Montag 27.5.24 – San Sebastián (Retalhuleu) – Patulul
Gesamt: 2.304,41 km

Der Tag beginnt gegen sechs mit einem heftigen Tritt von Viktor – in Hundesch … , was mit Radfahrschuhen wirklich nicht lecker ist. Schon mal ein toller Start in den Tag. Und das auch noch für ein Sonnenaufgangsfoto, das nichts wird (siehe oben … man beachte die trübe Sonne). Glücklicherweise ist am Hotel auch gleich eine Tankstelle (weshalb es die Nacht über auch wieder schön laut war), und Viktor kann den betroffenen Schuh sofort mit Autowaschwasser halbwegs sauber abspülen. Glück im Unglück: Es ist nur die Ferse betroffen und nicht der Cleat-Mechanismus vorne, der auf dieser Tour auch schon einmal mit Kaugummi verkleistert war.
Eigentlich beginnt der Tag ja schon um 5 Uhr mit dem Anziehen der feuchten Klamotten von gestern. Da denkt man, im „luxuriösen“ Hotel wird man kein Camping-Gefühl entwickeln, und dann schlafen wir in unseren Innen-Schlafsäcken und morgens sind die Klamotten noch feucht.

Wieso eigentlich Autowaschwasser? Ja, hier in Guatemala werden die Autos ab einem bestimmten Tankbetrag kostenlos von den Tankwarten gewaschen, und das Wasser läuft einfach so über den versiegelten Boden irgendwo hin, oft zur Straße und über diese hinweg auf die andere Straßenseite, wo es dann versickert, unter Umständen wächst direkt am Straßenrand Mais, der dann mit dem Dreck-Wasser-Öl-Gemisch gewässert wird. Praktisch, oder?
Wir machen uns nach der Schuhputz-Aktion auf den Weg und merken sofort, dass die letzten beiden Tage noch Wochenende war: die Straße ist wirklich voll, auch schon um sechs, mit Motorrädern, Lastwagen und Bussen, die an einigen Stellen im Stau stehen, an dem wir aber oft rechts auf dem Standstreifen vorbeifahren können. Hier liegt der „Standstreifen“ zwar immer ein paar – oder auch mal ein paar mehr – Centimeter tiefer als die Straße, was ein Hin- und Herwechseln etwas erschwert, dafür ist er aber relativ sauber – Glas, Schrott und sonstiger Müll liegen erst im Grünen -, weil auch die Mopeds viel am Rand fahren und diesen „sauberfahren“.
Wir frühstücken in einer North-West-Tankstelle (guter Kaffee, saubere Toiletten, und wir dürfen unser eigenes Brot/den Rest Pizza essen), kommen gut voran, und um viertel vor neun braucht Viktor sein erstes Motivationseis. Diesmal endlich was fruchtiges ohne Chili oder Sägespäne – ach nein – gemahlene Kürbiskerne.
An unserem angepeilten Zielort Rio Grande nach 53 km sind wir schon um kurz nach 10 Uhr, und da es dort eh nur ein ziemliches Schmuddelhotel gibt, beschließen wir einstimmig die Weiterfahrt – natürlich nach einer weiteren Eispause bei North-West.
Jutta entdeckt einen Hügel mit Bienenvölkern, und Viktor beobachtet durch den Zaun, dass dort gerade ein Zuchtrahmen in eine Volk einghängt wird. Hier werden definitiv Königinnen herangezogen. Auf Zuruf erfahren wir, dass es ca. 500 Königinnen pro Saison sind. Wir werden sogar eingeladen, uns das Gelände anzuschauen. Verdammt, eine jener Situationen, in denen Abwägen und Kompromisse finden angesagt sind. Die größte Tageshitze steht kurz bevor und wir haben – nach einem heftigen Tag gestern – gerade entschieden, heute auch länger zu fahren. Mit etwas Wehmut lässt Viktor die Besichtigung sausen und es geht weiter.


Um 12.15 Uhr kommen wir nach 70 km in Patulul an und fragen bei einem INGUAT-zertifizierten Hotel nach einem Zimmer. Sie haben heute gerade alle Zimmer „fumigiert“, und wir sollen uns noch eine Weile gedulden. Angeblich passiert das prophylaktisch jeden Monat … aber wir befürchten natürlich trotzdem ein Ungezieferproblem.
Also gehen wir in den ziemlich bergigen Ort und stoßen in einem kleinen Bistro mit schönem Garten hintendran (wieder einmal eine kleine Oase) mit zwei Frappucino auf die Geburt von Kalle und Lotta meiner Cousine Anna an (gesponsort von Eurer Tante „Mopsi“ – vielen Dank, Maggie! und liebe Grüße an Anna, Arne, Ole, Michel, Kalle und Lotta).

Auf dem Rückweg kommen wir noch an einem Informationsstand für Investitionen in Grundstücke und Häuser in einer „Area Residencial“ vorbei. Wir machen ein Foto von dem typischen Aussehen, das uns in Guatemala schon häufiger aufgefallen ist. Ein großes repräsentatives Eingangstor und dahinter …. nichts außer Straßen, Straßenbeleuchtung, voll erschlossene Grundstücke, aber kein einziges Haus. Wir werden natürlich sofort angesprochen und nach unserem Investitions-Interesse gefragt. Also wenn jemand hier bauen will … die Grundstücke sind günstig und wir hätten da eine Telefonnummer für Euch.

Nach dem Einkauf von Getränken für den Rest des Tages und für morgen ist unser Zimmer bezugsfertig, im Pool im Hof vor dem Zimmer beginnt gerade der Schwimmunterricht der örtlichen Schule mit sehr vielen Kindern, immer in Etappen, und wir haben stundenlang Unterhaltung durch die Rufe des Lehrers, seine Trillerpfeife und das Kindergeschrei.






Heute kommt während der Fahrt das Thema auf, dass wir ja eigentlich durch unser Radfahren und die viele Bewegung unser Leben verlängern dürften :-), falls es nicht z.B. abrupt unter einem Guatemaltekischen Chicken-Bus endet. Allerdings wird das Ganze vermutlich doch ein Nullsummenspiel, da z.B. ebendiese Chicken-Busse dunkle schwarze Dieselwolken ausstoßen, die wir über die Atemwege und die Haut aufnehmen (und vermutlich auch andere Schadstoffe über die Speisen – siehe oben). Jutta hatte gelesen, dass diese Chicken-Busse von lebensmüden Irren – oder waren es irre Lebensmüde? – gefahren werden und plant auch nicht, mit einem zu fahren. Viktor würde es eigentlich ganz gerne einmal ausprobieren.



Außerdem planen wir, morgen eine wirklich lange Tour nach Escuintla zu fahren (Korrektur … doch nicht so lang … Komoot hat Viktor wieder einen Streich gespielt … aber die Fehlerquelle sitzt ja meistens vor dem Endgerät), um übermorgen von dort mit einem Taxi – nicht im Chicken-Bus – in das von dort nicht weit entfernte Antigua zu fahren, wo es einen Deutschen Warmshowers-Gastgeber gibt, bei dem wir zwar nicht übernachten werden, der mit uns aber eine Stadtführung machen will.
Er hat uns auch schon eine Übernachtung für Donnerstag abend im La Combi organisert, wo man in umgebauten VW Bussen übernachten kann. Genial!



Dienstag 28.5.24 – Patulul – Escuintla

Gesamt: 2.362,68 km
Heute sind wir schon um viertel vor sechs auf der Straße, wieder mit feuchter Kleidung – wir hatten sie nachts draußen hängen, und zuerst geht es den Berg hinunter bis zu einer schon morgens um sechs ziemlich überfüllten Kreuzung. Dort haben auch schon die Verkaufsstände geöffnet und wir können gekühltes Wasser kaufen. Das Vorankommen auf der CA-2 ähnelt dem von gestern, es sind sehr viele LKW und Chickenbusse unterwegs, die teilweise sehr eng überholen. Es könnte so schön sein, durch das ganze Grün rechts und links zu fahren, wenn man etwas entspannter auf einem breiteren Weg ohne die ständige Gefahr des Angefahren- oder Überfahrenwerdens unterwegs sein könnte.
Heute ist der Standstreifen auch besonders schlecht (siehe Tagesbild oben). Teilweise hört er schon mal in einer gefährlichen Kurve einfach auf, ein 20 cm Asphaltabsatz versperrt uns die Möglichkeit während der Fahrt wieder auf die Fahrspur zu wechseln. Außerdem kommen von hinten die Lastwagen und Chicken-Busse angerast. Seit Baja California haben wir einen Rückspiegel und können dann auf Nummer sicher gehen, anhalten, absteigen und … tja … wenn das in einer Steigung passiert, zunächst mal schieben. Denn Anfahren mit vollbeladenem Tandem in der Steigung auf der Fahrspur ist gefährlich … nun ja, das Schieben dort vermutlich nicht minder.
Da fällt mir (Viktor) ein, dass wir seit Tagen über die Abfahrten berichten wollen. Schließlich hat man sich die redlich in einem langen Anstieg erarbeitet. Sie sind eh schon viel zu kurz (also zeitlich), verglichen mit dem langen Aufstieg. Aber sie sind leider auch nicht soooooo toll. Zwei Faktoren kommen da zusammen. Erstens: Meist enden die Abfahrten an einer Brücke über einen Bach oder Fluss. Die Übergänge vom Asphalt zu den Brückenelementen sind unberechenbar, manchmal sind da Abstände von 20 cm mit tiefen Rinnen oder Schlaglöchern zu überspringen. Wenn wir die mit vollem Tempo nehmen, kann das einen Platten oder Schlimmeres bedeuten. Das heißt also, am Ende der Abfahrt vor der Brücke sicherheitshalber runterbremsen, den ganzen Schwung verlieren, in halbwegs sicherem Tempo über die Brücke und dann im Kriechtempo in den nächsten Anstieg. Zweitens: Die großen Lastwagen nutzen bei der Abfahrt die Motorbremse und rauschen trotzdem im Affenzahn an uns vorbei. Die Motorbremse muss man sich so vorstellen: Hinter uns kommt ein eigenartiges Knattern immer näher, wird lauter und lauter, und erreicht schließlich neben uns einen ohrenbetäubenden Schallpegel. Im Prinzip hört es sich an wie eine kontinuierliche Aneinander-Reihung von Fehlzündungen. Es ist der absolute Wahnsinn.
Was uns noch auffällt: Es gibt hier an der Straße viele „Auto-Love-Hotels“, die man stundenweise buchen kann (z.B. 3 Stunden inklusive Kamasutra-Buch), teilweise sind das sogar nur Garagen, in die man sich mit seinem Auto stellt und so etwas Sichtschutz hat.
Sehr oft sehen wir am Straßenrand Stände mit vielen Benzinkanistern, es riecht streng nach Benzin und es sieht fast so aus, als könne man dort Benzin in Benzinkanistern kaufen. Wir haben noch nicht herausbekommen, ob das eventuell geklautes Benzin ist, das da verkauft wird, oder ob es eine andere Erklärung dafür gibt.
An den ersten Tankstellen des Tages fahren wir vorbei, weil es uns für ein Frühstück zu früh scheint – ein Fehler! Als wir so gegen halb acht mal bei Google-Maps nachschauen, wann denn die nächste Frühstücks-Möglichkeit an der Strecke liegt, ist sie noch 22 km entfernt, und es geht ziemlich viel bergauf. Glücklicherweise schickt Komoot uns aber vorher durch Santa Lucía Cotzumalguapa (über Asphaltstraßen … na sowas! Danke Komoot!), und wir frühstücken endlich an einer Puma-Tankstelle. Viktor kauft sich für umgerechnet fünf Euro (!) ein kleines Nutella-Glas (Plastikgefäß, ist leichter), um die Erdnussbutter auf dem Brot etwas aufzupeppen („Reeses“ lässt grüßen). Ein Security-Mann ist dort der Türöffner, und er berichtet auf Nachfrage, dass die Waffe (sieht wieder aus wie eine Art Pump-Gun) noch nie zum Einsatz kam – sie sei nur zur Abschreckung.

Die letzten 10 Kilometer ziehen sich wieder ganz gehörig in langen Steigungen bei steigenden Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit. Viktor leidet wieder unter Überhitzung und braucht alle paar Kilometer am Ende längerer Steigungen eine Trink- und Abkühlpause (Wasser auf den Kopf und das Tuch unter dem Helm wieder nass machen). Liegt es an der schwülen Hitze oder ist das alles nur „Kopfsache“, wie Jutta meint? Bei unserer letzten Pause haben wir frustriert in einer WhatsApp gelesen, dass unsere Blog-Woche-8 zerschossen ist (ein Update per Handy-App war nicht ordentlich synchronisiert). Mit der WordPress-Versionsverwaltung kennen wir uns noch nicht aus, und wir befürchten einen Verlust unseres Tagebuches, das wir vor allem auch für uns selbst schreiben, um später noch alles halbwegs auseinanderhalten zu können. Zum Glück kennt aber unser Sohn Julius in Deutschland die Funktion und repariert alles wieder.
Um viertel vor 12 Uhr sind wir am California Hotel in Escuintla, checken für zwei Nächte ein und müssen bis 14 Uhr warten, bevor wir auf unser Zimmer dürfen. Die Zeit überbrücken wir am (und im) Hotelpool und mit mehreren Frappés aus dem Hotelrestaurant.
Im Zimmer probieren wir erstmals unsere mitreisende Waschmaschine aus … die Scrubba-Bag (Danke an Barbie und Hans-Jürgen), denn hier haben wir ja jetzt zwei Tage Zeit zum Trocknen der Wäsche. Das sollte ja wohl reichen.

Unser WarmShowers-Kontakt aus Antigua, Thomas, versorgt uns derweil mit weiteren Informationen und wir nutzen den Nachmittag für die Planung der Weiterreise nach El Salvador, Honduras (?) und Nicaragua. Die meisten Radler, die an der Küste Guatemalas und El Salvadors entlang fahren, nehmen ein Boot von El Salvador nach Nicaragua und überspringen damit Honduras, auch aus Sicherheitsgründen. Wir werden von Thomas in zwei WhatsApp-Gruppen aufgenommen und kontaktieren einen Boots-Betreiber, um zu klären, ob unser Tandem mitgenommen würde.














Mittwoch 29.5.24 – Sightseeing Antigua (Guatemala)
Heute schlafen wir bis 6 Uhr aus und lassen uns um 6:30 mit einem Taxi (unser Fahrer heißt Otto) nach Antigua fahren. Das Chicken-Bus-Experiment fällt aus, weil einer Person aus unserem Tandem-Team das Leben lieber ist als eine authentisch guatemaltekische Transporterfahrung. Irgendwie nachvollziehbar. Otto ist ein guter und defensiver Fahrer, der uns auch abends wieder sicher ins Hotel zurückbringt.
Die nur knapp 40 Kilometer dauern länger als eine Stunde, und als wir am zentralen Park/Platz in Antigua (UNESCO Weltkulturerbe) aussteigen, suchen wir gleich ein Frühstückscafé. Ein Rentnerehepaar aus Wales geht zielstrebig ins „El Portal“ – wir folgen, und sitzen mit den beiden frühstückend an der Theke. Sie sind als Freiwillige hier – er baut Häuser, sie unterrichtet Englisch an einer Schule.
Von dort geht es zum Aussichtspunkt Cerro de la Cruz über der Stadt, erst über Straßen, dann über sehr viele Stufen. Oben hat man einen guten Blick über die Stadt und auch auf die drei nahegelegenen Vulkane, von denen der Fuego relativ regelmäßig eruptiert – aus dieser Entfernung sehen wir „nur“ eine Rauchwolke, abends oder auf Wanderungen kann man dort auch Lava sehen, wie uns Thomas (aus dem WarmShowers-Netzwerk) erklärt, mit dem wir uns hier jetzt treffen. Er ist Deutscher, der seit vier Jahren hier lebt, „a weng“ fränkischen Akzent hat und uns den ganzen Tag durch die Stadt führen wird. Durch ihn sehen wir in Ecken der Stadt, in die wir niemals gegangen wären (z.B. McDonalds und Starbucks in alten, restaurierten Gemäuern, vermutlich einzigartig auf der Welt, oder Museen, in die wir „mal kurz“ ohne Eintritt reinspringen, aber auch einen verwinkelten Markt, in dem wir ein Pepián mit Hühnchenfleisch essen, ein traditionelles Gericht in Antigua). Wir können ihm gar nicht genug für diese spezielle Insider-Stadtführung danken.
Wir laufen zusammen zum teuersten (Kongress-) Hotel am Ort, das wir uns anschauen, und von wo wir – nach einem Gang durch den hoteleigenen Tunnel zum Parkhaus – mit einem hoteleigenen Shuttle-Kleinbus auf den in Privatbesitz befindlichen Berg fahren, wo wir das Museum des bekanntesten Künstlers von Antigua (Efraim Recinos) besuchen, der offensichtlich stark von Miró beinflusst wurde. Ganz Antigua ist inzwischen die Stadt der Reichen und Schönen, und es ist doch bezeichnend, dass wir hier heute das erste Elektroauto seit dem Verlassen der U.S.A. sehen – einen Tesla.
Und dann sehen wir noch so viele Dinge, dass wir sie hier gar nicht alle aufzählen können. Daher ein paar ausgewählte Fotos.

























Auch für die vielen Auto-Hotels erhalten wir heute eine Erklärung. Diese werden überwiegend nicht etwa von jungen Pärchen genutzt, sondern von älteren Ehepaaren, die oft mit mehreren Generationen unter einem Dach leben und deren Zimmer meist keine Türen haben. Somit sind diese Hotels die einzige Möglichkeit für ein bisschen Privatsphäre.
Thomas erscheint uns jedenfalls als ganz spezieller WarmShowers-Gastgeber, bei dem viele Bikepacker länger bleiben können, der seine Gäste gerne bekocht und versorgt.
Donnerstag 30.5.24 – Escuintla – Chiquimulilla

Gesamt: 2.431,58 km
Bevor wir starten, kämpfen wir schon gegen Mücken und beobachten eine kleine Echse, die unsere Zimmerwand entlangkrabbelt. Als war dann um sechs losfahren, entscheiden wir uns, nicht, wie von Komoot geplant, durch die Stadt zu fahren, sondern die paar Meter zurück zur CA-2 zu fahren und dort dann weiter Richtung El Salvador. Die ersten fast 20 km geht es bergab – wunderbar für den Start des Tages. Und wirklich, es rollt sich prima, und es ist auch gar nicht so wahnsinnig viel Verkehr unterwegs. Als wir nach über sechs Kilometern immer noch nicht zurück auf der „blauen Komoot-Linie“ sind, der wir immer folgen, schauen wir doch mal zur Kontrolle bei GoogleMaps. Tja, und wir sind leider Richtung Süden/Playa Quetzal unterwegs – eine Sackgasse – und müssen wieder zurück – natürlich bergauf. Der Abzweig Richtung Grenze nach El Salvador ist nicht ausgeschildert, und auf dem Garmin ist die Karte leider weiß, wenn man nicht auf der geplanten Route oder wenigstens in deren Nähe fährt – wir können also (fast) nichts dafür, dass wir falsch gefahren sind … , und so machen wir einen elf Kilometer langen Umweg.


Auf der richtigen CA-2 geht es dann aber wieder weiter bergab, und wir sind schnell unterwegs, haben jetzt nicht nach 22 km eine Tankstelle zum frühstücken, sondern erst nach 33 (s.o.). Sie können uns kein Heißwasser zur Verfügung stellen, und wir dürfen auch nicht im Gebäude frühstücken, sondern sollen die Tische draußen nutzen – erstmalig – also essen wir bei Gestank in der Hitze mit unzähligen Fliegen überall.


Die Weiterfahrt wird etwas beschwerlicher, es wird immer heißer und geht dann auch aufwärts, aber heute hält sich der Verkehr einigermaßen in Grenzen, wahrscheinlich, weil nicht so viele LKW und Busse in Richtung El Salvador unterwegs sind. Und teilweise können wir sogar komplett ohne Autoverkehr fahren, da die Straße sich hier noch im Ausbau befindet und wir auf einem längeren Stück auf der eigentlich fertigen, aber noch nicht freigegebenen Straße fahren.
Insgesamt ist die Stecke aber gar nicht so schlecht und langweilig, wie wir sie erwartet hatten. Es ist grün und abwechslungsreich (Mango, Zuckerrohr, Rinder), nicht übermäßig heiß, weniger Verkehr als in den letzten Tagen, die Straße in guten Zustand. Wir sind ganz zufrieden, dass wir die in Richtung Escuintla erarbeiteten Höhenmeter heute auch wieder bergab fahren dürfen.
An einer Stelle machen wir uns aber doch kurz Sorgen, als wir dichte, undurchdringbar scheinende Rauchschwaden im Himmel und über der Straße vor uns sehen. Ein großer Brand? Eine Massenkaramboulage? Aus dem Nebel kommen uns aber Fahrzeuge entgegen. Und dann kommt uns auch die Ursache entgegen: wieder einmal ein rotbunter … Chickenbus, der diese extrem flächenbrandähnlichen Rauchschwaden ausstößt, und den das gar nicht zu stören scheint.
An einer Tankstelle 13 km vor dem Ziel wollen wir uns mit einem Eis abkühlen, aber der Laden ist gerade geschlossen, weil die Dame dort gerade unterwegs ist, um sich Mittagessen zu besorgen, wie uns die Tankwarte erklären. Glücklicherweise ist schräg gegenüber ein Minimarket, in den Jutta geht, aber dort ist der Tiefkühler kaputt – also auch keine Erfolg. Aber: eine Guatemaltekin in dem Laden erklärt, dass es „abajo“ Eis gibt und führt Jutta einen Berg runter zu irgendeiner Hotelküche, wo Jutta zwei „gude“ lactosefreie Erdbeereis am Stiel kaufen kann, die beim Ankommen an der Tankstelle schon ziemlich geschmolzen sind. Egal – wir haben unsere Abkühlung!

Gegen zwölf Uhr kommen wir bei „La Combi“ an, wo wir heute übernachten werden. Diese kostenlose Übernachtungsmöglichkeit (gegen Spende) hat uns Thomas, der WarmShowers-Host aus Antigua organisiert. Diesmal also weder WarmShowers noch Hotel, sondern eine Art Campingplatz, auf dem mehrere Autos zum Übernachten stehen. „Unser“ Chevrolet hat einen Ventilator und zwei LED-Birnen, und vor dem Schlafengehen wird drinnen eine Autan-Spirale abgebrannt. Draußen wird eine Kunstrasenmatte vor die Heckklappe gelegt und eine Deutschlandfahne aufgestellt. Mal schauen, wie die Nacht so wird, das ist bei diesen Temperaturen wahrscheinlich kein Spaß!




Es gibt ein Waschhaus, in dem das Wasser aus einem großen Tank kommt – wir duschen zügig und kleiden uns danach erstmalig in unserer mit Repellentien imprägnierte Kleidung, lang, relativ weit und mit Socken – ziemlich warm. Da Thomas in Antigua uns gestern von seiner Dengue-Erkrankung berichtete ist das aber auf jeden Fall jetzt sinnvoll.
Wir könnten hier theoretisch etwas für uns kochen, entscheiden uns aber dann doch für das Restaurant gegenüber. Wir sind halt einfach zu bequem.
Den späten Nachmittag nutzen wir für ein Blog-Update und für die Briefwahl zur Europa- und Kommunalwahl. Die Unterlagen konnten wir von unterwegs online anfordern und ein Familienmitglied darf mit eidesstattlicher Erklärung die Kreuze für uns machen.
Morgen geht es über die Grenze nach El Salvador. Dort ist der US-Dollar offizielle Währung, der „Colon“ wurde 2001 schon abgeschafft. Mit der zweiten offiziellen Landeswährung „Bitcoin“ wollen wir lieber nicht experimentieren. Wir planen ein paar weitere Etappen an der Küste entlang und kontaktieren potentielle Warmshowers-Gastgeber in El Salvador. Die Entscheidung „Honduras Ja oder Nein“ fällen wir noch nicht, haben aber schon ein Angebot für eine Bootsfahrt von La Union (El Salvador) nach Potosi (Nicaragua), bei der auch das Tandem mitkäme.
Für Nicaragua planen wir einfach mal von Granada aus eine nächtliche Vulkantour zum Masaya ein. Die geht abends los und könnte eventuell einen Radfahrtag komplettieren.
Freitag 31.5.24 – Chiquimulilla – Playa Metalío

Gesamt: 2.514,92 km
Schon vor dem Losfahren gibt es heute Dinge zu berichten: Viktors eine Badelatsche reißt im Waschraum kaputt, ausgerechnet an dem Tag, wo der Weg vom Bad zum Schlafraum etliche Meter über rote Erde führt. Jutta packt im Chevi die Sachen zusammen und vergisst, sich mit Sonnenschutz einzucremen. Außerdem packt sie die täglich genutzte Wäscheleine (Sea to Summit) zwar zusammen, sie dann aber leider nicht in die Radtasche – wir merken es erst am Nachmittag am Zielort.
Heute ist die Straßenqualität wieder einmal deutlich schlechter als in den letzten Tagen. Wir fahren auf der CA-2 Richtung Grenze nach El Salvador, frühstücken irgendwo in einem Super 24, wo wir heute sogar drinnen an einem Tisch unser mitgebrachtes Brot essen dürfen, und wo wir auch die Skippy Erdnussbutter aus Cambria leeren (auf den Rest, den man nicht mehr auskratzen kann, kippt Viktor seinen Kaffee und macht daraus einen leckeren Erdnussbutter-Nescafé-Latte. Als wir um acht Uhr weiterfahren, ist es plötzlich viel heißer draußen, die Sonne knallt schon sehr heftig.
Fünfeinhalb Kilometer vor der Grenze … Stillstand … eine LKW-Kolonne. Wir fahren dann doch einfach links vorbei, wie es auch die PKW machen, machen bei der letzten Tankstelle in Guatemala noch eine Pause, in der wir es nicht ganz schaffen, die restlichen Quetzales auszugeben, obwohl Viktor sich einen Hot Dog „Gringo“ reinzwingt, und passieren gegen halb elf ganz unspektakulär die Grenze. Bis auf die Schlange LKW ist ziemlich wenig los und es gibt keine Verkaufsstände, nur ein paar Männer, die uns Dollar anbieten. Auf der Salvadorianischen Immigrations-Seite diskutiert eine Frau direkt vor uns mit einer Grenzbeamtin darüber, dass Mexikaner und Amerikaner hier völlig problemlos einreisen können, während sie in Mexiko und U.S.A. „como Mierda“ (wie Dreck) behandelt worden sei. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob sie uns für Amerikaner hält (wie so viele hier) oder ob das nur Zufall ist.
Die erste Stadt, Cara Sucia (dreckiges Gesicht), ein paar Kilometer weiter, ist völlig überfüllt und gruselig. An der Grenze scheinen sie LKW immer schubweise durchzulassen, und eine der Kolonnen mischt sich mit dem Stadtverkehr, als wir auch gerade durchfahren. Die Stadt macht ihrem Namen also alle Ehre!
Am Ende von Cara Sucia steht plötzlich ein BMW-Motorrad rechts an der Straßenseite, der Fahrer winkt uns zu und macht ein Zeichen, dass wir doch bitte anhalten mögen, was wir auch tun. Seit ein paar Tagen sind wir in einer WhatsApp-Gruppe von Radfahrenden in Mittelamerika. Er ist ebenfalls in der Gruppe und da wir uns dort kurz mit Foto vorgestellt hatten, hat er uns wiedererkannt, ist sofort umgekehrt, hat uns überholt und ist dann rechts rangefahren. Er freut sich so unfassbar, uns zu treffen, wünscht uns alles Gute und Gottes segen, macht ein Selfie mit uns, umarmt uns beide zum Abschied und postet ein kurzes Video in der WhatsApp-Gruppe. Was für eine tolle, berührende und motivierende Begegnung!
Da wir bei Komoot den Tag in zwei Touren teilen mussten – bis und von der Grenze – aber nur eine Strecke aufzeichnen wollen, fahren wir seit der Grenze ohne Navigation, und da es so warm ist und wir Gegenwind haben, fühlt es sich fast permanent so an, als ginge es bergauf, und die Strecke zieht sich entsprechend. Als wir irgendwann eine Eispause machen wollen, stellen wir fest, dass es hier in Tankstellenshops kein Eis gibt (zumindest nicht überall), aber dadurch halten wir in Jujutla bei „La Nevería“, wo es Eiskaffee gibt, wie wir ihn von Zuhause kennen (mit einer Kugel Kaffee und einer Kugel Vanille).
Gegen 14 Uhr ( relativ langer Tag, mit viel Sonne, und Jutta hat sich ja bekanntlich nicht eingecremt, das macht sich jetzt bemerkbar) sind wir nach über 80 km am Zielort in Playa Metalío. Wir versuchen erst, bei einem gut bewerteten Hotel anzufragen, aber als auf unser mehrmaliges Klingeln niemand öffnet, landen wir doch beim Hostel El Ancla / Restaurant Los Tarros, das uns empfohlen wurde, weil es Bikepacker kostenlos zelten lässt, wenn sie im Restaurant essen. Wir nehmen aber ein Hostel-Zimmer und wollen dann erst einmal in den Pazific springen, weil wir schon so lange nicht mehr am Meer waren. Leider stellen wir schnell fest, dass das Wasser hier in Strandnähe voll mit schwimmendem Plastikmüll ist – nicht angenehm – also wechseln wir in den ebenfalls vorhandenen Pool. Die anschließenden Dusche ist auch ziemlich speziell:

Unser Zimmer riecht frisch fumigiert, die Klimaanlage ist zwar laut, kühlt aber kaum, und zum Schlafen werden wir wieder unsere Innenschlafsäcke nutzen, weil das Bett und die Kopfkissen nicht gerade sauber sind. Die beiden störendsten Dinge aber sind: es gibt kein WIFI (und Viktors Handy findet Netz mehr oder weniger nur vor dem Tor zur Straße), und es gibt kein Essen, obwohl es doch Restaurant heißt, denn die Besitzerin hat heute wichtigeres zu tun.
Als wir unsere gewaschenen Sachen aufhängen wollen, fällt uns auf, dass die Wäscheleine im La Combi vergessen wurde – Jutta hatte sie, wie gesagt, nicht sofort in die Radtasche gepackt, sondern auf dem Fahrradsitz vorne abgelegt, von dem sie beim Transport aus dem Unterstand heruntergefallen ist. Bessert die Stimmung auch nicht gerade! Wir bestellen (vor dem Tor) eine neue, die uns hoffentlich nach Costa Rica mitgebracht werden soll. Die alte Wäscheleine wurde im La Combi bereits neben dem Chevrolet gefunden und liegt für bedürftige Bikepacker zur Mitnahme bereit.
Wir sitzen vor unserem Zimmer auf einer Bank und versuchen, die weiteren Tage zu planen (küstennahe Route oder nicht, Bootsfahrt El Salvador – Nicaragua oder lieber Honduras auf dem Landweg durchqueren, was dauert wie lange und wann sind wir dann in Costa Rica?). Wir planen, auf jeden Fall morgen mal wieder ein Hotel zu suchen (mit AC, Dusche und WIFI). Auch das Schreiben des Blogs kann ohne WIFI nicht wie gewohnt mit sofortigem Hochladen von Bildern erfolgen.
Albert`s Pizza (in Metalío und Cara Sucia) liefert uns auf unsere Bestellung zwei Pizzen, und bevor der Mitarbeiter hier das Gelände verlässt, ordern wir noch schnell Bier und Wasser, damit wir auch noch etwas zu Trinken haben.

Trotzdem ist die Lage hier eigentlich ganz schön. Wir haben das ganze Gelände für uns, bis die Besitzerin irgendwann nach Sonnenuntergang eintrifft. Wir können bei Wellenrauschen in einer Hängematte relaxen, sind Pizza-gesättigt, Viktor ist von drei salvadorianischen „Herz Ass“-Bier leicht angetüdelt … also alles gut.















In der Nacht ist dann Viktor dafür verantwortlich, die Klimanalage in bestimmten Abständen ein- und wieder auszuschalten, wenn sie wieder so laut wird, dass sie zu explodieren droht. Immerhin müssen wir am nächsten morgen nur 20 Dollar zahlen, statt der angekündigten 30, als wir der Besitzerin den Hinweis geben, dass die Klimaanlage „etwas“ laut ist.
Samstag 1.6.24 – Playa Metalió – El Zonte

Gesamt: 2.591,25 km
Nach einer eher bescheidenen Nacht – entweder sehr heiß oder sehr laut – verlangt die Besitzerin 10$ weniger, und wir fahren ganz normal um sechs los. Die (Holper-)Straße zurück zur CA-2 ist gesperrt, wir müssen eine Umleitung fahren, es geht kilometerweit über Erdpisten (aber ohne Schlaglöcher 🙂 ), und wir kommen erst am Ende von Metalío wieder auf die Hauptstraße, d.h. keine Stände mehr mit Getränken. Glücklicherweise haben wir von der Besitzerin von Los Tarros jeder einen Liter Wasser bekommen.
Als nach knapp acht Kilometern eine Tankstelle mit Café auftaucht, beschließen wir, die Gelegenheit zu nutzen und machen schon unsere Frühstückspause. Es gibt zur Abwechslung mal richtigen, ungesüßten Kaffee aus einer guten italienischen Espresso-Maschine (und ein Teilchen für Viktor). Dann treten wir aber erst einmal richtig in die Pedale!
Auf einem kurzen Stück auf der CA-12 (bevor die CA-2 wieder von dort abgeht) fragt Viktor einen Polizisten, ob wir richtig sind und ob das Durchfahren der fünf Tunnel auf der CA-2 auf dem Küstenstreifen La Libertad mit Fahrrädern möglich ist. Der antowortet „ja und ja“ und meint, dass dort ja ganz schöne Steigungen vor uns liegen. Deshalb machen wir bei Kilometer 30 kurz vor dem schwierigen Teil eine Frühstückspause mit Pupusas. Die Menschen hier haben einen ganz anderen Akzent als in Mexico und Guatemala und verstehen Viktors Wunsch nach „Revueltos“ (mit Ei) falsch, denn wir bekommen Bohnenmus und Käse („Frijoles Queso“). Das wäre die zweite Wahl gewesen, also klären wir dieses Missverständis nicht auf.


Kurz danach geht es los mit dem Teil an der felsigen Küste, seht kurvig und immer rauf und runter, inklusive fünf Tunnel mit Längen zwischen 86 und 570 Metern. Es ist wirklich schön, auch wenn man kaum Meerblick hat, weil die Reichen und Schönen sich die aussichtsreichsten Grundstücke haben einzäunen lassen und wir in den Steigungen sowieso ungern anhalten, um nicht wieder anfahren zu müssen. So manches Mal fahren wir auf dem Seitenstreifen der Gegenfahrbahn, weil dort gerade Schatten ist. An zwei Stellen überholen wir vier stehende LKW aus Nicaragua (zweimal die selben), die wohl in Kolonne fahren. Aus einem der LKW wird Diesel in ein Gefäß abgezapft wird. Komische Sache! An einer anderen steilen Steigung steht ein Paar am Rand und filmt uns mit dem Handy, wir fragen, ob sie uns das per WhatsApp schicken können, sagen, dass wir an dieser steilen Stelle nicht anhalten können, aber sie fahren uns nicht nach, um die Telefonnummer zu erfragen. Schade eigentlich!
Nach über 70 Kilometern und 1000 Höhenmetern kommen wir ziemlich kaputt, überhitzt und ohne jegliche Getränkereste in El Zonte an, fahren das anvisierte Hotel an – belegt, fahren ein zweites Hotel an – belegt, und als das dritte Hotel auch kein Zimmer für uns hat, setzt Viktor sich dort auf der Terrasse hin, lässt den Kopf auf die aufgestützen Arme sinken, und macht wohl so einen erschöpften Eindruck, dass sich dort darum gekümmert wird, dass wir ein privat vermietetes Zimmer bekommen können. Nicht das, was wir uns vorgestellt haben, aber hier im Ort ist seit November alles immer ausgebucht – die Stadt ist voller US-Amerikaner, überwiegend Surf-Touristen. Wir sollen abgeholt werden, weil der Weg nicht gut zu erklären ist, es kommt aber niemand, und nach fast einer Stunde fährt die Hotelmitarbeiterin mit ihrem Motorrad vor und wir hinterher. Es geht ein Stück zurück auf der Hauptstraße und einen Weg hoch, den man nicht als Straße erkennen würde. Aber das Haus mit dem Zimmer ist ziemlich neu, massiv, und das Zimmer ist schön, klimatisiert und hat entgegen der Vermutung der Hotelmitarbeiterin auch WIFI. Also Ende gut, alles gut, auch wenn inzwischen Real Madrid gegen Borussia Dortmund gewonnen hat und Viktor eigentlich die Hoffnung hatte, das Spiel vielleicht im Hotel anschauen zu können. In der direkten Umgebung unserer Unterkunfts gibt es praktisch keine Läden oder Restaurants, außer der winzigen Tienda einer älteren Dame, bei der wir schnell noch Getränke kaufen, bevor sie bis Montag früh schließt.






Zum Abendessen gehen wir in das nächstgelegene Restaurant (750 m), welches das Hotelrestaurant des teuersten Hotels hier (mit dem deutsch klingenden Namen „Garten“) ist und gönnen uns mit Meeresblick ein gutes Abendessen. Die Speisekarte ist erst in Englisch, dann in Spanisch, das Hotel ist wohl eher für die Amerikaner, und diesen kleinen Luxus haben wir uns heute redlich verdient.

Zurück im Zimmer wird geschrieben und auch die Bilder von gestern ergänzt – heute geht es wieder!
Und allen Berlinern und Speckgürtel-Bewohnern viel Spaß morgen bei der ADFC-Sternfahrt!
Sonntag 2.6.24 – El Zonte – San Luis Talpa

Gesamt: 2.639,38 km
In der Nacht hat es regelrecht geschüttet und wir konnten unser Tandem nicht unterstellen. Die Radtaschen mit den Campingutensilien und Schlafsäcken lassen wir meist über Nacht am Rad, wenn es sicher steht, so auch diesmal. Mit etwas ungutem Gefühl checken wir, ob in den Taschen alles trocken geblieben ist, aber bis auf etwas Feuchtigkeit in den Hase-Seitentaschen ist alles o.K..
Die „Straße“ vor unserer Unterkunft, die wir unser Tandem herunterschieben müssen, ist recht schlammig geworden, so dass wir Anfangs mit unserern Cleats gar nicht in den Pedalen einhaken können. Erst ein paar Pfützen und die erste Pause an einer Tankstelle erlauben uns ein ausreichendes Säubern der Schuhe.
Überhaupt „die Tankstellen“ … irgendwie nervt es schon, dass wir für unsere Versorgung so auf die fossile Infrastruktur der Verbrenner-Lobby angewiesen sind. Aber auch heute finden wir keine andere Möglichkeit, unterwegs zu frühstücken, falls wir nicht bis 8 oder 9 Uhr warten wollen, wenn die Lokalitäten so langsam erwachen. Also gibt es auch heute wieder überzuckerten Nescafé-Cappuccino bei Texaco mit Schinken-Käse-Croissants, die in Folie gewickelt auf einem Styroporteller in der Mikrowelle aufgewärmt wurden.

Nach der langen Etappe mit vielen Höhenmetern gestern und der etwas nervigen Suche nach einer Unterkunft haben wir uns heute für eine kurze Etappe (knapp 50 km) mit reserviertem Hotel am Zielort entschieden. Die ersten Kilometer sind trotzdem gleich heftig, denn die paar Steigungen des Tages liegen sofort am Anfang. Viktors Patellasehnen sind trotz Tigerbalm noch leicht gereizt, also gehen wir es noch langsamer als üblich an. Und wir wissen ja, dass es zum Ende des Tages leichter wird.
Das Ganze ist – wie Jutta ja eh schon die ganze Zeit behauptet – überwiegend Kopfsache. Den Höhenmeter-Rekord haben wir gestern relativ gut geschafft und mit weniger „Bergauf-Stöhnen“ und „Heißlaufen“ des Captains als sonst üblich. Und eigentlich war es eine reine Einstellungsfrage. Man darf die bevorstehende Steigung nicht als Gegner empfinden, den es in einem harten Kampf zu bezwingen gilt. Man muss die Steigung ja nicht gleich zum Freund erklären, aber man kann akzeptieren, was nicht zu ändern ist und sie ganz entspannt als gegeben hinnehmen (Viktor tauft das jetzt mal „Steigungs-Radler-Achtsamkeit“). Wenn man die Steigung dann noch in einem langsamen Tempo angeht, mit dem man notfalls auch stundenlang durchfahren könnte, wenn die Steigung den ganzen Tag so weiterginge, dann ist es auf einmal kein so harter Kampf mehr. Ich behaupte nicht, dass es dann schon zum reinen Vergnügen wird, aber es wird irgendwie leichter.
Soooo … und nun übertragen wir das Bild mal auf andere Herausforderungen des Lebens, beruflich wie privat …. nicht bekämpfen … annehmen! Und dann in einem stetigen, langfristig durchhaltbaren Tempo abarbeiten. Ich glaube das wird die Kernaussage meines Motivations-Vortrages, den ich einigen Kolleginnen und Kollegen nach meinem Sabbatjahr versprochen habe 😉 .
Heute habe ich (Viktor) häufiger einen meiner Lieblingswitze von Eugenio (einem katalanischen Humoristen) im Kopf, denn wir kommen immer wieder an „Reduzca“-Schildern vorbei.

Um viertel vor neun kommen wir an einem Schild vorbei: Walter Thilo Deininger – Parque de Aventuras Surfcity. Wir überlegen, dort eine Aktivität mitzumachen, wegen des Deutschen Namens und weil die Zeit heute da wäre, aber das Einzige ist eine Botanische Wanderung um 9 Uhr, und wir fahren doch weiter. Auch hier steht an der Straße ein Schild: „Surf City under Construction“ – solche Schilder sehen wir schon seit El Zonte, auch an Bushaltestellen und anderswo, und es scheint, als solle hier aus all den Küstenorten ein durchgängiges Surfer-Paradies entwickelt werden. An verschiedenen Stellen stehen große Plakate, die auf Chinesische Großinvestoren schließen lassen.

Und weil wir nur eine kurze Tour haben, können wir öfter mal anhalten, um die heute etwas häufigeren Aussichten oder auch die überall anzutreffenden „freiliegenden“ Wurzeln vieler Bäume, die direkt oben an Abhängen stehen, zu fotografieren – an langen Tagen machen wir das eher seltener. Die vielen toten Hunde, Gürteltiere und anderen plattgefahrenen Lebewesen (oder „Sterbewesen“) in unterschiedlichen Verwesungszuständen (mit und ohne Gewimmel) fotografieren wir nicht.




Außerdem fragen wir uns: Was zirpt da so? Insekten oder Stromleitungen?
Wir kommen schon gegen elf am reservierten Hotel Rancho Argueta an, haben Sorge, wirklich erst um 14 Uhr einchecken zu dürfen, aber wir bekommen das erste fertig gemachte Zimmer und dürfen schon hinein. Bevor wir duschen, gehen wir noch kurz in die Pasteleria Claudy`s Cake und Café um die Ecke und checken danach zwei Essensmöglichkeiten in der Nähe, gegen die wir uns sehr einvernehmlich entscheiden (einmal Fastfood, einmal Straßenstand).



Den Nachmittag chillen wir dann und essen relativ früh im Hotelrestaurant, damit wir morgen um 5:30 Uhr noch das Hotelfrühstück mitnehmen können – etwas ganz Unübliches!
Heute gelernt: Die Sonne steht in der Zone zwischen den Wendekreisen zweimal im Jahr im Zenit. Und den nördlichen Wendekreis haben wir schon in La Paz an der Südspitze von Baja California überquert. Und jetzt hier – schon deutlich weiter südlich – geht die Sonne morgens ganz schnell auf, und schon um 10 Uhr steht sie direkt über uns (praktisch kein Schattenwurf) und bleibt dort für mehrere Stunden, bis irgendwann zwischen 14 und 15 Uhr wieder Schatten sichtbar werden und die Hitze ein wenig erträglicher wird. So sehr wir uns zuhause in Deutschland oft schöneres Wetter wünschen – dieses Klima hier wollen wir eher nicht…
Heute ebenfalls gelernt: In Mexiko hießen die Pools in den Unterkünften noch „Alberca“, seit Guatemala heißen sie wieder „Piscina“ (wie in Spanien auch). Die RAE (Real Academia Española de la Lengua) erklärt dazu, dass nur „Piscina“ korrekt ist, auch wenn einige lateinamerikanische („hispanohablantes“ – spanischsprechende) Länder das Wort „Alberca“ nutzen, was nur für Wasserzisternen zur Bewässerung in der Landwirtschaft korrekt sei.



