Montag 7.10.24 – Riobamba – Cuenca (Busfahrt)

Beim Frühstück sollen wir uns zwischen Wasser und Milch entscheiden – wir müssen erst fragen, was es damit auf sich hat: auf dem Tisch steht Kaffee- und Kakaopulver zum Einrühren in die gewählte Flüssigkeit.

Viktor fährt zu neun Uhr zum Fahrradladen (Spinosa-BIKE), Jutta setzt sich währenddessen an die Rückwärtsplanung unserer Route (Weihnachten in Santiago bis heute). Der Fahrradtechniker tauscht bei unserer Vorderbremse das Hydrauliköl und erneuert die Bremsbeläge, die Bremsscheibe hält noch diesen Satz Bremsbeläge durch, sagt er. Sie hat zwar eine kleine Beule, aber ist noch stark genug und hat keine Riefen. Wenn sie heiß wird, beult sie sich durch die Wärmeausdehnung an der Stelle noch weiter aus und wir hören beim Fahren ein Schleifgeräusch an den Bremsbelägen. Wir planen den Wechsel der Bremsscheibe für Lima ein.

Und dann will der Besitzer von Spinos-BIKE partout kein Geld für seine Leistung erhalten, nicht einmal in die Kaffeekasse darf Viktor etwas tun. Er erzählt außerdem, dass die Panamericana bis Cuenca immer schlechter wird, auch mit den Betonplatten, die wir schon aus Panama kennen, und dass einige Steigungen noch um einiges steiler sind als alles, was wir bisher hatten (bis 17 und 18%).

Als Viktor gegen 10:45 Uhr wieder am Hotel ist, hat Jutta den Weg in Peru bis Lima quasi geplant und festgestellt, dass es von der Zeit her ganz schön knapp wird. Da sind wir uns sehr schnell sehr einig, dass wir heute schon probieren wollen, einen Bus nach Cuenca zu erwischen, die Stadt anzuschauen und mit einem weiteren Bus bis zur Grenze nach Peru zu fahren. Es reicht uns einfach mit diesen Bergen, bergauf im Schneckentempo, bergab intervallbremsend in dauerhafter Sorge um die Bremsen ebenfalls viel langsamer als es eigentlich möglich wäre. Die Landschaft hat zwar einiges zu bieten, aber die Panamericana selbst ist nun auch nicht gerade eine Schönheit.

Wir packen alles, Viktor zieht seine Radfahrsachen wieder aus, und wir fahren zum Busterminal von Riobamba. Man schickt uns zum „Patria“-Schalter, und schnell haben wir Sitzplätze im Bus um 13 Uhr, ohne dass wir den Fahrer fragen müssen, ob er das Tandem mitnimmt, wie bisher sonst immer. In der Wartehalle verkleinern wir das Rad wieder einmal, und nach gar nicht langer Wartezeit können wir zum Terminal 4 (hier benötigt man ein 20 ct teures Ticket, um Zugang zu bekommen), wo der Bus schon bereitsteht. Pünktlich genug kommt auch der Busbegleiter (Kassierer, Ausrufer, Gepäckverantwortlicher), und Viktor und er stellen das Tandem wieder quer hinten in den Laderaum, verzurren es sicher und stellen die Taschen alle dazu.

Pünktlich um 13 Uhr rollen wir los, um die nächsten 30 Minuten alle paar Meter anzuhalten, damit noch weitere Fahrgäste einsteigen können oder/und damit fliegende Händler durch den Bus kommen können, um Essen, Eis oder Gertränke zu verkaufen. Innen im Bus klebt ein Schild, dass man weder essen noch trinken darf, das aber wohl nicht beachtet wird. Ebenfalls nicht beachtet wird das Schild, dass Tiere verboten sind: es fahren zwei Hunde mit. Aber immerhin wird das Rauchverbot eingehalten.

Bis Cuenca sind es ca. 260 Kilometer, diese allerdings über die vielen Berge und auf schlechter Strecke, die wir uns ja mit dem Rad ersparen wollen. Wir wissen gar nicht, wie lange die Fahrt dauern soll, aber erstens hängen wir öfter hinter langsamen LKW, bevor die Straße ein längere Gerade zum Überholen anbietet, und zweitens (viel schlimmer) halten wir ständig an: es muss nur jemand am Straßenrand winken, egal wo, dann nehmen wir sie oder ihn mit, und zwar wohin die Person möchte, manchmal nur fünf Minuten. Und immer wieder steigen auch Händler ein, manchmal fahren sie ein Stück mit und werden irgendwo wieder rausgelassen. Und so benötigen wir für die Strecke etwas über sechs Stunden – es ist kurz nach 19 Uhr und dunkel, als wir ankommen. Und jetzt fällt uns auf, dass wir heute gar nichts für den Transport des Tandems bezahlen mussten…

Jutta guckt während der gesamten Fahrt vorne aus dem Fenster (im Bus kann so die Reiseübelkeit ganz gut vermieden werden) und stellt am Ende fest, dass wir auf der gesamten Strecke nicht eine Person auf dem Fahrrad überholt haben. Wir sind anscheinend durch eine Gegend Bus gefahren, in der Radfahren einfach keinen Spass macht 😉 !

Aus dem Bus haben wir ein Hotel ganz in der Nähe des Busbahnhofs gebucht, damit wir das Tandem gar nicht erst fahrtüchtig machen müssen, denn wir wollen ja auch noch mit einem Bus weiter. Wir machen nur den Sitz drauf und den Lenker hoch (zum besseren Schieben) und laufen die 500 Meter zum Boutique-Hotel La Farola. Nach dem Einchecken gehen wir schnell bei Don Wilson gegenüber etwas essen, und dann ist der Tag auch schon vorbei.

Dienstag 8.10.24 – Cuenca

Beim Frühstück kennen wir jetzt schon die Frage nach Wasser oder Milch 😉 – das ist anscheinend nicht so unüblich! Anschließend laufen wir gleich los in die Altstadt, wo wir um elf Uhr eine „Free Walking Tour“ gebucht haben. Wir gehen schon einmal in die riesige Kathedrale und in die alte Markthalle, bevor wir im Cafè Austria noch einen Kaffee trinken (und einer von uns der Linzer Torte nicht widerstehen kann, die jedoch einen Tick zu lang im Backofen war).

Am Platz vor der Kathedrale sperren die Freiwillge Feuerwehr und die Berufsfeuerwehr von Cuenca die Straße ab. Es findet irgendeine Veranstaltung statt, bei der es darum geht, wie stolz die Einwohner Cuencas auf ihre Stadt sind. Es gibt sogar ein speziell komponiertes Lied zu hören:

Um elf treffen wir auf unsere Guide, die erst 22-jährige Mel, und zwei weitere Reisende, einer aus Australien, der andere aus England. Wir starten im Seminario de San Luis. Von hier geht es in die Kathedrale. Und jetzt erfahren wir auch, weshalb die Türme wie abgeschnitten aussehen, was uns vorher schon aufgefallen war: der Architekt war Johannes Stiehle, ein Deutscher Priester, der – zumindest nach dem Urteil seiner Kritiker – kein besonders guter Statiker war. Die benutzen Steine und Baumaterialien sind nicht stabil genug, und bevor die Kirche fertiggestellt war, ging schon ein Riss durch die Decke (siehe Fotos), nachdem eine große und schwere Bronze-Jesusstatue auf dem Mittelbogen aufgestellt wurde. Also musste auf die Glockentürme verzichtet werden. Als Papst Johannes Paul II. im Jahr 1985 die Kathedrale segnen sollte, hat er es fast verweigert, weil es (ohne Türme) keine Glocken gab. Man musste dem Papst erst versprechen, dass die Glocken noch „nachgerüstet“ werden. Man hat es dann vor dem Tod des Papstes noch mit Aluminiumglocken versucht, die leichter sind, um das Versprechen einzulösen, aber das ist angeblich auch schief gegangen. Laut Berechnungen weiterer Statiker müsste „ein Wunder geschehen, damit die Kathedrale von Cuenca Glocken erhält“, also bleibt diese wirklich riesige Kathedrale wohl glockenlos.

Im Parque Calderon wird uns erklärt, dass der Status des Weltkulturerbes, den Cuenca seit 1996 trägt, in Gefahr ist, weil eine der acht alten Pinien (Pinos de Estrella aus Peru, Auracaria) hier auf dem Platz abzusterben droht. Alle acht Pinien sind aber wichtiger Bestandteil des anerkannten Weltkulturerbes. Auf dem Weg zum Treffpunkt haben wir jedoch auch schon moderne Gebäude zwischen den historischen Altbauten gesehen, bei denen wir uns ebenfalls dachten, dass so etwas den Status gefährden könnte. Für die Spanischsprechenden unter Euch:

In der neuen Markthalle bekommen wir u.a. auch die Abteilung mit den pflanzlichen Medikamenten gezeigt: es gibt neben Tropfen und Tabletten auch „Parfums“ für alle Lebenslagen und Krankheiten zu kaufen. Auf die Frage, warum es trotzdem in Ecuador so viele Apotheken gibt, bekommen wir die Antwort, dass in den Apotheken sehr viel Geld gewaschen wird (die Drogengelder der Kolumbianer, Mexikaner und Peruaner). Als wir das hinterher nachschauen sehen wir aber, dass auch hier in Ecuador eher mit Immobilien und Gebrauchtwagenhandel Geld gewaschen wird.

Weitere interessante Dinge, die wir über Cuenca erfahren:

Cuenca war die zweitwichtigste Stadt des Inkareiches, nach Machu Pichu. Als die Spanier die Stadt eroberten, nannten sie sie „Santa Ana de los quatro Ríos de Cuenca“, nach Ana, der Mutter der Jungfrau Maria, und nach der spanischen Stadt „Cuenca“, wegen der Ähnlichkeiten in der geografischen Lage. Mit den Spaniern kam natürlich das Christentum und der Bau vieler Kirchen. Der indigene Naturglaube und die Mythologie der Inka wurden dabei geschickt in den christlichen Glauben eingebaut, was sich auch heute noch in den Marien- und Jesus-Darstellungen zeigt, die fast immer Mond und Sterne (Maria) oder Sonne (Jesus) integrieren. Die Kathedrale von Cuenca wurde erst nach der Unabhängigkeit von Spanien gebaut, da der Zutritt zu den Kirchen vorher nur den Spaniern und den direkten Nachkommen erlaubt war. Größere Kirchen und Kathedralen wurden erst später benötigt, als alle Menschen Zutritt erhielten.

Der Panama Hut stammt urprünglich aus Ecuador, wurde in Cuenca gefertigt und nach Panama exportiert.

Die Stromabschaltungen in Ecuador sind nicht nur auf den Wassermangel zurückzuführen, sondern auch darauf, dass der Stromimport aus Kolumbien aufgrund politischer Feindseligkeiten zwischen den Regierungen nicht mehr möglich ist. Früher hat Ecuador überschüssige Energie aus Wasserkraft nach Kolumbien exportiert. Jetzt benötigt Ecuador wegen des Wassermangels in den Stauseen eigentlich Stromimporte, die aber nicht möglich sind.

Nach der Tour gehen wir in ein Juan Valdez Café, wo wir u.a. eine Humita probieren. Juttas Cousine Magdalena hatte nämlich gerade gestern in einer Nachricht ihre in Hamburg verzehrte Humita geschickt und uns diese ans Herz gelegt. Hier überlegen wir uns auch, dass wir noch einen weiteren Tag hier bleiben werden und morgen eine Tour in den Cajas Nationalpark machen.

Jetzt wollen wir zum Museum Pumapungo. Dorthin können wir auf der Promenade am Fluss Tomebamba laufen, die uns als schön empfohlen wurde. Auf dem Weg dorthin treffen wir den Australier von heute vormittag wieder – er schließt sich uns an. Das Museum selbst wird gerade renoviert und ist geschlossen, aber wir können in den archäologischen Park, das Ecuadorianische Machu Picchu, und hinterher gucken wir uns dort auch noch die Vogelausstellung mit vielen Papageienarten an.

Abends gehen wir in einem vegetarischen Restaurant essen, das uns Mel empfohlen hat. Es ist überraschend gut besucht und wir essen sehr preiswert und gut, Viktor sogar mit einem Banana-Split zum Nachtisch. Auf dem Rückweg zum Hotel fällt uns in der historischen Altstadt auf, das die Straßenbahn eine Mittelschiene hat, die wohl zur Stromversorgung dient. Es gibt hier keine Oberleitungen und die Schiene trägt ein Blitz-Zeichen. Wie kann so etwas auf dem Boden liegen, wo jeder Passant drauftreten und einen Stromschlag erleiden könnte? Die Antwort ist das APS-System von Alstom, bei dem immer nur der Abschnitt der Schiene Strom führt, der direkt unter der Straßenbahn liegt. Sehr teuer, aber in einem historischen Stadtbild, das Weltkulturerbe-Status hat, nicht anders machbar, denn dort sind Oberleitungen tabu. Die Straßenbahn von Cuenca ist seit 2019 in Betrieb und ist die höchstgelegene Straßenbahn der Welt. Mal schauen, ob wir morgen noch eine Fahrt hinbekommen. Bevor es zurück ins Hotel geht, gönnen wir uns noch ein Getränk bei „Latitud Cero„, einem Craft-Bier-Anbieter, den wir schon aus Latacunga kennen, und der sehr gute dunkle Biere (Märzen, dunkles Weizen) braut.

Mittwoch 9.10.24 – Cuenca

Nachdem wir gestern die Stadt Cuenca erkundet haben geht es heute in den Nationalpark Cajas. Wir haben eine Tour mit Wanderung um die Lagunen gebucht. Beim Frühstück unter Zeitdruck erhalten wir eine WhatsApp, dass sich der Treffpunkt geändert hat und wir nochmal vier Straßenblöcke weiter laufen müssen. Es wird zeitlich knapp, aber wir schaffen es mit wenigen Minuten Verspätung um 8:35 dort einzutreffen.

Mit einem Toyota Allrad Taxi geht es zu viert (Fahrer und unser Guide Diego) in die Berge bis auf über 4.000 Meter Höhe auf die Tres Cruces Passhöhe. Hier befindet sich die Wasserscheide zwischen Pazifik- und Atlantik-Seite, das heißt auf der einen Seite fließt das Wasser aller Bäche und Flüsse am Ende in den Pazifik, auf der anderen Seite endet alles Wasser im Amazonas und von dort aus im Atlantik. Der Nationalpark Cajas ist ein hochgelegenes Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung (Ramsar-Feuchtgebiet), dass wie ein Schwamm den Regen in der Regenzeit aufnimmt, speichert und dann über die Lagunen, Bäche und Flüsse während des Jahres wieder abgibt.

Unsere Wanderung beginnt bei über 3.950 Metern, geht dann zunächst bergab und später wieder zum Ausgangspunkt zurück. In den Steigungen merken wir die dünne Luft ganz schön, aber die Tasse Koka-Tee, die wir vor dem Losgehen trinken konnten, scheint ein wenig zu helfen (Placebo-Effekt?), jedenfalls haben wir keine Kopfschmerzen, die als erstes Anzeichen von Höhenkrankheit gelten. Wir wandern (teilweise kraxeln wir auch) circa sechs Kilometer um mehrere Lagunen herum und auf Teilen der alten Inkastraße durch den Nationalpark, beobachten Pflanzen und Tiere und genießen das einmalige, grüne Bergpanorama. Diego erklärt uns, wie wichtig dieses Gebiet für den Wasserhaushalt von ganz Ecuador aber auch aller Nachbarländer ist. Er zeigt uns die kleineren, aufgrund des Regenmangels bereits ausgetrockneten Lagunen sowie die größeren, deren Wasserspiegel ebenfalls für die Jahreszeit viel zu niedrig ist. Seit 90 Tagen wird hier auf einen ordentlichen Regen gewartet. Aber nicht nur der fehlende Regen sondern auch die fehlerhafte Aufforstung mit Pinien vor vielen Jahren sorgt wohl für die aktuelle Knappheit, denn letztere halten das Wasser nicht so im Boden . Wer wandern auch durch ein kleines Stück des natürlichen Waldes aus Polilepis (Arbol de Papel), der aber stark bedroht ist. Er erklärt, dass er eigentlich nicht damit gerechnet hatte, in seinem Leben die ersten Kämpfe um Wasser in Südamerika zu erleben. Jetzt sei er sich da nicht mehr so sicher.

Am Startpunkt zurück können wir trotz der Stromabschaltung einen Kaffee trinken, bevor wir wieder ein Stück nach unten zum Restaurant „Las Cuevas“ fahren und dort ein Mittagessen bekommen. Der servierte rote Saft stellt sich als Heißgetränk heraus und heißt Horchata (so heißt hier ein Tee aus Amazonas-Früchten, also etwas ganz anderes als in Spanien die „Horchata de Chufa“). Die eigentlich noch geplante eineinhalb Kilometer lange Wanderung lassen wir ausfallen – inzwischen regnet es, und es ist auch schon recht spät. Diego schlägt uns vor, nach der Rückkehr noch zu den „Baños de cuenca“ (Heiße Quellen) zu fahren, was wir uns auch vorstellen können, aber die Rückfahrt dauert ziemlich lange (inkl. Polizeikontrolle), so dass es uns dafür dann schon zu spät ist.

Die Zeit bis zum frühen Abend wird stattdessen mit Ausruhen und Blog-Schreiben verbracht. Gegen sechs gehen wir noch einmal los: wir wollen noch mit der höchstgelegenen Straßenbahn der Welt fahren und dann im von Diego empfohlenen Restaurant essen gehen. Der Ticketkauf geht schneller als gedacht, es gibt hier nur einen einzigen Tarif, und man bekommt nur ein Ticket, auf dem die Anzahl der Passagiere steht. Wir fahren nur zwei Stationen, aber das musste einfach sein. Das Filmen des Herunterfahrens des Stromabnehmers beim Übergang in die historische Altstadt geht aber leider schief. Auf dem Weg zu „Tiesto`s Café und Restaurant“ passieren wir wieder mal ganze Häuserblöcke ohne Strom und ahnen schon Schlimmes. Aber genau der richtige Block mit unserem Restaurant ist dann zum Glück wieder hell erleuchtet.

Wir essen hervorragend, nach mehreren Tagen mit preiswerten, schnellen Abendessen mal wieder ein willkommener Genuss. Der Nachtisch wird dann sogar zu einer kleinen Krönung, denn die Kombination aus leicht gefrorenem Mousse au Chocolat mit einer Kugel Maracuja-Eis wird auf einem mit verschiedenen Fruchtsaucen handbemaltem Teller serviert und schmeckt sensationell. Zum Abschluss bemalt der Chef nochmal einen weiteren Teller und wir dürfen es filmen (siehe unten).

Viktor fragt eher zufällig nach, ob die Früchte an der Theke vielleicht „Limon Mandarina“ seien, denn seitdem er diese komische Zitrone mit orangefarbenem Fruchtfleisch zum Tilapa gegessen hat, möchte er ein paar Kerne haben, um zuhause vielleicht ein Bäumchen aufzuziehen. Prompt läuft der Chef in die Küche und holt mehrere dieser Früchte und schenkt sie uns.

Donnerstag 10.10.24 – Cuenca – Huaquillas (Busfahrt)

Zunächst noch zwei Bilder aus dem Hotel La Farola in Cuenca:

Wir frühstücken um Punkt acht Uhr und verabschieden uns von der freundlichen Mitarbeiterin, die speziell für uns dunkles Roggenbrot besorgt hat. Das Gepäck kommt an das immer noch zusammengeschobene Tandem, und wir schieben es zum Busterminal. Dort angekommen werden wir gleich von mehreren Busbegleitern angesprochen, wo wir denn hinwollen. Kaum haben wir „Huaquillas“ gesagt, fängt ein junger Mann ganz hektisch an, uns zu einem Fahrkartenschalter zu schieben und gleichzeitig unser Tandem zu „übernehmen“, um es zu einem abfahrbereiten Bus zu schieben. Viktor erklärt ihm, dass wir noch zehn Minuten benötigen, um das Tandem transportbereit zu machen (Gepäck abnehmen und Lenker herunterklappen), aber er wiederholt immer wieder hektisch, dass er uns beim Einladen helfen würde. Viktor geht also an den Schalter und erhält das Ticket, ohne überhaupt etwas zu bezahlen. Das Finanzielle soll an Bord des Busses geregelt werden. Jutta ist währenddessen mit dem jungen Busbegleiter und dem Tandem in Richtung Bussteige unterwegs. Die beiden bleiben aber an der Nationalpolizei hängen, die das Tandem nicht durchlassen wollen, obwohl ihnen mehrfach erklärt wird, dass es sich um das Gepäckstück der beiden deutschen Fahrgäste handelt. Erst nach mehreren Minuten Funkgespräch über sein Walkie-Talkie gibt er den Weg zum Bus frei. Vom Verlassen des Hotels bis zum Abfahren des Busses vergehen nur ganze 13 Minuten!!! Dafür dauert die Fahrt wieder über sechs Stunden, obwohl die Strecke über den direktesten Weg nur knappe 200 Kilometer lang ist und nur vier Stunden dauern soll. Wir fahren nämlich nicht die kürzeste Strecke, sondern „oben herum“.

Jutta beobachtet den jungen Busbegleiter und Ticketverkäufer dabei, wie er eine kleine Plastikflasche aus dem Seitenfenster wirft. Da Viktor bei der letzten Rast genau das gleiche Getränk gekauft hat, nutzt er die Gelegenheit, geht etwas später während der Fahrt nach vorne und fragt den jungen Mann:
“En Ecuador es aceptable poner esto en el basurero del bus o lo tengo que tirar por la ventana como usted?”
„Ist es in Ecuador akzeptabel, dass wir diese Flasche in den Müllbehälter im Bus werfen oder muss ich sie aus dem Fenster werfen, so wie Sie das vorhin getan haben?“
Ohne zu zögern nimmt er Viktor die Flasche ab und wirft sie sofort aus dem Seitenfenster. Der alte weiße Boomer ist völlig verblüfft und kann gar nicht schnell genug reagieren, um das noch zu verhindern. Nun gut, das scheint also hier die korrekte Form der Entsorgung zu sein. 😉
Etwas verwirrt sind wir jedoch einige Minuten später, als der junge Mann eine Plastikflasche aufhebt, die jemand direkt unter dem Müllbehälter im Bus liegen gelassen hat, und sie in eben diesen Müllbehälter steckt. Was ist denn nun richtig?
Aber dann kommt Viktor auf die Lösung: Es hängt immer vom aktuellen Abstand der Flasche vom Müllbehälter ab! Liegt das Fenster näher, gehört es dort hinaus, liegt der Müllbehälter näher, gehört es dort hinein. Ganz einfach!

Auf dieser Busfahrt steigt nicht ein einziger fliegender Händler zu – das scheint evtl. eine „Anden“sache zu sein, und diese verlassen wir ja gerade. Und außerdem halten wir bis Naranjal – etwa halbe Strecke – auch nicht, um Passagiere ein- oder aussteigen zu lassen, und auch danach nur sehr selten. Vielleicht ist aus diesem Grund der Fahrschein heute teurer als für die 100 km längere Strecke nach Cuenca.

Während der Fahrt buchen wir ein Hotel in Huaquillas, und als wir durch die Stadt fahren, kommen wir an der Abzweigung dorthin schon vorbei, da das Busterminal fast an der Grenze nach Peru liegt. Der Bus fährt allerdings ohne uns zum Terminal, denn irgendwo vorher, einfach so am Straßenrand, sollen wir plötzlich aussteigen…

Wir machen das Tandem also auf einem Moto-Parkplatz fahrbereit, bepacken es und fahren zum Hotel. Dort dauert es einige Minuten, bis jemand Verantwortliches kommt, und es ist 15:58 Uhr, als wir einchecken. Auf unsere Frage nach einer Stromabschaltung bekommen wir gesagt, geplant sei 16 bis 20 Uhr. Wir sind also gerade oben im Zimmer, als das Licht ausgeht! Das Notstromaggregat, das vorhanden ist, funktioniert leider nicht. Da hatten wir in den letzten Tagen mehr Glück.

Also gehen wir in den Ort auf der Suche nach einem Kaffee. Dummerweise hat um vier gerade ein Fußballspiel Ecaudor gegen Uruguay begonnen. Und da die Privatäuser alle keinen Strom haben, laufen die Generatoren der Cafés (und Geschäfte) für Fernseher zum Public Viewing – überall stehen Trauben von Mopeds mit Menschen darauf auf der Straße. Ein Cafébetreiber erklärt, er könne ja nicht den Fernseher ausmachen, weil ein paar Deutsche einen Kaffee trinken wollen. Beides geht wohl nicht.

Wir finden eine Heladeria mit Café, in der kein Fußball läuft, bekommen dort aber leider nur Tütencappucino (und teilen uns eine Waffel). Anschließend laufen wir bis zur Grenze, um für morgen früh schon einmal zu gucken. Und das ist gut so! Denn als wir uns durch die enge Gasse zwischen allen Marktständen durchgekämpft haben und erst einen Taxifahrer und dann einen Polizisten fragen, erfahren wir, dass an diesem Übergang keine Migrationsbüros sind, dafür müssen wir einen ca. sieben km weiten „Umweg“ fahren. Mit den Stempeln im Pass dürften wir dann hier rüber fahren, wenn wir wollen. Und heute dorthin zu fahren, sei zu gefährlich, weil es bald dunkel wird, wenn, dann nur mit einem Taxi!

Wir gucken uns das Ganze mal auf der Karte an und beschließen, morgen früh über den anderen Grenzübergang zu fahren. Komoot lässt die Straße zwar nicht zu, will uns immer anders schicken, aber die Polizei und die Menschen im Hotel sagen, dass man dort radfahren kann.

Da um halb sieben das Hotel immer noch keinen Strom hat (zwei Männer knien vor dem Generator – made in the U.S.A. ) gehen wir die inzwischen dunkle Straße wieder zur Hauptstraße, setzen uns in ein Restaurant, in dem sogar das WIFI funktioniert, essen dort zu Abend und warten so lange, bis auf der Straße die Lichter wieder angehen, ein paar Minuten nach acht.

Freitag 11.10.24 – (105) – Huaquillas – Zorritos

keine Höhenmeterangaben mehr, die wir uns merken wollen 🙂

Gesamt: 6.336,29 km

Um kurz vor acht Uhr morgens klopft es an unsere Zimmertür – wir wollen gerade los, um das Tandem zu packen – und wir bekommen das Frühstück in Pappe und Styropor gebracht. Ist es wohl als „Frühstück im Bett“ gemeint? Wir gehen mit dem Tablett und unseren Radtaschen in den Hof, frühstücken, schmeißen den ganzen Müll weg und fahren los, nachdem wieder mehrere Anwesende Fotos von uns gemacht haben.

Wir nehmen den Weg, der uns gestern erklärt wurde. Die Straße zur Grenze ist ziemlich verlassen, nirgendwo Händler oder Geldwechsler. Dann fahren wir über eine Brücke und sind auf der Peruanischen Seite. Hier sollen doch eigentlich die Ein- und Ausreisebüros von der „Migracion“ sein… . Wir fahren erst einmal weiter, irgendwann fragen wir einen Polizisten und müssen immer noch weiter nach Peru hinein. Erst nach mehreren Kilometern gibt es hier ein binationales Gebäude, in dem gleichzeitig die Ecuadorianer und die Peruaner sitzen. Ist man am ersten Schalter fertig, geht man einfach ein paar Schritte weiter zum nächsten Schalter. Und das, obwohl die Beziehungen der beiden Länder nicht die besten sein sollen. Den letzten Krieg zwischen beiden Ländern gab es erst 1995. An dieser Grenze sind die Mitarbeiter alle sehr nett und wohlwollend, und wir denken, dass das richtig gut und schnell geklappt hat. Da wir ja keine Geldwechlser gesehen haben, will Viktor bei der Bank an der Grenze wenigsten ein paar USD in PEN, den peruanischen Sol, umtauschen. Jutta macht währenddessen Bekanntschaft mit einem sehr unangenehmen Grenzbeamten: das Tandem darf nicht dort stehen, wo es steht, es soll auf einen Parkplatz. Viktor kommt schnell unverrichteter Dinge (zu viel Bürokratie beim Wechseln notwendig, Formulare, Reisepass, usw.) zurück, und wir schieben auf der Straße weiter – schon wieder falsch, und wir werden vom gleichen Beamten zurückgepfiffen! Wir müssen uns bei der Fahrzeugkontrolle anstellen. Autos werden hier sogar teilweise von unten untersucht. Als wir an der Reihe sind, sind wir schon auf alles gefasst, dürfen aber einfach so weiterschieben. Hauptsache der eifrige Grenzbeamte hat sich wichtig gemacht!

Nach ca. 40 Minuten fahren wir also in Peru weiter. Schon gestern war die Natur nach den ganzen Bananenplantagen wesentlich trockener geworden, und jetzt fahren wir wirklich durch Steppe. Kilometerlang gibt es hier noch keine angesiedelten Menschen. Als wir die ersten Behausungen erreichen, wird es gleich auch grün: rechts und links überall Reisfelder.

Und was sich mit dem Übertritt ins nächste Land geändert hat: die Straße ist merklich schlechter, hier fahren wieder unendlich viele Tuk Tuks (Mototaxis) und die am Rand liegende Menge an Müll erinnert an Mexiko.

Nach gut 30 Kilometern und etwa der halben Strecke heute sind wir in Tumbes, der ersten Stadt, und suchen uns ein Café. Das „Coffee Art“ liest sich gut und gibt es anscheinend sogar zweimal. An der ersten Adresse ist leider nichts zu finden. Jutta hat den Gedanken, dass das Café umgezogen sein könnte, und wirklich, seit 2019 ist es an der anderen angegebenen Adresse. Der Betreiber akzeptiert weder Kreditkarte noch USD, deshalb geht Viktor erst einmal an einen Geldautomaten, von denen uns wegen der hohen Gebühren eigentlich abgeraten wurde. Dann machen wir eine ausgiebige Pause.

Auch hier wird beim Weiterfahren noch ein Foto von uns gemacht. Die zweite Hälfte der Strecke geht ähnlich weiter, manche Autos überholen recht eng, wir müssen stark auf die Straße achten, aber es gibt keine Berge mehr! Wir wussten schon fast nicht mehr, wie zügig man vorankommen kann, wenn das Streckenprofil flach ist. Selbst den leichten Gegenwind empfinden wir heute eher als angenehm kühlend, denn die Temperaturen liegen hier wieder höher, so zwischen 23 und 28 Grad Celsius.
Um 13 Uhr, nach etwa 50 Kilometern, kommen wir das erste Mal seit langer Zeit wieder an den Pazifik! Endlich! Und ebenfalls hier fahren wir eine Weile im Windschatten von fünf anderen Radfahrenden auf Mountainbikes und unterhalten uns ein wenig mit ihnen.

Vom Ausnahmezustand, der in allen Grenzregionen Perus zu Ecuador derzeit herrscht (das haben wir gestern in den Reisewarnungen des Auswärtigen Amts gelesen) bemerken wir heute (noch?) nichts. Polizei und Militär haben Sonderbefugnisse, insbesondere was Personen- und Fahrzeugkontrollen betrifft.

Weil es noch relativ früh ist, als wir Zorritos direkt nach dem einzigen 60-Meter-Hügel der heutigen Strecke erreichen und weil unsere Unterkunft etwas weiter südlich in Pinos liegt, wollen wir noch eine Eispause machen. Und obwohl es hier angeblich touristisch ist, finden wir nichts.
Der Weg zum Hotel ist wohl einer Sturmflut zum Opfer gefallen, es gibt ihn nicht mehr. Wir müssen unser Tandem von hinten über einen kleinen Pfad schieben, um dann vor verschlossener Tür zu stehen. Wir klingeln, zwei kleine Mädchen machen die Tür auf und reichen uns ein Telefon: der Vater ist unterwegs, wir dürfen schon hereinkommen und sollen im „Wartesaal“ (sala de espera) im zweiten Stock warten. Das ist im Prinzip eine große, leere Terrasse, aber gut. Es dauert auch nicht lange, bis der Vater kommt, nur weiß er nichts über die Reservierung. Darum kümmert sich immer sein Frau, die aber gerade in Lima ist. Wir sollen ihm die Buchungsbestätigung zeigen. Dann können wir endlich ins Zimmer mit Meerblick!

Hier hat wohl schon länger niemand mehr saubergemacht. Besonders die Dusche ist völlig verdreckt. Für den Preis haben wir eigentlich etwas besseres erwartet, aber nun denn!
Beim Versuch, das Ladegerät in die Steckdose zu stecken, muss Jutta feststellen, dass der Stecker nicht passt. Nanu!? Das Nachschauen im Netz klärt uns auf, dass es in Peru unsere heimischen Schuko-Stecker und 220 Volt-Leitungen gibt. Damit hatten wir nach den vielen Ländern mit denselben Steckern und 110 Volt schon gar nicht mehr gerechnet, haben aber den richtigen Stecker für unser Ladegerät dabei.

Als wir in den Ort losgehen wollen fällt uns auf, dass wir keinen Zimmerschlüssel haben. Die Besitzerfamilie ist wieder nicht da, also schließen wir die Tür von innen, ziehen sie von außen zu und hoffen auf den Schlüssel bei unserer Rückkehr. Wir suchen erst einen Supermarkt (finden einen Minimarkt, bekommen aber unsere Getränke) und anschließend ein Restaurant. Mehrere tragen als Beinamen „touristica“. Wir sind wahrscheinlich einfach außerhalb der Saison hier, denn andere Besucher scheint es hier kaum zu geben. Im „Elena“, direkt neben dem „Selena“ essen wir früh und laufen dann noch im Hellen zurück zum Hotel.

Die Tochter macht uns das Tor wieder auf und wird von uns geschickt, um den Zimmerschlüssel zu besorgen. Sie kommt mit einem ganzen Schlüsselbund und öffnet unsere Tür. Einen eigenen Schlüssel scheint man hier nicht zu bekommen.

Hier in Peru brauchen wir keine Stromabschaltungen zu erwarten (vor der Küste sehen wir Ölbohrinseln die Gas abfackeln ;-)), aber als wir wieder im Zimmer sind und den Wasserhahn aufdrehen, kommt nichts. Wir haben also ab sofort nicht mehr mit „kein Strom“ zu kämpfen, sondern mit „kein Wasser“. Wir lassen den Hahn aufgedreht und die Badezimmertüre geöffnet, um zu hören, wann es wieder fließt. Irgendwann, schon um Einiges später, plätschert es und Jutta freut sich schon. Viktor holt sie in die Realität zurück: das ist nur jemand im Nachbar-Badezimmer, der gerade pinkelt. Die Wand unserer Dusche ist nämlich nach oben offen, und das Badezimmer des Nachbarzimmers ist direkt dahinter, also quasi im gleichen Raum. Hatten wir auch noch nicht, mal schauen, was wir heute Nacht noch so hören werden.

Samstag 12.10.24 – (106) – Zorritos – Máncora

Gesamt: 6.408,90 km

Aufgrund der wenigen Orte und Einkehrmöglichkeiten entlang der heutigen Etappe entscheiden wir uns für ein Frühstück im Hotel, das es aber erst ab 8:30 Uhr gibt. Als wir gegen sieben Uhr aufstehen regnet es doch tatsächlich. Wieder alles richtig gemacht, denn später, als wir losfahren, scheint die Sonne. Und in der Zeit bis zum Frühstück können wir unserem Neffen zum elften Geburtstag gratulieren :-).

Um neun Uhr schieben wir das Tandem über die Sandpiste zur Panamericana und starten in den Tag. Der Sohn des Hauses (im Real Madrid Trikot, von denen er angeblich 50 Stück hat) steht im Grundstücks-Tor, als wolle er uns bei der Abfahrt beobachten, aber leider ist auf dieser Sandpiste nicht an „abfahren“ zu denken.

Die ersten Kilometer geht es durch kleine Küstenorte, die alle ineinander übergehen. Vor einigen Orten liegen Fischerboote im Wasser oder haben am Hafensteg angelegt und laden den Fang aus. Wir nehmen uns keine Zeit, um uns den Trubel genauer anzuschauen, denn wir können noch nicht einschätzen, wie der Wind hier an der Küste uns bremsen wird. Von Felipe und Katya, die wir in Mexiko und Panama getroffen haben und die schon in Lima angekommen sind, wissen wir, dass der Wind in dieser Gegend nachmittags recht heftig werden kann. Und wir sind ja heute eher spät unterwegs.

Als die Küstenorte enden geht es durch wüsten- und steppenartiges Gebiet immer am Pazifik entlang. Der Blick aufs Meer ist oft unverstellt und wir können den Ausblick genießen. Die Landschaft ist allerdings eher trostlos und der viele Müll am Straßenrand trübt die Aussicht etwas. Irgendwann kommen wir an großen, künstlich angelegten Seen vorbei, bei denen wir uns nicht sicher sind, ob dort Fische gezüchtet werden oder vielleicht Salz gewonnen wird. Eine Recherche am Abend ergibt, dass es sich wohl um eine riesige Langusten-Farm handelt. Jedenfalls sagt Google-Maps, es sei eine Langostinera und wir finden auch eine passende Webseite.

Kurz danach passieren wir ein großes, von der Sonne bereits sehr ausgebleichtes Schild von ACCOR/Novotel, auf dem ein großes Hotel-Resort angekündigt wird. Wir sehen weit und breit keine Bautätigkeit. Die abendliche Recherche ergibt, dass hier Ende 2024 ein großes neues Hotel in Betrieb gehen sollte, jetzt ist es für 2026 geplant. Ihr könnt übrigens noch in das Projekt investieren ;-).

Erst bei Kilometer 28 gibt es so etwas wie eine Einkehrmöglichkeit, wir trinken zwei Limonaden, denn Kaffe gibt es nicht. Bei Kilometer 35 dann endlich ein kleines Restaurant direkt am Meer, wo wir eine längere Pause einlegen und Viktor sich eine Langusten-Tortilla genehmigt.

Es geht heute mehrere Male über viele Kilometer schnurgeradeaus. Der erwartete Wind wird ab vormittags immer stärker und kommt aus Südwest. Wenn man dann ewig geradeaus mit Gegenwind fährt, wünscht man sich ab und zu Kurven. Als wir die Küste verlassen, haben wir zwischendurch andere Himmelsrichtungen, jeah. Und gegen Ende kommen unerwartet einige Hügel, nichts Schlimmes, aber in Kombination mit dem Wind will der Captain so etwas bitteschön vorher wissen.

Die Auto- und LKW-Fahrer überholen uns fast ausnahmslos mit großem Abstand, und am ganzen Tag gab es keine Hunde, die uns bellend vefolgt haben. Beides haben wir anders erwartet.

Wir würden gerne eine Eiseinladung wahrnehmen, kommen aber an keiner Möglichkeit vorbei. Am Zielort Máncora soll es dann so weit sein, bevor wir zum Hotel fahren. Und obwohl es hier sehr viele Hotels gibt, empfängt uns die Stadt mit Sandstraßen, und auf der Suche nach einem Supermarkt (Eisdiele schließen wir mal gleich aus) schickt man uns zu einer Markthalle, in der der „Supermarkt“ einige kleine Stände am Rand des Gebäudes sind. Der Blick in Google Maps ergibt, dass der nächste richtige Supermarkt 21 km entfernt ist – hier in der Stadt gibt es nur kleine Tiendas.

Unser Hotel liegt ganz im Süden von Máncora – wir passieren noch einige Souvenier-Geschäfte und Restaurants, es gibt also wohl einen touristischen Teil – und wir haben Strandzugang direkt aus dem Zimmer. Zum Surfen, Kitesurfen, SUP, Schnorcheln und Tauchen ist es hier sicher schön, wir nutzen diese Angebote leider gar nicht.

Nach dem Duschen gehen wir schon bald zurück in den Ort, wo wir ein Café mit vielen veganen Angeboten gesehen haben. Als wir es wiedergefunden haben, essen wir, kaufen hinterher gegenüber in einem Miniladen Getränke und passen heute auf, dass das Wasser nicht wieder versehentlich mit Sprudel ist – gestern ist uns das passiert, denn hier sind die Flaschen dieselben, in Ecuador unterscheidet sich die Optik ganz stark.

Sonntag 13.10.24 – (107) – Máncora – Talara

761 m Anstieg

Gesamt: 6.494,12 km

Heute ist einer jener Radfahrtage, bei denen Du am Ende nicht weißt, ob Du ihn Dir lieber gespart hättest, oder ob er sich vielleicht doch irgendwie gelohnt hat. Aber der Reihe nach.

Geplant sind für heute so um die 70 Kilometer immer an der Küste lang. Komoot zeigt an, das wir überwiegend Asphalt und „Straßenbelag“ zu erwarten haben. Deshalb nehmen wir das Frühstück im Hotel um 8 Uhr noch mit und machen uns gegen 9 Uhr auf den Weg. Vor dem Frühstück treffen wir beim Packen unseres Rades noch Sergio und seine Familie aus Lima, die hier Urlaub gemacht haben. Er fährt selbst jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit, wohnt in Miraflores in Lima und warnt uns vor den respektlosen peruanischen Autofahrern, die für Radfahrer lebensgefährlich sein können. Wir berichten von den ersten Tagen in Peru und davon, dass wir positiv überrascht sind, mit welchem Sicherheitsabstand wir hier bisher überholt wurden. Wir tauschen Telefonnummern aus, und sollen uns melden, wenn wir in Lima Hilfe benötigen.

Die ersten zehn Kilometer sind ereignislos, wir fahren in den kleinen Ort „Los Organos“ und halten für eine Toilettenpause an der „Petroperu“-Tankstelle. Wir werden dort sofort von einem Hund angebellt, der aber von einer Tankwärterin zurückgerufen wird, und Viktor macht noch den Witz „Ja, ja … wir wurden schon gewarnt, dass die Peruanischen Hunde die schlimmsten in Lateinamerika sind“. Während Jutta das WC besucht, fragt Viktor bei den Tankwärtern nach, ob die geplante Strecke an der Küste vollständig asphaltiert ist, da wir für diese Streckenführung die Panamericana verlassen müssen. Beide, Tankwärter und Tankwärterin, bestätigen einhellig, dass die Strecke vollständig asphaltiert sei und sogar in besserem Zustand als die Panamericana. Jutta, die genau das schon vermutet hatte, grinst stolz.

Ein paar Minuten nachdem wir weitergefahren sind, hören wir von hinten die heulende Sirene eines Polizeiwagens. Wir halten uns ganz rechts und fahren weiter, aber es gibt hier keinen Standstreifen, auf den wir ausweichen könnten. Neben der Straße liegen Schotter, Glasscherben und vor allem Müll in allen Formen und Farben. Als der Polizeiwagen uns mit sehr geringem Sicherheitsabstand überholt, winkt der Beifahrer heftigst aus dem Fenster, ruft „a la derecha“ und macht Handbewegungen, die eindeutig anzeigen sollen, dass wir gefälligst in den Müll fahren oder darin stehen bleiben sollen. Wir sind geschockt! Der nachfolgende überbreite Panzertransporter, für den der Polizeiwagen offenbar die Strecke freimacht, hat uns da längst mit großem Sicherheitsabstand überholt und hat damit mehr Rücksicht gezeigt als die Polizei. Viktor ist so sauer, dass er abends unbedingt noch auf Facebook eine Beschwerde in die städtische „Los Organos“-Gruppe schreiben will, falls eine solche existiert.

Wenig später erreichen wir die Abzweigung zur Küste und fahren Richtung Playa El Ñuro, einem kleinen Örtchen, in dem man offenbar mit Wasserschildkröten schwimmen kann, jedenfalls stehen überall entsprechende Schilder. Kurz vor der Abfahrt zum Parkplatz und zum Steg, von dem die Touren abgehen, führt eine ungeteerte Schotterstraße links in Richtung Küste. Na das kann ja unmöglich „unsere“ Straße sein, denn die ist ja durchgängig asphaltiert … denkste! … das wäre sie gewesen. Wir machen unten in der Nähe des Stegs ein Kaffeepause (mit übersüßtem Kaffee) und erkundigen uns bei der Betreiberin des Nachbar-Restaurants. Sie bestätigt, dass die Küstenstraße überall aus Sand und Schotter besteht (sie nennt es Trocha) und definitiv NICHT asphaltiert ist. Na vielen Dank, liebe Tankwarte! War das eine Retourkutsche für Viktors Hundewitz, wussten sie es einfach nicht besser? Aber warum sagen sie dann nicht einfach: „Wissen wir nicht“. Ist das so ein kulturelles Ding? Sie wollen freundlich sein und helfen, geben einem dann aber unbrauchbare Informationen, die sogar für uns gefährlich werden könnten? Wir haben nur eine begrenzte Menge Getränke und Nahrung dabei. Wenn wir erst nach 30 oder 40 Kilometern merken, dass wir nicht mehr weiterkommen, könnte das echt unangenehm werden. Heute müssen wir nur knapp 2 Kilometer zurückfahren und eine zehn Kilometer längere Strecke über die Panamericana fahren. Alles machbar … also eigentlich …

Zunächst müssen wir nämlich über einige Serpentinen hoch auf eine Hochebene fahren. Und auf eine ganze Stunde bergauf sind wir eigentlich nicht gefasst – wir sind doch nicht mehr in den Anden. Da Viktors Handy in der ganzen Gegend kein Netz hat, fahren wir ohne Navigation, wissen also nicht, was uns erwartet. Lange unvorhergesehene Steigungen machen Viktor üblicherweise ziemlich grantig. Nach der Stunde Dauersteigung liegt oben „El Alto“, und an der Panamericana liegt eine Tankstelle mit Services. Wir halten! Das Essen sieht sehr unappetitlich aus, der Schlüssel von der Damentoilette ist verloren, das Herrenklo ist ohne Wasser, aber es halten eine Menge Menschen und finden es offenbar gut hier.

Die über dreißig Kilometer auf der Hochebene gehen fast nur geradeaus, rechts und links ist Wüste und ab und zu ein Ölbohrturm. Die Sonne brennt, und der Wind kommt quasi ständig von vorne. Dass es hier die ganze Zeit leicht bergab geht, merken wir ersten Abends, als wir uns das Streckenprofil anschauen. Durch den Gegenwind haben wir den Eindruck, dass es eher eben oder leicht bergauf geht. Als schattiges Plätzchen zum Pausieren dient eine Mini-Kapelle/ein großer Schrein (?) für einen verunglückten Autofahrer, weil es einfach nichts anderes gibt. Uns fällt auf, dass es hier mit dem Müll am Straßenrand noch schlimmer zu sein scheint als in Mexiko: wir fahren (aber nicht nur hier auf der Hochebene) scheinbar durch eine riesige Müllkippe. In praktisch allen Pflanzen, Büschen und kleinen Bäumen entlang der Strecke haben sich hier Plastiktüten, Folien und ähnlicher Müll verfangen, und flattert im Wind. Vermutlich rottet das Zeug dort seit Jahren langsam vor sich hin. Einiges ist schon so zerfasert, dass es aussieht wie Lametta. Es ist ein Anblick wie aus irgendeinem dystopischen Weltuntergangsfilm.

Plastik im Busch im Wind

Aber als wir plötzlich zur Abfahrt von der Hochebene ins Tal kommen, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: der Blick ist einmalig! Hier liegt auch gar kein Müll! Leider sind wir ganz schnell unten!

Der Nachmittag ist schon weit fortgeschritten, und wir wissen immer noch nicht, wie weit es noch ist. Irgendwas zwischen 80 und 90 km wird wohl zusammenkommen, schätzt unsere Navigatorin. Da es nur diese eine asphaltierte Straße gibt, können wir uns wenigstens nicht verfahren! Bis irgendwann doch ein Abzweig kommt, an dem „Talara“ steht. GoogleMaps zeigt zum Glück auch Offline an, dass dieses eine kleine Nebenstraße ist, die wir nicht ausprobieren werden. Weiter geht es also in Richtung Sullana, und es wird noch einmal richtig hügelig. Dank dem „Venturi-Effekt“ ist der Gegenwind hier zwischen den Hügeln rechts und links besonders stark. Glücklicherweise haben wir aus den Höhen der Anden noch so viele rote Blutkörperchen mitgebracht, dass uns zumindest das Atmen leicht fällt.

Am riesigen städtischen Friedhof von Talara biegen wir rechts ab. Die Stadtgrenze ist noch über fünf Kilometer entfernt, und dort müssen wir erst einmal komplett um den Militär-Flughafen herumfahren, bis wir in Richtung des Hotels abbiegen können. Dieses liegt nämlich so, dass wir auf der Route am Wasser direkt daruf zugefahren wären. Es ist knapp halb sechs, als wir einchecken. Gleich um die Ecke gehen wir bei „Entre Patas“ essen, bevor wir duschen und uns für den Blog an den Schreibtisch setzen.

Ölbohrturm – dazu fällt Viktor noch dieser hier ein: