Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Woche 36 (2.12.24 – 8.12.24) Salta – Hualfín

Montag 2.12.24 – Salta

Da Jutta seit einigen Wochen das Gefühl hat, nicht richtig tief einatmen zu können und man es inzwischen nicht mehr auf die dünne Luft in der Höhe der Anden schieben kann, wollen wir die Großstadt Salta nutzen und es abklären lassen. Deshalb finden wir uns gleich um kurz nach acht an einer Privatklinik (Tres Cerritos) ein. Viktor will nach langjähriger Tätigkeit in der Gynäkologie als Erstes einmal ein aufs Zwerchfell drückendes Myom ausgeschlossen haben – also ein Gyn-Ultraschall machen lassen. An der Anmeldung muss erst in bar bezahlt werden, sonst läuft hier gar nichts. Also läuft Viktor zurück zum Hotel, um die letzten Bargeldreserven zu holen. Das Unterleibs-Ultraschall können wir schon einmal bezahlen, und dann kommen wir auch sehr bald an die Reihe. Da der Gynäkologe vom Unterleib her kein Problem entdecken kann, dafür aber einen Leistenbruch vermutet, macht er noch ein Weichteil-Ultraschall, zum Ausschluss einer Hernie (Leistenbruch), ebenfalls ohne etwas zu finden. Um diese zweite Ultraschalluntersuchung im Anschluss zahlen zu können, muss Viktor noch einmal los, dieses Mal, um U.S.Dollar zu tauschen. An der dritten Anlaufstelle klappt es (zu keinem besonders guten Kurs, weil wir nur 20$-Scheine haben, keine 100$). Jetzt können wir auch noch den Allgemeinmediziner bezahlen, der Jutta untersucht und meint, es wäre wahrscheinlich eine Atemwegs- oder Lungen-Infektion. Er hört aber auch besorgniserregende Darmbewegungen und erwähnt irgendwas von Salmonellen-Infektionen, die hier recht häufig seinen. Sie soll drei Tage einen Protonenpumpenhemmer und ein Spasmolytikum schlucken (fragt sich allerdings, warum) und sowohl zur Blutabnahme als auch zum Thorax-Röntgen. Das Blut wird mit Terumo-Nadeln von Viktors Arbeitgeber mühelos abgenommen, zum Röntgen müssen wir woanders hin. Dort kommt Jutta auch sehr schnell dran – die Bilder sollen wir nach kurzer Zeit selber digital abrufen können und dem Allgemeinmediziner schicken. Dummerweise hat die Röntgenpraxis die Passnummer, die ja aus einer Buchstaben/Zahlen-Kombination besteht, zur Identifikation genutzt, und das Online-Formular zum Abrufen der Bilder akzeptiert nur Ziffern. Es dauert also eine ganze Zeit, ehe dieses Problem gelöst ist. Über eine WhatsApp-Gruppe mit beiden Ärzten erhalten wir irgendwann einen QR-Code, der die Passnummer gleich in die URL einbaut und uns endlich Zugang zu den Röntgenbildern gibt. Auf den Röntgenbildern bestätigt sich die Vermutung einer verschleppten Influenza-B- oder COVID-19-Infektion. Nun müssen noch die Laborwerte morgen abgewartet werden.

Inzwischen ist es so spät, dass wir eigentlich im Hotel auschecken müssten, stattdessen verlängern wir eine Nacht und wollen danach einen neuen Bargeld-Versuch mit Western Union starten und unsere Wäsche abholen. An der ersten WU-Stelle können sie uns eine Million Pesos in 1000-er Scheinen (entspricht 1€) anbieten, das wäre eine gesamte Radtasche voll Geldscheinen. An der zweiten haben sie größere 10.000-Pesos-Scheine (entspricht 10€ … größere Scheine existieren in Argentinien derzeit wohl nicht). Wir wollen im Bixi-Coffee-House gegenüber eine Kaffeepause machen und dort die passende Geldüberweisung per WU-App tätigen. Der Überweisungs-Versuch von Jutta am vergangenen Freitag in der Stadt Jujuy scheint aufgrund des nicht übereinstimmenden Namens (Kontoinhaberin Jutta Makowski, WU-App-Login Viktor Makowski) fehlgeschlagen zu sein, also wird Viktor heute eine Sofortüberweisung von seinem Konto versuchen.

Während er am Kämpfen ist – immer wieder muss er sich mit Fotos des Personalausweises identifizieren – kommt eine Deutsche an unseren Tisch: sie fragt, ob wir eine Lösung hätten, hier in Argentinien an Bargeld zu kommen. Und schon haben wir ein Thema! Sie (Kinderärztin aus München) und ihr Mann waren schon in Chile, wo sie leicht an Geld gekommen sind, und seit drei Tagen in Argentinien haben sie Probleme und die Hoffnung, hier in Salta erfolgreich zu sein. Während Viktor immer wieder versucht, das Geld in der App flüssig zu bekommen, holt Jutta sowohl Viktors Pass aus dem Hotel (wird mit zusätzlicher Passkopie benötigt, um das Geld bei WU ausgezahlt zu bekommen) als auch die Wäsche aus der Wäscherei ab.

Irgendwann gegen 15 Uhr gehen wir genervt ins Hotel zurück, um die Zeit anderweitig zu nutzen. Die WU-App will einfach keinen grünen „Verfügbar“-Punkt anzeigen.


Auf dem Platz vor dem Hotel sehen wir noch einmal das Münchener Paar und können noch keinen Bargeld-Erfolg melden. Als Kinderärztin berührt sie Juttas Arm, erfühlt eine erhöhte Temperatur und verordnet einige Tage Ruhe (inwischen haben wir auch die Nachricht vom Arzt, dass es nach einer Infektion in der Lunge aussieht). Viktor geht mit dem Paar noch kurz ins Parkhaus und zeigt ihnen unser Tandem, für das sie sich interessiert hatten.

Im Hotelzimmer angekommen dauert es jetzt nicht mehr lange, bis das Geld bei Western Union dann doch verfügbar ist, und so gehen wir wieder in die Niederlassung, werden schlagartig zu Pesos-Millionären und haben jetzt endlich Bargeld für mehr als nur ein paar Tage.

Ich wär so gerne Millionär …

Am weiteren Nachmittag besuchen wir noch die San Francisco Kirche und die Kathedrale Basilika (beim vierten Anlauf klappt es – kein Gottesdienst und nicht geschlossen) und suchen einen Laden, wo wir Juttas in irgend einer Wäsche verloren gegangenes Unter-Funktionsshirt ersetzen können – erfolgreich! Viktor geht noch kurz in eine Apotheke, um seine Blutdruck-Messung der Smartwatch neu zu kalibrieren und hochdosiertes Vitamin C für Jutta zu kaufen.

Nach einer kurzen Erholungszeit im Hotel geht es zum Patio de San Francisco zum Abendessen. Hinter dem Tresen steht ein Franziskaner Weissbier neben einem Franziskaner-Mönch auf dem Regal. Viktor bekommt sie sogar heruntergeholt für ein Foto.

Dienstag 3.12.24 – Salta

Wir schlafen aus und verbringen dann den Vormittag mit Ergänzungen am Blog und an unserer Routendokumentation bei Google MyMaps. Im Beitrag der vergangenen Woche sind jetzt noch ein paar Videos hinzugekommen, es könnte sich also lohnen, nochmal reinzuschauen.

Zu halb eins gehen wir noch einmal zu den „Tres Cerritos“, die Blutwerte und deren Auswertung abholen. Der Arzt von gestern ist erst Donnerstag wieder da, aber wir können auf einen anderen warten. Dieses Warten dauert eineinhalb Stunden, dabei sind nur zwei Patienten vor Jutta dran. Die Ärzte hier scheinen sich nicht kaputt zu arbeiten… . Die gestern prognostitierte Entzündung wird von dem Arzt heute nicht bestätigt, er geht von Luft über dem Zwerchfell aus, die der Lunge nicht ausreichend Platz lässt. Zwei Ärzte, zwei Meinungen! Aber da Jutta sich ja auch nicht krank fühlt, glauben wir mal diese Diagnose und fahren morgen weiter.

Es ist fast halb drei, als wir auf dem Rückweg im Café Martinez Kaffee trinken, wo es für Radfahrende 10% Rabatt gibt. Es scheint eine Argentinische Kette zu sein, die beim Nachschauen allerdings nur in einigen Gegenden verbreitet ist, nicht so flächendeckend wir z.B. Juan Valdez in Kolumbien.

Den weiteren Nachmittag nutzen wir im Salon sitzend zum Schneiden von Videos, was richtig Zeit braucht. Abends gehen wir schräg gegenüber noch einmal ganz nett essen – Jutta hat gefüllten Butternut-Kürbis, der von einem Paar aus den Niederlanden bewundert wird und fast wie zuhause schmeckt. Anschließend packen wir schon einmal wieder die Taschen, um morgen früh zeitig wegzukommen.

Mittwoch 4.12.24 – (129) – Salta – La Viña (Parador Posta de Las Cabras)

Gesamt: 8.019,61 km

Wir stehen das erste Mal wieder früh auf und sind um 6:15 Uhr die ersten beim Frühstück. Die Frühstücksfrau bekommt eine Flasche Wasser von uns geschenkt, denn wir haben gestern Abend wieder einmal versehentlich Sprudelwasser gekauft. Um sieben sitzen wir auf dem Tandem. Es geht sehr schnell auf die Straße, die als RN68 aus Salta Richtung Süden herausgeht. An einer Tankstelle besorgen wir stilles Wasser und Gatorade, und weiter geht es. Die Straße (immer noch innerorts) ist ziemlich schlecht, so dass wir langsam vorankommen, obwohl der Verkehr sich in Grenzen hält.

Die städtische Gegend hört erst nach 20 Kilometern auf, und da haben wir auch schon den ersten „Berg“ geschafft. Die Straße wird besser, die Natur schöner. Heute fahren wir an etlichen Tabakfelden vorbei, später auch an Wein, es ist nicht spektakulär, aber ganz nett. Die Straße liegt leider die ganze Zeit in der Sonne, aber heiß wird es erst nachmittags.

Nach 38 km sind wir in El Carril und halten an der YPF Tankstelle. In deren Café FULL bekommen wir guten Kaffee und Gebäck von netten Damen dort. Gut gestärkt fahren wir weiter, immer Richtung Süden. Und es fällt auf, dass uns sämtliche LKW-, Bus- und Autofahrer mit sehr großem Abstand überholen, und wenn die Gegenfahrbahn nicht frei ist, hinter uns abbremsen, bis sie überholen können. Das tut so gut nach dem Spießrutenfahren in Peru!

Kurz vor Coronel Moldes, wir haben 65 km hinter uns, liegt rechts an einem kleinen Bach der Comedor El Osmeño. Zwei Schwestern, die unserer Meinung nach eigentlich in die Schule gehörten, bedienen die Gäste – wir bekommen 1,5l Cola, deren Rest wir einer vierköpfigen Familie weitergeben.

Nach 79,99 km halten wir schon wieder, um unsere 8000 gefahrenen Gesamtkilometer auf Fotos festzuhalten.

Die Stelle wimmelt von (Tiger-?) Mücken und ist in der prallen Sonne, deshalb fahren wir sofort weiter und halten noch einmal an einer Tankstelle in La Viña, nur ca. 10 km vor unserer reservierten Unterkunft in Talapampa, weil es noch so zeitig ist und wir uns erst ab drei Uhr angemeldet haben. Während wir dort ein Eis schlecken, bekommt Viktor von der Hospedaje eine WhatsApp-Nachricht, dass sie ein Problem mit den Wasserleitungen haben und heute keine Zimmer vermieten können. Super, wir haben extra vorher angefragt, weil es in dieser Gegend keine wirklichen Alternativen gibt! Ein paar Kilometer weiter, in Alemania, gibt es einen Platz zum Campen, allerdings ohne Sanitäranlagen, außer einem nahegelegenen Fluss… . Die Tankstellenshop-Bedienung weiß von einem Ort, an dem früher eine Freundin gearbeitet hat, wo es ein Zimmer geben soll. Sie kontaktiert ihre Freundin und bekommt die Bestätigung für das Zimmer. Leider können wir uns nicht dort anmelden, denn die neuen Betreiber haben auch eine neue Telefonnummer.

Okay, wir wollen bis dorthin fahren, und wenn das nicht klappt, notfalls in Alemania wild campen. Nach 99,6 gefahrenen Kilometern kommen wir am Parador de Las Cabras an und haben Glück: vor einem Monat haben neue Betreiber diesen Parador sehr heruntergekommen übernommen, und im rustikalen Zimmer oben am Hügel finden sich keine Mäuse o.ä., wie wir in Rezensionen aus Dezember 2023 auf iOverlander gelesen haben. Einige Männer bauen gerade etwas, das wie ein Haus aussieht, aber ein riesiger Grill werden soll.

kleiner Argentinischer Grill

Im Parador an der Straße können wir im WIFI am Blog schreiben und abends auch essen.

Als wir zum Abendessen ins Haupthaus hinübergehen herrscht draußen eine einmalige Geräuschkulisse:

Viktor isst „Cabrito“ (Zicklein mit Reis) und Jutta Bandnudeln mit Tomatensoße. Beides ist erstaunlich gut gelungen. In Rezensionen hatten wir gelesen, dass die hier nur Empanadas „können“. Die neuen Besitzer haben auch hier offenbar einen Qualitätssprung erreicht. Viktor gönnt sich zum Nachtisch noch eine regionale Spezialität: Ziegenkäse mit Kürbismarmelade, Walnüssen und Zuckerrohrsirup. Dieser Käse hat heute wenigstens mal ein bisschen Aroma und geht nicht völlig in der Kürbismarmelade und dem Zuckerrohrsirup unter, wie die Varianten die Viktor bisher in der Region gekostet hat. Der sonst in der Provinz Salta übliche frische Käse (Quesillo) aus langweiliger Kuhmilch hat da einfach keine Chance.

Donnerstag 5.12.24 – (130) – La Viña (Parador Posta de Las Cabras) – Cafayate

Gesamt: 8.109,71km 1124m bergauf

Da wir auf der Strecke heute nicht viel Verpflegungsmöglichkeiten erwarten, entscheiden wir uns für das Frühstück im Parador. Es ist sogar inkludiert, besteht aber nur aus einem Tee und zwei kleinen Croissants.

Der junge Betreiber des Restaurants und der Herberge hatte uns gestern Abend erklärt, dass die Grillen und Zikaden nach nur einer lauten Nacht sterben und morgens auf der Wiese liegen. Es seien auch nur so 20 – 30 Stück, die diesen Radau zustande bekommen. Bevor wir abfahren, schauen wir uns auf der Wiese um, finden aber nichts. Da ruft uns der junge Mann heran und zeigt uns ein paar. Ein Coyuyo lebt sogar noch (Facebook-Link):

Coyuyo

Das Streckenprofil hat es heute in sich. Wir müssen über 1.000 Höhenmeter bewältigen und genau 90 Kilometer schaffen. Auf den ersten 20 Kilometern ist Viktor schon richtig genervt. Die Landschaft ist zwar wirklich schön, aber der erwartete gleichmäßige Anstieg stellt sich als Wunschvorstellung heraus. Ständig geht es entweder im 1. -4. Gang bergauf oder im 10. – 14. Gang bergab. Leichte Anstiege gibt es kaum, Viktor schaltet sich die Seele aus dem Leib. Wenn wir heute mit Kettenschaltung unterwegs gewesen wären statt mit unser Rohloff Speedhub … vermutlich wäre das Tandem schon früh wütend in den Straßengraben geworfen worden (lieben Gruß an Kathrin).

Am wirklich schönen Bahnhofsrestaurant von Alemania fahren wir vorbei, weil es einfach zu zeitig ist. Danach nehmen wir alle Möglichkeiten zum Einkehren wahr, die es gibt: 1. auf dem Peak kurz hinter km 20 bei einem älteren Herren, der noch eine Cola, eine Sprite und sonst Fanta anzubieten hat, 2. an dem „Rachen des Teufels“ genannten Aussichtspunkt, an dem wir ein Deutsch/Schweizerisches Paar treffen und uns mit denen etwas austauschen, 3. an einem Parador nach gut 50 km, der ausschließlich Cola hat, 4. an einem kleinen Laden, wo wir Brot und Ziegenkäse sowie Pomelowasser bekommen können – endlich! und dann kurz vor dem Ziel 5. an einer Tankstelle schon in Cafayate, wo wir uns im klimatisierten Geschäftsraum einmal abkühlen können.

Bis etwa 15km vor Cafayate fahren wir den gesamten Tag auf der szenischen Straße durch die Quebrada de las Conchas. So schön es hier auch ist – wieder einmal ist das Fahrrad ein etwas zu langsames Verkehrsmittel – zumindest in den Steigungen. Jutta meint irgendwann, dass man die Schönheiten an der heutigen Strecke auch gut in der halben Zeit hätte genießen können. Viktors Antwort: “Kein Problem … dann müssen wir nur doppelt so schnell fahren.” 😉

Wir kommen kurz nach vier im Hotel an. Nach dem Duschen geht Viktor, obwohl wir beide ziemlich platt sind, noch in eine Bodega (Nanni) fast nebenan zur Führung und Weinprobe. Die Weine hier in der Region Cafayate gelten als die kräftigsten in Argentinien, weil sie eine sehr dicke Schale entwickeln und dadurch viele Tannine enthalten. Das kommt Viktor sehr entgegen und die Weinprobe ist tatsächlich ganz nach seinem Geschmack.

Die Bodega Nanni betreibt auch ein Restaurant, in dem wir dann später auch zu Abend essen. Viktor isst ein Getreiderisotto mit Pilzen und Malbeq-Rotweinsauce. Sehr interessant.

Freitag 6.12.24 – (131) – Cafayate – Santa Maria de Yocavil

Gesamt: 8.188,25 km

Heute gibt es ein Frühstücksbuffet und Viktor kann ausreichend Kohlenhydrate für den Radfahrtag zu sich nehmen – das rationierte Frühstück gestern war wohl ein entscheidender Grund, warum es ihm gestern so schwer fiel. Während des Frühstücks fliegt eine Libelle immer weider von innen gegen die Fenster. Mithilfe einer Mitarbeiterin des Hotels, die sie einfach bei den Flügeln packt, retten wir sie nach draußen und sie fliegt munter davon.

Im Innenhof des Hotels hat ein Künstler „Los Duendes del Capac Yac“ (Capac Yac = Cafayate) dargestellt, die nach einer Legende hier in den Bergen leben. Je nach Übersetzung handelt es sich um Butzemänner, Heinzelmännchen, Wichtel, Irrwische, Kobolde oder Gespenster.

Um acht Uhr kommen wir los, und die Stadt ist fast sofort schon wieder zu Ende, der Weinanbau und die Bodegas ziehen sich aber noch lange hin.

An einer Bodega sitzen zwei Bikepacker, die gerade ihr Frühstück beendet haben. Wir fahren eine ganze Weile mit ihnen zusammen weiter: Marta aus Barcelona fährt schon seit Januar durch Südamerika und wird z.Z. begleitet von Kuky, den sie in einem Hostel in La Rioja kennengelernt hat und der dort Paragliding-Kurse anbietet.

Marta rät uns, doch lieber von Mendoza nach Santiago de Chile zu radeln, denn der Rest der Strecke von hier bis Mendoza sei nicht mehr so toll. Außerdem seien einige längere Wüstenabschnitte dabei. Oh Gott! Wüste! Da hat sie genau das richtige Wort fallengelassen.

Auch für den letzten Abschnitt unserer Tour hat Marta einen Ratschlag parat. Wir sollen lieber nicht – wie derzeit geplant – von Valparaiso nach Puerto Montt radeln. Stattdessen rät sie uns zum ersten (asphaltierten) Teil der Carretera de Austral ab Puerto Montt. Die sei landschaftlich viel schöner.

Kurz nach einer weiteren gemeinsamen Pause im Schatten trennen sich unsere Wege, denn Marta und Kuky verlassen die Ruta 40.

Nach 25 km wechseln wir von der Provinz Salta in die Provinz Tucuman, nach 62 km dann nach Catamarca – drei Provinzen an einem Tag.

Nach ca. 30 km machen wir eine Trinkpause – obwohl der Laden von Frühstück bis Abendessen alles anbietet, gibt es hier keinen Kaffee. Also wieder mal Gaseosas – Cola, Fanta, Sprite und Co. Gegenüber werden an einer Grundschule gerade lauthals die Fünftklässler in die weiterführende Schule verabschiedet, incl. Nationalhymne.

Kurz darauf bemerkt Viktor, dass er seinen Geldgürtel im Hotelzimmer vergessen hat – mit Reisepass und Kreditkarten. Zurückfahren kommt nicht in Frage, das wären knapp 70 Extrakilometer. Also beschließen wir, das Hotel zu bitten, uns die Riñonera (Nierengurt) an ein zukünftiges Hotel (in Mendoza) zu schicken, wozu sie sich auch sofort bereit erklären. Der Reisepass taucht dann doch noch in einer anderen Tasche auf – es fehlt uns also bis Mendoza nur eine Kreditkarte.

Heute hat der Hersteller unseres Tandems, die Firma HASE-Bikes, endgültig per E-Mail abgesagt und es abgelehnt, uns einen neuen Kurbelsatz nach Santiago de Chile zu senden. Alle Gespräche, die Viktor vor dem Kauf des Tandems mit einem Mitarbeiter von HASE geführt hatte, in denen uns jegliche Unterstützung zugesagt wurde, stellen sich nun als vergebene Liebesmüh heraus. Im Ernstfall müssen wir selbst eine Lösung finden, wie wir die Ersatzteile nach Südamerika bekommen. Oder wir müssen es wagen, mit dem verbogenen Pedal und dem zurechtgebogenen Kettenblatt weiterzufahren. Unter Last macht die Kette bergauf aber schon einige unschöne Knack- und Ratter-Geräusche, so dass wir das eigentlich auf alle Fälle vermeiden wollen.

Unser Zielort Santa Maria ist ein eher verschlafenes Örtchen, aber immerhin gibt es einen Supermarkt (Valhalla). In unserem Hotel hat laut Registrationsliste letztmals am 2.12. jemand eingecheckt.
Wir sind immer noch so kaputt von gestern, dass wir für morgen nur knappe 35 Kilometer planen und irgendwo im Nirgendwo in einem Parador ohne Restaurant übernachten werden, um nicht 120 km an einem Tag fahren zu müssen. Wir kaufen erstmals größere Mengen Wasser, Toastbrot und Thunfischsalat in Dosen, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein.

Samstag 7.12.24 – (132) – Santa Maria de Yocavil – Punta de Balasto

Gesamt: 8.221,24 km

Unser Hotel befindet sich noch im absoluten Vorsaison-Modus (oder Post-Pandemie-Modus) und ist auch schon etwas in die Jahre gekommen. Als es gebaut wurde, war diese hochmoderne Po-Dusche sicher ein Luxus.

Im Frühstücksraum entdeckt Viktor sofort die alten Flipper und Arcade-Konsolen. Eine davon funktioniert sogar noch und Viktor muss sie natürlich ausprobieren.

Zum Frühstück um 8 Uhr gibt es zwar kein Rührei, aber mit Toast, Croissant und bunten Kellogs-Fruit-Loops kriegen wir Viktors Kohlenhydratspeicher heute morgen trotzdem wieder aufgefüllt.

Wir frühstücken spät (aber für dieses Hotel trotzdem frühestmöglich), da wir nur eine kurze Etappe geplant haben, um die morgigen 117 Kilometer auf erträgliche 80 zu reduzieren.

Um neun fahren wir los, heute mit großen Wasservorräten zusätzlich in den Taschen. Das verschlafene Örtchen Santa Maria zieht sich noch recht lange hin, anschließend beginnt gleich San José. Städtisch ist hier aber gar nichts: alle paar Meter steht ein kleines Haus, ansonsten gibt es nichts, was eine menschliche Siedlung sonst so ausmacht.

Nachdem wir vorgestern den ganzen Tag Zikaden, Grillen und Frösche/Kröten hören konnten, sind es gestern und auch heute eher viele Vögel. Die meisten können wir wirklich nur hören, seltener auch sehen.

Außerdem krabbeln ganz lustige schwarze Käfer über die Straße, die fast aufrecht zu gehen scheinen. Vor zwei, drei Tagen waren es eher Zentipoden, die zu Tausenden die Straße queren wollten.

Auch heute fahren wir durch viele „Badenes“ (Furten), vor deren Durchfahrt bei steigendem Pegel gewarnt wird. Bei der jetztigen Trockenheit kann man sich kaum vorstellen, dass dort (manchmal alle paar Meter) überall Wasser durchfließt, aber als wir in „Casa de Piedra“ eine Pause machen, wird uns genau das bestätigt. Wenn es regnet – und sie warten gerade sehnsüchtig auf die Regenzeit – kommt mit Steinen und Erde gemischtes Wasser dort heruntergerauscht, da könnten wir mit einem Rad dann nicht durchfahren. Beim letzten Regen ist ein Mann verunglückt, der seinen Lieferwagen aus den Fluten retten wollte.

Die Pause machen wir an einem Haus, an dem „Reposteria“ und „Dulceria“ auf einem kleinen Zettel angeschlagen ist. Die Dame ist bereit, uns zwei Kaffee und einen kleinen Kuchen zu servieren. Wir warten draußen mehr als eine halbe Stunde und beschäftigen uns etwas mit der Tochter „Lupe“ (Guadalupe) und dem Hund, bevor sie uns ins Haus bittet: sie hat in der Zwischenzeit eine „kleine“ Kiwitarte frisch gemacht und zwei große Tassen mit Kaffee, die wir an deren Esstisch verzehren dürfen. Und bezahlen sollen wir dann nur die Tarte (3.000 Pesos = 3 €, richtig wenig), den Kaffee will sie uns schenken.

Von dort sind es nur noch 12 km bis zu unserer Unterkunft, die wir schon um kurz nach eins erreichen.

Die Betreiberin steckt den Stecker des Wasserboilers der Gemeinschaftsdusche ein und Jutta duscht eine Stunde später – kalt – denn die letzten Gäste haben offenbar den Netzschalter des Boilers ausgeschaltet. Das macht die Betreiberin nie. Als Viktor an der Reihe ist, kontrolliert er nochmal alles und findet den Netzschalter unter dem Boiler.

Den Rest des Tages verbringen wir mit Regeneration, Lesen, Blog-Schreiben, WhatsApp mit der Familie, u.a. zur Ersatzteilorganisation, und mit der Unterkunftssuche für die nächsten Tage.

Ein Restaurant gibt es hier nirgendwo, also werden wir uns Toastbrot mit Käse und Mortadella aus dem Kiosk der Betreiberin zum Abendbrot essen … und zum Frühstück wohl auch.

Am späten Nachmittag wird es ziemlich stürmisch und wir denken zunächst, dass Nebel aufzieht, tatsächlich ist es aber Sandstaub, der in der Luft liegt. Bei so einem Wetter möchten wir auch nicht mit dem Tandem unterwegs sein. Also wollen wir morgen richtig früh aus den Federn, um vor dem nachmittäglichen Wind am Ziel zu sein.

Abends um halb acht ist auch hier einmal wieder Stromausfall. Die Sonne ist gerade untergegangen, und so ist es dunkel, wir haben kein WIFI und unsere Elektrogeräte werden nicht geladen. Gehen wir also früh in unseren ziemlich schmalen Betten schlafen.

Sonntag 8.12.24 – (133) – Punta de Balasto – Hualfín

Gesamt: 8.301,86 km

Um fünf – es ist noch dunkel – klingelt der Wecker. Mit Handy-Taschenlampe suchen wir das Bad auf, so schwarz ist die Nacht noch. Der Sandsturm gestern hat alles mit einer feinen Schicht Sand überzogen, selbst alles in unserem Zimmer (das aufliegende Wellblechdach lässt viele kleine Lücken…).

Feinster Sand all-überall (hier auf dem Brillen-Etui) – da freut sich die Fahrradkette

In der kleinen Küche können wir uns Tee kochen und Brot mit dem Aufschnitt von gestern essen. Viktors Gatorade-Flaschen sind zu Eisblöcken gefroren, sie lagen ganz oben im Kühlschrank.

Bis wir loskommen, ist es sieben Uhr. Erst fahren wir zwischen zwei Bergketten, die nach vorne auszulaufen scheinen. Dann geht es auf eine Hochebene hinauf, auf der wir sehr lange und sehr geradeaus fahren. Es ist schon so eine Art Wüste, allerdings mit etwas bodennahem Bewuchs, was im Vergleich zu ausschließlich Sand viel netter ist. Und hier liegt ja auch kein Müll am Straßenrand, was noch einmal netter ist! Jedenfalls finden wir es weniger schlimm als die Wüsten in Peru. Es mag auch daran liegen, dass uns hier keine agressiven Autofahrer überholen oder anhupen. Es ist Sonntag und es ist kaum Verkehr. Hier ist das aber vermutlich an jedem Wochentag so.

Auf den 80 Kilometern auf der Ruta 40 kommen uns heute insgesamt nur 33 Autos entgegen, und nur elf überholen uns (das hängt sicher damit zusammen, dass wir selber soooo schnell fahren ;-)). Na ja, sieben von denen sind Motorradfahrer, keine Autos, und zwei LKW! Da brauchen wir heute wenig acht darauf zu geben und können sie sogar zählen! Umso mehr können wir auf die unzähligen Schafe, Ziegen, Esel, Rinder und Vögel in der Umgebung achten und uns daran erfreuen.

Nach gut 25 km denken wir an die erste Pause, wollen aber einen geeigneten Ort abwarten. Bei km 38 steht ein Baum, den wir uns schon aus der Ferne ausgeguckt haben, und dort steht auch ein Gebäude mit der Aufschrift „Kiosko“. Leider ist dieser Kiosk ziemlich verlassen. Immerhin gibt es ein Mäuerchen zum Hinsetzen, und wir machen eine Obst- und Nusspause aus dem Vorrat.

Gegen Ende der Hochebene haben wir noch angenehmen Rückenwind, der uns ein wenig schiebt. Für kurze Zeit sind wir so schnell wie eine Wolke:

Nach der Hochebene geht es eine Weile schön bergab. Schon um elf beginnt leider wieder ein starker Gegenwind, und so fahren wir in Nacimiento in den Ort ab, weil es dort (ebenfalls) einen Kiosko geben soll, um eventuell einen Kaffee zu bekommen. Am besagten Haus ist ein Fenster mit einem „Abierto“-Schild und ein Cola-Plakat, wir halten also und sprechen den Herrn an, der gerade von hinten kommt. Er lacht und sagt, dass hier schon lange kein Kiosk mehr sei. Aber schräg gegenüber wäre einer. Wir lassen das Tandem dort stehen und gehen nach schräg gegenüber – ein Haus ohne jegliche Beschriftung.

Dort kommt ebenfalls ein Herr von hinten, der uns auf unsere Nachfrage bestätigt, dass sie ein Kiosk seien und auch Kaffee hätten. Allerdings verneint das dann die dazugeholte Frau, die wohl für den Kaffee zuständig wäre – sie hätte nur Gaseosas! Die wollen wir nicht, aber wir dürfen uns dennoch auf den Palettensitzen in die Sonne setzen. Diesmal gibt es Brot mit Erdnussbutter bzw. Cracker zum Snacken.

Unser sonniger Pausenplatz am „Kiosk“

Von hier sind es nur noch knappe 15 km bis Hulafín. Um in den Ort zu kommen, müssen wir irgendwo zwischen Felsen links abbiegen, auf einer tadellosen T-Kreuzung. Und ein paar Meter weiter endet der Asphalt, weiter geht es auf schlechtem Schotter und Sandpiste. Und das ist die alte Ruta 40, es stehen sogar noch entsprechende Schilder am Straßenrand. Erst als irgendwann die Bebauung beginnt, wird die Straße wieder besser.

Schon um 13 Uhr kommen wir an der Städtischen Hosteria an und bekommen sofort unser Zimmer. Auch hier gab es einen Stromausfall, und das Internet funktioniert schon den ganzen Tag nicht. So müssen wir nach dem Duschen und einem leichten Mittagessen für Viktor (Gnocchis in der Herberge) ohne GoogleMaps den Weg zur hiesigen Bodega – einer der wenigen Sehenswürdigkeiten – finden … ganz ungewohnt.

Aber trotz mehrfach notwendigen Abbiegens und nachdem wir durch das ziemliche breite, ausgetrocknete Flussbett gelaufen sind, das den Ort in zwei Teile trennt (der Sand landet wahrscheinlich irgendwann an der Nordsee, so sieht er zumindest aus 😉 ) finden wir die Bodega Hualfín. Wie es sich herausstellt, ist diese Weinkellerei wie unsere Herberge auch in städtischem Besitz. Finanziert wurden beide aus den Steuereinnahmen der Minengesellschaft, an deren Flugplatz wir heute vorbeigefahren sind. Hier gibt es mehrere kleine Weinbauern, die ihre Trauben hier in der städtischen Kellerei verarbeiten lassen können. Wir bekommen eine kleine Tour und Viktor macht auch eine Weinprobe der vier verschiedenen angebotenen Weine.

Nach der Rückkehr in die Herberge ist das Internet wieder da und wir beschäftigen uns mit dem Blog und anderen Dingen, bis es endlich 20 Uhr ist und das Abendessen in der Herberge beginnt. Als wir vorne am Restaurant ankommen, hängt ein Zettel am Kühlschrank, der uns mitteilt, dass es heute kein Abendessen gibt 🙁 . Viktors halbe Flasche Bier von heute Mittag ist auch hinter einem Schloss am Kühlschrank unerreichbar. Wir fragen an der Rezeption, die nichts von der Schließung weiss. Restaurant und Herberge sind voneinander unabhängig. Immerhin kommen die Restaurantbetreiber und schließen den Kühlschrank zum halben Bier auf, aber Essen kochen werden sie heute nicht mehr (davon war am frühen Nachmittag noch keine Rede … aber wir mögen es ja spontan 😉 ).

Daraufhin landen wir zwei Straßenblöcke entfernt im Comedor Valentina, wo die Rezeptionistin von heute Mittag abends hobbymäßig arbeitet, und essen dort Milanesa Napolitana bzw. Pommes mit Salat. Es ist fast 22 Uhr, als wir von dort zurück sind. Wir hoffen nun, dass das Frühstück um 8 Uhr nicht ebenfalls einer spontanen Eingebung zum Opfer fällt, denn eine Alternative wird sich in diesem Örtchen nur schwer finden lassen und unterwegs gibt es morgen nach genau 16,2 km ein Café … falls das noch existiert und geöffnet hat … danach bis zum Etappenziel wieder keine weiteren Verpflegungsmöglichkeiten.

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  1. Consol Rosell

    Espero que Jutta mejore pronto.

    Besos

    • Viktor

      Gracias Consol! ❤️
      Un abrazo fuerte!
      Nos hemos decidido no coger el tren de las nubes. Hoy en dia son 4 horas de bus y solo una hora de tren desde Salta. El resto de la ruta del ferrocarril parece estar en muy mal estado.

      • Maria Luisa Rosell Pons

        Millones de gracias a vuestro Ángel de la guarda !! Gracias por el saludo del año 1939 me habéis hecho un año más vieja pero me a encantado. Mama

  2. Michael P.

    Lecker, es gibt Alfajores 🙂
    Und schon ein Limito gegessen ?
    Glückwunsch zu 8.000km, super krasse Leistung !!!

    Weiterhin viel Spaß und alles Gute

  3. Tina

    Herzlichen Glückwunsch zur 8000 🎉👏

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