Montag 13.5.24 – Mazatlan und Busfahrt nach Acapulco (Fortsetzung)
Gesamt: 1.686,98 km
Nach der vorherigen Nacht auf der Fähre können wir dieses Mal im Bus etwas besser schlafen. Die erste längere Pause, bei der wir auch aussteigen dürfen, um auf Toilette zu gehen und/oder etwas zu Essen oder Trinken zu kaufen, ist morgens um halb sechs, und wir entscheiden uns aufgrund der frühen Stunde dagegen. Ein Fehler, denn danach halten wir nur noch zum Aussteigen von Reisenden und dürfen den Bus nicht verlassen. Ein eigentlich angekündigtes WIFI gibt es nicht, und so zieht sich die Fahrt ziemlich in die Länge, und Juttas Füße schwellen immer mehr an. Im Laufe der Zeit wird klar, dass der Bus es wohl nicht bis 18:45 Uhr schaffen wird, zu eng sind die Serpentinen durch die Berge, zu voll die Städte der Haltestellen, und dann wird die Uhr auch noch eine Stunde vorgestellt. Der Busfahrer teilt uns mit, dass er nicht zu dem Busbahnhof, der auf unserem Ticket steht und in dessen unmittelbarer Nähe wir ein Hotel reserviert haben, fahren wird, sondern zu einem anderen (Papagayo). Wir überlegen, uns von einem Taxi zum Hotel eskortieren zu lassen, weil es bei der Ankunft schon dunkel sein wird und fragen uns, ob wir es wohl bis 22 Uhr dorthin schaffen, weil man später nicht ankommen darf. Glücklicherweise packen wir nach dem letzten Halt schon mal alle unsere Sachen wieder in unsere mit an Bord genommene Tasche, denn: keine 100 km vor dem Ziel platzt ein Reifen des Busses (unser Glücksbringer wirkt scheinbar nur bei Fahrradreifen)! Wir sehen kurz alle Felle davonschwimmen, aber innerhalb von einigen Minuten hält ein Reisebus einer anderen Busgesellschaft vor uns, und wir dürfen kurzerhand alle umsteigen – sogar das Tandem findet einen Stehplatz – und mit dieser Alternative sind wir gegen 21 Uhr in Acapulco – 24 Stunden nach (zumindest geplanter) Abfahrt. Und letztendlich mussten wir für den Transport des Tandems nicht einmal bezahlen!
Im Licht des Bahnhofs machen wir das Tandem wieder fahrtüchtig, das Licht geht erst nach dem zweiten Versuch (die beiden Kabelschuhe unter dem Stoker-Sitz hatten Kontakt und somit einen Kurzschluss), ist aber gerade ziemlich wichtig, und bei Dunkelheit radeln wir durch`s gefährliche Acapulco – glücklicherweise sind es auch vom des „falschen“ Busbahnhof nur gute zwei Kilometer, ein Großteil auf einer viel befahrenen Hauptverkehrsstraße.
Die Hoteladresse erreichen wir vor 22 Uhr, finden aber kein Hotel, suchen ringsum und müssen schließlich anrufen, damit jemand aus dem Haus kommt und uns reinlässt. Draußen dran steht eine Tortilleria statt eines Hotels – woher soll man das bitte schön wissen? Wir duschen und gehen ins Bett, ohne den morgigen Tag zu planen – einen Tag in Acapulco bleiben oder wieder auf`s Rad – die erste Etappe hat Komoot uns mit über 80 km vorgeschlagen?
Dienstag 14.5.24 – Acapulco – Alfredo V Bonfil (Acapulco)
Gesamt: 1.717,94 km
Nach dem Aufwachen haben wir beide die Idee, endlich wieder auf`s Rad zu steigen, aber vielleicht die über 80 km auf zwei Tage zu verteilen, gerade, weil wir uns hier sowohl an das Wetter gewöhnen als auch die Straßenverhältnisse erst einmal kennen lernen müssen. Mehrere Versuche, in Frage kommende Hotels erstmal zu kontaktieren, schlagen fehl, und so gehen wir erst einmal schön frühstücken nach einem kompletten Tag mit nur Zwieback und Käseimitat, auf Empfehlung des Hoteliers bei „100% Natural“ am Strand.
Als wir loskommen, ist es schon nach elf und ziemlich heiß, und gleich nach zwei Querstraßen ist die Straße gesperrt, alles voller Polizei, und wir sehen einen wahrscheinlich kurz vorher Ermordeten auf der gesperrten Straße liegen. Geht ja gut los! Viktor kauft sich neue Radfahrhandschuhe, da die alten wohl beim Umsteigen vom einen in den Ersatzbus abhanden gekommen sind.
Trotz des Toten und der ziemlich vollen und chaotischen Straßen fühlt es sich gut an, wieder radzufahren statt auf Fähren oder in Bussen zu sitzen, bis wir nach einigen Kilometern zu unserer heutigen langen Steigung kommen, erst einmal einen falschen Abzweig nehmen, daraufhin den ersten, langen Teil der Steigung auf der falschen Straßenseite schieben, bis wir irgendwann das Tandem über den bepflanzten Mittelstreifen tragen können und dann immer weiter schieben, schieben und nochmals schieben. Oben angekommen, sind die Trinkvorräte so gut wie aufgebraucht – es ist einfach sehr heiß hier. Ein Autofahrer (Bagoberto) hält an und spricht uns an, weil er selbst Radfahrer ist und uns in der harten Steigung gesehen hat. Wir fragen ihn nach einer Unterkunfts-Empfehlung für heute Abend, und er will einen Bruder im 350 km entfernten Puerto Escondido kontaktieren – also eher etwas für in ein paar Tagen, aber wir haben einen neuen WhatsApp-Kontakt – und Kontakte scheinen hier wichtig.
Bei der Abfahrt verpassen wir wieder einen Abzweig und nutzen die erreichte Zivilsisation dann aber für einen weiteren Oxxo-Besuch und neue kalte Getränke. Es ist kein wirklicher Umweg, und als wir wieder auf der angedachten Route ankommen, ist diese ziemlich bald mit Toren gesperrt. Wir fahren ein Stück zurück, die laut Karte alternative Straße ist mit Schranken und Security gesperrt, aber ein Passant rät uns, dort zu fahren und hat auch gleich einen Tipp für heute Abend zum Übernachten. Das Restaurant und Hotel La Orquidea, das man bei Google niemals als solches finden würde – da ist man quasi immer auf Straßenbekanntschaften angewiesen, wie es uns scheint.
Über einen richtigen Radweg ziemlich schlechter Qualität (auch eine Folge des Hurrikans? – sehr viele Gebäude sind auch noch beschädigt) erreichen wir Alfredo V Bonfil nach nur 30 Kilometern, springen noch kurz in den Pazifik und bekommen am Strand ein Abendessen, obwohl es schon nach fünf ist und sie eigentlich um fünf schließen. Nach Sonnenuntergang (19 Uhr) kehrt hier absolute Ruhe ein, ganz anders als z.B. im Norden von Baja California.
Der Hotelbesitzer, Julio, hat eine Wohnung in Texas und fährt alle 6 Monate die gesamte Strecke (über 3.000 km), um die texanischen Kennzeichen zu behalten (keine Ahnung, welchen Vorteil das hat). Viktor und er reden ein paar Minuten aneinander vorbei, als es um den Hurricane im Oktober 2023 geht, von dem sich hier alle noch erholen. Sein Hotel ist eines der ersten, das wieder betriebsbereit war. Er sagt immer, der Hurricane sei „Octubre 24“ gewesen. Viktor meint, wir seien doch jetzt erst im Jahr 2024 … oder ist schon 2025? … auf so einer Tour verliert man irgendwie das Gefühl für Kalender und Zeit. Es geht hin und her bis klar wird, Julio meint den 24. Oktober 2023, ein Datum, dass sich hier so eingbrannt hat wie weltweit der „September 11“.
Julio gibt uns noch einige Tipps für die Streckenführung der nächsten Tage, insbesondere für Abstecher zu schönen Stränden. Mal schauen, ob wir uns die Zeit nehmen können. Er gibt uns seine Telefonnummer und wir sollen ihn unbedingt kontaktieren, wenn wir Hilfe benötigen. Sein Bruder ist Chirurg (in Puerto Escondido?) und könnte uns ebenfalls notfalls helfen.
Eine Lehre von heute: von Security-Leuten nicht abschrecken lassen, die Strecke hinter der Schranke war wirklich schön, nicht viel befahren und vor allem sicher!
Mittwoch 15.5.24 – Alfredo V Bonfil (Acapulco) – San Marcos
Gesamt: 1.767,88 km
Sehr warm, man schwitzt schon, ohne etwas zu tun. Die ersten paar Kilometer fahren wir noch auf dem ziemlich holperigen, kaputten roten Radweg von gestern. Dann geht es von der Küste weg zur MEX-200, der Straßenbelag ist neu, schwarz.
Es herrscht ständig und überall ein unangenehmer Brandgeruch. Wir wissen nicht, ob das frische Brände sind und ob sie absichtlich gelegt wurden oder vielleicht durch die vielen weggeworfenen Flaschen und das fokussierte Sonnenlicht (Lupeneffekt?) ausgelöst wurden. Die Böschungen am Straßenrand sind oft schwarz herabgebrannt. Es kommt uns der Gedanke, ob eventuell auch Holzkohle mit den Bränden hergestellt wird, diese wird nämlich säckeweise am Straßenrand in den Orten verkauft. Es liegt unglaublich viel Müll entlang der Straßen und wir wissen, das wird Richtung Süden (Ecuador, Peru) noch viel schlimmer werden.
Irgendwo unterwegs ist eine Straßensperrung durch die Polizei: auf einer schnurgeraden Strecke mit Bordsteinen auf beiden Seiten liegt am Straßenrand ein umgekipptes Auto. Wir rätseln, wie das an diesem Ort passiert sein könnte: ist der Fahrer eingeschlafen, einer frei herumlaufenden Kuh (die gibt es hier ab und an) ausgewichen oder schlimmstenfalls erschossen worden? Wir werden es nicht erfahren!
Kurz hinter einer der hier sehr häufigen Kontrollstationen des Militärs hören wir beunruhigende Explosionen, die sich aber schnell als ein Feuerwerk herausstellen. Am helligten Tag in einer Gegend, in der es offensichtlich häufig brennt.
Wir kommen auch an einem lodernden Feuer am Straßenrand vorbei, wo ein Stapel Teerpappe (in Deutschland als Sondermüll besonders teuer zu entsorgen) vor sich hinbrennt und schwarze Rauchschwaden über die Straße wabern lässt. Mehr als „Luftanhalten und schnell durchstrampeln“ fällt uns nicht ein.
Viktors Garmin-GPS-Uhr hat endgültig den Geist aufgegeben (Bluetooth kaputt). Vermutlich war das Aufladen mit einem Schnell-Ladegerät von UGREEN der Killer. Die Aufzeichnung unserer Tagesetappen erfolgt ab sofort mit dem Garmin-Edge, mit dem wir auch navigieren. Ein Besuch bei „Elektra“ in San Marcos liefert keinen Ersatz. Also muss wieder mal Amazon herhalten und wir hoffen beim Familientreffen in Costa Rica auf Anlieferung.
Wir kommen heute aufgrund der „kurzen“ Strecke früh an und checken im Hotel Aleman ein (nein, die Besitzer sind keine Deutschen, sie heißen nur so), sind aber trotzdem ziemlich erledigt und der Schweiß rinnt uns noch eine Weile einfach weiter nur so runter. Unser Zimmer (wir sind hier darauf aufmerksam gemacht worden, dass ein Doppelzimmer, welches wir bislang immer gebucht haben, für vier Personen ist – stimmt, es standen immer zwei Doppelbetten darin) hat einen äußerst strengen Geruch, der vom WC-Stein zu kommen scheint und fast unerträglich ist. Dafür haben wir hier in der Dusche kein Problem mit der richtigen Wassertemperatur – es gibt nur einen Hahn und das Wasser ist glücklicherweise einigermaßen warm. Wir duschen unsere Radfahrkleidung gleich mit und hängen sie an unserer aufgespannten Wäscheleine im Zimmer auf.
Warmes Essen gibt es am Tacostand am Straßenrand – am Nachmittag. Schon kurz vor dem Dunkelwerden trauen wir uns noch einmal auf die Straße, fragen im hiesigen „Elektra“ nach einem Garmin-Ersatz und bekommen beim Kauf von zwei Bananen für morgen eine lokale, kleine Mango geschenkt, die es abends noch mit Chips und Bier für Viktor auf dem Zimmer gibt.
Nach einem WhatsApp-Telefonat mit unserem jüngsten Sohn, Julius, wofür wir heute endlich mal Zeit haben, stellen wir fest, dass wir etwas Wichtiges klarzustellen haben: Wir haben für die Fährfahrt und die beiden Busfahrten keine tausende Dollar ausgegeben! Das Zeichen für den mexikanischen Peso sieht dem Dollarzeichen nur zum Verwechseln ähnlich. Die Preise auf den Fotos waren also keine Dollarpreise. Viktor rechnet hier immer grob „Null wegstreichen und dann halbieren“, um auf den Europreis umzurechnen (1:20). Jutta teilt durch 20. 😉
Zweite Klarstellung: Wie an diesem Eintrag erkennbar (Garmin-Dopplung) hat sich der Blog zu einem Gemeinschaftswerk entwickelt. Lasst Euch also nicht zu sehr von den wechselnden Blickwinkeln verwirren.
Lehre des Tages: Neuer schwarzer Asphalt strahlt die Hitze besonders gut zurück.
Nachtrag aus der Nacht: Es war wohl doch nicht der „Duftstein“ für das WC, der den beißend-chemischen Geruch verursacht hat. Es riecht eher nach einem benzol-artigen Lösungsmitteldampf, der aus dem Ausfluss der Dusche aufzusteigen scheint, unter der Türe ins Zimmer kriecht und einem den Atem und den Schlaf raubt. Die nicht benötigte Bettdecke hilft kurzerhand bei der Abdichtung der Türe und es wird tatsächlich deutlich erträglicher.
Donnerstag 16.5.24 – San Marcos – Playa Ventura
Gesamt: 1.840,14 km
Wir nutzen erstmals die App iOverlander, mit der Weltenbummler aktuelle Infos zur Sicherheitslage, wilden Campingmöglichkeiten, Hotels u.s.w. austauschen und schreiben einen kurzen Beitrag zum Hotel Aleman und den Geruchsproblemen im Zimmer „Guadalajara“. Ansonsten war das Zimmer aber eigentlich geräumig und sauber.
Es gibt zum Abschied „Kaffee und Brot“ im Speiseraum des Hotels – kein Frühstück – und wir kommen schon kurz vor neun morgens los.
Mal ein kleiner Einschub zum morgendlichen Packen: Wir haben Kleidertaschen mit einem Fach für saubere Wäsche und einem Fach für dreckige. Eigentlich total praktisch. In Summe bleibt das Volumen der Packtasche dann immer gleich. Aber wann genau gilt auf so einer Radtour ein Kleidungsstück eigentlich als „dreckig“? Ist das bei einer langen Hose anders als bei einem T-Shirt? Die Entscheidung fällt jeden Morgen schwer.
Nach knapp 20km will Komoot uns von der MEX-200 wegleiten. Während Jutta den Straßenbelag dieser Nebenstraße inspiziert, spricht Viktor mit einer Frau mit Kind, die uns recht resolut verbietet, diese Strecke zu fahren – sie sei viel zu gefährlich („mucha gente mala“ – „viele böse Menschen“ … und das anscheinend schon morgens um 10 Uhr). Wir sollen auch auf der Hauptstraße immer nur dort stehenbleiben, wo Frauen in der Nähe sind. Männer seien viel zu gefährlich, wenn sie unter sich seien. Auf der Hauptstraße MEX-200 sei genug Militär unterwegs, um uns jederzeit zu Hilfe zu kommen. Hmmmm … ein hohes Sicherheitsgefühl ist irgendwie doch etwas anderes. Da Jutta den Straßenbelag ebenfalls als ungeeignet einstuft, ist die Entscheidung, auf der Hauptstraße zu bleiben, schnell getroffen.
Es wird immer wärmer, und es geht fortwährend rauf und runter, dafür ist die Qualität der Straße weit besser als vermutet (oft aber sehr schwarzer, sehr neuer Asphalt … siehe oben). Kurze Pause gegen 11 Uhr bei km 35 mit gekühlter Cola, aber in der Hitze. Um 13 Uhr in Copala (bei ca. 60 km) gibt es vor dem Oxxo eine Bank im Schatten mit etwas Wind – direkt an der Straße – und wir bleiben bis halb drei, um der Mittagshitze auszuweichen. Da uns schon länger kein Eis ausgegeben wurde ;-), müssen wir uns zur Abkühlung eines auf eigene Kosten gönnen.
Wir kaufen uns noch einen Cappucino aus dem OXXO-Kaffeeautomaten, ein Fehler, denn scheinbar haben doch nicht alle OXXOs den gleichen Kaffeeautomaten. „Damals“ in Baja California schmeckte der uns noch.
Dort auf der Bank reservieren wir auch per WhatsApp ein Hotel in Playa Ventura, welches bei iOverlander empfohlen wird. Die nur noch 12,5 km dorthin sind weiterhin immer auf und ab, und ziemlich verschwitzt kommen wir um kurz nach drei dort an. Das Zimmer ist sehr spartanisch, die Tür mit einem Vorhängeschloss verschlossen, und die Klimaanlage, die wir mitgebucht haben, muss angeblich von einer Mitarbeiterin eingeschaltet werden – es ist ziemlich heiss im Zimmer. Wir gehen als erstes in unseren Radfahr-Sachen kurz zur Abkühlung in den Pazifik, duschen daraufhin (anscheinend ist es hier normal, dass es nur einen Wasserhahn ohne Regler gibt), und fangen dann gleich wieder an zu schwitzen.
Also erst einmal ins hoteleigene „Restaurant“, bevor es schließt. Es gibt Reis mit Rührei und Weizen-Tortillas (speziell für uns), denn bei Viktor gibt es nach dem Sprung in den Pazifik erste Anzeichen von Montezumas Rache.
Wir müssen hier alles bar bezahlen, was jetzt immer häufiger wird (außer bei OXXO), je weiter wir in den Süden kommen. Das Wechselgeld kommt direkt aus der Kochschürze der Köchin/Bedienung/Rezeptionistin. Der Fischgeruch der Geldscheine wird auf dem Zimmer im Waschbecken mit der hier scheinbar in allen Hotels bereitliegenden Rosenseife entfernt …. oder übertüncht?
Nach dem Zahlen bekommen wir doch noch eine Fernbedienung für unsere Klimaanlage, aber leider ist der Chef immer noch nicht da, um uns das WIFI stundenweise zu verkaufen. Es ist halb acht, ehe wir ein Password bekommen und uns an dieses Update machen und bereits dunkel draußen. Unser Zimmer wird von einer einzelnen funzeligen Glühlampe erleuchtet, die vom Monitor unseres Laptops deutlich überstrahlt wird.
Lehren des Tages: iOverlander ist gut … aber man sollte den Aussagen nicht blind vertrauen. Vorsicht bei OXXO-Kaffeeautomaten.
So, und nun können wir mit Pazifikrauschen einschlafen und auf Montezumas Gnade hoffen, denn eigentlich haben wir uns für morgen 80 km vorgenommen, vorher gibt es keine Hotels und auf Campen haben wir derzeit irgendwie wirklich keine Lust. Warmshowers-Gastgeber sind hier sehr rar und erst in ein paar Tagen gibt es wieder Kandidaten.
Freitag 17.5.24 – Playa Ventura – Cuajinicuilapa
Gesamt: 1.918,74 km
Weil wir 80 km fahren müssen, verlassen wir das ohnehin nicht tolle Hotel schon morgens vor 8 Uhr, fragen sowohl Bauarbeiter von gegenüber als auch zwei Frauen aus dem Hotel, ob man wirklich weiter an der Küste fahren kann, weil Google und Komoot uns zurück, so wie wir gekommen sind, schicken wollen, und fahren daraufhin einfach weiter. Die Straße entpuppt sich als ziemlich neu, mit Laternen in der Mitte und überall Schildern, dass nur noch Restgrundstücke zu verkaufen sind. Der angeschlossene Radweg ist völlig kaputt und zugewachsen. Wahrscheinlich wollten sie hier Playa Ventura groß ausbauen, und dann ging das Geld aus oder der Hurricane hat das Vorhaben gedämpft.
Frühstück gibt es nach 15 km bei OXXO in Marquelia, fertig abgepackte Sandwiches, das sagt eigentlich alles. Es ist auch morgens um diese Zeit sehr heiß, die Mittagstemperatur soll laut App 38°C betragen, und wir radeln NIE im Schatten. Bis km 46 geht es stetig mehr bergauf als bergab, die Straße ist hier zwar ziemlich neu und gut, aber die Natur um uns herum ist recht langweilig, vielleicht abgesehen von den zahlreichen Mangobäumen voller Früchte. Wir planen, direkt nach der folgenden Abfahrt an einem Abzweig die Mittagspause einzulegen (natürlich wieder bei OXXO), und bevor wir unten ankommen, wird aus der neuen MEX-200 eine Großbaustelle, so dass wir zwar im Schatten, aber eingehüllt von Staub und Lärm der Caterpillars pausieren. Es gibt unter anderem einen „Berliner“, den Viktor morgens nicht liegenlassen konnte.
Zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass die nächsten über 20 km praktisch eine durchgängige Baustelle sind, wir schleichen eher als dass wir wirklich fahren, über teils Sandpisten, teils Schotter, teils noch fast heißen Teer und denken häufiger, wir hätten einen Platten, weil die Untergründe so verschieden sind und der heiße Teer so schwammig an den Reifen klebt. Immer wieder regeln mit Fahnen wedelnde Frauen die Weiterfahrt durch Engstellen. Jutta vorne bekommt den aufgewirbelten Staub besonders der vielen Lastwagen unmittelbar ins Gesicht geweht. Da denken wir, endlich keine Steigungen mehr, und dann das. Die Kilometer bis zum Ziel in Cuajinicuilapa ziehen sich in die Länge, immerhin fahren wir die letzten Kilometer auf schon fertiggestellter Straße, kurz vor Schluss werden Jutta von einem Bauarbeiter im Vorbeifahren zwei Mangos in die Hand gedrückt und um halb fünf fragen wir im Hotel Blejim nach einer Unterkunft. An der Rezeption werden wir sofort gefragt, ob wir nach Patagonien fahren, denn hier sind angeblich schon sehr viele Radler*innen auf dem Weg nach Südamerika untergekommen. Vor unserem Zimmerfenster steht… ein Mangobaum!
Am 2. Juni sind in Mexico Wahlen, und seitdem wir in Tijuana die Grenze überquert haben, begegnet uns der Wahlkampf: an Häuserwände, Mauern, Ruinen, auf Felsen – auf allen möglichen Flächen – sind die Namen der meist weiblichen Kandidat*innen aufgepinselt worden, Plakate gibt es gar nicht, eher noch Folien an z.B. Zäunen, Taxis, Geschäften. Und es fahren Autos durch die Gegend, die akustisch für den einen oder die andere werben. Ob nach der Wahl die ganzen angemalten Sachen übermalt werden, oder wird damit bis zum nächsten Wahlkampf gewartet? Besonders auffällig ist für uns Claudia Sheinbaum … „Mexico es Verde“ (Mexiko ist grün) … einmal wegen des deutsch klingenden Namens und natürlich wegen des grünen Widerspruchs, den wir am Straßenrand täglich erleben. Dazu hier noch zwei Kurzvideos:
Dazu vielleicht noch eine kurze Erläuterung: Wir wollen Mexiko hier nicht irgendwie schlecht darstellen, und wir genießen das „Erfahren“, “ Erriechen“ und „Erschmecken“ der Kultur und Landschaft trotz aller Anstrengung bislang sehr. Die Umweltprobleme, die wir hier sehen, „erden“ uns auch ein wenig bezüglich der Anstrengungen, die wir zuhause unternehmen … Stichwort „Mülltrennung“ oder „Mobilität“. Wir wollen das Ganze aber auch realistisch darstellen, falls jemand von Euch mal auf die Idee kommen sollte, etwas Ähnliches zu unternehmen. Zum „Erriechen“ gehören nun mal auch die unschönen Gerüche … in letzter Zeit übrigens auch häufiger mal der Verwesungsgeruch von noch nicht ganz mumifizierten, überfahrenen Tieren am Straßenrand.
Nochmal zum Thema Verkehr hier in Mexico: es fahren sehr viele Taxis – Kleinwagen bis Kleinbus – auf meist festen Routen als Sammel-Taxis (wie wir morgen lernen: „Combis“), die an festen Punkten halten. Dort werden die Aussteigenden dann sehr oft von Motorrollern abgeholt – es gibt also echte „Mobilitätspunkte“, auch ohne S-Bahnhof. Die Autos (sowohl die privaten als auch die Taxis) sind meist mehr als voll besetzt, oft steigen sieben erwachsene Menschen aus einem Kleinwagen – und die meisten Mexikaner sind eher etwas fülliger. Und das bei diesen Temperaturen! Eins der häufigsten Autos ist der VW Käfer – der fährt und fährt und fährt immer noch, sogar als Taxi.
Samstag 18.5.24 – Cuajinicuilapa – Pinotepa Nacional
Gesamt: 1.969,61 km
Die einzige Sehenswürdigkeit von Cuajinicuilapa ist ein Museum über die „Blaxican Culture“ (Mexikaner afroamerikanischer Herkunft). Gestern war es schon geschlossen, heute wollen wir der Hitze mit einer kurzen Strecke ein Schnippchen schlagen, die wir schnell hinter uns bringen wollen. Wir sparen uns also die Kultur, und das Museum öffnet sowieso erst wieder am Montag.
Der Tag erfüllt einige Kriterien für einen Schei$tag. Wir nehmen uns nach dem gestrigen langen Tag eine kürzere Strecke von ca. 50 km vor, die wir auch von den Steigungen her für machbar halten. Der Plan ist, am frühen Nachmittag, wenn die richtige Hitze loslegt, bereits in Pinotepa National zu sein.
Wir kommen um 9 Uhr im Hotel los, eigentlich schon etwas spät, frühstücken wieder irgendwelche verpackten Sandwichs bei Oxxo, probieren es wieder mit einem Cappuccino, diesmal aus einer Maschine mit echten Bohnen, na ja, wieder entpuppt es sich als süße Plörre.
Schon die ersten Kilometer belehren uns eines Besseren. Wir überqueren die Grenze vom Bundestaat Guerrero nach Oaxaca (O-A-CHAKA ausgespochen, mit dem CH von „Bach“). Die MEX-200 erfüllt nun endlich alle unserere enttäuschten Erwartungen der letzten Tage. Sie ist zweispurig ohne Randstreifen und hat Schlaglöcher, die einen VW Käfer verschlucken könnten … na gut … nicht ganz, aber für uns bedeutet es eine ziemliche Slalomfahrt, ständig auf der Hut, ein Schlagloch zu übersehen.
Die Temperaturen sind schon sehr früh ziemlich hoch.
Die gefühlten 41 °C können wir nur bestätigen. Wir sind außerdem nicht im Schatten unterwegs und haben einige Steigungen mit nur kurzen Abfahren zu bewältigen. Der Fahrtwind fühlt sich an, als würde einem ein heißer Fön ins Gesicht gehalten. Die Hitze ist sehr trocken und nach wenigen Atemzügen ist der Rachen schon völlig ausgetrocknet. Viktor versucht es in den Steigungen mit Nasenatmung (Tipp von Jutta) … jau … das reicht für ungefähr 10 Atemzüge.
Wie jeder Radfahrende weiß, ist gute Hydrierung des Körpers unter solchen Bedingungen sehr wichtig. Das Ganze funktioniert – da ist sie wieder die Physik – nur bis 40°C oder 41°C Außentemperatur wirklich gut. Irgendwann hat es sich dann halt erledigt mit der Verdunstungskälte vom Schwitzen.
Bei Kilometer 22 (MEX200 Kilometer 222) ist Viktor so überhitzt, das wir eine zweieinhalb-stündige Pause einlegen müssen (er prägt selber den Spruch: Kilometer222 – Viktor Weichei). Ihm ist schwindelig, ein wenig schlecht, sieht nach einem Hitzschlag oder Sonnenstich aus. Die ältere Frau in dem „Kiosk“ verkauft uns nacheinander knapp 6 Liter Getränke – wahrscheinlich das Geschäft des Tages, in der ganzen Zeit kommt sonst nur ein Mann eine kleine Cola kaufen. Sie reicht uns sogar zwei Plastikhocker heraus, aber Viktor breitet lieber das Groundsheet unseres Zeltes auf dem Boden aus und liegt eine ganze Weile mit dem Kopf auf dem zusammengerollten Schlafsack. Mit einem Teil des gekühlten Trinkwassers kühlt er immer wieder den Kopf und den Körper ab, und als wir irgendwann weiterfahren, sagt Jutta alle fünf Kilometer Bescheid, damit Viktor sein Halstuch am Kopf und sein Oberteil immer wieder nass machen kann. Die zweite Hälfte ist nämlich auch noch die mit den größeren Steigungen, die wir, gerade auf dieser schlechten, engen Straße, häufig nur schiebend erklimmen können. Wir fragen uns, warum man sich so etwas antut, aber sehr viel überholende oder entgegenkommende Autos freuen sich, uns zu sehen, hupen, winken, filmen… Und es sind viele mit Menschen vollbeladene Pickups (hier gang und gäbe) dabei.
Erst um halb sechs kommen wir in Pinotepa an, fragen im erstbesten Hotel und können bleiben. Das Hotel Antonio hat einen richtig tollen Eingangsbereich, und wir dürfen nach anfänglichem Zögern der Mitarbeiterin das Tandem unter der großen Treppe nach oben unterstellen, die Alternative auf der Straße scheint uns nicht so sicher. Abendessen (wir haben seit dem Frühstück nichts gegessen aber eigentlich noch immer keinen Hunger) heute schon wieder bei Tacos Orientale im Nachbarhaus des Hotels.
Und zum Schluss für die Pfingsttage ein weiteres Bilderrätsel: Was ist das?
Sonntag 19.5.24 – Ruhetag in Pinotepa Nacional
Wir entscheiden uns, in Pinotepa Nacional einen Ruhtag einzulegen und uns gemeinsam zu überlegen, wie es jetzt genau weitergehen soll. Bei den Temperaturen und den anstehenden Steigungen schaffen wir unsere 60 bis 70 Kilometer pro Tag jedenfalls nicht, die wir in unserer Grobkalkulation mal angesetzt hatten.
Die zwei Kontakte der vergangenen Tage (Bagoberto, der in Acupulco anhielt, Julio vom Hotel La Orquidea) werden über WhatsApp kontaktiert, können uns aber auch nur raten, vorsichtig zu sein, der Hitze auszuweichen, aber aus Sicherheitsgründen auch weiterhin keinesfalls nachts zu fahren. Die Tipps bezüglich anderer Transportmittel, namentlich „Autobus“ und „Combis“, prüfen wir am zentralen Busbahnhof, an dem auch die „Combis“ abfahren. Unser Tandem passt auf die Ladefläche über der Fahrerkabine vielleicht ganz knapp drauf, wenn es ganz zusammenschoben ist. Mit einem dieser Combis könnten wir bis Puerto Escondido kommen, wo wir wieder näher am Meer und zwei bis drei Grad kühler unterwegs wären.
Mit einem Bus könnten wir bis Salina Cruz kommen, von wo wiederum Busse nach Tapachula, der Grenzstadt nach Guatemala, fahren.
Jedoch nehmen die Busse nur dann Fahrräder mit, wenn sie genug Platz im Laderaum haben. Wir könnten also tagelang auf den „richtigen“ Bus warten, der uns wirklich mitnimmt.
Wir entscheiden uns, morgen einen Versuch mit sehr früher Abfahrt gleich bei Sonnenaufgang zu unternehmen. Die Strecke bis Puerto Escondido teilen wir in drei Abschnitte auf (~40 km, ~ 50 km, ~ 50 km). Wenn das morgen klappen sollte, wollen wir es an den Folgetagen ähnlich machen.
Die Strecke nach Costa Rica schaffen wir aber bei dem Tempo definitv nicht bis zum geplanten Familientreffen Ende Juni. Wir werden also sicher nochmal eine Bus-Etappe und einen andern Transport benötigen. Jetzt ist inzwischen auch die Strecke ausgerechnet, die wir mit den zwei Bussen und der Fähre zurückgelegt haben: insgesamt 2932,1 km – erschütternd, schon fast 1000 km mehr als mit dem Rad – bis jetzt, denn weitere Strecken werden dazu kommen (müssen).
Zum Frühstück finden wir ganz in der Nähe von Hotel und Busbahnhof in einem Einkaufszentrum das Cafe Aroma, in dem es einen guten Caffé Latte gibt. In einer der sehr zahlreichen Farmacias (Farmacias similares – die mit den günstigen Generika 🙂 )besorgen wir uns neues Magnesium und auch mal ein Multipräparat, weil unsere Ernährung hier doch recht ungesund ist. In der Sichtwahl stehen lauter bei uns verschreibungspflichtige Sachen, völlig unsortiert, aber die Nahrungsergänzung muss der Herr von hinten holen. Auf dem Tresen (ist eher Tresen als HV-Tisch – für alle Insider) steht ein Cube mit zwei Spritzen Clexane und zwei Spritzen Enoxaparin xxx inclusive dem Preisvergleich. Wir machen einen klimatisierten Einkaufsbummel, kaufen uns Microfasertücher zur Kopfkühlung, passende größere Radfahrhandschuhe für Viktor, weiße Schweißbänder für Juttas Griffe am Stoker-Sitz (blöderweise schwarz und immer heiß, wenn die Sonne draufknallt) und am Ende sogar bei „Elektra“ eine billige GPS-Smartwatch von Huawei (Watch Fit) als vorläufigen Ersatz für das defekte Garmin Vivoactive HR. Dessen Bezahlung gestaltet sich allerdings schwierig: die Mitarbeiterin am Telcel-Stand will Viktors Telefonnummer haben – da sie eine Deutsche nicht eingeben kann, schreibt sie eine fiktive auf einen Zettel, mit dem wir uns bei der Banco Azteka im selben Gebäude anstellen müssen – dort muss Viktor sich zusätzlich zu der „Telefonnummer“ identifizieren, der Ausweis ist aber im Hotel geblieben, ein Bild auf dem Handy hilft glücklicherweise – und dann braucht das Veriphone-Gerät der Bank mehrere Versuche, bis die Kartenzahlung klappt – wir gehen zurück zum Telcel-Stand, erzählen, dass bezahlt ist und bekommen die Uhr und die Quittung – das ganze dauert wohl 20 Minuten und ist in unseren Augen ein sehr eigenartiger Vorgang zum Bezahlen in einem großen Elektro-Laden . Bei Elektra bestaunen wir auch die schönen rosafarbenen Toplader-Waschmaschinen.
Den Rest des Tages „chillen“ wir im wahrsten Sinne des Wortes im klimatisierten Hotelzimmer, checken das Tandem durch (Ketten-Check, Brooks-Sattel nachfetten und nachspannen, auf lockere oder verlorene Schrauben prüfen, etc.), hören mal wieder „Lage der Nation“ für ein paar Neuigkeiten aus Deutschland und beschriften den zweiten Teil des Duschvorhangs in der Hoffnung auf ein paar kalte Getränke oder Mitnahme- und Unterkunftsangebote.
Beim Nachspannversuch des Brooks-Sattels dreht sich die Spannschraube mit der Mutter mit. Was ist das für´n Schrott? Ich denke das ist der beste Sattel, den man käuflich erwerben kann? Ein schneller Blick in ein Forum zeigt, dass viele Langzeitradler das gleiche Problem erlebt haben. Mit einer Rohrzange kann man es aber ganz einfach lösen. Blöd nur, das Jutta sich gegen die Mitnahme eine Rohrzange ausgesprochen hatte ;-). Der Leatherman tut es dann aber zum Glück auch.
Hier noch zwei Details für HASE Pino Tandem Fans:
1. Mit den Schwalbe Pickup Mänteln ist es extrem knapp an den Schutzblechen (Video 1)
2. Wenn der Rückstrahler unter dem Scheinwerfer vorne mal nach unten zeigen sollte: NICHT HOCHKLAPPEN ohne die Schraube zu lockern (Video 2)
Lösung des Rätsels: