Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Monat: Dezember 2024

Woche 40 (30.12.24 – 5.1.25) Olmué – San Fernando

Montag 30.12.24 – (148) – Olmué – Viña del Mar (Valparaíso)

Gesamt: 9.328,28 km

Als wir vor dem Frühstück das Tandem packen, sind wir erstaunt, wie nebelig und kalt es draußen ist, wo es hier doch eines der besten Klimata der Erde gibt. Gretel serviert uns im Klavierzimmer ein nettes Frühstück mit Avocado, selber gemachten Alfajores etc., und anschließend fahren wir mit Jacken an in den Nebel. Die nicht lange Fahrt führt großenteils durch Siedlungen, nach Olmué kommt Limache, kurz danach Villa Alemana, Quilpue, und das geht gleich über in Viña del Mar, das mit Valparaíso quasi eine Doppelstadt am Meer bildet. Die Straßen sind ziemlich schlecht und voller Autos. Außerdem geht es ständig auf und ab. Die Gegend erinnert ein bisschen an San Francisco, baer zum Glück ist es nicht ganz so steil. Vor Villa Alemana müssen wir ein kurzes Stück auf die Autobahn – anders kommen wir nicht von Ost nach West auf asphaltierter Straße. Komoot wollte uns mal wieder über eine Schotterpiste mit 17% Steigung schicken … da fahren wir dann doch lieber eine Ausfahrt auf der Autobahn.

Eine Pause machen wir wieder einmal bei Pronto an einer Cotec-Tankstelle, die haben sich schon bewährt, und an dieser in Vila Alemana gibt es sogar eine Fahrrad-Reparatur-Station.

Wir sehen unterwegs viele Deutsche Wörter in den Straßen, wie z.B. „Verkauf“ bei einem Autohändler oder „Kaufen“ bei einem Wohnungsmakler, das ist ganz lustig.

Obwohl wir viel mit den Autos und vor allem Bussen im Stau stehen, sind wir um zwölf Uhr schon am Hotel, können das Tandem im Gepäckraum unterstellen, müssen uns aber noch bis 15 Uhr gedulden, bis wir ein Zimmer bekommen. Die aus Russland stammende Rezeptionistin empfiehlt uns das „Cassis“. Dort gibt es heute leider keine Bananen und demnach kein Banana-Split, aber Viktor isst besondere Sorten Eis (u.a. Schoko-Whisky) und Jutta einen „Streusel-Kuchen“, der wirklich so heißt, weil die Backkunst hier in Chile stark von deutschen Einwanderern beeinflusst wurde. Auf dem Rückweg auf der Promenade am Meer entlang werden wir von Sicherheitsleuten zurückgepfiffen, da alles jenseits der Straßenmitte gesperrt ist, obwohl nirgends ein Schild steht oder irgendwas abgesperrt ist – das weiss man einfach. Viktor hat zum Glück aber schon ein Panaroma-Foto gemacht (auf dem keine Menschen zu sehen sind)

Panorama an der Promenade

Anschließend gehen wir noch zur Metro-Station (auch wenn die Metro eigentlich nicht mehr Metro, sondern „Efe“ heißt), kaufen schon eine Karte und informieren uns, wie man nach Valparaíso kommt, und erst dann können wir zum Einchecken wieder ins Hotel.

Wir bekommen ein Zimmer im zehnten Stock mit Blick auf den Pazifik. Dummerweise ist auch in diesem tollen Hotel das WIFI sehr schwach, aber man kann nicht alles haben. Wir verbringen einige Zeit im Hotel, bis wir von Elias Nachricht bekommen, dass er sich gerne schon heute Abend mit uns treffen will. Also nehmen wir die Metro bis Bellavista und treffen dort ertsmals seit April jemanden aus Hohen Neuendorf. Elias macht gerade ein FSJ beim YMCA, zeigt uns dieses Gebäude zuerst, und dann gehen wir einige Straßen entlang bis zu einem Aufzug. Für 100 Pesos, 10 Cent, kann man hoch- oder runterfahren – wir fahren hoch.

Oben hat Elias das „Fauna“ für unser gemeinsames Abendessen ausgewählt. Wir müssen uns anstellen und bekommen nach einer Wartezeit zunächst einen Tisch innen. Nachdem wir schon Getränke haben und auf das Essen warten, dürfen wir uns aber sogar noch nach draußen auf die Terrasse setzen, wo wir einen tollen Blick über die Bucht und Valparíso haben.

Wir verbringen ein unterhaltsames Abendessen inklusive wieder Schokoladen-Vulkanen für die Herren. An der Metro-Station müssen wir lange warten, der Zugverkehr ist unregelmäßig, und wir bekommen erst die letzte Bahn um 22:30 Uhr. Danach müssen wir das hier noch schreiben, und immer wieder fällt das WLAN im Hotel aus – das ist recht mühsam aber kurz nach Mitternacht ist es geschafft …

Dienstag 31.12.24 -Viña del Mar (Valparaíso)

Nach einem für ein „Nobelhotel“ recht bescheidenem Frühstück nehmen wir den Efe bis Puerto, weil an der nahegelegenen Plaza Sotomayor um zehn Uhr die Tour4Tips startet. Auf einer Bühne auf dem Platz probt gerade eine Band, und es ist sehr, sehr laut. Hier wird heute Abend eine riesige Silvesterfeier stattfinden – wohl ähnlich der am Brandenburger Tor. Die drei rot-weiß gestreift gekleideten Tourguides gehen mit uns großer Gruppe erst einmal an einen etwas ruhigeren Platz, bevor wir in drei Gruppen aufgeteilt werden. Es stellt sich schnell heraus, dass sich keine spanischsprachige Gruppe lohnt, und so werden wir einfach gedrittelt.

Wir drei – denn Elias ist heute auch dabei – landen bei Camilo, mit ca. 20 anderen. Als erstes gehen wir in das älteste Viertel, das Hafenviertel. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde für das Stadtgebiet von Valparaíso über lange Zeit Land gewonnen, damit die umliegenden Hügel nicht bewohnt werden mussten, heute sind alle über zwanzig Hügel bebaut. Wir gehen in und auf die relativ neue Markthalle: die alte an gleicher Stelle wurde durch ein Erdbeben zerstört, der Neubau dauerte sieben Jahre, in denen die Händler in der Nachbarschaft auf der Straße ihre Waren feilgeboten haben, und dort handeln sie weiter, weil sie für die Nutzung der Halle eine Gebühr zahlen müssten und sich die Stammkunden an die Straße gewöhnt haben. Und so steht die eigentlich tolle, mehrstöckige Halle fast leer. Von der großen Dachterrasse haben wir einen tollen Ausblick, auch wenn die Bucht noch im Nebel liegt.

Vom Hafenviertel nehmen wir einen Micro, wie hier die relativ kleinen Busse heißen, und fahren alle hoch bis zur Avenida Alemana, die sich über mehrere Hügel schlängelt und die erste richtige, längere Straße war, durch die sich die Stadt erst entwickeln konnte. Und dort oben vom Bismarckplatz können wir eine neue Aussicht bewundern. Runter geht es vorbei am Parque Cultural (der heute leider geschlossen hat), der am ehemaligen Gefängnis entstanden ist, und an den drei alten Friedhöfen. Weiter unten an der Cumming-Straße (an der Plaza el descanso) beendet Camilo die Tour.

Elias führt uns noch ein wenig herum auf der Suche nach einem geöffneten Café, und wir fahren noch einmal mit dem Aufzug „Reina Victoria“ auf den Cerro Allegre hoch. Auf dem Weg durch die engen Gassen kommen wir an einer Stelle vorbei, wo neben einer Treppe eine Rutschbahn liegt. Die Mutigste von uns probiert sie aus und schon wir haben ein tolles „Guten Rutsch“-Video für die Familie:

Nach mehreren geschlossenen Cafés finden wir noch ein geöffnetes und verbringen dort eine gute Zeit miteinander – die drei Hohen Neuendorfer fern der Heimat. Als wir mit einem Aufzug wieder nach unten fahren wollen, beginnen gerade sämtliche Handys mit lautem Notfallalarm: ein Waldbrand.

hier funktionieren diese Notfall-Push-Nachrichten auf alle Mobiltelefone tadellos!

Mit der Überlegung, uns morgen Abend noch einmal zu treffen, verabschieden wir uns bis zum „nächsten Jahr“.

Zu Zweit fahren wir wieder nach Viña del Mar, suchen auf dem Weg zum Hotel noch einen Supermarkt, wo wir uns einen Sekt, Berliner und weitere Getränke kaufen, und ruhen uns dann etwas aus. Gegen halb sechs machen wir uns auf den Weg, um zu gucken, ob wir für heute Abend ein geöffnetes Restaurant finden, denn Heiligabend war uns eine Lehre. Auch wenn Vieles um 18 Uhr schließt, wir finden einen Mexikaner, der bis 3:30 Uhr geöffnet sein wird. Also gehen wir jetzt erst noch einen späten Kaffee bei Starbucks trinken, kaufen uns Tickets für das Riesenrad an der Promenade (das seit heute wieder fährt) für 22 Uhr und gehen dann wieder ins Zimmer.

Nach Neujahrsgrüßen mit Deutschland und Spanien (um 20 Uhr, wir haben gerade vier Stunden Zeitdifferenz) gehen wir um halb neun zu „Maria Clarita“, dem Mexikaner. Dort haben sie so gut zu tun, dass wir über eine Stunde auf unser Essen warten müssen – so kann man den langen Silvesterabend auch rumbringen. Fertig gegessen müssen wir dann sofort zum Riesenrad und kontrollieren die Rechnung nicht richtig – entweder haben die uns abgezockt oder Essengehen ist hier in Viña del Mar nochmal deutlich teuerer als in Valparaíso. Der Weg Zum Riesenrad über die Promenade ist zwar gut voll, aber nicht so überfüllt wie befürchtett. Im „La gran rueda“ drehen wir ganze drei Runden, bevor wir wieder aussteigen müssen. Im Dunkeln mit den ganzen Lichtern ist die Fahrt sicher schöner als bei Tageslicht.

Nach der Fahrt und einigem Schlendern gehen wir ins Hotelzimmer und beobachten das ganze Treiben aus dem zehnten Stock durch die Fenster. Hier fahren am Silvesterabend durchgängig sehr viele Autos durch die Straßen (und hupen zum Teil). Um kurz nach Mitternacht beginnt das berühmte Feuerwerk, allein in Viña del Mar von sieben Stellen aus – sechs auf dem Meer, eine auf dem Land. Ungefähr 20 Minuten dauert das Spektakel. Und viele scheinen es sich im Auto sitzend anzuschauen. Hinterher wird noch etwas privat geknallt und vor allem gehupt. Wir machen dies hier noch fertig und beenden dann den Tag.

Mittwoch 1.1.25 -Viña del Mar (Valparaíso)

Nach einer lauten Nacht gehen wir etwas später als sonst frühstücken, wie viele andere ebenfalls, so dass das Hotel nur schwer nachkommt, Brot, Käse etc. nachzuliefern – man muss anstehen oder sich beeilen, wenn gerade Nachschub kommt.

Vormittags überlegen wir unter Zuhilfenahme einiger Ratschläge von anderen Radreisenden, wie wir ab hier am Besten weiterfahren können und bleiben dann bei unserem Plan. Dafür müssen wir die Route über Google mymaps planen und nach Konvertierung in Komoot importieren (was etwas mühsehlig ist), weil Komoot die Autobahnen nicht für nutzbar hält (im Gegensatz zu Sand- oder Schotterpisten…). Dabei laufen hier sogar Fußgänger auf den Standstreifen der „Autobahn“.

Außerdem buchen wir noch die Bootstour von Puerto Montt nach Puerto Natales – und setzen uns damit schon wieder ein festes Datum: den 7. Februar.

Gegen Mittag fahren wir nach Valpo (so der Kurzname von Valparaíso), um vor der um 15 Uhr beginnenden Walking Tour noch ein von Onkel Rudolf explizit für Valparaíso gesponsortes Mittagessen einzunehmen. Der Neujahrstag ist auch hier ein Feiertag, und zumindest unten in Hafennähe ist alles geschlossen. Auch die Aufzüge fahren heute nicht, also gehen wir zu Fuß viele Stufen und steile Straßen weiter nach oben. Hier auf den touristischen Hügeln entdecken wir dann nach einigen Cafés das Restaurant „Rosmarino“ mit offener Tür, und wir finden dort einen Platz. Keine schlechte Wahl: der Pulpo für Viktor und die Gnocci mit Spargel für Jutta sind wirklich sehr gut. Vielen Dank, lieber Rudi!

So gestärkt geht es wieder nach unten zur Plaza Sotomayor zum Start der Tour4Tips. Heute sind es weit weniger Menschen als gestern, es gibt eine spanische und eine englische Tour. Und unsere englische wird wieder von Camilo betreut! Das Paar aus Brighton von gestern ist heute auch wieder mit dabei und erkundigt sich sogar bei uns nach „dem jungen Mann“ von gestern, Elias, der heute etwas anderes vorhat. Wir unterhalten uns ein wenig und erfahren von den beiden, dass es auf dem Schiff zwischen Puerto Montt und Puerto Natales keinen Alkohol zu trinken gibt, weil in der Vergangenheit einige alkoholisierte Fahrgäste über Bord gegangen sind oder versucht haben, in ihren Kabinen auf offenem Feuer zu grillen. Immerhin soll es alkoholfreies Bier geben und die unterschiedlichen Altergruppen an Bord kommen ohne Alkohol offenbar sogar besser miteinander ins Gespräch. Außerdem haben die beiden auch noch einige Restaurant- und Hotel-Tipps für Patagonien.

Die Highlights-Tour beginnt am Hafen, dem die Stadt ihre Entwicklung verdankt. Den Namen Valparaíso trägt sie erst, seitdem die Spanier hier ankamen und sie nach dem Valparaíso de Arriba in Spanien benannt haben, von wo der Stadtgründer stammte. Die Mapuche hatten diesen Ort bis dahin „Alimapu“ genannt (verbrannte Erde), weil es hier so viele Waldbrände gibt.

Und à prospros viele Feuer: die Feuerwehren sind hier ausschließlich freiwillig, es gibt keine Berufsfeuerwehr. Und die Standorte haben hier als Namen viele Nationalitäten, angefangen mit der Amerikanischen, aber auch der Deutschen Feuerwehr, Belgisch, Schweizerisch etc., auch wenn es heute alles Chilenen sind, die dort ihr Ehrenamt ausüben.

Wir steigen über Stufen auf den Cerro Alegre (Fröhlicher Hügel) und besuchen verschiedene „Murales“ (Wandgemälde, Graffiti und Street-Art).
An einem in schwarz-weiß gemalten großen Wandgemälde waren wir gestern zufällig schon mit Elias und erfahren heute, dass der komische Typ, den wir gestern dort mit Farbtuben und Skizzenheft gesehen haben, und der eine Art Sturmhaube oder Maske über den Kopf gezogen hatte, der konsumkritische Street-Art-Künstler ist, dessen Gesicht niemand kennt. Der ist gerade dabei, sein Werk zu erneuern, denn es wurde von anderen Graffiti-Künstlern und „Taggern“ teilweise übermalt. Bei dieser Art von „Erneuerung“ kommen meist auch neue Elemente dazu, diesmal auch eine Person, die Elon Musk sehr ähnlich sieht.

Viktor erfährt auf der Tour auch, dass eines seiner Lieblingslieder aus Lateinamerika, „Gracias a la Vida“, ursprünglich gar nicht – wie er immer dachte – von der Argentinierin Mercedes Sosa ist, sondern von der Chilenischen Künstlerin Violetta Parra, der auch eine Treppe im Viertel Cerro Alegre gewidmet ist.

Um kurz nach sechs endet die Tour. Wir sind mit Elias zum Abendessen verabredet, warten auf ihn bei den „Malas Madres“ (Rabenmütter), wo wir in der Zwischenzeit etwas trinken, und gehen dann mit ihm in ein Café, wo er uns zum Abendessen einlädt. Viktor und Elias essen Pastel de Choclo, einen chilenischen Maisauflauf, der aus Zuckermais zubereitet wird. Wir unterhalten uns viel und lange über alles mögliche (Politik, Technik, Radfahren …), haben einen sehr schönen Abend, und es wird wieder recht spät, so dass wir erst um 21:00 Uhr ganz knapp die Bahn zurück nach Viña del Mar erwischen. Der Abschied von Elias fällt daher am Bahnhof leider etwas kurz und hektisch aus.

Zurück im Hotel wird noch der letzte Berlín (Berliner) geteilt und Viktor trinkt den Rest des Sektes aus. Wir schreiben den Blogbeitrag und sind erst nach 23:00 Uhr im Bett. Oh je … und morgen sind schon wieder über 800 Höhenmeter auf dem Tandem geplant ….

Donnerstag 2.1.25 – (149) – Viña del Mar – Casablanca

Gesamt: 9.378,53 km

Wir stehen um sechs auf und sind viel zu schnell fertig – das Frühstück beginnt erst um halb acht – und als wir pünktlich um halb acht im Frühstücksraum erscheinen, fehlt noch die Hälfte. Aber es sind nicht viele Kilometer (nur einige lange Steigungen…) und morgens ist es hier recht kühl, also können wir auch gut erst um halb neun losfahren.

Nach langem Überlegen haben wir uns gegen die Küstenroute Richtung Süden entschieden. Die soll zwar schöner sein und weniger Verkehr haben, hat aber auch deutlich mehr Steigungen und ist nicht überall asphaltiert. Wir wollen lieber etwas schneller vorankommen, um im schöneren und grüneren Süden Chiles mehr Zeit zu haben.

Wir fahren durch den Stadtverkehr in Richtung Valparaíso, wo wir eigentlich links ab auf die R68 abbiegen wollen. Als Radfahrer haben wir leider keine Chance, über mehrere Spuren auf die Linksabbiegespur zu kommen und fahren lieber geradeaus. An der nächsten möglichen Stelle schieben wir über eien Ampel auf die andere Straßenseite, fahren wieder zurück und können dann über eine Rechtskurve auf die richtige mehrspurige Straße auffahren. Diese wird schnell zur Autobahn, hat aber (außer bei einigen Brücken) einen breiten Seitenstreifen. Die vielen Autos und Lastwagen sind zwar laut, dreckig und manchmal auch recht nah dran, aber wir können einigermaßen fahren.

Wenn die Straße nicht so wäre, wie sie ist, wäre es sogar richtig schön, denn rechts und links ist es sehr grün, nicht nur buschig, sondern voller Bäume. Die ersten knapp 20 km gehen größtenteils aufwärts, ab dann bleiben wir mehr oder weniger auf der erreichten Höhe. Nach zwei Stunden und der langen Steigung machen wir die Kaffeepause heute mal bei einem McDonalds, was wesentlich länger dauert als an Tankstellen – irgendwie werden alle Gäste, die nach uns gekommen sind, eher mit ihrem Essen versorgt als wir mit unserem simplen Kaffee. Und die McDrive-Kunden haben offenbar sowieso Priorität vor den Kunden im Lokal. Gut, dass wir es nicht eilig haben.

Weiter geht es etwas schneller als bisher. In Casablanca fahren wir von der Autobahn ab in den Ort und finden an der Plaza de Armas mehrere Eisläden. Bei einem lassen wir uns zu einer „Trilogie“ einladen, dieses Mal von Maria Luisa M. (Nena). Vielen Dank dafür!

Danke dafür, liebe Nena!

Obwohl es erst zwei Uhr ist und man eigentlich erst ab drei im reservierten Hotel einchecken kann, fahren wir schon hin. Im Hotel Casablanca Spa & Wine können wir das Tandem vor unserem Zimmer (dem „Pinot noir“) abstellen, wo es bald von dem Besitzer-Ehepaar entdeckt wird. Sie unterhalten sich ein wenig mit uns, geben uns einen Tipp für ein Partner-Hotel in Puerto Cisnes (weit im Süden an der Carretera Austral) und machen ein Bild für ihren Instagram-Account.

Den Nachmittag regenerieren wir auf die ein oder andere Art (Viktor nutzt den Pool und macht danach ein 2-Stunden-„Nickerchen“ 😉 ), und als es Abend wird, entscheiden wir uns gegen das Grillen auf der zum Zimmer gehörenden Terrasse (mit ummauertem Grill) und gehen lieber ins hoteleigene Restaurant. Dort gibt es auf der Karte mal wieder eine sprachliche Herausforderung, denn man kann offenbar Nudeln bestellen, die mit irgendwas verrücktem gefüllt sind (Panzotti de Locos). Leo.org liefert keine brauchbare Übersetzung, aber Wikipedia zeigt uns dann, das „Locos“ in Chile und Peru eine bestimmte Art von maritimen Schnecken (Concholepas Concholepas) sind.

Freitag 3.1.25 – (150) – Casablanca – Melipilla

Gesamt: 9.436,44 km

Das Weinhotel bietet Frühstück erst ab 8:30 Uhr an, aber wir nehmen es trotzdem ein und fahren erst um 9:15 Uhr los – für uns spät. Im Restaurant/Frühstücksraum läuft und lief auch gestern abend die ganze Zeit Weihnachts- und vor allem Wintermusik (White Christmas, Let it snow, Frosty, the Snowman und vieles mehr), dabei haben wir hier Sommer. Sommerweihnachtslieder von der Südhalbkugel sind anscheinend nicht so bekannt – oder es gibt sie erst gar nicht.

Heute müssen wir keine Autobahn fahren, die Strecke nach Melipilla geht die ganze Zeit auf der F-74-G bzw. G-74-F, einer Art Landstraße. Zu Beginn ist sie stark frequentiert, auch von LKW, aber nach dem Abzweig zur Autobahn nach Santiago bzw. San Antonio hält sich der motorisierte Verkehr sehr in Grenzen. Super! Außerdem gibt es auf fast 30 km an dieser Straße einen Radweg – aufgeteilt auf zwei Strecken. Nicht, dass hier viele Menschen leben würden, die diesen nutzen könnten – vielleicht werden sie auch deshalb nicht instand gehalten – aber die Idee ist gut :-).

Landschaftlich fahren wir vor allem durch landwirtschaftlich genutze Flächen: sowohl Mais und verschiedenes Obst als auch Rinder. In der ersten Hälfte gibt es zwei heftige Steigungen, die wir erstaunlich locker nehmen. Na gut, die Höhenmeter sind für ein Ecuador-erprobtes, durchtrainiertes Tandem wie das unsrige natürlich ein Witz 😉 . Nach dem zweiten Anstieg gibt es dann eine lange, kurvenreiche Abfahrt, bei der wir 56,5 km/h erreichen.

Höhenprofil

Nach 32 km wollen wir an einer Bushaltestelle in Maria Pinto Pause machen, und zufällig steht gegenüber ein Minimarket, bei dem wir sogar zwei Kaffee bekommen. Eine Toilette wird hier leider nicht angeboten – da soll Jutta einfach bei einem Wohnhaus in der Nähe fragen gehen, was sie aber nicht macht. Ein paar Kilometer weiter am Zusammentreffen zweier „Landstraßen“ an einer Tankstelle findet sich leichter die Möglichkeit.

Gegen halb zwei sind wir in Melipilla und halten an einer Ecke mit Café, Laden und Autowäsche, weil es dort „Mote con huesillos“ gibt und wir dies schon länger probieren wollen. Es soll sehr erfrischend sein, wir finden es ziemlich süß und verstehen eigentlich nicht, was genau der Weizen in Kombination mit karamelisiertem Pfirsichsaft und dehydriertem Pfirsich soll. Muss man einfach einmal getrunken haben, und heute lassen wir uns dazu von Maria Luisa Rosell einladen. Vielen Dank, (Schwieger-)Mama!

Von hier kündigen wir unserer Vermieterin der Ferienwohnung, die wir für heute reserviert haben, an, dass wir gerne schon vor 15 Uhr kommen würden, was gar kein Problem ist – sie erwartet uns. Als wir in der Straße noch nach der Hausnummer suchen, kommt sie schon aus der richtigen Einfahrt. Wir sind erst ihre zweiten Mieter, das kleine Häuschen an der Straße vor dem Haupthaus ist noch ganz neu. Im Kühlschrank ist alles für unser Frühstück morgen (das passt super, denn wir wollen früh los!), und auf der Terrasse können wir unsere Wäscheleine bestücken. Abends ist alles schon wieder trocken (Sonne und Wind) und kann abgenommen werden. Viktor bekommt eine Flasche Rotwein aus der Gegend geschenkt. Alles perfekt, nur das WIFI braucht ein wenig, es war wohl noch gar nicht eingeschaltet ;-).

Nach dem Duschen gehen wir ins nahegelegene Zentrum. Erst besorgen wir bei Western Union neues Bargeld, dann gehen wir über die Plaza de Armas und in die ziemlich neue Kathdrale. Beim Erdbeben 1985 wurde ein Großteil von Melipilla dem Erdboden gleichgemacht. Die meisten Gebäude, auch die Kathedrale Sankt Josef, sind also nach 1985 gebaut.

Anschließend gehen wir in einem Café/Restaurant im Einkaufszentrum früh Abendessen und nach dem anschließenden Supermarktbesuch zurück zur Ferienwohnung „Motherhome„. Dort können wir jetzt bar bezahlen und werden von der Vermieterin noch mit nach hinten genommen – sie zeigt uns das ganze Grundstück mit dem Haus ihrer Mutter, die sie lange gepflegt hat, und erklärt ihre Pläne für die Zukunft mit weiteren Fereienwohnungen.

Samstag 4.1.25 – (151) – Melipilla – Rancagua

Gesamt: 9.536,59 km

Mitten in der Nacht werden wir von heulenden Sirenen geweckt: ein Waldbrand westlich von Melipilla – wir dürfen also weiterschlafen, bis um halb sechs der Wecker klingelt. Mit „Pan Ideal“, das überall sonst „Pan Bimbo“ heißt, nur hier in Chile nicht (das Ideal-Brot wurde von Bimbo aufgekauft, aber der Name durfte bleiben), Quesillo, Marmelade, Käse und Joghurt können wir so früh schon in der FeWo frühstücken und dürfen das restliche Brot und eine Packung Mini-Brownies noch mitnehmen.

Um sieben geht es bei 12°C Außentemperatur los. Wir haben ca. 100 Kilometer vor uns und uns entschieden, möglichst wenig auf der Autobahn zu fahren. Dummerweise versagt heute die Navigation mit dem Garmin, wir müssen gestern bei der Änderung der von MyMaps importierten Datei einen Fehler gemacht haben. Auf dem Bildschirm ist zwar eine Linie, der wir folgen können, aber keinerlei Navigations-Angaben. Die G-78 geht relativ parallel und hat sozusagen die ganze Zeit einen Radweg. Manchmal hört er zwischendrin einfach auf, sehr häufig parken Autos drauf (manche Fahrer bekommen von Viktor zu hören, dass dieses in Deutschland teuer wäre), manchmal muss man die Straßenseite wechseln – jedenfalls kommen wir nicht sehr schnell voran. Aber langweilig ist es dadurch auch nicht! Und am Straßenrand blüht es heute: von zahlreichen kleinen Blumen über farbenfrohe Büsche und blühende Bäume ist alles dabei – eine wahre Freude!

In Talagante biegen wir in Richtung Südosten ab und durchqueren weitere Orte, bis wir bei Paine auf die RN5 (die Autobahn) fahren, und dort bis Peuco bleiben. Dort wollen wir eine Pause machen und fahren von der Autobahn ab. Nachdem wir netterweise zwei Sitzgelegenheiten ausgeliehen bekommen haben, können wir bei gekühlten Getränken und sitzend unsere Dinge vom Frühstück verzehren. Anschließend bleiben wir auf der lokalen Straße neben der Autobahn, allerdings nur etwa zehn Kilometer bis zu einer Tankstelle in San Francisco (Toiletten- und Wassereispause), denn dann müssen wir wieder kurz auf die RN5, um von dort über eine Rampe auf die alte 5 nach Rancagua abfahren zu können.

Heute ist Samstag, und es begegnen uns wieder sehr viele andere Menschen auf Fahrrädern, sowohl Sportler auf Renn-, als auch andere Menschen auf „normalen“ Rädern. Außerdem fahren wir an drei Geisterrädern vorbei, alle drei an recht geraden Straßen (keine Kurven oder Kreuzungen). Als Jutta eines fotografiert, klingeln zwei Radfahrer, um vorbeifahren zu können. Als wir sie wieder eingeholt haben, fragen wir sie nach ihren Klingeln, denn wir dachten schon, dass es in Chile keine Fahrradklingeln geben würde. Jedes Mal, wenn wir klingeln, reagieren die Menschen gar nicht – manche drehen sich kurz um, aber noch nie hat jemand Platz gemacht. Jetzt erfahren wir, dass es hier Fahrradklingeln gibt und sie normalerweise auch beachtet werden. Wahrscheinlich liegt es dann an unserem Klingelton, der im ganz normalen Geräuschpegel untergeht, oder an unserem fremden Aussehen und dem eigenartigen Fahrrad, dass uns die Leute keinen Platz machen…

Eines von drei Geisterrädern auf der heutigen Strecke

Unsere Strecke ist am Ende ein ganz guter Mix aus kleineren Landstraßen, die mit fahrbahnbegleitenden Radwegen ausgestattet sind, und einigen Teilstrecken auf der autobahnähnlichen RN5, wo wir auf dem Standstreifen fahren. Letzteres ist hier in Chile übrigens erlaubt. Die Radwegführung erinnert uns sehr stark an Deutschland. Die Radwege sind fast immer Zweirichtungs-Radwege, die sich auf einer Straßenseite befinden. Alerdings wechseln sie ständig von der linken auf die rechte Seite und wieder zurück. Natürlich völlig ohne Vorankündigung oder Verkehrschild. Immer wieder endet also unser Radweg, wir fahren auf der Straße weiter und sehen dann plötzlich auf der anderen Straßenseite den Radweg, der für uns unerreichbar ist, weil er mit einem gelben Bordstein von der Straße abgetrennt ist …. zu unserer Freude und zur Freude der Autofahrenden 😉 .

Auf den Autobahn-Teilstücken entwickelt Viktor die Idee für eine neue politische Partei in Deutschland, die das Potential hätte, die Grünen als meistgehasste Partei abzulösen. Die Partei „Tempolimit pro Rad“. Eine Ein-Themen-Partei, die die Freigabe aller Autobahnen für den Radverkehr fordert, denn das sind meist die kürzesten Verbindungsstrecken. Dafür würde der Standstreifen für Fahrräder freigegeben und das Tempo der KFZ zum Schutz der Radfahrenden generell auf 100 km/h begrenzt. Eventuell könnte man mit 130 km/h beginnen und über 30 Jahre gestreckt das Tempolimit auf 100 km/h reduzieren (immer minus 1 km/h pro Jahr). Wer ist bei der Parteigründung mit dabei?

Um vier Uhr kommen wir am reservierten Hotel an, nach knapp über 100 Kilometern, die wir erstaunlich locker und mit einem gar nicht mal so schlechten Schnitt von 16 km/h gefahren sind. Bis wir im Zimmer sind, dauert es aber ein bisschen. Die Rezeptionistin ist sehr besorgt, dass wir kein Schloss für das Tandem haben… (der Parkplatz ist mit einem Tor verschlossen, Außenstehende haben keinen Zugang, und wir haben bislang keine schlechte Erfahrung gemacht).

Wir kontaktieren Felipe und Katya per WhatsApp. Das sind die beiden Radreisenden und Weltenbummler, die wir in Mexiko und in Panama Stadt schon getroffen hatten. Felipe stammt aus Rancagua und wir verabreden uns zum Abendessen im Hotel.

Dabei stellt sich heraus, dass unser Hotel eine ehemalige Geburtsklinik ist, in der Felipe geboren wurde. Sie wurde später zu einem Hotel umgebaut und erweitert. Zufälle gibt es!

Wir unterhalten uns ausgiebig über unsere Erlebnisse und die Pläne für die nächsten Wochen und Monate, trinken gemeinsam den Rotwein aus, den wir gestern von unserer Vermieterin in Melipilla geschenkt bekommen haben, und es ist fast 22:00 Uhr als wir wieder auseinandergehen.

Treffen mit Katya und Felipe

Zurück im Zimmer muss der Blog noch fertiggeschrieben werden, und so wird es 23:45 Uhr ehe wir das Licht ausmachen können. Morgen ist zum Glück wieder eine eher kurze Etappe geplant.

Sonntag 5.1.25 – (152) – Rancagua – San Fernando

Gesamt: 9.598,48 km

Wir sind wieder einmal die ersten beim Frühstück, und es ist noch nicht alles bereit. Es ist hier wohl Standard, dass das Buffet zur Startzeit erst nach und nach bestückt wird. Das Tandem wurde nicht geklaut, so dass wir um viertel nach acht bei schon ziemlicher Wärme und Sonne losfahren können.

Wir fahren heute wieder kleinere Landstraßen, müssen aber zunächst aus Rancagua heraus dorthin kommen. Das geht über schlechte Straßen und über Schotter auf der linken Seite einer großen Straße. Wir haben ein wenig Sorge, dass das so weiter gehen könnte, aber nach einem kurzen Stück auf der Ex-Ruta 5 haben wir es geschafft. Wir fahren den Rest der Strecke über ländliche Straßen, z.T. wieder mit (häufig nicht nutzbaren) Radwegen. Es ist weiterhin eine Obstanbauregion, inklusive Wein, und ein Ort folgt dem anderen. Heute am Sonntag ist nicht viel los, nicht einmal der Laden an der Shell-Tankstelle ist geöffnet – also kein WC-Besuch möglich… Komischerweise treffen wir heute fast keine Radfahrer, die fahren anscheinend alle woanders.

In Rengo, nach etwa halber Strecke, halten wir an einem geöffneten Pronto Express. Ein Parkplatzeinweiser fragt uns aus und erzählt, dass er selber fünf Monate zu Fuß auf der Carretera Austral im Süden Chiles unterwegs war. Er hat sich in die Ruta 7 „verliebt“ und will demnächst wieder hin. Wir planen, einen asphaltierten Teil der Carretera Austral ab Puerto Montt zu befahren, aber wir wissen noch nicht genau, bis wohin. Wir kehren auf jeden Fall unterwegs wieder um, denn wir haben für den 7. Februar eine Schiffsfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales gebucht.
Und mit der Kolumbianischen Servicekraft im Laden unterhalten wir uns auch wieder ganz nett (sie war z.B. noch nie in Medellín, obwohl ihre Mutter dort lebt).

Nach der Pause überqueren wir die Autobahn und fahren auf der westlichen Seite weiter über Landstraßen Richtung San Fernando. Die letzten ca. 15 km geht es stetig aber wenig aufwärts, es ist inzwischen schon ziemlich warm, und wir werden langsamer. Heute sind die Radwege teilweise so schlecht, dass wir sie gar nicht erst nutzen – die Straßen sind nicht voll, und nur einmal will uns ein Taxifahrer auf den Radweg schicken. Soll er doch selbst mal mit dem Rad auf diesen Müllhalden fahren! Grrrr! Felipe erzählte uns gestern von vier Reifenpannen an einem Tag, als er mal mit schmalen Fahrradreifen auf solchen Wegen unterwegs war. Am Ende hatte er keine Ersatzschläuche und Flicken mehr übrig und musste per Anhalter nach Hause fahren.

Als wir eine Zeit lang parallel zur Ruta 5 unterwegs sind, hören wir über uns einen Hubschrauber. Es ist ein Löschhubschrauber, der offenbar gerade von seinem Einsatz zurückkehrt.

Gegen eins sind wir am Hotel, müssen uns aber noch eine Stunde gedulden, bis wir einchecken können. Ein paar Blöcke weiter trinken wir im „Rigoletto“ einen Eiskaffee, spazieren zur Plaza de Armas und bewundern den Springbrunnen, und nachdem wir im Tottus Supermarkt noch Getränke gekauft haben können wir ins Zimmer.

Im Süßigkeitengang der Supermärkte und an den Tankstellen-Kassen fühlt sich Vikor übrigens immer ganz wie zuhause. Überall findet man deutsche Begriffe. „Sahne-Nuss“ ist zum Beispiel ein stehender Begriff in Chile, über den niemand mehr nachdenkt. Selbst Felipe war gestern völlig überrascht, obwohl er sehr gutes Deutsch spricht. Ihm war gar nicht bewusst, dass „Sahne“ für das spanische „Crema“ steht und „Nuss“ für das spanische „Nuez“. Das Eichhörnchen auf der Verpackung sitzt sogar auf Haselnüssen. In der Schokolade sind aber gar keine Haselnüsse (Avellanas) verarbeitet, sondern ganze Mandeln (Almendras enteras).

Sonntagabend ist die Auswahl geöffneter Restaurants in San Fernando sehr beschränkt. Wir enden im Foodcourt des VIVO-Shoppingcenters und essen riesige Burritos. Danach gehen wir nochmal kurz ein Bier kaufen. Es gibt bei TOTTUS tatsächlich die peruanische Cusqueña Negra, für die sich Viktor entscheidet. Auf dem Rückweg zum Hotel versagt die Navigatorin in unserem Zweiterteam vollständig und sagt Viktor nicht genau, wo er entlangegehen soll. Prompt läuft er mit ziemlicher Wucht gegen den tiefhängenden Ast eines Straßenbaumes (wir sind da heute schon dreimal langgelaufen, und der Ast hing schon die ganze Zeit so tief – Kommentar von der Navigatorin!) und muss sich erst einmal kurz auf den Boden setzen. Es hält sogar wie auf Bestellung ein „Hospital-Taxi“ und der Fahrer bietet an, uns ins Krankenhaus zu fahren. Da Viktor diese Zeilen wenige Minuten später im Hotel bereits wieder schreiben kann, gehen wir aber davon aus, dass außer der Schramme, die von der Apothekerin in unserem Zweierteam gleich fachkundig versorgt werden wird, nichts Ernstes passiert ist. Zum Glück schleppen wir seit Monaten ein Notall-Kit über sämtliche Berge und können jetzt mal die Desinfektionstücher und das Wundgel einsetzen.

Kleiner Dachschaden

Woche 39 (23.12.24 – 29.12.24) Santiago de Chile – Olmué

Montag 23.12.24 – Santiago de Chile

Heute ist ein organisatorischer Tag geplant, da wir vor den Weihnachtsfeiertagen noch ein paar Dinge erledigen wollen. Wir wollen versuchen, unser Paket persönlich am Flughafen abzuholen, Wäsche waschen und einen Fahrradladen finden, der Service und Reparatur am Tandem auch über die Weihnachtsfeiertage durchführen kann, denn am 28. Dezember wollen wir weiterfahren Richtung Valparaíso.

Da der Flughafen nur sehr schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist – keine der sechs U-Bahn-Linien von Santiago fährt dort hin – bestellen wir uns ein UBER-Taxi und lassen uns zum Logistikzentrum am Flughafen bringen. Wir sind unserem Paket bei der Ankunft sehr nahe, wie der Apple AirTag uns anzeigt.

Nahe dran und doch unerreichbar

Dort suchen wir ein DHL-Büro, finden aber leider nichts. Das Gelände ist mit zwei Drehkreuzen – wir erinnern uns an die korrekte Bezeichnung „Personenvereinzelungsanlage“ (siehe Grenze Tijuana) – vor Besucherverkehr geschützt. Der Security-Mann vor den Drehkreuzen erblickt aber einen DHL-Mitarbeiter (Felipe), der gerade herauskommt, und der nimmt sich doch tatsächlich unseres Problems an. Wahnsinn! Er hört sich unsere Geschichte an, ruft seinen Kollegen (Ivan) an, gibt ihm unsere Tracking-Nummer durch, und Ivan verspricht, zu uns herauszukommen. Zum Glück passiert es wohl sehr selten, dass Empfänger von Paketen hier am Drehkreuz stehen, und so sind wir wohl eher eine exotische Herausforderung als ein echter Störfaktor.

Ivan erklärt uns, dass eine offizielle „Division de Bulto“ erforderlich ist, bei der das Paket geöffnet wird und alles zerstört wird, was nicht ins Land darf, weil wir die erforderlichen Zertifikate nicht beibringen können. Danach dauert es noch ein paar Tage, bis das Paket dann ins Verteilzentrum und zur Auslieferung kommt. Wir zeigen ihm unsere E-Mail vom 19.12., in der wir DHL genau darum gebeten haben, aber so einfach geht das natürlich nicht. Außerdem kostet das 50 Dollar extra. Ivan muss heute für einen andern Kunden einen ähnlichen Fall bearbeiten und will unseren Fall vorziehen und gleichzeitig bearbeiten. Er verspricht, in ein paar Minuten mit den entsprechenen Formularen wieder vor dem Drehkreuz zu erscheinen.

Nach 35 Minuten Wartezeit … setzen wir uns dann doch erstmal auf die Bank vor der Security-Kabine. Ivan versucht in der Zwischenzeit – was wir ja nicht wissen – den Zoll davon zu überzeugen, unser Paket schneller zu bearbeiten, wenn er persönlich vorbeikommt, leider erfolglos. Nach 70 Minuten kommt er wieder vor das Drehkreuz, und Viktor unterschreibt ihm eine Vollmacht, mit der er das Notwendige einleiten kann. Er ergänzt auf dem Original für den Zoll noch händisch den Ferrero-Küsschen Weihnachtsmann, den Ivan auf der Vollmacht vergessen hat.
Aber die Tage für die Bearbeitung durch den Zoll können wir nicht verkürzen – und das Paket heute schon mitnehmen natürlich auch nicht.

Mit Ivan sprechen wir noch ab, dass er uns eine WhatsApp oder E-Mail schickt, wenn das Paket ins Verteilzentrum kommt, inklusive der Adresse des Verteilzentrums, an der wir versuchen wollen, das Paket dann persönlich abzuholen. Der Mann ist einfach sensationell und wir drücken ihm einen unserer Aufkleber in die Hand. Wir hoffen, dass er es bis zu diesen Zeilen hier schafft. Danke Ivan! Und Danke Felipe!

Mit einer Mischung aus Frust und Hoffnung bestellen wir uns ein Uber-Taxi zurück zum Hotel. Viktor wollte eigentlich damit drohen, vor dem Gebäude zu zelten, bis wir das Paket in den Händen halten, aber was hätte die Drohung gegenüber dem sehr bemühten Ivan schon bewirkt?

Zurück im Hotel stellen wir unsere Wäsche zusammen und gehen gegen 12:30 Uhr in eine nahegelegene Lavanderia del Barrio. Wir erwarten eigentlich, dass wir die Wäsche erst nach Weihnachten abholen können, aber die drei netten Frauen dort wollen die Maschine sofort anwerfen und wir sollen die Wäsche um 16:00 Uhr abholen kommen. Super! 🙂

Von dort machen wir uns gleich auf den Weg ein paar Straßenecken weiter. Dort gibt es zwei Fahrrad-Werkstätten, die geöffnet sein sollen. Wie schon fast zu erwarten, trifft das nur auf eine der beiden zu.
Aber der Fahrradmechaniker bei biciboss sagt uns nach einem Blick auf ein Foto des Tandems sofort zu, dass es auch über den Weihnachtsfeiertag möglich ist, einen Service und eventuell die Reparatur am Kurbelsatz bzw. an der linken Kurbel durchzuführen. Sie sollten notfalls vielleicht auch passende Ersatzteile haben, falls wir die Kurbel doch nicht aus dem Zoll bekommen. Morgen um 9:00 Uhr sollen wir mit dem Tandem zu einer anderen Geschäftsstelle (Rosas 1239) kommen.

Biciboss Santiago de Chile

Na also, das war doch ein halbwegs erfolgreicher Vormittag, auch wenn wir unser Paket noch nicht haben. Zur Krönung gehen wir in das Café Crónica Digital an der nahegelegenen Plaza Brasil, und es werden uns zwei Banana Split zubereitet. Hier in Chile kennt man „Banana Split“ wieder, anders als in Argentinien, wo das nur eine eigenartige Eissorte mit Bananengeschmack und Cookies war. Allerdings hatte Viktor gestern Abend im Nachbar-Café (Café Literario La Canela) nach einem Banana Split gefragt und sofort eine Zusage erhalten. Heute Mittag hat Viktor die Cafés leider verwechselt.
Ein Mitarbeiter des heutigen Cafés muss allerdings erst noch zwei Bananen kaufen gehen, aber dann bekommen wir zwei ansehnliche Banana Split serviert.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Nathalie V. für diesen (Geburtstags-) Banana Split!

Danke Nathalie V.!

An der Dekoration des Cafés erkennen wir nun auch, dass wir wirklich in einem eher linken Viertel untergekommen sind, sozusagen dem „Prenzlauer Berg“ von Santiago de Chile.

Als wir nach unserem Banana Split aus dem Café heraustreten spricht uns der Mitarbeiter des Nachbarcafés von gestern Abend an und erkundigt sich, ob wir denn schon einen Banana Split gegessen hätten. Viktor muss zugeben, dass wir gerade im Nachbar-Café waren. Morgen werden wir also wohl zum Vergleich im „Cafe Literario La Canela“ einen Banana-Split-Vergleich durchführen.

Bis vier Uhr verbringen wir den Nachmittag im Zimmer, um pünktlich die saubere Wäsche abholen zu können. Anschließend kaufen wir uns eine BIP!-Karte für die Metro und bestimmte Busse und fahren drei Stationen mit der grünen Linie L3 bis zur Station „Bellas Artes„. Überraschenderweise fährt die Metro hier auf Gummireifen zwischen den Schienen, was wir bislang nur aus Montreal kannten. Von der Station Bellas Artes laufen wir noch ein ganzes Stück, denn nachdem Viktor schon in so vielen Städten „Funicular“ fahren wollte und es immer nur „Telefericos“ gegeben hat, können wir hier beides fahren. An der Funicular-Talstation angekommen erfahren wir, dass montags die Seilbahn (Teleferico) immer gewartet wird und nicht fährt, so dass wir hoch und runter mit dem Funicular fahren müssen.

Oben machen wir einen kleinen Rundgang, und als wir vor der Abfahrt noch etwas trinken wollen, haben alle Stände, die vor dem Rundgang noch geöffnet waren, inzwischen alle geschlossen. Wir fahren also durstig wieder runter und trinken sofort an der Talstation etwas in einer „Cerveceria“, die trotz ihres Namens kaum eine Biersorte am Lager hat.

Den Rückweg zum Hotel legen wir komplett zu Fuß zurück. Es ist fast sieben und nicht mehr so heiß, und so kommen wir auch noch an der Plaza de Armas vorbei. Dort steht zwar dieses Jahr ausnahmsweise nicht der große Weihnachtsbaum (wie sonst), aber er ist voller Leben, und an mindestens zwei Stellen gibt es von Menschenansammlungen umringte Redner bzw. Prediger. Dann gehen wir zu unserer Plaza Brasil zurück und gehen dort bei einem Italiener (La Martina) essen. Die weiblichen Bedienungen tragen alle pinkfarbene, hautenge Sportanzüge, die an Hooters erinnern, aber das Essen ist formidabel – wir essen beide Risotto, ganz unterschiedliche, aber beide köstlich (Viktors Google Rezension). Auch jetzt, nach 22 Uhr, sind die Straßen und Plätze noch voller Familien mit Kindern allen Alters, aber jetzt sind die Temperaturen auch angenehm.

Auf dem Rückweg zum Hotel kommen wir auf der Plaza Brasil an einer Gedenktafel für Brasilianische Flüchtlinge vorbei, die nach dem Militär-Putsch gegen Salvador Allende 1973 ermordet wurden oder spurlos verschwanden.

Dienstag 24.12.24 – Santiago de Chile

Ein völlig anderer Heiligabend als zuhause!

Nach dem Frühstück bringen wir zu neun Uhr unser Tandem zu biciboss in den Hauptladen. Sie haben zwar Einiges anderes zu tun, versprechen uns aber, bis zum 27. abends fertig zu werden. Das soll die letzte Wartung auf unserer Tour sein, und Viktor erklärt wieder einmal alle Besonderheiten unseres speziellen Tandems. Die Pedalkurbel können wir hoffentlich so rechtzeitig nachliefern, dass auch sie ausgetauscht werden kann.

Von dort laufen wir zum Museum de Bellas Artes, vor dem der Treffpunkt für Walking Tours mit „Tours4Tips“ ist, wie hier und in Valparaíso die „Free Walking Tours“ heißen. Um 10 Uhr startet die OffBeat-Tour, und neben uns sind noch zehn weitere Reisende dabei. Johann (auf seinem T-Shirt steht Wally) wird mit uns drei Märkte und den Friedhof besuchen. Das sind nicht die touristischen Highlights, sondern die Tour soll uns möglichst nah an das „wahre Leben“ der Einheimischen heranbringen. Wie schon in La Paz (Bolivien) begrüßen sich Händler und Kunden auf den Märkten gegenseitig mit dem Begriff „Casera/Casero“ und entwicklen lang anhaltende Beziehungen und Freundschaften. So ist z.B. Johanns wichtigster „Casero“ auch Taufpate eines Kindes geworden.
Wir verstehen endlich auch, warum in Lateinamerika manches Gemüse und manche Frucht anders heißt, als wir es aus Spanien gewohnt sind, z.B. die Avocado, die in Spanien und Mittelamerika „Aguacate“ heißt, hier um Süden aber „Palta“. Überall dort, wo Quechua (die Sprache der Inka) gesprochen wurde/wird, heißt sie Palta, denn das ist ein Wort, das aus der Quechua-Sprache Eingang in die spanische Sprache gefunden hat. Das gleiche trifft auf viele andere Begriffe zu, z.B „Mote“ für Weizen. Bei der Erdbeere, die in Spanien „Fresa“ heißt, hier aber „Frutilla“, kennen wir den Grund allerdings nicht.

Die Tour endet nach einer U-Bahn-Fahrt auf dem größten Friedhof von Santiago, auf dem auch Erich Honecker liegt. Allerdings erfolgte die Bestattung anonym und nur die Friedhofsverwaltung weiß offenbar, wo sein Grab und auch das von Margot Honecker liegen. Der Friedhof ist auch der zweite Friedhof weltweit und der erste in Amerika, der ein Trans-Mausoleum erhielt. Uns war auf den Straßen von Santiago de Chile schon aufgefallen, wie selbstverständlich hier Trans-Personen (z.B. mit grellem Schmuck, Schminke, Kleid und Vollbart) ganz normaler Teil des öffentlichen Lebens sind und keine „komischen Blicke“ auf sich ziehen. Da scheint selbst Berlin noch deutlich „verklemmter“ zu sein.

Vor dem Mausoleum für Salvador Allende erzählt uns Johann dann auch von seiner Deportation und Aberkennung der Chilenischen Staatsbürgerschaft nach dem Milität-Putsch von General Pinochet gegen die Allende-Regierung in 1973. Johanns Vater war Gewerkschafter, aber nie Mitglied einer Partei. Trotzdem wurde die ganz Familie als kommunistisch eingestuft und aus dem Land geworfen. Er ist in New York in der Bronx aufgewachsen und spricht deshalb perfektes US-Englisch. Lange Zeit nach dem Ende der Militätdiktatur wurde die Familie rehabilitiert und sie erhielten ihre Staatsbürgerschaft zurück, aber nur wenige Familienmitglieder sind nach Chile zurückgekehrt.

Natürlich erhalten wir auch einen Abriss der kurzen Regierungszeit von Salvador Allende aus Johanns Perspektive. Allende war der erste sozialistische Präsident eines Landes, der es durch demokratische Wahlen zur Präsidentschaft gebracht hatte und nicht durch eine Revolution mit Waffengewalt. Da er aber die Verstaatlichung der großen Minengesellschaften zum Hauptziel seiner Amtszeit gemacht hatte, hatte er entsprechend finanziell starke und international gut vernetzte Gegner. Vor Kurzem seien in den USA die Geheimakten aus der Nixon-Zeit freigegeben worden, die das ganze Ausmaß der CIA-Aktivitäten zur Destabilisierung der damaligen Situation in Chile zeigen. Auch der Deutsche Bundesnachrichtendienst scheint damals nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein und mit der deutschstämmigen Sekte Colonia Dignidad kooperiert zu haben. Wen es interessiert: Wikipedia zum Thema.

Es ist halb zwei, als die Tour am Friedhof endet. Wir fahren mit der Metro (die wirklich neben Montral die zweite auf Reifen ist, weitere gibt es nicht) zurück und gehen in das Café Literario de Canela zum Eisessen. Auch heute müssen die Bananen erst besorgt werden, aber dann bekommen wir Banana-Splits, die uns diesmal von Holger K. gesponsert wurden. Vielen Dank dafür, Holger!

Danke, Holger K.

Im Hostal ruhen wir uns ein wenig aus, bevor wir uns von einem Uber zum Saint George’s College bringen lassen. Dort findet um 17 Uhr in der Kapelle ein Weihnachstgottesdienst in Englischer Sprache statt. Die drei Deutschsprachigen Gemeinden bieten über Weihnachten nichts an und zu Heiligabend wollen wir irgendwo sein, wo wir beide dem Gottesdienst gut folgen können. Und so hören wir die Weihnachtsgeschichte heute auf Englisch und singen Weihnachtslieder auf Englisch – nur beim Abschluss „Stille Nacht“ wird als vierte Strophe eine auf Spanisch gesungen. Ganz anders ist es auch, dass während der Messe über die Hitze in der Kapelle geredet wird, und die meisten in Shorts und teilweise mit Badelatschen bekleidet sind. Und dass es nach „Stille Nacht“ draußen natürlich auch nicht dunkel ist, sondern taghell un d sonnig!

Wir rufen wieder ein Uber, lassen uns zum Hostal bringen und rufen schnell unsere Kinder an, die schon dabei sind, ins Bett zu gehen (zumindest die beiden, die nicht noch den fünften Gottesdienst heute orgeln…). Dann machen wir uns auf den Weg zur „Bierstube“, wo wir Hoffnung auf Würstchen mit Kartoffelsalat haben.

Waren am Nachmittag die Straßen alle noch sehr belebt und die Läden geöffnet, so fällt jetzt auf, dass es sehr viel leerer ist und wir an vielen geschlossenen Restaurants vorbeigehen. Und wie schon fast zu erwarten sind auch bei der Bierstube die Rolläden herunter und das Gitter davor verschlossen. Jetzt müssen wir sehen, wo wir überhaupt noch etwas zu essen bekommen! Ein geöffnetes Hotelrestaurant hat keinen Platz mehr frei, verweist zunächst noch auf die Bar, deren Tische aber auch alle belegt sind. Vor einem anderen Hotelrestaurant (das geschlossen ist) steht ein Herr, der uns nach gegenüber weist – dort könne man ganz gut essen. Und tatsächlich, das Restaurant „Como en Peru“ ist geöffnet, und wir bekommen nach kurzer Wartezeit einen Mini-Tisch draußen zugewiesen. Die vegetarische Auswahl ist sehr beschränkt, aber so isst Jutta eine Peruanische Vorspeise als Heilig-Abend-Essen, die fast Kartoffelsalat ist (was es bei uns sonst immer gibt). Viktor bestellt Nudeln mit Meeresfrüchten, mal etwas anderes…

Den langen Weg zurück laufen wir bei jetzt sehr angenehmen Temperaturen (23°C) zurück. Dabei bewundern wir in der Dämmerung an einigen Hochhäusern die Weihnachtsbeleuchtung in den Wohnungsfenstern.

Im Hostal noch schnell ein Stück Weihnachtskuchen, der schon den ganzen Tag an der Rezeption angeboten wird, und dann geht es langsam in Richtung Schlafen. Vor dem Einschlafen erreicht uns noch die Nachricht von DHL, dass unser Paket vom Zoll freigegeben wurde. Am Nachmittag hatten wir schon eine Nachricht und mussten Online den Zoll bezahlen (knapp 40 Euro). Wir wählen noch schnell eine DHL-Geschäftsstelle in der Nähe unseres Hostels für die Abholung am 26.12. aus und legen uns hoffnungsvoll schlafen.

Mittwoch 25.12.24 – Santiago de Chile

Vormittags schreiben wir noch den Blogeintrag von gestern, bis wir zu 12 Uhr in die Kathedrale gehen, um heute noch einen spanischsprachigen Weihnachtsgottesdienst zu besuchen. Hier gibt es im Gegensatz zu gestern eine Orgel, aber leider gibt es für den Gesang „nur“ einen Chor aus drei Personen (das Mikro der Sopranistin ist so ausgesteuert, dass nur sie zu hören ist – schade), und die große Gemeinde hört zu. Unser Abschlussklassiker „Stille Nacht“ kommt hier schon zur Eucharistie, und es wird ganz ernsthaft ein Weihnachtslied (Hoy Christo ha Nacido) nach der Melodie des Volksliedes „Freut euch des Lebens“ (with English Translation) gesungen, wobei wir eher eine andere Version im Kopf haben: Großmutter wird mit der Sense rasiert

Auf dem Rückweg sehen wir ein geöffnetes Starbucks, setzen uns zu einem Kaffee hin, aber die Bedienungen singen so fürchterlich Karaoke, dass wir dann doch mit unseren Frappuccinos bald weitergehen. Außerdem sind wir eh mit unseren Kindern und dem Rest von Juttas Familie verabredet, über WhatsApp-Video eine kleine Bescherung zu machen.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir mit dem Planen der bevorstehenden letzten Wochen unserer Tour im Frühstücksraum des Hostals. Es sieht so aus, als könnten wir in den kommenden Tagen dann auch schon einen Rückflug für Mitte März buchen.

Nach einem Videoanruf mit Viktors restlicher Familie wollen wir ein zeitiges Abendessen zu uns nehmen. Heute hat wieder etwas mehr als gestern geöffnet, aber bei mehreren Restaurants gehen wir wieder, weil sie alle nur digitale Speisekarten aber kein Kunden-WIFI haben – die wollen wohl keine Touristen als Kunden. Deshalb landen wir noch einmal beim gleichen Italiener wir vorgestern schon.

Im Zimmer trinkt Viktor noch ein neues Honigbier und benutzt zum Öffnen unser in Kalifornien gekauftes Feuerzeug. Das sollte eigentlich zum Feuermachen dienen, wenn wir campen. Da wir den Kocher aber schon längst zurückgeschickt haben, weil wir eh immer essen gehen, dient dieses Feuerzeug schon von Anfang an nur als Flaschenöffner. Das Kunstmann Miel ist ein Amber Ale (27 EBC) und das erste Honigbier, das auch wirklich ein Honigaroma hat und dabei trotzdem ausgewogen schmeckt. Laut Etikett ist es mit Waldhonig aus Valdivia gebraut, schmeckt aber eher so, als wäre der Honig erst nach dem Brauvorgang dazugegeben worden.

Donnerstag 26.12.24 – Santiago de Chile

Unser Plan heute ist es, vormittags in ein Museum zu gehen, um drei eine weitere Walking-Tour mitzumachen und danach zu DHL zu fahren, um das Paket abzuholen (und dieses evtl. auch noch zur Fahrradwerkstatt biciboss zu bringen).

Nach dem Frühstück gehen wir in das Museo de la Solidaridad Salvador Allende (MSSA), in dem Kunstwerke verschiedener Künstler aus der ganzen Welt ausgestellt sind, die während der Pinochet-Militärdiktatur (und auch noch danach) von den Künstlern als Solidaritätsbekundung mit dem Chilenischen Volk gespendet wurden. Ein kleiner Raum ist außerdem Hortensia Bussi gewidmet, der Ehefrau von Salvador Allende, die im Exil gegen die Militätdiktatur von Pinochet gekämpft hat.

Kurz bevor wir uns auf den Weg zum Museum machen, erhält unser Hotel einen Anruf von Ivan, dem hilfreichen DHL-Mitarbeiter von vorgestern. Wir sind zufällig gerade an der Rezeption, Viktor kann mit Ivan sprechen und erhält die Adresse des Verteilzentrums, in dem wir unser Paket heute abholen können. Ivan hat nämlich den Abholort geändert, weil er weiss, dass es sonst erst morgen in unserer ausgewählten Geschäftsstelle ankommen würde. Nach dem Museumsbesuch machen wir uns daher von dort direkt mit einem UBER-Taxi (die sollen sicherer sein) auf den Weg zu DHL. Dort angekommen zeigt uns die „Wo ist“-Funktion von Apple an, dass wir 60 Meter vom Paket entfernt sind, in dem zum Glück immernoch das Apple AirTag liegt. Leider sagen uns die beiden Mitarbeiter am Schalter, dass das Paket offiziell noch nicht bei ihnen angekommen ist. Es muss erst aus den Transportern ausgeladen und eingescannt werden, bevor es für sie offiziell zur Übergabe verfügbar ist. Und nun beginnt sie also, die laaaaaaaaange Wartezeit vor dem DHL-Schalter. Nach eineinhalb Stunden gehen wir dann erst einmal ins „Strip-Center“, Kaffee trinken (und ein Stück Lucuma-Baiser-Torte essen). Während des weiteren Wartens buchen wir tatsächlich schon mal für Mitte März unseren Rückflug von Buenos Aires nach Berlin – und haben danach immernoch keine Chance auf das Paket. Versuche, es mit der „Ton-Funktion“ des AirTags zu lokalisieren, auf die sich eine Mitarbeiterin sogar einlässt, schlagen leider fehl.

Erst als Viktor nach dreieinhalb Stunden noch einmal zu dem Café geht, weil er mal „muss“, und Jutta bei DHL bleibt, tut sich endlich etwas. Der Mitarbeiter am Schalter entdeckt unsere Nummer im System und lässt unser Paket sofort holen. Jutta geht Viktor entgegen, schnell weg aus diesem Büro. Und eine schnelle Nachricht an Julius, dass das Warten ein Ende hat!

Es ist inzwischen halb vier – die Tour um drei können wir also vergessen. Wir lassen uns vom Uber zum Fahrradladen bringen. Dort steht unser Tandem schon gereinigt und bis auf die neue Pedalkurbel vollständig gewartet. Wir verabreden eine Abholung morgen vormittag, das ist sehr beruhigend.

Wir gehen zum Palacio de la Moneda, dem Präsidentenpalast, dessen Name nichts mit Geld zu tun hat, wie man vermuten könnte (Moneda = Münze). Der Präsidentenpalast wurde in der ehemaligen Münzprägestätte eingerichtet, deren Name beibehalten wurde. Vor dem Palast steht ein großer Weihnachtsbaum und im London Coffee am Platz gehen wir noch einmal Kaffee trinken. Von dort geht es weiter zur Kirche San Franziskus, die uns auch noch empfohlen wurde.

Wir laufen zurück zum Hostal, kaufen unterwegs noch AA-Batterien, um die drei Uhren hinter der Rezeption wieder ans Laufen zu bringen (ein Weihnachtsgeschenk an das Hostal … Viktor kann die stillstehenden Uhren einfach nicht ertragen … typisch Deutsch?) und müssen dann fast schon wieder los, weil wir für 19 Uhr einen Tisch im Bocanáriz reserviert haben. Unserer Bib!-Karte hat noch so viele Fahrten, dass wir die Metro nehmen.

Viktor macht eine kleine Carmenère -Weinprobe (Chiles „National“-Rebe, die ursprünglich aus Frankreich stammt, aber dort durch die Reblaus praktisch ausgerottet und dann aus Chile wieder zurück nach Frankreich gebracht wurde) und entscheidet sich hinterher für den Besten der drei (und unsere Bedienung holt daraufhin noch einmal die Karte, weil der Ausgesuchte etwas teurer ist…). Jutta nimmt das einzige vegetarische Essen auf der Karte: Nudeln mit Algen und Champignons. Das ist leider sehr gewöhnungsbedürftig, schmeckt fast ein bisschen fischig.

Auf dem Rückweg nehmen wir wieder die Metro und sind völlig erstaunt, als die Bahn durch unsere Station einfach durchfährt und erst an der nächsten hält. So bekommen wir endlich einmal heraus, warum auf den Plänen die Stationen mal rote, mal grüne oder auch rot/grüne Punkte haben: damit die Züge zu Stoßzeiten schneller sind, halten sie innerhalb bestimmter Uhrzeiten nicht an allen Stationen, es gibt dann die grüne (hält bei uns in Cummings) und die rote Express-Linie. Wir müssen also zurück nach Santa Ana (rot/grüne Station wo alle Züge halten) und dort eine grüne Bahn nehmen. Ganz einfach!

Der Zug zurück nach Santa Ana hält dann plötzlich doch in Cummings, wo wir aussteigen wollen, weil es just 21 Uhr geworden ist und wieder überall gehalten wird. Auch wenn wir davon überrascht wurden, dieses Expresszug-System ist für Pendler sicher keine schlechte Idee.

Freitag 27.12.24 – Santiago de Chile

Vormittags gehen wir als Erstes in den Tottus-Supermarkt nebenan und decken uns mit neuen Snacks für die nächsten Radfahrtage ein, da wir ja nichts mit nach Chile nehmen durften. In der Obstabteilung sind wir wieder mal völlig verwirrt von den vielen unterschiedlichen Namen, die die Obstsorten hier haben.

Die Einkaufswagen hier blockieren angeblich, wenn man versucht, mit ihnen das Grundstück zu verlassen (wir probieren es nicht aus, denken aber an Studienzeiten, als wir den Einkauf oft im Einkaufswagen nach Hause geschoben haben).

Dann gehen wir auch schon los zu biciboss und holen unser Tandem wieder ab. Nach einem Stündchen weiterer Planung brechen wir heute rechtzeitig auf, um um 15 Uhr die Highlights -Tour4Tips mitzumachen. Auf dem Weg dorthin besorgen wir uns die letzten Zahnbürsten unserer Jahrestour und gehen das letzte Banana-Split in Santiago essen, für das wir uns heute bei Joachim M. und Dani D. bedanken – hier gibt es das Eis nach langer Zeit mal wieder in einem richtigen Eisbecher aus Glas, dafür ist die Banane aber zerstückelt statt der Länge nach halbiert :-).

Danke Joachim M. und Dani D.

Das Café ist etwas langsam, und so kommen wir erst um Punkt 15 Uhr vor dem Museo de las Bellas Artes an, unser heutiger Fremdenführer Carlos aber auch. Wir sind 25 Personen inkl. Guide, für unseren Geschmack eine etwas zu große Gruppe, aber Carlos spricht perfektes und gut verständliches Englisch, denn das hat er studiert.

Auch Carlos spricht natürlich über die politische Lage im Land. Dabei geht er vor Allem auf die neuere Geschichte ein, unter anderem auf die (Studenten-)Proteste von 2019 und 2020, von denen die Welt relativ wenig mitbekam, denn wir steckten damals alle in der Corona-Pandemie. Eine der Hauptforderungen war damals die Forderung nach einer neuen Verfassung, denn die aktuelle Verfassung wird von vielen Menschen für die soziale Ungleichheit im Land mitverantwortlich gemacht. Chile hat immernoch eine Verfassung, die auf undemokratischem Weg unter Pinochet entstanden ist. Zwei Versuche, eine neue Verfassung zu erarbeiten, schlugen aber bisher fehl, weil die Entwürfe in Volksabstimmungen abgelehnt wurden.

Wir erfahren während der Tour auch, dass Chile weltweit das Land mit dem zweithöchsten Brot-Konsum ist. Einmal dürft Ihr raten, in welchem Land das meiste Brot verzehrt wird. Beim Eiskonsum ist Chile führend in ganz Lateinamerika, weltweit liegt Neuseeland an der Spitze.

Die Tour endet im Viertel „Lastarria“ am „Centro Cultural Gabriela Mistral„, das eine sehr bewegte Geschichte hinter sich hat.

Hier im Viertel gehen wir dann auch noch einen Cocktail im „ChiPe Libre“ trinken, denn wir haben auf der Tour gelernt, dass auch die Chilenen sich für die Erfinder des Pisco Sour halten (so wie die Peruaner). Was Viktor aber besonders gefällt, ist die Tatsache, dass die Chilenen – anders als die Peruaner – Pisco auch im Fass lagern. Seine Erwartung ist, dass der gelagerte Pisco dann vielleicht einem spanischen Brandy oder einem Rum ähnlich sein könnte. Heute ist es aber noch ein wenig zu früh am Tag, um die angebotenen Verkostungen zu nutzen.

Da wir auf dem Weg zurück ins Hotel kein wirklich ansprechendes Restaurant mehr finden, um unser Abschiedsessen von Santiago de Chile einzunehmen, landen wir wieder im Vegan Dealer in der Nähe unseres Hostals. Morgen geht es auf die drei letzten Etappen des Kalenderjahres in Richtung Valparaíso, der zweitgrößten Stadt Chiles, wo wir Silvester am Pazifik verbringen wollen.

Kunstwerk im Kulturzentrum

Samstag 28.12.24 – (146) – Santiago de Chile – Huertos Familiares

Gesamt: 9.222,07 km

Morgens bepacken wir noch vor dem Frühstück das Tandem, sind die Ersten im Frühstücksraum und kommen dann bei noch kühlen Temperaturen um 8:20 Uhr los. Das Herausfahren aus dieser Achtmillionenstadt (von 22 Mio. Chilenen insgesamt) gestaltet sich wesentlich angenehmer als die Fahrt vom Busterminal zum Hostal. Komoot hat eine Strecke gefunden, die einen Großteil über Radwege geht und lange Zeit am Rio Mapocho durch verschiedene Parks führt, der um diese Zeit von vielen joggenden Menschen bevölkert ist. Hier muss man Komoot ausnahmsweise mal die gebotene Anerkennung zollen.

Um nach Valparaíso zu kommen, müssen wir in Richtung Nordwesten – sonst eigentlich nicht so unsere Himmelsrichtung. Bis nach Lampa ist die Straße noch ziemlich voll, ab dort hält sich der motorisierte Verkehr in Grenzen. Aber wir teilen die Straße mit sehr vielen anderen Radfahrenden, es ist ja Wochenende, es fühlt sich fast wie in Kolumbien an.

Wir kommen in der Nähe des Flughafens am Stadtrand von Santiago durch einige Gewerbegebiete und Jutta erblickt plötzlich das TERUMO-Logo auf einem Schild. Leider ist heute Samstag und wir sparen uns daher den Abstecher zu Viktors Arbeitgeber.

An einer Tankstelle in Lampa machen wir eine Kaffeepause und die jungen dort arbeitenden Frauen raten uns zu viel Vorsicht („mucho cuidado“) – Chile sei nicht mehr so sicher, wie es früher einmal war. Wir fragen sie lieber erst gar nicht, wen sie verantwortlich machen… Gerade erst gestern hat Carlos, der früher in Cali in Kolumbien gelebt hat, gesagt, dass die Chilenen ein sehr friedliches Volk sind.

20 Kilometer weiter benötigt Viktor eine Toilette, und ein kleiner Laden am Straßenrand kann tatsächlich weiterhelfen. Wir haben in Santiago de Chile die Anti-Parasiten-Kur-Kapseln aus Guatemala eingenommen, denn wir sind jetzt aus den Tropen heraus und fanden den Zeitpunkt über Weihnachten ganz passend. Aber so ein wenig hat das bei Viktor die Verdauung durcheinandergebracht.

Wir machen noch eine kleine Pause an der gegenüberliegenden Bushaltestelle, bevor wir kurz darauf an einer T-Kreuzung nach rechts fahren, obwohl der Weg nach Valaparaíso eigentlich links entlang geht. Bis hierher müssen wir morgen wieder zurückkommen, anders geht es übernachtungstechnisch leider nicht. Und circa zehn Kilometer vor „Huertos Familiares“ hört plötzlich der Asphalt auf: Baustelle. Hier können wir im Gegensatz zu der Großbaustelle vor Mendoza aber langsam und mit Mund- und Nasenschutz weiterfahren.

Bei unserem Hospadaje wird heute ein Geburtstag gefeiert, mit Grillen, Poolbenutzung, lauter Musik und Einiges an Kindergeschrei. Der ganze Ort hat nur nachts fließend Wasser, und da durch die Zimmervermietung tagsüber mehr Wasser verbraucht wird, als über Nacht in den Tank laufen kann, kommt ein Tankwagen und lässt Wasser in den Tank und in den Pool laufen.

Östlich von diesem Ort liegt das „Tranque Las Tórtolas„, ein riesiges Absetzbecken für die Kupfergewinnung (und auch Molybdän), von dem wir auf der heutigen Fahrt aus verschiedenen Perspektiven einen Staudamm sehen und nicht einordnen können. Auf den ersten Blick denken wir an einen Gletscher, oder ein Sommer-Skigebiet, beides verwerfen wir aber sofort. Man kann nur hoffen, dass keiner der Dämme jemals bricht (z.B. nach einem der hier recht häufigen Erdbeben), und schon gar nicht heute Nacht, denn wir schlafen in der gefährdeten Zone, die von einer Schlammlawine hinweggefegt würde.

Die Minenbetreiberfirma AngloAmerican pumpt aus einem offenen Tagebau (Los Bronces) durch eine 56 Kilometer lange Pipeline pro Stunde 2.400 Tonnen Schlamm in dieses Staubecken, das in einem natürlichen Talkessel zwischen Bergen angelegt wurde. Das Staubecken wird am Ende der Betriebszeit im Jahr 2042 insgesamt 1.900 Millionen Tonnen Schlamm enthalten. Ganze 1 Prozent dieser riesigen Menge sind die daraus resultierende Kupfer-Ausbeute.

Kupfertagebau „Los Bronces“ – Pipeline „Mineroducto“ – Stausee „LasTórtolas“
Staudamm

Bis auf einen Spaziergang zum „Happy Happy“-Supermarkt in praller Sonne verbringen wir den Nachmittag und Abend in unserem geräumigen Zimmer und wir erhalten hier sogar ein Abendessen. Das nehmen wir in einem Speisesaal ein, der voller Arbeiter mit orangen Warnwesten ist, auf denen EXCON steht. Das ist die Firma, die mit der Erhöhung der Staudämme beauftragt wurde, um die Kapazität des Stausees zu erweitern. Als wir hinterher noch kurz draußen sitzen, werden uns von der Geburtstagsgesellschaft noch Bratwürste im Brot angeboten, die wir dankend ablehnen. Um 21 Uhr wird begonnen, alles ab- und aufzuräumen, und kurz darauf wird es leise (als wir um eins ankamen, war die Feier schon voll im Gang, irgendwann muss ja auch Schluss sein).

Sonntag 29.12.24 – (147) – Huertos Familiares – Olmué

Gesamt: 9.287,01 km

Wir frühstücken gegen sieben wieder mit den Excon-Arbeitern in der Kantine und kommen um zwanzig vor acht los – es ist noch richtig kühl. Es geht zunächst fast 17 km inklusive der Schotterpiste von gestern zurück, dann aber Richtung Til-Til statt Santiago.

Wieder sehen wir viele Radfahrende, einer fährt eine Weile neben uns her (@nutribiker). In Til-Til an der Tankstelle machen wir Pause und treffen ihn dort auch wieder.

Und kurz darauf beginnt eine elf Kilometer lange Steigung, die wir recht lange langsam fahrend erklimmen. Aber nach acht Kilometern und einigen hundert Metern 11 bis 12 % Steigung müssen wir dann doch nach längerer Zeit wieder einmal absteigen und schieben.

Nach zweieinviertel Stunden aufwärts sind wir oben am Pass der Cuesta la Dormida, wo es sogar einen kleinen Stand gibt und wir kühle Getränke zu unserem Obst bekommen können. Hier ist auch die Grenze zwischen den Regionen Til-Til und Valparaíso.

Unser Aufkleber unten rechts

Die folgende, sogar noch längere Abfahrt ist so steil und hat so enge Serpentinen, dass wir uns kaum rollen lassen können und eine volle Stunde für die 15 km brauchen. Die vordere Bremse wird immer wieder so heiß, dass der Bremsdruck deutlich nachlässt und wir kurze Abkühlpausen für die Bremsflüssigkeit einlegen müssen.
Ziemlich weit unten entdecken wir am Straßenrand eine Tafel, laut der es hier Eis aus Ziegenmilch gibt, und wir halten an. Viktor probiert „Boldo“-Eis, und wir bekommen sogar die Pflanze gebracht, weil wir sie nicht kennen. Jutta probiert „Frutos del Bosque“ (Waldfrucht). Der Ziegenmilchgeschmack ist relativ moderat und das Eis ist nicht so stark gesüßt … schmeckt gut. Außerdem bekommen wir Tipps für Valparaíso und Vina del Mar von den beiden netten Damen.

Die restlichen zehn Kilometer können wir dann endlich gut radeln – zwar gegen den Wind, aber das macht gerade nicht so viel aus. Ab dem Abzweig nach Olmué gibt es viel Radweg, der aber kaum benutzbar ist: Beginn ist irgendwo, z.T. mit hohem Bordstein, zwischendurch fehlen Stellen, an manchen Stellen ist er vielleicht 30 cm breit …

Unser Novaqua Bed & Breakfast wird von Ingrid, einer Deutschstämmigen Biochemikerin, und ihrer Mutter Gretel geführt (Wurzeln in München und Baden Baden). Leider gibt es heute Probleme mit dem Router, und das Internet geht nicht. Da Viktors e-SIM hier aber funktioniert, nutzen wir heute ausnahmsweise die mobilen Daten.

Nach dem Duschen gehen wir relativ bald schon in den Ort und beim Italiener „Otra Cozza“ (von Ingrid empfohlen) unerwartet gut essen. Nachdem Viktor seine Lachs-Ravioli und die Hälfte von Juttas Pizza gegessen hat, bestellt er noch den Schokoladen-Vulkan als Dessert, aus dem die schokoladige Flüssigkeit wirklich wie die Lava aus einem Vulkan herausfließt.

Woche 38 (16.12.24 – 22.12.24) Baldecitos – Santiago de Chile

Montag 16.12.24 – (140) – Baldecitos – Huaco

Gesamt: 8.889,06 km

Es ist eine ziemlich unruhige und warme Nacht. Der Ventilator wird einer von uns beiden irgendwann am frühen Morgen dann doch zu laut und abgeschaltet. Aber danach ist es eh nicht mehr lang, bis der Wecker um 5 Uhr klingelt. Draußen ist es noch dunkel, aber wir hören bereits die ersten Esel rufen. Um 5:55 sind wir abfahrbereit und können den beginnenden Sonnenaufgang bewundern.

Die ersten 20 km rollt es recht gut, und wir frieren in den kurzen Abfahrten sogar ein wenig. Aber auch heute geht es während der ersten Tageshälfte fast ausschließlich bergauf in Richtung „Valle de la Luna“ (Tal des Mondes). Dieses soll landschaftlich besonders reizvoll sein und gehört zum UNESCO Welt-Naturerbe.

Wir fahren mit dem Sonnenaufgang im Rücken und bekommen ein paar einzelne Regentropfen ab. Und dann sehen wir links der Strecke etwas, das wir noch nie gesehen haben. In einem Regenfeld bildet sich eine Art „dreieckiger Regenbogen“, der fast aussieht wie das „Auge der Vorsehung„, das man auch von den US-Amerikanischen Dollarnoten kennt. Eigentlich dachten wir, dass sich Regenbögen nur nachmittags zeigen, aber vielleicht ist das auf der Südhalbkugel ja auch wieder anders.

Nach 26km, es ist inzwischen hell und warm und wir sind fast „oben“, machen wir an einer Leitplanke Frühstückspause.

Jetzt noch wenige Kilometer bergauf, und dann folgt eine knapp 20 Kilometer lange Abfahrt durch das Tal des Mondes, nach mehreren Tagen der Eintönigkeit eine tolle Abwechslung.

Als wir unten aus dem Tal herausfahren, haben wir ziemlich genau die Hälfte der heutigen Kilometer geschafft, und genau hier steht das einzige Gebäude des Tages (abgesehen von den Häusern im Start- und Zielort). Es ist eine Rangerstation für den Ischigualasto-Park, aber alles ist verschlossen – niemand da, außer dem Dinosaurier-Skelett (dabei wären hier die einzigen Toiletten auf über 100 km … wir „müssen“ also wieder mal in die Natur).

Ab hier geht es auch heute wieder immer geradeaus mit kleiner Steigung. Und wir haben ja noch die Hälfte unseres langen Tages vor uns. Als am Straßenrand immerhin ein paar Bäume stehen, breiten wir unter einem davon unser Groundsheet vom Zelt aus, setzen (und legen) uns und füllen unsere Energiespeicher wieder auf – noch genau 30 km zu fahren.

Kurz darauf überholt uns ein Wohnmobil und hält am Straßenrand. Der Fahrer steigt aus und hält eine Wasserflasche hoch. Die beiden Reisenden aus Chile haben uns gestern schon überholt, und als sie uns jetzt wieder gesehen haben, wollen sie uns etwas Gutes tun. Viktor lässt sich dankbar seinen Camelbak-Wasserrucksack auffüllen und nach einem kurzen Austausch geht es weiter.

Die letzten 20km geht es noch einmal heftig rauf und runter, und wir sind in der Mittagshitze ziemlich geschafft. Ohne Pause schaffen wir es nicht, also halten wir fünf Kilometer vor Schluss noch einmal kurz an.

Nach Huaco geht es rechts ab, und dann sehen wir es: schlimmster Schotter mit heftigem „Ripio“ (Waschbrettpiste) – und es sind noch über vier Kilometer! Wir werden durchgerüttelt und befürchten Reifenpannen oder schlimmeres. Daher steigen wir relativ schnell ab und schieben, Fahren geht hier mit unserem vollbepackten Tandem gar nicht!

Beim Schieben merkt man die Hitze noch viel stärker als beim Fahren – der Fahrtwind fehlt. Wir kommen um viertel vor drei an der reservierten Hosteria Huaco an und erhalten gleich eine eisgekühlte Flasche Cola. Diese Herberge hat einen großen Garten, in dem das Gemüse für die Küche angebaut wird. Es gibt einen Pool, ein Jacuzzi, einen Bach mit Brücke, mehrere Grills, einen Flaschenzug (innen hängt eine Erklärung, draußen kann man ihn „erfühlen“) – sehr nett, und auch hier sind wir in einem recht kleinen Ort. Wir konnten uns vorher schon per WhatsApp die Gerichte zum Abendessen aussuchen, und jetzt dürfen wir uns auch noch die Uhrzeit aussuchen, wann wir essen möchten. Heute brauchen wir also nicht bis 21 Uhr zu warten, sondern können um 19 Uhr ein Milanesa Napolitana bzw. eine Gemüsetarte essen. Schon zum zweiten Mal ist darin ein grünes Gemüse verarbeitet, bei dem wir uns nicht sicher sind, was es ist. Leila, die gekocht hat, kann uns weiterhelfen: Mangold (Acelga) bzw. eine runde Zucciniart – für uns eher eine Kürbisart – (wie gesagt, aus dem eigenen Garten) sind die beiden grünen Gemüsesorten.

In der verbleibenden freien Zeit schreiben wir heute den Blog-Eintrag von gestern und beginnen mit der neuen Woche (und in der kommenden sind dann schon die Weihnachtstage!).

P.S.: Wir haben innerhalb von zwei Tagen vier Einladungen zum Eis von Euch erhalten. Vielen, vielen Dank! Die ständigen Wiederholungen in unserem letzten Blog-Beitrag („ganz schön warm da draußen“) waren wirklich nur witzig gemeint und keine versteckte Aufforderung zur Eispende. Viktor hat ein wenig schlechtes Gewissen, aber freuen uns natürlich riesig darüber.

Dienstag 17.12.24 – (141) – Huaco – San Roque (Cruce RN40 mit RN150)

Gesamt: 8.933,50 km

In unserer Herberge gibt es ab acht Uhr Frühstück, und da wir heute nur 60 km fahren wollen, nehmen wir es noch mit, obwohl wir so erst um neun Uhr loskommen – die Sonne steht schon hoch am Himmel. Während des Frühstücks unterhalten wir uns noch kurz mit dem Freiwilligen, der uns die ganze Zeit versorgt, Gonzalo. Er kommt aus Buenos Aires und hat dort als Automechaniker gearbeitet, ist aber jetzt offenbar „ausgestiegen“. Ab Januar wird er sich meditierend auf den Zusammenbruch des Weltwirtschaftssystems vorbereiten und das Erscheinen eines neuen Propheten erwarten, denn am 19. November 2024 sind wir in das Zeitalter des Wassermanns eingetreten, in dem wir bis zum März 2043 leben werden. Wer erinnert sich nicht an das Musical Hair und „The Age of Aquarius„?

Kurz nach unser Abfahrt halten wir bei „Jorge“ im Laden. Dort gibt es heute leider keinerlei Obst oder Gemüse (er sollte eigentlich mehr als ein Kiosk sein, eher ein Mini-Supermarkt … aber na ja). Aber wenigstens hat er Gatorade für Viktor. Außerdem sagt Jorge uns, dass es an unserem Ziel in Niquivil genügend Restaurants geben wird und wir nichts für unser Abendessen kaufen müssen.

Wir fahren den deutlich längeren Weg aus Huaco heraus, um nicht wieder über den Schotter fahren zu müssen – und weil wir heute nicht auf jeden Kilometer achten müssen wie gestern und morgen. Dabei kommen wir am Fahrradfahrer-Denkmal vorbei, und es fällt auf, dass die Menschen im Ort hier meist auf Fahrrädern unterwegs sind – sind wir im Münster Argentiniens gelandet?

hat eindeutig schon bessere Zeiten gesehen 😉

Wir wechseln heute wieder zurück auf die RN40 (Ruta 40). Für die ersten 21 km brauchen wir über zwei Stunden – es geht wieder einmal langsam aber stetig bergauf. Als nach 26 km rechts ein Pausenplatz mit einem Schrein für die Jungfrau von Urkupiña erscheint, halten wir spontan an – so eine Gelegenheit muss genutzt werden. Wir sichten eine Bolivianische Flagge, die wir uns nicht gleich erklären können, aber Urkupiña liegt in Bolivien, wie wir später herausfinden.

Kurz nach der Pause haben wir eine von zwei längeren Abfahrten, danach geht es in einem großen Bogen um einen im Weg stehenden Berg herum – und wieder langsam bergauf. Aber wir wissen ja, dass es nach der Kreuzung mit der RN150 wieder bergab gehen wird…

Zum Ende des großen Bogens fahren wir direkt auf eine riesige Felswand zu und wir fragen uns schon, ob wir da irgendwie durch oder drüber hinweg müssen. Aber die T-Kreuzung an der wir links abbiegen müssen scheint noch vor diesem majestätisch anmutenden Brocken zu liegen.

Geradewegs auf die Felswand zu.

Kurz vor der besagten Kreuzung befindet sich an einem Kreisverkehr ein Parkplatz mit Gebäuden, die aussehen, als könne man dort einkehren. Damit hatten wir gar nicht gerechnet, aber wir nutzen diese Gelegenheit ebenfalls. Wir können zwar keinen Kaffee bekommen aber kalte Getränke, und „richtiges“ Essen (Nudeln, Schnitzel, usw.) gäbe es ebenfalls. Der Betreiber bietet Viktor dann aber sogar ein Käse-Schinken-Sandwich an. Die bietet er nicht standardmäßig an, weil seine Gäste sie zu oft nicht gemocht hätten. Es ist überraschenderweise ein großes Sandwich aus richtigem Baguettebrot … vermutlich wollen die Leute hier immer nur weißes Toastbrot.
Während des Essens kommt er noch einmal mit seinem Handy in der Hand und zeigt seinen Bildschirm, auf dem der geteilte Kontakt von Jutta zu sehen ist. Ob es sein könnte, dass Jutta „Jutta Makowski“ ist? Unsere Überraschung ist natürlich groß.
Er hat den Kontakt von der Frau bekommen, die uns heute Abend in ihren Cabañas (Campinghütten) beherbergen wollte/sollte. Die hat uns zwar heute morgen um acht noch geschrieben, als wäre alles in Ordnung, aber jetzt muss sie uns absagen, weil sie Handwerker im Haus hat. Das hat sie den anderen Gastwirten in der Umgebung, die eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe betreiben, mitgeteilt und sich nach Alternativen für uns umgehört. Jutta schaltet ihr Handy ein und findet die Bestätigung der kurzfristigen Absage in ihren WhatsApp-Nachrichten.

Jetzt haben wir ein Problem, denn wir hatten für morgen schon 135 Kilometer bis nach San Juan eingeplant. Wenn wir hier übernachten, werden das über 150 Kilometer. Wenn wir weiterfahren, müssen wir irgendwo zelten, denn es gibt keine anderen Unterkünfte mehr zwischen hier und San Juan. Nach kurzer Beratung wissen wir, wie viel uns eine Nacht im klimatisierten Zimmer im Vergleich zum Zelten wert ist … etwa 20 Kilometer zusätzliche Fahrstrecke (überwiegend bergab) sind wir bereit, für ein ordentliches Bett und eine Klimanlage auf uns zu nehmen.

Wir kommen mit dem Betreiber, Enrique, ins Gespräch – er scheint Vegetarier nicht zu mögen, denn die sollten seiner Meinung nach vom Erdball verschwinden – und er bietet uns netterweise an, beim Einkauf in der Stadt noch etwas für uns mitzubesorgen. Wir bitten ihn, uns vier Bananen als Verpflegung für die morgige Strecke mitzubringen. Wir checken kurzerhand hier im Parador „La Posta“ ein und bereiten uns seelisch und mit viel körperlicher Ruhe auf den morgigen Tag vor. Abendessen gibt es hier – wie wohl in jedem Parador oder Restaurant Argentiniens – erst ab 21:00 Uhr. Aber was wollen wir in dieser verlassenen Gegend anderes machen?

Im Gespräch mit Enrique erfahren wir auch, dass Argentinien nur 46 Millionen Einwohner hat … das war uns gar nicht so bewusst. So ein riesiges Land und nur gut halbsoviele Einwohner wie Deutschland? Von denen würden auch viel zu viele gar nicht richtig arbeiten und würden vom Staat alimentiert, ist er überzeugt, besonders als wir die einsamen Touristeninformationen in den letzten Dörfern erwähnen, durch die wir gefahren sind.

Am Nachmittag gehen wir nochmal zu einem 1,3 km entfernten Kiosko, kaufen für morgen noch Brot und Dulce de Leche, denn wir werden wieder unterwegs an einer Leitplanke oder einem Heiligenschrein frühstücken müssen. Es soll jedenfalls wieder sofort bei Sonnenaufgang auf die Strecke gehen, damit wir genug Zeit haben und nicht in die heißen Stunden am Spätnachmittag geraten. Für morgen ist aber zum Glück Bewölkung angesagt, für unseren neuen Start-Ort „San Roque“ sogar ab 9 Uhr ein Gewitter. Aber da wollen wir schon möglichst weit weg sein.

Parador La Posta

Auf dem Weg zum Kiosko scheint es uns fast, als wäre jedes zweite Haus auch ein Kiosk, denn als wir Leute am Wegesrand fragen, zeigen die auf unterschiedliche Häuser, in denen man Getränke und Kleinigkeiten kaufen kann. Leider kann man ohne zu fragen nie wissen, wer jetzt genau was im Angebot hat… Auf dem Rückweg beobachten wir die Leute vom Wasserversorger dabei, wie sie mit einem Quad von Haus zu Haus fahren, die Wasserzähler vor den Häusern ablesen und die Rechnungen (Boletos) persönlich abgeben. Auf Nachfrage teilen sie uns mit, dass sie das monatlich machen.

Mitarbeiter des Wasserversorgers

In der langen Zeit bis zum Abendessen macht Jutta sich Gedanken, wie wir morgen zeitsparend die 9.000 gefahrenen Kilometer festhalten können. Sie entscheidet sich dafür, eine ehemalige Wäscherei-Tüte, in der seitdem Sandalen transportiert werden, zu beschriften. Jetzt ist alles vorbereitet, und die Sandalen werden morgen einfach wieder mit Gurten an den Radtaschen befestigt…

Und wir stellen wieder einmal fest, dass wir ziemliches Glück hatten, heute zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein, sonst wären wir an unserem eigentlichen Zielort angekommen und hätten keine Unterkunft gehabt.

Zum Abendessen um 21:00 Uhr macht uns Enrique eine Milanesa Napolitana mit Pommes, die so groß ist, das Viktor sie nicht aufessen kann, und Bandnudeln für Jutta.
Als Viktor das Abendessen bestellen will und durch die Türe in die Küche schaut, sieht er Enrique und seinen Helfer, wie sie dabei sind, Honig zu sieben. Tatsächlich stehen hinter dem Haus zwei Magazinbeuten (also Bienen-Behausungen) und sie mussten heute einigen Wildbau (kreuz und quer gebaute Waben) mit Honig entfernen. Sie wissen gar nicht, was sie mit dem Wachs tun sollen und halten diesen zunächst für Pollen. Der Honig ist dunkel und sehr schön würzig, denn Viktor darf natürlich probieren und ein Urteil abgeben. Daraus ergibt sich ein längeres Gespräch über die Imkerei, die Enrique noch von einem Imkerfreund erlernen will. Zu den Bienen ist er per Zufall gekommen, weil er einen alten Kühlschrank hinter das Haus gestellt hatte und irgendwann ein Bienenvolk darin vorfand. Hier in dieser Gegend muss man offenbar nur eine leere Beute aufstellen und irgendwann zieht ein Schwarm Honigbienen freiwillig ein. Leider ist es schon zu dunkel, um noch einen Blick auf die Bienenvölker hinterm Haus zu werfen.

Mittwoch 18.12.24 – (142) – San Roque – San Juan (Ciudad)

Gesamt: 8.969,57 km

Manchmal kommt alles anders als man denkt!

Schon als der Wecker klingelt, hören wir draußen starken Wind wehen. Wir machen uns fertig, ziehen uns sogar Jacken an, und sind um sechs (wie geplant) abfahrbereit. Heute ist es noch richtig dunkel, man merkt die Morgendämmerung kaum.

Sobald wir losfahren, kämpfen wir gegen den Wind und müssen immer wieder gegenlenken. Die Ruta 40 ist zudem ab dieser Kreuzung in sehr viel schlechterem Zustand als alle Straßen, die wir bisher in Argentinien befahren haben. Das liegt wahrscheinlich an den vielen Schwertransporten der Minenfirmen, von denen unser Gastgeber gestern erzählt hat – für Fahrradreifen ist die Fahrbahn nicht gerade gut geeignet.

Aber wir fahren – müssen wir ja, schließlich haben wir heute einen langen Weg vor uns – auch, wenn es schwerfällt. Nach über einer Stunde sind wir erst zwölf Kilometer weit gekommen, erreichen die Polizeistelle von Niquivil, wo wir eigentlich gestern übernachten wollten, und bleiben in deren Windschatten stehen. Wenn wir in dem Tempo weiterfahren, brauchen wir 15 Stunden. Selbst wenn sich die Bedingungen verbessern sollten, ist es unrealistisch, heute 150 km zu schaffen. Dazu hätten wir besonders auf den ersten 50 km, die überwiegend bergab gehen, flüssig dahingleiten müssen. Wir sind uns einig, dass das heute nicht geht. Als der Polizist noch sagt, dass die Straße sogar noch schlechter wird, fragen wir ihn nach Pick-Up-Fahrern und Bussen. Pick-Up-Besitzer kennt er nicht, aber er schickt uns einige Meter zurück, wo „Collectivos“ Menschen (ohne Gepäck) einsammeln.

Zwei Frauen, die dort warten, bestätigen dieses und wissen, dass in San José de Jáchal am Busterminal vormittags um zehn oder halb elf ein „Collectivo“ (wie sie hier wohl alle Busse inklusive der Überlandbusse nennen) losfährt. Wir überlegen noch kurz, ob wir den Tag einfach hier aussitzen und es morgen nochmal versuchen, aber bis Weihnachten wird die Zeit immer kanpper, und wir haben für die nächsten Tage auch schon die Unterkünfte reserviert. Kurzerhand nutzen wir den starken Wind als Rückenwind und fahren die bereits gefahrene Strecke wieder zurück.
Viktor muss dabei an einen Geschäftspartner denken, der einen Unternehmens-Leitspruch von Aristoteles übernommen hat:

An unserem Hospedaje wollen wir im WIFI schnell die Strecke zum Busbahnhof suchen, denn unsere Maya-eSIM funktioniert in dieser abgelegenen Gegend nur mit 3G, und eine Internetverbindung will sich einfach nicht aufbauen. Aber das Internet ist auch im WIFI des Hospedaje gerade nicht verfügbar (zu viel Sturm?). Also geht es mit Rückenwind weiter in den Norden nach San José de Jáchal (oder auch kurz nur Jáchal), wo wir den erstbesten Menschen nach dem Weg fragen. Um kurz vor neun sind wir am Bus Terminal.

Entgegen allen Erwartungen (in Argentinien sollen die Regeln für Fahrradtransporte in Bussen viel strenger sein) gibt es überhaupt kein Problem, das Tandem (ohne Karton!) im Bus mitzunehmen. Der Busfahrer sagt sofort zu. Wir können schon beginnen, das Tandem zusammenzuschieben, bevor um 9:15 Uhr das Ticketbüro öffnet. Und hier in Argentinien sagt man uns dann auch noch erstmalig, dass es gar nicht komplett zusammengeschoben werden muss! Hauptsache es passt in den Gepäckraum. 🙂
Wir haben jetzt vor der Abfahrt um 10 Uhr sogar noch Zeit, im Terminal einen Frühstückscafé zu trinken, der wie immer zusammen mit einem Glas Wasser und hier sogar noch mit zwei Maisbrötchen serviert wird. Eigentlich wollte Viktor seit seiner Erfahrung in Trujillo ja nie wieder etwas an einem Busterminal essen … aber heute geht es gut. Die Tickets sind übrigens auf Jutta Makowski und Berlin Makowski ausgestellt. Mit den Deutschen Pässen kommen sie hier einfach nicht klar.

Die Busfahrt ist relativ kurz und ereignislos. Die Strecke landschaftlich auch nicht besonders reizvoll, denn rechts und links liegen viele Tagebau-Minen und Abraumhalden. Erst gegen Ende kommen dann die ersten Weinbau-Felder in Sicht. Wir nähern uns Mendoza, einer der bekanntesten Malbeq-Weinbauregionen Argentiniens. Viktor dokumentiert unterwegs noch kurz die Straßenqualität … als weitere Erklärung oder Entschuldigung. Der Tag fühlt sich schon so ein wenig nach einer Niederlage an … aber wir sind uns beide einig, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben.

In San Juan bauen wir um 12:20 Uhr das Tandem wieder auf die volle Größe zusammen und orientieren uns grob Richtung Stadtzentrum. Leider hat der Busbahnhof kein freies WLAN und wir können keine Routenplanung zum Hotel durchführen (auch hier in der „Großstadt“ gibt uns die eSIM nur 3G … irgendwas stimmt da doch nicht). An irgendeiner Ampel erwischt Jutta aber dann doch noch das offene WLAN eines Ladens? (DEKO) und so kann uns GoogleMaps die kurze 1,5 Kilometer-Strecke zum Ziel führen.

Nach etwas kompliziertem Checkin mit beiden Reisepässen, Registrierungs-Formularen und einer Online-Abfrage unseres Einreisedatums nach Argentinien (wir haben ja keinen Einreisestempel erhalten), wird das Tandem in der Tiefgarage verstaut, und wir lassen uns von Antje E. auf ein Eis im Eiscafé direkt neben dem Hotel einladen. Es gibt ganz neue Eissorten zu probieren, unter anderem „Membrillo“-Eis mit Quittengelee in der Eiskugel. Die Eispreise hier in Argentinien sind ziemlich heftig, 8.500 Pesos für 3 Kugeln (~ 8,50€), und das nicht nur hier in der Stadt.

Danke Antje!

Laut einer Werbung der Touristeninformation soll es abends eine Walking-Tour durch die Stadt geben. Wir versuchen uns anzumelden, bekommen aber eine Absage: heute findet keine Tour statt. Es ist halt ein paar Tage vor Weihnachten… Schade eigentlich, denn jetzt sind wir ja gar nicht so kaputt wie erwartet und hätten noch die Energie für etwas Sightseeing.

Abends ist der Eingang der Kathedrale immerhin nicht mehr verschlossen, und wir wollen uns wenigstens diesen modernen Kirchenbau noch ansehen. Es ist etwa viertel vor acht, und um acht findet eine Gottesdienst statt. Die riesige Kathedrale ist so voll, dass gerade noch Stühle herangeschafft werden, und später stehen die Gläubigen sogar noch draußen. Und das an einem Mittwoch – wahrscheinlich ist es jeden Tag so voll. So voll sind die Kirchen bei uns nicht einmal an den Festtagen

Wir gehen noch etwas durch die Stadt, unter anderem durch eine großzügige Fußgängerzone, trinken etwas im Café Gibraltar, das offenbar vor allem von Einheimischen besucht wird, und enden zum Abendessen im Rocky Bay, weil die „La Cantina del Español“ bei Google falsche Öffnungszeiten hinterlegt hat (19:00 statt 20:30). Heute haben wir die Zeit und schreiben bei GoogleMaps Korrekturen und Rezensionen. Und wo wir schon dabei sind, schicken wir auch erstmals auf dieser Tour eine Korrektur an Open Street Maps, um die Straße mit dem Waschbrett-Schotter in Huaco korrekt zu kategorisieren.
Jutta isst im Rocky Bay einen vegetarischen Burger, und wir erleben mal wieder, wie unterschiedlich einige Begriffe in Lateinamerika benutzt werden. In Chile wäre ihr „Poroto“-Burger aus „Kindern“ hergestellt, in Argentinien sind es zum Glück nur „Bohnen“.
Die Bedienung versteht Viktors Spanisch wieder einmal nur zur Hälfte und vergisst bei der Bestellung seinen Buffalo-Burger. Viktor sitzt Jutta also mit seinem Malbeq-Rotwein gegenüber und schaut ihr beim Essen des Poroto-Burgers zu. Irgendwann fragt er dann doch mal bei der Bedienung nach. Der junge Mann rennt daraufhin los, um einen zweiten vegetarischen Burger in Auftrag zu geben. Jutta hat das zum Glück irgendwie mitbekommen und verstanden … an Körpersprache, an Spanisch-Bruchstücken, woran auch immer (Jutta hat ihm einfach nur zugehört – Kommentar von ihr selber). Viktor hastet also hinterher und korrigiert die Bestellung nochmal. „Bitte keinen vegetarischen Burger bringen!“ … und Jutta hatte völlig Recht, genau das hatte der junge Mann vor … ja welche Sprache spreche ich hier eigentlich … Herrgott nochmal? Die Lieferung des Buffalo-Burgers dauert dann noch so lange, dass ein kostenloser Malbeq-Rotwein dabei herausspringt … Viktors Stimmung erreicht danach Dauer-Grinse-Status, denn das „Artesanal Ale“ Bier im Café Gibraltar war auch schon nicht schlecht. (Jutta muss die Bedienung etwas in Schutz nehmen: Jutta hat zuerst bestellt, Viktor hat danach mit einem halben Satz und leise den Buffalo-Burger und dann mehrere Minuten lang und lauter den Wein bestellt – das war schon fast vorprogrammiert, dass sein Burger da untergeht)

In den letzten Tagen haben wir es schon häufiger erlebt, besondern in den größeren Ortschaften: Pickup-Trucks fahren hupend durch die Stadt, hinten sitzen junge Menschen und feiern. Kurz vor dem Sommer haben alle möglichen Menschen einen Schul- oder Ausbildungs-Abschluss erreicht. Das ist hier auf der Südhalbkugel halt kurz vor Weihnachten der Fall und überschneidet sich (für uns) ganz eigenartig mit der Weihnachtsstimmung.

Nach einem Tag schon ist der Open Street Map Hinweis aufgenommen.

Donnerstag 19.12.24 – (143) – San Juan – Media Agua

Gesamt: 9.027,65 km

Um sieben gibt es ein gutes Frühstücksbuffet mit sehr leckerer Honigmelone, die wir schon ewig nicht mehr hatten. Viktor trägt ab heute sein neues T-Shirt, Jutta ihre neue Hose, die wir beide gestern bei Sportotal gekauft haben, um die alten zu ersetzen.

Um acht fahren wir los. Der Weg aus der Stadt ist nach einigen Kurven lange Zeit auf einem akzeptablen Radweg, danach fahren wir ebenfalls relativ lange durch eine Allee aus Eukalyptusbäumen – sowohl schön als auch schattig. Es ist ganz schön, endlich mal wieder Menschen am Straßenrand zu treffen, zu grüßen und auch zurückgegrüßt zu werden. Viele Autofahrer hupen und winken oder recken den Daumen hoch. Motorradfahrer fragen an der Ampel nach dem „Woher?“ und „Wohin?“. Das hat schon etwas Motivierendes. Aber wo viele Menschen sind, gibt es halt auch ein paar mehr Idioten. Auf diesem Teilstück kommt plötzlich von der linken Straßenseite ein faustgroßer Stein angeflogen und verfehlt uns nur knapp. Jutta kann aus den Augenwinkeln noch sehen, dass es wohl ein Erwachsener gewesen sein muss. Viktor schreibt am Nachmittag noch eine Warnung mit Ortsangabe in die WhatsApp-Gruppe der „Viajeros En Bici 🚴‍♀ Por Argentina 🇦🇷“.

Irgendwann biegen wir ab, um auf der RN40 weiterzufahren und kommen an einer YPF-Tankstelle mit „Full“-Café vorbei, wo wir spontan schon für eine Pause anhalten, wie zuvor auch eine größere Gruppe einheimischer Radfahrerinnen.

Von diesen Frauen erfahren wir auch, dass San Juan und die Region drumherum als Hauptstadt des Argentinischen Radsports gilt. Deshalb wohl auch das Denkmal am Kreisverkehr um die Ecke:

Wir sind uns eine ganze Zeit etwas unsicher, ob wir überhaupt auf der RN40 gelandet sind, weil es keine Schilder am Rand gibt wie sonst (und wir nicht im Internet nachgucken können, weil wir keinen Empfang haben), aber wir sind richtig. Bei Kilometer 30,43 haben wir die 9000-er Marke erreicht – einen Tag später als vorgestern noch gedacht … :

Kurz darauf kommen wir durch Carpinteria und denken etwas zurück an die Zeit in Santa Barbara, Kalifornien, wo einer unserer Nachbarorte ebenfalls „Carpinteria“ hieß.

Als Jutta kurz nach „Carpinteria“ mal „muss“ und es überall menschliche Ansiedlungen gibt (sind wir gar nicht mehr gewohnt), fragt sie in einem medizinischen Zentrum gegenüber von „Santa Barbara“ – die liegen auch hier nahe beieinander. Wahrscheinlich wegen der vielen Minen hier gibt es Gedenkstätten für Barbara gehäuft in dieser Gegend, denn die heilige Barbara ist auch die Schutzpatronin der Bergleute, das gilt offenbar nicht nur für den deutschsprachigen Raum (siehe Patrona de los mineros).

Ansonsten fahren wir heute bei schönem, recht heißen Wetter (es soll bis 42°C heiß werden) neben der Eukalyptus-Allee am Morgen auch zwischen vielen Wein- und Olivenplantagen und an Pappel-Reihen vorbei.

Um kurz nach zwölf halten wir (schon wieder) an einer Tankstelle und erfahren, dass das per WhatsApp angefragte Hotel Media Agua gleich ein paar Meter weiter liegt. Als wir dort ankommen und niemanden antreffen, beschließen wir spontan, beim Hotel und Restaurant neben der Tankstelle anzufragen, weil das „Media Agua“ wirklich nicht zum Bleiben einlädt. Sie haben Platz, und das Restaurant ist sehr gut besucht und liefert auch gerade sehr viel Essen aus (entweder „Essen auf Rädern“ oder wirklich sehr viele Bestellungen in diesem Kaff), muss also wohl gut sein (oder ein Monopol besitzen 😉 ). Das Zimmer und vor allem das Bad sind allerdings gar nicht mal so gut und definitiv nicht die 50.000 Pesos (ca 50 Euro) wert, was Viktor dem Personal später auch nochmal mitteilt, nachdem er die spanische Übersetzung des Wortes „Unverschämtheit“ bei Leo nachgeschaut hat. Da haben wir uns vom ansprechenden Äußeren täuschen lassen – vielleicht wäre es im „Media Agua“ ja umgekehrt gewesen, wer weiß?

Aber immerhin hat das WIFI Internet-Verbindung, so kann Jutta pünktlich den nächsten Geburtstagsanruf tätigen und wir unsere „Netz-Tätigkeiten“ erfüllen. Zum Beispiel gibt es ein Problem mit dem neuen Kurbelsatz, der schon seit Tagen in Santiago am Flughafen beim Zoll liegt: unser Sohn hat als Überraschung wohl Kräutertee, Dominosteine und einen Schokoladenhohlkörper mit in das Paket gepackt, und diese bräuchten irgendwelche Zertifikate, um importiert werden zu können. Die Chilenen sind beim Import von Nahrungsmitteln extrem scharf und wollen jetzt sämtliche Zutaten der drei Süßigkeiten erfahren. Wir benötigen also Fotos der Etiketten mit den Zutaten und müssen diese dann irgendwo hochladen (und vermutlich auch übersetzen). Dazu haben wir ein Flowchart von DHL erhalten … puh. DHL macht jetzt erstmal garnichts mehr, bis wir bestätigen, dass wir alles in die Wege geleitet haben.

Zutaten Ferrero-Küsschen Weihnachtsmann

Laut diesem YouTube-Video, das wir ebenfalls von DHL erhalten haben, können nur Chilenische Staatsbürger die erforderlichen Informationen auf der entsprechenden Webseite hochladen, weil sie eine Chilenische Identifikationsnummer angeben müssen. Es sieht nun also fast so aus als würden ein Schoko-Weihnachtsmann, ein Tee und Dominosteine unsere Weiterfahrt gefährden. Manchmal kannst Du gar nicht so blöd denken wie es am Ende kommt. Wir müssen jetzt wohl jemanden in Chile finden, der/die das für uns erledigt … oder aber DHL macht das doch noch für uns, wenn wir da jemanden ans Telefon bekommen können.

Übrigens hatte unser Sohn vorher bei DHL nachgefragt, ob diese Kleinigkeiten ein Problem werden könnten.

aus dem Video
Und tatsächlich … es geht nicht weiter im Formular … 🙁

Dabei hat Jutta gerade heute davon gesprochen, dass es Zeit wird, dass die neue Pedalkurbel ans Rad kommt. Seit dem Unfall am 27. November hatte sie nämlich immer Schmerzen am linken Knie, bis sie nach einigen Tagen den linken Schuh nicht mehr mit den Cleats im Pedal eingehakt hat. Seit heute früh schmerzt nun aber der linke Adduktorenmuskel (weil der Fuß nicht fest mit dem Pedal verbunden ist), so dass Jutta heute begonnen hat, alle paar Kilometer zu wechseln. Schuh einhaken, wenn der Adduktor schmerzt, wieder aushaken, wenn das Knie schmerzt – immer wieder, alle paar Kilometer. Die Hoffnung war und ist immer noch, noch zwei Tage durchhalten zu müssen, und danach ab Santiago ohne eiernde Pedale weiterfahren zu können.

Freitag 20.12.24 – (144) – Media Agua – Lavalle

Gesamt: 9.123,51 km

Was für ein besch..eidener Radfahrtag! Wir fahren praktisch den ganzen Tag gegen den Wind und nutzen dafür bis Kilometer 88 nur die unteren sieben Gänge unserer 14-Gang-Schaltung. Die Wetter-App sagt ständig, dass der Wind in circa zwei Stunden nachlassen wird, tatsächlich ist das aber erst ab 15:30 Uhr der Fall, aber aufhören will der Wind natürlich gar nicht.
Kombiniert man das mit schlechten Straßenverhältnissen, mörderischen Autofahrern und einem großen Streckenteil durch die Wüste (Ihr wisst, wir hassen die Wüste … ähm … wir können der Wüste nur wenig Positives abgewinnen), so hat man alle Zutaten für einen Ritt auf dem „Highway to Hell“ oder zumindest für eine Radtour durch die Vorhölle und das Fegefeuer.

Aber der Reihe nach.

Wir haben 95 Kilometer ohne große Höhenmeter vor uns und fahren schon um viertel vor sieben los, nachdem wir das schnelle Frühstück eingenommen haben. Rechnen tun wir damit, so etwa um 14 Uhr anzukommen. Leider weht schon am frühen Morgen starker Südwind, und es geht heute die ganze Zeit nach Süden. Schon früh sehen wir am Straßenrand ein Schild, das auf schlechte Straßenverhältnisse für die nächsten 20 Kilometer hinweist. Na, das ist doch mal ermutigend.

Die Spurrinnen auf den nachfolgenden Kilometern sind teilweise so tief, dass es sich anfühlt als versuchten wir unser Tandem in einer zu groß geratenen Regenrinne zu balancieren. Ist man erstmal drin, hat man keine Chance mehr, wieder herauszukommen. Was haben die hier für einen Asphalt benutzt, der unter der Last der Fahrzeuge solche Wellen wirft?

Um neun, also nach über zwei Stunden, haben wir gerade mal gute 20 Kilometer geschafft und suchen händeringend einen Pausenort im Windschatten von Irgendwas. Wir halten hinter einem Lastwagen an, den wir heute morgen schon am Hotel gesehen haben. Es ist eine Truppe, die Galsfaserkabel verlegt und im gleichen Hotel übernachtet hat wie wir. Viktor spricht sie an und fragt, ob der Wind den ganzen Tag über so kräftig bläst. Leider sind die Jungs aus Buenos Aires und wissen es selbst nicht. Einer schaut in seiner App nach, und die zeigt an, dass der Wind ab 10 Uhr nachlassen soll.

Bei km 26 steht rechts ein großer Bauwagen der Straßenmeisterei – idealer Windschatten! Nur wird dieser just als wir ankommen abtransportiert. Die Arbeiter sagen uns, dass nur zwei Kilometer weiter die Straßenmeisterei sei und wir dort Windschatten finden würden. Es sind dann doch fast sechs Kilometer, und dort gibt es angeblich sogar einen kleiner Laden (nochmal 500m weiter), wo man Kaffee und Verpflegung bekommen kann, wird uns von den gleichen Arbeitern gesagt, als wir dort endlich ankommen. Wir schieben unser Tandem noch 500 Meter und stehen leider vor verschlossener Tür. Es ist zehn Uhr, und da die Wetter-App mittlerweile sagt, dass der Wind ab zwölf abflauen soll, wollen wir eine etwas längere Pause machen.

Wir nehmen uns eine Getränkekiste und einen Metallkorb mit Brettern als Sitzgelegenheiten, setzen uns in den Windschatten einer großen Metallplatte, die sich im Wind immer wieder durchbiegt und poltert wie ein riesiger Knackfrosch, und hören einen heruntergeladenen Podcast.

Nach eineinhalb Stunden geht Viktor bei der Polizei (hier ist die Grenze der Provinzen San Juan und Mendoza) nach dem WIFI-Passwort fragen und erhält es sogar. Die App schreibt inzwischen, dass der Wind doch erst nach 14 Uhr abflaut – dann müssen wir jetzt wohl doch weiterfahren. Gegenüber der Polizei erblickt er aber das geöffnete Lokal, zu dem uns die Arbeiter geschickt haben, und wir trinken dort (ganz ohne Wind) dann noch etwas, bevor wir um zwölf weiterfahren. Wenn gar nichts mehr ginge, könnten wir auch hierher zurückgefahren kommen und hinter diesem Lokal zelten – das haben hier wohl schon einige Radreisende getan. Am Fenster befinden sich ein paar Aufkleber und die Betreiberin fragt uns nach unserem „Esticker“ … also „Sticker“ mit spanischem Akzent ausgesprochen, den wir natürlich gerne dazukleben. Das Zelten wollen wir aber tunlichst vermeiden, auch wenn das Fahren heute wirklich keine Freude macht.

Direkt nach dieser Pause fahren wir über die Provinz-Grenze von San Juan nach Mendoza. Einen Kilometer weiter werden wir an einer Kontrollstelle mit unserem Fahrrad durchgewunken, während Auto-Kofferräume intensiv kontrolliert werden. Auf einer elektronischen Anzeige werden alle aufgefordert, kein Obst einzuführen. Wir haben vier Äpfel im Gepäck, aber was willst Du machen, wenn Du durchgewunken wirst? Danach müssen wir irgendwie um eine Desinfektionsanlage herumfahren, durch die alle Kraftfahrzeuge hindurch müssen. Davor steht ein Schild, das alle auffordert, die Fenster vorher zu schließen. Von unten und von den Seiten wird ein Desinfektionsmittel gesprüht.

Hier beginnt nun eine längere Wüstenstrecke, auf der wir zwischendurch mehrfach anhalten bzw. anhalten müssen. Wir schützen unsere Atemwege und die Ohren mit unseren Argentinien-Halstüchern gegen Wind und Sand, müssen mal austreten oder sind gerade mal wieder von der Straße in den Schotter abgedrängt worden und nutzen die Gelegenheit für eine Pause. Oder eine starke Windböe hat uns auf Schrittgeschwindigkeit heruntergebremst und wir bleiben einfach genervt stehen. Es ist eine echte Geduldsprobe, die mit den langen Anstiegen in den Anden durchaus vergleichbar ist.

Immer wenn Lastwagen im Gegenverkehr auftauchen – und es tauchen heute viele auf – kann es brenzlig werden. Sieht Viktor im Rückspiegel ebenfalls große Fahrzeuge (Lastwagen oder Busse), müssen wir uns darauf einstellen, dass einer dabei ist, der keinen Bock hat, hinter uns abzubremsen und stattdessen nervös die Hupe betätigt (ganz offensichtlich nicht zum freundlichen Gruß, sondern weil es ihm zwischen dem Gegenverkehr und uns zu eng wird), um uns auf die Schotter-Standspur abzudrängen, auf die man über eine mehr oder weniger hohe Asphalt-Abbruchkante regelrecht „abstürzt“. Je nach Konsistenz des Schotters, schafft man es danach wieder auf die Fahrbahn oder man bleibt halt stecken.

Noch gefährlicher kann es allerdings bei Lastwagen-Gegenverkehr werden, wenn von hinten GAR KEIN Verkehr im Spiegel zu sehen ist. Das heißt nämlich, dass hinter den Lastwagen im Gegenverkehr die besonders risikofreudigen Autofahrer zum Überholvorgang ansetzen könnten und dabei auf unsere Spur kommen. Und sind die einmal im Überholvorgang und erblicken uns, scheren eben nicht alle wieder ein. Auch heute verlässt sich einer von ihnen wieder darauf, dass wir in den Schotter fahren, um unser Leben zu retten und hält volle Pulle frontal auf uns zu. Zum freundlichen Finger-Gruß bleibt in solchen Situationen leider keine Zeit.

Natürlich fragen wir uns gegenseitig heute – wie auch an anderen Tagen -, ob uns das Ganze denn noch Spaß macht. Heute sind wir uns einig, dass „Spaß“ im eigentlichen Sinne des Wortes wohl nicht ganz zutreffend wäre. Aber wir wissen ja, dass es nur noch diese Etappe und eine weitere bis Mendoza ist. Dann haben wir hoffentlich ein paar Tage Weihnachtspause in Santiago de Chile, wenn wir es mit dem Bus dorthin schaffen. Die gute Laune lassen wir uns aber trotzdem nicht verderben, wie dieses Video von der Wüstenstrecke vielleicht ein wenig illustriert.

Ab 15:30 beginnt der Wind dann doch langsam etwas nachzulassen und wir werden wieder schneller, wie man an den Zeiten für jeweils 5 Kilometer ab 13 x 5 km (65 km) ganz gut erkennen kann:

Zum Glück ist die Gegend nach dem Wüstenabschnitt wieder grüner, deutlich dichter bewohnt und es gibt ein paar Pausenmöglichkeiten am Straßenrand, die wir fast alle nutzen.

Wir kommen nach 18 Uhr in Lavalle an, checken im Hotel ein, duschen und gehen schnell Abendessen. Mit 11 Stunden und 41 Minuten zwischen Abfahrt und Ankunft haben wir heute nicht einmal unsere Rekorde aus Kalifornien übertroffen, die bei über 11 Stunden und 50 Minuten lagen.
Auf dem Rückweg vom Abnedessen bekommen wir noch zufällig mit, wie in einem zentralen Park ein Krippenspiel aufgeführt wird.

Samstag 21.12.24 – (145) – Lavalle – Mendoza

Gesamt: 9.159,11 km

Wir haben heute eine kurze Tour, also schlafen wir aus, frühstücken erst gegen acht und fahren gemütlich gegen neun Uhr los. In diesem Hauptortsteil von Lavalle – Tulumaya – haben wir uns schon gestern Abend ganz wohl gefühlt, und der Geräuschpegel von der Straße an einem Freitagabend war in unserem Zimmer auch nicht zu lange zu laut zu vernehmen. Jetzt bemerken wir noch positiv die vielen Straßenbäume und fahren sogar auf einem Radfahrstreifen aus dem Ort heraus. Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich sich Ortschaften „präsentieren“ können. Unser Hotel ist übrigens 2014 das erste Hotel hier am Ort gewesen.

Nach den knapp zehn Kilometern zurück bis zur Ruta 40 machen wir an der Tankstelle von gestern schon eine Kaffeepause, und das ist gut so! Nicht nur, dass wir beim Weiterfahren noch eine große Honigmelone geschenkt bekommen (von Mario aus seinem Pick-Up voller Melonen), nein, ab hier ist die 40 bis Mendoza Baustelle und schon wieder macht das Radfahren wenig Spass. Wir können nicht „durchfahren“, denn es gibt Stellen, an denen es über übelsten Schotter geht und wir schieben müssen. Wir versuchen es über eine Parallelstraße, aber auch diese wird zur Schotterpiste, so dass wir wieder wechseln.

Glücklicherweise sind es nur etwa 15 km durch diese Baustelle, bevor die Stadt beginnt und es wieder besser wird. Kurz hinter dem Flughafen von Mendoza beginnt sogar ein Radweg. Die ersten Blöcke kommen wir noch nicht drauf, weil es Durchfahrtsperren gibt, die für uns mit Gepäck zu eng sind, aber später nutzen wir den Radweg. Manchmal muss man den Kopf einziehen, weil Zweige der Bäume zu tief hängen, manchmal ist die Streckenführung aber auch einfach katastrophal:

Bemerkenswert ist, dass in Mendoza kilometerlang riesige Oleanderhecken am Straßenrand stehen, immer abwechselnd meterlang in weiß, rosa und rot. Die werden hier richtig groß und tragen so viele Blüten, da können wir in unseren heimischen Breitengraden nur von träumen.

Unser Hotel liegt sehr zentral und ist schnell gefunden. Wir dürfen auch schon das Zimmer beziehen, gehen dann aber zunächst zu Starbucks an der nächsten Straßenecke, stärken uns ein wenig und gehen dann zum Busterminal. Dort fragen wir an allen (geöffneten) Schaltern von Busgesellschaften, die nach Santiago fahren, ob sie uns morgen mit dem Rad mitnehmen würden. Und heute erfahren wir dann das, was uns schon immer vorhergesagt wurde: entweder werden Räder prinzipiell nicht mitgenommen oder zwischen November und Februar nicht (bis März können wir nicht warten ;-)), oder das Tandem müsste im Karton verpackt sein. Ein einziger Anbieter (Ahumada aus Chile) sagt, das wir eventuell am Montag mitfahren können, wenn dann noch ausreichend Platz ist. Später, beim zweiten Besuch, gibt dieser noch zu, dass auch für morgen früh bislang noch zehn Plätze frei sind, von denen er aber glaubt, sie noch loszuwerden. Wir können aber morgen früh um sieben fragen, wie es aussieht…

Eine Aufsichtsperson im Terminal sagt uns, wir könnten das Rad ja auch per Fracht schicken lassen, allerdings sehen wir dann, dass das Frachtbüro erst Montag wieder öffnet. Viktor fragt dann noch bei Taxifahrern, ob man sich von denen wenigstens bis zur Grenze bringen lassen könnte. Ein „Maletero“ (Kofferpacker) bekommt das mit und rät uns, einfach morgen früh zu ihm zu kommen, und er würde das dann schon mit den Busfahrern klären. Man sollte mit sowas auf gar keinen Fall zu den offiziellen Ticketschaltern gehen, denn die würden sowieso immer ablehnen. Man dürfte dort niemals Aussagen über das Gepäck machen, das man mitnehmen möchte, schon gar nicht bei Fahrrädern. Hier ist das Bus-Terminal riesig, fast wie ein Flughafen, und die Leute an den Schaltern sollte man mit so etwas wohl lieber erst gar nicht behelligen. Na gut, wir versuchen es morgen einfach mal!

Danach gehen wir aber erst einmal im Hotel duschen und umziehen, um gegen fünf Uhr zu einer Free Walking-Tour zu gehen. Zunächst sind wir da aber am falschen Platz, und kurze Zeit später finden wir den Guide mit der orangefarbenen Mütze am richtigen Ort leider nicht mehr – es ist schon etwas zu spät. In der nahegelegenen Touristeninformation erhalten wir einen Stadtplan mit der Empfehlung, den Parque San Martin zu besuchen.

Dorthin laufen wir eine ganze Weile bei weiterhin ziemlicher Hitze, erst in eine falsche Richtung, bis wir es bemerken und umschwenken. Im Park gibt es einen langen, schmalen See, der in der prallen Sonne liegt, aber auch andere Wege im Schatten, ebenso Radwege. Die vier Kilometer zum höhergelegenen Aussichtspunkt gehen wir lieber nicht, sondern über einen kleinen Handwerks- (Weihnachts-) Markt. Endlich kann Viktor dort einen „Pancho con Poncho“ probieren, die es in Argentinien überall zu kaufen gibt.

Pancho con Poncho, eine Art Hot-Dog mit Schinken, Käse und Kartoffelsticks

Wir gehen noch zum vier-seitigen Brunnen den Kontinente (an dem Australien und Antarktis fehlen…) und zum Eingangsportal, die uns beide ans Herz gelegt wurden und haben danach genug.

Auf dem Rückweg zum Hotel essen wir noch in einem guten Restaurant mit großer Weinkarte zu Abend. Jutta bestellt einen Chefsalat, der ihrer Meinung nach süßes Brot enthalten soll. Als er serviert wird, liegen eindeutig Fleichstücke oben darauf. Wir fragen nach und erfahren, dass „Sweetbread“ wirklich kein Brot, sondern Bries ist, was wir noch nie gehört haben. Man kann die Stücke aber gut beiseitelegen … und irgendwie hat Viktor heute auch keine große Lust, dieses „besondere“ Fleisch nach seinem Rindersteak auch noch zu vertilgen.

Auf dem Rückweg kommen wir nochmal an der Plaza Independencia vorbei wo ein weihnachtliches Rap-Konzert gut besucht ist und wir bleiben kurz stehen.

Es ist fast halb zehn, als wir im Hotel zurück sind, und wir müssen noch Melone zum Nachtisch essen (mitnehmen können wir sie morgen nicht). Drei Viertel schenken wir anschließend den Hotelmitarbeitenden, die sich freuen.

Sonntag 22.12.24 – Mendoza – Santiago de Chile (Bus)

Der Wecker klingelt um 5:20, denn wir wollen vor 7 Uhr am Busbahnhof sein und das Tandem auf Kleinstmaß zusammengeschoben haben, bevor die Ticketschalter um 7 Uhr öffnen. Wir verzichten also auf das Frühstück im Hotel, das eigentlich im Preis inbegriffen ist, packen alles aufs Tandem und radeln die 3 Kilometer zum Busbahnhof.

Dort fahren wir direkt zum Taxistand und wollen zu den Maleteros, die uns ja angeblich mit dem Tandem im Bus unterbringen können, ohne dass wir an den Ticketschaltern etwas vom Tandem erzählen. Heute morgen ist nur ein junger Maletero dort, der den in den Nachtbussen ankommenden Fahrgästen die Koffer in die Taxis packt. Viktor spricht ihn auf Spanisch an, er antwortet in relativ gutem Englisch, sagt, er habe ein paar Jahre in den U.S.A. gelebt, und wir könnten ruhig Englisch sprechen. Viktor erwidert, dass er besser Spanisch als Englisch spricht, aber das interessiert den jungen Mann nicht, und er bleibt beim Englischen. Es ergibt sich ein kurzes Gespräch, aus dem sich relativ schnell ergibt, dass dieser Maletero wohl nicht die notwendigen Kontakte zu den Busfahrern hat. Er schickt uns … na wohin? … richtig! … zu den Ticketschaltern. 🙂

Um kurz nach sieben ist Viktor also wieder am Ticketschalter von AHUMADA, einem Chilenischen Busunternehmen, und siehe da, ein anderer Mitarbeiter als der von gestern Abend hat überhaupt kein Problem damit, uns zwei Tickets zu verkaufen und die Mitnahme des Tandems (unverpackt!) sofort zuzusagen.

Für die Einreise nach Chile müssen wir online eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass wir keine Früchte, Fleisch- oder Wurstwaren, Nüsse, Samen oder andere verbotene Dinge einführen. Das erledigen wir während der Wartezeit im Busterminal auf unseren Handies, können aber nichts ausdrucken, wie es einige andere Reisende offenbar getan haben.

Die Busfahrt für die gut 350 Kilometer soll laut Ticket 8 Stunden dauern. Bis zur Grenze sind es etwa 3,5 Stunden. Wir essen in der Zeit unsere Äpfel und alle Nüsse/Rosinen/Schoko-Erdnüsse, die wir als Power-Mix immer dabeihaben.

An der Grenze wird das gesamte Gepäck (aber zum Glück nicht das Tandem) aus dem Gepäckraum geholt und auf ein Gepäckband gelegt. Wir müssen zunächst die Einreiseformalitäten (Migración) erledigen und dann unser Gepäck durch ein Röntgengerät laufen lassen. Unsere eidestattliche Erklärung schaut sich jemand nur ganz kurz auf dem Bildschirm unserer Handies an. Wir müssen lange in einer von vier Schlangen warten, um unseren Einreisestempel für Chile zu bekommen. Von Argentinien erhalten wir auch heute keinen Stempel, das Land hat sich also nicht in unseren Reispässen verewigt, aber wir werden ja noch einmal weit im Süden einreisen, vielleicht klappt es ja dann…

Nach den Grenzformalitäten stehen alle Fahrgäste mit ihrem Gepäck an den Busparkplätzen und warten, dass der Bus durch die lange Halle nach vorne gefahren kommt, um uns wieder einzusammeln. Wir kommen mit einem jüngeren und einem etwas älteren Paar ins Gespräch, die auch im Bus in unserer Nähe sitzen. Als wir von unserem Paket im Zoll erzählen, meint die jüngere Frau, dass man die „Clave Única“ innerhalb von Minuten online erhalten könne, und zwar auch als Ausländer (z.B. Argentinier), wenn man einfach seine Reisepassnummer eingibt. Es keimt wieder etwas Hoffnung auf, dass wir vielleicht doch selbst dafür sorgen können, dass das Paket durch den Zoll freigegeben wird. Abends probieren wir es im Hotel aus, und leider schaffen wir es doch nicht. Immer wieder wird die RUN verlangt, die nur Chilenen haben.

Gültige RUN erforderlich

Nach fast eineinhalb Stunden steigen alle wieder in den Bus. Die folgende Strecke geht zweimal über sehr enge und steile Serpentinen – die „Caracoles“ (Schnecken) – eine richtige Sehenswürdigkeit: alle stehen an den Busfenstern und filmen oder fotografieren.

Schräg vor uns sitzt ein Pärchen, das letzte Woche dort inklusive Gepäck herunterlaufen musste, weil der Bus einen Defekt hatte. Na danke – wir sind sogar ganz froh, dass wir nicht mit dem schweren Rad unterwegs sind … auch wenn die „Caracoles“ natürlich für jeden Radfahrende ein Traum (oder Alptraum?) sind, der Straßenbelag besteht aus schlimmsten Betonplatten mit Fugenversatz, wie wir ihn auch auf der Panamericana in Panama schon unter den Felgen hatten.

Nach einem Halt in Los Andes kommen wir um kurz nach vier am zentralen Terminal in Santiago de Chile an, wo wir aussteigen. Vielleicht wäre eine Weiterfahrt bis zum Südterminal besser gewesen, die Entfernung zu unserem Hostal ist in etwa dieselbe, denn die Radfahrt durch die Innenstadt ist ziemlich bescheiden. Die Straßen sind (sonntags, 4. Advent) überfüllt, von Autos und auch wieder mal viel Müll und Glasscherben, und auf dem zentralen Radweg, den wir entdecken und nutzen, stehen an jeder Kreuzung fliegende Händler und versperren die Weiterfahrt.

Unser Hostal Black Cat liegt aber sehr ruhig in einem etwas alternativ anmutenden Viertel. Wir werden jetzt sechs Nächte hierbleiben und hoffentlich mit repariertem und durchgechecktem Tandem weiterfahren.

Nach dem Bezug des Zimmers gehen wir schon bald früh Abendessen (hier haben die Restaurants anscheinend wieder früher geöffnet) und finden ein ganz nah gelegenes Veganes Restaurant (Vegan Dealer) mit riesiger Auswahl.

Woche 37 (9.12.24 – 15.12.24) Hualfín – Baldecitos

Montag 9.12.24 – (134) – Hualfín – Belén (Bethlehem)

Gesamt: 8.364,16 km

In unserer Herberge soll es ab acht Uhr Frühstück geben, also stehen wir entsprechend auf, müssen zunächst unsere „Verpackungen“ für die etwas ekeligen Kopfkissen von den Schaustoffschnipseln befreien, dann alles packen, und um acht stehen wir auf der Matte.

Wir bekommen nur ein spärliches Frühstück zu einem spärlichen Preis, und die Küchenfrau kann dann den 10.000 Pesos-Schein nicht wechseln. Im nur 17 km weit entfernten San Fernando gibt es ein Frühstückscafé, das wir uns sowieso schon ausgeguckt haben, dort wollen wir dann nochmal richtig frühstücken.

Gegen neun fahren wir los, sind gegen zehn vor dem Café La Candelaria in San Fernando, und die Türen sind verschlossen. Aus dem gegenüber liegenden Park rufen uns Frauen zu, dass es erst morgen wieder öffnet. Ganz super! Montags ist hier in der „Panaderia Municipal“ (Städtische Bäckerei – vermutlich auch aus den Steuergeldern der Minengesellschaft finanziert wie die Bodega gestern in Hualfín) nun mal Ruhetag. Es gibt immerhin einen Kiosk auf der anderen Seite des Platzes, der uns Joghurt und Saft verkauft. Er würde uns auch heißes Wsser machen, wenn wir einen Becher hätten. Das Campinggeschirr haben wir aber nach Hause geschickt, weil wir es nie benutzt haben. Auf dem Platz dürfen wir nicht essen, dort wird gerade geputzt, und er ist geschlossen!

Die Fahrt geht weiter durch Felsformationen und ziemliche Wüste. Neben Vögeln sehen wir heute nur einen Wüstenfuchs, eine tote Schlange und viele Insekten, dafür hören wir fast den ganzen Tag das laute Zirpen von Zikaden.

In La Ciénaga wollen wir es noch einmal mit Kaffee versuchen. Wir finden den örtlichen Kiosk, dessen Betreiber uns aber weiterschickt zu einem Hotel die Straße runter – dort gäbe es auf jeden Fall Kaffee. Im besagten Hotel bekommen wir dann gesagt, dass sie nur Übernachtungsgäste bedienen. Dazu muss gesagt werden, dass in wirklich jedem kleinen Ort eine Touristeninformation ist – sie also wohl gerne Touristen hätten. So kommt uns diese Servicewüste gar nicht vor! Wir fahren unverrichteter Dinge weiter und halten nur ca. 15 km vor dem Ziel noch einmal am Straßenrand unter einem Baum. Jedenfalls wird es ein relativ preiswerter Tag und die lokale Gastronomie verdient an uns keinen Peso, jedenfalls nicht während der Tagesetappe.

In der Quebrada de Belén stehen am Rand große Laufvögel und Jutta hofft, jetzt endlich die schon am 25. November erwarteten Emus anzutreffen. Aber weit gefehlt: heute lernen wir, dass es sich hier in Südamerika um Nandus handelt – Emus sind die Laufvögel in Australien. Das haben wir früher zwar schon einmal gelernt aber nicht mehr gewusst… Sehen tun wir allerdings auch jetzt keine lebendigen Nandus, da wir uns nicht die Zeit nehmen, hinunter zum Fluss zu klettern.

Im Zielort Belén fahren wir zuerst die Hauptstraße hinunter, um uns am Busterminal nach Bussen nach Mendoza zu erkundigen. Bevor es zum Hotel gehen soll, wollen wir dann erst noch – na was wohl – einen „richtigen“ Kaffee trinken gehen. Es gibt mehrere nett aussehende und klingende Cafés, aber leider merken wir, dass sie allesamt geschlossen sind. Eine Frau erklärt uns, dass zwischen 13 und 18 Uhr alle Mittagspause machen, und inzwischen ist es nach 13 Uhr! Also doch gleich zum Hotel!

Dort gibt man uns den Tipp für eine ganztägig geöffnete Bar mit Café, und wir gehen nach dem Geburtstagsanruf an den neunjährigen Hanno sofort und ohne zu duschen hin. Die Espressomaschine dort ist seit zwei Tagen defekt 🙁 – irgendwie ist der Wurm drin – aber sie machen Filterkaffee mit aufgeschäumter Milch für uns. Das WIFI ist besser als im Hotel, und wir bleiben lange sitzen und überlegen, wie wir die kommenden Tage gestalten, denn Unterkünfte und Verpflegungsmöglichkeiten werden an der Strecke immer seltener und … na ja …. Wüste und Steppe halt … wollen wir das wirklich? Am Ende steht fest, dass wir erst einmal weiter radeln, auch, wenn es morgen 130 km ohne einen richtigen Ort zwischendurch sein werden.

Als wir wieder am Hotel sind, sind inzwischen mehrere Motorradfahrer angekommen, die auch hier Zwischenhalt machen. Wir duschen und hängen die gewaschenen Klamotten draußen auf die kleine Terrasse, auf der auch unser Tandem steht. Auf den anderen Terrassen liegen ebenfalls Kleidungsstücke der Motorradfahrer.

Heute kommt – leider zu spät – auch per E-Mail das Angebot von der Firma Hase-Bikes. Sie sind nun doch bereit, uns einen Kurbelsatz nach Santiago de Chile zu schicken. Nun haben wir aber schon alles über unseren Sohn Julius und PankeRad in Berlin in die Wege geleitet. Viktor vermutet, dass sein kritischer Facebook-Beitrag in einer Pino-Owners-Gruppe doch noch zu einem Sinneswandel bei HASE geführt haben könnte.

Dienstag 10.12.24 – (135) – Belén – Aimogasta

Gesamt: 8.494,83 km

Wir entscheiden uns gegen ein frühe Abfahrt mit Frühstück unterwegs (in Londres, circa 12 km entfernt), weil wir den Öffnungszeiten der Cafés in GoogleMaps einfach nicht mehr vertrauen können. Das Café Estevia in Belén, wo wir gestern auch schon zu Abend gegessen haben, bietet ab 7:00 Uhr Frühstück an. Wir stehen um 6 Uhr auf, packen alles zusammen (inklusive Brot, Kekse, Äpfel, Bananen, die wir statt Frühstück von unserem Hotel am Vorabend noch erhalten haben) und sind um 6:58 Uhr vor dem Café. Die Tür steht auch schon offen, und wir können uns tatsächlich am komplett aufgebauten Buffet inklusive schwarzem Tee und Milch bedienen. Viktor kann sogar eine Portion Rührei bestellen.

Um kurz nach halb acht machen wir uns dann auf den Weg, und es geht zunächst scheinbar kreuz und quer durch Belén zur Ruta 40 und dann sanft bergab in Richtung Londres, einem Nachbarort von Belén und der letzten menschlichen Ansiedulung auf den heutigen 130 Kilometern bis Aimogasta. Wir wollen dort – nach nur 12 km – einen letzten Kaffee trinken, bevor wir uns auf die lange, einsame Etappe begeben. Wie schon fast zu erwarten, ist das Café FONTA geschlossen, da es einer „Remodelación“ (Renovierung) unterzogen wird. Gut, dass wir uns nicht darauf verlassen haben, hier frühstücken zu können. In Londres gibt es ansonsten noch eine Farmacia (Apotheke), in der man auch Kaffee bekommen könnte – die ist aber ebenfalls geschlossen. Ansonsten gibt es hier vor allem … Walnussbäume … der Ort ist für seine Walnüsse und das Walnussöl bekannt.

Wir fahren also einfach durch den Ort, und es geht zunächst wieder sanft bergauf bevor wir uns dann auf eine 17 Kilometer lange, ebenfalls eher sanfte Abfahrt freuen können. So bringen wir die ersten 30 Kilometer eigentlich relativ locker hinter uns und benötigen noch keine Pause. Die Landschaft ist auch noch relativ grün, viele Büsche und einzelne höhere Bäume, die zumindest bei einer Pause am Straßenrand Schatten spenden könnten. Wir hören viele Zikaden, teilweise ohrenbetäubend laut, so dass sie die wenigen Autos übertönen, und auch wieder viele Felsensittiche (Burrowing Parakeet).

Felsensittiche brüten am Straßenrand
Felsensittiche brüten am Straßenrand

Bei Kilometer 40 machen wir die erste von heute insgesamt vier Pausen am Straßenrand. Wir haben einen der vielen Schreine am Straßenrand entdeckt, bei dem auch Sitzplätze im Schatten vorhanden sind.

Bis auf die vielen Ameisen ist es hier ganz nett. Bis hierher sind wir fast 20 km schnurgeradeaus gefahren, kurz nach dieser Pause kommt eine leichte Kurve, bevor es noch einmal fast 30 km nur geradaus geht. In der Ferne sieht die Straße für Jutta fast aus, als würde es ganz vorne den Deich bei Café Neudeich auf Wangerooge hochgehen, wenn man den hohen Berg dahinter einmal wegdenkt.

Aus der Nähe geht es einfach nur runter und hoch sowie geradeaus weiter, natürlich ist es kein Deich…

Bei km 70 machen wir die nächste Pause, weil wir sie zwar auch brauchen, vor allem aber, weil dieses ständige Geradeausfahren etwas nervt (später wird es sogar noch mehr nerven, da kommt nämlich noch der aufgekommene Wind von vorne). Aber wir haben hier immer noch genug Energie, um ein paar „Hüpfefotos“ auf der Mittellinie zu machen. Es ist wirklich wenig Verkehr unterwegs hier.

Bei Kilometer 90 fängt Viktors Hintern so langsam an, sich zu melden. Da hilft der beste Brooks-Sattel auch nichts mehr, besonders wenn die Radfahrhose mittlerweile viel zu locker sitzt und das Sitzfleisch fehlt. Diesmal pausieren wir kurz nach dem 4.000 Kilometer Schild der Ruta 40 an einer Bushaltestelle gegenüber einer Polizeistation. Jutta entdeckt 50 Meter weiter eine Touristeninformation und ein Kiosk mit kalten Getränken … ja denkste … natürlich alles geschlossen.

Von hier sind es immer noch 40 Kilometer … puh … an manchen Tagen wäre das eine Etappe. Wir sind eigentlich darauf eingestellt, ab jetzt gemütlich sanft bergab zu rollen, so wie am Anfang des heutigen Tages (siehe Streckenprofil oben). Aber der nachmittägliche Wind hat aufgefrischt und kommt von vorne. Wenn wir aufhören zu treten, was Viktor immer mal wieder machen muss, um seinen Hintern zurechtzurücken, werden wir trotz Bergabfahrt langsamer und bleiben stehen, wenn wir nicht bald weiterstrampeln. Also nix „gemütlich“.

Zudem nimmt der Wind hier so langsam fast mexikanische Formen an. Es sind zwar noch keine 40 °C sondern nur 33 °C, aber die Luft ist so trocken, das Mund und Rachen sofort austrocknen, wenn man ein paar Atemzüge durch den Mund nimmt. Und das mittlweile lauwarme Wasser aus unseren Trinkrucksäcken ist auch keine echte Erfrischung mehr. Bei Kilometer 110 machen wir dann unsere letzte längere Pause (die kurzen Hintern-Entlastungspausen zwischen 110 und 130 zählen wir jetzt mal nicht mit) wieder an einer – diesmal ziemlich vermüllten – Bushaltestelle.

Einige Flüche von Viktor weiter („Watt iss datt für ein Mist hier, immer nur ständig geradeaus?“ „Jetzt ist aber auch mal gut mit diesem verdammten Gegenwind!“) sind wir gegen 16 Uhr auch schon am Ziel. Natürlich ist auch hier bis auf die Shell-Tankstelle alles geschlossen. Eine eisgekühlte Coca-Cola (1,5 Liter) und Sprite (500 ml) später checken wir also im Hotel Del Centro (HDC) ein und pflegen unsere geschundenen Körper bzw. bemitleiden uns gegenseitig ein wenig.

So wird es also heute mit 130 Kilometern unsere längste bisherige Tagesetappe, die längste Etappe ohne Einkehrmöglichkeit, ohne Tankstelle unterwegs, ohne Kaffee, ohne Eis, ohne Banana Split 😉 und mit der längsten Geraden.

Gegen 18 Uhr geht es in den Ort, wo wir dann doch noch einen brauchbaren Frappé bekommen und danach in einer Pizzeria wieder Kalorien auftanken können. Zum Glück haben wir für morgen eine kurze Etappe geplant, allerdings mit einigen Höhenmetern. Jedenfalls wollen wir ausschlafen.

Mittwoch 11.12.24 – (136) – Aimogasta – Anillaco

Gesamt: 8.529,86 km

Nach einer Nacht des Tiefschlafs sind wir beide erstaunt, dass unsere Muskeln nicht mehr schmerzen, zum Frühstück können wir frisch und frei die Treppe nehmen. Da wir heute „nur“ zu einem Hotel des Argentinischen Automobilclubs (ACA) in 35 km Entfernung fahren, um einen Zwischenstopp nach La Rioja zu haben (die einzige Möglichkeit, wenn man nicht zelten möchte), lassen wir uns Zeit und fahren erst um neun Uhr los.

Die Strecke über die Ruta Nacional 75 in Richtung La Rioja wählen wir auf Ratschlag des Vaters des Hotelbetreibers in Belén. So „erfahren“ wir heute wieder einmal, wie die Erfindung des Motors und des Autos die Wahrnehmung der Umgebung durch den Menschen komplett verändert hat. Die wahre Geografie einer Stecke ist dem Gaspedal-Treter eigentlich unbekannt. Wozu auch? Der persönliche Energieaufwand für das Bewältigen einer Steigung beschränkt sich auf das Durchdrücken des Gaspedals um einen weiteren Millimeter. Den Rest liefert die fossile Energie aus dem Tank. Teil des Ratschlags war: “Mas o menos plano!” … die Strecke über die RN75 sei also “mehr oder weniger flach”. Tja … 1 – 3% Steigung merkst Du als Autofahrer halt nicht … über mehr als 30 km kommen so aber 600 Höhenmeter zusammen, die Du mit einem vollbeladenen Tandem auch erstmal erstrampeln musst.

Streckenprofil

Diese Erfahrung passt zu unserer Erkenntnis, dass man sich auf Entfernungsangaben der Menschen vor Ort niemals verlassen darf. Meist werden Entfernungen sowieso in “Minuten” angegeben … gemeint sind natürlich immer Autominuten. Viktor macht sich dann meist einen Spaß daraus, grinsend auf unser Tandem zu zeigen und zu fragen “Für uns auch?”. Dann folgt meistens der Versuch einer Angabe in Kilometern, aber das sind dann Schätzwerte, die man besser nochmal per GoogleMaps nachprüft.

Es soll also auf die RN75 gehen, und Viktor hat (eigentlich) bei Komoot entsprechende Wegpunkte gesetzt. Dummerweise fahren wir erst mehrere Kilometer mühselig auf einer Sandpiste, bevor uns ein entgegenkommender Autofahrer den Tipp gibt, etwas zurück, einmal rechts und weiter auf der neuen asphaltierten Straße zu fahren. Außerdem legt er uns noch eine Burg ans Herz, für die man allerdings zehn Kilometer von der Hauptstraße abweichen müsste – das werden wir heute nicht machen, wir benötigen den Tag zum Kräfte tanken. Für morgen gibt es eine Hitze- und Unwetterwarnung, und wir wollen vor Sonnenaufgang losfahren, um am frühen Nachmittag in La Rioja zu sein.

Unwetterwarnung für La Rioja in der Wetter-App

Leider wird es auf der (gar nicht so neuen) asphaltierten Straße kaum weniger mühselig. Wie gestern geht es fast ausschließlich geradeaus, und die meiste Zeit leicht bergauf. Wir kommen nicht gut voran, nach zweieinviertel Stunden haben wir noch keine 20 km geschafft. Es ist auch schon so heiß, dass der Schweiß ordentlich läuft.

Jutta will etwas für die Motivation tun und sagt, dass wir immerhin schon über die Hälfte geschafft hätten. Und hieraus entwickelt sich ein Zeitvertreib: Viktor sagt, er hätte schon auf zwei Drittel gehofft, Jutta sagt bei zwei Dritteln Bescheid … Viktor hätte auf drei Viertel gehofft … dann 4/5, 5/6, usw…, bis wir irgendwann von der RN75 in den Zielort Anillaco abfahren können. Vorher – am Abzweig nach Los Molinos – machen wir allerdings in einer schattigen Bushaltestelle eine Verschnauf- und Snackpause.

Gegen 13 Uhr sind wir in Anillaco und halten kurz an einem Café. Da dieses allerdings nur Mittagessen und keinen Kaffee anbietet (es muss früher wohl einmal Kaffee gehabt haben, sonst dürfte es sich nicht Café nennen, erklärt uns unsere „Herbergsmutter“ später), fahren wir durch bis zur Tankstelle, an der unsere Unterkunft liegt. Der Shop der Tankstelle hat einige wenige Getränke. Wir nehmen uns zwei kalte Flaschen, beginnen zu trinken und können erst 20 Minuten später bezahlen, da der Tankwart gerade dauerhaft Tankkunden hat. Auch hier kommen die Kunden nicht nach und nach über den Tag verteilt, sondern manchmal viele fast gleichzeitig und danach lange niemand, deshalb ist der Tankwart hier ganz alleine (… so ist das mit den „Kennzahlen“ und dem „Management by Excel“ 😉 ). Wir haben es ja nicht eilig …
Zum besseren Verständnis: In Argentinien (wie in vielen anderen Ländern Lateinamerikas) ist Selbstbedienung an der Tanksäule nicht erlaubt. Es warten also alle Auto- und Motorradfahrer geduldig, bis sie an der Reihe sind und vom Tankwart bedient, betankt und abkassiert werden.

In der Unterkunft haben wir eine richtige Suite mit zwei Räumen inklusive Tisch und Stühle sowie Wohnzimmergarnitur. Kein Vergleich zu unseren anderen Tankstellenübernachtungen! Und Jutta hat zum ersten mal seit Tagen sofort warmes Wasser, als sie den entsprechenden Hahn in der Dusche aufdreht. In den letzten Tagen war sie meist bereits kalt oder lauwarm fertig-geduscht, als das Wasser endlich warm wurde … Viktor hatte als regelmäßiger Zweitduscher davon dann immer den Nutzen. Aber heute ist Luxustag! 🙂

Am späten Nachmittag machen wir uns gegen 17:00 Uhr auf einen kleinen Ortsrundgang. Es ist brüllend warm und die beiden Bodegas, die Viktor für eine mögliche Weinprobe auserkoren hat, sind verschlossen. Auch auf heftiges Klopfen (wir haben gelernt!) öffnet uns niemand. Immerhin können wir unterwegs Wasser kaufen und ein wenig Verpflegung für den morgigen Tag. Es soll jetzt wieder mehr Einkehrmöglichkeiten an der Strecke geben … sogar Tankstellen … aber wer will schon darauf vertrauen, dass es die noch gibt und dass sie geöffnet sind?

Anillaco ist übrigens der Geburtsort von Carlos Menem, der von 1989 bis 1999 Präsident von Argentinien war, bei Amtsantritt mit einer Rezession und Hyperinflation zu kämpfen hatte und das Land mit neoliberalen Reformen und einer Kopplung des Argentinischen Peso an den US-Dollar wieder auf die Beine brachte. Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder?

Den Rest des Tages verbringen wir im Hotel, schreiben am Blog (Viktor bei einem Honigbier im Hotelrestaurant), Jutta hört sich die Generalprobe von CrossOver für das Weihnachtskonzert an und um 20:00 Uhr dürfen wir – auf spezielle Nachfrage bereits eine Stunde früher als die offizielle Öffnungszeit des Hotelrestaurants um 21:00 Uhr – auf ein Abendessen im Hotel hoffen.

Aileen, dieses Honigbier hat tatsächlich mal einen Honig- bzw. Met-„Stich“ … man merkt also, dass da Honig verarbeitet wurde. Aber so richtig ist es doch nicht Viktors Fall … es müsste mal ein dunkles Stout oder Märzen mit Honig gebraut werden … am besten mit Buchweizenhonig.

Unser Sohn Julius hat gestern ein Paket mit einem neuen Kurbelsatz nach Santiago de Chile an unser Hotel geschickt, in dem wir Weihnachten verbringen werden. Vielen Dank an Julius, der trotz Krankheit von Potsdam quer durch die Stadt gefahren ist, um das Teil bei PankeRad in Pankow abzuholen und dann per DHL loszuschicken. Und Danke an Dan von PankeRad! Da Julius ein Apple AirTag in das Paket gepackt hat, wissen wir, dass es heute bereits in Madrid am Flughafen war.

Donnerstag 12.12.24 – (137) – Anillaco – La Rioja

Gesamt: 8.624,46 km

Trotz Viktors heutigem Geburtstag klingelt der Wecker um fünf, ein paar Minuten vor sechs fahren wir im Morgengrauen los. Mit 17°C ist es noch relativ kühl, und dummerweise kommt uns, als wir in Richtung Süden abbiegen, auch schon Wind entgegen.

Wir fahren, wie immer, mit Licht, aber das erste uns überholende Auto hat keines an, obwohl es noch nicht richtig hell ist. Wir fahren zwischen zwei Bergketten, und es ist sehr schön, wie die Bergspitzen im Westen nach und nach angeleuchtet werden, ohne dass die Sonne im Osten hinter den Bergen hervorgekommen ist. Irgendwann erscheint unser Schatten ganz weit weg von uns:

Wir haben noch nicht gefrühstückt, aber im nächsten Ort (Pinchas) nach knapp 20 km soll es sowohl ein Café als auch eine Tankstelle geben. Da es die ersten 25 km bergauf geht, brauchen wir schon unsere Zeit bis dorthin. Am Café fahren wir vorbei, da es sich uns nicht erkennbar zeigt und wahrscheinlich so früh ohnehin noch geschlossen ist, aber dass die Tankstelle ebenfalls verrammelt ist, finden wir nicht so lustig. Glücklicherweise ist gegenüber ein Grillplatz, und wir setzen uns dort hin. Bevor wir groß beginnen, aus unserem Vorrat zu snacken, sehen wir einen Mann, der die Tankstelle öffnet (es ist 7:18 Uhr, keine Ahnung, wann die offizielle Öffnungszeit beginnt). Wir können uns hineinsetzen und bekommen nach 20 Minuten Maschinen-Aufwärmzeit zwei Kaffee aus der Espressomaschine mit aufgeschäumter Milch und zwei „Medialunas“ (Croissants). Wahnsinn, dieses Glück gerade an Viktors Ehrentag!

Von Pinchas kämpfen wir uns noch etwa zehn Kilometer ziemlich langsam hoch, aber immerhin haben wir heute viele Kurven, und es ist nicht so langweilig, obwohl wir wenig Tiere sehen – ein paar Bergziegen und Vögel, und natürlich Insekten. Dann sind wir „oben“, es geht ganz leicht abwärts, allerdings nicht so, dass man sich rollen lassen könnte. Bei dem Gegenwind müssen wir deutlich treten. Aber als Viktor sich gerade beschwert hat, wo denn die Abfahrt nun bleibt, biegen wir um eine Kurve und haben mehrere Kilometer wunderschöne Abfahrt.

Während wir schnell rollen, sehen wir vor uns schon eine lange, lange Gerade, die langsam quer durchs Tal wieder aufwärts geht. Ungefähr in der Mitte scheint es aber irgendwas zu geben, wo man eventuell Pause machen könnte. Außerdem stehen alle zwei Kilometer Hinweisschilder auf einen Dinosaurier-Park etwas weiter weg – den merken wir uns als Back-Up. Das Gebäude auf halber Strecke entpuppt sich als eine Bodega für Wein, Öle und Nüsse – zum Pausieren nicht so das Richtige. Wir kämpfen uns also weiter geradeaus bergauf in dem Wissen, dass es ab der Kurve fast nur noch abwärts geht.

Endlich oben angekommen, halten wir die zurückgelegte Strecke noch einmal fest, bevor wir auf die Abfahrt gehen. In Villa Sanagasta fahren wir in den Ort und bekommen von einem Autofahrer gesagt, wir sollten zum „Kiosko Centro“ fahren – dort würde es Kaffee geben. Der liegt zwar nicht ganz auf unserer Strecke, aber der Umweg lohnt sich. Die Kaffeemaschine ist zwar kaputt, aber dieser Kiosk ist sehr gut sortiert, hat Sitzplätze, bietet Sandwiches an und der junge Betreiber fällt aus allen Wolken, als wir sagen, woher wir kommen und wohin wir wollen (ihm entfährt ein: „A la Mierda !?“ = „Ach Du Scheiße !?“) . Er sagt uns auch, wo es sonst noch Espressomaschinen gibt und dass wir an den Dinosauriern schon vorbeigefahren sind. Irgendwo auf der Abfahrt waren so weiße, riesige Fußspuren auf der Fahrbahn – da geht dann der Weg dorthin ab…

Sandwich am Kiosk

Auf der letzten Abfahrt Richtung La Rioja kommen wir an einem Stausee vorbei – richtig viel Wasser, nachdem die meisten Flüsse staubtrocken sind – , und als wir vom See weg um einen Felsen fahren, kommt plötzlich und unerwartet ein Tunnel.

Und kurz darauf noch ein zweiter!

Den Abzweig nach La Rioja nehmen wir so gegen 13 Uhr und sind wieder einmal überrascht, dass es keine Menschen auf den Straßen gibt, außer in Autos oder auf Motos. Es ist Siesta – alles ist geschlossen, und es ist auch wirklich heiß. Wir halten also nicht noch irgendwo, sondern fahren gleich zum Hotel Andino.

Nach dem Duschen (in einer sehr, sehr schmalen Dusche .. eineinhalb Fliesen breit) wollen wir noch einmal versuchen, ein geöffnetes Café zu finden. Keine Chance, selbst die bei GoogleMaps als geöffnet angezeigten machen Siesta. Stattdessen verbringen wir einige Zeit bei Western Union: das Geld, das Jutta von ihrem Konto an Viktors Account geschickt hat und das lange Zeit im digitalen Nirwana in Prüfung war, ist nun laut App verfügbar, bereitet den Mitarbeitenden aber ein paar Probleme wegen der unterschiedlichen Vornamen von Kontoinhaberin (Jutta) und Sender (Viktor). Letztendlich bekommen wir aber unsere nächste Million Pesos. Auf dem Rückweg finden wir eine geöffnete Eisdiele, die sogar zwei Eisbecher im Programm hat. Leider können sie diese nicht herstellen, weil sie heute weder Sahne noch Obst haben (und sie nur montags und freitags beliefert werden…). Irgendwie erinnert uns das an die gute alte DDR und Viktor entfährt auch ein etwas gefrustetes „Sagen Sie uns doch einfach, was sie noch da haben“. Und das im Turbokapitalismus von Präsident Milei? Das sind dann wohl doch eher simple Logistikprobleme.

Im Frühstücksraum des Hotels bekommen wir kostenlosen Kaffee/Tee, anschließend lassen wir uns im klimatisierten Zimmer etwas abkühlen. Um kurz vor halb sieben müssen wir uns auf den Weg machen, denn ein paar Straßenecken weiter muss Jutta die Geburtstagsüberraschung abholen, die sie vor einigen Tagen – als feststand, wo wir heute hinfahren – per WhatsApp und mit Hilfe von Google Translator bestellt hat:

Das „k“ bei Viktor hatte sie extra eingekringelt, aber das kommt bei Spanisch sprechenden Menschen einfach nicht an!

Mit der Minitorte in der Tüte gehen wir zum „Guten Tag Café„, das Viktor dann ebenfalls mit einem Tortenstück beschenkt und mit einem Ständchen feiert:

Wir benötigen einige Zeit, das alles zu vertilgen, und dann ist uns so schlecht, dass wir auf keinen Fall mehr abendessen können. Bei immer noch 38°C laufen wir langsam und mit einem kleinen Umweg zurück und wollen nur noch den vielen Zucker verdauen und uns im klimatisierten Zimmer abkühlen.

Um 22:00 Uhr beginnt dann auch draußen der per Wetterwarnung bereits angekündigte Sturm. Bei geschlossenem Fenster beginnen die Gardinen im Hotelzimmer zu flattern … sicherheitshalber lassen wir das Außen-Rollo ganz herunter.

Freitag 13.12.24 – La Rioja

Wir machen heute einen Ruhetag in La Rioja und das nicht, weil Freitag, der 13. ist und wir abergläubisch wären, sondern weil wir uns heute klar werden müssen, welche Route wir nach Mendoza fahren wollen.

Nach dem Frühstück ziehen wir aber zunächst in ein anderes Zimmer im Hotel, weil im ersten das Kondenswasser der Klimaanlage die Wand herunter- und unter den Schrank sowie über den Boden läuft. Dann gehen wir mit Laptop und Handy in das hiesige Bücherei-Café, wo wir versuchen, die Tipps der Einheimischen auf Wegen mit ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten umzusetzen. Leider finden wir bei allen drei möglichen Routen immer mindestens einen eigentlich zu großen Abstand für unseren Geschmack, entscheiden uns dann für eine Route, und dann ist auch schon der Akku des Laptops leer, die Zeit vor der Siesta ist vorbei, das Café schließt um 13 Uhr, und wir kehren ins Hotel zurück.

Während unserer Siesta buchen wir schon einmal die drei kommenden Nächte und planen, lesen, schlafen…

Um kurz nach fünf gehen wir wieder los, um vor unserer gebuchten Fahrt im Touristenbus noch etwas zu trinken. Es gibt Smoothies in der wohl einzig schon geöffneten Lokalität eines Vier-Sterne-Hotels. Um 18:15 Uhr fahren wir mit noch fünf anderen auf Sigtseeing-Tour und denken, wir werden wohl in der Stadt herumgefahren werden. Aber La Rioja hat bis auf ein paar Denkmäler und Kirchen anscheinend wirklich nicht viel Sehenswertes, denn wir fahren in die Quebrada (Flusstal, Schlucht), aus der wir gestern schon mit dem Tandem herabgefahren gekommen sind. Hierhin fahren die Menschen gerne ins Wochenende, und erst letztes Jahr hat der Wasserpark eröffnet. Die Staumauer gibt es seit 1930, und wir lernen auch etwas über die Vegetation. „Sauces“ sind Weiden , „Sauce Lloron“ ist die „Weinende Weide“, die in Deutschland „Trauerweide“ heißt. Nach dem Bau des Staudamms sind die Weiden in La Rioja abgestorben, weil sie viel Wasser benötigen. Nun wurden sie zur Erinnerung in einem Park wieder angepflanzt.

Bei der Rückfahrt aus der Quebrada bekommen wir noch gesagt, dass es hier sehr gute Aufwinde gibt unds ein bestimmter Berg weltbekannt für das Paragliding ist. Zurück in die Stadt fahren wir noch am „Stadtpark“ vorbei, an einem anderen Park, der die Stadt mit dem Stadtpark verbindet, am relativ neuen Busterminal (wohlgemerkt eine Sehenswürdigkeit…) und an weiteren, teilweise etwas gigantomanen Denkmälern.

Nach knapp zwei Stunden ist die Fahrt vorbei. Leider öffnet das Restaurant „El Nuevo Corral“, das Viktor sich für sein nachgeholtes Geburtstagsessen ausgesucht hat, erst um 21 Uhr, und wir müssen die Zeit noch herumbekommen. Das machen wir bei einem Getränk in einem Café. Um kurz vor neun stehen wir am besagten Restaurant – vor noch verschlossener Tür. Als um viertel nach immer noch geschlossen ist, geht Viktor fragen und erfährt, dass sie schon seit einem Jahr erst um 21:30 Uhr öffnen. Sowohl an der Tür als auch im Internet steht noch die alte Zeit! Wir sind ziemlich sauer und gehen! Obwohl das Fleisch auf dem offenen Holzgrill wirklich verführerisch duftet, will Viktor hier keinen einzigen Peso lassen und verfasst noch eine 1-Stern-Rezension auf GoogleMaps. Auf der anderen Seite des alten Bahnhofs ist noch ein Restaurant – alle Tische stehen draußen, und es ist eine Tango-Tanzveranstaltung im Aufbau.

Wir essen dort nicht gerade ein Geburtstagsessen, kommen dafür aber noch in den „Genuss“ der ersten Aufführung der erst vor einem Jahr gegründeten Städtischen Tangoschule. Es wird ziemlich spät für unsere Verhältnisse, und morgen früh wollen wir eigentlich wieder zeitig los, um nicht in die größte Hitze zu kommen.

Samstag 14.12.24 – (138) – La Rioja – Patquía

Gesamt: 8.697,19 km

Da es auf der Strecke heute wieder keine Gelegenheit geben wird, nehmen wir das Hotelfrühstück um sieben Uhr noch mit und fahren „erst“ um viertel vor acht los. Den Weg aus La Rioja heraus zu planen war gar nicht so leicht, aber wir finden ganz schnell auf eine große Straße mit Radweg in der Mitte, auf dem wir mehrere Kilometer fahren können, bis wir dann auf die RN 38 fahren müssen, die uns heute ziemlich genau in Richtung Süden führen wird.

Rechts und links ist es recht grün: neben dem Schotter-Seitenstreifen einige Meter hohe Gräser, dann Büsche und Bäume. Eigentlich ganz schön, aber es ändert sich da heute rein gar nichts. Die paar Vögel oder heute vor allem toten Tiere sind fast die einzige Abwechslung. Nach der kurzen Nacht gestern und mit der Hitze heute dazu drohen Jutta mehrfach die Augen zuzufallen, und so manches Mal fragt sie sich, ob sie überhaupt noch tritt. Glücklicherweise ist das aber nach acht Monaten ein Automatismus!

Im Gegensatz zu den letzten Wochen ist hier heute sehr viel motorisierter Verkehr mit uns unterwegs, und das am Samstag! Neben Motos und Autos auch viele Busse und vor allem LKW! Dabei ist diese Straße laut Kartenmaterial eine eher untergeordnete – wir sind also überrascht! Das scheint auch heute kein Einzelfall zu sein, denn am Straßenrand liegen unheimlich viele kaputte Reifen. Einige Exemplare als Beispiel:

Bei genau der halben Strecke (36 km in beide Richtungen) entdecken wir gegenüber von einer Polizeikontrollstelle eine kleine Kapelle und ein pinkfarbenes Haus mit der Aufschrift „Despensa San Nicolas – Bar y Comedor“, außerdem einige Tische und Sitzgelegenheiten (Stühle wäre zu viel gesagt). Wir machen eine Pause und bekommen immerhin zwei kalte Getränke in dem Laden. Dazu gibt es überreife Bananen im Brot (Viktor) und Haferkekse.

Weiter geht es, immer geradeaus und immer gleich. Immerhin erblicken wir zwischendurch Vögel am Himmel, die ohne Flügelschlag im Aufwind segeln. Wir sind uns nicht sicher, aber vermuten Condore, denn wir kamen heute unter anderem an einer „Estancia El Condor“ vorbei.

In Patquía sind wir um 12:30 Uhr und halten zuerst an der YPF-Tankstelle am Ortseingang. Wir gönnen uns kalte Getränke und ein Wassereis (Frutilla-Orange), dass eigentlich nur kühlt aber kaum schmeckt.

Ein kurzes Stück hinter der Tankstelle liegt unser Hotel „Raquelito“. Wir haben ein Zimmer mit funktionierender Klimanlage, Kühlschrank und brüllend heißem Wasser aus dem Warm- und Kaltwasserhahn. Das hatten wir schon einige Male und liegt daran, dass heißes Wasser in den Kaltwasserkreislauf gedrückt wird, wenn zuviel heißes Wasser produziert wird (meist bei Solarthermie-Anlagen). Viktor weiß damit umzugehen und nachdem der Kaltwasserhahn lange genug gelaufen ist, normalisiert sich die Temperatur und man kann duschen, ohne sich zu verbrühen.

Das Kondenswasser der Klimaanlagen läuft hier übrigens nicht – so wie gestern – innen an der Wand herunter und verteilt sich auf dem Boden des Zimmers, sondern es wird außen in Wasserflaschen gesammelt und später als „Agua sin Gas“ teuer an Touristen verkauft ….. 😉 …. Scherz!

Draußen ist es ordentlich warm. Viktors Notration Schokolade gegen den gefährlichen „Hungerast“ befindet sich immer in der Rückenlehnentasche im Schatten von Jutta bzw. Juttas Wasserrucksack (je nach Sonnenstand und Fahrtrichtung), aber heute hatte die Schokolade einfach keine Chance.

Draußen ist es ordentlich warm – hatten wir das schon erwähnt ? – also geht es noch vor dem Duschen in die Grido-Eisdiele um die Ecke. Heute muss man GoogleMaps mal loben, denn im Vorbeifahren hätten wir das niemals als Eisdiele erkannt. Sie kommt ziemlich inkognito daher.

Da wir in Argentinien keine Banana-Split bekommen, lassen wir uns von den edlen Spender*innen, die hier im Blog auf den „Buy us an Icecream“-Button klicken, jetzt auch wieder zu ganz „normalem“ Eis einladen, denn Ihr seid einfach zu viele und wir kommen sonst nicht mehr nach. 🙂
Heute geht unser herzlicher Dank und unser breites Eis-Grinsen an Ulrike P.. Gracias Amiga!

Dann wird geduscht, die Radfahrklamotten dabei unter der Dusche durchgewaschen und – mittlerweile standard Prozedere – im Zimmer zum Trocknen aufgehängt. Unsere gelbe Wäscheleine wird dabei meist zwischen Gardinenstanden, Kleiderschrank-Stangen, Fernsehhalterungen, Fenstergriffen, Türscharnieren oder – wenn wir es mal besonders luxuriös haben – zwischen den Bettpfosten des Himmelbetts aufgespannt.

Dann wird am Blog geschrieben, denn Patquía hat so ziemlich nix zu bieten, was sich anzuschauen lohnt. Und es ist sowieso unangenehm warm draußen – hatten wir das schon erwähnt?

Um 17:40 Uhr geht es in das benachbarte „Café Griselda“, das erstaunlich modern daherkommt und eine Espressomaschine besitzt. Wir trinken zwei „Lagrimas“, aber so langsam wird klar, dass das sehr viel Milch mit nur ganz wenig Espresso ist, also ein Latte Macchiato mit noch mehr Milch. Einen Caffé Latte (50:50 Milch:Espresso) kriegt man hier in Argentinien eher, wenn man einen „Café con Leche“ bestellt. Nur, wie man sicherstellt, dass der nicht aus gebrühtem Filterkaffee angemischt wird, das müssen wir noch herausbekommen.

Und um 20:00 Uhr können wir uns zum Abendessen zwischen unserem Hotel und dem benachbarten „Parador Oasis“ entscheiden, der recht gute Rezensionen bei GoogleMaps erhalten hat, die uns beim Lesen der Google-übersetzten Texte ein wenig zum Lachen bringen. Wir müssen das Wort „Apotheotisch“ nachschlagen und entdecken dabei eine tolle neue Internetseite: Sprachnudel sagt uns, dass dieses Wort auf Position 110.054 in der Häufigkeitsverteilung der deutschen Sprache liegt.

Wir gehen tatsächlich im Parador Oasis essen. Um 20:15 Uhr öffnet uns der Gärtner, jedenfalls stellt er sich uns als „Jardinero“ vor, der uns aber gerne schon mal die Getränke bringt. Kurze Zeit später kommt ein älterer Herr, der Betreiber des Paradors (?), in einem Bagger angefahren, nimmt unsere Bestellung entgegen (Locro gibt es leider nur im Winter) und gibt diese an den Koch in der Küche weiter …. der ist übrigens der Gärtner von gerade eben …. 🙂
Dann fährt der ältere Herr mit dem Bagger wieder weg. Egal, das Essen ist o.K. und sättigt. Wir sind froh, dass wir nicht bis 21:00 Uhr warten mussten, denn das wäre die normale Öffnungszeit gewesen. Daran werden wir uns in Argentinien so schnell nicht gewöhnen, denn wir wollen morgens früh starten, um der nachmittäglichen Hitze aus dem Weg zu gehen (hatten wir das eigentlich schon …. 😉 )

Bevor es ins Bett geht stolpert Viktor noch dreimal über die Stufe zum Badezimmer. Das kann heute Nacht noch gefährlich werden.

Gefährliche Stufe zum Bad – weiß der Teufel warum.

Sonntag 15.12.24 – (139) – Patquía – Baldecitos

Gesamt: 8.785,25 km

Die Karaoke-singende Männergesellschaft im Nebenhaus, die gestern Mittag um 14 Uhr begonnen hat, hält noch bis nach Mitternacht feucht fröhlich durch. Als die Herren sich dann verabschieden, hören wir nur noch viele Kinderstimmen von draußen. Unsere Nachtruhe ist also zumindest in der ersten Hälfte eine Nachtunruhe.

Bevor es um sieben zum Frühstücken geht, packen wir das Tandem fertig. Und nachdem dann noch geklärt ist, dass das Hotel gestern bei der Bezahlung einen Fehler zu unseren Ungunsten gemacht hat (Ausländer zahlen in Hotels eigentlich keine Mehrwertsteuer), steigen wir um viertel vor acht Uhr aufs Rad. Irgendwie war es beim Packen eine Stunde früher noch deutlich kühler…

Das Hotel liegt am Anfang der RN150, und auf dieser werden wir die kommenden zwei Tage verbringen. Wir fahren aus dem Ort heraus und haben eine sehr lange Straße vor uns im Blick, die wieder schnurgeradeaus geht und langsam, aber stetig ansteigt. Bis zur ersten Kurve fahren wir gute 38km, immer etwas aufwärts und ohne Abwechslung bei der Vegetation rechts und links. Das wird heute den ganzen Tag so sein … immer leicht bergauf.

Nach gut 20km brauchen wir die erste Pause. Heute sind nicht einmal Sitzgelegenheiten am Straßenrand, wir pausieren also im Stehen unter einem Baum (zu den Ameisen und ggfs. Schlangen auf dem Boden setzen wir uns lieber nicht).

Heute müssen wir die Straße wieder nur sehr vereinzelt mit Kraftfahrzeugen teilen. Das immerhin tut nach gestern gut! Auch die zweite Pause machen wir am Straßenrand unter einem Baum. Viktor will sich etwas hinlegen: im Sand sind viele Kleinsttiere, aber der Asphalt ist zum Hinlegen zu heiß.

Nach 75 km bei der Sehenswürdigkeit „El Chiflon“ soll es ein Restaurant geben, und wir brauchen dringend etwas Kaltes zu Trinken – das Wasser von heute Morgen ist inzwischen ziemlich warm. Die Tür ist verschlossen, aber hinten bekommt Viktor den Inhaber zu sprechen: es ist Nebensaison und deshalb hat er kein Geld, um Getränke zu kaufen. Aber nur drei Kilometer weiter soll es eine Bar geben…

Etwas genervt fahren wir also noch einmal drei Kilometer weiter, und tatsächlich hat die Bar „Ruta 150“ geöffnet und sogar gerade eine Mütter-Kinder-Gruppe als Gäste. Wir können drinnen im Schatten sitzen und essen (Viktor ein Käse-Schinken-Sandwich) und trinken.

Als wir weiterfahren wollen, steigen gerade alle sieben weiteren Gäste in einen Kleinwagen, wir können leider nicht mehr sehen, wie sie sich dort hineinstapeln. Dafür sehen wir im Vorbeifahren die Sehenswürdigkeit „El Chiflon“:

Neben den „Gauchito Gil“-Schreinen kommen wir heute auch an „Difunta Correa„-Schreinen (verstorbene Correa) vorbei, an denen sich gefüllte Wasserflaschen türmen. Auch diese sind Teil des Argentinischen Volksglaubens. Einer Legende nach ist die Frau im Jahr 1841 in der Wüste auf der Suche nach ihrem Mann verdurstet, ihr Kind hat aber dank ihrer Muttermilch überlebt. Als man sie tot auffand, lag das Baby lebend an der Brust der Mutter.

Besonders viel gespendetes Wasser für „Difunta Correa“

Auf den restlichen ca. 15 km müssen wir noch über eine ziemlich steile, kurvige Straße über einen Hügel, und danach geht es wieder nur geradeaus.

Es ist nach vier Uhr, als wir beim Hospedaje Benjamin ankommen und alles verlassen vorfinden. Irgendwann guckt eine Frau aus einem Fenster und sagt uns, dass die Besitzerin in der Touristeninformation arbeitet, sie aber deren Sohn dorthin schickt. Dieser fährt kurz darauf mit dem Moped weg, und als er wiederkommt, können wir ins Zimmer. Da der Deckenventilator nicht richtig funktioniert, bekommen wir gleich einen Standventilator. Das WIFI geht leider nicht ohne Bezahlung, aber die Bezahlung per Kreditkarte funktioniert auch nicht – wir müssen also ohne auskommen – und ein Mobilfunknetz gibt es in dieser gottverlassenen Gegend ebenfalls nicht. Dafür haben wir Warmwasser, und ab 21 Uhr können wir auch etwas zu Essen bekommen.

Wir gehen ein bisschen spazieren und finden neben einem Kiosk, an dem wir schon einmal Getränke kaufen, auch Ecken mit freiem W-LAN und den Arbeitsplatz unserer Vermieterin, die Touristeninformation. Dieses Dorf hat nur wenige, weit auseinanderliegende Häuser, aber eine am Sonntagabend geöffnete Touristeninformation, die wahrscheinlich sehr, sehr wenige Besucher hat, und die von Steuergeldern finanziert wird. Da könnte man doch sicher etwas einsparen … vermutlich ist da Präsident Milei aber schon dran.

Unsere Gastgeberin erklärt uns, dass das WIFI in der Unterkunft auch ohne Bezahlung funktioniert, allerdings nur für WhatsApp-Textnachrichten, für mehr nicht. Also können wir heute nichts hoch- oder auch herunterladen. Der Blog muss also warten. Auch das tägliche Senden des Standorts an unseren Jüngsten gestaltet sich schwierig: wir hängen das Motorola Defy hinter dem Haus an einen Nagel in Empfangsrichtung des Satelliten. Aber Viktor bekommt die Kommunikation nicht gestartet. Der Satelliten-Link funktioniert nicht. Na super! Das ist eigentlich unsere Notfall-Lösung für einen Notruf, wenn wir in wirklich abgelegenen Gegenden sind … also zum Beispiel hier. Das ist ja sehr beruhigend! Nach einer Stunde will Viktor das Motorola-Teil wieder ins Zimmer holen, aber es ist verschwunden. Niemand der gerade im Hospedaje Anwesenden will es gesehen haben, aber der gerade nicht anwesende Sohn des Hauses, Benjamin, nach dem auch das Hospedaje benannt ist, gibt später zu, dass er es aufgehoben und eingesteckt hat, weil es angeblich vom Nagel gefallen war.

Vor dem Abendessen schaffen wir es noch, uns in ein offenes WLAN einzuwählen, das von der „Escuela Armada Argentina“ ausgeht, aber wir schaffen es nicht einmal, einen Satz in den Blog hochzuladen, um den regelmäßigen Lesern mitzuteilen, dass es uns gut geht. Immerhin landet aber das Tagesbild mit den Kilometern bei Viktors Facebook.

Um 21 Uhr dürfen wir in den Comedor kommen und essen Hähnchenschnitzel mit Salat. Hinterher will uns die Betreiberin noch allerhand verkaufen, weil sie meint, dass auf der morgigen, mehr als 100 km langen Tour nur ein einziges Haus „hinter dem sechsten Tunnel“ liegt, bei dem es aber nichts zu Kaufen gibt. Na das kennen wir inzwischen leider schon, und wir kaufen ordentlich Wasser und einen Extrabecher „Dulce de Leche“ für unser Frühstück unterwegs, denn wir wollen bei Sonnenaufgang ohne Frühstück losfahren.

Bei sehr lautem Ventilator versuchen wir zu schlafen.

Woche 36 (2.12.24 – 8.12.24) Salta – Hualfín

Montag 2.12.24 – Salta

Da Jutta seit einigen Wochen das Gefühl hat, nicht richtig tief einatmen zu können und man es inzwischen nicht mehr auf die dünne Luft in der Höhe der Anden schieben kann, wollen wir die Großstadt Salta nutzen und es abklären lassen. Deshalb finden wir uns gleich um kurz nach acht an einer Privatklinik (Tres Cerritos) ein. Viktor will nach langjähriger Tätigkeit in der Gynäkologie als Erstes einmal ein aufs Zwerchfell drückendes Myom ausgeschlossen haben – also ein Gyn-Ultraschall machen lassen. An der Anmeldung muss erst in bar bezahlt werden, sonst läuft hier gar nichts. Also läuft Viktor zurück zum Hotel, um die letzten Bargeldreserven zu holen. Das Unterleibs-Ultraschall können wir schon einmal bezahlen, und dann kommen wir auch sehr bald an die Reihe. Da der Gynäkologe vom Unterleib her kein Problem entdecken kann, dafür aber einen Leistenbruch vermutet, macht er noch ein Weichteil-Ultraschall, zum Ausschluss einer Hernie (Leistenbruch), ebenfalls ohne etwas zu finden. Um diese zweite Ultraschalluntersuchung im Anschluss zahlen zu können, muss Viktor noch einmal los, dieses Mal, um U.S.Dollar zu tauschen. An der dritten Anlaufstelle klappt es (zu keinem besonders guten Kurs, weil wir nur 20$-Scheine haben, keine 100$). Jetzt können wir auch noch den Allgemeinmediziner bezahlen, der Jutta untersucht und meint, es wäre wahrscheinlich eine Atemwegs- oder Lungen-Infektion. Er hört aber auch besorgniserregende Darmbewegungen und erwähnt irgendwas von Salmonellen-Infektionen, die hier recht häufig seinen. Sie soll drei Tage einen Protonenpumpenhemmer und ein Spasmolytikum schlucken (fragt sich allerdings, warum) und sowohl zur Blutabnahme als auch zum Thorax-Röntgen. Das Blut wird mit Terumo-Nadeln von Viktors Arbeitgeber mühelos abgenommen, zum Röntgen müssen wir woanders hin. Dort kommt Jutta auch sehr schnell dran – die Bilder sollen wir nach kurzer Zeit selber digital abrufen können und dem Allgemeinmediziner schicken. Dummerweise hat die Röntgenpraxis die Passnummer, die ja aus einer Buchstaben/Zahlen-Kombination besteht, zur Identifikation genutzt, und das Online-Formular zum Abrufen der Bilder akzeptiert nur Ziffern. Es dauert also eine ganze Zeit, ehe dieses Problem gelöst ist. Über eine WhatsApp-Gruppe mit beiden Ärzten erhalten wir irgendwann einen QR-Code, der die Passnummer gleich in die URL einbaut und uns endlich Zugang zu den Röntgenbildern gibt. Auf den Röntgenbildern bestätigt sich die Vermutung einer verschleppten Influenza-B- oder COVID-19-Infektion. Nun müssen noch die Laborwerte morgen abgewartet werden.

Inzwischen ist es so spät, dass wir eigentlich im Hotel auschecken müssten, stattdessen verlängern wir eine Nacht und wollen danach einen neuen Bargeld-Versuch mit Western Union starten und unsere Wäsche abholen. An der ersten WU-Stelle können sie uns eine Million Pesos in 1000-er Scheinen (entspricht 1€) anbieten, das wäre eine gesamte Radtasche voll Geldscheinen. An der zweiten haben sie größere 10.000-Pesos-Scheine (entspricht 10€ … größere Scheine existieren in Argentinien derzeit wohl nicht). Wir wollen im Bixi-Coffee-House gegenüber eine Kaffeepause machen und dort die passende Geldüberweisung per WU-App tätigen. Der Überweisungs-Versuch von Jutta am vergangenen Freitag in der Stadt Jujuy scheint aufgrund des nicht übereinstimmenden Namens (Kontoinhaberin Jutta Makowski, WU-App-Login Viktor Makowski) fehlgeschlagen zu sein, also wird Viktor heute eine Sofortüberweisung von seinem Konto versuchen.

Während er am Kämpfen ist – immer wieder muss er sich mit Fotos des Personalausweises identifizieren – kommt eine Deutsche an unseren Tisch: sie fragt, ob wir eine Lösung hätten, hier in Argentinien an Bargeld zu kommen. Und schon haben wir ein Thema! Sie (Kinderärztin aus München) und ihr Mann waren schon in Chile, wo sie leicht an Geld gekommen sind, und seit drei Tagen in Argentinien haben sie Probleme und die Hoffnung, hier in Salta erfolgreich zu sein. Während Viktor immer wieder versucht, das Geld in der App flüssig zu bekommen, holt Jutta sowohl Viktors Pass aus dem Hotel (wird mit zusätzlicher Passkopie benötigt, um das Geld bei WU ausgezahlt zu bekommen) als auch die Wäsche aus der Wäscherei ab.

Irgendwann gegen 15 Uhr gehen wir genervt ins Hotel zurück, um die Zeit anderweitig zu nutzen. Die WU-App will einfach keinen grünen „Verfügbar“-Punkt anzeigen.


Auf dem Platz vor dem Hotel sehen wir noch einmal das Münchener Paar und können noch keinen Bargeld-Erfolg melden. Als Kinderärztin berührt sie Juttas Arm, erfühlt eine erhöhte Temperatur und verordnet einige Tage Ruhe (inwischen haben wir auch die Nachricht vom Arzt, dass es nach einer Infektion in der Lunge aussieht). Viktor geht mit dem Paar noch kurz ins Parkhaus und zeigt ihnen unser Tandem, für das sie sich interessiert hatten.

Im Hotelzimmer angekommen dauert es jetzt nicht mehr lange, bis das Geld bei Western Union dann doch verfügbar ist, und so gehen wir wieder in die Niederlassung, werden schlagartig zu Pesos-Millionären und haben jetzt endlich Bargeld für mehr als nur ein paar Tage.

Ich wär so gerne Millionär …

Am weiteren Nachmittag besuchen wir noch die San Francisco Kirche und die Kathedrale Basilika (beim vierten Anlauf klappt es – kein Gottesdienst und nicht geschlossen) und suchen einen Laden, wo wir Juttas in irgend einer Wäsche verloren gegangenes Unter-Funktionsshirt ersetzen können – erfolgreich! Viktor geht noch kurz in eine Apotheke, um seine Blutdruck-Messung der Smartwatch neu zu kalibrieren und hochdosiertes Vitamin C für Jutta zu kaufen.

Nach einer kurzen Erholungszeit im Hotel geht es zum Patio de San Francisco zum Abendessen. Hinter dem Tresen steht ein Franziskaner Weissbier neben einem Franziskaner-Mönch auf dem Regal. Viktor bekommt sie sogar heruntergeholt für ein Foto.

Dienstag 3.12.24 – Salta

Wir schlafen aus und verbringen dann den Vormittag mit Ergänzungen am Blog und an unserer Routendokumentation bei Google MyMaps. Im Beitrag der vergangenen Woche sind jetzt noch ein paar Videos hinzugekommen, es könnte sich also lohnen, nochmal reinzuschauen.

Zu halb eins gehen wir noch einmal zu den „Tres Cerritos“, die Blutwerte und deren Auswertung abholen. Der Arzt von gestern ist erst Donnerstag wieder da, aber wir können auf einen anderen warten. Dieses Warten dauert eineinhalb Stunden, dabei sind nur zwei Patienten vor Jutta dran. Die Ärzte hier scheinen sich nicht kaputt zu arbeiten… . Die gestern prognostitierte Entzündung wird von dem Arzt heute nicht bestätigt, er geht von Luft über dem Zwerchfell aus, die der Lunge nicht ausreichend Platz lässt. Zwei Ärzte, zwei Meinungen! Aber da Jutta sich ja auch nicht krank fühlt, glauben wir mal diese Diagnose und fahren morgen weiter.

Es ist fast halb drei, als wir auf dem Rückweg im Café Martinez Kaffee trinken, wo es für Radfahrende 10% Rabatt gibt. Es scheint eine Argentinische Kette zu sein, die beim Nachschauen allerdings nur in einigen Gegenden verbreitet ist, nicht so flächendeckend wir z.B. Juan Valdez in Kolumbien.

Den weiteren Nachmittag nutzen wir im Salon sitzend zum Schneiden von Videos, was richtig Zeit braucht. Abends gehen wir schräg gegenüber noch einmal ganz nett essen – Jutta hat gefüllten Butternut-Kürbis, der von einem Paar aus den Niederlanden bewundert wird und fast wie zuhause schmeckt. Anschließend packen wir schon einmal wieder die Taschen, um morgen früh zeitig wegzukommen.

Mittwoch 4.12.24 – (129) – Salta – La Viña (Parador Posta de Las Cabras)

Gesamt: 8.019,61 km

Wir stehen das erste Mal wieder früh auf und sind um 6:15 Uhr die ersten beim Frühstück. Die Frühstücksfrau bekommt eine Flasche Wasser von uns geschenkt, denn wir haben gestern Abend wieder einmal versehentlich Sprudelwasser gekauft. Um sieben sitzen wir auf dem Tandem. Es geht sehr schnell auf die Straße, die als RN68 aus Salta Richtung Süden herausgeht. An einer Tankstelle besorgen wir stilles Wasser und Gatorade, und weiter geht es. Die Straße (immer noch innerorts) ist ziemlich schlecht, so dass wir langsam vorankommen, obwohl der Verkehr sich in Grenzen hält.

Die städtische Gegend hört erst nach 20 Kilometern auf, und da haben wir auch schon den ersten „Berg“ geschafft. Die Straße wird besser, die Natur schöner. Heute fahren wir an etlichen Tabakfelden vorbei, später auch an Wein, es ist nicht spektakulär, aber ganz nett. Die Straße liegt leider die ganze Zeit in der Sonne, aber heiß wird es erst nachmittags.

Nach 38 km sind wir in El Carril und halten an der YPF Tankstelle. In deren Café FULL bekommen wir guten Kaffee und Gebäck von netten Damen dort. Gut gestärkt fahren wir weiter, immer Richtung Süden. Und es fällt auf, dass uns sämtliche LKW-, Bus- und Autofahrer mit sehr großem Abstand überholen, und wenn die Gegenfahrbahn nicht frei ist, hinter uns abbremsen, bis sie überholen können. Das tut so gut nach dem Spießrutenfahren in Peru!

Kurz vor Coronel Moldes, wir haben 65 km hinter uns, liegt rechts an einem kleinen Bach der Comedor El Osmeño. Zwei Schwestern, die unserer Meinung nach eigentlich in die Schule gehörten, bedienen die Gäste – wir bekommen 1,5l Cola, deren Rest wir einer vierköpfigen Familie weitergeben.

Nach 79,99 km halten wir schon wieder, um unsere 8000 gefahrenen Gesamtkilometer auf Fotos festzuhalten.

Die Stelle wimmelt von (Tiger-?) Mücken und ist in der prallen Sonne, deshalb fahren wir sofort weiter und halten noch einmal an einer Tankstelle in La Viña, nur ca. 10 km vor unserer reservierten Unterkunft in Talapampa, weil es noch so zeitig ist und wir uns erst ab drei Uhr angemeldet haben. Während wir dort ein Eis schlecken, bekommt Viktor von der Hospedaje eine WhatsApp-Nachricht, dass sie ein Problem mit den Wasserleitungen haben und heute keine Zimmer vermieten können. Super, wir haben extra vorher angefragt, weil es in dieser Gegend keine wirklichen Alternativen gibt! Ein paar Kilometer weiter, in Alemania, gibt es einen Platz zum Campen, allerdings ohne Sanitäranlagen, außer einem nahegelegenen Fluss… . Die Tankstellenshop-Bedienung weiß von einem Ort, an dem früher eine Freundin gearbeitet hat, wo es ein Zimmer geben soll. Sie kontaktiert ihre Freundin und bekommt die Bestätigung für das Zimmer. Leider können wir uns nicht dort anmelden, denn die neuen Betreiber haben auch eine neue Telefonnummer.

Okay, wir wollen bis dorthin fahren, und wenn das nicht klappt, notfalls in Alemania wild campen. Nach 99,6 gefahrenen Kilometern kommen wir am Parador de Las Cabras an und haben Glück: vor einem Monat haben neue Betreiber diesen Parador sehr heruntergekommen übernommen, und im rustikalen Zimmer oben am Hügel finden sich keine Mäuse o.ä., wie wir in Rezensionen aus Dezember 2023 auf iOverlander gelesen haben. Einige Männer bauen gerade etwas, das wie ein Haus aussieht, aber ein riesiger Grill werden soll.

kleiner Argentinischer Grill

Im Parador an der Straße können wir im WIFI am Blog schreiben und abends auch essen.

Als wir zum Abendessen ins Haupthaus hinübergehen herrscht draußen eine einmalige Geräuschkulisse:

Viktor isst „Cabrito“ (Zicklein mit Reis) und Jutta Bandnudeln mit Tomatensoße. Beides ist erstaunlich gut gelungen. In Rezensionen hatten wir gelesen, dass die hier nur Empanadas „können“. Die neuen Besitzer haben auch hier offenbar einen Qualitätssprung erreicht. Viktor gönnt sich zum Nachtisch noch eine regionale Spezialität: Ziegenkäse mit Kürbismarmelade, Walnüssen und Zuckerrohrsirup. Dieser Käse hat heute wenigstens mal ein bisschen Aroma und geht nicht völlig in der Kürbismarmelade und dem Zuckerrohrsirup unter, wie die Varianten die Viktor bisher in der Region gekostet hat. Der sonst in der Provinz Salta übliche frische Käse (Quesillo) aus langweiliger Kuhmilch hat da einfach keine Chance.

Donnerstag 5.12.24 – (130) – La Viña (Parador Posta de Las Cabras) – Cafayate

Gesamt: 8.109,71km 1124m bergauf

Da wir auf der Strecke heute nicht viel Verpflegungsmöglichkeiten erwarten, entscheiden wir uns für das Frühstück im Parador. Es ist sogar inkludiert, besteht aber nur aus einem Tee und zwei kleinen Croissants.

Der junge Betreiber des Restaurants und der Herberge hatte uns gestern Abend erklärt, dass die Grillen und Zikaden nach nur einer lauten Nacht sterben und morgens auf der Wiese liegen. Es seien auch nur so 20 – 30 Stück, die diesen Radau zustande bekommen. Bevor wir abfahren, schauen wir uns auf der Wiese um, finden aber nichts. Da ruft uns der junge Mann heran und zeigt uns ein paar. Ein Coyuyo lebt sogar noch (Facebook-Link):

Coyuyo

Das Streckenprofil hat es heute in sich. Wir müssen über 1.000 Höhenmeter bewältigen und genau 90 Kilometer schaffen. Auf den ersten 20 Kilometern ist Viktor schon richtig genervt. Die Landschaft ist zwar wirklich schön, aber der erwartete gleichmäßige Anstieg stellt sich als Wunschvorstellung heraus. Ständig geht es entweder im 1. -4. Gang bergauf oder im 10. – 14. Gang bergab. Leichte Anstiege gibt es kaum, Viktor schaltet sich die Seele aus dem Leib. Wenn wir heute mit Kettenschaltung unterwegs gewesen wären statt mit unser Rohloff Speedhub … vermutlich wäre das Tandem schon früh wütend in den Straßengraben geworfen worden (lieben Gruß an Kathrin).

Am wirklich schönen Bahnhofsrestaurant von Alemania fahren wir vorbei, weil es einfach zu zeitig ist. Danach nehmen wir alle Möglichkeiten zum Einkehren wahr, die es gibt: 1. auf dem Peak kurz hinter km 20 bei einem älteren Herren, der noch eine Cola, eine Sprite und sonst Fanta anzubieten hat, 2. an dem „Rachen des Teufels“ genannten Aussichtspunkt, an dem wir ein Deutsch/Schweizerisches Paar treffen und uns mit denen etwas austauschen, 3. an einem Parador nach gut 50 km, der ausschließlich Cola hat, 4. an einem kleinen Laden, wo wir Brot und Ziegenkäse sowie Pomelowasser bekommen können – endlich! und dann kurz vor dem Ziel 5. an einer Tankstelle schon in Cafayate, wo wir uns im klimatisierten Geschäftsraum einmal abkühlen können.

Bis etwa 15km vor Cafayate fahren wir den gesamten Tag auf der szenischen Straße durch die Quebrada de las Conchas. So schön es hier auch ist – wieder einmal ist das Fahrrad ein etwas zu langsames Verkehrsmittel – zumindest in den Steigungen. Jutta meint irgendwann, dass man die Schönheiten an der heutigen Strecke auch gut in der halben Zeit hätte genießen können. Viktors Antwort: “Kein Problem … dann müssen wir nur doppelt so schnell fahren.” 😉

Wir kommen kurz nach vier im Hotel an. Nach dem Duschen geht Viktor, obwohl wir beide ziemlich platt sind, noch in eine Bodega (Nanni) fast nebenan zur Führung und Weinprobe. Die Weine hier in der Region Cafayate gelten als die kräftigsten in Argentinien, weil sie eine sehr dicke Schale entwickeln und dadurch viele Tannine enthalten. Das kommt Viktor sehr entgegen und die Weinprobe ist tatsächlich ganz nach seinem Geschmack.

Die Bodega Nanni betreibt auch ein Restaurant, in dem wir dann später auch zu Abend essen. Viktor isst ein Getreiderisotto mit Pilzen und Malbeq-Rotweinsauce. Sehr interessant.

Freitag 6.12.24 – (131) – Cafayate – Santa Maria de Yocavil

Gesamt: 8.188,25 km

Heute gibt es ein Frühstücksbuffet und Viktor kann ausreichend Kohlenhydrate für den Radfahrtag zu sich nehmen – das rationierte Frühstück gestern war wohl ein entscheidender Grund, warum es ihm gestern so schwer fiel. Während des Frühstücks fliegt eine Libelle immer weider von innen gegen die Fenster. Mithilfe einer Mitarbeiterin des Hotels, die sie einfach bei den Flügeln packt, retten wir sie nach draußen und sie fliegt munter davon.

Im Innenhof des Hotels hat ein Künstler „Los Duendes del Capac Yac“ (Capac Yac = Cafayate) dargestellt, die nach einer Legende hier in den Bergen leben. Je nach Übersetzung handelt es sich um Butzemänner, Heinzelmännchen, Wichtel, Irrwische, Kobolde oder Gespenster.

Um acht Uhr kommen wir los, und die Stadt ist fast sofort schon wieder zu Ende, der Weinanbau und die Bodegas ziehen sich aber noch lange hin.

An einer Bodega sitzen zwei Bikepacker, die gerade ihr Frühstück beendet haben. Wir fahren eine ganze Weile mit ihnen zusammen weiter: Marta aus Barcelona fährt schon seit Januar durch Südamerika und wird z.Z. begleitet von Kuky, den sie in einem Hostel in La Rioja kennengelernt hat und der dort Paragliding-Kurse anbietet.

Marta rät uns, doch lieber von Mendoza nach Santiago de Chile zu radeln, denn der Rest der Strecke von hier bis Mendoza sei nicht mehr so toll. Außerdem seien einige längere Wüstenabschnitte dabei. Oh Gott! Wüste! Da hat sie genau das richtige Wort fallengelassen.

Auch für den letzten Abschnitt unserer Tour hat Marta einen Ratschlag parat. Wir sollen lieber nicht – wie derzeit geplant – von Valparaiso nach Puerto Montt radeln. Stattdessen rät sie uns zum ersten (asphaltierten) Teil der Carretera de Austral ab Puerto Montt. Die sei landschaftlich viel schöner.

Kurz nach einer weiteren gemeinsamen Pause im Schatten trennen sich unsere Wege, denn Marta und Kuky verlassen die Ruta 40.

Nach 25 km wechseln wir von der Provinz Salta in die Provinz Tucuman, nach 62 km dann nach Catamarca – drei Provinzen an einem Tag.

Nach ca. 30 km machen wir eine Trinkpause – obwohl der Laden von Frühstück bis Abendessen alles anbietet, gibt es hier keinen Kaffee. Also wieder mal Gaseosas – Cola, Fanta, Sprite und Co. Gegenüber werden an einer Grundschule gerade lauthals die Fünftklässler in die weiterführende Schule verabschiedet, incl. Nationalhymne.

Kurz darauf bemerkt Viktor, dass er seinen Geldgürtel im Hotelzimmer vergessen hat – mit Reisepass und Kreditkarten. Zurückfahren kommt nicht in Frage, das wären knapp 70 Extrakilometer. Also beschließen wir, das Hotel zu bitten, uns die Riñonera (Nierengurt) an ein zukünftiges Hotel (in Mendoza) zu schicken, wozu sie sich auch sofort bereit erklären. Der Reisepass taucht dann doch noch in einer anderen Tasche auf – es fehlt uns also bis Mendoza nur eine Kreditkarte.

Heute hat der Hersteller unseres Tandems, die Firma HASE-Bikes, endgültig per E-Mail abgesagt und es abgelehnt, uns einen neuen Kurbelsatz nach Santiago de Chile zu senden. Alle Gespräche, die Viktor vor dem Kauf des Tandems mit einem Mitarbeiter von HASE geführt hatte, in denen uns jegliche Unterstützung zugesagt wurde, stellen sich nun als vergebene Liebesmüh heraus. Im Ernstfall müssen wir selbst eine Lösung finden, wie wir die Ersatzteile nach Südamerika bekommen. Oder wir müssen es wagen, mit dem verbogenen Pedal und dem zurechtgebogenen Kettenblatt weiterzufahren. Unter Last macht die Kette bergauf aber schon einige unschöne Knack- und Ratter-Geräusche, so dass wir das eigentlich auf alle Fälle vermeiden wollen.

Unser Zielort Santa Maria ist ein eher verschlafenes Örtchen, aber immerhin gibt es einen Supermarkt (Valhalla). In unserem Hotel hat laut Registrationsliste letztmals am 2.12. jemand eingecheckt.
Wir sind immer noch so kaputt von gestern, dass wir für morgen nur knappe 35 Kilometer planen und irgendwo im Nirgendwo in einem Parador ohne Restaurant übernachten werden, um nicht 120 km an einem Tag fahren zu müssen. Wir kaufen erstmals größere Mengen Wasser, Toastbrot und Thunfischsalat in Dosen, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein.

Samstag 7.12.24 – (132) – Santa Maria de Yocavil – Punta de Balasto

Gesamt: 8.221,24 km

Unser Hotel befindet sich noch im absoluten Vorsaison-Modus (oder Post-Pandemie-Modus) und ist auch schon etwas in die Jahre gekommen. Als es gebaut wurde, war diese hochmoderne Po-Dusche sicher ein Luxus.

Im Frühstücksraum entdeckt Viktor sofort die alten Flipper und Arcade-Konsolen. Eine davon funktioniert sogar noch und Viktor muss sie natürlich ausprobieren.

Zum Frühstück um 8 Uhr gibt es zwar kein Rührei, aber mit Toast, Croissant und bunten Kellogs-Fruit-Loops kriegen wir Viktors Kohlenhydratspeicher heute morgen trotzdem wieder aufgefüllt.

Wir frühstücken spät (aber für dieses Hotel trotzdem frühestmöglich), da wir nur eine kurze Etappe geplant haben, um die morgigen 117 Kilometer auf erträgliche 80 zu reduzieren.

Um neun fahren wir los, heute mit großen Wasservorräten zusätzlich in den Taschen. Das verschlafene Örtchen Santa Maria zieht sich noch recht lange hin, anschließend beginnt gleich San José. Städtisch ist hier aber gar nichts: alle paar Meter steht ein kleines Haus, ansonsten gibt es nichts, was eine menschliche Siedlung sonst so ausmacht.

Nachdem wir vorgestern den ganzen Tag Zikaden, Grillen und Frösche/Kröten hören konnten, sind es gestern und auch heute eher viele Vögel. Die meisten können wir wirklich nur hören, seltener auch sehen.

Außerdem krabbeln ganz lustige schwarze Käfer über die Straße, die fast aufrecht zu gehen scheinen. Vor zwei, drei Tagen waren es eher Zentipoden, die zu Tausenden die Straße queren wollten.

Auch heute fahren wir durch viele „Badenes“ (Furten), vor deren Durchfahrt bei steigendem Pegel gewarnt wird. Bei der jetztigen Trockenheit kann man sich kaum vorstellen, dass dort (manchmal alle paar Meter) überall Wasser durchfließt, aber als wir in „Casa de Piedra“ eine Pause machen, wird uns genau das bestätigt. Wenn es regnet – und sie warten gerade sehnsüchtig auf die Regenzeit – kommt mit Steinen und Erde gemischtes Wasser dort heruntergerauscht, da könnten wir mit einem Rad dann nicht durchfahren. Beim letzten Regen ist ein Mann verunglückt, der seinen Lieferwagen aus den Fluten retten wollte.

Die Pause machen wir an einem Haus, an dem „Reposteria“ und „Dulceria“ auf einem kleinen Zettel angeschlagen ist. Die Dame ist bereit, uns zwei Kaffee und einen kleinen Kuchen zu servieren. Wir warten draußen mehr als eine halbe Stunde und beschäftigen uns etwas mit der Tochter „Lupe“ (Guadalupe) und dem Hund, bevor sie uns ins Haus bittet: sie hat in der Zwischenzeit eine „kleine“ Kiwitarte frisch gemacht und zwei große Tassen mit Kaffee, die wir an deren Esstisch verzehren dürfen. Und bezahlen sollen wir dann nur die Tarte (3.000 Pesos = 3 €, richtig wenig), den Kaffee will sie uns schenken.

Von dort sind es nur noch 12 km bis zu unserer Unterkunft, die wir schon um kurz nach eins erreichen.

Die Betreiberin steckt den Stecker des Wasserboilers der Gemeinschaftsdusche ein und Jutta duscht eine Stunde später – kalt – denn die letzten Gäste haben offenbar den Netzschalter des Boilers ausgeschaltet. Das macht die Betreiberin nie. Als Viktor an der Reihe ist, kontrolliert er nochmal alles und findet den Netzschalter unter dem Boiler.

Den Rest des Tages verbringen wir mit Regeneration, Lesen, Blog-Schreiben, WhatsApp mit der Familie, u.a. zur Ersatzteilorganisation, und mit der Unterkunftssuche für die nächsten Tage.

Ein Restaurant gibt es hier nirgendwo, also werden wir uns Toastbrot mit Käse und Mortadella aus dem Kiosk der Betreiberin zum Abendbrot essen … und zum Frühstück wohl auch.

Am späten Nachmittag wird es ziemlich stürmisch und wir denken zunächst, dass Nebel aufzieht, tatsächlich ist es aber Sandstaub, der in der Luft liegt. Bei so einem Wetter möchten wir auch nicht mit dem Tandem unterwegs sein. Also wollen wir morgen richtig früh aus den Federn, um vor dem nachmittäglichen Wind am Ziel zu sein.

Abends um halb acht ist auch hier einmal wieder Stromausfall. Die Sonne ist gerade untergegangen, und so ist es dunkel, wir haben kein WIFI und unsere Elektrogeräte werden nicht geladen. Gehen wir also früh in unseren ziemlich schmalen Betten schlafen.

Sonntag 8.12.24 – (133) – Punta de Balasto – Hualfín

Gesamt: 8.301,86 km

Um fünf – es ist noch dunkel – klingelt der Wecker. Mit Handy-Taschenlampe suchen wir das Bad auf, so schwarz ist die Nacht noch. Der Sandsturm gestern hat alles mit einer feinen Schicht Sand überzogen, selbst alles in unserem Zimmer (das aufliegende Wellblechdach lässt viele kleine Lücken…).

Feinster Sand all-überall (hier auf dem Brillen-Etui) – da freut sich die Fahrradkette

In der kleinen Küche können wir uns Tee kochen und Brot mit dem Aufschnitt von gestern essen. Viktors Gatorade-Flaschen sind zu Eisblöcken gefroren, sie lagen ganz oben im Kühlschrank.

Bis wir loskommen, ist es sieben Uhr. Erst fahren wir zwischen zwei Bergketten, die nach vorne auszulaufen scheinen. Dann geht es auf eine Hochebene hinauf, auf der wir sehr lange und sehr geradeaus fahren. Es ist schon so eine Art Wüste, allerdings mit etwas bodennahem Bewuchs, was im Vergleich zu ausschließlich Sand viel netter ist. Und hier liegt ja auch kein Müll am Straßenrand, was noch einmal netter ist! Jedenfalls finden wir es weniger schlimm als die Wüsten in Peru. Es mag auch daran liegen, dass uns hier keine agressiven Autofahrer überholen oder anhupen. Es ist Sonntag und es ist kaum Verkehr. Hier ist das aber vermutlich an jedem Wochentag so.

Auf den 80 Kilometern auf der Ruta 40 kommen uns heute insgesamt nur 33 Autos entgegen, und nur elf überholen uns (das hängt sicher damit zusammen, dass wir selber soooo schnell fahren ;-)). Na ja, sieben von denen sind Motorradfahrer, keine Autos, und zwei LKW! Da brauchen wir heute wenig acht darauf zu geben und können sie sogar zählen! Umso mehr können wir auf die unzähligen Schafe, Ziegen, Esel, Rinder und Vögel in der Umgebung achten und uns daran erfreuen.

Nach gut 25 km denken wir an die erste Pause, wollen aber einen geeigneten Ort abwarten. Bei km 38 steht ein Baum, den wir uns schon aus der Ferne ausgeguckt haben, und dort steht auch ein Gebäude mit der Aufschrift „Kiosko“. Leider ist dieser Kiosk ziemlich verlassen. Immerhin gibt es ein Mäuerchen zum Hinsetzen, und wir machen eine Obst- und Nusspause aus dem Vorrat.

Gegen Ende der Hochebene haben wir noch angenehmen Rückenwind, der uns ein wenig schiebt. Für kurze Zeit sind wir so schnell wie eine Wolke:

Nach der Hochebene geht es eine Weile schön bergab. Schon um elf beginnt leider wieder ein starker Gegenwind, und so fahren wir in Nacimiento in den Ort ab, weil es dort (ebenfalls) einen Kiosko geben soll, um eventuell einen Kaffee zu bekommen. Am besagten Haus ist ein Fenster mit einem „Abierto“-Schild und ein Cola-Plakat, wir halten also und sprechen den Herrn an, der gerade von hinten kommt. Er lacht und sagt, dass hier schon lange kein Kiosk mehr sei. Aber schräg gegenüber wäre einer. Wir lassen das Tandem dort stehen und gehen nach schräg gegenüber – ein Haus ohne jegliche Beschriftung.

Dort kommt ebenfalls ein Herr von hinten, der uns auf unsere Nachfrage bestätigt, dass sie ein Kiosk seien und auch Kaffee hätten. Allerdings verneint das dann die dazugeholte Frau, die wohl für den Kaffee zuständig wäre – sie hätte nur Gaseosas! Die wollen wir nicht, aber wir dürfen uns dennoch auf den Palettensitzen in die Sonne setzen. Diesmal gibt es Brot mit Erdnussbutter bzw. Cracker zum Snacken.

Unser sonniger Pausenplatz am „Kiosk“

Von hier sind es nur noch knappe 15 km bis Hulafín. Um in den Ort zu kommen, müssen wir irgendwo zwischen Felsen links abbiegen, auf einer tadellosen T-Kreuzung. Und ein paar Meter weiter endet der Asphalt, weiter geht es auf schlechtem Schotter und Sandpiste. Und das ist die alte Ruta 40, es stehen sogar noch entsprechende Schilder am Straßenrand. Erst als irgendwann die Bebauung beginnt, wird die Straße wieder besser.

Schon um 13 Uhr kommen wir an der Städtischen Hosteria an und bekommen sofort unser Zimmer. Auch hier gab es einen Stromausfall, und das Internet funktioniert schon den ganzen Tag nicht. So müssen wir nach dem Duschen und einem leichten Mittagessen für Viktor (Gnocchis in der Herberge) ohne GoogleMaps den Weg zur hiesigen Bodega – einer der wenigen Sehenswürdigkeiten – finden … ganz ungewohnt.

Aber trotz mehrfach notwendigen Abbiegens und nachdem wir durch das ziemliche breite, ausgetrocknete Flussbett gelaufen sind, das den Ort in zwei Teile trennt (der Sand landet wahrscheinlich irgendwann an der Nordsee, so sieht er zumindest aus 😉 ) finden wir die Bodega Hualfín. Wie es sich herausstellt, ist diese Weinkellerei wie unsere Herberge auch in städtischem Besitz. Finanziert wurden beide aus den Steuereinnahmen der Minengesellschaft, an deren Flugplatz wir heute vorbeigefahren sind. Hier gibt es mehrere kleine Weinbauern, die ihre Trauben hier in der städtischen Kellerei verarbeiten lassen können. Wir bekommen eine kleine Tour und Viktor macht auch eine Weinprobe der vier verschiedenen angebotenen Weine.

Nach der Rückkehr in die Herberge ist das Internet wieder da und wir beschäftigen uns mit dem Blog und anderen Dingen, bis es endlich 20 Uhr ist und das Abendessen in der Herberge beginnt. Als wir vorne am Restaurant ankommen, hängt ein Zettel am Kühlschrank, der uns mitteilt, dass es heute kein Abendessen gibt 🙁 . Viktors halbe Flasche Bier von heute Mittag ist auch hinter einem Schloss am Kühlschrank unerreichbar. Wir fragen an der Rezeption, die nichts von der Schließung weiss. Restaurant und Herberge sind voneinander unabhängig. Immerhin kommen die Restaurantbetreiber und schließen den Kühlschrank zum halben Bier auf, aber Essen kochen werden sie heute nicht mehr (davon war am frühen Nachmittag noch keine Rede … aber wir mögen es ja spontan 😉 ).

Daraufhin landen wir zwei Straßenblöcke entfernt im Comedor Valentina, wo die Rezeptionistin von heute Mittag abends hobbymäßig arbeitet, und essen dort Milanesa Napolitana bzw. Pommes mit Salat. Es ist fast 22 Uhr, als wir von dort zurück sind. Wir hoffen nun, dass das Frühstück um 8 Uhr nicht ebenfalls einer spontanen Eingebung zum Opfer fällt, denn eine Alternative wird sich in diesem Örtchen nur schwer finden lassen und unterwegs gibt es morgen nach genau 16,2 km ein Café … falls das noch existiert und geöffnet hat … danach bis zum Etappenziel wieder keine weiteren Verpflegungsmöglichkeiten.

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