen essen, die Jutta gestern im Wong-Supermarkt gekauft hat. Als Viktor seine Banane schälen will, tut er sich dabei aber ungewöhnlich schwer. Die Banane ist innen auch eigenartig dunkel-gelb … und stellt sich somit als Kochbanane heraus. Die zweite Banane schenken wir zum Abschied der Kassiererin, die während unseres gesamten Aufenthaltes (und somit auch dem Abkassieren) über die Freisprechfunktion ihres Mobiltelefones telefoniert.

Die letzten 15 Kilometer gehen so gut gestärkt in die Hauptstadt der Provinz Cañete und wären auch kein Problem, wenn auf dieser alten Panamericana nicht der Seitenstreifen fehlen würde und wir deshalb häufig von kleinen und großen Bussen dicht überholt, geschnitten oder angehupt werden.

Die peruanischen Hunde sind heute auch wieder besonders anhänglich, so dass unsere Spritzflasche wieder zum Einsatz kommen muss.

Gegen halb vier sind wir am Joma Hotel (Viktor fällt bei JOMA sofort ein guter Freund und regelmäßiger Eisspender ein. Jutta muss ihn daran erinnern, das JOMA auch auf unseren mittleren Sohn passt). Angeblich hat man überall WIFI und im Zimmer soll der entsprechende QR-Code liegen. Dort liegt gar nichts, aber als wir von der Rezeption das Password erhalten – ta tah – haben wir nach zwei Tagen Flaute richtig guten Zugang zum Internet! Nach der Dusche laden wir also Bilder hoch und kümmern uns endlich auch um die Touren die wir in den nächsten Tagen und Wochen machen wollen.

Zum Abendessen im Aroma 432 gibt es für Viktor Carapulcra con Sopa Seca (später im Hotel liest Jutta diese Rezension: „Heute sind wir ins Restaurant gegangen, in meinem Teller Carapulcra mit Trockensuppe haben wir eine Kakerlake gefunden. Ich weiß auch, dass die Würze schrecklich war! Nicht empfehlenswert.“ – vor acht Monaten. Wir können aber nicht klagen!) Auf dem Nachhauseweg besorgen wir uns noch Getränke für die morgige Fahrt sowie etwas zum Frühstücken, denn morgen werden wir auf den über 80 Kilometern nicht viele Gelegenheiten zur Verpflegung vorfinden.

Sonntag 3.11.24 – (121) – San Vicente de Cañete – Pisco

Gesamt: 7.374,89 km

Nach längerer Zeit soll heute mal wieder eine Etappe über 8o km gefahren werden. Viktor hat das Abendessen gestern gut vertragen, wir scheinen uns als Tandem also gerade wieder einem guten Fitness-Niveau zu nähern.

Wir frühstücken im Hotelzimmer unser Anden-Granola von gestern mit Joghurt, Pfirsichsaft aus dem Tetrapack und kaltem Fertig-Cappuccino aus der Plastikflasche.

Um 7:00 Uhr sitzen wir auf dem Tandem und fahren auf der Panamericana Antigua zunächst weiter durch das Tal des Rio Cañete, bis wir den Fluss kreuzen und dann einen längeren Anstieg zur neuen Panamericana hochfahren. Dann geht es erstmal wieder durch Wüste und Sanddünen Richtung Süden, heute aber mit noch mehr Ausblick auf den Pazifik, Strände und Resorts (Hotels, Condominiums, etc.), was die heutige Tour ganz abwechslungsreich macht. Auch Einkehrmöglichkeiten gibt es wenigstens alle 10 bis 20 km, so dass es sich nicht so einsam und verlassen anfühlt wie die Wüste im Norden Perus.

Nach 28 km, etwa einem Drittel der Strecke, kommt eine „Deli-Bakery“ auf unserer Straßenseite. So eine haben wir vor einigen Tagen schon unerreichbar für uns auf der anderen Seite der Straße gesehen, und wir können eine Pause gut gebrauchen. Sie wird etwas länger, weil wir mit unserem Sohn Joshua hin- und herkommunizieren – er hat eine neue Wohnung und Probleme, aus der alten herauszukommen.

In der Deli-Bakery mit Musik vom Electric Light Orchestra

Weiter geht’s! Über eine längere Strecke sehen wir links einen höheren Hügel aus Sand, der aussieht wie menschengemacht. Wir vermuten fast, dass es sich um Aushub von einem Tagebaugebiet handeln könnte. Jedenfalls kommen wir auch an einem Restaurant „La Mina“ vorbei. Auf GoogleMaps ist hier aber nichts von einer Mine zu sehen. Am Fuß des Hügels stehen sehr viele einfache Häuser und Hütten, die bei Starkregen wahrscheinlich leicht von Schlammlawinen mitgerissen werden können.

Zwischendurch kommen auch immer mal grüne Gegenden. Dort, wo Menschen leben und bewässert wird, wachsen u.a. Mais und Artischocken (lieben Gruß an Andy und Susan aus Pacific Grove).

Als wir bei knapp 60 km das zweite Drittel herumhaben und nach einer Pausenmöglichkeit Ausschau halten, müssen wir noch ein paar Kilometer fahren und kommen dann an ein Restaurant, dass zu einer der unzähligen Flächen mit zu verkaufenden Grundstücken (und hier auch mit 150 schon gebauten Häusern) gehört. Sie haben fast nichts im Angebot, Viktor nimmt wenigstens einen Ananassaft, nachdem ihm versichert wird, dass dieser mit Flaschenwasser gemacht wird. Die Frau dort erzählt, dass sie 14 Jahre in Amsterdam gelebt haben und dann hierher gekommen sind, um dieses Chinchaycamac Condominium-Projekt aufzubauen. Beim Weiterfahren vermuten wir, dass das Ganze evtl. auch ein Geldwäscheprojekt sein könnte – wer weiss, was die in Amsterdam für Geschäfte betrieben haben.

Um 14 Uhr kommen wir am Hotel in Pisco an. Das Einchecken ist etwas schwierig: es gibt zwei Blöcke weiter einen Parkplatz für Autos, der inclusive ist, aber was mit einem Fahrrad ist, überfordert die zwei Hotelangestellten. Außerdem können sie sich nicht sofort auf ein Zimmer für uns einigen. Letztendlich steht das Tandem heute Nacht neben dem Hotel im Flur eines kleinen Einkaufszentrums und wir haben ein Zimmer in einem zweiten Gebäudeteil, mit einer Terrasse, wobei über der Tür dorthin ein offener Spalt (für Tageslicht und Durchzug) ist, durch den der Straßenlärm ins Zimmer kommt. Und in diesen Gebäudeteil dringt das WIFI-Signal wieder einmal nicht so gut. Das entsprechende Password liegt auch nicht im Zimmer, wie angekündigt, und die Angestellten wissen es auch nicht auf Anhieb.

Das Hotel liegt sehr zentral, und wir gehen geduscht dann einmal die Fußgängerzone rauf und runter und sehen uns die Top-Sehenswürdigkeit an: die Plaza de Armas. Für weiter entfernte, interessantere Dinge reicht die Zeit heute nicht mehr. Im Café Gloria am Platz wollen wir einen Kaffee trinken, merken aber, dass wir auch schon hungrig sind und nehmen statt des Kaffees ein frühes Abendessen – und des Ortes wegen noch einen Pisco Sour (mit Eiweiß) sowie einen Pisco Chilcano (ohne Eiweiß). Nach dem Einkauf von Getränken und Frühstück für morgen kehren wir ins Hotel zurück.

Woche 30 (21.10.24 – 27.10.24) Chepén – Lima

Montag 21.10.24 – (115) – Chepén – Paijan

Gesamt: 7.065,33 km

Der Wecker klingelt um 5:30 Uhr weil um 6:30 das Frühstück aufs Zimmer geliefert werden soll. Wir wissen nicht genau, wie lang der Tag werden soll, da Komoot uns nicht über die Panamericana-Autobahnabschnitte fahren lassen will, aber wir wissen, dass es an die 80 Kilometer werden können und es durch ca. 45 km Wüste ohne Verpflegungsmöglichkeiten geht.

Gleich in der Früh klärt sich, warum gestern keine Antwort auf die WhatsApp an das Hotel „Mar y Sol“ in Paijan kam: Die Kontaktperson (Rosy C.) hat eine Belgische Telefonnumer und lebt in Belgien. Gleich nach dem Aufstehen gehen mehrere WhatsApp hin und her, dann erfolgt ein WhatsApp-Telefonat. Es stellt sich heraus, dass das „Mar y Sol“ doch direkt am Meer liegt und nicht im Ort Paijan, wie der mal wieder fehlplatzierte Google-Pin anzeigt. Den Weg zum Hotel an der Playa Milagro (Strand des Wunders) schafft man nur mit einem Allrad-Auto, wir also mit unserem Tandem sicher nicht. Rosy verspricht aber, uns ein anderes Hotel in Paijan zu organisieren, weil sie in Deutschland immer so freundlich empfangen wird und ein kleines bisschen davon zurückgeben möchte, wenn zufällig mal Deutsche in ihrer Heimatstadt in Peru sind. Wir sollen einfach losfahren und sie schickt uns eine WhatsApp, sobald sie etwas organisiert hat. Da alle anderen Unterkünfte in Paijan keinerlei Kontaktdaten veröffentlicht haben (weder auf GoogleMaps noch auf Webseiten oder bei Facebook) sind wir sehr erleichtert und frühstücken reichhaltig. Jutta hat zu ihrem Frühstürck noch Spiegeleier erhalten, die Viktor noch nebenbei mitvernichtet.

Als wir dann das Tandem packen wollen, entdecken wir, dass unsere Helme nicht mehr auf dem Sitz liegen. Das gibt es doch nicht – sie sind durch das Gitter zur Straße geklaut worden! Da hat die Vorsicht mit diesem Gitter, dass immer verschlossen ist, wohl doch eine Berechtigung. Am Ende stellt sich aber doch heraus, dass die Mitarbeiterin an der Rezeption des Hotels die Helme gestern Abend noch an sich genommen und im Hotel sicher aufbewahrt hat.

Wir erreichen heute gleich zu Anfang der Etappe unsere 7.000-Kilometer-Marke. Wie es der Zufall so will geschieht das in der „Ciudad de Dios“ (Stadt Gottes), na wenn das mal kein gutes Omen ist. Aufgrund der Verhältnisse entlang unserer Strecke hier in Nord-Peru, haben wir einige 7.000er-Impressionen zusammengestellt:

Unsere erste richtige Pause machen wir in Pacasmayo im „El Eden“, wo wir richtig gute Brötchen mit Käse und Avocado bekommen. Im nächsten Ort, San Pedro de Lloc („Lloc“ kommt vom Nachnamen des Gründers, hat also keinen katalanischen Ursprung) machen wir schon die nächste Pause in einer Saftbar in der Fußgängerzone, denn danach erwarten uns 45 km Wüste ohne jegliche Ortschaften.

In San Pedro de Lloc haben sie wieder einmal besondere „Reductores“ (Verlangsamer) in die Straßen eingebaut. In anderen Städten haben wir bei guter Peilung oft eine Chance, die Lücken zu nutzen und hindurchzufahren, manchmal durch eine leicht diagonale Durchfahrt. Aber hier haben sie es wirklich absolut fahrradfeindlich hinbekommen. Und die Dinger sind richtig hoch. Später am Tag kommen auch noch extrem kurze und hohe „Schwellen-Reductores“ dazu, an denen unser Tandem in der Mitte mit dem eingeklappten Ständer aufsetzt, wenn wir beide draufsitzen. Jutta muss dann absteigen und wir schieben vorsichtig drüber. An einer dieser Schwellen entsteht ein kurzes Gespräch mit Passanten am Straßenrand, die meinen, unser Rad sei einfach ungeeignet. Viktor bestätigt, dass es für ganz USA, Mexiko, Mittelamerika, Kolumbien und Ecuador geeignet gewesen sei, aber für peruanische Straßen eben nicht. Großes Gelächter auf beiden Seiten.

Mittlerweile ist es später Vormittag und der langsam auffrischende Wind kommt aus südlicher bis südwestlicher Richtung. Für uns ist das seitlicher Gegenwind. Vorhergesagt sind bis zu 35 km/h und Windböen, die auch stärker sein können. Es ist ein ständiges Gegenlenken nach rechts erforderlich, um geradeaus fahren zu können. Besonders wenn Lastwagen an uns vorbeifahren und der Wind plötzlich von links kommt, werden wir ziemlich durchgeschüttelt. Immer wieder denken wir an Patagonien, wo diese Windgeschwindigkeiten eher zum Niedrigsten gehören, was wir zu erwarten haben. Da es außerdem die erste Hälfte der Wüstenstrecke bergauf geht, sind wir ziemlich langsam unterwegs. Es zieht sich also entsprechend hin. Irgendwann müssen wir einfach auf freier Strecke eine Pause einlegen. Gar nicht so einfach, den Ort zu wählen, denn die Landschaft gibt eigentlich nichts her, kein Orientierungspunkt an dem man sagen könnte „da ist ein idealer Ort für eine Pause“. Also wird es am Ende ein Busch am Straßenrand, in dessen Windschatten man sich immerhin mal kurz in den Sand setzen kann. Wir essen unser abgepacktes Mehrkornbrot (Multisemillas) mit einem Kräuterkäse (und ein paar angewehten Sandkörnern).

Während wir unsere Pause machen rollt ein Auto an uns vorbei und hält 50 Meter weiter auf dem Standstreifen. Der hintere linke Reifen ist platt. Viktor geht kurz hinüber und bietet Hilfe an, aber sie haben weder ein Ersatzrad noch ein Reifenpannenset mit Dichtmittel dabei. Als wir weiterfahren, bieten wir an, im nächsten Ort, den wir allerdings erst in ca. zwei Stunden erreichen werden, bei der ersten „Llanteria“ (Reifenwerkstatt) Bescheid zu geben, dass bei Kilometer 655 Hilfe benötigt wird.

Auf der zweiten Hälfte der Wüstenstrecke geht es etwas flotter voran, aber unsere Gespräche bewegen sich jetzt doch eher in die Richtung „ganz schön öde“ und „es gibt halt Regionen auf der Welt, in denen das Fahrradtempo doch nicht ganz so optimal ist“ (gell Ole? 😉 ) und „ach was war Mittelamerika doch schön …. und vor allem so abwechslungsreich“.

Irgendwann erreichen wir den Anfang von La Arenita und sehen einen Polizisten bei einer Fahrzeugkontrolle. Viktor berichtet ihm von der Reifenpanne bei KM 655 und er sagt, dass man in so einem Fall grundsätzlich die „Grua“ (Kran), also den Abschleppdienst, zu rufen hat. Dieser wird vom privaten Autobahnbetreiber gestellt und steht an jeder Mautstation bereit. Er sagt, dass wir uns um nichts mehr kümmern müssen, da er die „Grua“ bestellen wird.

In La Arenita machen unsere letzte Pause des Tages. Dort haben wir auch wieder Handy-Empfang und können nachschauen, was aus unserem Hotel geworden ist. Rosy hat uns mehrere Nachrichten geschickt. Wir kommen in einem befreundeten Hotel unter (Hostal Leo), das am Ortseingang von Paijan direkt an der Panamericana liegt. Falls wir noch genug Energie haben, sollen wir uns gerne um 17:00 Uhr an der „Plaza de las Armas“ („Waffenplatz“ – so heißen in dieser Gegend fast alle zentralen Plätze in den Ortschaften) einfinden. Sie hat uns eine kleine Führung organisiert und ein paar junge Tänzer sollen uns dort „La Marinera“ vortanzen, einen typischen Tanz der Region. Wir sind total gerührt von so viel Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, aber gleichzeitig stehen wir nun auch etwas unter Druck. So fremdbestimmt waren wir schon ein halbes Jahr nicht mehr (außer in den Tagen auf Galapagos), und es fühlt sich irgendwie komisch an. Erst gegen 16:00 Uhr erreichen wir unser Hotel, bis wir auf dem Zimmer sind ist es 16:15 Uhr. Jutta entscheidet sich spontan, erst am späteren Abend zu duschen, so sparen wir etwas Zeit und können uns rechtzeitig auf die 1,5 km Fußweg begeben.

Pünktlich um 17:00 Uhr sind wir am Platz und werden sofort von Sinforoso N. angesprochen, ein Antropologe aus Paijan, der uns ein wenig über die Geschichte der Stadt erzählen möchte. Wir erwähnen ihm gegenüber noch kurz die Tänzer, denken aber, dass er vermutlich Bescheid weiß. Er sagt auch, dass die Tänzer später noch kommen werden. Dann führt er uns etwa 30 Minuten über den Platz und in die Kirche, gibt uns einen stadtgeschichtlichen Überblick und erzählt uns unter anderem von der Jesusfigur „El Señor de los Milagros„, die vermutlich von den Spaniern am Strand in den Wellen abgelegt wurde, um ein Wunder zu „organisieren“, das bei der Evangelisation der indigenen Bevölkerung helfen sollte. Als wir mit der Führung fertig sind, geben wir Sinforoso noch eine kleine Spende für seine vielen Projekte, von denen er uns erzählt hat. Dann gehen wir schnell in einer Pizzeria und Polleria direkt am Platz essen, denn es wird langsam kühler. Wir haben keine warmen Sachen angezogen und müssen ins Hotel zurück.

Wir sind mitten in der Mahlzeit, als Viktors Handy klingelt. Der Vater der Tänzer ist dran. Sie warten schon seit 17 Uhr am Platz auf uns, und jetzt ist es bereits 18 Uhr. Ach herrje, wir essen hektisch die Hälfte unseres Essen, die andere Hälfte packen wir zum Mitnehmen ein, und gehen schnell hinüber. Der Vater fragt uns, wie wir uns das denn mit dem Tanz vorgestellt haben und wo der stattfinden soll. Ähm … also … „no tengo ni idea“ … ich habe keine Ahnung … das ist alles sehr überraschend für uns organisiert worden. Die beiden jungen Tänzer, ein Mädchen und ein Junge um die 12 Jahre, die lokalen Tanz-Champions, sind aber bestens gelaunt. Als sie erfahren, dass wir mit dem Rad reisen, kennt das Kichern und Kopfschütteln kaum ein Ende. Der Vater entscheidet, dass das Ganze also auf der Straße vor der Kirche passieren soll. Dort sind Kreise auf die Straße gemalt, die scheinbar genau dafür gedacht sind. Allerdings muss dazu erst noch ein entsprechend lauter, batteriebetriebener Lautsprecher besorgt werden, den ein Freund des Vaters mit dem Auto holen will. Mittlerweile ist es so abgekühlt, das Jutta es unmöglich länger aushalten kann. Sie hat schon seit zwei Tagen Halsschmerzen und braucht etwas Warmes zum Überziehen. Der Vater (und Trainer) ist zufällig auch Mototaxi-Fahrer. Er fährt mit Jutta zum Hotel, wo sie auch noch gleich etwas Warmes für Viktor mit einpackt. Es ist schon komplett dunkel, als wir in den Genuss des Tanzes „La Marinera“ kommen, der wirklich beeindruckend ist.

Auch die jungen Tänzer erhalten eine Spende, und wir hasten in einen Supermarkt, um für den morgigen Wüstentag noch Getränke und Verpflegung zu besorgen. Zurück ins Hotel geht es dann mit einem Moto-Taxi, denn Jutta hat da ja jetzt schon Erfahrung. Wir entscheiden spontan, dass wir nach der morgigen Etappe einen Ruhetag in Trujillo brauchen, um uns zu erholen und zu entscheiden, ob wir uns die nord-peruanische Wüste weiter antun wollen.

Viktors Hintern braucht auch dringend mal eine Verschnaufpause. Mit seinem Brooks-Ledersattel läuft es zwar von Anfang an sehr gut und praktisch schmerzfrei, auch bei 100-Kilometer-Etappen, aber ab einem bestimmten Alter tendiert die Haut des Menschen bei starker Gewichtsabnahme dazu, ein paar Falten zu werfen (also abhängig von Gewichtsklasse der Person und Stärke der Gewichtsabnahme). Nun ja, wer von Euch regelmäßig Rad fährt, weiß vermutlich, dass Hautfalten an den falschen Stellen und der Fahrradsattel eine ziemlich unheilvolle Kombination sein können 😉 .

Dienstag 22.10.24 – (116) – Paijan – Trujillo

Gesamt: 7.120,43 km

In unserem Zimmer frühstücken wir die Reste unserer Abendessen (super lecker am frühen Morgen um vor sechs und kalt) und packen dann das Tandem in der Garage, die jeden Sonntag zur Disco wird. Um halb sieben sitzen wir im Sattel. Noch ist es frisch, aber noch nicht windig.

Wir fahren zunächst durch viel Zuckerrohr-Anbau – immerhin eine Abwechslung zur Wüste gestern. Nach gut 20 km in Chopote wollen wir in einem Frühstücksrestaurant einkehren, da unser Frühstück im Hotel heute ja nicht so toll war. Draußen auf der Tafel stehen handgeschrieben Café, Milch, Soya, Avena (Hafermilch) sowie Sandwiches mit Käse, Huhn etc., und wir hätten gerne Kaffee mit einer von den drei Weißer-Optionen und zwei Käsebrötchen. Sie hätten für uns leider nur Kaffee schwarz (die Milch und Altenativen sind heute noch nicht da), und Käse haben sie ebenfalls nicht. Viktor nimmt dann einen Kaffee und wir beiden einen Ananassaft (warm) – auch den dann noch angebotenen Reis lehnen wir dankend ab. Jutta witzelt noch, dass das Hähnchenfleisch hier besonders frisch sein muss, denn aus der Küche hört man die ganze Zeit Hühner gackern. Bei diesem Halt resetten wir den Garmin Edge Explore, denn wir konnten die Tour für heute nicht mehr laden, obwohl wir schon alles versucht hatten zu löschen.

Wir fahren weiter, und langsam wird das Grün am Rand weniger und die Wüste mehr. Heute ist es weniger Sand, eher Steine, und heute ist der Straßenrand trotzdem von Menschen genutzt: überall sind Mauern, Häuser, Zäune. Es ist also um Einiges weniger trostlos als gestern. Ganz allmählich geht es über viele Kilometer aufwärts, bis wir nach ca. 35 km den höchsten Punkt (nur 240 m hoch) erreichen. Kurz vorher meldet Viktor eine Pause an, Jutta möchte wenigstens bis zu einer passenderen Stelle weiterfahren. Und siehe da: ganz „oben“ steht am Straßenrand das Restaurant „La Soledat“ (Die Einsamkeit) und lädt uns ein. Es ist richtig groß, sogar mit einer Bühne, und wesentlich besser sortiert als alles andere in den letzten Tagen. Wir bekommen Kaffee mit Milch und echte Cola (mit Zucker) bzw. Ginger Ale. Der Besitzer kann Viktor leider nicht bestätigen, dass solche „Oasen“ in den noch folgenden Wüstenteilen regelmäßig stehen.

Von hier geht es wieder ein wenig schneller, auch wenn inzwischen der Wind begonnen hat zu wehen, denn es geht wieder leicht abwärts. Und nach gar nicht sehr langer Zeit beginnt schon Trujillo – wir müssen durch die Vororte und den Stadtrand. Gerade hatten wir noch gesagt, dass die Straßenqualität erstaunlich gut ist, da beginnt die Stadt und die Straße ist katastrophal. Es ist zwölf Uhr, als wir am Hotel ankommen, leider sind wir an keiner Mall oder an keinem Café vorbeigekommen, um noch ein wenig Zeit zu schinden. Wir können aber trotz der frühen Stunde einchecken, bekommen ein Zimmer ohne Fenster, aber egal.

Nach dem Duschen wollen wir unsere Wäsche in eine Wäscherei bringen. Nachdem zwei unterschiedliche „Lavanderias“ geschlossen sind, fragen wir Passanten, ob eventuell ein Feiertag sein könnte. Nein, das nicht, aber heute ist nationaler Generalstreik in Peru. Also jedenfalls hier in Trujillo. Denn in Lima findet der „Nationale Generalstreik“ erst morgen statt. Logisch klingt das für uns nicht gerade, aber na ja. Und wenn z.B. die Betreiber einer Wäscherei nicht mitstreiken, laufen sie Gefahr, dass der Laden Schaden nimmt oder zukünftig gemieden wird, also streiken auch sie. In der Innenstadt sind auch alle Läden geschlossen, nur einige Restaurants sind geöffnet (längst nicht alle), und so können wir in einer Heladeria wieder eine Einladung zum Eis einlösen. Heute sagen wir dafür zum wiederholten Male Joachim und Ursula ein herzliches Dankeschön:

Zurück im Hotel arbeiten wir den gestrigen Tag nach und versuchen die kommenden Tage zu planen – morgen müssen wir entscheiden, wie es weitergeht. Auf der Strecke zwischen hier und Lima gibt es häufig wirklich GAR NICHTS! Es kristallisiert sich relativ schnell heraus, wohin die Reise übermorgen buchstäblich gehen wird … zum Busbahnhof (Terminal Terrestre) und per Bus nach Lima! Das dauert alles so lange, dass wir zum Abendessen ins Hotelrestaurant gehen, statt noch einmal auf die Suche nach etwas Geöffneten.

Mittwoch 23.10.24 – Trujillo – Ruhetag

Das Rado-Hotel hat sehr, sehr dünne Wände, und obwohl wir nicht einmal ein Fenster haben, ist es von innen und außen sehr laut. Trotzdem schlafen wir bis nach 7:00 Uhr aus und legen heute einen Ruhetag in Trujillo ein. Vorgenommen haben wir uns nur, die Wäsche gewaschen zu bekommen, die mögliche Routenführung nach Lima zu prüfen und zu entscheiden, ob wir morgen in einen Bus nach Lima steigen wollen – na ja, das ist eigentlich doch fast schon sicher.

Nach dem Frühstück macht sich Jutta daran, die Tage von Lima nach Nazca sowie von Cusco nach Puno zu planen, während Viktor die Wäsche in die Lavanderia bringt, die heute zum Glück pünktlich öffnet. 2,5 kg Wäsche kosten uns 18 Soles (4,50€). Später versucht Viktor, den PAJ-Link unseres GPS-Trackers auf unserer „Wo sind wir gerade„-Seite zu reparieren.

Gegen 11 Uhr steigen wir in ein Taxi zu einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Trujillo, den Ruinen der Hauptstadt des präkolumbischen Chimú-Reiches „Chan Chan„, das sich noch vor der kurzzeitigen Eroberung durch die Inkas an der Küste des heutigen Nord-Peru über 1.500 Kilometer von Tumbes bis nach Lima erstreckte.

Die Inkas konnten die Stadt nur nach 10-jähriger Belagerung erobern und erst, nachdem sie den Fluss Moche umgeleitet hatten, um in der Stadt eine Wasserknappheit auszulösen. Sie waren selbst nur sehr kurze Zeit in dieser Gegend, die von der Fischerei lebte. Als Landwirtschafts- und Verwaltungsexperten kamen sie in dieser trockenen Region angeblich nicht gut zurecht, während sie in Cuenca (heutiges Ecuador) länger herrschten. Die letzten Inka-Herrscher in der Region (Huáscar in Cuenca und Atahualpa in Quito) befanden sich miteinander im Bürgerkrieg, gerade als die spanischen Konquistadoren eintrafen … eine Uneinigkeit, die die Eroberung durch die Spanier wohl erst möglich gemacht hat.

Die archäologische Stätte, die wir mit einem Führer besichtigen, ist UNESCO-Weltkulturerbe und die größte aus Lehm gebaute Stadt der Welt. Die ursprünglichen Lehmwände sind unfassbar witterungsbeständig und erodieren selbst bei starkem Regen wenig. Archäologen und Wissenschaftler haben die Zusammensetzung der Wände genau analysiert und das exakte Mischungsverhältnis von Steinen, Sand, Lehm, Wasser und Muschelkalk kopiert, um die Wände zu rekonstruieren, es fehlt ihnen aber die Kenntnis über die Verfahren, mit denen die Bestandteile damals gemischt und verbaut wurden. Bisher ist es nicht gelungen, die Wände so wetterfest hinzubekommen, wie es die Chimú-Kultur damals geschafft hat. Die Stätte ist heute zu einem großen Teil überdacht, und trotzdem verwittern die rekonstruierten Teilbereiche deutlich schneller als die noch bestehenden Originale.

In Chan Chan herrschten insgesamt neun Regenten. Das weiß man, weil jeder seine eigene Grabstätte hat, in der auch sämtliche Frauen (beim letzten Herrscher waren es 90) und Hausangestellten gemeinsam mit dem Regenten die letzte Ruhestätte fanden. Nach dem Tod des gottgleichen Regenten mussten alle Selbstmord begehen, um ihm ins Jenseits zu folgen und ihm dort weiterhin zur Verfügung zu stehen. Man schätzt, dass bis zu 200.000 Menschen in Chan Chan lebten (sagt unser Führer … Wikipedia sagt 60.000).

Wir besuchen noch kurz das kleine Museum an der Ausgrabungsstätte und nehmen dann ein Taxi zurück in die Stadt. An der Plaza Mayor gehen wir ins Café „El Cardenal“, schauen uns danach den Platz an und gehen dann zurück ins Hotel. Jutta ist mittlerweile noch etwas stärker angeschlagen. Zu den Halsschmerzen haben sich Ohrenschmerzen dazugesellt, vermutlich durch den kühlen Abend in Paijan und den stärkeren Wind auf der Strecke. Sie will sich mal ein paar Stunden richtig hinlegen und ausruhen. Es ist allerdings auch schon 16 Uhr als wir zurück sind.

Für den Abend haben wir uns über GoogleMaps einen Burgerladen in der Nähe des Hotels ausgesucht, der eine vegetarische Variante anbieten soll. Wie so oft stellt sich aber heraus, dass es den Laden an dieser Stelle gar nicht (mehr?) gibt. Stattdessen gehen wir in einen anderen Burgerladen, den wir um einen „echten“ Cheeseburger und einen ohne Fleisch (dafür mehr „von allem anderen“) bitten. Es kommt sogar etwas Genießbares dabei heraus. Nur Bier haben sie leider nicht im Angebot, aber nebenan könne sich Viktor eines besorgen. Während die Burger im Entstehen begriffen sind geht er also los. Der Burgerladen nebenan hat auch kein Bier, verweist aber auf das kleine Geschäft direkt nebenan. Das Geschäft nebenan hat zwar Bier, aber leider ist keines kaltgestellt. Aber quer durch das Gebäude hindurch (durch die Garageneinfahrt, dann links) gibt es eine „Licoreria“ (Spirituosengeschäft), die auch Bier verkaufen. Also ab durch die Mitte und links … hmm … keine Licoreria, aber ein anderes kleines Geschäft. Die haben auch kein Bier, wissen aber immerhin, dass es die Locoreria schon seit über einem Jahr nicht mehr gibt. Aber vorne an der Straßenecke direkt rechts, gibt es einen Laden, der Bier verkauft. Dort gibt es dann tatsächlich Bier zu kaufen. „Ist es kalt“ …. „Ja, es ist kalt“ … „Super, haben sie Cusqueña Negra?“ … „Ja, haben wir“ (Mensch das wird hier noch mein Glückstag ….) … „Dann hätte ich bitte gerne eine Cusqueña Negra“ … „Dose oder Flasche?“ … „ähm, wo ist denn mehr drin?“ … „in der Flasche“ …. „gut, dann hätte ich gerne eine Flasche“ …. „dann müssen Sie mir bitte eine leere Pfandflasche bringen“ …..
Ich stehe dort mit nichts anderem als meiner Geldbörse in der Hand vor der Frau und dieses Gespräch findet wirklich so statt! Das Pfandsystem kennen wir schon aus einem anderen mittelamerikanischen Land … wir wissen nicht mehr genau welches. Sie erwarten eine leere Pfandflasche zurück, wenn man eine neue kauft.
Ich nehme also die Dose, denn ich bin völlig perplex und vergesse dabei, dass man ja auch einfach den Pfandpreis oben drauflegen kann. Das macht bloß offenbar sonst kaum jemand. Die Runde dauert 10 Minuten, aber zum Glück sind die Burger noch nicht fertig.

Im Hotel noch ein Pisco Sour für Viktor, der Blog wird noch schnell um den Nachmittag und Abend ergänzt und dann ist Schlafenszeit, denn wir wollen früh raus und zum Busbahnhof. Die Fahrt nach Lima soll circa 8 bis 9 Stunden dauern, und wer weiß welche Busgesellschaft uns mitnimmt.

Donnerstag 24.10.24 – Trujillo – Lima (Busfahrt)

Wir frühstücken frühestmöglich um halb sieben und machen uns im Anschluss gleich auf den knapp sechs Kilometer langen Weg zum Busterminal. Am ersten Schalter sagt man uns, dass sie nur mit Zweistockbussen fahren und keine Räder mitnehmen können. Der Herr weiss auch, bei welchem Schalter es sich erstmals lohnt zu fragen. Dort können sie Räder mitnehmen, fahren aber erst nach 22 Uhr los, also nachts. Das Auswärtige Amt von Deutschland rät allerdings aus Sicherheitsgründen von Nachtfahrten mit Überlandbussen ab. Am nächsten Schalter: dasselbe! Wir sind schon fast soweit, einzuknicken und nachts zu fahren, da finden wir „Transporte Imperial del Norte“, die vormittags losfahren und uns mitnehmen würden, obwohl sie ebenfalls mit Doppelstockbussen fahren.

Um zwanzig vor neun ist das Tandem transportbereit und die Tickets gekauft. Hier gibt man sämtliches Gepäck gleich am Ticketschalter ab. Das hatten wir noch gar nicht, und beim Tandem ist uns dabei auch nicht sehr wohl, das transportieren wir lieber selber und packen es auch geren selbst in den Bus … Jetzt müssen wir noch ein wenig Zeit totschlagen, denn irgendwann zwischen 10:30 und 11:00 Uhr sollen wir losfahren. Im riesigen Terminal ist es erstaunlich ruhig – kaum Menschen und auch kaum Busse, aber es gibt Verkaufsstände, so dass wir noch Getränke besorgen und Viktor sich noch eine Hähnchen-Empanada für die Fahrt kauft. Auf der neunstündigen Fahrt soll der Bus nur einmal kurz halten, um zuvor vom Begleiter aufgenommene Essensbestellungen „abzuholen“, die dann im Bus gegessen werden sollen.

Für den Eintritt in den Warteraum muss man pro Nase 2 PEN bezahlen. Kurz bevor wir in den Bus einsteigen, fällt Viktor auf, dass er seinen Camelbak am Sitz in der Halle vergessen hat. Er hetzt schnell raus, bekommt den schon eingesammelten Rucksack schnell zurück und muss tatsächlich noch einmal die 2 PEN bezahlen. Der „Gepäckträger“ bringt alles Gepäck auf Rollwagen, und auf dem letzten liegt oben drauf unser Tandem – dabei haben wir denen gesagt, dass in der Schaltung Öl ist und man das Rad nur aufrecht transportieren darf! Immerhin passt es wider Erwarten aufrecht in den Gepäckraum des Busses.

Um kurz nach elf rollen wir los. Unsere Plätze sind oben in der ersten Reihe, so dass Jutta ganz bequem auf die Straße gucken kann und kein Übelkeitsrisiko besteht. Und jetzt sitzen wir bis abends um 20 Uhr in diesem Bus und fahren die ganze Zeit durch Wüste. Mit dem Rad wären das noch einmal acht Tage geworden, und wir sind immer wieder froh, dass wir dieser Eintönigkeit und den Sandstürmen auf dieser ohnehin für Radfahrer offiziell verbotenen Strecke entflohen sind.

Um etwa 16 Uhr hält der Bus, und manche bekommen ein Essen. Wir haben gar nicht mitbekommen, dass vorher jemand die Bestellungen aufgenommen hat. Vielleicht auch gut so, denn gar nicht lange danach geht es Viktor plötzlich ziemlich schlecht: die Empanada hat wohl leider seinen Darm durcheinandergewirbelt – Krämpfe und Durchfall, die folgenden Stunden quält er sich ganz schön. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir nun ungewollt auch, warum es ab und zu auf der Panamericana mitten in der Wüste unerklärlicherweise nach menschlichen Fäkalien riechen konnte. Die Bord-Toilette entlässt während der Fahrt einfach alles unter den Bus – so wie früher in den Zügen der Deutschen Bundesbahn.

Auf dieser gut 500 km langen Strecke passieren wir gefühlt fast soviele Mautstationen wie Fahrgäste im Bus sitzen. Jedesmal kostet das den Fahrer gute 40 PEN (41,20 bis 42,80). Das Ticket nach Lima kostet pro Passagier 50 PEN. Jutta geht durch den Kopf, wie so eine Fahrt lukrativ sein kann, es ist neben dem Fahrer ja auch immer eine zweite Person dabei, und Diesel braucht der Bus auch noch. Womit wird das alles finanziert?

Der Busfahrer will wohl auf der zweiten Hälfte Zeit aufholen – zu Anfang hat es zeitweise ziemlich gestockt – jedenfalls rast er sogar nach Einbruch der Dunkelheit auf kurvigen Bergstraßen durch Nebelschwaden, dass es nicht mehr schön ist. Wir kommen aber heil um 20 Uhr am Nord-Terminal in Lima an. Ganz in der Nähe haben wir eine Übernachtung gebucht, um nicht im Dunkeln noch durch die Stadt fahren zu müssen. Als wir endlich den richtigen Ausgang aus dem Terminal gefunden haben, müssen wir nur einen Block schieben. Viktor legt sich sofort hin und schläft ein. Jutta nutzt den W-LAN-Hotspot von seinem Handy, um wenigstens etwas zu schreiben, denn WIFI haben wir hier nicht.

gut, dass wir hier nicht radfahren müssen

Freitag 25.10.24 – (117) – Lima Nord – Miraflores

Gesamt: 7.136,83 km

Viktor quält sich in der Nacht mit Brechdurchfall, morgens ist er so schlapp, dass wir überlegen, eine Nacht zu verlängern, aber dieses Haus blüht förmlich vor Schimmel und hat WIFI nur im anderen Gebäudeteil, und wir haben eine Reservierung für ein schöneres Hotelzimmer in Miraflores. Deshalb wollen wir versuchen, die 16 km mit dem Tandem zu fahren. Notfalls müssen Viktors Klamotten dort sofort in die Wäsche.

Da Jutta gestern schon kein Abendessen hatte, will sie auf jeden Fall etwas zum Frühstück, und die Shopping-Mall neben dem Busterminal mit einem Starbucks-Café öffnet ihre Pforten am 10 Uhr. Bis dahin bekommen wir das Tandem wieder fahrbereit gemacht, denn gestern haben wir es in zusammengeschobenem Zustand zum Hotel geschoben. Viktor legt sich noch einmal hin, Jutta geht frühstücken. Der Weg zur modernen Mall geht zunächst vorbei an der „Neuen Markthalle“ – die beiden liegen direkt nebeneinander, und der Unterschied des Einkaufens könnte nicht größer sein.

Um viertel vor zwölf haben wir das Tandem bepackt und ausgecheckt und machen uns auf den Weg einmal vom Norden in den Süden Limas. Komoot hat uns eine Strecke ausgespuckt, die ziemlich direkt führt. Gleich auf der Hauptstraße, auf der wir losfahren, kommt bald ein abgetrennter Radweg am linken Straßenrand. Als wir an einer Kreuzung rechts abbiegen sollen, treffen wir zum Glück auf andere Radfahrer, die uns abraten – wir sollen einfach den Radweg immer weiter fahren, an einer Gabelung den rechten Radweg nehmen, und dann kommen wir sicher über Radwege nach Miraflores. Ein dankenswerter Tipp! So fahren wir fast die gesamte Strecke abgetrennt vom motorisierten Verkehr!

An manchen Stellen ist der Radstreifen zugeparkt oder wird als Lagerplatz Für Baumaterialien, Müll oder Bauschutt genutzt (fast wie zuhause ;-)), aber noch nerviger ist der ständige Seitenwechsel. Mal fahren wir links, mal rechts, mal in der Mitte der Straße, wobei das in der Mitte-Fahren immerhin ziemlich lang an einem Stück ist. An den Querstraßen gibt es Ampeln, und nur manchmal stehen dort wartende Autos im Weg. An großen Kreuzungen stehen überall Verkehrpolizist*innen und regeln den Verkehr – die Ampeln zählen dort nicht. Und das Regeln klappt mehr schlecht als recht – es herrscht das Chaos! Wir haben grün, aber die Polizist*innen winken anders. Wir laufen immer wieder Gefahr, über eine grüne Ampel zu fahren und dabei überrollt zu werden. Wie man auf die Idee kommen kann, den Verkehr bei laufender Ampelanlage genau umgekehrt durchzuwinken, bleibt uns ein Rätsel. Wir mit unseren Gepäcktaschen können uns außerdem nicht so leicht durch die Lücken der Autos schlängeln wie andere Radfahrer – ja, hier fahren nämlich erstaunlich viele andere Menschen auch mit dem Rad! – wenn die Kreuzung wieder einmal komplett verstopft ist.

Viktor hält die knapp zwei Stunden, die wir hier im Stadtverkehr brauchen, erstaunlich gut durch, und vor zwei Uhr sind wir im neuen Hotel. Nach dem Einchecken und kurzer Pause im Zimmer gehen wir los zu einem Fahrradladen, da wir neue Bremsscheiben, Schaltzüge und eine Grundreinigung und Durchsicht wünschen. Wir haben einen Laden in der Nähe gefunden, der viele spezielle Räder (z.B. Liegeräder) in seinem Instagram-Profil hat, und suchen diesen. An der angegebenen Adresse ist ein verschlossenes Tor und fünf Klingeln ohne Schilder. Ein Security-Mann will uns zu einem anderen Fahrradladen schicken, aber Viktor probiert erst einmal, die Telefonnummer anzurufen. Ohne Erfolg, aber es kommt eine WhatsApp zurück, auf die wir antworten, dass wir vor der Türe stehen. Kurz darauf kommt ein Ehepaar auf die Straße, die diese Fahrradwerkstatt betreiben.

Sie lassen sich unsere Anliegen erklären, haben wohl eigentlich keine Zeit, denken aber, dass die anderen „normalen“ Radläden mit unserem speziellen Tandem überfordert seien. Also können wir es dort lassen, inklusive der Ersatzteile, die wir ja alle dabei haben. Einen Laden gibt es hier bei ihnen gar nicht, sie haben die Werkstatt, in der sie sogar Räder nach Kundenwunsch bauen, bei sich in der Wohnung. Wir werden sehen, was herauskommt, aber Spezialisten für besondere Räder sind sie auf jeden Fall.

Wieder im Zimmer legt Viktor sich wieder ins Bett, um hoffentlich morgen wieder fit zu sein. Jutta bucht eine Walking-Tour und hat ebenfalls einen erholsamen Nachmittag und Abend. Heute haben wir nur ein einziges Bild – auf der Radtour haben wir leider nichts fotografiert.

Samstag 26.10.24 – Lima (Ruhetag)

Unser „schöneres Hotelzimmer“ in Miraflores ist zwar um Längen besser als das am Busbahnhof im Norden der Stadt, aber von Nachtruhe kann wirklich keine Rede sein. Wir haben ein Zimmer im fünften Stock nach vorne zur Straße liegend. In Peru scheint es absolut normal zu sein, auch mitten in der Nacht heftigst mit der Hupe zu arbeiten. Wir haben uns selbst tagsüber noch nicht daran gewöhnt, dass hier eigentlich ständig irgendjemand hupt. Uns nervt es, und wir fühlen uns manchmal regelrecht bedroht, wenn von hinten jemand angerast kommt und dabei mehrere Sekunden lang die Hand auf der Hupe hat. Viktor vermutet sogar eine Art Geheimsprache, wie es sie in Kairo gibt, denn es scheint unterschiedliche rhythmische Hupsignale zu geben.

Der ebenfalls extrem laute Kühlschrank im Zimmer wird durch Ziehen des Steckers zum Schweigen gebracht. Morgens haben wir dann leider ein große Pfütze im Zimmer.

Das Frühstücksbüffet im 8. Stock ist auch eher dürftig, was für Viktor keine Rolle spielt, denn er isst ungetoastetes Toastbrot mit Marmelade und trinkt schwarzen Tee. Eine kleine Packung RITZ-Kekse hat er gestern Abend schon gut vertragen. Wir haben hier zwei Nächte gebucht und überlegen, ob sich ein Umzug lohnt, denn wir bleiben sicher noch bis Dienstag oder Mittwoch in Lima, je nachdem, wann wir das Tandem zurückbekommen.

Nach dem Frühstück experimentieren wir mit alternativen Apps zur Streckenplanung, denn Komoot will uns auch südlich von Lima einfach nicht auf der Panamericana fahren lassen. Wir probieren MapOut und Maps.me, aber am Ende scheint Google Maps (Laptopversion) mit einem GPX-Export noch die beste Lösung für unser kleines Komoot-Problem zu sein.

Um 9:15 Uhr gehen wir los, um rechtzeitig am Treffpunkt für die Free Walking Tour durch die historische Altstadt zu sein. Unterwegs kaufen wir in einer Apotheke noch etwas zum Wiederaufbau der Darmflora und HALLS-Halsbonbons, denn inzwischen kratzt nicht mehr nur Juttas Hals.

An der Touristeninformation, dem Treffpunkt, sollen wir erst einmal sieben Soles bezahlen, obwohl es sich doch um die „Free Walking Tour“ handelt. Es ist aber so, dass wir erst eine Strecke mit dem Bus fahren, da die historische Altstadt ca. zehn Kilometer entfernt ist. In die Bushaltestelle kommt man nur mit einer elektronischen Zugangskarte, die aufgeladen werden muss. Touristen wird empfohlen, einem Einheimischen die 3,50 Soles bar zu geben und ihn zu bitten, seine Karte nutzen zu dürfen. Auf dem Weg zur Haltestelle treffen wir noch auf weitere Teilnehmende, nach der Busfahrt werden wir dann in zwei Gruppen aufgeteilt, in eine kleine Spanischsprachige und eine große Englischsprachige.

Die Führung beginnt an der Plaza San Martin, benannt nach dem General und Nationalhelden, der mit seinen Truppen die Unabhängigkeit von Spanien für Peru, Chile und Argentinien erkämpfte. Wir erhalten Erklärungen zum Platz selbst und zu den umliegenden Gebäuden, von denen einige zum UNESCO Weltkulturerbe zählen. An diesem Platz finden die meisten Demonstrationen in Lima statt, da die Plaza Mayor direkt vor dem Präsidentenpalast zur Sicherheitszone gehört und Demonstrationen dort meist nicht erlaubt werden. Das Denkmal für General San Martin enthält eine interessante linguistische Verwechslung. Auf dem Kopf der „Madre Patria“-Statue (Madre Patria = Mutterland, analog zu Vaterland im Deutschen) am Sockel des Denkmals ist ein Lama dargestellt. Die Statue wurde in Spanien hergestellt, und es gab die Anweisung, als Kopfschmuck eine Flamme („Llama“) anzubringen, die in Spanien als herrschaftliches Symbol gilt. Angefertigt wurde sie dann mit einem Lama (ebenfalls „Llama“) als Kopfschmuck.

Die Führung geht dann über die wichtigste Straße „Jirón de la Unión“ der historischen Altstadt zur Plaza Mayor. Hier sind viele Gebäude mit dem Zeichen des UNESCO-Weltkulturerbes versehen. An den Fassaden befinden sich nur schwarze Schriftzüge und Logos international bekannter Ketten (Starbucks, McDonalds, KFC), denn die farbigen Logos sind wegen des Weltkulturerbe-Status verboten.

Wir besuchen unter anderem die Basilika La Merced, die einen interessanten Baustil-Mix besitzt. Die Fassade ist in der Mitte Barock und außen Neoklassizistisch. Ein Ergebnis von Zerstörungen durch Erdbeben und Wiederaufbau in späteren Jahrhunderten. Wir treten mitten in einem Gottesdienst ein. Der sehr kleine, ältere Pfarrer verschwindet fast hinter dem Altar (Jutta vermutet zunächst, dass er sitzt 😉 ). Er ist gerade beim Friedensgruß, und so können wir uns gegenseitig ein Zeichen des Friedens auf (und in) unserem Tandem geben.

An der Plaza Major angekommen, kommt Kevin trotz Mikrophons oft nicht durch mit seiner Stimme: Es findet einerseits gerade ein Umzug statt mit sehr viel Musik, andererseits ist eine größere Hochzeitsgesellschaft vor der Kirche neben der Kathedrale, und dort wird ebenfalls laute Musik gespielt. Immerhin fahren hier keine Autos. Es ist schon ohne so laut, dass sich manche Menschen die Ohren zuhalten.

Im Präsidentenpalast residieren die für fünf Jahre gewählten Peruanischen Präsidenten. In den letzten sechs Jahren allerdings gab es sechs unterschiedliche. Die jetztige Präsidentin ist z.B. nachgerückt, weil ihr Vorgänger wegen Korruption im Gefängnis gelandet ist. Aber auch sie ist sehr unbeliebt, weshalb hier sehr viele für Neuwahlen sind und es viele Unruhen gibt.

Einen Block hinter dem Palast endet die Tour am Fluss Rimac, hinter dem ein anderes Stadtviertel beginnt (ebenfalls Rimac), das etwas gefährlich zu sein scheint. Rimac ist Quechua und bedeutet „Sprecher“ (weil sich das um die Steine fließende Wasser anhörte, als würde der Fluss sprechen), und als die Spanier kamen, die kein Quechua sprachen, wurde aus Rimac dann Lima, der heutige Name der Stadt.

Wir fahren mit einem sehr übervollen Bus wieder zurück nach Miraflores, kehren auf dem Rückweg zum Hotel erst bei Starbucks ein und fragen dann noch im Hotel Ibis nebenan, ob wir morgen dorthin umziehen können. Dann ist es auch schon vier Uhr, wir verbringen etwas Zeit im Hotelzimmer und gehen dann noch einmal los. Wir wollen Mitbringsel für morgen besorgen, gehen in verschiedene „Centros Commerciales“, die uns eher abschrecken, und kaufen dann in einem großen Supermarkt ein paar Dinge (Deutsche Pralinen, Spanisches Turron…) und in einem Verpackungsladen eine Tüte zum Verpacken.

Beim Abendessen bestellen wir zwei Tex-Mex-Bowls – eine ohne das Fleisch (Jutta) und eine nur mit Reis und Bohnen (Viktor). In der von Viktor sind dann trotzdem die Hähnchenstücke. Da hätten wir wohl explizit sagen müssen, dass es nur Reis mit Bohnen ebenfalls ohne Fleisch sein sollen. Dieser Wunsch ist wohl einfach zu ungewöhnlich!

Sonntag 27.10.24 – Lima (Ruhetag)

Morgens nach dem Frühstück packen wir alles für den Umzug ins Hotel schräg gegenüber. Bevor wir aber auschecken, probieren wir noch ein wenig herum, wie wir jetzt die Routen auf den Garmin bekommen. Schließlich schaffen wir es, mit der App MapOut (iOS) auch Routen auf die „verbotene“ Panamericana südlich von Lima zu legen und die GPX-Datei dann in Komoot zu exportieren. Diese wiederrum lässt sich auf unser Garmin Edge exportieren und während der Fahrt zur Navigation nutzen, auch wenn wir nicht dauerhaft online sind.
Um kurz nach zehn bringen wir in zwei Etappen unsere Taschen ins Ibis-Hotel, checken im Miraflores Suites aus und setzen uns für eine Stunde ins Starbucks – Café. Um zwölf Uhr sind wir nämlich zum Brunch bei Familie Ballesty/Viñas eingeladen, und der Fußweg dorthin dauert 25 Minuten.

Auf dem Weg kommen wir an der „Alexander von Humboldt“-Schule vorbei, der Deutschen Schule, auf der die Kinder von Ballesty/Viñas und während des Schüleraustausches zwischen Oranienburg (Runge-Gymnasium) und Lima auch unsere beiden älteren Kinder waren. Dieser Schüleraustausch ist auch der Grund, weshalb wir diesen Kontakt haben und heute dort eingeladen sind. Es ist seit Santa Barbara Ende April das erste Mal, dass wir bei Freunden in einer privaten Wohnung sind, fällt uns dabei auf.

Susanna hatte gestern 40-jähriges Schulabschlusstreffen, und trotzdem tischt sie heute Lomo Saltado, Guacamole, großen weißen Mais, Tamales, peruanische schwarze Oliven, Käse, Süßkartoffelchips, Blutwurst aus Hühnerblut, Brötchen und einiges mehr auf. Und dazu auch noch Viktors peruanisches Lieblingsbier, Cusqueña Negra, und das schon zum Brunch. Na das kann ja heiter werden … und wird es auch 🙂 .
Zu siebt sitzen wir am Tisch und haben sehr viel zu erzählen. Zu dem avisierten Videoanruf mit unseren Kindern kommt es leider nicht – keine Gelegenheit. Als Juan-José um halb fünf gehen muss, beginnen auch wir mit dem Aufbruch, nicht ohne die zwei Pakete mitzunehmen, die wir aus Panamá und Medellín hierher geschickt hatten. Wir erhalten noch einige Tipps für Sehenswürdigkeiten und gute Restaurants in Lima, Cusco und den Rest unserer Route durch Peru. Vielleicht treffen wir uns nochmal mit Susanna zum Kaffee, wenn es zeitlich passt. Die Stunden sind wie im Flug vergangen – schön war’s!

Im neuen Hotel checken wir jetzt erst einmal ein und bekommen ein Zimmer mit dem Fenster zum Innenhof, in der Hoffnung, dass es nachts nicht ganz so laut sein wird. Beim Auspacken der beiden Pakete machen wir gleich unterschiedliche Stapel: einen Großteil der Ersatzteile werden wir von hier wieder nach Hause schicken, da wir sehr sicher sind, dass wir sie nicht benötigen werden. Die ursprünglich mal angedachten 18.ooo Kilometer Maximalstrecke werden es definitiv nicht mehr werden, denn uns ist klar geworden, dass die Wüste nichts für uns ist. Und es steht uns ja noch einiges davon bevor. Bis Nasca werden wir es noch versuchen, aber die Atacama-Wüste in Chile werden wir mit dem Bus durchqueren, mit einer möglichen Zwischenstation in Antofagasta, das steht für uns jetzt fest.

Viktor telefoniert am Spätnachmittag noch mit Sergio, den wir in Máncora getroffen hatten, weil dieser uns Tipps bezüglich der Weiterfahrt aus Lima geben kann. Und nicht nur das: sein Schwager wird am Mittwoch mit uns mitfahren und uns führen – er wohnt nur fünf Blöcke entfernt und fährt die Strecke selber gerne.

Ein leichtes Abendessen nehmen wir im Hotelrestaurant zu uns, ansonsten ereignet sich nicht mehr viel.

Woche 29 (14.10.24 – 20.10.24) Talara – Chepén

Montag 14.10.24 – (108) – Talara – Sullana

Gesamt: 6.578,20 km

Im Hotel gibt es heute schon ab sechs Uhr Frühstück. Da aber bis frühmorgens laute Livemusik aus der Nähe einen ruhigen Schlaf verhindert hat, schaffen wir ein Aufstehen um fünf nicht ganz. Die Frühstücksfrau wird gefragt, wo es einen Supermarkt gibt – wir benötigen nicht nur Getränke, sondern auch Snacks u.a. – und der einzige in Talara öffnet erst um neun Uhr. Als wir um halb acht losfahren, können wir immerhin die Getränke sowie zwei Bananen bei einer älteren Dame gegenüber kaufen.

Die ersten zehn Kilometer fahren wir die Strecke von gestern zurück bis zur Kreuzung, an der der Friedhof liegt – in dieser Richtung steil bergauf und wieder um den Flughafen herum. Heute geht es von dort geradeaus in Richtung Sullana, durch einen Nationalpark, fast 35 km ganz leicht bergauf mitten durch die Wüste. Fast das erste Straßenschild besagt, dass Radfahrer auf dieser Straße nicht fahren dürfen. Wenn es doch aber die einzige asphaltierte Straße ist? Gleich nach drei Kilometern gibt es eine Tankstelle, die wir anfahren. Wieder hat sie kein fließend Wasser, und ein Getränk muss man sich aus dem Automaten ziehen. An der Mautstelle kurz danach werden wir einfach durchgewunken, es scheint niemanden zu stören, dass wir das Fahrverbot nicht beachten. Von hier müssen wir wieder immer sehr lange geradeaus, und wenn dort zwischendurch einmal ein Haus steht, bellen uns gleich Hunde an, zweimal verfolgen sie uns hartnäckig und Jutta muss sie mit Wasser aus einr Getränkeflasche abwimmeln. Die Besitzer stört das Verhalten ihrer Hunde meist wenig. Nur einmal hören wir den Versuch, die Hunde zurückzurufen. Ansonsten ist hier tote Hose, außer vielleicht einigen Lizards, die die Straße überqueren und wenigen Vögeln. Dafür werden die Überholvorgänge heute schon etwas aufregender. Besonders die Reisebusse bremsen scheinbar ungerne hinter uns ab, wenn sie wenig Platz zum Überholen haben. Das ist heute häufiger der Fall, denn die Panamericana hat hier keinen Seitenstreifen, auf den wir ausweichen können, wenn wir etwas großes im Rückspiegel sehen. Die Busfahrer *innen hupen lieber, um uns zu warnen, und überholen dann mit deutlich weniger als 1,5 Metern Seitenabstand. Ein paar mal schüttelt es uns bei Seitenwind kräftig durch, wenn wir plötzlich andere Windkräfte verspüren. Da wird das geschickte Gegenlenken plötzlich zur lebenserhaltenden Maßnahme. Zum Glück sind die Lastwagenfahrer*innen deutlich rücksichtsvoller.

Nach 40 Kilometern wollen wir doch einmal eine Pause machen und entdecken ein Schild an der Straße und ein etwas größeres Gebäude – bestimmt ein Laden oder Restaurant… . Aber nein, es ist eine Bildungseinrichtung für Kinder, in dem einen Raum scheint eher der Kindergarten, im zweiten eher die Schule untergebracht zu sein. Vor dem Gebäude gibt es aber überdachte Bänke, wir setzen uns dort in den Schatten und verzehren unsere restlichen Snacks fast komplett (hoffentlich können wir demnächst wieder einmal etwas nachkaufen). Auch hier gibt es im Toilettenhäuschen weiter hinten kein fließend Wasser. Aber Viktor kann hier ins Internet, und wir finden 17 km weiter eine Tankstelle, die auch einen Laden haben soll. Den wollen wir nutzen.

Es geht relativ schnell bis dorthin, denn jetzt beginnt der Bergab-Teil des Tages, wenn auch in Wellenbewegungen. Dummerweise ist der Laden an der Tankstelle gerade geschlossen, weil die „Chica“ auf unbestimmte Zeit weg ist. Na ja, hier ist der Wüstenteil zuende und es sollen wieder ein paar Dörfer kommen. Wir fahren also bis nach Ignacio Escudero weiter, wo es Bäckereien und Restaurants geben soll. Eine der drei Panaderias ist tatsächlich geöffnet, hat zwar kein Brot, aber Kuchen und Kekse und auch Getränke, BIG-Cola für Viktor leider nur als 1,7l-Flasche. Der Rest davon wird in zwei kleine Flaschen umgefüllt und mitgenommen.

Wir kommen jetzt noch durch mehrere kleine Orte, werden kurz vor Sullana noch einmal daran erinnert, dass auch hier Radfahren verboten ist, und hier sind jetzt sogar Motos verboten: nach der Brücke über den Rio Chira geht es durch einen kurzen Tunnel hoch in die Stadt Sullana, das ist wahrscheinlich der Grund. Es hält sich aber niemand daran – wir ja auch nicht!

In der Stadt suchen wir wieder einmal an der falschen Straßenecke nach unserem Hotel, weil sogar bei booking.com ein falscher Pin gesetzt ist, müssen aber einfach zwei Ecken weiter, und checken um kurz nach drei ein. Hier ist schräg gegenüber einmal ein richtiger Supermarkt, wie wir sie kennen, und diesem statten wir gleich einen Besuch ab, um uns für die nächsten Tage zu wappnen, egal, ob wir nun weiter mit dem Rad oder evtl. doch mit dem Bus fahren.

Nachmittags und abends (im Hotelrestaurant) planen wir dann, dass wir doch nicht mit dem Bus durch die Wüste, sondern per Tandem in einem Bogen darum herum fahren werden. Dort gibt es ausreichend Orte und Übernachtungsmöglichkeiten.

Und noch etwas Nettes: Viktor hatte sich aus der Kolumbianischen Radfahrer-WhatsApp-Gruppe VIBICO (Viajeros en bicicleta por Colombia) verabschiedet. Daraufhin hat jemand zum Abschied für uns dieses Bild zusammengebastelt, das auf einem Foto aus Cali basiert.

Gracias VIBICO!
Plaza del Gato (Cali, Kolumbien)

Montag 15.10.24 – (109) – Sullana – Piura

Gesamt: 6.616,34 km

Wir haben um acht Uhr einen Interview-Termin mit der Verantwortlichen für die sozialen Netzwerke des Hotels „La Siesta“, deshalb (und weil wir eine kurze Etappe geplant haben) können wir gemütlich aufstehen, packen und frühstücken. Hier werden außergewöhnliche Gäste auf Facebook und Instagram gepostet – wir entdecken dort auch den Hund „Theo„, den wir live schon in El Remolino (Kolumbien) gesehen haben – der hat hier wohl auch übernachtet.

Um halb neun begeben wir uns auf den Weg, raus aus Sullana in Richtung Piura: ein kurzer Tag, aber wir müssen die Tage nach den vorhandenen Unterkünften planen. Und Piura ist die fünftgrößte Stadt Perus und vor über 450 Jahren von den Spaniern gegründet worden, sollte sich also vielleicht auch lohnen, sich den Ort anzuschauen.

Komoot hat irgend etwas dagegen, dass wir auf der Panamericana weiterfahren, obwohl wir heute im Gegensatz zu gestern kein Verbotsschild für Fahrräder sehen. Der Garmin zeigt deshalb nur eine gepunktete Luftlinie, in deren Nähe wir uns aber die ganze Zeit bewegen, weil auch die Panamericana ziemlich nahe an der direkten Verbindung läuft.

Nach knapp 30 Kilometern braucht Viktor eine Hintern-, Jutta eine Toilettenpause, und wir fahren eine Tankstelle an – die erste auf unserer Seite nach mehreren auf der Gegenfahrbahn. Dummerweise ist sie anscheinend noch in Bau (oder gar eine Bauruine), es ist nur ein Absteigen vom Sattel möglich.

Hinternpause im Schatten

Wir sind aber schon im Großraum der Stadt, denn kurz darauf können wir schon wieder an einer Tankstelle halten, diesmal mit WC – wobei uns eine Tankwärterin am Ende die Tür aufschließen muss, weil wir beide immer nur versucht haben, gegen den Uhrzeigersinn aufzuschließen und es hier nun mal im Uhrzeigersinn sein muss. Hier an der Tankstelle ist auch richtig Stimmung:

Über ein großes (Autobahn-) Kleeblatt biegen wir auf die richtige Straße ab, fahren in die Stadt hinein und sehen links ein großes Einkaufszentrum. Da es erst elf Uhr ist, parken wir das Tandem auf dem Fahrradparkplatz, den es tatsächlich unerwarteterweise gibt, und schlendern durch die Outdoor – Shopping – Mall, die uns ein wenig an Californien erinnert. Und den „Kaffee“ trinken wir dann tatsächlich auch in einem Starbucks – Viktor nimmt immerhin Peruanische Schokolade als Getränk.

Hier kontaktieren wir auch schon Übernachtungsmöglichkeiten für die nächsten paar Tage, teilweise per WhatsApp, teilweise per Facebook. Dabei fällt auf, dass eines der anvisierten Hotels wohl ein Stundenhotel ist („50 Sombras“ = 50 shades?), und wir reservieren lieber eines etwa acht Kilometer abseits der Strecke, die wir dann allerdings zweimal fahren werden.

Die ganze Sache mit dem unfassbar vielen Müll entlang der Panamericana schlägt uns hier zwischendurch immer mal wieder aufs Gemüt und das war in den letzten Tagen auch einer der Gründe für das Inbetrachtziehen einer weiteren Busfahrt. Heute stehen wir in Piura an einer Ampel, an der ein Vater mit seinem kleinen Sohn auf der Schulter bettelt. Das ist für uns jetzt leider schon fast Normalität, obwohl die überall sicht- und fühlbare Armut uns eigentlich auch aufs Gemüt schlagen sollte. Der kleine Junge hat gerade seine Wasserflasche ausgetrunken und wirft sie direkt vor uns auf die Verkehrsinsel. Das ist halt völlig normal hier und wird es vermutlich auch noch über viele weitere Generationen bleiben. So sind die Müllberge am Straßenrand erklärbar. Heute beobachten wir unterwegs ein müllbeladenes Tuc-Tuc am Stadtrand dabei, wie es dort anhält und der Fahrer aussteigt, um … tja, was wohl zu tun? „Jeder kehre vor seiner eigenen Haustüre“ heißt es ja, aber irgendwie erscheinen unsere ohnehin wenig erfolgreichen Bemühungen um Recycling und Müllvermeidung wie der Kampf Don Quichotes gegen Windmühlen … oder passt da eher Sisyphos mit dem Fels? Und wer sagt eigentlich, dass diese Form der Entsorgung weniger „richtig“ ist, als die unsrige? Immerhin verrottet alles Organische neben der Panamericana relativ schnell oder wird von den Geiern und anderen Tieren gefressen, die UV-Strahlung der Sonne und der Wind zersetzen und zerfetzen die Plastikflaschen und Plastiküten mit der Zeit zu kleinstem, kaum mehr sichtbaren Mikroplastik. Nun gut, die Berge an alten Batterien, die wir ab un zu auch sehen, dauern wohl ein wenig länger.

Die kurze Strecke bis zum WYNDHAM, das wir uns hier ausgesucht haben, führt noch über eine sehr holperige, unbefestigte Kreuzung (obwohl hier die Straßen sonst wirklich gut sind), dann sind wir aber auch schon da und müssen hier nicht einmal unser Gepäck zum Zimmer tragen!

Nach dem Duschen gehen wir los, um heute endlich einmal wieder eine Eiseinladung einzulösen. Ganz in der Nähe, bei Gelati Igloo, genießen wir zwei „Copa Royal“, für die wir heute Daniel B. ganz herzlich Dankeschön sagen:

Danke Daniel B.

Nach einem kleinen Stadtrundgang mit der Basilika, dem (geschlossenen) Museum Grau, der Placa de Armas, der Placa Tres Culturas und dem gerade wenig Wasser führenden Fluss kehren wir ins Hotel zurück. So richtig schön ist diese Stadt dann doch nicht.

Das Abendessen gibt es im Hotelrestaurant „Paprika“. Dieses Wort wird im Spanischen eigentlich gar nicht für das entsprechende Gemüse verwendet, sondern es heißt „Pimiento“ oder „Pimenton“, meist mit dem Zusatz „rojo“ oder „dulce“. Hier gibt es heute für Viktor auch den ersten „Pisco Sour“, den peruanischen National-Cocktail.

Mittwoch 16.10.24 – (110) – Piura – Chulucanas

Gesamt: 6.676,31 km

Nach einem reichhaltigen Frühstücksbuffet – dessen „Té puro“ allerdings Earl Grey – Geschmack hat (also mit Bergamotte aromatisiert ist) – und einem kurzen Plausch mit einem Fahrer des Hotels kommen wir bei recht frischen 17 Grad um viertel vor sieben Uhr los. Es herrscht gerade morgendlicher Berufsverkehr, mit den ganzen ständig hupenden Tuk Tuks fahren wir durch die Stadt. Die Hauptstraße in Richtung Osten wird in mehreren Blöcken gerade neu gemacht, und wir fahren Schlangenlinien, über Bürgersteige, auf der falschen Seite etc., können der Richtung aber folgen.

Sobald die Stadt aufhört, wird auch der Verkehr merklich weniger – gut so. Es geht die ersten 35 Kilometer in Wellenbewegungen aufwärts, ganz sachte, aber immer ein wenig höher. Die Tankstelle nach ca. zehn Kilometern kann Jutta schon für eine Toilettenpause nutzen – wer weiss, was noch so kommt (bei der kurz vorher hatte der Tankwart keinen Schlüssel ;-)). Heute stehen rechts und links überall zumindest Büsche, manchmal auch Bäume, also eher Steppe als Wüste, was das Fahren prinzipell ganz angenehm macht. Es gibt ein wenig Schatten und auch ein bisschen was fürs Auge. Durch das etwas dichtere Grün fällt der Müll auch nicht mehr so auf. Sogar ein wenig Landwirtschaft ist hier wieder möglich, es reicht zwar nicht zur Rinderhaltung, aber es gibt viele genügsame Ziegen, die auch ab und zu vor uns über die Straße getrieben werden.

Allerdings werden wir sehr, sehr häufig von hinten angehupt: man will uns von der Straße mit dem wirklich guten Asphalt auf den Seitenstreifen abdrängen, der ein paar Zentimeter niedriger und recht holperig ist . Dabei ist nicht viel Verkehr, und die Autos oder LKW könnten meistens problemlos nach links ausweichen. Da merkt man wirklich, dass Peru nicht so das Radfahrland ist. Hunde halten sich auch heute in Grenzen, nur einmal kommt die Wasserflasche (noch mit Cola gefüllt) zum Verscheuchen zum Einsatz.

Die nächste Tankstelle fahren wir auch wieder an, um Pause zu machen – es gibt Tisch und Stühle, aber leider keinerlei Heißgetränke. Die Temperaturen sind inzwischen schon wieder so hoch, dass wir auch mit kalten Getränken zufrieden sind. Vom ziemlich angeschmolzenen Gouda aus unserem Vorrat sind die Hände schmierig, wir dürfen aber die Toiletten nicht nutzen. Angeblich gibt es wieder kein Wasser, und die Türen sind verschlossen. Wer`s glaubt – hier sind sie nicht wirklich motiviert, wie es scheint.

Als nächsten Halt peilen wir den Supermarkt „Express 50“ an, den Google irgendwo zwischen 40 und 50 km anzeigt. Wir passieren mehrere Mini-Ortschaften und denken fast, dass ein Verkaufs-Containerstand am Straßenrand dieser „Supermarkt“ gewesen sein könnte. Na ja, dann eben doch wieder eine Tankstelle, die es hier wenigstens gibt, und die auch einen Laden haben soll. Und siehe da, der Minimarkt dieser Tankstelle entpuppt sich als „Express 50“ – Viktor berichtigt erst einmal den Pin bei Google Maps (Funktion „Änderung vorschlagen“). Hier sind sie sehr nett, und sie servieren uns je ein Heißgetränk sogar in Porzellantassen! Auch die Toiletten sind geöffnet und nutzbar, nur die Urinale bei den Herren sind in schwarzen Mülltüten eingepackt und mit einer dicken Staubschicht versehen, also wohl schon etwas länger außer Betrieb.

In „KM 50“ (so heißt der Ort wirklich!) biegen wir nach links auf die PI-108 ab, die glücklicherweise auch noch gut asphaltiert ist, und fahren bis nach Chulucanas. Diese kleine Stadt ist richtig begrünt und erstaunlich sauber. Es gibt durchgehende Gehwege (ohne die üblichen Höhendifferenzen und Stolperstufen vor jedem einzelnen Haus). Am Ortseingang stellt sich die Stadt in großen, bunten Buchstaben als Stadt der Mangos, Zitronen und Keramik vor. Hier scheint man sich in punkto Stadtbild richtig Mühe zu geben und auch die finanziellen Mittel dafür zu haben. Wir halten um 12 Uhr vor dem Hotel Mali, wo sofort das Tor zur Garage aufgemacht wird, bevor wir auch nur abgestiegen sind. Das frühe Ankommen ist kein Problem und wir erhalten sofort unseren Zimmerschlüssel zu einem geräumigen Zimmer mit ordentlichem Bad und Heißwasser für 50 Soles (umgerechnet 12.50€) die Nacht.

Am frühen Nachmittag steigen die Temperaturen hier auf über 30°C. Wir sind froh, dass wir früh genug aus Priura weggekommen sind, nicht mehr auf dem Tandem sitzen und uns am Zielort schon in den Schatten begeben können. Und natürlich gibt es bei diesen Temperaturen auch wieder ein Eis, zu dem uns heute Melanie S. eingeladen hat. Vielen Dank dafür! Wir haben unter anderem Lúcuma-Eis probiert, das angeblich das Lieblingseis aller Peruaner*innen ist. Es schmeckt wie eine Mischung aus Orangen-, Dattel- und Nuss-Eis.

Lúcuma-Eis … das Peruanische Lieblingseis. Danke Melanie!

Wir gehen noch schnell in den Supermarkt, um Getränke für morgen zu kaufen, finden ein Pizzarestaurant, das auch vegetarische Pizzen anbietet und checken eine „Panaderia“, in der wir morgen früh ein schnelles Frühstück einnehmen können, denn wir wollen wieder zwischen 6 und 7 Uhr los.

Donnerstag 17.10.24 – (111) – Chulucanas – Ñaupe

Gesamt: 6.750,05 km

Als wir früh um kurz vor sechs in die Hotelgarage kommen, um das Tandem zu bepacken, trauen wir unseren Augen nicht. Statt links an der Wand steht es jetzt hinten an der Rückwand, eingequetscht von einem Auto, welches wiederum dicht zugeparkt ist, sowohl rechts, als auch hinten. Keine Chance, es irgendwo hindurchzumanövrieren! Wir geben am Frontdesk Bescheid und gehen erst einmal zur Panaderia, um zu frühstücken. Es steht eine richtige Schlange dort an, und die Damen zögern erst ein wenig, als wir sie um heißes Wasser für Tee bitten – gestern Abend hatten sie es uns noch angeboten, dachten aber, wir kämen gleich um fünf Uhr. Jetzt ist hier einige los. Es würde ein wenig dauern, und dem stimmen wir natürlich zu. In der Zwischenzeit essen wir schon vor der Tür stehend richtige, knusprige Ciabatta-Brötchen und eine Art Milchbrötchen, zwar ohne alles, aber lecker. Als das Wasser heiß ist, werden wir hinter den Tresen an einen Tisch gebeten, man stellt uns Stühle hin und drei Becher: zwei mit Teebeutel (dabei haben wir unsere eigenen sogar mit), einen mit kaltem Wasser zum Abkühlen des Tees. Eine der Damen dort bleibt bei uns uns fragt uns etwas aus. Sehr nett! Und sie backen hier mit Sauerteig, als Einzige am Ort!

Wieder am Hotel steht das Tandem inzwischen gleich am Garagentor. Wir wollen lieber gar nicht wissen, wie sie es über die ganzen parkenden Autos bekommen haben, aber es scheint alles heil zu sein.

Um halb sieben fahren wir zwischen sehr vielen Tuk Tuks erst einmal die paar Kilometer zurück, um auf die richtige Strecke auf der 1N zu kommen. In Chulucanas machen wir nochmal ein paar Fotos der Schriftzüge am Straßenrand, die offenbar zur Stadtkultur gehören:

Hinter der Ausfahrt aus der Stadt kommen wir noch an der katholischen Universität vorbei und dann an eine Stelle, an der sehr viele Lastwagen mit Hapag Lloyd Containern an der Straße stehen. Wir sprechen einen der Fahrer an und erfahren von ihm, dass hier ein großes Obst- und Gemüse-Logistikzentrum existiert, in dem aus ganz Peru angeliefert, verpackt und in die ganze Welt geliefert wird. Er erwähnt Spargel und Weintrauben, aber wir vermuten, dass wohl auch Mangos und Zitronen aus der Region dazugehören.

Kurz darauf beginnt auf der 1N erstmal wieder ein längerer Teil mit viel Müll entlang der Strecke, wie eigentlich überall hier, immer ab der jeweiligen Stadtgrenze. Wenn wir gefragt werden, warum wir mit dem Fahrrad reisen, antworten wir oft, dass man die Umgebung einfach besser wahrnimmt als aus einer Blechkarosse. Man hört die Geräusche der Tiere, das Rauschen der Blätter, grüßende oder rufende Menschen am Straßenrand. Und man riecht eben auch alles, blühende Zitronenbäume, reife Mangos, Eukalyptus-Haine, die salzige Meeresluft an der Küste, den Sommerregen-Duft und vieles mehr. Heute morgen ist das auf diesem Teilstück aber ein echter Nachteil. Es riecht vom Straßenrand zum Teil bestialisch nach Müllhalde, Verwesungsgerüche werden bei kleinen Windböen bis zu uns herübergetragen. Einmal wird Viktor regelrecht übel, auch wenn der Impuls, sich zu übergeben, nur wenige Sekunden dauert. Jedenfalls ist das der Beweis, dass hier am Straßenrand wirklich täglich frisch nachgelegt wird.

Die erste Pause machen wir nach 23 km in einem kleinen Resturant entlang der Strecke. Viktors bestellter Kaffee (Tasse Wasser plus Instant-Pulver) wird von einem LKW-Fahrer am Nachbartisch zu einem Türkischen Kaffee aus selber geerntetem und geröstetem Kaffee aufgewertet. Mit ihm und seinem Kollegen entsteht ein längeres Gespräch, so dass wir hier 50 Minuten sitzen – ungeplant. Die beiden sind beeindruckt, dass man in Deutschland ein Jahr Urlaub bekommt. Viktor erklärt die relativ gute ökonomische Lage in Deutschland und die alternde Gesellschaft, die es uns leicht gemacht hat, den langen Urlaub herauszuhandeln, weil wir uns sicher sind, dass unsere Arbeitskraft noch gebraucht wird, wenn wir zurückkehren. Sie selbst haben nur jeweils 3-Monats-Verträge, die manchmal verlängert werden, manchmal auch nicht. Und es gibt genug Arbeitslose, die jederzeit für weniger Geld ihren Job übernehmen würden.

Für die zweite Pause haben wir uns nach etwas über 40 Kilometern aus den wenigen Gelegenheiten entlang der Strecke ein Restaurant auf GoogleMaps herausgepickt, das zu uns Leuchtturmfans passt:

Wir sind gepannt, ob man von hier wirklich das Meer sehen kann, wie es der Name andeutet. Aber wir fahren offenbar schnurstracks daran vorbei, ohne es überhaupt zu bemerken. Wir hätten vermutlich durch dieses geschlossen Tor, dass wir auf Google Streetview finden und an dem wir heute auch vorbeigefahren sind, von der Hauptstraße abbiegen müssen, um es zu finden:

Nun gut, nach 45 Kilometern finden wir am Straßenrand erstmals einen Schattenplatz, der groß genug für zwei Personen (ohne Tandem) ist. Wir essen den Rest unseres Brotes und die zu einem Klumpen zusammengeschmolzenen Goudascheiben, die uns im letzten Supermarkt so angesprochen hatten.

Da wir wissen, dass nach gut 60 km noch eine heftigere Steigung mit Serpentinen kommt, wollen wir vorher noch einmal pausieren und finden kurz vorher das Restaurant „Mi Mayanguita“. Warme Getränke gibt es hier nicht, nur die üblichen „Gaseosas“ (also Cola, Fanta, Sprite, Inka-Cola, etc.), in Ecuador und Peru praktisch alle voller Süßstoffe. Eine echte Coca Cola mit vollem Zuckergehalt ohne Süßstoff gab es das letzte Mal in Ecuador als 250ml-Flasche. Was sind denn hier für Verbotsparteien am Ruder? Kann man das nicht anders Regeln? Viktor zahlt gerne auch den doppelten Preis für die volle Zuckerdröhnung. Er braucht die Kohlenhydrate auf dieser Tour! Wir nehmen also Kaltgetränke, die immerhin eine Abwechslung zum immer etwas schal schmeckenden Wasser aus den Camelbaks sind.

Pause mit „Gaseosas“

Kurz darauf dürfen wir die „Cuesta de Ñaupe“ erklimmen, was für uns natürlich nach den Anden ein Leichtes ist. Nach 1,5 Kilometern und lediglich 12 Minuten sind wir schon oben und machen eine Foto- und Filmpause. Den Müll an dieser Stelle sehen wir schon fast nicht mehr, denn wir wollen die Serpentinen fotografieren, die wir gerade hinaufgefahren sind.

Einzig „echte“ Steigung des Tages

In der Steigung werden wir ständig von Honigbienen angeflogen, die verzweifelt nach ihrem Bienenstock suchen. Sie haben offenbar schon die ganze Umgebung abgeflogen und stürzen sich nun auf alles, was irgendwie anders aussieht und eventuell ihr Zuhause sein könnte. Kurz vor der Auffahrt in die Steigung kam uns ein Lastwagen entgegen, der vermutlich mit mehr als 100 Bienvölkern in Magazinbeuten beladen war. Er hielt gerade an und wir konnten viele herumfliegende Bienen sehen. Die Beuten waren offensichtlich nicht bienendicht verschlossen oder waren während des Transportes verrutscht. Die abgeflogenen Bienen entlang der Strecke sind dann verloren, denn sie können ihr Volk nicht mehr wiederfinden. Eventuell können sie sich irgendwo in ein anderes Volk „einbetteln“, wenn sie genug Nektar sammeln und mitbringen, aber hier in der Gegend wird es vermutlich wenig Bienenvölker und wenig Nektar geben. Wir sehen ab und zu ein paar Blüten an den Akazien, aber viel mehr gibt es hier nicht.

Wanderimker mit „Magazinbeuten“ (so heißen die Behausungen der Bienenvölker)

Nach einer etwas längeren Abfahrt mit ein paar wellenartigen Zwischensteigungen erreichen wir gegen 13:15 Uhr Ñaupe. Es ist ein ziemlich einsames Ein-Straßen-Dorf, hat aber immerhin ein Hospedaje (Hostel) mit großem Garten, in dem man auch zelten kann. Wir haben per WhatsApp ein Zimmer reserviert und sind froh, überhaupt eine Strecke durch den Norden Perus gefunden zu haben, die alle circa 70 Kilometer eine Unterkunft zu bieten hat. Von der Straße müssen 190 m rechts auf einer Nebenstraße zur Hospedaje zurückgelegt werden. Wir steigen lieber ab, weil hier keine Nebenstraße befestigt ist. Und schieben das Tandem… bis es steckenbleibt. Hier ist richtig viel weicher Sand, in dem die Reifen einsacken. Das Zimmer ist geräumig, die Dusche hat einen Kaltwasserhahn, aber es tröpfelt nur sehr gemächlich etwas aus dem Duschkopf.

Am Ort gibt es zwei „Restaurants“, von denen eines auch schon um 5 Uhr öffnet. Wir können also morgen sogar am Ort frühstücken und auch heute Abend etwas essen gehen. Einen Supermarkt oder einen kleinen Laden suchen wir allerdings vergebens. Aber die Getränke können wir morgen vor der Abfahrt auch im „Restaurant“ oder im Hospedaje auffüllen. In der Cebicheria La ÑAUPEÑA gibt es abends für Viktor die hier typischen Kutteln.

Zum Abendessen gehen wir gegenüber an der Hauptstraße im „LA ÑAUPEÑA“ essen. Die Speisekarte, die am Nachmittag an der Tafel angeschrieben war, ist mittlerweile weggewischt und als wir gegen 18:30 Uhr eintreffen, wird sie gerade neu angeschrieben. Jutta hat etwas Sorge, dass das Käse-Sandwich von heute Nachmittag jetzt nicht mehr verfügbar sein könnte, aber es taucht zum Glück ganz unten auf der Tafel wieder auf. Viktor hat ein Problem, denn er hat sich vorgenommen, regionale Spezialitäten immer zu probieren, wenn sie verfügbar sind. Hier gibt es heute Mondonguito, eine peruanische Spezialität aus Darm und anderen Innerein wie Pansen. Nun denn … um in Juttas Heimatsprache zu bleiben … „Watt mutt, datt mutt“ … und es schmeckt garnicht mal schlecht.

Freitag 18.10.24 – (112) – Ñaupe – Motupe

Gesamt: 6.827,13 km

In der Nacht schlafen wir nicht so gut: unter Viktor scheinen unter dem Laken zwei tote Kakerlaken zu liegen (so nimmt er jedenfalls an), die drücken den „Prinzen auf der Erbse“ (und stellen sich morgens als zwei Orangenkerne heraus), der Hund des Hauses nächtigt direkt vor unserem Fenster und bellt sehr häufig laut und vor allem lange, und es wird immer kälter (und wir haben leichtsinnigerweise die Decke weggelassen). Trotzdem stehen wir um fünf auf, packen alles, spülen die Toilette mit in einer Plastiktüte im Waschbecken aufgefangenem Wasser (der Tank mit dem Toilettenspülwasser ist wohl leer) und wollen dann das Tandem packen. Leider ist das Tor noch verschlossen. Gerade als wir uns zum Frühstück im Lokal gegenüber aufmachen wollen, kommt der Hausherr und schließt auf. Hier versteht man Viktors Spanisch wieder einmal nicht, denn die Dame des Restaurants versteht nicht, dass wir Rührei wünschen – oder sie kennt es nicht – also gibt es ein Omelette ;-).

Es ist fast sieben, als wir loskommen – das fehlende Wasser, das verschlossene Tor… – und es ist noch recht kühl. Kaum sind wir ein paar Meter auf der Straße gefahren müssen wir schon wieder runter: eine Brücke scheint vor längerer Zeit mal weggespült worden zu sein, und der Verkehr wird einspurig (ohne Ampel oder Einweiser) über einen Ersatz-Schotterweg, erst runter ins ausgetrocknete Flussbett und dann wieder hoch auf die Straße geleitet. Mit lauter entgegenkommenden Tanklastwagen ist das gar nicht so ohne!

In der Nähe der Straße reihen sich zu Beginn mehrere Ortschaften aneinander: weit voneinander enfernt stehende kleine Häuschen, eine Kapelle, manchmal ein kleiner Platz und/oder ein Sportplatz, sehr viel Sand.

An einer Tankstelle nutzt Jutta die Toilette (ohne fließend Wasser, wie so oft, seit wir in Peru sind) und Viktor wird zu einer Panaderia gegenüber geschickt, als er nach Brot fragt. Wir erstehen alle drei „süßen“ Brötchen, die in der Auslage sind, die „salzigen“ kommen gleich erst aus dem Ofen, und jeder ein kaltes Getränk.

Als wir nach guten 40 km eine weitere Tankstelle anfahren – außer denen gibt es keinerlei Möglichkeiten, etwas zu kaufen – sind die Herren dort so unfreundlich, dass wir gar nicht erst fragen, ob sie uns etwas Warmes zu Trinken verkaufen würden.

Auf der Strecke begegnen uns heute viele Tiere: Ziegen, Schafe, Kühe und Pferde, teils größere Herden, und alle frei herumlaufend. Und auch einige bellende Hunde, die uns verfolgen, müssen wir mit unserer Spritzwasser-Flasche verscheuchen, der wir jetzt noch etwas Zitrusduft zugefügt haben. An einer Stelle sehen wir schon von weitem viele Geier am Straßenrand: dort liegen drei tote Kühe im Straßengraben, alle auf einem Fleck. Vielleicht sind sie alle zusammen von einem LKW erfasst worden. Es stinkt bestialisch, dabei reicht uns eigentlich schon der ständige Müllgestank vom Straßenrand.

Der einzige größere Ort liegt heute bei etwa 50 Kilometern, und wir wollen dort eine richtige Pause machen. Der direkte Weg ins „Zentrum“ führt leider über Sandstraßen, wir bleiben also lieber auf der Hauptstraße und biegen später rechtwinklig davon in den Ort ab. Man zeigt uns auf Nachfrage den Weg zu einem/einer „Cafè/Heladeria“, und wir finden eine schöne Oase (Bambino), die in einem Wohngebiet ohne befestigte Straßen liegt. Um elf Uhr treten wir dort als erste ein, nach fünf Minuten sind fast alle Tische besetzt – wahrscheinlich öffnet es erst um elf. Sie haben dort eine große Auswahl an allem Möglichen, aber wir bleiben bei der Eiseinladung von Moni (der wir herzlich Danke sagen) und nehmen zwei „Banana Bambino“, wie hier die Bananasplit heißen.

Danke Moni!

Gleich hinter dem Ort erwartet uns die einzige wirkliche Steigung heute, während derer sich auch die Straße teilt, und ab wo wir laut Komoot nur noch mit „Straßenbelag“ zu rechnen haben (das war schon allzu häufig Schotter oder gar Sand, so dass wir nicht sehr zuversichtilich sind). Heute haben wir Glück: die „neue“ Straße ist asphaltiert und hat sogar einen glatten Seitenstreifen ohne Absatz zur Straße, ist also sogar besser. Nur auf einem Stück, vielleicht einem knappen Kilometer, scheint den Auftraggebern das Geld ausgegangen zu sein: wir sehen schon von weitem Sandwolken, denken erst, ein LKW hat sie aufgewirbelt, stellen aber plötzlich fest, dass hier wirklich ein Stück der Straße fehlt und alle langsam über holperigen, steinigen Sand fahren müssen. Aber auch das geht vorbei, mit viel Sand zwischen den Zähnen, in den Augen und überall an den Klamotten, Radtaschen und am Tandem.

Um ziemlich genau 14 Uhr kommen wir am „Quinta Falla“-Hotel in Motupe an. Das Hotelrestaurant schließt schon um 16 Uhr, ist also nichts für abends, aber wir trinken eine Chicha Morada. Beim Rundgang durch den Ort finden wir weder einen Supermarkt noch ansprechende Restaurants. Unsere Getränke kaufen wir dann in einer Tienda durch ein Gitter, deren Betreiberin wohl schwerhörig ist, denn man sagt uns, wir müssten laut rufen, sie sei taub.

Bei sehr mittelmäßigem W-LAN schreiben wir etwas, können Bilder aber kaum hochladen und müssen dieses vertagen. Um 18:30 soll eine Pizzeria öffnen, die wir mangels echter Alternativen besuchen wollen. Als sie deutlich später die Pforte öffnet – wir sind noch um den Block gelaufen, und waren schon nicht um halb sieben dort – sind wir die ersten Gäste, es wird dann schnell voller. Wir entscheiden und doch gegen eine Mitnahme des Essens, da es nicht mehr so warm draußen ist, dass man auf dem wirklich schönen Hotelgelände noch eine der schönen Sitzecken nutzen wollte.

Abends weichen wir wieder einmal Juttas Sandalen in Chlorwasser ein: hier gibt es einen Kunststoff-Papierkorb der richtigen Größe, das Heißwasser holen wir aus der Dusche mit spärlichem Wasserdruck – dauert entsprechend – und das Ganze bleibt über Nacht auf dem Balkon. Morgen werden sie hinten am Rad getrocknet und sind dann hoffentlich vom Gestank befreit.

Samstag 19.10.24 – (113) – Motupe – Chiclayo

Gesamt: 6.910,18 km

Da wir im ganzen Ort vor 7:30 Uhr nichts frühstücken können, stehen wir etwas später auf und sind um halb acht vor einer vermeintlichen Panaderia die auch Tische und Stühle hat. Komischerweise liegen in den Auslagen keinerlei Brote/Brötchen. Wir bestellen uns Sandwiches und Getränke, und als uns nach 30 Minuten gesagt wird, dass sie nicht das richtige Brot für die Sandwiches haben, erfahren wir, dass sie schon lange keine Panaderia mehr sind, sondern nur noch Cafè und Pasteleria. Wir kommen also erst um halb neun los, halten noch einmal für Bananen und Brötchen und fahren dann laut Empfehlung ein Stück zurück, um schneller auf der Hauptstraße zu sein.

Die Strecke heute ist zwar lang aber quasi ohne Steigungen. Wie in den letzten Tagen sehen und riechen wir sehr viel Müll. Da einige Brücken nur 36 Tonnen Gewicht zulassen, fehlen heute die Großen LKW, das merken wir richtig. Aber es fehlen auch andere Radfahrer (obwohl Wochenende ist) – wir sehen keinen Einzigen, bis wir in Chiclayo ankommen. Schade!

Nach ca. 30 km liegt am Straßenrand das Restaurante Cuyeria Vista Alegre, das Viktor sich schon als Pausenstation angesehen hat. Sie hätten trotz der frühen Stunde schon frittierte Meerschweinchen, wir hätten lieber Kakao/Kaffee, müssen uns aber mit Fanta begnügen.

An der Strecke heute liegen (wieder einmal, muss man fast sagen) sehr viele Areale, auf denen schon Grundstücke markiert sind, die zum Verkauf stehen. Sämtliche davon sind unbebaut, manche haben schon Laternen- und Strommasten, manche ein paar Bepflanzungen, manche Wege. Die anpreisenden Plakate scheinen oft schon lange zu hängen. Es könnten sehr, sehr viele Menschen hier Häuser bauen, aber anscheinend will das niemand. Ist dies eventuell auch nur eine Möglichkeit zur Geldwäsche?

Im kleinen Ort Illimo fallen Jutta ziemlich viele Läden mit Imkerbedarf und/oder Honig und anderen Imkerproduktem auf. Wir halten irgendwann an und gehen in einen gut aussehenden hinein. Der Betreiber hat ihn gerade ganz neu eingerichtet, um sich von den anderen abzuheben – das ist ihm geglückt. 1985 hat El Niño hier ziemlich viel zerstört, dass es im Anschluss ein Förderprogramm gab (mit Hilfe von Argentinien), seitdem gibt es hier sehr viele Imker. Da würde sich fast eine Partnerschaft mit Hohen Neuendorf anbieten.

Als wir nach knapp 60 km immer noch keinen Ort für eine weitere Pause gefunden haben, halten wir an einem kleinen Straßenrestaurant. Wir bestellen Kaffee (Wasser mit Instantpulver in Weihnachtsbechern) und verzehren unsere Mini-Bananen und -Brötchen. Die Dame bietet uns Chicha morada helado an, Viktor lässt sich noch bestätigen, dass es Eis ist und bestellt eines – was kommt, ist wieder ein Liter des Getränks, halt eisgekühlt. Immer diese Missverständnisse!

Irgendwo sehen wir am Straßenrand einen Van stehen, der hinten Claudia, Laura und Adrian auf der Scheibe kleben hat. Wir denken, das müssen Deutsche sein. Als wir vorbeifahren und ins Auto schauen, passiert Viktor spontan der Ausspruch: Nee, das sind doch keine Deutschen! Peinlich – da hat wohl das racial profiling zugeschlagen, das uns hier soviel begegnet, und über das wir uns immer aufregen!

Wir werden heute nicht so viel angehupt, es liegt aber wohl eher nicht an dem Verkehrsschild, das wir heute erstmalig sehen:

Und wenn es schon keine anderen Radfahrer gibt, mit denen wir uns austauschen: heute sind zwei Menschen in einem Tuk Tuk so angetan von uns, dass sie mehrfach anhalten, uns überholen lassen, wieder losfahren, um uns zu filmen und auszufragen.

Etwa 15 km vor dem Ziel fahren wir durch Lambayeque, die Stadt, die der Provinz ihren Namen gibt, und ab hier ist es eigentlich durchgängig Stadtverkehr bis Chiclayo. Wir fahren kilometerlang an vielen Mühlen (und Waagen) vorbei, hier scheint eine Kornkammer Perus zu sein. In Chiclayo kommen wir an einer Deutschen Bildungseinrichtung vorbei – hier unerwartet. Die letzen Meter sollen wir auf einem Radweg fahren können, und tatsächlich ist am Straßenrand ein Zweirichtungs-Radweg abgetrennt. Dieser ist allerdings komplett zugestellt mit parkenden Autos und Motorrädern. Trotzdem ist hier die erste Stadt in Peru, in der wirklich etliche (kann man fast sagen) Radfahrer unterwegs sind.

Nach dem Einchecken, welches um halb fünf erst beendet ist, gehen wir noch in ein Coffee Lab gleich gegenüber und machen dort die Bekanntschaft mit drei jungen Peruaner*innen, die uns als Deutsche/Catalanen sehr interressant finden. Sie hätten gerne Kontakt zu unseren Kindern in Deutschland :-).

Nach dem Duschen gibt es Abendessen im Paprika-Hotelrestaurant, danach Supermarkt und Laptop, das war’s für heute!

Sonntag 20.10.24 – (114) – Chiclayo – Chepén

Gesamt: 6.984,29 km

Wir sind um sechs nicht die Einzigen im Frühstücksraum: ein einzelner Gast, der eine Hahnenkampfkappe trägt (also gestern oder heute wahrscheinlich teilgenommen hat/teilnimmt), und eine größere Gruppe in Laufkleidung, die heute an einem Lauf an der Küste teilnimmt. Die Panamericana verläuft nicht dort, weshalb wir denen nicht in die Quere kommen oder umgekehrt.

Um sieben fahren wir los, erst auf direktem Weg aus der Stadt heraus, am Flughafen und viel Industrie vorbei. Im Anschluss kommt für die halbe heutige Strecke Wüste vom Feinsten. Alles kahl (außer dem Müll natürlich) und bräunlich – man fühlt sich ein wenig, als wäre man auf dem Mars. Nach ein paar Kilometern fahren wir laut Komoot-Navigation „offroad“, weil die Strecke zur Autobahn geworden ist und Komoot uns dort nicht fahren lassen will – der Hotelportier hat uns aber gesagt, wir könnten dort entlang. Hier sind zwei Spuren in jede Richtung mit großem Mittelstreifen und auch breitem Seitenstreifen. Und es ist sehr wenig Verkehr, so dass es nicht unangenehm ist, auf der Autobahn zu fahren.

Nachdem der erste Stopp zur Toilettenpause nicht erfolgreich ist („No hay agua“ – alles abgeschlossen), klappt es beim nächsten Versuch erheiternd: Jutta bekommt vom Tankwart erklärt, dass die Schlüssel an der Tür des Marktes hängen, und dass sie den weißen Schlüssel nehmen muss. Als sie diesen greift, kommt eine Frau aus einer Tür und will ihn ihr wegnehmen – der sei für die Damentoilette. Erst als Jutta bekräftigt, dass es deshalb der richtige sei, erkennt die Frau ihren Irrtum. Eine dunkel gekleidete Radfahrerin mit kurzen Haaren – alles drei gibt es schon alleine nicht in Peru :-).

Nach 38 km, etwa der halben Strecke, sind wir in einer grünen Oase, Mocupe, und wollen dort eine Pause machen. Die ausgeguckte Panaderia ist geschlossen, wir landen im Alpha y Omega am Zentralplatz, über Eck von einer recht großen Halle mit offener Front, in der ein Gottesdienst einer kirchenähnlichen Gemeinschaft stattfindet und hören fast unentwegt den lauten, unmelodiösen Gesang des Predigers. Für unseren Café con leche geht eine Mitarbeiterin schnell los und besorgt eine Dose Kondensmilch. So läuft das!

Hinter Mocupe ist zumindest auf einer Seite der Straße alles grün, hier wird in großem Maßstab alles Mögliche angebaut, und wir fahren über die Provinzgrenze von Lambayeque nach La Libertad.

Landschaftlich erwähnenswert sind vielleicht noch die Sanddünen, die in einem kleinen Gebiet entlang der Strecke sind und ein paar kleine, grüne Hügel, wo kleine Büsche wachsen und Sand haben anschütten lassen.

Um halb zwei sind wir über ziemlich enge Straßen am Hotel angekommen. Der Eingang ist mit einem Gitter von der Straße abgetrennt, in diesen Zwischenraum dürfen wir das Tandem quetschen – halb unter die Treppe zu den Zimmern. Alle Stufen haben unterschiedliche Höhen, und im Bad des Zimmers scheint jede Fliesenreihe ein anderes Muster zu haben. Sehr individuell.

Wir gehen erst einmal in den Ort, suchen eine Einkaufsmöglichkeit für die Getränke (Happy Shoping mit einem !P“) und setzen uns dann zwischen viele Einheimische in eine Art Café. Im Hotel wird geduscht, versucht, für morgen eine Unterkunft zu buchen (vergeblich), Fehleranalyse betrieben (Garmin und WordPress-Mediathek – beides ebenfalls vergeblich) und zumindest begonnen zu schreiben. Dann ist es auch schon Abend und wir gehen in ein nahegelegenes Restaurant – schon wieder eine Pizzeria. Der junge Mann, der uns bedient, zeigt am Ende Interesse, nach Deutschland zu gehen und ein Ingenieur-Studium aufzunehmen und fragt, wie er da an Informationen kommt. Wieder ein WhatsApp-Kontakt mehr, denn an seine E-Mail-Adresse kann er sich gerade nicht erinnern.

Woche 28 (7.10.24 – 13.10.24) Riobamba – Talara

Montag 7.10.24 – Riobamba – Cuenca (Busfahrt)

Beim Frühstück sollen wir uns zwischen Wasser und Milch entscheiden – wir müssen erst fragen, was es damit auf sich hat: auf dem Tisch steht Kaffee- und Kakaopulver zum Einrühren in die gewählte Flüssigkeit.

Viktor fährt zu neun Uhr zum Fahrradladen (Spinosa-BIKE), Jutta setzt sich währenddessen an die Rückwärtsplanung unserer Route (Weihnachten in Santiago bis heute). Der Fahrradtechniker tauscht bei unserer Vorderbremse das Hydrauliköl und erneuert die Bremsbeläge, die Bremsscheibe hält noch diesen Satz Bremsbeläge durch, sagt er. Sie hat zwar eine kleine Beule, aber ist noch stark genug und hat keine Riefen. Wenn sie heiß wird, beult sie sich durch die Wärmeausdehnung an der Stelle noch weiter aus und wir hören beim Fahren ein Schleifgeräusch an den Bremsbelägen. Wir planen den Wechsel der Bremsscheibe für Lima ein.

Und dann will der Besitzer von Spinos-BIKE partout kein Geld für seine Leistung erhalten, nicht einmal in die Kaffeekasse darf Viktor etwas tun. Er erzählt außerdem, dass die Panamericana bis Cuenca immer schlechter wird, auch mit den Betonplatten, die wir schon aus Panama kennen, und dass einige Steigungen noch um einiges steiler sind als alles, was wir bisher hatten (bis 17 und 18%).

Als Viktor gegen 10:45 Uhr wieder am Hotel ist, hat Jutta den Weg in Peru bis Lima quasi geplant und festgestellt, dass es von der Zeit her ganz schön knapp wird. Da sind wir uns sehr schnell sehr einig, dass wir heute schon probieren wollen, einen Bus nach Cuenca zu erwischen, die Stadt anzuschauen und mit einem weiteren Bus bis zur Grenze nach Peru zu fahren. Es reicht uns einfach mit diesen Bergen, bergauf im Schneckentempo, bergab intervallbremsend in dauerhafter Sorge um die Bremsen ebenfalls viel langsamer als es eigentlich möglich wäre. Die Landschaft hat zwar einiges zu bieten, aber die Panamericana selbst ist nun auch nicht gerade eine Schönheit.

Wir packen alles, Viktor zieht seine Radfahrsachen wieder aus, und wir fahren zum Busterminal von Riobamba. Man schickt uns zum „Patria“-Schalter, und schnell haben wir Sitzplätze im Bus um 13 Uhr, ohne dass wir den Fahrer fragen müssen, ob er das Tandem mitnimmt, wie bisher sonst immer. In der Wartehalle verkleinern wir das Rad wieder einmal, und nach gar nicht langer Wartezeit können wir zum Terminal 4 (hier benötigt man ein 20 ct teures Ticket, um Zugang zu bekommen), wo der Bus schon bereitsteht. Pünktlich genug kommt auch der Busbegleiter (Kassierer, Ausrufer, Gepäckverantwortlicher), und Viktor und er stellen das Tandem wieder quer hinten in den Laderaum, verzurren es sicher und stellen die Taschen alle dazu.

Pünktlich um 13 Uhr rollen wir los, um die nächsten 30 Minuten alle paar Meter anzuhalten, damit noch weitere Fahrgäste einsteigen können oder/und damit fliegende Händler durch den Bus kommen können, um Essen, Eis oder Gertränke zu verkaufen. Innen im Bus klebt ein Schild, dass man weder essen noch trinken darf, das aber wohl nicht beachtet wird. Ebenfalls nicht beachtet wird das Schild, dass Tiere verboten sind: es fahren zwei Hunde mit. Aber immerhin wird das Rauchverbot eingehalten.

Bis Cuenca sind es ca. 260 Kilometer, diese allerdings über die vielen Berge und auf schlechter Strecke, die wir uns ja mit dem Rad ersparen wollen. Wir wissen gar nicht, wie lange die Fahrt dauern soll, aber erstens hängen wir öfter hinter langsamen LKW, bevor die Straße ein längere Gerade zum Überholen anbietet, und zweitens (viel schlimmer) halten wir ständig an: es muss nur jemand am Straßenrand winken, egal wo, dann nehmen wir sie oder ihn mit, und zwar wohin die Person möchte, manchmal nur fünf Minuten. Und immer wieder steigen auch Händler ein, manchmal fahren sie ein Stück mit und werden irgendwo wieder rausgelassen. Und so benötigen wir für die Strecke etwas über sechs Stunden – es ist kurz nach 19 Uhr und dunkel, als wir ankommen. Und jetzt fällt uns auf, dass wir heute gar nichts für den Transport des Tandems bezahlen mussten…

Jutta guckt während der gesamten Fahrt vorne aus dem Fenster (im Bus kann so die Reiseübelkeit ganz gut vermieden werden) und stellt am Ende fest, dass wir auf der gesamten Strecke nicht eine Person auf dem Fahrrad überholt haben. Wir sind anscheinend durch eine Gegend Bus gefahren, in der Radfahren einfach keinen Spass macht 😉 !

Aus dem Bus haben wir ein Hotel ganz in der Nähe des Busbahnhofs gebucht, damit wir das Tandem gar nicht erst fahrtüchtig machen müssen, denn wir wollen ja auch noch mit einem Bus weiter. Wir machen nur den Sitz drauf und den Lenker hoch (zum besseren Schieben) und laufen die 500 Meter zum Boutique-Hotel La Farola. Nach dem Einchecken gehen wir schnell bei Don Wilson gegenüber etwas essen, und dann ist der Tag auch schon vorbei.

Dienstag 8.10.24 – Cuenca

Beim Frühstück kennen wir jetzt schon die Frage nach Wasser oder Milch 😉 – das ist anscheinend nicht so unüblich! Anschließend laufen wir gleich los in die Altstadt, wo wir um elf Uhr eine „Free Walking Tour“ gebucht haben. Wir gehen schon einmal in die riesige Kathedrale und in die alte Markthalle, bevor wir im Cafè Austria noch einen Kaffee trinken (und einer von uns der Linzer Torte nicht widerstehen kann, die jedoch einen Tick zu lang im Backofen war).

Am Platz vor der Kathedrale sperren die Freiwillge Feuerwehr und die Berufsfeuerwehr von Cuenca die Straße ab. Es findet irgendeine Veranstaltung statt, bei der es darum geht, wie stolz die Einwohner Cuencas auf ihre Stadt sind. Es gibt sogar ein speziell komponiertes Lied zu hören:

Um elf treffen wir auf unsere Guide, die erst 22-jährige Mel, und zwei weitere Reisende, einer aus Australien, der andere aus England. Wir starten im Seminario de San Luis. Von hier geht es in die Kathedrale. Und jetzt erfahren wir auch, weshalb die Türme wie abgeschnitten aussehen, was uns vorher schon aufgefallen war: der Architekt war Johannes Stiehle, ein Deutscher Priester, der – zumindest nach dem Urteil seiner Kritiker – kein besonders guter Statiker war. Die benutzen Steine und Baumaterialien sind nicht stabil genug, und bevor die Kirche fertiggestellt war, ging schon ein Riss durch die Decke (siehe Fotos), nachdem eine große und schwere Bronze-Jesusstatue auf dem Mittelbogen aufgestellt wurde. Also musste auf die Glockentürme verzichtet werden. Als Papst Johannes Paul II. im Jahr 1985 die Kathedrale segnen sollte, hat er es fast verweigert, weil es (ohne Türme) keine Glocken gab. Man musste dem Papst erst versprechen, dass die Glocken noch „nachgerüstet“ werden. Man hat es dann vor dem Tod des Papstes noch mit Aluminiumglocken versucht, die leichter sind, um das Versprechen einzulösen, aber das ist angeblich auch schief gegangen. Laut Berechnungen weiterer Statiker müsste „ein Wunder geschehen, damit die Kathedrale von Cuenca Glocken erhält“, also bleibt diese wirklich riesige Kathedrale wohl glockenlos.

Im Parque Calderon wird uns erklärt, dass der Status des Weltkulturerbes, den Cuenca seit 1996 trägt, in Gefahr ist, weil eine der acht alten Pinien (Pinos de Estrella aus Peru, Auracaria) hier auf dem Platz abzusterben droht. Alle acht Pinien sind aber wichtiger Bestandteil des anerkannten Weltkulturerbes. Auf dem Weg zum Treffpunkt haben wir jedoch auch schon moderne Gebäude zwischen den historischen Altbauten gesehen, bei denen wir uns ebenfalls dachten, dass so etwas den Status gefährden könnte. Für die Spanischsprechenden unter Euch:

In der neuen Markthalle bekommen wir u.a. auch die Abteilung mit den pflanzlichen Medikamenten gezeigt: es gibt neben Tropfen und Tabletten auch „Parfums“ für alle Lebenslagen und Krankheiten zu kaufen. Auf die Frage, warum es trotzdem in Ecuador so viele Apotheken gibt, bekommen wir die Antwort, dass in den Apotheken sehr viel Geld gewaschen wird (die Drogengelder der Kolumbianer, Mexikaner und Peruaner). Als wir das hinterher nachschauen sehen wir aber, dass auch hier in Ecuador eher mit Immobilien und Gebrauchtwagenhandel Geld gewaschen wird.

Weitere interessante Dinge, die wir über Cuenca erfahren:

Cuenca war die zweitwichtigste Stadt des Inkareiches, nach Machu Pichu. Als die Spanier die Stadt eroberten, nannten sie sie „Santa Ana de los quatro Ríos de Cuenca“, nach Ana, der Mutter der Jungfrau Maria, und nach der spanischen Stadt „Cuenca“, wegen der Ähnlichkeiten in der geografischen Lage. Mit den Spaniern kam natürlich das Christentum und der Bau vieler Kirchen. Der indigene Naturglaube und die Mythologie der Inka wurden dabei geschickt in den christlichen Glauben eingebaut, was sich auch heute noch in den Marien- und Jesus-Darstellungen zeigt, die fast immer Mond und Sterne (Maria) oder Sonne (Jesus) integrieren. Die Kathedrale von Cuenca wurde erst nach der Unabhängigkeit von Spanien gebaut, da der Zutritt zu den Kirchen vorher nur den Spaniern und den direkten Nachkommen erlaubt war. Größere Kirchen und Kathedralen wurden erst später benötigt, als alle Menschen Zutritt erhielten.

Der Panama Hut stammt urprünglich aus Ecuador, wurde in Cuenca gefertigt und nach Panama exportiert.

Die Stromabschaltungen in Ecuador sind nicht nur auf den Wassermangel zurückzuführen, sondern auch darauf, dass der Stromimport aus Kolumbien aufgrund politischer Feindseligkeiten zwischen den Regierungen nicht mehr möglich ist. Früher hat Ecuador überschüssige Energie aus Wasserkraft nach Kolumbien exportiert. Jetzt benötigt Ecuador wegen des Wassermangels in den Stauseen eigentlich Stromimporte, die aber nicht möglich sind.

Nach der Tour gehen wir in ein Juan Valdez Café, wo wir u.a. eine Humita probieren. Juttas Cousine Magdalena hatte nämlich gerade gestern in einer Nachricht ihre in Hamburg verzehrte Humita geschickt und uns diese ans Herz gelegt. Hier überlegen wir uns auch, dass wir noch einen weiteren Tag hier bleiben werden und morgen eine Tour in den Cajas Nationalpark machen.

Jetzt wollen wir zum Museum Pumapungo. Dorthin können wir auf der Promenade am Fluss Tomebamba laufen, die uns als schön empfohlen wurde. Auf dem Weg dorthin treffen wir den Australier von heute vormittag wieder – er schließt sich uns an. Das Museum selbst wird gerade renoviert und ist geschlossen, aber wir können in den archäologischen Park, das Ecuadorianische Machu Picchu, und hinterher gucken wir uns dort auch noch die Vogelausstellung mit vielen Papageienarten an.

Abends gehen wir in einem vegetarischen Restaurant essen, das uns Mel empfohlen hat. Es ist überraschend gut besucht und wir essen sehr preiswert und gut, Viktor sogar mit einem Banana-Split zum Nachtisch. Auf dem Rückweg zum Hotel fällt uns in der historischen Altstadt auf, das die Straßenbahn eine Mittelschiene hat, die wohl zur Stromversorgung dient. Es gibt hier keine Oberleitungen und die Schiene trägt ein Blitz-Zeichen. Wie kann so etwas auf dem Boden liegen, wo jeder Passant drauftreten und einen Stromschlag erleiden könnte? Die Antwort ist das APS-System von Alstom, bei dem immer nur der Abschnitt der Schiene Strom führt, der direkt unter der Straßenbahn liegt. Sehr teuer, aber in einem historischen Stadtbild, das Weltkulturerbe-Status hat, nicht anders machbar, denn dort sind Oberleitungen tabu. Die Straßenbahn von Cuenca ist seit 2019 in Betrieb und ist die höchstgelegene Straßenbahn der Welt. Mal schauen, ob wir morgen noch eine Fahrt hinbekommen. Bevor es zurück ins Hotel geht, gönnen wir uns noch ein Getränk bei „Latitud Cero„, einem Craft-Bier-Anbieter, den wir schon aus Latacunga kennen, und der sehr gute dunkle Biere (Märzen, dunkles Weizen) braut.

Mittwoch 9.10.24 – Cuenca

Nachdem wir gestern die Stadt Cuenca erkundet haben geht es heute in den Nationalpark Cajas. Wir haben eine Tour mit Wanderung um die Lagunen gebucht. Beim Frühstück unter Zeitdruck erhalten wir eine WhatsApp, dass sich der Treffpunkt geändert hat und wir nochmal vier Straßenblöcke weiter laufen müssen. Es wird zeitlich knapp, aber wir schaffen es mit wenigen Minuten Verspätung um 8:35 dort einzutreffen.

Mit einem Toyota Allrad Taxi geht es zu viert (Fahrer und unser Guide Diego) in die Berge bis auf über 4.000 Meter Höhe auf die Tres Cruces Passhöhe. Hier befindet sich die Wasserscheide zwischen Pazifik- und Atlantik-Seite, das heißt auf der einen Seite fließt das Wasser aller Bäche und Flüsse am Ende in den Pazifik, auf der anderen Seite endet alles Wasser im Amazonas und von dort aus im Atlantik. Der Nationalpark Cajas ist ein hochgelegenes Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung (Ramsar-Feuchtgebiet), dass wie ein Schwamm den Regen in der Regenzeit aufnimmt, speichert und dann über die Lagunen, Bäche und Flüsse während des Jahres wieder abgibt.

Unsere Wanderung beginnt bei über 3.950 Metern, geht dann zunächst bergab und später wieder zum Ausgangspunkt zurück. In den Steigungen merken wir die dünne Luft ganz schön, aber die Tasse Koka-Tee, die wir vor dem Losgehen trinken konnten, scheint ein wenig zu helfen (Placebo-Effekt?), jedenfalls haben wir keine Kopfschmerzen, die als erstes Anzeichen von Höhenkrankheit gelten. Wir wandern (teilweise kraxeln wir auch) circa sechs Kilometer um mehrere Lagunen herum und auf Teilen der alten Inkastraße durch den Nationalpark, beobachten Pflanzen und Tiere und genießen das einmalige, grüne Bergpanorama. Diego erklärt uns, wie wichtig dieses Gebiet für den Wasserhaushalt von ganz Ecuador aber auch aller Nachbarländer ist. Er zeigt uns die kleineren, aufgrund des Regenmangels bereits ausgetrockneten Lagunen sowie die größeren, deren Wasserspiegel ebenfalls für die Jahreszeit viel zu niedrig ist. Seit 90 Tagen wird hier auf einen ordentlichen Regen gewartet. Aber nicht nur der fehlende Regen sondern auch die fehlerhafte Aufforstung mit Pinien vor vielen Jahren sorgt wohl für die aktuelle Knappheit, denn letztere halten das Wasser nicht so im Boden . Wer wandern auch durch ein kleines Stück des natürlichen Waldes aus Polilepis (Arbol de Papel), der aber stark bedroht ist. Er erklärt, dass er eigentlich nicht damit gerechnet hatte, in seinem Leben die ersten Kämpfe um Wasser in Südamerika zu erleben. Jetzt sei er sich da nicht mehr so sicher.

Am Startpunkt zurück können wir trotz der Stromabschaltung einen Kaffee trinken, bevor wir wieder ein Stück nach unten zum Restaurant „Las Cuevas“ fahren und dort ein Mittagessen bekommen. Der servierte rote Saft stellt sich als Heißgetränk heraus und heißt Horchata (so heißt hier ein Tee aus Amazonas-Früchten, also etwas ganz anderes als in Spanien die „Horchata de Chufa“). Die eigentlich noch geplante eineinhalb Kilometer lange Wanderung lassen wir ausfallen – inzwischen regnet es, und es ist auch schon recht spät. Diego schlägt uns vor, nach der Rückkehr noch zu den „Baños de cuenca“ (Heiße Quellen) zu fahren, was wir uns auch vorstellen können, aber die Rückfahrt dauert ziemlich lange (inkl. Polizeikontrolle), so dass es uns dafür dann schon zu spät ist.

Die Zeit bis zum frühen Abend wird stattdessen mit Ausruhen und Blog-Schreiben verbracht. Gegen sechs gehen wir noch einmal los: wir wollen noch mit der höchstgelegenen Straßenbahn der Welt fahren und dann im von Diego empfohlenen Restaurant essen gehen. Der Ticketkauf geht schneller als gedacht, es gibt hier nur einen einzigen Tarif, und man bekommt nur ein Ticket, auf dem die Anzahl der Passagiere steht. Wir fahren nur zwei Stationen, aber das musste einfach sein. Das Filmen des Herunterfahrens des Stromabnehmers beim Übergang in die historische Altstadt geht aber leider schief. Auf dem Weg zu „Tiesto`s Café und Restaurant“ passieren wir wieder mal ganze Häuserblöcke ohne Strom und ahnen schon Schlimmes. Aber genau der richtige Block mit unserem Restaurant ist dann zum Glück wieder hell erleuchtet.

Wir essen hervorragend, nach mehreren Tagen mit preiswerten, schnellen Abendessen mal wieder ein willkommener Genuss. Der Nachtisch wird dann sogar zu einer kleinen Krönung, denn die Kombination aus leicht gefrorenem Mousse au Chocolat mit einer Kugel Maracuja-Eis wird auf einem mit verschiedenen Fruchtsaucen handbemaltem Teller serviert und schmeckt sensationell. Zum Abschluss bemalt der Chef nochmal einen weiteren Teller und wir dürfen es filmen (siehe unten).

Viktor fragt eher zufällig nach, ob die Früchte an der Theke vielleicht „Limon Mandarina“ seien, denn seitdem er diese komische Zitrone mit orangefarbenem Fruchtfleisch zum Tilapa gegessen hat, möchte er ein paar Kerne haben, um zuhause vielleicht ein Bäumchen aufzuziehen. Prompt läuft der Chef in die Küche und holt mehrere dieser Früchte und schenkt sie uns.

Donnerstag 10.10.24 – Cuenca – Huaquillas (Busfahrt)

Zunächst noch zwei Bilder aus dem Hotel La Farola in Cuenca:

Wir frühstücken um Punkt acht Uhr und verabschieden uns von der freundlichen Mitarbeiterin, die speziell für uns dunkles Roggenbrot besorgt hat. Das Gepäck kommt an das immer noch zusammengeschobene Tandem, und wir schieben es zum Busterminal. Dort angekommen werden wir gleich von mehreren Busbegleitern angesprochen, wo wir denn hinwollen. Kaum haben wir „Huaquillas“ gesagt, fängt ein junger Mann ganz hektisch an, uns zu einem Fahrkartenschalter zu schieben und gleichzeitig unser Tandem zu „übernehmen“, um es zu einem abfahrbereiten Bus zu schieben. Viktor erklärt ihm, dass wir noch zehn Minuten benötigen, um das Tandem transportbereit zu machen (Gepäck abnehmen und Lenker herunterklappen), aber er wiederholt immer wieder hektisch, dass er uns beim Einladen helfen würde. Viktor geht also an den Schalter und erhält das Ticket, ohne überhaupt etwas zu bezahlen. Das Finanzielle soll an Bord des Busses geregelt werden. Jutta ist währenddessen mit dem jungen Busbegleiter und dem Tandem in Richtung Bussteige unterwegs. Die beiden bleiben aber an der Nationalpolizei hängen, die das Tandem nicht durchlassen wollen, obwohl ihnen mehrfach erklärt wird, dass es sich um das Gepäckstück der beiden deutschen Fahrgäste handelt. Erst nach mehreren Minuten Funkgespräch über sein Walkie-Talkie gibt er den Weg zum Bus frei. Vom Verlassen des Hotels bis zum Abfahren des Busses vergehen nur ganze 13 Minuten!!! Dafür dauert die Fahrt wieder über sechs Stunden, obwohl die Strecke über den direktesten Weg nur knappe 200 Kilometer lang ist und nur vier Stunden dauern soll. Wir fahren nämlich nicht die kürzeste Strecke, sondern „oben herum“.

Jutta beobachtet den jungen Busbegleiter und Ticketverkäufer dabei, wie er eine kleine Plastikflasche aus dem Seitenfenster wirft. Da Viktor bei der letzten Rast genau das gleiche Getränk gekauft hat, nutzt er die Gelegenheit, geht etwas später während der Fahrt nach vorne und fragt den jungen Mann:
“En Ecuador es aceptable poner esto en el basurero del bus o lo tengo que tirar por la ventana como usted?”
„Ist es in Ecuador akzeptabel, dass wir diese Flasche in den Müllbehälter im Bus werfen oder muss ich sie aus dem Fenster werfen, so wie Sie das vorhin getan haben?“
Ohne zu zögern nimmt er Viktor die Flasche ab und wirft sie sofort aus dem Seitenfenster. Der alte weiße Boomer ist völlig verblüfft und kann gar nicht schnell genug reagieren, um das noch zu verhindern. Nun gut, das scheint also hier die korrekte Form der Entsorgung zu sein. 😉
Etwas verwirrt sind wir jedoch einige Minuten später, als der junge Mann eine Plastikflasche aufhebt, die jemand direkt unter dem Müllbehälter im Bus liegen gelassen hat, und sie in eben diesen Müllbehälter steckt. Was ist denn nun richtig?
Aber dann kommt Viktor auf die Lösung: Es hängt immer vom aktuellen Abstand der Flasche vom Müllbehälter ab! Liegt das Fenster näher, gehört es dort hinaus, liegt der Müllbehälter näher, gehört es dort hinein. Ganz einfach!

Auf dieser Busfahrt steigt nicht ein einziger fliegender Händler zu – das scheint evtl. eine „Anden“sache zu sein, und diese verlassen wir ja gerade. Und außerdem halten wir bis Naranjal – etwa halbe Strecke – auch nicht, um Passagiere ein- oder aussteigen zu lassen, und auch danach nur sehr selten. Vielleicht ist aus diesem Grund der Fahrschein heute teurer als für die 100 km längere Strecke nach Cuenca.

Während der Fahrt buchen wir ein Hotel in Huaquillas, und als wir durch die Stadt fahren, kommen wir an der Abzweigung dorthin schon vorbei, da das Busterminal fast an der Grenze nach Peru liegt. Der Bus fährt allerdings ohne uns zum Terminal, denn irgendwo vorher, einfach so am Straßenrand, sollen wir plötzlich aussteigen…

Wir machen das Tandem also auf einem Moto-Parkplatz fahrbereit, bepacken es und fahren zum Hotel. Dort dauert es einige Minuten, bis jemand Verantwortliches kommt, und es ist 15:58 Uhr, als wir einchecken. Auf unsere Frage nach einer Stromabschaltung bekommen wir gesagt, geplant sei 16 bis 20 Uhr. Wir sind also gerade oben im Zimmer, als das Licht ausgeht! Das Notstromaggregat, das vorhanden ist, funktioniert leider nicht. Da hatten wir in den letzten Tagen mehr Glück.

Also gehen wir in den Ort auf der Suche nach einem Kaffee. Dummerweise hat um vier gerade ein Fußballspiel Ecaudor gegen Uruguay begonnen. Und da die Privatäuser alle keinen Strom haben, laufen die Generatoren der Cafés (und Geschäfte) für Fernseher zum Public Viewing – überall stehen Trauben von Mopeds mit Menschen darauf auf der Straße. Ein Cafébetreiber erklärt, er könne ja nicht den Fernseher ausmachen, weil ein paar Deutsche einen Kaffee trinken wollen. Beides geht wohl nicht.

Wir finden eine Heladeria mit Café, in der kein Fußball läuft, bekommen dort aber leider nur Tütencappucino (und teilen uns eine Waffel). Anschließend laufen wir bis zur Grenze, um für morgen früh schon einmal zu gucken. Und das ist gut so! Denn als wir uns durch die enge Gasse zwischen allen Marktständen durchgekämpft haben und erst einen Taxifahrer und dann einen Polizisten fragen, erfahren wir, dass an diesem Übergang keine Migrationsbüros sind, dafür müssen wir einen ca. sieben km weiten „Umweg“ fahren. Mit den Stempeln im Pass dürften wir dann hier rüber fahren, wenn wir wollen. Und heute dorthin zu fahren, sei zu gefährlich, weil es bald dunkel wird, wenn, dann nur mit einem Taxi!

Wir gucken uns das Ganze mal auf der Karte an und beschließen, morgen früh über den anderen Grenzübergang zu fahren. Komoot lässt die Straße zwar nicht zu, will uns immer anders schicken, aber die Polizei und die Menschen im Hotel sagen, dass man dort radfahren kann.

Da um halb sieben das Hotel immer noch keinen Strom hat (zwei Männer knien vor dem Generator – made in the U.S.A. ) gehen wir die inzwischen dunkle Straße wieder zur Hauptstraße, setzen uns in ein Restaurant, in dem sogar das WIFI funktioniert, essen dort zu Abend und warten so lange, bis auf der Straße die Lichter wieder angehen, ein paar Minuten nach acht.

Freitag 11.10.24 – (105) – Huaquillas – Zorritos

keine Höhenmeterangaben mehr, die wir uns merken wollen 🙂

Gesamt: 6.336,29 km

Um kurz vor acht Uhr morgens klopft es an unsere Zimmertür – wir wollen gerade los, um das Tandem zu packen – und wir bekommen das Frühstück in Pappe und Styropor gebracht. Ist es wohl als „Frühstück im Bett“ gemeint? Wir gehen mit dem Tablett und unseren Radtaschen in den Hof, frühstücken, schmeißen den ganzen Müll weg und fahren los, nachdem wieder mehrere Anwesende Fotos von uns gemacht haben.

Wir nehmen den Weg, der uns gestern erklärt wurde. Die Straße zur Grenze ist ziemlich verlassen, nirgendwo Händler oder Geldwechsler. Dann fahren wir über eine Brücke und sind auf der Peruanischen Seite. Hier sollen doch eigentlich die Ein- und Ausreisebüros von der „Migracion“ sein… . Wir fahren erst einmal weiter, irgendwann fragen wir einen Polizisten und müssen immer noch weiter nach Peru hinein. Erst nach mehreren Kilometern gibt es hier ein binationales Gebäude, in dem gleichzeitig die Ecuadorianer und die Peruaner sitzen. Ist man am ersten Schalter fertig, geht man einfach ein paar Schritte weiter zum nächsten Schalter. Und das, obwohl die Beziehungen der beiden Länder nicht die besten sein sollen. Den letzten Krieg zwischen beiden Ländern gab es erst 1995. An dieser Grenze sind die Mitarbeiter alle sehr nett und wohlwollend, und wir denken, dass das richtig gut und schnell geklappt hat. Da wir ja keine Geldwechlser gesehen haben, will Viktor bei der Bank an der Grenze wenigsten ein paar USD in PEN, den peruanischen Sol, umtauschen. Jutta macht währenddessen Bekanntschaft mit einem sehr unangenehmen Grenzbeamten: das Tandem darf nicht dort stehen, wo es steht, es soll auf einen Parkplatz. Viktor kommt schnell unverrichteter Dinge (zu viel Bürokratie beim Wechseln notwendig, Formulare, Reisepass, usw.) zurück, und wir schieben auf der Straße weiter – schon wieder falsch, und wir werden vom gleichen Beamten zurückgepfiffen! Wir müssen uns bei der Fahrzeugkontrolle anstellen. Autos werden hier sogar teilweise von unten untersucht. Als wir an der Reihe sind, sind wir schon auf alles gefasst, dürfen aber einfach so weiterschieben. Hauptsache der eifrige Grenzbeamte hat sich wichtig gemacht!

Nach ca. 40 Minuten fahren wir also in Peru weiter. Schon gestern war die Natur nach den ganzen Bananenplantagen wesentlich trockener geworden, und jetzt fahren wir wirklich durch Steppe. Kilometerlang gibt es hier noch keine angesiedelten Menschen. Als wir die ersten Behausungen erreichen, wird es gleich auch grün: rechts und links überall Reisfelder.

Und was sich mit dem Übertritt ins nächste Land geändert hat: die Straße ist merklich schlechter, hier fahren wieder unendlich viele Tuk Tuks (Mototaxis) und die am Rand liegende Menge an Müll erinnert an Mexiko.

Nach gut 30 Kilometern und etwa der halben Strecke heute sind wir in Tumbes, der ersten Stadt, und suchen uns ein Café. Das „Coffee Art“ liest sich gut und gibt es anscheinend sogar zweimal. An der ersten Adresse ist leider nichts zu finden. Jutta hat den Gedanken, dass das Café umgezogen sein könnte, und wirklich, seit 2019 ist es an der anderen angegebenen Adresse. Der Betreiber akzeptiert weder Kreditkarte noch USD, deshalb geht Viktor erst einmal an einen Geldautomaten, von denen uns wegen der hohen Gebühren eigentlich abgeraten wurde. Dann machen wir eine ausgiebige Pause.

Auch hier wird beim Weiterfahren noch ein Foto von uns gemacht. Die zweite Hälfte der Strecke geht ähnlich weiter, manche Autos überholen recht eng, wir müssen stark auf die Straße achten, aber es gibt keine Berge mehr! Wir wussten schon fast nicht mehr, wie zügig man vorankommen kann, wenn das Streckenprofil flach ist. Selbst den leichten Gegenwind empfinden wir heute eher als angenehm kühlend, denn die Temperaturen liegen hier wieder höher, so zwischen 23 und 28 Grad Celsius.
Um 13 Uhr, nach etwa 50 Kilometern, kommen wir das erste Mal seit langer Zeit wieder an den Pazifik! Endlich! Und ebenfalls hier fahren wir eine Weile im Windschatten von fünf anderen Radfahrenden auf Mountainbikes und unterhalten uns ein wenig mit ihnen.

Vom Ausnahmezustand, der in allen Grenzregionen Perus zu Ecuador derzeit herrscht (das haben wir gestern in den Reisewarnungen des Auswärtigen Amts gelesen) bemerken wir heute (noch?) nichts. Polizei und Militär haben Sonderbefugnisse, insbesondere was Personen- und Fahrzeugkontrollen betrifft.

Weil es noch relativ früh ist, als wir Zorritos direkt nach dem einzigen 60-Meter-Hügel der heutigen Strecke erreichen und weil unsere Unterkunft etwas weiter südlich in Pinos liegt, wollen wir noch eine Eispause machen. Und obwohl es hier angeblich touristisch ist, finden wir nichts.
Der Weg zum Hotel ist wohl einer Sturmflut zum Opfer gefallen, es gibt ihn nicht mehr. Wir müssen unser Tandem von hinten über einen kleinen Pfad schieben, um dann vor verschlossener Tür zu stehen. Wir klingeln, zwei kleine Mädchen machen die Tür auf und reichen uns ein Telefon: der Vater ist unterwegs, wir dürfen schon hereinkommen und sollen im „Wartesaal“ (sala de espera) im zweiten Stock warten. Das ist im Prinzip eine große, leere Terrasse, aber gut. Es dauert auch nicht lange, bis der Vater kommt, nur weiß er nichts über die Reservierung. Darum kümmert sich immer sein Frau, die aber gerade in Lima ist. Wir sollen ihm die Buchungsbestätigung zeigen. Dann können wir endlich ins Zimmer mit Meerblick!

Hier hat wohl schon länger niemand mehr saubergemacht. Besonders die Dusche ist völlig verdreckt. Für den Preis haben wir eigentlich etwas besseres erwartet, aber nun denn!
Beim Versuch, das Ladegerät in die Steckdose zu stecken, muss Jutta feststellen, dass der Stecker nicht passt. Nanu!? Das Nachschauen im Netz klärt uns auf, dass es in Peru unsere heimischen Schuko-Stecker und 220 Volt-Leitungen gibt. Damit hatten wir nach den vielen Ländern mit denselben Steckern und 110 Volt schon gar nicht mehr gerechnet, haben aber den richtigen Stecker für unser Ladegerät dabei.

Als wir in den Ort losgehen wollen fällt uns auf, dass wir keinen Zimmerschlüssel haben. Die Besitzerfamilie ist wieder nicht da, also schließen wir die Tür von innen, ziehen sie von außen zu und hoffen auf den Schlüssel bei unserer Rückkehr. Wir suchen erst einen Supermarkt (finden einen Minimarkt, bekommen aber unsere Getränke) und anschließend ein Restaurant. Mehrere tragen als Beinamen „touristica“. Wir sind wahrscheinlich einfach außerhalb der Saison hier, denn andere Besucher scheint es hier kaum zu geben. Im „Elena“, direkt neben dem „Selena“ essen wir früh und laufen dann noch im Hellen zurück zum Hotel.

Die Tochter macht uns das Tor wieder auf und wird von uns geschickt, um den Zimmerschlüssel zu besorgen. Sie kommt mit einem ganzen Schlüsselbund und öffnet unsere Tür. Einen eigenen Schlüssel scheint man hier nicht zu bekommen.

Hier in Peru brauchen wir keine Stromabschaltungen zu erwarten (vor der Küste sehen wir Ölbohrinseln die Gas abfackeln ;-)), aber als wir wieder im Zimmer sind und den Wasserhahn aufdrehen, kommt nichts. Wir haben also ab sofort nicht mehr mit „kein Strom“ zu kämpfen, sondern mit „kein Wasser“. Wir lassen den Hahn aufgedreht und die Badezimmertüre geöffnet, um zu hören, wann es wieder fließt. Irgendwann, schon um Einiges später, plätschert es und Jutta freut sich schon. Viktor holt sie in die Realität zurück: das ist nur jemand im Nachbar-Badezimmer, der gerade pinkelt. Die Wand unserer Dusche ist nämlich nach oben offen, und das Badezimmer des Nachbarzimmers ist direkt dahinter, also quasi im gleichen Raum. Hatten wir auch noch nicht, mal schauen, was wir heute Nacht noch so hören werden.

Samstag 12.10.24 – (106) – Zorritos – Máncora

Gesamt: 6.408,90 km

Aufgrund der wenigen Orte und Einkehrmöglichkeiten entlang der heutigen Etappe entscheiden wir uns für ein Frühstück im Hotel, das es aber erst ab 8:30 Uhr gibt. Als wir gegen sieben Uhr aufstehen regnet es doch tatsächlich. Wieder alles richtig gemacht, denn später, als wir losfahren, scheint die Sonne. Und in der Zeit bis zum Frühstück können wir unserem Neffen zum elften Geburtstag gratulieren :-).

Um neun Uhr schieben wir das Tandem über die Sandpiste zur Panamericana und starten in den Tag. Der Sohn des Hauses (im Real Madrid Trikot, von denen er angeblich 50 Stück hat) steht im Grundstücks-Tor, als wolle er uns bei der Abfahrt beobachten, aber leider ist auf dieser Sandpiste nicht an „abfahren“ zu denken.

Die ersten Kilometer geht es durch kleine Küstenorte, die alle ineinander übergehen. Vor einigen Orten liegen Fischerboote im Wasser oder haben am Hafensteg angelegt und laden den Fang aus. Wir nehmen uns keine Zeit, um uns den Trubel genauer anzuschauen, denn wir können noch nicht einschätzen, wie der Wind hier an der Küste uns bremsen wird. Von Felipe und Katya, die wir in Mexiko und Panama getroffen haben und die schon in Lima angekommen sind, wissen wir, dass der Wind in dieser Gegend nachmittags recht heftig werden kann. Und wir sind ja heute eher spät unterwegs.

Als die Küstenorte enden geht es durch wüsten- und steppenartiges Gebiet immer am Pazifik entlang. Der Blick aufs Meer ist oft unverstellt und wir können den Ausblick genießen. Die Landschaft ist allerdings eher trostlos und der viele Müll am Straßenrand trübt die Aussicht etwas. Irgendwann kommen wir an großen, künstlich angelegten Seen vorbei, bei denen wir uns nicht sicher sind, ob dort Fische gezüchtet werden oder vielleicht Salz gewonnen wird. Eine Recherche am Abend ergibt, dass es sich wohl um eine riesige Langusten-Farm handelt. Jedenfalls sagt Google-Maps, es sei eine Langostinera und wir finden auch eine passende Webseite.

Kurz danach passieren wir ein großes, von der Sonne bereits sehr ausgebleichtes Schild von ACCOR/Novotel, auf dem ein großes Hotel-Resort angekündigt wird. Wir sehen weit und breit keine Bautätigkeit. Die abendliche Recherche ergibt, dass hier Ende 2024 ein großes neues Hotel in Betrieb gehen sollte, jetzt ist es für 2026 geplant. Ihr könnt übrigens noch in das Projekt investieren ;-).

Erst bei Kilometer 28 gibt es so etwas wie eine Einkehrmöglichkeit, wir trinken zwei Limonaden, denn Kaffe gibt es nicht. Bei Kilometer 35 dann endlich ein kleines Restaurant direkt am Meer, wo wir eine längere Pause einlegen und Viktor sich eine Langusten-Tortilla genehmigt.

Es geht heute mehrere Male über viele Kilometer schnurgeradeaus. Der erwartete Wind wird ab vormittags immer stärker und kommt aus Südwest. Wenn man dann ewig geradeaus mit Gegenwind fährt, wünscht man sich ab und zu Kurven. Als wir die Küste verlassen, haben wir zwischendurch andere Himmelsrichtungen, jeah. Und gegen Ende kommen unerwartet einige Hügel, nichts Schlimmes, aber in Kombination mit dem Wind will der Captain so etwas bitteschön vorher wissen.

Die Auto- und LKW-Fahrer überholen uns fast ausnahmslos mit großem Abstand, und am ganzen Tag gab es keine Hunde, die uns bellend vefolgt haben. Beides haben wir anders erwartet.

Wir würden gerne eine Eiseinladung wahrnehmen, kommen aber an keiner Möglichkeit vorbei. Am Zielort Máncora soll es dann so weit sein, bevor wir zum Hotel fahren. Und obwohl es hier sehr viele Hotels gibt, empfängt uns die Stadt mit Sandstraßen, und auf der Suche nach einem Supermarkt (Eisdiele schließen wir mal gleich aus) schickt man uns zu einer Markthalle, in der der „Supermarkt“ einige kleine Stände am Rand des Gebäudes sind. Der Blick in Google Maps ergibt, dass der nächste richtige Supermarkt 21 km entfernt ist – hier in der Stadt gibt es nur kleine Tiendas.

Unser Hotel liegt ganz im Süden von Máncora – wir passieren noch einige Souvenier-Geschäfte und Restaurants, es gibt also wohl einen touristischen Teil – und wir haben Strandzugang direkt aus dem Zimmer. Zum Surfen, Kitesurfen, SUP, Schnorcheln und Tauchen ist es hier sicher schön, wir nutzen diese Angebote leider gar nicht.

Nach dem Duschen gehen wir schon bald zurück in den Ort, wo wir ein Café mit vielen veganen Angeboten gesehen haben. Als wir es wiedergefunden haben, essen wir, kaufen hinterher gegenüber in einem Miniladen Getränke und passen heute auf, dass das Wasser nicht wieder versehentlich mit Sprudel ist – gestern ist uns das passiert, denn hier sind die Flaschen dieselben, in Ecuador unterscheidet sich die Optik ganz stark.

Sonntag 13.10.24 – (107) – Máncora – Talara

761 m Anstieg

Gesamt: 6.494,12 km

Heute ist einer jener Radfahrtage, bei denen Du am Ende nicht weißt, ob Du ihn Dir lieber gespart hättest, oder ob er sich vielleicht doch irgendwie gelohnt hat. Aber der Reihe nach.

Geplant sind für heute so um die 70 Kilometer immer an der Küste lang. Komoot zeigt an, das wir überwiegend Asphalt und „Straßenbelag“ zu erwarten haben. Deshalb nehmen wir das Frühstück im Hotel um 8 Uhr noch mit und machen uns gegen 9 Uhr auf den Weg. Vor dem Frühstück treffen wir beim Packen unseres Rades noch Sergio und seine Familie aus Lima, die hier Urlaub gemacht haben. Er fährt selbst jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit, wohnt in Miraflores in Lima und warnt uns vor den respektlosen peruanischen Autofahrern, die für Radfahrer lebensgefährlich sein können. Wir berichten von den ersten Tagen in Peru und davon, dass wir positiv überrascht sind, mit welchem Sicherheitsabstand wir hier bisher überholt wurden. Wir tauschen Telefonnummern aus, und sollen uns melden, wenn wir in Lima Hilfe benötigen.

Die ersten zehn Kilometer sind ereignislos, wir fahren in den kleinen Ort „Los Organos“ und halten für eine Toilettenpause an der „Petroperu“-Tankstelle. Wir werden dort sofort von einem Hund angebellt, der aber von einer Tankwärterin zurückgerufen wird, und Viktor macht noch den Witz „Ja, ja … wir wurden schon gewarnt, dass die Peruanischen Hunde die schlimmsten in Lateinamerika sind“. Während Jutta das WC besucht, fragt Viktor bei den Tankwärtern nach, ob die geplante Strecke an der Küste vollständig asphaltiert ist, da wir für diese Streckenführung die Panamericana verlassen müssen. Beide, Tankwärter und Tankwärterin, bestätigen einhellig, dass die Strecke vollständig asphaltiert sei und sogar in besserem Zustand als die Panamericana. Jutta, die genau das schon vermutet hatte, grinst stolz.

Ein paar Minuten nachdem wir weitergefahren sind, hören wir von hinten die heulende Sirene eines Polizeiwagens. Wir halten uns ganz rechts und fahren weiter, aber es gibt hier keinen Standstreifen, auf den wir ausweichen könnten. Neben der Straße liegen Schotter, Glasscherben und vor allem Müll in allen Formen und Farben. Als der Polizeiwagen uns mit sehr geringem Sicherheitsabstand überholt, winkt der Beifahrer heftigst aus dem Fenster, ruft „a la derecha“ und macht Handbewegungen, die eindeutig anzeigen sollen, dass wir gefälligst in den Müll fahren oder darin stehen bleiben sollen. Wir sind geschockt! Der nachfolgende überbreite Panzertransporter, für den der Polizeiwagen offenbar die Strecke freimacht, hat uns da längst mit großem Sicherheitsabstand überholt und hat damit mehr Rücksicht gezeigt als die Polizei. Viktor ist so sauer, dass er abends unbedingt noch auf Facebook eine Beschwerde in die städtische „Los Organos“-Gruppe schreiben will, falls eine solche existiert.

Wenig später erreichen wir die Abzweigung zur Küste und fahren Richtung Playa El Ñuro, einem kleinen Örtchen, in dem man offenbar mit Wasserschildkröten schwimmen kann, jedenfalls stehen überall entsprechende Schilder. Kurz vor der Abfahrt zum Parkplatz und zum Steg, von dem die Touren abgehen, führt eine ungeteerte Schotterstraße links in Richtung Küste. Na das kann ja unmöglich „unsere“ Straße sein, denn die ist ja durchgängig asphaltiert … denkste! … das wäre sie gewesen. Wir machen unten in der Nähe des Stegs ein Kaffeepause (mit übersüßtem Kaffee) und erkundigen uns bei der Betreiberin des Nachbar-Restaurants. Sie bestätigt, dass die Küstenstraße überall aus Sand und Schotter besteht (sie nennt es Trocha) und definitiv NICHT asphaltiert ist. Na vielen Dank, liebe Tankwarte! War das eine Retourkutsche für Viktors Hundewitz, wussten sie es einfach nicht besser? Aber warum sagen sie dann nicht einfach: „Wissen wir nicht“. Ist das so ein kulturelles Ding? Sie wollen freundlich sein und helfen, geben einem dann aber unbrauchbare Informationen, die sogar für uns gefährlich werden könnten? Wir haben nur eine begrenzte Menge Getränke und Nahrung dabei. Wenn wir erst nach 30 oder 40 Kilometern merken, dass wir nicht mehr weiterkommen, könnte das echt unangenehm werden. Heute müssen wir nur knapp 2 Kilometer zurückfahren und eine zehn Kilometer längere Strecke über die Panamericana fahren. Alles machbar … also eigentlich …

Zunächst müssen wir nämlich über einige Serpentinen hoch auf eine Hochebene fahren. Und auf eine ganze Stunde bergauf sind wir eigentlich nicht gefasst – wir sind doch nicht mehr in den Anden. Da Viktors Handy in der ganzen Gegend kein Netz hat, fahren wir ohne Navigation, wissen also nicht, was uns erwartet. Lange unvorhergesehene Steigungen machen Viktor üblicherweise ziemlich grantig. Nach der Stunde Dauersteigung liegt oben „El Alto“, und an der Panamericana liegt eine Tankstelle mit Services. Wir halten! Das Essen sieht sehr unappetitlich aus, der Schlüssel von der Damentoilette ist verloren, das Herrenklo ist ohne Wasser, aber es halten eine Menge Menschen und finden es offenbar gut hier.

Die über dreißig Kilometer auf der Hochebene gehen fast nur geradeaus, rechts und links ist Wüste und ab und zu ein Ölbohrturm. Die Sonne brennt, und der Wind kommt quasi ständig von vorne. Dass es hier die ganze Zeit leicht bergab geht, merken wir ersten Abends, als wir uns das Streckenprofil anschauen. Durch den Gegenwind haben wir den Eindruck, dass es eher eben oder leicht bergauf geht. Als schattiges Plätzchen zum Pausieren dient eine Mini-Kapelle/ein großer Schrein (?) für einen verunglückten Autofahrer, weil es einfach nichts anderes gibt. Uns fällt auf, dass es hier mit dem Müll am Straßenrand noch schlimmer zu sein scheint als in Mexiko: wir fahren (aber nicht nur hier auf der Hochebene) scheinbar durch eine riesige Müllkippe. In praktisch allen Pflanzen, Büschen und kleinen Bäumen entlang der Strecke haben sich hier Plastiktüten, Folien und ähnlicher Müll verfangen, und flattert im Wind. Vermutlich rottet das Zeug dort seit Jahren langsam vor sich hin. Einiges ist schon so zerfasert, dass es aussieht wie Lametta. Es ist ein Anblick wie aus irgendeinem dystopischen Weltuntergangsfilm.

Plastik im Busch im Wind

Aber als wir plötzlich zur Abfahrt von der Hochebene ins Tal kommen, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: der Blick ist einmalig! Hier liegt auch gar kein Müll! Leider sind wir ganz schnell unten!

Der Nachmittag ist schon weit fortgeschritten, und wir wissen immer noch nicht, wie weit es noch ist. Irgendwas zwischen 80 und 90 km wird wohl zusammenkommen, schätzt unsere Navigatorin. Da es nur diese eine asphaltierte Straße gibt, können wir uns wenigstens nicht verfahren! Bis irgendwann doch ein Abzweig kommt, an dem „Talara“ steht. GoogleMaps zeigt zum Glück auch Offline an, dass dieses eine kleine Nebenstraße ist, die wir nicht ausprobieren werden. Weiter geht es also in Richtung Sullana, und es wird noch einmal richtig hügelig. Dank dem „Venturi-Effekt“ ist der Gegenwind hier zwischen den Hügeln rechts und links besonders stark. Glücklicherweise haben wir aus den Höhen der Anden noch so viele rote Blutkörperchen mitgebracht, dass uns zumindest das Atmen leicht fällt.

Am riesigen städtischen Friedhof von Talara biegen wir rechts ab. Die Stadtgrenze ist noch über fünf Kilometer entfernt, und dort müssen wir erst einmal komplett um den Militär-Flughafen herumfahren, bis wir in Richtung des Hotels abbiegen können. Dieses liegt nämlich so, dass wir auf der Route am Wasser direkt daruf zugefahren wären. Es ist knapp halb sechs, als wir einchecken. Gleich um die Ecke gehen wir bei „Entre Patas“ essen, bevor wir duschen und uns für den Blog an den Schreibtisch setzen.

Ölbohrturm – dazu fällt Viktor noch dieser hier ein:

Woche 27 (30.9.24 – 6.10.24) Galápagos Inseln – Riobamba

Montag 30.9.24 – Galápagos Inseln – Isla San Cristóbal

Nach einem Frühstück (mit Granola mit Joghurt und anderem) im geräumigen Frühstücksraum werden wir um halb neun erwartet von Azucena zu einer privaten Tour. Bei der gestrigen Ankunft hier haben wir uns gewünscht, heute nicht schon wieder schnorcheln zu gehen wie eigentlich geplant, da es sowieso nichts Neues für uns zu sehen gäbe (es sei denn, Hammer-Haie wären drin, was aber um diese Jahrezeit nicht der Fall ist). Stattdessen geht es in die „Highlands“. Da es regnet und ziemlich nebelig ist, verschieben wir den Besuch der Lagune „El Junco“ auf das Ende der Tour und fahren zuerst zum Schildkröten-Zentrum:

Hier leben die Riesenschildkröten nicht in Gehegen sondern quasi in „Freiheit“ auf enem großen Gelände, aber geschützt und kontrolliert. Sie haben auf dieser Insel einen Panzer, der weder einen „Sattel“ ausgebildet hat (saddle-back) noch ganz rund ist (dome-shaped), sondern irgendwo dazwischen liegt. Das ist für die Insel San Cristóbal typisch, da die Vegetation und Nahrungsquelle für die Schildkröten hier „halb-hoch“ ist, so dass sich kein vollständiger Sattel ausbilden musste (wie auf Pinta bei der Gattung von „Lonesome George“), aber der flache, runde Panzer auch nicht ausreichen würde, weil die Schildkröten ihren Hals schon etwas höher recken müssen, um sich hier zu ernähren. Das Zentrum wurde vor 19 Jahren eingerichtet, und bis vor kurzem wurden die gelegten Eier eingesammelt und im Inkubator ausgebrütet. Inzwischen gibt es wieder so viele Schildkröten, dass man damit aufgehört hat. Wenn Ranger ein Nest finden, wird dieses ein wenig geschützt (gegen Ratten und wilde Hunde), und erst, wenn die junge Schilkröte schlüpft, wird sie über sieben/acht Jahre in vier verschiedenen Gehegen auf die Wildnis vorbereitet. Wir sehen die „beweglichen Felsen“ (Zitat unserer Guide) überall, an zwei Stellen ganze Ansammlungen: in diesen „Restaurants“ wurden Blätter der Elefantenohr-Pflanze ausgelegt, über die die Schildkröten regelrecht herfallen. Sie sollen lernen, diese Blätter zu fressen, die es hier normalerweise nicht gibt, damit die Menschen sie in Notlagen als Futter zur Verfügung stellen können.

Neben den Schildkröten gibt es hier auch verschiedene Darwin-Finken, Gold-Waldsänger, Fliegenschnäpper und Drosseln zu beobachten. Gerade die Finken bilden eine Symbiose mit den Schildkröten: sie picken die Insekten von den Hälsen der Schildkröten, um diese zu säubern, und ernähren sich selbst davon.

Außerdem bekommen wir verschiedene Flechten gezeigt, und eine neue endemische Kaktusart: den Micky-Maus-Kaktus 😉 (ein Scherz unserer Guide Azucena)

Von hier fahren wir zum Puerto Chino Strand, wo wir neben Seelöwen auch Fregatten und sowohl Blaufuß- als auch Nascar-Tölpel zu sehen bekommen. Ein Rundweg, den wir gehen, ist mehr eine Kletterpartie über Felsen als ein Weg, aber wir bewältigen ihn erfolgreich.

Auf dem Rückweg halten wir dann noch am Parkplatz zum Wanderweg zur Lagune „El Junto“ der einzigen Frischwasserlagune auf Galápagos. Nach dem Aufstieg auf ca. 600 m ü.N.N. sehen wir – nichts. Leider herrscht hier immer noch dichter Nebel, so dass wir weder das Wasser noch die vielen Fregatten sehen, die hierher kommen, um ihr Gefieder salzfrei zu waschen. Unsere Sandalen sind von der roten, nassen Erde auf dem Weg hier sehr dreckig geworden, die müssen wir vor dem Rückflug morgen säubern, denn man darf ja nichts ein- oder ausführen.

Zurück im Ort ist es gerade Mittagszeit, heute bietet das Restaurant (für Viktor) noch einmal eine Bandeja Paisa an, obwohl wir gar nicht mehr in der passenden Region Paisa in Kolumbien sind.

Den Nachmittag haben wir heute zur freien Verfügung. Wir relaxen im Hotel und komplettieren den Blog der letzten paar Tage, schneiden GoPro-Videos zusammen und laden unsere Fotos auf den Familienserver hoch. Leider ist das WLAN im Hotel ziemlich instabil, was das Ganze etwas verlangsamt.

So ein All-Inklusive-Paket kann ganz schön stressig sein. Jede Minute des Tages ist verplant und man hat wenig Zeit für Erholung oder spontane Aktivitäten. Wir sind da wohl doch eher die Selbstplaner und bevorzugen da mehr Autonomie. Aber ohne zertifizierten Guide ist auf Galapagos der Zugang zu den meisten interessanten Aktivitäten unmöglich. Hier geht es also wohl nicht anders.

Am späten Nachmittag können wir unserem ältesten Kind doch noch persönlich per WhatsApp-Videocall zum Geburtstag gratulieren. Danach gehen wir zu Fuß zum 800 Meter entfernten Flugplatz, von dem wir morgen gegen 13:00 Uhr abfliegen. Dort ist allerdings alles verschlossen, aber so kennen wir den Weg schon mal. Wir machen nochmal einen kurzen Spaziergang an der Promenade am Meer, Viktor trinkt ein Blackberry-Stout im „Post Office“ und wir essen in unserem All-Inclusive-Restaurant Pasta Frutimare (mit richtig viel Scampi und Pulpo) und „Pa Pi Poll0“ (Pommes mit Huhn) und lassen uns die sechs „All-Inclusive-Dollar“ wieder anrechnen.

Dienstag 1.10.24 – Galápagos – San Cristóbal – Quito

Unser Abreisetag von Galápagos. Wir sind die letzten übriggebliebenen Gäste im Hotel, im großen Frühstücksraum sind nur zwei Gedecke vorbereitet. Nachdem unsere paar Dinge wieder eingepackt sind, checken wir gegen neun Uhr aus, stellen die Taschen in einer ehemaligen Cafeteria ab und machen noch einen Rundgang durch den Ort.

Wir gucken eine Weile bei den Seelöwen, danach bei den Krabben, trinken noch einen Kaffee im „Umami“ aus sehr netten getöpferten Tassen, und auf dem Rückweg kaufen wir uns in der „Kachi Tanta“-Bäckerei drei unterschiedliche Sauerteigbrötchen für den Flug. Da es immer wieder fisselt, setzen wir uns die restliche Zeit bis elf Uhr in den überdachten Teil des Hotelinnenhofes. Unser „Betreuer“ Sandie hat uns gestern abend geschrieben, dass er uns um elf zum Flughafen fahren wird. Wir haben ihm zwar geantwortet, dass wir auch laufen können, aber da er nicht mehr reagiert hat, warten wir auf ihn. Um fünf nach elf schreiben wir ihm, dass wir loslaufen und tun das auch – es sind ja nur wenige Minuten Fußweg.

Am Flughafen stehen unerwartet viele Menschen in einer Schlange am Schalter. Unser Flug um 13:10 Uhr soll pünktlich sein, ein anderer verspätet, und mehr Flüge scheint es hier nicht zu geben. Wir geben unsere Taschen wieder auf, obwohl viele andere größere und wahrscheinlich auch schwerere als Handgepäck mitnehmen – einfach, weil es uns zusteht :-). Die Security lässt Viktor hier mit seinen Sandalen durch – beim Hinflug musste er sie ausziehen. Später im Warteraum wird er, neben einigen anderen, namentlich aufgerufen: bei der Kontrolle des Gepäcks ist der Laptop aufgefallen und muss herausgeholt werden. Geräte mit Akkus dürfen nicht mit aufgegeben werden – das war beim Hinflug kein Problem. Gleiche Fluggesellschaft!

Wir starten pünktlich, im gleichen Flugzeug sind auch zwei Personen, mit denen wir auf der Santa Fe-Tour geschnorchelt haben und die noch weiter nach Kolumbien reisen, bevor es wieder nach Barcelona geht. Sie steigen schon in Guayaquil um, denn heute landen wir wirklich dort zwischen. Wir bleiben dort eine knappe Stunde am Boden und müssen währenddessen auf unseren Plätzen sitzenbleiben, die meiste Zeit mit ausgeschalteten elektronischen Geräten und abgeschnallt, wegen des laufenden Tankforgangs. Das nervt ein wenig, aber was will man machen…

Von dort nach Quito geht es dann aber sehr schnell, kaum sind wir oben beginnt schon fast der Landeanflug, und pünktlich um 17:22 Uhr landen wir wieder in Quito. Bis unsere Taschen am Gepäckband ankommen, dauert es etwas – den Fahrer mit unserem Namen auf seinem Schild haben wir schon längst warten gesehen.

Es regnet ziemlich, und der Taxifahrer kommt uns netterweise an einem Unterstand abholen, dann fährt er uns durch viel stockenden Verkehr mehr als eine Stunde wieder in die Stadt zu unserem Hotel. Auf der Fahrt überholen wir ein Wohnmobil mit Deutschem Kennzeichen aus Hamburg, das fällt sofort auf.

Um nach sieben sind wir am Hotel, bekommen heute ein anderes Zimmer, aber wieder ganz oben, und gehen dann erst einmal in der Nähe bei einer Chifa (Chinesische Küche) für sehr wenig Geld recht gut essen. Anschließend tragen wir alle eingelagerten Radtaschen in unser Zimmer hoch und müssen alles wieder so umpacken, dass wir morgen wieder auf unser Tandem steigen können. Langsam wird es Zeit, dass wir weiterkommen!

Mittwoch 2.10.24 – (101) – Quito – Machachi

651 m bergauf

Gesamt: 6.115,44 km

Puh … nach einer Woche Galapagos auf Meereshöhe schlafen wir in der Nacht sehr schlecht (weil sauerstoffarm?) und die heutigen 38 Kilometer fühlen sich an wie 100.

Glücklicherweise haben wir uns gestern Abend noch entschieden, erstmal mit einer kurzen Etappe loszulegen. Nach langem Hin und Her wollen wir jetzt doch noch ein Stück in der „Sierra“ weiterfahren, also weiter in den Anden mit entsprechenden Höhenmetern. Wie folgen damit unter anderem dem Ratschlag des Mannes, den wir in der U-Bahn von Quito getroffen hatten. Er meinte, dass die Sierra einfach die schöneren Landschaften bietet und man die Städte Baños und Cuenca nicht verpassen dürfe.

Wir wollen daher von Ambato einen Tagesausflug nach Baños unternehmen und mit dem Tandem noch bis Cuenca weiterfahren. Da wir mittlerweile wieder etwas spät dran sind (auch wegen der Woche Galapagos), werden wir vermutlich ab Cuenca wieder eine Bus-Etappe einlegen und bis an die Peruanische Grenze nach Huaquillas fahren. Von dort soll es dann auf dem Tandem in Richtung Lima weitergehen. So müssten wir es grobgerechnet weiterhin zu Weihnachten nach Santiago der Chile schaffen können, wenn wir einen Großteil der Atacama-Wüste ebenfalls mit dem Bus überbrücken (und vermutlich Bolivien ganz weglassen – adé Titicacasee und Salar de Uyuni 🙁 ).

Die heutige Etappe ist jedenfalls nicht besonders schön. Die ersten 20 Kilometer fahren wir durch die südlichen Randbezirke von Quito, fast alles unansehnliche Gewerbegebiete. Ständig werden wir von Bussen überholt, die in schwarze Rußwolken gehüllt sind und immer wieder knapp vor uns abbremsen und rechts ranfahren, um irgendjemanden ein- oder aussteigen zu lassen. Wir bleiben entweder dahinter stehen, in der Hoffnung, dass sie gleich weiterfahren, oder wir versuchen, links an ihnen vorbeizufahren. Letzteres endet aber meist damit, dass sie gerade losfahren, wenn wir auf halber Höhe neben dem Bus sind und sie uns rücksichtslos (im wahrsten Sinne des Wortes) in den laufenden Verkehr abdrängen. Bleiben wir sicherheitshalber hinter dem Bus stehen, kann man fast darauf wetten, dass der gerade jetzt einen längeren Halt einlegt.

Wir sind heute sowieso ziemlich kurzatmig und die Abgase tun ihr Übriges. Die ersten Kilometer gehen so schwerfällig voran, als wären wir gerade zum ersten Mal mit dem Tandem unterwegs. Viktor wählt möglichst leichte Gänge, damit wir erstmal wieder ins normale Rollen kommen.

Nach 20 Kilometern kommen wir so langsam in etwas ländlichere Gefilde und machen unsere erste Pause an einer Tankstelle. Der Mini-Market ist wirklich sehr „mini“, Cafe con leche gibt es nicht, also gönnen wir uns jeder ein Magnum von „Pingüin“, wie Langsnese hier heißt.

Auch die letzten fünf Kilometer gehen ständig bergauf (zwischen 1 und 5% Steigung). Heute fühlen sie sich an wie die schlimmsten Bergetappen. Immerhin werden wir gegen 13:15 Uhr in Machachi mit einem tollen Hotel und super-freundlichem Empfang belohnt, in dem auch viele Deutsche Touristen absteigen, die auf den Cotopaxi wollen. Leider ist auch hier gerade mal wieder der Strom abgeschaltet und das Warmwasser daher nicht verfügbar. Viktor legt sich im sehr geräumigen Hotelzimmer einfach in den verschwitzten Klamotten auf die Ledercouch und schläft ein.

Als der Strom wieder da ist (kurz nach 15 Uhr) wird geduscht und wir bekommen an der Hotelbar einen Koka-Tee, der bei Höhenluft-Beschwerden helfen soll.

Zum Abendessen geht es in eine kleine Pizzeria, wo wir beide Nudeln essen und einem Ecuadorianischen Pokal-Halbfinale lauschen dürfen, das ins Elfmeterschießen geht. Das Spiel wird auf dem Fernseher gestreamt und wegen der Stromprobleme ist das Internet heute wohl hier sehr instabil. Immer wieder dreht sich die Übertragung im Kreis und einige Szenen gibt es daher fünf Mal und öfter zu sehen. Jutta sitzt mit dem Rücken zum Bildschirm und bekommt das alles nicht mit.

Im Hotel kämpfen wir noch mit unserem Garmin-Navigationsgerät, dessen Speicherplatz nicht mehr ausreicht, und schreiben den Blog-Beitrag. Viel zu spät geht es gegen 21:30 Uhr in die Federn.

Donnerstag 3.10.24 – (102) – Machachi – Latacunga

655 m bergauf

Gesamt: 6.169,97 km

Der Wecker klingelt um sechs. Als wir aber feststellen, dass schon wieder kein Strom da ist, bleiben wir noch fast eine Stunde liegen. Das Europäisch anmutende Frühstücksbuffet macht mehr Spass mit Strom (z.B. für den Wasserkocher und schwarzen Tee). Als wir um kurz nach acht das Tandem fertigmachen, haben wir die Hotelbetreiberin und eine Gästin um uns, die sich interessieren und Fotos machen.

Auf den ersten zwei Kilometern haben wir schon zweimal uns laut bellend verfolgende Hunde abzuwimmeln (was beim zweiten Mal erst durch Absteigen und Drohen glückt), und auch auf der weiteren Fahrt häufen sich diese „Attacken“. Wie soll das erst in Peru werden, wo es noch deutlich schlimmer sein soll?

Wir haben gestern beschlossen, heute doch nicht die gut 90 km bis Ambato durchzufahren, sondern in Latacunga zu übernachten, und das ist auch gut so! Die ersten knapp 20 km geht es stetig bergauf bis auf 3.500 m ü.N.N., und wir benötigen dafür 2:45 Stunden. Uns beiden schmerzen die Knie, an unterschiedlichen Stellen, und die Luft ist außerdem ziemlich dünn. Jutta, die sonst immer durch die Nase atmet, tut dies seit gestern oft durch den Mund, weil sie das Gefühl hat, dass die Luft nicht bis unten in die Lunge kommt. Unsere Fahrtrichtung ist gen Süden, und der kräftige Südwind kommt uns großteils auch noch entgegen. Immerhin ist heute die Landschaft wesentlich schöner als gestern – Vulkane, Landwirtschaft – auch in über 3.000 m Höhe – und der Verkehr ist auch nicht so schlimm.

Nach erst zwölf Kilometern, aber über zwei Stunden machen wir eine Pause in einer Art Berghütte, richtig schön gewärmt, in der es wieder die Bizcochos gibt, die wir schon einmal auf dem Weg nach Quito hatten. Viktor hat auch noch zusätzliche Energie in Form von „Manjar“ (Dulce de Leche – gesüßte Kondensmilch) bestellt. Während wir alles vertilgen bestätigen wir uns gegeseitig, dass wir leicht bläuliche Unterlippen haben, nicht von der Kälte, denn sooo kalt ist es nicht, schon gar nicht in diesem elendig langen Daueranstieg, sondern vermutlich vom Sauerstoffmangel, den wir heute immernoch spüren.

Als es endlich bergab geht, verrutscht uns heute der rote Seesack gleich zweimal hintereinander und ein Spanngurt gerät in die Kette, aber danach geht es zügig weiter, und um halb zwei sind wir in Latacunda an einem Shopping-Center, wo wir noch einmal halten. Hier gibt es einen bewachten Fahrradparkplatz mit Parkticket, das man bei der Ausfahrt wieder abgeben muss. Obwohl es gar nicht mal so warm ist, wollen wir eine der mehreren Eiseinladungen einlösen, bevor wir unser Hotel aufsuchen.

Nach einem Rundgang durch die Mall bestellen wir also große Eisbecher und genießen sie: Vielen Dank, Joachim und Ursula!

Das Hotel erreichen wir um 14:45 Uhr und bekommen gleich gesagt, dass es von 15 bis 20 Uhr keinen Strom geben wird. Ganz schnell springen wir unter die Dusche und sind fertig, bevor alles dunkel und kalt wird.

Wir machen uns mit dem Laptop auf den Weg, immer auf der Suche nach einer Gegend mit Strom und landen in der Cafeteria eines anderen Hotels, gerade rechtzeitig, bevor es mit Hagel anfängt zu gewittern. Die Cafeteria hat irgendwie Uruguaische Wurzeln und Viktor isst zum Kaffee ein paar Alfajores.

Als wir den Blog-Eintrag fast fertig geschrieben haben scheint auch schon wieder die Sonne und wir gehen zurück zu unserem Hotel. Wir laufen durch mehrere Straßen, in denen es aus vielen Hauseingängen wummert und dröhnt. Überall laufen Notstromaggregate. Hier wird uns wieder mal deutlich vor Augen geführt, wie sehr wir Menschen vom elektrischen Strom abhängig geworden sind. Nicht einmal der Frisör mit seinem elektrischen Haarschneidegerät kommt mehr ohne Stromanschluss aus. Teilweise liegen Verlängerungskabel quer über die Straße, weil sich mehrere Läden ein Notstromaggregat teilen oder der eine Häuserblock noch Strom hat und ihn an den gegenüberliegenden Block abgibt. Na ja, und ohne den fossilen Energieträger Benzin ginge hier natürlich rein garnichts.

Von etwa fünf bis etwa sieben halten wir uns im Zimmer auf, es wird immer dunkler, zwischendurch blitzt ein paar Mal das Licht auf – der Hotelier versucht wohl, das Notstromaggregat ans Laufen zu bekommen. Dann gehen wir mit Handy-Taschenlampe einige Blöcke in Richtung Strom (also erleuchtete Straßenzüge), um etwas zu essen, und landen im Pub K24. Jutta bestellt die Bowl K24, die mit essbarem Blattgold besprenkelt ist. Die Mitarbeiter zünden einige Kerzen an, und wir vermuten schon, dass auch hier das Licht bald ausgehen wird. Und ja, um acht wird es plötzlich dunkel – wir sind gerade bereit zu zahlen. Dann gehen wir erst durch dunkle Straßen wieder in unsere Gegend, wo inzwischen der Strom zurückgekehrt ist.

Freitag 4.10.24 – (103) – Latacunga – Ambato

446 m bergauf

Gesamt: 6.211,71 km

Als der Wecker um sechs klingelt, können wir tatsächlich das Licht anmachen – wir haben also Strom im Hotel. Etwa eine Minute später wird es allerdings schon wieder dunkel – die nächste Stromabschaltung. Mit der Handytaschenlampe bekommen wir unsere Zahnbürsten zugeordnet, alles andere klappt mehr oder weniger im Dunkeln – ein wenig Licht kommt durch das Fenster zum Innenhof, der oben ein durchsichtiges Kunststoffdach hat.

Unten im Frühstücksraum arbeitet das Notstromaggregat, und wir bekommen ein gutes Frühstück. Gegen acht sind wir abfahrbereit, und wieder werden wir begleitet, diesmal vom Hotelbesitzer höchstpersönlich, und er macht auch das Abfahr-Foto von uns.

Die heutige Tour ist weder lang noch mit viel Steigung. Es ist in den ersten zwei Stunden erstaunlich wenig los auf den Straßen, und die Panamericana ist hier vierspurig. Wo sind die vielen Busse? Wir vermissen sie aber nicht. Als Jutta an einer Mautstation die Toilette benutzen will, muss sie über alle Zahlstellen bis zur anderen Straßenseite, das dauert, da hat Viktor lange Zeit, mit einem dort arbeitenden Security-Mann zu quatschen.

Es sind heute mehrere kleinere „Hügel“, wir fahren also immer mal für kürzere Strecken bergauf und bergab. Ab Salcedo ist die Straße nur noch zweispurig und ohne Seitenstreifen, und hier ist der Verkehr inzwischen deutlich stärker – wahrscheinlich stehen die Menschen hier erst um neun auf. Wir fahren trotzdem ohne Pause immer weiter, benutzen zwischendurch einige Male die Hundepfeife (und bewegen die bellenden Hunde damit tatsächlich meistens zum Schweigen) und erreichen schon um halb elf den Stadtrand von Ambato.

Die Stadt ist sehr bergig, manche Straßen sind sehr steil, an vielen Stellen sind die Abhänge rechts und links der Straße zubetoniert. Komoots Streckenführung will uns ernsthaft das Tandem eine Treppe heruntertragen lassen – wir schieben statt dessen eine Alternative herunter, um auf die richtige Straße zu wechseln.

Weniger als drei Kilometer vor dem Ziel wollen wir doch einen Kaffee trinken und halten an einem vermeintlichen Shopping-Center. Leider ist es nur ein Supermarkt mit einem großen Fahrradladen im Untergeschoss, ein paar Mini-Läden auf dem Weg zum Obergeschoss, und dort neben dem Supermarkt eine Apotheke, ein Pizzastand und ein Eiscafé. Die draußen angekündigte Panaderia ist die Brotabteilung des Supermarktes, und es gibt tatsächlich keinen Kaffee zu kaufen. Na ja, im Eiscafé gibt es Eiscappuccinos – nehmen wir wenigstens diese, bevor wir die restlichen, beschwerlichen Kilometer durch die Stadt fahren.

Das Hotel Ambator lässt uns trotz der frühen Stunde schon einchecken, das Tandem darf in einem Salon abgestellt werden. Man sagt uns, dass heute der Strom schon abgeschaltet war, bislang nichts weiter angekündigt ist, sich das aber schnell ändern kann. Wir wollen schnell duschen und dann den Tag nutzen, allerdings liegen keine Handtücher im Zimmer. Jutta ist schon fertig und steht nass und frierend in der Dusche, bis endlich jemand mit exakt „unserem“ geheimen Klopfzeichen an der Zimmertüre klopft (Tam-Tatatam-Tam …. Tam-Tam …. woher kennt er das? 😉 ) und unsere Handtücher bringt.

Wir packen unseren Seesack mit Dreckwäsche und machen uns auf den Weg. Der nächste Waschsalon ist nur ein paar Blöcke entfernt, und dort sind auch mehrere Friseure – dieses beides wollen wir heute erledigen. Beim Waschsalon müssen wir wieder die Wäsche abgeben (Selberwaschen war seit Panama nicht mehr möglich), anschließend wählen wir den „Amerikanischen Friseur“ aus. Der Einmannbetrieb hat nur noch einen kleinen Jungen auf dem Stuhl, danach sind wir dran.

Im Anschluss gehen wir im Café Conquistator einen Milchkaffee trinken. Im oberen Stockwerk beginnt gleich eine Pressekonferenz, zu der relativ viele Menschen an uns vorbeilaufen.

Als wir hinterher noch ein wenig Sightseeing machen wollen und an der Hauptattraktion, dem Cevallos-Park (u.a. mit den großen AMBATO Buchstaben) ein Foto machen, kommt eine Frau und rät uns, hier nicht das Handy offen zu zeigen, weil sehr viel gestohlen wird. Wir sollen lieber die Richtung einschlagen, in der auch unser Hotel liegt. Puh – da sind wir diesmal wohl in der „guten“ Gegend gelandet.

Die zweite Sehenswürdingkeit, die Kathedrale, wirkt ziemlich neu, ist aber immerhin schon 1955 geweiht worden. Zwei ältere Kathedralen am selben Standort wurden durch Erdbeben zerstört.

Danach geht es erst einmal wieder zurück zum Hotel. Viktor hört eine Sprachnachricht von unserer „Bekanntschaft“ aus Acapulco, der davon erzählt, dass sie sich noch vom Hurrican erholen. Wir googeln: letzte Woche, am 27. September, gab es schon wieder einen heftigen Hurricane dort (nach Otis am 25. Oktober 2023, von dem sich die Stadt immer noch nicht richtig erholt hat), diesmal mit noch heftigerem Regen. Da waren wir wohl in der richtigen Jahreszeit in der Gegend in Mexico!

Am Ende des Tages landen wir zum Abendessen im Hotelrestaurant, weil wir auf dem Rückweg von der Wäscherei einfach kein Restaurant finden, das uns heute überzeugen könnte.

Morgen machen wir einen Ruhetag mit Tagesausflug nach Baños.

Samstag 5.10.24 – Ambato – Baños – Tagesausflug Amazonas

Wir werden um sieben Uhr von einem Taxi abgeholt, dass uns zu einer Busstation bringen soll, wo die Busse nach Baños abfahren. Da das Hotel Frühstück ab sieben Uhr anbietet, bekommen wir eines to go – Toastbrot und Mango. Als wir an der Haltestelle ankommen, können wir sofort in einen passenden Bus steigen, damit hatten wir gar nicht gerechnet. Wir fahren eine Stunde und sind um 8:15 Uhr in Baños, von wo wir ab neun eine Ganztagestour mit „Alexander-Tours“ gebucht haben. Einen Kaffee können wir trotz der Zeit nicht mehr trinken, da hier gerade der Strom abgeschaltet ist, aber wir bekommen immerhin einen Kakao.

Beim Büro von „Alexander-Tours“ angekommen werden wir sofort zu einem kleinen Bus geführt, in den wir als erste einsteigen, um dann diverse Runden im Ort zu fahren, auf der die anderen Reisenden und eine Menge Gummistiefel eingesammelt werden. Die letzten zwei Passagiere steigen aus einem anderen Bus direkt in unserern – irgendwo auf der Straße. Jetzt werden wir von unserem Guide Pablo informiert, dass wir zwei Stunden in Richtung des Amazonas-Gebietes fahren, bevor die Aktivitäten beginnen. Puh … wenn wir das vorher gewusst hätten, vielleicht hätten wir dann doch irgendwas anderes in Baños unternommen. Zweimal zwei Stunden Busfahrt zusätzlich zu der Strecke von Ambato nach Baños (2 x 40 Minuten). Irgendwie hatten wir Baños als „Tor zum Amazonasgebiet Ecuadors“ abgespeichert. Baños selbst wirkt auf uns aber eher wie ein idealer Ausgangspunkt für alle möglichen Extremsport-Aktivitäten. Überall hängen Plakate mit Angeboten zum Ziplining, Wildwasser-Rafting, Paragliding, Extrem-Mountainbiking und, und, und. Außerdem gibt es sehr viel Hostels und Hotels. Aber so richtig schön erscheint uns die Stadt auf Anhieb nicht. Wir haben allerdings auch keine Zeit, sie genauer zu erkunden.

Auf der Strecke halten wir schon an einem Aussichtspunkt (Mirador Mira Mera), wo wir auch etwas verzehren können. Eigentlich soll es anschließend als erstes zur Wanderung zu einem Wasserfall gehen, nur leider ist die Zufahrt zum Parkplatz von Baufahrzeugen belegt, und wir fahren rückwärts wieder raus. Statt dessen beginnen wir in einem Eingeborenen-Dorf, zu dem wir über eine ziemlich ramponierte Hängebrücke kommen. Ein in Festkleidung gekleideter Mann moderiert einige Darbietungen: Getränk, Pfeilschießen, Gesichtsbemalung, Tanz, Papagei und Boa constrictor. Nach einem Besuch des kleinen Kunsthandwerk-Ladens fahren wir weiter zu einer Stelle, an der durch die Bushupe Kanuführer aus dem gegenüberliegenden Dorf gerufen werden, die unsere Gruppe in zwei undichten Einbaum-Holzkanus den Fluss herunterfahren. In unserem Kanu ist schnell ziemlich viel Wasser durch die Wände eingedrungen, so dass alle nasse Füße bekommen. Der Fluss hat z.Z. wenig Wasser, einmal setzen wir auf und oft müssen wir durch ziemlich bewegtes Wasser und Stufen. Wir steigen irgendwo wieder aus, wo der Bus auf uns wartet.

Viktor denkt unterwegs mehrfach „We are sinking, we are sinking!“ und erinnert sich an diesen Werbespot:

Inzwischen ist es halb zwei, und wir werden an einem Restaurant abgesetzt, wo wir Mittagessen bekommen (dafür konnten wir morgens schon wählen, ob wir Huhn, Fleisch, Fisch oder Vegetarisch wünschen – Viktor nimmt „Maito“, den auf hier typische Art im Bananenblatt gedünsteten Tilapia).

Frisch gestärkt fahren wir über die jetzt freie Zufahrt zum Wanderweg zum Wasserfall „Cascada Hola Vida“. Der Weg ist heute einigermaßen trocken, so dass wir die mitgebrachten Gummistiefel nicht anziehen müssen. Es geht ca. 30 Minuten meist bergauf, über einige Brücken, bis wir ankommen. Auf dem Weg zeigt uns Pablo ein natürliches Mittel (Sicta), dass die Nase freimacht, nachdem es die ersten Minuten ziemlich brennt (als hätte man mit der Nase zu scharf gegessen), und schmiert die Gesichter von den Freiwilligen mit einer Art Lehm ein, wodurch man fünf Jahre jünger aussehen soll. Am Wasserfall können wir baden gehen. Wir haben aber kein Schwimmzeug dabei und verzehren hier stattdessen unsere Frühstücksmangos. Der Weg zurück zum Parkplatz ist wieder derselbe.

Irgendwann kommen wir unterwegs durch den Ort „Shell“, an dessen Eingang eine große goldene Statue einer Gewichtheberin steht. Tatsächlich ist die Stadt nach dem Ölkonzern Shell benannt, der 1937 die Konzession für die Erschließung der Erdölvorkommen der Region erhielt und an dieser Stelle eine Arbeitersiedlung erbaut hat. Die Gewichtheberin ist Angie Palacios, die hier geboren wurde.

Die nächste Station ist eine kleine Kakao-Farm „El Paraiso Cacao Farm“. In der Zeit, in der Kakaobohnen über einem offenen Feuer geröstet werden, bekommen wir aus der frisch geöffneten Frucht die frischen, weißen, weichen Bohnen zum Lutschen. Die dann fertig Gerösteten werden auf unserem Tisch verteilt, und wir alle zusammen schälen sie. Aus den Schalen wird Tee gekocht, die Bohnen werden dreimal durch eine Art Fleischwolf gedreht. Die dann entstandene Masse wird auf einem Bananenblatt verstrichen und sieht schon fast wie eine Tafel Schokolade aus. Gekühlt und fest hat sie das Muster des Bananenblattes.

Für zwei USD extra bekommen wir heiße Schokolade, Schokoladentee und Yukka-Brot und beobachten währenddessen einen grünen Papageien, der neben uns regelrechte Kunststücke vollbringt.

Um fünf fahren wir von dort noch zur letzten Aktivität: dem Mirador Indichuris, wo wir nicht oben auf der Tarzan-Schaukel schaukeln, sondern nur unten, aber wo wir von oben einen tollen Blick genießen. Gegen sechs treten wir die Rückfahrt an und kommen um acht wieder in Baños an. Dort finden wir nahtlos einen Bus nach Ambato (aus dem wir allerdings in San Pedro de Pelileo in einen anderen, hinter uns fahrenden, umsteigen sollen) und an der Stelle, wo wir aussteigen müssen, steigen wir ebenfalls sofort in ein Taxi zum Hotel.

Um halb zehn sind wir im Zimmer, nachdem wir uns schon Essen aufs Zimmer bestellt und die medizinischen Geräte, die unten im Hotel herumstehen, angeschaut haben. Von draußen ist laute Livemusik zu hören (wenn man mal einen lokalen Stromausfall bräuchte … passiert natürlich keiner), aber wir müssen eh noch Blog-Schreiben und essen. Es wird darüber Mitternacht …. und dabei steht uns ein Hammertag mit 1.200 Höhenmetern bevor.

Sonntag 6.10.24 – (104) – Ambato – Riobamba

1219 m bergauf

Gesamt: 6.269,63 km

Um fünf werden wir geweckt: draußen läuft der laute Stromgenerator wieder und aus dem Bad schallt Musik durch das Entlüftungsgitter. Um sieben sind wir beim Frühstücksbuffet, und Viktor bekommt endlich die vorgestern Abend vergessene Handyhülle zurück.

Die Diagnostikgeräte in der Halle sind über Nacht wieder abgebaut worden, so können wir auch viel besser unser Tandem aus dem Büro des Hotelmanagers herausholen, in dem wir es abstellen durften. Um 8:15 Uhr sind wir abfahrbereit, mit dem Wissen, dass es die ersten ca. 30 Kilometer nur bergauf geht. Schon in Ambato geht es über kurvige Straßen teilweise steil aufwärts, heute schickt uns Komoot aber immerhin nicht über Stufen (später dafür über unbefestigte Wege und in Sackgassen…).

Unsere erste Pause müssen wir relativ schnell an einer Tankstelle machen. Jutta hat es mit ihrer Kraft irgendwie wieder geschafft, das Tandem an der mittleren Teleskopierung einen Zentimeter auseinanderzudrücken. Wir müssen es wieder zusammenschieben, die Schraube nochmal fester ziehen und prüfen auch nochmal den Reifendruck.

Und wirklich, bis Kilometer 34 gibt es nur wenige Momente, in denen wir nicht an Höhe gewinnen. Als wir nach zwei Stunden erst zwölf Kilometer gefahren sind, beginnen wir, nach einer Pausenmöglichkeit zu schauen. Um kurz vor elf liegt ein Restaurant am Straßenrand mit geöffneter Tür. Sie öffnen aber erst um halb zwölf! Wir dürfen uns auf die überdachte Terrasse setzen und unsere Snacks und Wasser verzehren. Vor uns werden Meerschweinchen über Holzkohle gegrillt, und Viktor beschließt, ein Viertel Meerschwein zu bestellen, sobald möglich.

Also wird die erste Bestellung des Tages ausgelöst, und obwohl die ersten Schweinchen schon länger vom Grill genommen wurden, dauert es eine ganze Weile, bis das Essen kommt. Und dann kommt die Ernüchterung: Es wird sicher nicht Viktors Lieblingsessen. Das wenige Fleisch an dem kleinen Tier schmeckt ganz o.K., ähnlich wie Hähnchen aber weicher. Aber das Fett schmeckt fischig-tranig, erinnert leicht an fettigen Lachs. Es sind bestimmt tolle, gesunde Omega-3-Fettsäuren darin enthalten … aber bäh! Die knusprig gebratene Haut geht auch Richtung Hähnchen und ist ganz o.K.. Die Rippen sind dünn wie Fischgräten und beim Essen eigentlich überall im Weg. Der Cuy kriegt in Peru bestimmt nochmal eine Chance. Man soll ja jedem neuen Geschmack eine zweite Chance geben.

Um zwölf sitzen wir wieder im Sattel, und wir kommen etwas schneller voran als vor der Pause. Leider sind heute – obwohl es ja Sonntag ist – überhaupt keine anderen, uns motivierenden Radfahrer unterwegs, wie es seit Cartagena eigentlich jedes Wochenende der Fall war. In dieser Gegend haben die wenigen hier lebenden Menschen wohl andere Probleme und fahren kein Rad. Am Nachmittag erfahren wir noch, dass die wenigen Sportradler die Panamericana hier eher meiden, weil sie zu stark befahren und unfallträchtig ist.

Am Straßenrand liegen heute zwar auch einige Flaschen (wir wundern uns darüber, dass soviele zersplitterte Glasflaschen herumliegen, wo es hier überall immer nur Plastikflaschen zu kaufen gibt), aber hier gibt es besonders viele zugeknotete, schwarze Plastiktüten, in denen die Außer-Haus-Mahlzeiten mitgegeben werden. Gefühlt alle paar Meter wurde eine solche aus einem Autofenster geworfen. Es ist kein Vergleich mit dem Müll in Mexico, aber auffallend ist das doch!

To go-Tüte mit Wegwerfverpackung innen drin

Um viertel vor zwei, nach fünfeinhalb Stunden, haben wir die Hälfte der heute zu bewältigenden Kilometer geschafft und sind trotzdem noch nicht „oben“, das dauert noch weitere 30 Minuten, dann haben wir die Höhe von 3.600 Metern ü.N.N erklommen. Hoffentlich geht es ab jetzt schneller…

Die Abfahrt beginnen wir ziemlich schnell, werden aber von der überhitzten Vorderbremse schnell gezwungen, langsamer zu fahren. Wir sind nämlich noch keine drei Kilometer abgefahren, da lässt der Bremsdruck vorne deutlich nach und wir halten mithilfe der hinteren Bremse an, um die Vorderbremse abkühlen zu lassen. Nach dem Abkühlen ist wieder Druck da und wir können weiterfahren, müssen aber deutlich langsamer abfahren und durch Intervallbremsen dafür sorgen, dass die Bremsen nicht zu warm werden. Vermutlich ist die Bremsflüssigkeit zu heiß geworden, schlimmstenfalls sogar kurzzeitig in den gasförmigen Zustand übergegangen. Jedenfalls ist es wohl eindeutig Zeit für eine Überprüfung der Bremsen.

An einer Tankstelle kurz vor San Andres machen wir nochmal Pause, trinken zwei Cappuccino und suchen in unserem Zielort Riobamba nach Fahrradläden (Bicicleterias). Tatsächlich finden wir in Google-Maps einen Fahrradladen, der nur 900 Meter von unserem Hotel entfernt ist und Sonntags geöffnet haben soll.

Die restliche Abfahrt nach Riobamba ist nicht mehr so steil und wir können relativ flott in die Stadt hineinrollen. Wir fahren direkt zu dem Fahrradladen und treffen tatsächlich jemanden an, der gerade dabei ist, seinen Laden auszuräumen und 50 Meter weiter in neuen Räumlichkeiten wieder einzurichten. Er schaut sich die Vorderbremse an, stellt fest, dass wir die Bremsbeläge fast vollständig abgefahren haben und vermutet, dass nach über 6.000 Kilometern auch ein Wechsel der Bremsflüssigkeit angesagt sein könnte. Wir sollen morgen um 9 Uhr kommen und er erledigt alles in etwa einer Stunde, so dass wir sogar die für morgen geplante Etappe noch schaffen könnten. Na das hat doch mal wieder super gepasst.

Frohen Mutes checken wir in unserem Hotel ein, haben sogar Strom und warmes Wasser, und können noch vor Sonnenuntergang auf die Suche nach einem Restaurant fürs Abendessen gehen. Die zwei Cuy-Restaurants an der Hauptstraße fallen schon mal aus. Wir klappern mehrere Burgerläden ab und fragen nach vegetarischen Alternativen, aber am Ende wird es wieder eine Pizzeria, denn eine vegetarische Pizza ist da eigentlich immer auf der Karte oder leicht als Sonderanfertigung zu bekommen.

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