Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Woche 16 (15.7.24 – 21.7.24) – Aguadulce – Panama City

Montag 15.7.24 – (072) – Aguadulce – Anton

Gesamt: 4.459,98 km

Wir packen morgens das Tandem im Zimmer und bringen es vor das Hotel, um zum Frühstücksstart um 6:30 Uhr ins Hotelrestaurant zu gehen. Das „Cerrado“-Schild wird pünktlich umgedreht zur „Abierto“-Seite, wir treten ein und müssen erfahren, dass es nur Kaffee gibt, weil die Köchin noch nicht eingetroffen ist. Die Dame kann auch nicht sagen, wann das der Fall sein wird. Also gehen wir gegenüber beim CrossMarket furchtbar fettige Käse-Empanadas (eine mit weißem, eine mit gelbem Käse) frühstücken und fahren danach los. Der Weg auf die andere Seite der Panamericana ist recht beschwerlich und hat so gar nichts von Barrierefreiheit. Was man als Fußgänger hier in Mittelamerika als Fußweg angeboten bekommt, ist schon ziemlich speziell:

Zeitraffer Überquerung Panamericana (empfohlene Abspielgeschwindigkeit 0,25)

Wir haben in ganz Mittelamerika erst einen Menschen gesehen, der seinen Rasen mit einem Rasenmäher gemäht hat. Oft wird das Gras mit Macheten geschnitten, oder aber mit solchen Motorsensen, die häufig kleine Steine in unsere Richtung schleudern, wenn wir zu nah daran vorbeifahren, auch schon mal in Augenhöhe. Heute ist gerade wieder ein Sensenmann morgens vor dem Hotel aktiv und wird von Viktor festgehalten.

Motorsensenmann wirbelt Staub auf

Es ist Montagmorgen, die Straße ist zumindest hinter Aguadulce noch sehr voll – immerhin haben wir Asphalt und keine Betonplatten. Heute verläuft die Panamericana in einem großen Bogen gegen den Uhrzeigersinn, und teilweise haben wir heute etwas stärkeren Wind von vorne. Von der Aussicht her ist der Himmel fast abwechslungsreicher und interessanter als die Erde – immer wieder wechselnde Wolkenformationen. Leider müssen wir aber meistens beide konzentriert auf die Straße achten, die nur an wenigen Stellen wirklich gut ist, um alle Schlaglöcher, Äste, Schrauben und andere Eisenteile rechtzeitig zu sehen.

Nach ca. 20 Kilometern machen wir die erste Pause. Nachdem am Straßenrand der beste Kaffee auf dem ganzen Weg („Mejor Café del Camino“) angepriesen wurde, trinken wir zwei …. Apfelschorlen, weil es das erste Mal überhaupt ist, dass es dieses in Deutschland so verbreitete Getränk hier zu kaufen gibt (unsere Neffen wollten immer welche bestellen, ohne dass es sie z.B. in Costa Rica gab). Das Zeug heißt „Kist“ und trägt zusätzlich auch noch das Fanta-Markenzeichen.

Jutta liest auf dem Tiefkühler unter anderem das Wort „Duros“ (Harte), schaut hinein und sieht viele kleine zugeknotete Klarsichttüten mit verschiedenfarbigem Inhalt. Sie hat schon seit längerem vermutet, dass sich jene hinter dem Wort „Duro“ verbergen. Viktor erkundigt sich nach den Sorten (sie kommen aus eigener Herstellung) und probiert eines mit Kokos. In ganz Mittelamerika haben wir oft Menschen mit so kleinen Tüten auf der Straße gesehen, an denen sie gelutscht haben. Jetzt wissen wir, dass das preiswerte, hausgemachte Eis-„Duros“ waren. Im Supermarkt haben wir auch schon die Polypropylen-Tüten entdeckt, die man dafür benötigt.

Seit mehreren Tagen, wahrscheinlich seit wir in Panama sind, haben wir immer mal wieder blaue Herzen mit einer Art Funksignalzeichen auf den Wegen oder Straßen gesehen und bislang gedacht, das wäre Werbung für Tigo – ein Mobilfunkanbieter hier. Heute haben wir allerdings bemerkt, dass sie ganz unterschiedlich häufig sind UND dass jedes Mal auch ein Kreuz am Straßenrand oder im Gebüsch daneben steht :-(. Kurz vor dem Etappenziel in Anton sehen wir auf der Straße vor einer Brücke eine große Zahl dieser Herzen und das Datum 5.3.2017. Wir wissen sofort, dass hier ein Busunglück passiert sein muss, und so ist es auch.

Daraufhin haben wir die Idee, dass man ja auch in Deutschland etwas Ähnliches machen könnte (besonders dort, wo Radfahrer verunglückt sind, nachdem dort zunächst für 12 Monate ein weißes Geisterrad steht und dann entfernt werden muss, oder vielleicht auch auch für alle im Straßenverkehr Gestorbenen).

Als rechts eine terpel-Tankstelle mit „Va & Ven“ – Shop auftaucht, machen wir eine ausgiebigere Pause, in der wir auch Radläden in Panama Stadt anschreiben, die leider nicht willig sind, für uns Ersatzteile zu bestellen. Wir drücken ordentlich auf die Tränendrüse, aber sie haben einfach keinen Bock und behaupten, sie hätten Lieferzeiten von sechs Monaten für einen 3 Meter langen Schaltzug von Shimano. Außerdem verabreden wir uns locker mit dem Pärchen (Felipe und Katya, er Chilene, sie Russin), die wir in Mexiko mit dem Auto überholt hatten, und die auch Ende der Woche in Panama City ankommen wollen.

Die Weiterfahrt führt uns erst durch eine ziemlich große Stadt (Penonomé), in der wir uns fragen, warum hier die Städte alle so hässlich sind, und dann weiter auf schlechter Straße. Der Seitenstreifen ist wieder sehr vermüllt, oft auch vollständig mit Gras zugewachsen oder wird von Pflanzen überragt. Vor jeder Brücke endet der Seitenstreifen sowieso und wir müssen auf die Fahrspur. Von hinten kommen die Autos, Lastwagen und Busse mit 80 bis 100 km/h angerauscht. Der kleine Seitenspiegel am Lenker ist bei diesen Manövern mittlerweile eine unbezahlbare Lebensversicherung.

An einer Stelle sind wir gerade wieder auf der rechten Fahrspur, als große Querrillen mit schon von Weitem deutlich sichtbaren Stufen auf uns zukommen. Wir wollen auf den Seitenstreifen ausweichen, der mit Gras bewachsen, aber immerhin halbwegs vorhanden ist. Bei diesem Ausweichmanöver rollt unser Vorderrad gefolgt vom Hinterrad in einen mehrere Zentimeter breiten und tiefen Riss zwischen Fahrspur und Seitenstreifen, aus dem das Gras wächst. Es war einfach nicht erkennbar, dass dort solche breiten und tiefen Risse sind. Jetzt wissen wir, dass wir bei Gras am Straßenrand lieber vorsichtig sein sollten).

Das war knapp! Dass wir nicht gestürzt sind, ist eigentlich ein Wunder und vermutlich Juttas intuitiver und schneller Gewichtsverlagerung zu verdanken. Das zweite Wunder ist, dass beide Felgen das Ganze bei vollbeladenem Tandem offenbar schadlos überstanden haben. Wir haben bisher jedenfalls keinen Speichenbruch oder anderen Schaden entdeckt.

Viktor trägt auf Juttas Vorschlag die Gefahrenstelle bei I-Overlander ein, und glücklicherweise ist anschließend der Reifen noch fest. Wir hatten eigentlich mit einem Platten gerechnet, können aber weiterfahren.

Nur aufgrund dieser zeitlichen Verzögerung kommen wir gerade an einer „terpel“-Tankstelle vorbei, als die ersten Tropfen eines starken Gewitters herunterkommen. Wir stellen uns und das Tandem ganz schnell regensicher unter! Wären wir hier schon vorbeigefahren, wäre bis zum Etappenziel keine Möglichkeit zum Unterstellen mehr gekommen. Das Gewitter ist direkt über uns, Blitz und Donner erfolgen gleichzeitig. Wir bestellen uns noch einmal etwas zu Trinken, um das Gewitter abzuwarten. Plötzlich ist alles dunkel und leise (bis auf irgendein Handy im Raum, das noch Musik abspielt) – Stromausfall – und dann beginnt nach der nächsten Blitz-Donner-Kombi draußen auf dem Parkplatz die Alarmanlage eines Autos zu jaulen, vermutlich ausgelöst durch den verdammt heftigen Donner direkt über uns. Wir waren wieder mal zur rechten Zeit am rechten Ort!

Regenradar kurz nach dem Gewitter

Wahrscheinlich hat uns der Beinahe-Sturz vor dem Blitzschlag gerettet! 😉

Nach dem Regen sind es nur noch ein paar Kilometer bis Anton, und unser Hostal Las Catalinas ist schnell gefunden.

Es ist ein Bau aus der Kolonialzeit von 1913, und überall sind schöne Fliesen, es gibt einen schönen, überdachten, liebevoll eingerichteten Innenhof. Direkt nebenan ist die Kirche, und wir hören die ganze Zeit Gesang, erst nur Einzelne, abends dann einen Chor. Nach dem Duschen machen wir in glühender Hitze noch einen kleinen Rundgang, finden leider aber noch kein Restaurant für abends, das uns beiden richtig zusagt, und auch die beiden Heladerias, die es laut Google geben soll, gibt es nicht mehr. Also ruhen wir uns aus bzw. schreiben schon einmal am Blog und gehen abends dann zur Hauptstraße in die größte Fast-Food-Kette Panamas: „Pio Pio“, wo uns die Hotelangestellte heute morgen schon zum Frühstück hat hinschicken wollen (in Aguadulce natürlich, nicht hier in Anton).

Dienstag 16.7.24 – (073) – Anton – Coronado

Gesamt: 4.511,85 km

Als wir um kurz vor sechs im Halbdunkel zum Vordertor des „Hostal Las Catalinas“ kommen, ist dieses verschlossen. Uns fällt auf, dass wir gestern garnicht angekündigt haben, dass wir um sechs Uhr losfahren wollen. Aber es kommt sehr schnell eine Mitarbeiterin zum Aufschließen, so dass wir ohne Verzögerung starten können. Die Straße ist immer noch eher schlecht, auch wenn sich der Belag alle paar Kilometer verändert. Entweder die Betonplatten (mit Abständen und Absätzen), Asphalt (mit Schlaglöchern) oder ganz dünn auf die Betonplatten aufgetragener Asphalt mit Querrissen. Und der heutige Tag geht unentwegt auf und ab, nie richtig steil hoch, aber trotzdem etwas nervig. Rechts und links auch eher langweilige Landschaft, mal ein paar Mangobäume zwischendurch, einige Teak-Bäume, ein paar Weiden mit Pferden.

In Rio Hato wollen wir frühstücken, die dortige Tankstelle an der Bushaltestelle ist sozusagen ein kleines Mobilitätszentrum, aber bei der einzigen dortigen Möglichkeit zu Frühstücken wird die italienische Kaffeemaschine nur noch als Regal eingesetzt, und auf fettgebackene Empanadas haben wir heute auch nicht schon wieder Lust, also kaufen wir eine Art Brot und holen unsere Frühstückstüte aus der Radtasche.

Schade … nur noch ein Regal

Weiter geht`s! Man kann nicht gut in die Landschaft gucken, erstens wegen der schlechten Straße, zweitens, weil an beiden Straßenrändern mannshohe Büsche die Sicht versperren – manchmal stehen Bäume direkt dahinter, dann sieht man immerhin die Kronen.

In San Carlos wollen wir es noch einmal mit Kaffee und ggfs. Frühstück versuchen, aber im ganzen Ort ist wieder nichts Brauchbares, zumindest direkt an der Panamericana. Kurz danach ist auf der Gegenseite ein kleines Restaurant. Wir lassen das Tandem auf unserer Seite stehen und überqueren den Mittelstreifen – ein LKW-Fahrer tut das Gleiche. Reis/Pinto gibt es erst ab 11, aber es gibt Tortilla und Yuka. Wir teilen uns eine Portion. Und dann ist geplant, beim nächsten Va & Ven (Raststätten an den terpel-Tankstellen) eine längere Pause zu machen, weil wir uns zu 13 Uhr in der Unterkunft angemeldet haben, und sonst viel zu früh wären.

Ja, und planen kann man viel, aber Pläne kann man auch über den Haufen werfen. Erst einmal kommen uns zwei Bikepacker entgegen. Wir halten alle vier an und treffen uns auf unserer Seite. Pierre ist Franzose, vor eineinhalb Jahren in Ushuaia gestartet und auf dem Weg nach Kanada. Carmen (?) kommt aus Ecuador, ist vor zwei Tagen gestartet, auf dem Weg nach Mexiko und hatte bislang maximal sieben Kilometer an einem Tag gefahren (jetzt schafft sie schon 40km).

Zweitens bemerken wir ein paar Kilometer weiter, an einer Einfahrt zu einer Shopping-Mall, dass sich das Tandem komisch lenken lässt – der nächste Platten vorne! Wir schieben es zu einem Bordstein, um den Schlauch zu wechseln, und werden sehr schnell von einem Mann unterstützt, der eigentlich an dem angrenzenden Taxistand zu arbeiten scheint. Er heißt Eden, ist ehemaliger Profi-Mountain-Biker, und bekommt mit bloßen Händen den Mantel in wenigen Sekunden von der Felge gezogen. Eine Aufgabe, für die wir mit drei Reifenhebern normalerweise ein paar Minuten brauchen. Alleine für das Auspacken der Reifenheber aus den tiefsten Tiefen unserer Radtaschen brauchen wir ja schon Ewigkeiten.

Das Loch liegt (zum zweiten Mal seit Kilometer 3.000 in León) innen direkt neben dem Ventil. Daraufhin untersucht Eden die Felge und zieht dazu das Felgenband ab. Donnerschlag! – die Felge ist quasi rundherum gebrochen, teilweise „nur“ ein Riss, teilweise fehlen aber ganze Stückchen Aluminium! Wir sehen Panama-Stadt und die ganze Weiterfahrt in Gefahr, aber er meint, mit Isolierband beklebt (um den Schlauch zu schützen) könne man damit erst einmal weiterfahren, um sich in Panama Stadt (noch ca. 90 Kilometer) um eine neue Felge zu kümmern. Der tragende Teil der Felge scheint ja weiterhin halbwegs stabil, denn das Vorderrad läuft noch völlig rund und die Speichen sind alle fest.

Eden nennt auch gleich einen Laden (Trillo Armadillo), den er uns empfiehlt, und das ist keiner von denen, die uns schon für die Schaltzüge oder Schläuche ein Absage erteilt haben. Wir sollen einen schönen Gruß von ihm ausrichten, wenn wir den Laden kontaktieren. Das ist vermutlich das größte Geschenk, das uns Eden heute macht, denn der Besitzer (Alejandro) reagiert später auf die erste WhatsApp sofort sehr positiv und mit großer Hilfsbereitschaft.

Viktor kauft also in einer Ferreteria um die Ecke Isolierband, Eden wickelt es ein paar Mal um die Felge und macht uns dann das ganzen Vorderrad fertig, inklusive Aufpumpen. Anscheinend hat er richtig Spass daran! Auch möchte er anschließend nicht einmal von uns zum Kaffee eingeladen werden. Stattdessen zeigt er uns auf seinem Handy ein paar Fotos von seinen Siegen und von seinen Kindern, die auch MTB fahren. Welch eine positive Erfahrung trotz aller widrigen Umstände!

Wieder einmal waren wir genau am richtigen Ort, als uns das passiert ist! Und das wahrscheinlich nur, weil wir vorher die beiden Bikepacker getroffen haben und wir uns alle gemeinsam entschieden, stehen zu bleiben und ein wenig zu quatschen. Es hätte uns wirklich schlimmer treffen können!

Aber jetzt stehen wir vor einem Problem und einer größeren Entscheidung: Wir brauchen eine neue Vorder- und eventuell auch eine neue Hinterradfelge. Sie sind extra stark mit 32/36 Speichen, und wir warten noch darauf, ob der Laden in Panama sie überhaupt besorgen kann, und wenn ja, wie lange das dauert. Und in einer Woche geht (eigentlich) unser Boot in Richtung Kolumbien. Von dem werden wir an einem Strand in Sapzurro (Kolumbien) „ausgesetzt“, wo es keine richtigen Straßen gibt und müssen irgendwie über einen Wanderweg oder mit einem kleinen Boot (Lancha) nach Capurganá kommen, wo man wieder auf ein kleines Boot nach Necoclí steigen kann.

Darüber denken wir jetzt auch einmal detaillierter nach und finden alleine keine wirkliche Lösung. Außerdem wollen wir eigentlich gerne noch in den Norden bis nach Cartagena über Wasser (oder auch über Land) fahren, denn die Stadt soll ein kleines architektonisches Juwel aus kolonialen Zeiten sein. Gerade gestern hat Jutta eine in Berlin lebende Kolumbianerin (Andrea) gefragt, ob sie eine Möglichkeit kennt, wie wir von Necoclí nach Cartagena kommen können. Und heute hat sich plötzlich die Möglichkeit aufgetan, mit einer anderen Agentur direkt von Panama (auch über die San Blas Inseln) nach Cartagena zu schippern. Das wäre ohne mehrmaliges Umsteigen (Boote, Fähren, Busse, etc.), ohne das Einpacken des Tandems in einen Karton und ohne diese unsichere Lücke in Sapzurro möglich. Diese Entscheidung müssen wir in den nächsten Tagen fällen (aber erst einmal müssen wir wissen, was mit der kaputten Felge passiert), und wir nehmen gerne auch Ratschläge von Außenstehenden entgegen – zögert also nicht zu kommentieren – was sollen wir tun?

Pünktlich um 13 Uhr kommen wir beim „Dharma Casa Holistica“ an, wo wir kein Zelt (wäre auch möglich), sondern einen Bungalow gebucht haben. Wir duschen und laufen zu einem Starbucks, das wir etwa einen Kilometer vor der Ankunft gesehen hatten. Dort in dem Shopping Center Coronado treffen wir auf ein Deutsches Pärchen, das vor einem Jahr hierher ausgewandert ist, um der ganzen politischen Situation in Deutschland zu entkommen, und sie erzählen uns von etwa 30 Deutschen Pärchen hier in der nähreren Umgebung, die sich regelmäßig treffen. Sie gehen gerade zu einem Italiener essen. Diesen suchen wir uns für abends auch schon einmal aus, gehen aber zwischendurch noch einmal ins Zimmer.

Gegenüber von unserer Unterkunft werden Pflanzen verkauft. Manche kosten einen Dollar, manche auch einen Balboa. Schon gestern ist in Anton ein Auto durch die Straßen gefahren, dessen Fahrer gelbe und grüne Bananen (hier heißen sie wieder alle „Platanos“ – die zum roh essen „gelbe“ Bananen, die zum Kochen „grüne“ Bananen) und Eier angepriesen hat. Die Bananen gab es „vier für einen Dollar“, die Eier „30 für fünf Balboa“. Der Kurs ist genau 1:1 (fest gekoppelt), und von den Balboa gibt es ja bloß Münzen (s.o.) – welchen Sinn genau ergibt es, die Dinge so auszupreisen? Wir wissen es nicht!

Das Essen beim Italiener (drinnen in geschlossenem Raum ohne Mückenalarm, klimatisiert, bei Europäischer Musik – z.B. Eric Clapton) ist – so traurig dies auch ist – gerade nach so einem Tag, richtig schön. Und lecker ist es auch, obwohl Viktor statt der georderten „Gnocchi Quattro Formaggi“ die „Penne Quattro Formaggi“ bekommt. Er vermutet, dass er „Gnocchi“ wieder einmal anders ausgesprochen hat, als hier üblich, aber das stimmt nicht, wie hinterher mit dem Kellner geklärt wird, den Viktor nach der ortsüblichen Aussprache von „Gnocchi“ fragt. „Warum verstehen die mich hier so schlecht?“ fragt sich Viktor zum X-ten Mal.

Mittwoch 17.7.24 – (074) – Coronado – La Chorrera

Gesamt: 4.569,22 km

Schon vor dem Frühstück um 6:30 Uhr geht Jutta das Fahrrad packen und stellt fest, dass das Vorderrad schon wieder platt ist. Na toll! Also ist schon beim Frühstück Thema, ob wir evtl. lieber mit einem Auto nach Panamá fahren sollten, weil die Felge muckt. Die Mitarbeiterin der Unterkunft – Isabel aus Kolumbien – ist erst seit zwei Monaten hier. Sie wirkt eher wie Mitte 20, hat aber mit 38 Jahren schon zwei Kinder, 22 und 19 Jahre, die in Kolumbien bereits auf eigenen Beinen stehen. Isabel möchte langfristig nach Israel oder Europa auswandern, macht uns Vorschläge und leidet mit uns. Viktor lädt sie in unser Gästezimmer ein, falls sie es irgendwann nach Berlin schaffen sollte, und sie freut sich total.

Wir machen uns daran, das Vorderrad wieder einmal auszubauen. Dummerweise haben wir das Loch von gestern noch nicht geflickt und keinen neuen Schlauch mehr. Jutta beginnt also schon einmal mit dem Flicken des Schlauchs von gestern, bevor Viktor ihr den gerade ausgebauten bringt.

Sie sucht und sucht nach dem Loch, findet aber nichts. Erst als Viktor das Ventil im Waschbecken unter Wasser drückt ist die Problemstelle gefunden. Der Ventileinsatz sitzt locker. Zum Glück haben wir das richtige Werkzeug dabei, um ihn festzuziehen. Danach ist wieder alles dicht. Bei Viktor kommt dabei die Erinnerung aus den tiefsten Tiefen des Gedächtnisses hoch, dass sein Vater ihm schon im Kindesalter beigebracht hatte, immer erstmal etwas Spucke auf das Ventil zu geben und zu schauen, ob sich Blasen bilden. Dann kann man sich nämlich das Ausbauen des Rades und das mühsame Herausholen des Schlauches vielleicht sparen. Heute wäre das der Fall gewesen. Lehre von heute: Väter haben immer Recht. 😉

Wir kommen erst nach 11:30 Uhr los, da wir den weiteren Vormittag mit Umplanungen, Umbuchungen und umfangreicher Kommunikation verbingen, um die Ersatzteile zu besorgen, die wir in Panama-Stadt für unser Tandem benötigen. Wir prüfen die Möglichkeiten einer Bestellung in Deutschland mit Express-DHL-Versand nach Panama. Unser Sohn Julius erklärt sich trotz schlechter Erfahrungen mit dem Paket nach Kolumbien bereit, notfalls ein Express-Paket nach Panama zu packen. Derzeit sieht es aber eher so aus, als würden die Ersatzteile schneller aus den U.S.A. nach Panama kommen.

Da es am Vormittag auch ordentlich regnet und wir der angeknacksten Felge nicht so richtig trauen, überlegen wir lange, ob wir nicht doch einen Mietwagen oder einen Taxitransport (inklusive Tandem) nach Panama-Stadt in Anspruch nehmen. Als der Regen aufhört und wir alles geregelt haben, was derzeit zu regeln ist, steigen wir doch aufs Rad und geben der Felge eine Chance.

Gute Nachricht: sie hält! Auch mit einer ringsum gerissenen Felge kann man sogar auf schlechter Straße noch fahren. Die Strecke ist nicht schön, und da oft ein Ort an den nächsten grenzt, fehlt auch meistens der Seitenstreifen – in Ortschaften fehlen die grundsätzlich, manchmal zugunsten eines Fußweges, aber eben nur manchmal. Zwischen Kilometer 10 und 20 geht es über einen höheren Berg, und wir sehen auf der langsamen Auffahrt vor uns schon wieder Gewitterwolken. Ziemlich weit oben, beim Umfahren des Berges, hat man doch einmal einen schönen Blick auf Natur, Berge und Wasser, nur, dass vor dem schönen Panorama noch eine Autorennstrecke liegt, die das Bild etwas stört (Autodromo Panamá Salajices). Glücklicherweise sind wir schon auf der Abfahrt als es anfängt zu tröpfeln und schaffen es rechtzeitig unter das Dach eines Restaurants (Campo Alto), bevor es richtig schüttet. Obwohl es schon nach 14 Uhr ist, kann Viktor noch Frühstück bestellen und entscheidet sich als Beilage für „Hojaldres “ aus Maismehl, die ihm wesentlich mehr munden als die hiesigen „Tortillas“ (ebenfalls aus Maismehl, aber mit langweiligem Geschmack). Der Regen hört fast auf – wir fahren weiter.

Am Ortseingang von La Chorrera, unserem Zwischenziel vor Panamá Stadt, halten wir an einem Supermarkt mit einem McDonalds-Nachtisch-Stand, um noch etwas Kaltes zu konsumieren und mögen dort das Tandem nicht außer Sichtweite lassen. Das Publikum wirkt nicht sehr vertrauenswürdig, und die ganze Umgebung ist ziemlich voll, zugemüllt und eigentlich kein guter Ort, um Pause zu machen. Aber wir müssen noch durch die ganze Stadt, die Straße ist ein einziger Stau, und es geht immer noch auf und ab, fast wie in San Francisco oder hinter Acapulco, denken wir noch.

Am (vermeintlichen) Ziel angekommen, stehen wir am Eingang einer Gated-Community, und es ist kein Hotel America weit und breit zu sehen. Ein Anwohner kennt es nicht einmal. Kein Wunder: auch wenn der Pin bei Google genau hier ist (und Komoot uns deshalb hierhin navigiert hat) – das Hotel liegt auf der anderen Seite der Stadt, dort wo wir vor über einer Stunde hineingefahren sind. Viktor hat im Hotel angerufen und den Standort per WhatsApp geschickt bekommen (kurz denken wir, eine Unterkunft in der Nähe zu nehmen, aber es gibt nur zwei Hotels, die fast nebeneinander liegen, in dieser großen Stadt). Wir fahren, etwas genervt, den ganzen Weg durch die Stadt wieder zurück, hätten das Hotel auf dem Hinweg aber auch nicht sehen können, da zwischen den beiden Einbahnstraßen-Fahrtrichtungen ein ganzer Häuserblock liegt. Und unser Hotel liegt an der Fahrbahn, die aus Panama-Stadt in den Westen führt. Wir kommen also recht spät an, gehen sofort ungeduscht bei Leonardo eine Pizza essen, und haben anschließend nach dem Duschen kaum noch Energie übrig. Morgen ist auch noch ein Tag!

Donnerstag 18.7.24 – (075) – La Chorrera – Panamá Stadt

Gesamt: 4.616,86 km

Heute, am 75. Radfahrtag, wollen wir die letzte Etappe in Mittelamerika machen und nach Panamá-Stadt fahren. Es ist nur noch eine kurze Strecke, aber wir haben auch noch vor, das Rad zur Reparatur und Wartung in den Fahrradladen (Trillo Armadillo) zu bringen, also fahren wir trotzdem früh los. In einem Super7 nach sieben Kilometern frühstücken wir. Kurz darauf beginnt die Baustelle, die uns Komoot schon für die Fahrt heute vorhergesagt hat (eine Baustelle immer genau neben der Panamericana): zwischen den beiden Fahrspuren stehen viele Meter hohe Betonsäulen für eine neue Hochbahn, es wimmelt von Arbeitern in gelber Leuchtweste, von Abstandhaltern zur Baustelle und von Baustellenfahrzeugen. Der Autoverkehr fließt nur sehr zäh vorwärts, und wir können selten rechts vorbei, weil die Straße so viele Schlaglöcher hat. Es nervt ziemlich und ist auch nicht ungefährlich.

Die Einfahrt nach Panamá-Stadt ist recht eindrucksvoll über den „Puente de las Américas“ über den Panamá-Kanal, auch wenn wir am Aussichtspunkt vorbeifahren, weil es als Fahrradfahrer auf der Straße, besonders aufwärts, lebensgefährlich scheint. Bei der „Abfahrt“ haben wir eine gute Sicht auf die vielen Wolkenkratzer der Stadt. Das Straßengewirr führt hinter der Brücke noch zu einer Suche der richtigen Strecke, einmal müssen wir wenden und schieben bzw. fahren über eine elendig lange Fußgängerbrücke, weil wenden gar nicht so einfach ist, ein anderes Mal gibt uns ein anderer Radfahrer einen Tipp, wie wir auf nicht so stark befahrenen Straßen zum Hotel California kommen können.

Obwohl es erst elf Uhr ist, bekommen wir dort schon ein Zimmer. Wir entpacken das Tandem komplett, bringen alles ins recht kleine Zimmer, gehen gegenüber einen Kaffee trinken und eine (süß schmeckende) Quesadilla essen und fahren dann mit dem Tandem zum ca. neun Kilometer entfernten Fahrradladen. Durch die verstopfte Stadt kommt uns die kurze Strecke wie 40 Kilometer vor – das ist hier keine Radfahrstadt! Hoffentlich können wir das Tandem gleich heute bei Alejandro lassen, sonst müssen wir den Weg noch mindestens drei Mal machen!

An der Centennial Mall, wo Trillo Armadillo Bikes sich befindet, lassen wir das Tandem zunächst vor dem Laden stehen und laufen zum gute zwei Kilometer entfernten Gelarti-Laden, um uns das von Fam. Rühle gesponsorte Eis zu genehmigen, wieder mal ein Banana-Split mit 3 Kugeln. Vielen Dank dafür!

zwei von Rühles gesponsorte Banana-Split, sogar mit Fahrrad im Hintergrund

Zurück bei Alejandro gehen wir gemeinsam mit ihm alles am Tandem durch. Er hat gestern die 20-Zoll-Felge und andere Dinge für uns in den U.S.A. bestellt und hofft sie kommenden Donnerstag zu erhalten. Wir dürfen das Rad aber schon dort lassen, dann können sie schon alles andere checken. Wir bauen vor dem Laden noch eben das Hinterrad aus, um auch bei diesem die Felge zu kontrollieren. Tja, und wie wir es schon fast vermutet haben: auch hier ist ein Riss schon fast komplett rum. Wir entscheiden also, dass Alejandro auch hinten eine neue Felge einbaut, auch wenn das mit der Rohloff-Schaltung komplizierter ist als die vordere. Wenn wirklich am Donnerstag die bestellte Ware kommt, sollten wir nächsten Samstag das Tandem wieder abholen können. Jetzt haben wir hier wirklich einige Zeit und können uns noch schöne Ecken des Landes angucken, die wir beim Radfahren rechts und links vielleicht liegen gelassen haben.

Wir bleiben noch zu einem frühen Abendessen in der Mall (schon wieder beim Italiener) und fahren dann mit einem Taxi zurück ins Hotel California. Die Fahrt ist sehr rasant und holprig, der Fahrer ein wahrer Spuren-Hüpfer. Viktor kontrolliert die Geschwindigkeit mit dem Handy, weil er einfach nicht glauben kann, dass wir so langsam fahren, wie der Tacho anzeigt. Natürlich könnte es sein, dass wir nach dem eher langsamen Radfahren die Geschwindigkeit im Auto völlig überschätzen, aber tatsächlich: wir fahren 55 km/h, und der Tacho im Taxi zeigt 40 km/h an ( ja km/h nicht Mph … wir haben genau hingeschaut), satte 37,5% Abweichung nach oben. Und oft fährt der Taxifahrer auch angezeigte 50 oder mehr km/h. Na ja, dafür sind wir schnell am Hotel, gehen noch kurz in den Jacuzzi auf dem Dach und dann auf unser Zimmer zum Blog-Nachholen von gestern.

Jetzt noch ein paar technische Details zu den gerissenen Felgen:

Es gibt offenbar zwei „Schulen“ beim Einspeichen von Laufrädern. Die Einen schwören auf eine sehr starke Speichenspannung, die Anderen spannen die Speichen eher lockerer. Bei hoher dynamischer Belastung gelten stark gespannte Speichen als besser, da die Speichen an den Kreuzungspunkten weniger aneinander reiben und so Speichenbrüche vermieden werden. Unsere Speichen wurden von PankeRad am oberen Limit gespannt, denn sie wurden mit montierten und aufgepumpten Reifen (das entlastet die Speichen) auf maximale Zugspannung gebracht. Das entspricht angeblich auch der Spezifikation des Felgenherstellers RYDE aus den Niederlanden.

Dass die Felgen beide gerissen sind liegt vermutlich an einer Überlastung durch das Gesamtgewicht von ca. 240 kg. In der Telegram-Kommunikation zwischen Dan (PankeRad) und Viktor ergibt sich unter anderem folgendes Fazit von Dan:

„Am Ende läuft das immer darauf hinaus, dass man sich mit Lastenrädern und Tandems außerhalb der konstruktiven Grenzen von Fahrrad-Bauteilen bewegt…“

Die technischen Daten der RYDE Felgen erlauben scheinbar folgende Belastung: 90 kg pro Felge, also 180 kg gesamt maximal. Wir wiegen insgesamt ca. 240 kg. Da passt etwas nicht, oder? Aber wozu haben wir dann die Lastenradreifen (155 kg + 115 kg = 270 kg) ausgewählt, wenn die Felgen es gar nicht hergeben? Welche Felgen empfiehlt Schwalbe für die Lastenradreifen? Fragen über Fragen … und keine Antworten.

Nachtrag 26.8.24: Auch Wochen danach noch keine Reaktion von Schwalbe und Ryde, trotz mehrfachen Nachhakens. Das ist sehr enttäuschend und frustrierend.

Hoher Reifendruck könnte auch noch ein Schadensgrund sein, da dieser die Felge übermäßig stark nach außen gedrückt haben könnte. Aber wir fahren mit relativ moderaten 3,5 bar Reifendruck, das muss eigentlich jede Felge abkönnen, bestätigt auch Dan per Telegram-Nachricht.

Freitag 19.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 1)

Wir schlafen aus (bzw. einer von uns), und da das Hotelrestaurant dauerhaft geschlossen ist, gehen wir gegenüber im „am:pm“ frühstücken. „am:pm“ gab es in Nicaragua häufig, es gibt ein paar wenige auch in Panama und sie wollen laut Webseite in allen sieben Mittelamerikanischen Ländern expandieren, weil es in Mittelamerika noch nicht genug „Convenience Stores“ gibt, was wir durchaus bestätigen können.

Als Sightseeing-Programm haben wir uns heute die Altstadt „Casco Viejo“ oder „Casco Antiguo“ vorgenommen und als Fortbewegungsmittel den öffentlichen Nahverkehr gewählt. Google hat schön ausgespuckt, mit welchen Buslinien man fahren kann. Nicht mit Abfahrt- und Ankunftzeit, wie wir es aus Berlin gewohnt sind, aber immerhin. Die Station „Santo Tomas“ ist fußläufig gut zu erreichen, und wir finden auch eine Bushaltestelle. Busse in Richtung Altstadt fahren dort aber nicht, wir sollen runter bis an die Küstenstraße gehen, sagt uns ein Ortskundiger. Also noch ein längerer Spaziergang bis unten zum Wasser. Dort sehen wir aber sofort einen Bus halten und fragen den Fahrer, ob er zur Altstadt fährt (Nummern stehen nämlich nicht dran). Er fährt bis zur Station „5 de Mayo“, sagt er, und dort können wir dann umsteigen. Wir wollen ein Ticket kaufen, aber hier muss man eine mit Guthaben aufgeladene Karte benutzen, mit Geld im Bus geht da gar nichts (bei Google kommt übrigens immer „kostenlos“). Kulanterweise lässt er uns so durch das Drehkreuz des Busses. An der Endstation versuchen wir es erst selber, müssen dann aber fragen, wo der nächste Bus fährt und wo wir so eine Guthaben-Karte bekommen können. Daraufhin werden wir von einem Polizisten erst zum Ticketschalter eskortiert, kaufen dort für zwei Dollar eine Karte und beladen sie mit acht Dollar, und dann zum richtigen Terminal. Bevor wir dort am Drehkreuz die Karte vorhalten, zeigt er uns auch noch, welchen Bus wir nehmen müssen. Das war eine sehr nette Dienstleistung, die uns sicher viel Zeit erspart hat – wir sind erstaunt, dass der Polizist unserem alten Idealbild von „Freund und Helfer“ sehr nahe kommt.

Der Bus fährt einen ziemlichen Umweg, hält aber erst in der Altstadt das erste Mal, dort aber dann häufig. An einer günstigen Haltestelle steigen wir aus, auch da wird uns von Mitfahrenden und dem Busfahrer geholfen und der weitere Weg gewiesen. Irgendwie sind alle unglaublich hilfsbereit.

Und dann gehen wir durch die schmalen Gassen. Alles ist voller Autos, und wir wundern uns, dass hier anscheinend alle noch so engen Straßen frei für den Verkehr sind. Als zu Fuß Gehende hat man hier das Nachsehen. Und es ist sowieso schon ziemlich heiß, die aneinandergereihten Autos tun ihr Übriges dazu.

Beim Besuch der Kathedrale stellen wir fest, dass es hier die erste Kirchenorgel unserer ganzen Reise gibt, die dort auf dem Orgelboden erst 2019 vom Polnischen Orgelbauer Kaczmarczyk erbaut und während einer Messe mit Papst Franziskus eingeweiht wurde.

In einem Café machen wir eine längere Pause, auch, um nochmal Fakten zu unseren Felgen zu checken und uns in einem klimatisierten Raum abzukühlen. Anschließend gehen wir langsam wieder in Richtung 5 de Mayo-Station, weil wir noch zu einem Einkaufszentrum (Albrook-Mall) fahren und dafür die Metro nehmen wollen. Auf dem Weg gehen wir in einem Block durch die Markthalle, weil es dort kühler ist. Der erste Raum ist sehr farblos, denn es gibt ausschließlich Fleisch zu kaufen (besonders Huhn), dafür ist der zweite Raum ganz farbenfroh und mit aromatischen Gerüchen: es ist die Obst- und Gemüsehalle.

Juttas Cappuccino

Um überhaupt zur Metro zu gelangen, muss man seine Bezahlkarte an ein Drehkreuz halten. Die Dame am Ticketschalter hatte uns gesagt, wir sollten immer zusammen durchgehen und die Karte nur einmal vorhalten, und genau das machen wir jetzt auch – wurde uns ja so erklärt :-). Die Metro ist hier erst zehn Jahre alt, zumindest wurde da der erste Streckenabschnitt eröffnet, und ist klimatisiert, und mit ihr fahren wir sehr schnell nach Albrook.

Dort gelangen wir in der Menschenmenge zunächst zu einem riesigen Busbahnhof und wähnen uns da schon in der Mall. Aber es geht noch einen Gang weiter, und dann sind wir wirklich da: eine riesige Shopping-Mall mit vielen verschiedenen Gängen, mehreren Food-Courts, die alle ähnlich sind, und die man dementsprechend auch nicht zur Orientierung hinzuziehen kann. Wir wollen uns beide ein Paar Sportschuhe kaufen, damit wir in den kommenden Wochen (hier und auf der Reise nach Kolumbien) nicht immer unsere Radfahrschuhe tragen müssen. In einem Laden werden wir fündig (erst ein Paar Socken, dann die Schuhe).

Da unsere Action-Kamera schon seit längerem kaputt ist (und inzwischen mit nach Deutschland genommen wurde), erscheint uns diese Mall spontan als geeignet für einen Neukauf, und im zweiten besuchten Technikladen haben sie GoPros. Erst lässt Viktor sich beraten, dann gehen wir jeder einen Impossible-Burger bei Burger-King essen, und anschließend gehen wir die GoPro11 mini kaufen. Eigentlich hat der Verkäufer uns einen extra kälte- und hitzebeständigen Akku empfohlen, aber den kann man für die „Mini“-Variante nicht benutzen, also bleibt es bei der Kamera.

Mit der Metro kommen wir auch wieder zurück zum Hotel.

Samstag 20.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 2)

Für heute haben wir Tickets für eine Fahrt mit der „Panama Canal Railway“ gebucht. Dafür müssen wir um 11:30 Uhr am Corozal-Bahnhof sein, wo man mit ausschließlich ÖPNV nur bis knapp 40 Minuten Fußweg zum Schluss hinkommt.

Wir frühstücken in einem nahen Coworking-Café (Sitio Cürrao), packen Getränk und Sonnenbrille ein und machen uns um 10 Uhr auf den Weg – mit der Metro bis Albrook (das kennen wir ja schon von gestern) und weiter mit einem Taxi. An dem besagten Bahnhof kommen wir schon um kurz nach halb elf an, aber es stehen schon etliche „Mitreisende“ vor dem Bahnhofsgebäude, und ein paar Minuten später werden wir alle eingelassen – in Reih und Glied – und durch ein Spalier aus uniformierten Frauen geleitet. In dem Saal kann man Souveniers kaufen, ansonsten ist es eine große, leere Halle. Ziemlich schnell wird auch schon mit dem „Boarden“ begonnen: Erst kommen die Passagiere für den Panorama-Waggon, dann sind wir mit in der ersten Gruppe für den Luxus-Waggon (ohne Panoramafenster) und werden Plätzen zugewiesen. Da wir nur zu zweit sind, müssen wir uns zu einer Mutter mit Tochter setzen, dürfen aber später weiter nach hinten im Waggon an einen noch freigebliebenen Dreiertisch. Eigentlich ein nettes Angebot, aber leider ist am Nachbartisch eine Familie mit einem hyperaktiven dreijährigen Kind, das sehr laut und sehr unruhig ist. Zwischendurch bekommt er immer mal ein Handy zum Beruhigen oder wird mehrmals gestillt, die restliche Zeit kann er tun und lassen, was er will, und ist fast unentwegt Süßes oder Salziges am Essen.

Der Ausblick ist dadurch glücklicherweise nicht gestört (man kann sich bloß kaum unterhalten und versteht Ansagen auch nicht), und wir fahren zum Teil durch Dschungel, zum Teil mit Blick auf den Kanal, und wir sehen auch einige Schiffe. Auf der Hinfahrt bekommen wir alle einen Kaffee an den Platz und später eine Snackbox in Form eines Kartons mit kleinen Packungen mit Snacks. Leider könnten wir in Colón nur aussteigen, wenn wir eine andere Rückfahrmöglichkeit nehmen – dieser Zug fährt ohne Aufenthalt die Strecke wieder zurück. Es bleiben alle an Bord! Auf der Rückfahrt bekommen wir noch eine Gesangseinlage aller uniformierten Zugbegleiterinnen inclusive Percussion (u.a. auf einem Schildkrötenpanzer) zu hören, und bei dem traditionellen Lied singt der halbe Waggon mit – Party!

Um kurz nach halb drei sind wir wieder am Bahnhof. Dort ein Taxi zu bekommen dauert etwas, weil wir natürlich auch nicht die Einzigen sind, aber bald haben wir einen Fahrer, der uns wieder nach Allbrook fährt. Wir überlegen, mit der Metro bis zur Endstation zu fahren und uns dort umzuschauen, nachdem wir aber google befragt haben, lassen wir das doch lieber und steigen einen Station vor unserer aus, um noch ein bisschen Zeit an der Promenade zu verbringen. Dort ausgestigen sieht es plötzlich stark nach Regen aus und wieder einmal schaffen wir es gerade rechtzeitig ins Cafè/Restaurant Boulevard Balboa. Den Schauer wollen wir tee- bzw. kaffeetrinkend abwarten. Der Schauer entwickelt sich zu einem starken Gewitter, die Straßen werden richtig überschwemmt, und wir können keinesfalls zu Fuß irgendwo hingehen, also beschließen wir nach langer gewarteter Zeit, dort zu Abend zu essen – inzwischen ist es fast sechs Uhr.

Während dieser ganzen Zeit hat der Fahrradladen sich per WhatsApp gemeldet: sie haben schon vesucht, die neue hintere Felge zu einzuspeichen, und haben dabei gemerkt, dass die bei ihnen vorrätige nur für 32 Speichen ist, unsere Rohloff-Felge aber 36 Speichen braucht. Jetzt müssen wir es doch mit einem DHL-Express-Paket aus Deutschland probieren, und das geht frühestens Montag Morgen (bei uns die Nacht von Sonntag zu Montag). Das verzögert alles also noch einmal! Und wir müssen hoffen, dass heute noch nichts kaputt gegangen ist, und dass der Fahrradladen trotz dieses Faux-Pas ein Guter ist.

Das Essen ist wirklich gut (das Balboa gibt es schon seit 1958, und innen hat es sich wohl noch nicht sehr viel verändert, aber die Küche ist top), und anschließend lassen wir uns keine drei Kilometer mit einem Taxi zum Hotel bringen, weil es immer noch regnet und die Straßen voller Wasser sind.

Sonntag 21.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 3)

Morgens macht Jutta das erste Mal einen WhatsApp-Videoanruf mit Kathrin und Barbara, ihren beiden Schwestern, bevor wir wieder gegenüber im „Arte del Pan“ frühstücken gehen, wie sonntags vormittags anscheinend auch viele Panamaer und Panamaerinnen – es ist kaum ein Platz frei, obwohl es nicht einmal schön oder gut ist.

Felipe und Katja, die wir schon in Mexiko auf dem Weg nach Tapachula mit dem Auto überholt hatten, kommen heute hier an, und wir sind gegen Mittag mit ihnen im „Sitio Cürrao“ verabredet. Wir gehen mit unserem Laptop schon hin, um die Zeit bis zu ihrer Ankunft mit der Planung der nächsten Tage und Wochen zu verbringen, aber kaum haben wir uns hingesetzt, kommen die beiden auch schon an. Sie haben bereits Asien mit dem Rad durchquert und sind schon „fast am Ziel“ (Chile). Sie überlegen noch, von Chile bis nach Ushuaia zu wandern und die Räder in Santiago de Chile stehen zu lassen. Wir laden sie zu Kaffee und Waffeln ein, denn die beiden sind mit extrem kleinem Budget unterwegs. Wir tauschen uns über die bisherige Strecke aus und darüber, was uns noch bevorstehen mag. Felipe berichtet unter anderem von einem Paar, das er unterwegs getroffen hat, die ebenfalls mit einem Tandem (auf europäischen Straßen) unterwegs waren und die alle 3.000 km neue Felgen benötigt hätten. Das bestätigt nochmal Dans Aussage von den „Konstruktiven Grenzen“ (siehe oben).

Die Zeit vergeht im Flug, wir bekommen vom Inhaber noch einen kleinen speziellen Kaffee geschenkt und gehen erst, als das Café um 14:00 Uhr schließt. Von dort wechseln wir ins Arte del Pan und bleiben auch dort, bis dieses schließt. Die beiden müssen sich jetzt auch darum kümmern, wie sie mit einem oder mehreren Booten nach Kolumbien kommen, sie wollen es z.B. auch bei Containerschiffen in Colon versuchen. Wir verabschieden uns in dem Glauben, dass wir uns wiedersehen werden. Felipe hat angeboten, dass wir unser Tandem in seiner Heimatstadt in der Nähe von Santiago de Chile lassen können (oder unsere Einzelräder, falls wir bis dahin haben wechseln müssen), um ohne Rad weiter in den Süden (Patagonien, Feuerland) oder in die Berge zu reisen. Also spätestens dort könnten wir uns wieder treffen, vermutlich um die Weihnachtszeit herum.

Wieder zurück im Hotel erreicht uns die Nachricht, dass Joe Biden raus aus dem Präsidentschaftswahlkampf ist, und wir gucken ein wenig CNN und ergänzen unseren Blog.

Viktor schreibt noch eine E-Mail an den Generalvertreter der RYDE-Felgen in Deutschland und kündigt einen Anruf für Montag 9:00 Uhr an (hier Montag 2:00 Uhr morgens), um einen Expressversand von zwei neuen Felgen aus Deutschland zu organisieren.

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  1. María Luisa Rosell

    Menos mal que no ha pasado nada. En una aventura así hay de todo. Sois muy valientes.

  2. Michael P.

    Ich drücke Euch die Daumen, dass ihr eine schnelle und gute Lösung für Eure Felgenproblematik findet.
    Und Cartagena ist schön. Im Januar war es aber auch sehr voll, daher beim Rumlaufen gut auf Eure Taschen achten.
    Ich bin gespannt, ob ich auf Euren kommenden Bildern von Panama City (Altstadt) und Cartagena viel wiedererkenne 🙂
    Weiterhin eine gute und sicher Reise!!!

  3. Antje Enseleit

    Ich hoffe, Andrea konnte euch für Kolumbien ein paar Tipps/Adressen geben.
    Alles Gute und auf rechtzeitige helfende Ersatzteile

  4. Britta Schikor

    Jetzt habt ihr mein zweites Standbein entdeckt. 😁

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