Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

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Woche 13 (24.6.24 – 30.6.24) – Paquera – Tambor (Fidelito Ranch)

Montag 24.6.24 – Paquera – Tambor (Fidelito Ranch)

gesamt: 3.612,66 km

Heute haben wir nur den kurzen Weg nach Tambor zur Fidelito Ranch vor uns, wo wir eine ganze Woche bleiben werden, um ab Mittwoch zusammen mit Barbara (Juttas Schwester), Hans-Jürgen (ihr Mann), Theo und Hanno (deren Söhne, unsere Neffen) Urlaub zu machen. Trotzdem machen wir uns schon um sieben Uhr auf den Weg, um noch ein bisschen morgendliche Kühle mitzunehmen. In einer Panaderia in Paquera kaufen wir noch schnell ein kleines Frühstück und fahren dann auf der 160 – Ruta del Sol – weiter.

Es gibt auf der kurzen Strecke zwei größere Steigungen, bei der ersten müssen wir auch wieder einmal schieben. In Tambor sind wir schon um kurz vor neun. Zunächst versuchen wir, zum Barcelo-Resort durchzukommen, um es eventuell anschauen zu können und einen Kaffee zu trinken. An der Schranke weist man uns aber ab, da wir nicht für je 25 US-Dollar frühstücken möchten.

So fahren wir an anderer Stelle ans Wasser und dürfen uns im Tambor Tropical Beach Resort hinsetzen und Kaffee und O-Saft trinken. Irgendwann hören wir laute Trommeln, nicht besonders schön (das Oranienburger Hoforchester klingt deutlich besser 🙂 ), und als wir dem nachgehen, sind es Schüler und Schülerinnen der örtlichen Schule beim Sportunterricht am Strand. Einige wenige spielen Fußball, aber die meisten spielen Trommel oder auch Lyra. Könnte es sein, dass es für anstrengenderen Sport zu heiß ist? – wir wissen es nicht!

Am Strand wollen wir eine Sonnenuhr bauen, weil es jetzt gerade genau 11 Uhr ist. Langer Stock in den Sand gesteckt. Schattenspitze mit Stein markiert. Eine Stunde herumlaufen und noch etwas trinken. Um 12 Uhr wieder zu dem Stock, um die nächste Steinmarkierung zu machen. Und siehe da, irgendwie ist der kurze Schatten in die andere Richtung gewandert, als wir erwartet haben, nämlich im Gegenuhrzeigersein. Wir sind verwirrt! Hat aber alles seine Richtigkeit: wir befinden uns hier in der Nähe des 9. nördlichen Breitengrades, und deshalb wandert die Sonne gerade über den Norden, also für uns „andersherum“. Haben wir uns vorher noch nie Gedanken darüber gemacht.

Dann machen wir uns auf zur Fidelito Ranch und vertrauen dummerweise erst einmal wieder dem Garmin, statt die exakte Anfahrtsbeschreibung von Brigitte und Leon, den Betreibern, zu nutzen. So landen wir irgendwo auf der falschen Seite des Panica Flusses (abends erfahren wir, dass es eine Hängebrücke gibt, aber mit beladenem Tandem wäre das auch eher suboptimal), also drehen wir um, nehmen unten die Brücke über den Fluss und den korrekten Weg hoch. Bei SUPER-JOHANNA, einem kleinen Supermarkt auf dem Weg, kaufen wir Nudeln, Tomatensauce und Brot, um uns versorgen zu können, denn abends im Dunklen kann man mit dem Rad den Weg in den Ort nicht fahren.

Es ist ein toller Ort, um hier Urlaub zu machen, aussen ist alles Costa Rica pur, aber die Räumlichkeiten entsprechen eher europäischen Standards, das fühlt sich wirklich wie Urlaub an. Morgens ab vier beginnen die Brüllaffen ihr Frühkonzert, werden wir von Brigitte „vorgewarnt“. Die Bepflanzung ist hier so angelegt, dass wir die Affen wahrscheinlich vom Bett aus durch die riesigen Glastüren werden sehen können. Auch Aras leben hier sehr viele, die wir auch beobachten können, wenn wir auf ihre Rufe achten. Jetzt ist es erst einmal dunkel, und es sind eher Schmetterlinge, Mücken, Fledermäuse etc. unterwegs.

In unserem Haus hängt ein Foto von einem Reiter, der auf der Fidelito Ranch übernachtet hat. In dem finden wir Rad-Touristen unseren Meister, denn er hat eine ähnliche Tour wie die unsere, von Feuerland nach Alaska, auf Pferden unternommen und dafür 20 Jahre benötigt. Er hat ein Buch darüber geschrieben und hält auch Vorträge.

Günter Wamser – https://www.abenteuerreiter.de

Abends lernen wir auch noch, dass hier in Costa Rica in städtischen Regionen an den Wochentagen Autos mit bestimmten Endziffern auf dem Nummernschild (jeden Tag zwei ) nicht fahren dürfen, aus Gründen des Klimaschutzes und um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren (20% täglich). An Wochenenden und in den Ferien ist dieses Fahrverbot ausgesetzt. Die Betreiber der Fidelito Ranch dürfen z.B. montags nicht fahren. Das wäre doch auch eine gute Idee für Deutschland … statt Tempolimit … wir hören den Aufschrei schon bis hierher 😉 .

Dienstag 25.6.24 – Tambor – Cóbano – Tambor

Gesamt: 3.650,35 km

Da die Familie erst morgen hier in Tambor eintrifft, haben wir uns für heute noch eine kleine Spritztour vorgenommen. Ohne Gepäck wollen wir über die Ruta del Sol nach Cóbano und dann weiter auf der Nacional 642 bis nach Montezuma. Dort soll es einen schönen Strand und einen Wasserfall geben, den man erwandern kann.

Wir frühstücken in unserer Ferienwohnung nach langer Zeit mal wieder „europäisch“, also … na ja … Toastbrot (BIMBO, aber immerhin eine Art Vollkorn) mit dem Rest unserer Nutella und Erdbeermarmelade, die wir über viele Kilometer transportiert haben. Dazu schwarzer Tee (für Jutta mit Milch).

Unsere Vermieterin müssen wir irgendwie falsch verstanden haben, als sie uns von einer Abkürzung Richtung Cóbano erzählte. Wir stehen jedenfalls nach einigen Kilometern vor einer Flussdurchfahrt und müssen umkehren. Die Strecke nach Cóbano ist ein ständiges Auf und Ab mit sehr steilen Abschnitten (trotz Gepäcklosigkeit müssen wir einmal schieben) und irgendwie nervt es uns beide, den Captain aber sehr viel mehr als die Stokerin. Insgesamt geht es mehr bergauf als bergab. Schon bald entscheiden wir uns, dass wir bereits in Cobano umkehren werden, wo wir noch in einem Supermarkt einkaufen wollen.

Wie meist an solchen Tagen gibt es dann doch noch ein sehr positives Erlebnis. Auf der Suche nach einem anderen Café überrascht uns ein starker Regenschauer, wir stellen uns im „Restaurante Como en Casa“ unter und bestellen zwei Kaffee Latte. Die Betreiber, ein freundliches junges Paar, interessieren sich für uns und unsere Tour, nachdem Viktor eine „Torta Chilena“ bestellt und nach einer Erklärung für den Namen fragt. Der Kuchen besteht abwechselnd aus mehreren Schichten „Dulce de Leche“ und Teig und basiert auf einem chilenischen Rezept. In Chile heißt der Kuchen „Mil Capas“ oder „Mil Hojas“. „Dulce de Leche“ dürfte Euch vielleicht als „La Lechera“ (Spanien) oder „Milchmädchen“ (Deutschland) bekannt sein, eine unglaublich stark gezuckerte Kondesmilch, die beim Warmmachen fest wird. Wenn man sie richtig erhitzt karamalisiert sie sogar und wird so braun wir in den Kuchenschichten. Sollten wir es bis Chile schaffen, werden wir den Kuchen dort natürlich ebenfalls probieren müssen.

Übrigens sind Kaffee und Kuchen wirlich gut … also Hingehen in das „Como en Casa“!

Der männliche Teil des Betreiberpaares fragt Viktor noch nach „Facebook oder YouTube oder sowas“ und freut sich sehr über einen der Aufkleber mit der Adresse dieses Blogs. Er scannt den QR-Code ein, findet sofort den Google-Übersetzer-Button und fängt gleich an zu lesen. Wir sind total gerührt. Den Aufkleber klebt er sofort an seine Kasse „um Werbung zu machen“, wünscht uns eine tolle Reise, drückt immer wieder seine Hochachtung aus und ist so unglaublich freundlich und lebensfroh dabei.

Wir bleiben so lange, bis der Regen aufhört, der wieder einmal die Straße regelrecht flutet. Aber kaum hört es auf zu regnen, sind auch die Wassermassen weggeflossen. Zunächst ist es relativ kühl, das ändert sich aber minutlich. In einem Supermarkt (Cobano scheint die Einkaufsstadt für die Umgebung zu sein, da es deren gleich mehrere gibt) kaufen wir ein paar Vorräte ein und treten dann den Rückweg an, wohl wissend, dass es wieder nur auf und ab gehen wird. Allerdings ist jetzt die Gesamttendenz abwärts und wir sind fast doppelt so schnell wie auf dem Hinweg. Da wir noch nicht in die Ferienwohnung wollen, bleiben wir noch unten am Strand in Tambor in der Bar Gitanos, wo wir gestern auch schon etwas getrunken haben. Da es wieder beginnt zu regnen, bleiben wir ein wenig länger, haben wieder trommelde Gymnasiasten, anschließend eine sich wohl langweilende kleine Gruppe Jugendlicher, die irgend etwas oben aus einem Baum schlagen wollen – vorher haben sie gegenseitig die Rucksäcke hineingeworfen – vergeblich. Viktor geht hin, um zu helfen, aber es stellt sich heraus, dass sie ein Wespennest kaputtschlagen wollen, was er natürlich nicht gutheißt. Daraufhin verziehen sich die Jugendlichen, kommen aber kurze Zeit später wieder …

In einer Regenpause – es donnert eigentlich fortwährend – fahren wir zurück zur Ranch und kommen gerade noch rechtzeitig an, bevor es dann nur noch schüttet.

Beim Einkauf im Supermarkt werden wir an der Kasse gefragt, ob wir denn für die 1- Liter-Bierflasche, die wir da kaufen wollen, auch Leergut zurückgebracht haben. Etwas unsicher verneinen wir das und befürchten schon, dass man hier Pfandflaschen nur kaufen darf, wenn man auch eine leere Flasche mitgebracht hat. Die Kassiererin erklärt uns, dass wir für die Flasche dann aber Pfand bezahlen müssten. „Äh, ja … gerne!“ Irgendwie scheint das hier nicht so häufig vorzukommen. Die Kühlschränke sind übervoll mit Dosenbier und Einwegflaschen … wir fühlen uns mal wieder wie Exoten.

Pfandflasche des nationalen Pilseners … man beachte das „Pura Vida“ über dem „ORIGINAL“

Mittwoch 26.6.24 – Tambor

Wir frühstücken mit neuen Brotaufstrichen, Käse und Weintrauben. Nachdem wir uns mit reichlich Repellentien eingesprüht haben, laufen wir los nach unten ins Dorf, diesmal auf einer Abkürzung, die nicht mit dem Tandem nutzbar ist, da es über eine wackelige, schmale Hängebrücke geht, auf die wir das Tandem gar nicht hochbekommen würden. Aber wir müssen laufen, da wir ab 12 Uhr einen Mietwagen bei Budget, die eine Niederlassung in Tambor haben, reserviert haben: einen Siebensitzer, um ggfs. mit den Hannoveranern gemeinsam Touren unternehmen können.

Es ist wieder einmal so warm, dass wir uns – kaum unten angekommen – in eine Sportsbar (im Schatten) setzen und dort bei Kaffee und kalten Getränke warten, bis es 12 Uhr ist.

An der Budget-Station ist niemand, als wir dort deutlich nach 12 Uhr ankommen, und das Telefon nimmt ebenfalls niemand ab. Gut, dass wir es nicht eilig haben! Irgendwann kommt ein Auto mit zwei Mitarbeitern an, die uns erklären, dass die angezeigten Öffnungszeiten nicht stimmen, weil diese Niederlassung sowieso bald geschlossen wird. Der Hof steht voller noch nicht zugelassener Autos, unsere Reservierung finden sie im System, haben aber keinen Siebensitzer da. Sie machen uns das Angebot, dass wir heute einen Pick-Up nehmen und sie uns morgen das gebuchte Auto zu unserer Unterkunft bringen. Dann ist es halt so, heute werden wir wohl sowieso keine größere Tour zu sechst machen. Unsere DKB VISA Debit Card (gebührenfreier Auslandseinsatz) wollen sie auch zunächst nicht akzeptieren. Auf unser Drängen hin probieren sie die Karte aus und es klappt dann doch.

Als wir gerade hoch zur Ranch gefahren sind, ruft Barbara an, dass sie bald in Tambor sein werden und wir verabreden, uns am Strand zu treffen, bevor sie hier hochkommen.

Es gibt also ein großes Wiedersehen am Strand, wir verbringen dort einige Zeit, zwei Wasserratten springen ins warme Wasser, andere ernten eine Kokosnuss und probieren die Kokosmilch. Wir enden bei Getränken und Nachos mit Blick auf Strand und Meer im „Gitanos“, wo Jutta und Viktor auch gestern schon saßen.

Danach geht es zur Fidelito Ranch, zum Einziehen und Sortieren der Neuankömmlinge, bevor wir pünktlich zum Start des abendlichen Regens in das Restaurant fahren, in dem wir schon morgens im Schatten saßen und das auch für die Jungs etwas passendes auf der Speisekarte hat. Zwei Mutige sitzen während der Hinfahrt auf der Ladefläche des Pickups und werden dabei ein wenig nass, der „richtige“ Regen startet aber erst als wir schon trocken im Restaurant sitzen.

Die Rückfahrt im Dunkeln und im strömendem Regen ist nochmal spannend, denn uns scheinen auf den unbefestigten und zum großen Teil unbeleuchteten Wegen kleine bis mittelgroße Bäche entgegenzukommen. Es gibt auch keine Freiwilligen mehr für die Ladefläche, aber die Rückbank hat genug Platz für vier. In der Ranch angekommen retten wir uns erstmal unter das Wellblechdach an der Unterkunft der Hannoveraner und sitzen noch eine Weile bei Bier und Chips beieinander bis der Regen etwas nachlässt und auch Jutta und Viktor die 50 Meter zu ihrem Haus rüberstapfen können, ohne völlig durchnässt zu werden.

Donnerstag 27.6.24 – Tambor

Es schüttet die ganze Nacht und morgens erfahren wir, dass das auch für diese Gegend ein Starkregen war. Wir sollen uns also vor Erdrutschen in acht nehmen. Den Wasserfall in Montezuma, den wir heute für den Nachmittag geplant haben, sollen wir lieber nicht erwandern. Dort müssen laut unserer Vermieterin regelmäßig Touristen vom Roten Kreuz gerettet werden und nach so einem Regen ist der Wasserfall und der zugehörige Wanderweg unberechenbar.

Vormittags machen wir eine kleine Wanderung zur nahegelegenen Hängebrücke über den kleinen Panica-Fluss. Wir beobachten eine Kuh, die durch den Fluß stapft und dabei an einer Stelle ganz ordentlich abgetrieben wird. Die Wege sind sehr matschig und Jutta will an einer Stelle einen vermeintlich größeren Stein nutzen, um trockenen Fußes weiterzukommen. Dieser stellt sich dann aber leider als frischer Kuhfladen heraus 😉 . Auf dem Rückweg entdecken wir eine ziemlich lange, tote Schlange auf der Straße, die nicht plattgefahren ist, aber in zwei Teilen tot dort liegt.

Mittags fahren wir mit unserem frisch angelieferten 7-Sitzer-Allrad-Mietwagen über Cobano (hier gibt es für alle ein Eis) nach Montezuma, das sich als sehr nettes Örtchen herausstellt. Wir sind froh, dass wir nicht mit dem Tandem hingeradelt sind, denn die letzten Kilometer zwischen Cobano und Montezuma sind extrem steil. Da ist der 4-Wheel-Drive schon ganz sinnvoll. Wir finden einen kostenlosen Parkplatz und außerdem ein nahegelegenes, sehr nettes Café/Restaurant (Playa de los Artistas) mit mediterraner Küche. Eigentlich wollen wir nur etwas trinken, aber als die Bedienung sagt, dass wir den Platz räumen müssen, wenn Essensgäste kommen (und es ist gerade Mittagszeit), lassen wir uns die Karte geben und bestellen mehr oder weniger Kleinigkeiten, um auf jeden Fall diesen Platz direkt am Strand behalten zu können. Die Jungs sind sofort ans Wasser verschwunden, finden Einsiedlerkrebse, bauen Flöße und sind einfach super beschäftigt, und wir lassen es uns gutgehen.

Die Wanderung zum Wasserfall müssen wir uns sparen: nach dem vielen Regen ist es zu gefährlich.

Auf dem Spaziergang durch den Ort entdecken wir noch Brüll- und Kapuzineraffen und erfahren, dass von hier aus 1963 zwei Aktivisten die Regierung zur Einrichtung des ersten Nationalparks „ermuntert“ haben. Heute ist Costa Rica das Land mit der weltweit höchsten Nationalparkdichte.

Auf dem Rückweg halten wir am Megasuper Supermarkt in Cobano für einen Einkauf, und wie auf Bestellung beginnt es wieder zu regnen. Das haben wir heute super hinbekommen, ohne nasszuwerden!

Am Nachmittag gelingt Viktor auf der Fidelito Ranch noch eine schöne Zeitlupen-Aufnahme mit Falter und Theo:

Alter Falter und Theo

Abends gibt es Nudeln mit Tomatensoße und Salat mit Thunfisch während der Regen wieder herunterprasselt als gäbe es kein Morgen. Wir finden trotzdem irgendwann eine Regenpause (na ja, schwachen Nieselregen), in der wir die 150 Meter von der Terrasse der Hannoveraner zu unserer Unterkunft halbwegs trocken bewältigen können (… wir scherzen noch, dass wir ja mit dem SUV rüberfahren könnten). Aber so kann die Regenzeit ruhig weitergehen: Tagsüber erträgliche Temperaturen mit wenigen schwachen Schauern und abends der Starkregen, dessen erstaunliches Prasseln wir aus sicherer Position unter Wellblechdächern bestaunen können.

Freitag 28.6.24 – Tambor

Wir haben für heute einen Tag im nahegelegenen Curú Wildlife Refuge geplant und eine Bootstour zu den Tortuga Islands gebucht. Dafür müssen wir um acht Uhr losfahren, d.h. gemeinsames Frühstück um sieben Uhr. Es regnet! Nicht so stark wie gestern Abend, aber ganz ordentlich.

Natürlich kommen wir erst kurz nach acht los, und da das Reinkommen in den Park ziemlich lange dauert (mit Namens- und Berufsangabe aller Personen) müssen wir uns bei der verbleibenen Fahrt an die Küste über regenaufgeweichte Wege schon beeilen. Der Regen hat aber rechtzeitig aufgehört! Wir sind nicht richtig gut informiert und etwas überrumpelt: sofort bekommen wir Schwimmflossen, Schwimmwesten und Schnorchelzubehör, sollen unsere Badesachen anhaben und los geht es auf ein Motorboot. Ziemlich schnell springen wir fast über die Wellen. Wir halten kurz vor einem Regenbogenfelsen, der bogenförmig ist und im September/Oktober bunt blüht. Das Wasser ist gerade zu hoch, und wir können nicht durchfahren. Der nächste Halt ist mit Sicht auf die Tortuga Islands „Isla Alcatras“ und „Isla Tortuga“, die ein bisschen aussehen, wie zwei Schildkröten, die sich angucken.

Nach kurzer Weiterfahrt sehen wir schon einige Menschen im Wasser schnorcheln. Hier halten wir und bekommen eine Stunde Zeit, dies ebenfalls zu tun. Ohne allzu große Erwartungen (wir haben uns einfach nicht vorher informiert…) springen wir alle ins warme Wasser. Und boah: viele verschiedene, kleine und größere, schwarze und bunte Fische schwimmen uns vor der Brille. Es ist wunderschön – leider wissen wir nicht einen Namen und müssen diese Recherche auf anschließend verschieben (abends suchen wir im Netz eine Stunde erfolglos und geben dann auf). Nach knapp einer Stunde zieht sich der Himmel wieder zu, wir klettern alle wieder ins Boot und werden noch an einen Strand auf der Isla Tortuga gefahren, wo es Obst und Getränke für uns gibt und wir Zeit bekommen, an der Bar etwas zu trinken, zu baden, zu schlafen, spazieren zu gehen… (was immer wir wollen). Leider regnet es wieder und wir sitzen fast nur unter dem Zeltdach. Die Temperatur sinkt bei Regen deutlich, und wir sind alle noch nass vom Schnorcheln, so dass uns fast etwas kalt wird.

Um 12 Uhr geht es wieder an Bord, auf der Rückfahrt fahren wir noch an der Playa Quesera vorbei, wo bei Regen auch nichts los ist, und dann wieder zum Ausgangspunkt im Refugio. Dort ziehen wir uns wieder an, essen eine Kleinigkeit und entscheiden uns für eine zwei Kilometer Wanderung. Diese soll relativ einfach und ohne besonderes Schuhwerk machbar sein. Es ist wieder wunderschön, allerdings ist der Weg sehr, sehr nass und geht viel über Stock und Stein und durch Pfützen. Viktor kehrt irgendwann lieber um, wir anderen fünf gehen weiter, und Hanno und Theo, die eigentlich gar keine Lust gehabt haben, sind ziemlich begeistert bei der Sache. Richtig viele Tiere sehen wir bei dem Regen nicht: sehr viele Krabben verschiedener Farbe, Kapuzineräffchen, einen Leguan. Aber dennoch sind wir froh, diesen Weg trotz des Wetters gegangen zu sein. Wir sind ganz allein unterwegs, und dieser Wald ist einfach schön!

Im Regen fahren wir zurück zur Fidelito Ranch. Während wir duschen, verstärkt er sich auch wieder sehr, weshalb wir notgedrungen beschließen, „einfach“ in der Pizzeria in Tambor zu essen. Die paar Kilometer sind z.T. eher Fluss als Straße, und auch unten in Tambor ist alles mehr oder weniger überschwemmt. Im Fernsehen beim Italiener laufen fast nur Nachrichten über die zahlreichen Schäden, die diese tagelangen Starkregen hier in der Provinz schon hervorgerufen haben. Bei so einem Wetter wäre es für uns unmöglich, überhaupt auf`s Rad zu steigen, wir können nur hoffen, dass es sich bis Montag etwas beruhigt.

Henry, der Besitzer der Pizzeria, kommt an unseren Tisch und fragt, wie uns die Pizzen schmecken. Er benutzt nämlich echten Käse und hat einen Liefervertrag mit einer lokalen Käserei. Allerdings ist es kein Mozzarella und der Käse erinnert uns stark an Schweizer Käsefondue. Henry muss aber früher gehen, denn er wohnt noch hinter der Fidelito Ranch und ein Baum versperrt seinen Heimweg. Er muss mit der Kettensäge los. Später erfahren wir auch von unserer Vermieterin, dass hier die Nachbarschafts- und Selbsthilfe gut organisiert ist. Fast jedes Viertel hat eine Nachbarschafts-WhatsApp-Gruppe. Wo wir in Deutschland vielleicht die Feuerwehr rufen würden, wird hier mit der Kettensäge selbst angepackt.

Samstag, 29.6.24 – Tambor – Santa Teresa – Tambor

In der Nacht und am Morgen regnet es weiterhin und wir sind alle ein bisschen genervt. Aber schon vor dem Frühstück hört es auf, und wir sind so zuversichtlich, dass wir uns vornehmen, nach Santa Teresa zu fahren, was eine Stunde Autofahrt bedeutet. Nur noch ungeklärt ist, wo um 13 Uhr das Fussballspiel Deutschland gegen Dänemark geguckt werden kann. Auf der Ruta del Sol Richtung Santa Teresa sind wir wieder einmal froh, diesen Teil ausgespart zu haben, denn tatsächlich ist die Straßenqualität ab Cóbane teilweise sehr schlecht und mit dem Tandem wäre Berg- und Talfahrt über diese Straße gruselig geworden.

Santa Teresa gefällt uns schon beim ersten Durchfahren sehr gut. Wir suchen uns zunächst einen Zugang zum Strand und gehen ein Stück im Sand/Wasser. Hier ist das erste Mal seit längerem wieder freie Sicht auf den Pazifik, und gerade die Hannoveraner sind überwältigt von der Aussicht. Man kann an vielen Stellen sehen, dass auch hier sehr viel Wasser in Richtung Meer geflossen ist und auch noch fließt – die Tropenstürme der letzten Tage haben Spuren hinterlassen – aber heute ist es trocken und die Sonne scheint, der Regen ist fast vergessen.

Wir kehren ein in einem Café inclusive Eis (La Gaucha) mit sogar täglich frisch gebackenen Eiswaffeln, wo wir den Hannoveranern das Eis ausgeben als Gegenleistung, dass wir Bilder von ihnen mit veröffentlichen dürfen 🙂 Es gibt leider kein Beweisfoto, aber es gibt Zeugen. Auf der Toilette hängt ein Schild: „Pick up 3“ – jeder Strandbesucher soll vom Strand drei Plastikmüllteile aufsammeln und dem Recycling zuführen. Gute Idee! Bei weiterer Recherche finden wir eine Organisation in Santa Teresa, die sich der Ozeanreinigung verschrieben hat und genau diese Idee des Müllsammelns hatte, auch, um das Bewusstsein bei den Menschen zu entwickeln, nicht einfach überall den Müll zu hinterlassen. Sollte ja eigentlich selbstverständlich sein!

Die folgenden Stunden werden unterschiedlich verbracht: ein Teil von uns guckt im KOOKS (Sportsbar und Smokehouse) das Fußballspiel, die anderen bummeln, shoppen oder baden in der Zeit. Deutschland gewinnt, aber Viktor und Hans-Jürgen sind sich einig, dass der VAR (Video Assistant Referee) dieses Spiel zu sehr beeinflusst hat. Wenn die Schuhgröße eines Spielers Einfluss auf die Abseitsentscheidung hat oder ein angeschossenes Handspiel, bei dem niemand im Stadion einen Elfmeter fordert, im Nachhinein zum 1:0 führt, dann verzichten wir lieber auf den VAR. Aber egal, Deutschland gewinnt und die Stimmung ist gut.

Als wir uns eine ganze Weile nach dem Spiel alle wieder getroffen haben, beschließen wir, auch noch im Ort ein frühes Abendessen einzunehmen, denn die Auswahl ist hier etwas vielseitiger als in Tambor. Wir landen in „La Cevicheria“ und essen verschiedenste leckere Dinge, bei denen wir Erwachsenen uns die Schärfe auf einer Skala von eins bis zehn aussuchen dürfen (und wir bei den Kinderessen hinterher feststellen, dass diese ziemlich scharf sind). Auf der Rückfahrt schläft Hanno schon ein, obwohl es nicht einmal 19 Uhr ist, Theo hält gerade noch so durch. Als die Kinder im Bett sind, treffen wir vier „Großen“ uns noch einmal (bei schönstem Wetter) in der Outdoor-Küche auf einen Absacker, bewundern eine Vogelspinne und genießen den letzten Abend (den spaßeshalber angekündigten „Bunten Abend“ schenken wir uns 😉 ).

Die Wettervorhersagen für die nächsten Tage sehen, zumindest was den Regen betrifft, etwas entspannter aus, aber über dem Atlantik liegt ein Tiefdruckgebiet, das sich laut US National Hurricane Center vermutlich im Laufe der Woche über der Karibik zu einem Hurricane verstärken wird. Costa Rica liegt zwar derzeit nicht direkt im vorhergesagten Gebiet, aber Starkregen und Wind werden ganz Mittelamerika betreffen. Wir müssen also von Tag zu Tag schauen, wie die Vorhersagen aussehen. Am Sonntagnachmittag Ortszeit, als wir das hier schreiben, ist er bereits ein Hurricane der Kategorie 4.

Sonntag, 30.6.24 – Tambor

Die Nacht war trocken und auch morgens sieht alles bestens aus – ein heißer Tag ist vorhergesagt. Der Abreisetag der Hannoveraner! Wir frühstücken ein letztes Mal um sieben Uhr zusammen, um acht fährt die Familie zum Fähranleger in Paquera. Der Abschied ist ein bisschen traurig und auch komisch, weil sie noch über zwei Wochen in Costa Rica unterwegs sind, und wir auch noch eine Weile – wir sind also ziemlich nah und doch wieder getrennt.

Wir zwei bleiben bis morgen früh, müssen heute das Auto vollgetankt zurückbringen, und die nächsten Tankstellen sind in Paquera oder Cóbano. Deshalb planen wir noch eine Fahrt nach Cóbano und wollen das Tanken zumindest mit einem Kaffee in dem schon vor ein paar Tagen angestrebten Café Terassa verbinden. Als wir dort vorfahren, steht ein „Cerrado“-Schild dort und auf Nachfrage erfahren wir, dass Montag oder Dienstag wieder geöffnet sein wird. Pura vida – wenn man keine Lust hat, macht man anscheinend einfach nicht auf … . Also fahren wir sogar noch herunter zur Küste nach Montezuma, weil wir dann wenigstens in diesem schönen Örtchen noch einen Strandspaziergang und eine Kaffeepause machen können. Danach wird das Auto vollgetankt und wir fahren in Tambor auch noch einmal zum Strand. Dort laufen wir noch am Strand und später über einen Weg zum Fischerdorf von Tambor, von wo der Blick noch einmal ein ganz neuer ist. Zurück am Strand trinken wir noch „Naturales“ im Gitanos, und Viktor guckt die erste Halbzeit von Spanien gegen Georgien. Um 14 Uhr bringen wir das Auto zu Budget zurück und laufen dann wieder (den Weg über die Hängebrücke) nach oben zur Fidelito Ranch, Viktor direkt, Jutta über den Abstecher zum Minisuper Johanna, um für heute und morgen noch Getränke zu kaufen.

Am weiteren Nachmittag bringen wir sowohl unsere Dokumentationen als auch unser Gepäck auf Vordermann, hören dem lauten Vogelkonzert draussen zu (das es an den Regentagen nicht gab) und bereiten uns seelisch auf unser Weiterfahren vor. Neu am Tandem gibt es ab morgen eine Deutschlandflagge, damit wir nicht immer für Amerikaner gehalten werden, und einen „Pura Vida“-Aufkleber auf dem Rahmen, den wir gestern in Santa Teresa gekauft haben.

Rotstirn-Amazonen-Konzert auf der Fidelito Ranch

Woche 12 (17.6.24 – 23.6.24) – La Cruz – Paquera

Montag 17.6.24 – La Cruz – Liberia

Gesamt: 3.409,15 km

Da es nicht mehr notwendig ist, vor der Mittagshitze am Zielort anzukommen, es auch nicht möglich ist, dem unberechenbaren Regen auszuweichen und es außerdem auf den ganzen 60 Kilometern nicht eine Möglichkeit zum Einkehren geben wird, bleiben wir heute zum Frühstück im Hotel und fahren später los. Es gibt schwarzen Tee, Reis, Ei, Platanos und Obst. Im Supermarkt kaufen wir noch Getränke und fahren dann kurz nach acht los. Zwar in noch ziemlich nassen Sachen aber immerhin ohne Regen von oben.

Der erste vollständige Tag in Costa Rica und die ganze Zeit auf derselben Straße. Sie ist gut asphaltiert, hat aber keinen Seitenstreifen. Glücklicherweise gibt es auch nicht viel Verkehr, so dass es sich nicht unangenehm fährt. Die Gegend hier ist sehr viel weniger besiedelt als alles andere in den letzten Wochen – Natur pur. Lange geht es durch die Nationalparks Guanacaste und Santa Rosa, auf Schildern auch als „Biodiversitäts-Tunnel“ bezeichnet. Die ebenfalls auf Schildern angekündigten Tiere zeigen sich leider nicht, wir sehen nur ein totes Gürteltier.

Wir wollten Euch ja hier die Bilder von platten Tieren ersparen, aber nun müssen wir Euch doch eines zeigen und um Mithilfe bitten. Diese platten Dinger haben wir in allen Regionen und Klimazonen gesehen, durch die wir bisher gefahren sind, U.S.A., Mexiko, Mittelamerika … sie scheinen also ein sehr großes Verbreitungsgebiet zu haben. Wer kann Hinweise geben?

Vorsicht! Dieses Bild nur anklicken wenn Ihr das auch ertragen könnt!

Der erste Regen fällt um halb zehn, aber dieser und auch weitere Schauer sind nur sehr örtlich begrenzt, ein paar hundert Meter weiter ist alles wieder trocken. An einem Unterstand spuckt Google tatsächlich noch eine Rastmöglichkeit aus, bei ca. Kilometer 30. Dort angekommen ist alles verschlossen – es ist ja auch Winter (von April bis Oktober ist hier Winter = Regenzeit und keine Saison, haben wir gestern gelernt). Aber ein paar Meter die Straße rein ist eine „Bar“, wo wir einen frisch aufgebrühten Kaffee bekommen. Da es gerade heftiger regnet, bleiben wir eine Weile, und die Besitzerin gibt uns Tipps zu Straßen in Richtung Süden (sie bestätigt, was wir auch schon recherchiert haben, nämlich dass die Küstenstraße – Ruta del Sol – in der Regenzeit nicht passierbar ist, nicht einmal für normale Autos).

Es hört nicht auf mit dem Regen, also fahren wir irgendwann einfach weiter. Ziemlich abrupt hört der Regenwald auf, und rechts und links sind Zuckerrohrplantagen und Viehweiden zu sehen. Ganz anders, aber auch recht schön.

In Liberia müssen wir fast drei Kilometer durch die Stadt gurken, unser Hotel Javy liegt nicht sehr zentral. In einem Supermarkt kaufen wir uns noch das von Joachim und Ursula ausgegebene 3.000-Kilometer-Eis – vielen Dank zum wiederholten Male! Auf einem Werbeschild steht „Carne para mechar“- Fleisch zum Spicken, aber Viktor liest erst „Carne para hechar“ – Fleisch zum Wegwerfen. Das wäre dann doch irgendwie komisch, dafür zu bezahlen. Endlich sind wir am Hotel! Wir bekommen ein Zimmer unten und können das Tandem vor der Tür unterstellen. Hier haben wir das erste Mal drei Wasserhähne in der Dusche. Während Viktor die zweite Halbzeit Fußball (Frankreich – Österreich) guckt, probiert Jutta die Dusche aus: dreimal kaltes Wasser, einzeln oder kombiniert aufgedreht! Warum macht man den Gästen denn dann mit drei Hähnen die Hoffnung auf warmes Wasser? Wir bleiben trotzdem zwei Nächte hier, denn morgen wollen wir eine Faultier-Tour machen, auch, um nicht viel zu früh am Treffpunkt mit der Familie anzukommen.

Wir nutzen den Nachmittag zur weiteren Tourenplanung. Da wir die „Ruta del Sol“ nicht fahren können, werden wir einen direkteren Weg nehmen müssen, der uns sehr schnell nach Tambor bringt, wo wir uns mit Familie treffen werden. Wir planen also ein paar kürzere Tage und Ruhetage mit Ausflügen ein, damit das Ganze dann auch passt. Sollte der Regen mal zu heftig werden oder einer von uns schwächeln, haben wir auch noch etwas Puffer.

Um fünf denken wir, wir gehen schon mal Abendessen. Alle Restaurants in der Nähe des Hotels sind entweder geschlossen oder gar nicht (mehr) zu finden. Besonders die beiden nicht existenten Restaurants „Donde Chino“ (Wo Chinese?) und „Donde Mary“ (Wo Mary?) fühlen sich irgendwie nach Verarschung an.

Um zwanzig vor sechs gibt uns der Hotelrezeptionist einen Restaurant-Tipp, und wir gehen gut einen Kilometer am Stadion und Krankenhaus vorbei dorthin. Das „El Patio“ öffnet um 18 Uhr zum Abendessen, wir sind Punkt 18 Uhr dort, aber erst nachdem Viktor um zehn nach sechs klopft, öffnen sie den „Patio“, und es kommen außer uns gleich noch mehrere andere Gäste. Gut, dass alles in der Nähe des Hotels nichts war – die Speisekarte ist sehr vielfältig und das Essen super, und da der Handyakku fast leer ist und wir im Dunkeln den weiten Weg zurück finden müssen, laden sie sogar noch das Handy mit ihrem eigenen Ladegerät und -kabel.

Dienstag 18.6.24 – Liberia – Faultierwald, Biokaffee- und Schokoladentour, Wasserfall und Regenwald

Nach einem frühen Frühstück im Hotel werden wir um halb acht von unserem Tourguide Gino abgeholt.

Von Liberia sind drei Vulkane mit dem Auto gut erreichbar: der Rincón de la Vieja (aktiv), der Miravalles (heiße Quellen) und der Tenorio (inaktiv). Auf unserer gebuchten Tour werden wir letzteren besuchen, da dort richtiger Regenwald wächst.

Zuerst fahren wir aber zum Wasserfall „Catarata Llanos del Cortés“, wo es morgens noch nicht so voll ist, und bewundern einen breiteren und zwei schmalere Wasserfälle. Hier bekommen wir auch die Unterschiede zwischen Dryforest, Tropical forest und Rainforest erklärt – hier ist nämlich eigentlich noch Savanne, auch wenn es für uns schon fast nach Regenwald aussieht.

Der nächste Stopp ist eine weitere Strecke entfernt. Auf der Fahrt passieren wir den Rincón de la Vieja und den Miravalles und sehen nach oben steigende weiße Dampfwolken. Außerdem halten wir immer wieder an auf der Suche nach Tukanen, einmal gehen wir auf eine Kuhweide, wo häufig welche in den Bäumen sitzen, wir sehen aber nicht einen. Im „Spring Paradise Bijagua“ bekommen wir eine Führung durch tropischen Wald und können dort Zwei- und Dreizehenfaultiere, verschiedene Vögel (leider keinen Tukan), Frösche, Brüllaffen und eine Wimpern-Viper sehen. Gino fährt mit uns noch etwas höher in der Hoffnung auf Tucane und wirklich, wir finden mehrere in Bäumen sitzen (Gelbkehl – und Regenbogentukane) und Gino ist glücklich – fast glücklicher als wir, denn es hat ihn gewurmt, dass seine Serie fast gerissen wäre.

Blattschneide-Ameisen bei der Arbeit
unser Guide Gino imitiert am Wasserfall manuell ein Drohnen-Video

Weiter geht es zu einer Kaffee- und Schokoladenplantagentour (Proyecto Eco-Turístico Catarata Llanos del Cortés), wo wir Arabica-Kaffeepflanzen (Ernte zweimal jährlich) und zwei unterschiedliche Kakaopflanzen (Bestäubung durch männliche (!) Mücken, die stechen nämlich nicht und ernähren sich von Nektar) vorgestellt bekommen und sowohl Kaffeebohnen als auch Kakaobohnen mahlen dürfen. Beides wird dann auch zubereitet und wir bekommen einen Kaffee mit einem Maiskeks und einen Kakao mit einem Stück Zuckerrohr zum Süßen zum Probieren.

Jutta beim „Feinmalen“ des Kaffees … den groben Teil hat Viktor übernommen

Inwischen ist es Mittagszeit, und wir fahren zu einem Restaurant, wo es Casados und Wassermelonengetränk für uns gibt. Anschließend steht noch die Fahrt zum Tenorio an, wo Gino uns noch den echten Regenwald näherbringen will. Dort sehen wir zunächst noch zwei weitere Tukane. Dann folgen Fakten zum Regenwald: es braucht 2000 bis 6000 Liter Regen pro Quadtratmeter und Jahr, neun humide Monate jährlich, ausreichend Sonne, es gibt keinen freien Platz auf dem Boden, vier verschiedene Kategorien von Pflanzen: Baumriesen, Epiphyten (Aufsitzerpflanzen), Unterholz/Unterwuchs und Pionierpflanzen (die nach starken Stürmen, Erdrutschen o.Ä. als erstes wieder wachsen), es gibt Pflanzen, deren ätherische Öle Repellentien für z.B. Affen sind, man sieht keine vertrockneten Blätter auf dem Boden und wahrscheinlich noch vieles mehr, aus dem Mix aus Spanisch und Englisch ist nicht alles hängengeblieben.

Rotaugen-Laubfrosch

Die mehr als einstündige Rückfahrt erzählt Gino uns von privaten Rückschlägen und bestätigt uns den weiteren Verlauf unserer Tour (nicht über die Ruta des Sol Richtung Tambor, dafür aber später an der Küste (Costanera, Nr. 34) entlang Richtung Panama, da die Nr. 1 durch die Hauptstadt San José sehr viele Steigungen hat, bis über 3.000 m Höhe erreicht und auch nicht schön sein soll.

Um vier Uhr sind wir zurück im Hotel. Viktor geht es nicht so gut (Halsweh und Nebenhöhlen) – er legt sich hin, Jutta besorgt in strömendem Regen noch Getränke und Lutschpastillen, dann wird ausgeruht und geschrieben.

Costa Rica war übrigens das erste Land weltweit, das seinen Energiebedarf 100% CO2-neutral deckt: 72% Wasserkraft, 14% Geothermie (kein Wunder bei den vielen Vulkanen) und 12% Wind. Photovoltaik spielt hier kaum eine Rolle.

Mamon / Mamon Chino am Straßenrand gekauft, eine Art Litschi

Mittwoch 19.6.24 – Liberia – Santa Cruz

Gesamt: 3.468,04 km

Beim Aufstehen sieht es draußen trocken aus, und wir nutzen sowohl Sonnen- als auch Mückenschutz. Aber schon vor dem Frühstück beginnt es, aus Kübeln zu schütten, deshalb fahren wir heute erstmalig in Regenkleidung – die Temperatur von um die 20 Grad Celsius lässt es zu.

Getränke kaufen wir bei Walmart in Liberia, das liegt gleich an der Ruta National 21, der wir heute die gesamte Strecke folgen. Auf dem Parkplatz gibt es zwei Schnellladesäulen für Elektroautos, und da lohnt es sich auch zu berichten, dass es, seit wir in Costa Rica sind, immer wieder Ladesäulen gibt und auch schon ein Tesla von uns gesichtet wurde. Das war von Mexiko bis Nicaragua überhaupt nicht der Fall, auch wenn wir in Antigua ja einmal einen gesehen haben. Viktor stellt sich wegen des Regens unter das Vordach, während Jutta einkauft und wird von einem wichtigen Menschen dort „verjagt“, obwohl massig Platz und nichts los ist. Na ja, er bleibt einfach dort im Trockenen stehen!

Auf der 21 ist ziemlich viel Verkehr, da auf einer anderen Hauptverkehrsstraße irgendeine Brücke gesperrt ist, so dass sich der Verkehr zur Zeit auf dieser Strecke bündelt. Aber die allermeisten Autos und LKW überholen in großem Abstand oder warten ggfs. hinter uns, bis die Gegenfahrbahn frei ist.

Kurz hinter dem Internationalen Flughafen von Liberia (der einzige neben San José in Costa Rica) gibt es das Restaurant Pizzeria Europa mit einer Panaderia Aleman und Biergarten. Auch wenn wir erst 16 km gefahren sind, halten wir an, trinken einen Kaffee und kaufen ein Rosinenbrot. Im Biergarten läuft auch die Europameisterschaft, aber es ist noch zu früh – Deutschland spielt erst ab 10 Uhr hiesiger Zeit.

Dann geht es weiter bis Santa Cruz, ohne dass wir irgendwo länger halten, das Wetter ist einfach nass und es gibt auch nichts Einladendes auf der Strecke. An einer Tankstelle halten wir kurz, Viktor guckt online nach, und gerade schießt Deutschland das erste Tor gegen Ungarn. Die letzten Kilometer ziehen sich etwas und Viktor schwächelt ein wenig. Die leichte Erkältung und der eher mäßige Schlaf der vergangenen Nacht machen sich bemerkbar. Eine Extrapause fünf Kilometer vor dem Ziel am Straßenrand richtet es dann aber.

Um viertel nach 12 sind wir am Hotel El Marino in Santa Cruz. Da wir erst ab 14 Uhr ins Zimmer dürfen, gehen wir in ein nettes Café um die Ecke, wo wir zwei Eiskaffee trinken. Wieder einmal hat Viktor Sprachprobleme, da er einfach nicht beantworten kann, ob wir unsere Eiskaffees gerne mit „Santili“, oder „Chantilli“ oder so etwas Ähnlichem haben wollen. Die Bedienung schaut völlig ungläubig, dass uns das unbekannt ist. Am Ende bekommen wir einen kleinen Probeteller … sieht aus wie Sahne und schmeckt wie Sahne … stark gesüßt. O.K., also dann „mit bitte“. Nach dem Buchstabieren und googlen stellen wir fest, dass das Wort aus Frankreich stammt: Chantilly. Die Zeit im Kaffee nutzen wir für eine Bewertung unserer gestrigen Tour mit Gino.

Anschließend kauft Viktor sich in einer Apotheke noch etwas gegen seine Nebenhöhlenprobleme. Es gibt hier in Apotheken generell keine pflanzlichen Medikamente (doch, die Apothekerin findet noch einen Saft mit Efeu, aber Husten hat Viktor kaum), und jetzt hat er einen Blister (hier kauft man wohl nie Packungen, sondern einzelne Blister ohne Beipackzettel … und somit auch ohne Dosieranleitung) mit einem Wirkstoffcocktail aus fünf Wirkstoffen, von denen einer auch zur Behandlung von Parkinson eingesetzt wird.

Am Nachmittag machen wir noch einen kleinen Stadtrundgang, kaufen schon mal die Getränke für morgen, denn wir haben einen Kühlschrank im Zimmer, in dem wir sie kaltstellen können, und gehen um die Ecke im Restaurante Terraza essen, wo wir die Riesenportionen nicht schaffen.

In den Straßen hängt eine Art Weihnachtsbeleuchtung, in der es um die „Anexion“ einer „Partei“ zu gehen scheint. Tatsächlich geht es um den Anschluss des Gebietes Nicoya an die Provinz Guanacaste, und somit an Costa Rica per Volksabstimmung am 25. Juli 1824. Da steht wohl eine 200-Jahr-Feier an.

Donnerstag 20.6.24 – Santa Cruz – Jicaral

Gesamt: 3.540,07 km

Wieder fahren wir im Regen los, und heute regnet es auch kontinuierlich durch, mal stärker, mal schwächer, aber es hört nie ganz auf.

Es geht auch kontinuierlich hoch und runter, ganz subtil, aber auf Dauer ziemlich ermüdent. In Nicoya, nach gut 22 Kilometern die einzige Stadt auf der Strecke, wollen wir pausieren und uns ein bisschen trocknen. Im Mc Café ist die Kaffee-/Teemaschine defekt, das richtige Café gegenüber hat geschlossen, dann kaufen wir uns zwei Milchkaffee bei Burger King und setzen uns draußen bei Mc Donalds hin. Im Endeffekt wirft Jutta ihren Kaffee weg, weil er ungenießbar ist, aber wir sitzen wenigstens eine Weile im Trockenen.

Die Temperaturen sind heute trotz oder auch aufgrund des Dauerregens ganz angenehm.

Anhalten und Fotos machen ist bei dem Wetter blöd. Deshalb gibt es weniger Fotos. Aber die Landschaft hier ist toll! Grüne Hügel in Nebelschwaden. Stellt Euch einfach „Gorillas im Nebel“ ohne Gorillas vor.

Irgendwo kommen wir an ein Stauende: es gab einen Erdrutsch, und unsere Straßenseite ist gesperrt. Ordner lassen immer nur ein paar Fahrzeuge aus jeder Richtung abwechselnd durch. Wir müssen vorne eine Weile warten und werden von einem der Ordner tatsächlich gefragt, ob wir eine Zigarette für ihn haben. Auf dem ersten Stück nach dieser Sperrung kommen von hinten phasenweise Autokolonnen oder kein Verkehr, das ist mal ganz schön.

Die Sicht ist heute so schlecht, dass wir mit der rechten Radtasche einmal einen Baumstumpf mitnehmen, weil der Captain ihn übersehen hat. Etwa 15 Kilometer vor dem Ziel kommt nochmal ein kleiner Ort, San Pablo, und da es inzwischen 12 Uhr ist, und wir ziemlich aufgeweicht sind, wollen wir dort noch einmal pausieren. Laut Google gibt es eine Tankstelle und/oder eine Tienda de Café. Beides sieht nicht passend aus, aber am Straßenrand ist Werbung für ein Restaurant mit Cafeteria, nur 267m von der Straße entfernt. Es ist dann doch weiter (die 267m sind Luftlinie …), und als wir dort ankommen, ist das Tor verschlossen. Wir werden gesehen und darauf aufmerksam gemacht, dass sie um 13 Uhr öffnen. Na toll! Viktor macht ein Foto, um abends bei Facebook etwas zu schreiben (auf den Schildern an der Straße sollte die Öffnungszeit stehen), da kommt jemand ans Tor und sagt, es würde 15/20 Minuten dauern, aber wir könnten reinkommen. Es ist eine richtig schöne Oase, sie öffnen früher für uns, und sie haben eine richtig große Karte. Wir bestellen dann „nur“ zwei Milchkaffee, ein Stück Käsekuchen mit „Kürbishonig“ und ein Möhren-Ananas-Brot und dürfen trotzdem vorher Ceviche probieren. Alles ist wirklich lecker!

Auf dem letzten Stück ist die Straßenqualität plötzlich schlechter, da wird das Fahren noch mühseliger, aber um kurz nach 14 Uhr kommen wir am Ziel an, sagt Komoot. Das Ferienhaus, das wir gebucht haben, ist auch zu sehen, allerdings senkrecht nach oben. Die Auffahrt dorthin ist ein bisschen weiter die Straße entlang. Jutta geht erst einmal zu Fuß hoch, checken, da kommen erst vier bellende Hunde und dann Hans (ein Deutscher), der bestätigt, dass wir richtig sind. Also schieben wir das Tandem die steile Auffahrt hoch und haben dann ein Ferienhaus, von dessen Balkon die Sicht wunderschön ist (bei schönem Wetter besonders, aber auch heute kann man es erahnen). Und es gibt einen Wasserkocher in der Küche! Jutta geht im Ort Getränke und Milch kaufen (morgen früh gibt es den Rest Oatmeal von Trader Joes aus den USA) und dann wird erst einmal ein Liter schwarzer Tee gekocht!

Zum Abendessen suchen wir uns das Restaurant El Mirador aus, das eineinhalb Kilometer weg ist. Als wir den steilen Aufstieg hochgehen, denken wir noch, dass wahrscheinlich seit Jahren niemand zu Fuß dort hochgegangen ist, da beginnt es zu regnen (dabei hat Hans uns erzählt, dass es hier in Jicaral fast nie regnet – die letzten drei Tage war es wohl auch trocken). Wir rennen die letzten Meter, und als wir oben sind, schüttet es unglaublich stark. Während wir auf unser Essen warten, werden wir von winzigen Insekten umschwärmt und gestochen: Purrujas, wie wir von der Bedienung erfahren. Innerhalb von Minuten sind wir ziemlich zerstochen. DEET hilft nicht gegen diese Insekten, die gerade bei Regen rauskommen. Die Pasta sind gut, aber hinterher wollen wir nicht durch den Regen zur Wohnung zurück. Als wir nach einem Taxi fragen, telefoniert die Bedienung, kurz darauf kommt ein Auto den Berg hoch, und der Fahrer bringt uns zurück. Als wir zahlen wollen, winkt er ab – er ist der Besitzer vom Restaurant, und das Fahren macht er einfach so – erinnert ein wenig an das „Viktor-Taxi“, dass Jutta schon oft aus der Apotheke angerufen hat…

Ein bisschen Regen…

Freitag 21.6.24 – Jicaral – Paquera

Gesamt: 3.583,01 km

Der Regen hat in der Nacht aufgehört – es scheint die Sonne, und wir können auf dem Balkon unseres Ferienhauses frühstücken, während wir allerlei Getier beobachten: Echsen, Hunde, Rinder, Vögel und besonders viele Schmetterlinge. Ist schon schön hier!

Heute fahren wir endlich einmal wieder bei Sonnenschein los. Die heutige Strecke ist kurz, soll aber ziemlich heftige Steigungen haben. Bei 25 – 30 Grad Celsius und 77% Luftfeuchtigkeit wünschen wir uns dann auf der zweiten Hälfte doch fast den Regen von gestern zurück.

In La Naranja bei Kilometer 20 halten wir nochmal an einer Tanke, bevor wir dort auf die Ruta del Sol (hier beginnt sie und ist auch mit dem Rad befahrbar, im weiteren Verlauf wird sie dann ja zu schlecht, weswegen wir unsere Route ja umplanen mussten) mit den vielen Steigungen wechseln.

Die Strecke bietet bis zu 15% Steigung. Wir schaffen es zu zweit mit vereinten Kräften fast nicht mehr, das Tandem hochzuschieben. Bei Sonnenschein sind wir nach wenigen Metern so kaputt, dass wir eine Pause einlegen müssen, denn sobald einer von beiden schwächelt geht gar nichts mehr. Das bedeutet auf einem Teilstück: 250 Meter schieben – Pause – 250 Meter schieben – Pause …. usw.
Die nächste Stufe wäre wohl: Gepäck abnehmen und einzeln hochtragen. Dann das leichtere Tandem hochschieben. Ab 16% wäre das derzeit die einzige Chance. Heute schaffen wir aber auch erstmalig eine 9%-Steigung mit einem kurzen 10%-Zwischenstück fahrend.

Wir brauchen fast drei Stunden für etwas mehr als zehn Kilometer. Glücklicherweise kommt da noch ein Ort (Rio Grande) mit einem Restaurant (Eli), wo wir uns im Schatten unter einem Ventilator ausruhen, etwas trinken und uns einen Fruchtsalat teilen. Die Bedienung bringt uns unaufgefordert noch eine Flasche kaltes Wasser mit zwei Gläsern, das bekommen die anderen Gäste nicht – wir sehen wahrscheinlich etwas fertig aus.

Auch auf den letzten zehn Kilometern kommen noch kürzere Steigungen, und wir beschließen, in Paquera nicht gleich im Supermarkt Lebensmittel für die nächsten Tage zu kaufen, sondern erst zu unserer gebuchten Ferienwohnung zu fahren. Die angegebene Anschrift ist noch ein ganzes Stück Schotterweg vor den Cabinas Alemar. Und dort angekommen entpuppt sich die Ferienwohnung als Hotel-/Motelzimmer. Gut, dass wir keine Lebensmittel eingekauft haben! Aber blöd, dass wir hier drei Nächte bleiben (und noch überlegt haben, noch eine vierte Nacht ranzuhängen), weil wir nur noch gut 20 Kilometer bis zur Fidelito Ranch fahren müssen, wo wir uns mit Juttas Schwester mit Familie treffen. Wir sind vielleicht doch ein wenig zu viel Bus gefahren … jetzt sind wir tatsächlich ein paar Tage zu früh dran. Hier in Paquera kann man aber Aktivitäten am Meer machen, und unsere Wäsche scheinen wir morgen hier um die Ecke auch einmal wieder in einer Maschine waschen lassen zu können.

Im Zimmer hängen wir wie immer unsere Wäscheleine auf – von der Gardinenstange zur Garderobenstange – um die noch von gestern feuchten Sachen zu trocknen. Nur leider reisst es beim x-ten Kleidungsstück die Halterung der Gardinenstange aus der Wand. Ein Stück Holz bricht richtig ab. Viktor nutzt einen Kabelbinder, um zu verhindern, dass die Gardine mit Stange nachts auf unser Bett fällt, das direkt vor dem Fenster steht. Muss ja nur solange halten, bis wir weiterfahren…

Zum Abendessen gehen wir in ein Restaurant mit Bar um die Ecke. Dort wird gerade alles aufgebaut für den Karaokeabend heute. Mal gucken, was wir dann nachher lauter hören: die Musik von dort oder die Fernseher/Menschen aus den Nachbarzimmern, es ist nämlich sehr, sehr hellhörig hier.

Samstag 22.6.24 – Paquera – Ruhetag, Fahrradwartung, Kajaktour im Sonnenuntergang

Wir nutzen den Ruhetag für eine Reinigung, Inspektion und Wartung des Tandems. Unter anderem haben sich seitlich am Stoker-Sitz kleine Schrauben gelöst, eine ist komplett verloren gegangen. Viktor findet halbwegs passenden Ersatz im mitgeführten Schraubenbeutel, auch wenn keine exakt passende M3-Senkkopf-Innensechskantschraube dabei ist.

Außerdem gilt es, die Ketten und Umlenkrollen zu prüfen, zu reinigen und zu ölen. Auch der Freilauf erhält nochmal eine ordentliche Portion Lithiumfett per Sprühdose mit Insulinspritzen-Aufsatz.

Außerdem nutzen wir den Tag, unsere gesamte Kleidung das erste Mal seit Tapachula (noch in Mexiko) mit einer Maschine waschen zu lassen. In einem Hostel in der Nähe soll es einen Wäscheservice geben. Google schlägt einen direkten Weg von vier Minuten zu Fuß vor, den es zwar nicht gibt, aber auch der Weg „außenrum“ ist nicht so weit. Die Besitzerin kommt aus Venlo und spricht Deutsch. Um halb zehn sind wir bei ihr, um dreizehn Uhr können wir die Wäsche wieder abholen.

Für die abendliche Kajaktour müssen wir an einen Treffpunkt, der noch zwei Kilometer hinter dem Fähranleger von Paquera liegt, und der ist etwa sechs Kilometer vom Ort entfernt. Wir wollen entscheiden, ob wir mit dem Rad fahren (und zurück dann im Dunkeln) oder hinlaufen (und zurück mit einem Taxi), also machen wir uns mittags mit dem Rad auf den Weg, um es auszukundschaften. Tja, und wer rechnet denn damit, dass der Weg zum Fähranleger über mehrere Hügel geht? Wir jedenfalls nicht! Aber immerhin wissen wir jetzt, dass wir ohne Gepäck auch eine 12-%ige Steigung hochfahren können!

Am Anleger angekommen ist uns klar, dass wir für den Hin- und Rückweg ein Taxi nehmen wollen, und das schon, bevor wir den noch steileren Anstieg auf losem Untergrund zur sehr abgelegenen Bahia Rica sehen, wo die Tour losgeht. Wir bitten also im Hotel, uns ein Taxi für 16:15 Uhr zu bestellen, und es wird der Neffe des Kochs, der uns dann privat fährt und um 19:30 Uhr auch wieder abholt. Das letzte Stück der Strecke ist mit einem normalen Auto nur mit großer Vorsicht zu schaffen, bei Regen wäre es unserem Fahrer zu gefährlich. Mit dem Tandem wäre die Strecke schlicht nicht machbar.

Die Kajaktour ist dafür ein absolutes Highlight. Wir paddeln vor einem Regenbogen, erleben einen tollen Sonnenuntergang, sehen Rochen und springende Fische, fischende Fledermäuse und haben auch noch das Glück, sehr starke Bioluminiszenz (Meeresleuchten) zu erleben, die bei jedem unserer Paddelschläge leuchtende Streifen ins Wasser malt. Gegen Ende sehen wir in der Ferne Blitze eines aufziehenden Gewitters, die sich im Wasser spiegeln. Traumhaft! Mit einem guten Guide ist so eine „nächtliche“ Kajaktour wirklich ein tolles (und sicheres) Erlebnis. (Die anderen neun Teilnehmenden aus Skandinavien haben einen anderen Guide, der die Einführung für uns alle macht und ziemlich schwer verständliches Englisch spricht – wir haben also wirklich großes Glück mit José). Insgesamt paddeln wir in 2,5 Stunden ca. 7 km, ohne dass es besonders anstrengend wäre, und wir haben dabei viel Zeit, im Wasser zu dümpeln und die Aussichten zu genießen. José ist ganz angetan, dass er mit uns ordentlich Strecke machen kann. Machmal müsse er die Touristen per Seil abschleppen, um die Orte zu erreichen, an denen er etwas zeigen möchte. Es würden bei der Einführung ja fast alle behaupten, sie könnten Kajak fahren. Wir müssen an Julius und Travis und ihre Paddeltour mit guten Freunden denken [kleiner versteckter Gruß 🙂 ].

Auf dem Rückweg bringt uns José noch ein besonderes costaricanisches Wort bei, das die Einheimischen hier untereinander statt „Pura Vida“ verwenden: „A Cachete“. Natürlich antworten wir ab sofort auf den häufigen Zuruf „Pura Vida!“ nur noch mit „A Cachete!“

Noch ein paar andere „costarriqueñismos“ für die Spanischsprechenden unter Euch: Link

Am Nachmittag können wir uns noch zwei Banana-Split gönnen, auf Einladung von Uwe und Sabine. Vielen Dank! Auch wenn es heute gar nicht geregnet hat und wir keinen „Regentrost“ nötig haben. Dafür gibt es hier eine richtige Heladeria, und für die Kanutour kann man noch ein bisschen Energie gebrauchen.

Und nun noch zur Auflösung des „plattgefahrenen Tieres“ von weiter oben. Es war natürlich kein gruseliges Foto von einem toten Tier, sondern die Reifendecke eines Autoreifens. Die liegen hier wirklich oft am Straßenrand. Meist sind es Lastwagenreifen. Seit Mexiko treffen wir sie gehäuft an. Früher konnte man in Deutschland „runderneuerte“ Reifen kaufen. Ob das heute noch geht, wissen wir gar nicht (doch … jetzt schon). Das Foto zeigt eine recht „sauber“ abgelöste Reifendecke, die auf der Straße liegend manchmal – je nach Form – an einen plattgefahrenen Alligator erinnert.

Sonntag 23.6.24 – Paquera – Ruhetag

Ohne Auto ist man hier in Paquera wirklich sehr eingeschränkt. Die Strände erreicht man nur über lange und beschwerliche Berg- und Talfahrten auf steinig-felsigen Straßen. Für uns bedeutet das eine 6 bis 7 km lange Wanderung, um an einen Strand zu gelangen. Wir überlegen länger, ob wir uns nochmal auf den Weg machen, entscheiden uns aber wegen der Temperatur und drohender Insektenstiche für das Chillen am Pool, Fussball gucken (Viktor), bloggen und Überlegungen für die kommenden Tage und Wochen (Aktivitäten mit Familie, Mietwagen, weitere Streckenführung nach Panama, etc.).

Auf der Suche nach einem dunklen Bier entdecken wir im Supermarkt dieses Bier und denken natürlich, dass es aus Costa Rica stammen muss. Überrascht stellen wir fest, dass es aus Girona (Catalunya, España/Spanien) kommt. Wir kaufen es natürlich nicht, da es einen unhaltbaren CO2-Fußabdruck hat … und außerdem Dosenbier ist … na ja.

Zu unserer manchmal vielleicht etwas überzogen wirkenden Suche nach guten Cafés mit ordentlicher Espessomaschine finden wir dieses Bild aus einem Café in Paquera ganz passend:

Alles ist relativ

Für die zweite Halbzeit des Fußballspiels Schweiz – Deutschland gehen wir in das Hotelrestaurant und Viktor bittet, es auf dem Fernseher dort zu zeigen. Daraufhin entsteht ein kleines „Public Viewing“, da mehrere anwesende insbesondere Männer (Restaurant- und Poolgäste) ebenfalls mitschauen. Kurz vor Schluss bessert sich Viktors Laune noch ;-), und wir gehen anschließend (es ist auch gerade eine Regenpause) einen Kaffee trinken in einem für abends ausgeguckten Restaurant. Wir verabschieden uns dort „bis später“, allerdings schüttet es abends dann doch so stark, dass wir uns dagegen entscheiden, das Grundstück überhaupt noch einmal zu verlassen und essen eine Kleinigkeit im Hotelrestaurant. Dabei erfahren wir auch, dass morgen Ruhetag ist, wir also kein Frühstück mehr bekommen können.

Ach ja, und hier kann man im Ort die lauten Rufe der Brüllaffen hören. Und im Zimmer hören wir die ganze Zeit einen Vogel – denken wir. In der Fidelito-Ranch lernen wir nämlich, dass es Geckos sind, die diese vogelähnlichen Rufe von sich geben.

Woche 11 (10.6.24 – 16.6.24) – Somotillo – La Cruz

Montag 10.6.24 – Somotillo – Chinandega

Gesamt: 3.036,82 km

Mit Rückenschmerzen wegen der extrem weichen Matraze stehen wir fertig gepackt um kurz vor sechs vor dem verschlossenen Tor zur Straße, dabei war um fünf schon ein LKW mit laufendem Motor im Hof. Wir rufen (leise) und schauen im Gebäude nach, wo eine Art Rezeption ist, finden aber nur Hunde. Die Telefonnummer auf der Visitenkarte anrufen! W-LAN-Anruf -klappt nicht! Anruf über Deutschland (also teuer)- klappt! „Wir fahren immer um sechs Uhr los!“. Kurz darauf erscheint eine verschlafene Frau und lässt uns raus – wo sie herkam, wissen wir nicht.

Es ist stark bewölkt und noch relativ kühl, dennoch benötigen wir Getränke für die Fahrt. Kein Laden, keine Tankstelle in der Nähe, aber nach dem Überqueren von zwei von Japan gespendeten Brücken ist rechts eine kleine Tienda: sie verkauft kein Wasser! Kurz darauf eine kleine Tankstelle mit drei Kühlschränken, alle mit Stahlketten und Vorhängeschlössern gesichert. Wir halten an! Der dritte Mann, den Viktor fragt, kann die Tür des einen Kühlschranks trotz der vorgehängten Kette ausreichend weit öffnen und verkauft uns für teures Geld zwei Liter-Flaschen Wasser, an die gerade so herankommt. Die eine hat jenen eigenartigen physikalischen Zustand, der beim Ausschütten des flüssigen Wassers sofort Eis entstehen lässt, die andere hat keinerlei flüssiges Wasser, nur einen Eisblock. Schön, dann bleibt es länger kühl! Dauert bloß ziemlich lange, bis überhaupt soviel geschmolzen ist, bis Jutta etwas trinken kann. Noch ein paar Kilometer weiter kommt eine Tienda, und Viktor kann sich sogar noch Gatorade kaufen.

Bei Kilometer 30, kurz vor dem Überfahren unserer virtuellen 3.000 – Kilometer – Marke, halten wir einfach am Straßenrand (es kommt einfach nicht einmal mehr eine Bushaltestelle mit `ner Bank zum Pausieren) und frühstücken trostlos Zwieback mit Marmelade (Viktor … Ihr wisst schon warum) und Toastbrot mit Nutella (Jutta opfert sich) ohne Heißgetränk, aber wir sind gestärkt für die 3.000, und es kommt heute sowieso auf der ganzen Strecke nichts zum Einkehren, sagt Google (und behält Recht).

Vor uns bzw. auf der rechten Seite, je nach Fahrtrichtung, haben wir eine schöne Aussicht auf den Vulkan „Casitas“, den wir heute auch fast komplett umfahren werden, die Route ist fast wie ein Fragezeichen geformt. Da sich der Himmel immer wieder ändert, ist die Sicht trotzdem abwechslungsreich. An seinen Hängen des Vulkans wird angeblich Kaffee angebaut, das können wir allerdings nicht erkennen. Der starke Regen der letzten Nacht hat rechts und links der Straße die Bäche anschwellen lassen und die Wiesen sind überflutet. Wir sehen viele Reiher in den Wiesen stehen. Wir sehen einige Zuckerrohrfelder, aber auch Mais.

Ansonsten ist das hier aber wieder eher eine Viehzucht-Gegend. Es kommen uns viele Männer auf Pferden entgegen, am Straßenrand grasen Rinder und Pferde, teils an Pflöcken festgebunden, teils auch frei herumlaufend. Ein junger Mann verfolgt auf seinem Pferd ein Kalb und versucht es scheinbar wieder zurück zu Herde zu treiben.

Der Jícaro-Baum (bei den Maya heilig, auch Kalabassen-Baum genannt) eignet sich besonders für eine Kombination mit Rinderhaltung. Er verträgt karge Böden und lange Trockenzeiten, aber auch Staunässe. Sein Schatten ist nicht zu stark, so dass das Gras noch wachsen kann, er bewahrt es aber vor dem Verdorren. Seine Früchte sind apfelgrün und wachsen direkt am Stamm und an den stärkeren Ästen. Alle Bestandteile der Frucht (Schale, Fruchtfleisch, Samenkerne) können genutzt werden. Für die, die Spanisch verstehen, hier noch ein interessanter Link.

Als wir noch 20 Kilometer vor uns haben, beginnt eine 10 Kilometer lange Steigung auf schnurgerader Straße, nicht besonders steil, aber ziemlich ermüdend, und das ohne eine erstzunehmende Ausruh- und Abkühlpause, aber auch die sind irgendwann vorbei.

In Chinandega haben wir gestern beim Pizzaesssen ein schönes Hotel vorgebucht (Hotel Los Portales), wo wir schon um viertel vor 12 Uhr ankommen. Leider ist Einchecken erst ab 15 Uhr möglich. Wir ziehen also erst einmal Cordoba Oro aus dem „Cajero Electronico“ oder Geldautomaten (am Schalter der Bank direkt neben dem Hotel scheitert es daran, dass Viktor seinen Reisepass nicht dabeihat!), trinken an der Hotelbar erst einen Kaffee, später einen Cocktail auf die 3.000 km – Marke und vertrödeln ein wenig die Zeit. Lust auf einen Gang in die Stadt verspüren wir genausowenig wie auf die Nutzung des Pools, der in der prallen Sonne liegt. Unbegleitet zu unserem Zimmer gehen dürfen wir nach dem Checkin auch nicht. Wir werden geführt und alle Handtücher werden uns persönlich vorgestellt. Aber das Warten lohnt sich: Wir haben das erste Mal seit langer Zeit wieder warmes Wasser in der Dusche – fühlt sich richtig gut an!

Abendessen gibt es im Hotelrestaurant, leckeren Salat buw. Suppe und gutes vegetarisches Risotto.

Dienstag 11.6.24 – Chinandega – Leon

Gesamt: 3.080,77 km

Für heute haben wir uns mit nur knapp 50 Kilometern einen entspannten kurzen Tag vorgenommen. An solchen Tagen werden wir leider manchmal etwas experimentierfreudig. Das rächt sich heute und doch passiert alles irgendwie wieder zum günstigsten Zeitpunkt.

Da wir ein kurzen Tag vor uns haben, nehmen wir uns die Zeit zum Frühstücken im Hotel, was ab 6 Uhr möglich sein soll. Wir haben schließlich Gutscheine für das Frühstück, also können wir den Luxus heute auch mal nutzen. Wir stehen also wie gehabt um 5 Uhr auf, packen schon mal alles, holen das Tandem aus dem Unterstand am Ende des Parkplatzes und befestigen alle Radtaschen. Punkt 6 Uhr stehen wir am Hotelrestaurant … Deutsche halt …. 😉 … der „Muchacho“ (wie er von der Dame an der Rezeption genannt wird) beginnt gerade damit, das Frühstück aufzubauen. Das dürfte noch ein wenig dauern. Jutta geht schon mal beim nicaraguanischen 24-Stunden-Späti „am:pm“ um die Ecke ein Isogetränk und Wasser kaufen, um die Zeit zu nutzen. Gegen 6:15 steht der Kaffee schon mal da, geschnittenes Obst unter Frischhaltefolie, Toastbrot, Butter und Marmelade. Den typisch amerikanischen Förderband-Toaster wirft Viktor an. Auch ein anderes Brot ist schon da, aber leider ohne Messer, welches auf Nachfrage so gegen 6:25 gebracht wird. Egal, wir haben ja heute Zeit und frühstücken in aller Ruhe, was so Stück für Stück auftaucht. Die beiden Warmhaltebehälter werden gefüllt …. Reis mit Bohnen, frittierte Bananen, Würstchenstücke, Kartoffelviertel … kein Rührei. Ach, das wird frisch gemacht! Das kann man beim Muchacho bestellen … aber der rotiert ja gerade noch mit dem Aufbau des Frühstücks. Zwischendurch kommt eine Managerin und fotografiert das aufgebaute Frühstück (Aufbauen ist aber wohl nicht so ihr Ding). Wir sind sicher, dass jetzt alles komplett steht … wozu sonst das Foto? Der Muchacho nimmt Viktors Bestellung für Rührei entgegen, welches wirklich sehr schnell da ist, deutlich schneller als der Förderband-Toaster die beiden Scheiben Toast rösten kann. Jutta frühstückt derweil Toastbrot, eine Scheibe von dem anderen auseinanderfallenden Brot, einen Apfeljoghurt und Kaffee mit Milch. Sie ist fertig als der Muchacho das Müsli aufbaut, das sie gerne gegessen hätte. 😉

Übrigens sind wir nicht die Ersten im Hotelrestaurant, denn ab 6:10 Uhr sind auch schon andere Menschen, vermutlich Geschäftsleute, mit dabei.

Gut gefrühstückt habend brechen wir also auf in den kurzen Tag. Wir haben gestern schon gemeinsam beschlossen, dass wir Komoot heute mal wieder eine Chance geben wollen – experimentierfreudig wie wir an kurzen Tagen so sind. Komoot schlägt nämlich eine parallele Route zur NIC-12 vor, eine ehemalige Eisenbahnstrecke (Ferrocarril Antiguo). Wir erinnern uns an unser Trainingslager im Erzgebirge, als wir auf einer zum Radweg ausgebauten ehemaligen Bahnstrecke unterwegs waren. Ja, ja, die geneigte Leserin denkt „wie blauäugig kann man denn nur sein“, der geneigte Leser schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und denkt „in einem armutsgebeutelten, sozialistischen Land werden die eine alte Bahnstrecke zum Radweg ausbauen“ … ist ja gut! Recht habt Ihr!

Nach wenigen hundert Metern erklären wir den Versuch für gescheitert. Komoot ist einfach unberechenbar … wenn das eine Rennradstrecke ist (eine andere Einstellung wählen wir schon gar nicht mehr) … dann ist Wacken ein Klassik-Festival. Wir sind durch Schlamm und zusammengeschwemmten Müll gefahren, haben massenweise Schlaglöcher mitgenommen und sind durch braune Rinnsale aus Regenwasser und Abwässern der Häuser rechts und links des Weges gefahren. Wir suchen den schnellsten Weg nordwärts zurück zu C-12.

Kaum sind wir 2,5 km auf der C-12 gefahren lenkt es sich plötzlich sehr komisch. Plattfuß vorne! Na super, das Experiment war ja ein voller Erfolg! An der Stelle gibt es nur eine schmalen Standstreifen an der zweispurigen C-12, in der Mitte trennt eine hüfthohe Betonwand uns von der Gegenfahrbahn.

Na gut, frisch ans Werk. Wir versuchen erstmal den alten Schlauch aufzupumpen, weil wir ja den „Slime“ für das Abdichten kleiner Löcher dabei haben. Aber es baut sich kein Druck auf. Das Loch muss zu groß sein. Also Vorderrad ausbauen, alter Schlauch raus, neuer Schlauch rein, Aufpumpen … Plopp!! … Viktor hat den Stempel unserer super SKS-Teleskop-Fahrradluftpumpe in der Hand. Zwei, drei fachmännische Blicke später ist klar: Die ist hinüber, der Kunststoff ist gebrochen … wir stehen ohne Luftpumpe mit plattem Reifen, sechs Kilometer hinter Chinandega am nicaraguanischen Straßenrand. Ein kurzer Anflug von Panik, dann die Vorstellung, was eigentlich wäre, wenn das irgendwo in der patagonischen Pampa passieren würde, wo alle paar Stunden mal ein Auto vorbeikommt … wenn überhaupt.

Mit der kaputten Luftpumpe und dem Vorderrad in der Hand hüpft Viktor über die Mittelmauer auf die andere Seite – nach langem Zögern, aber es muss ja sein – und beginnt in Richtung Chinandega zu gehen. Keine 30 Sekunden später hält ein Auto an, öffnet die hintere Türe an der Fahrerseite und Viktor sitzt im Auto von Moises, dem ehemaligen Präsidenten des lokalen Radsportvereins von Chinandega. Der fährt aus beruflichen Gründen kaum noch Rennrad, hatte uns auf unserem Tandem aber schon beim Herausfahren aus der Stadt gesehen.

Er fährt mit Viktor in die Stadt, klappert mehrere Marktstände nach einer TRUPER-Pumpe ab (das sind hier die besten und einzig akzetablen) und fährt ihn dann wieder zurück zum Tandem. Gut 30 Minuten später entsteht das Foto:

GRACIAS MOISES!

Moises ruft zwei Tage später nochmal per WhatsApp an und entschuldigt sich, dass er uns nicht als Allererstes in Nicaragua willkommen geheißen hat. Das sei eigentlich die Pflicht eines jeden Nicaraguaners gegenüber ausländischen Besuchern. Er wollte das deshalb unbedingt per WhatsApp-Telefonat nachholen.

Der Mann im blauen Shirt, offenbar ein Bekannter von Moises, kommt auf dem Fahhrad vorbei, hält extra an, schüttelt uns die Hände und sagt: „Gracias por visitar mi país!“ … „Danke, dass Ihr mein Land besucht!“.

Das ist doch der komplette Wahnsinn, oder? Wären wir um 6 Uhr losgefahren, hätte das Frühstück nicht länger gedauert, hätten wir das Komoot-Experiment nicht gewagt …. diese unglaublichen Zufälle und Begegnungen mit hilfsbereiten Menschen sind doch das Salz in der Suppe solcher Touren.

Und das war erst der Anfang des Tages … „Was … da bist Du erst im Blog … sagt Jutta gerade“ …. also kurz gefasst.

Es ist 9 Uhr, als wir mit erst gut sechs gefahrenen Kilometern die weitere Fahrt fortsetzen können – heute noch um die Südseite des Casitas-Vulkans – aber wir haben heute ja eine kurze Tour – gar kein Problem – und es ist bewölkt, also von der Temperatur her erträglich.

Wir kommen um halb elf in einen heftigen Schauer, stellen uns unter einen Baum am Straßenrand. Francisco, ein Junge, der dort wohnt, sieht uns, kommt mit einem Regenschirm heraus und bietet uns Unterstand auf ihrem Grundstück an. Wir kommen ins Gespräch, er schaut sich gemeinsam mit Mutter und Schwester (?) unser Tandem an, wir werden auf einen Kaffee eingeladen, und Viktor hat einen neuen Freund auf Facebook und WhatsApp. GRACIAS FRANCISCO (y familia)!

So, und dann wollten wir noch die Pferde am Straßenrand zeigen und die vielen Pferde- und Ochsenkarren, die hier fahren. (Video ergänzen?)

Außerdem gibt es einige Schweine und sehr viele Hühner und Rinder am Straßenrand, angebunden sind nur die Schweine und manche Rinder – für uns ein eher ungewöhnliches Bild, aber es funktioniert – wir sehen mehr tote Hunde auf der Straße als Hühner oder Rinder…

Als wir in Leon etwas durch die Stadt zu unserem Hotel “ Al Sole“ fahren, fängt gerade der zweite Regenguss des Tages an. Wir sind aber schnell da und dürfen unser Tandem im privaten Bereich unterstellen.

Nach dem Abendessen im Mediterraneo-Restaurant sehen wir im Hof des Hotels ein Bikepacking-Fahrrad, in der Küche sitzt Donivan aus Arizona, der Alaska – Feuerland radelt und nach längerer Krankheit in Guatemala noch zwei Monate Neuseeland zur Wiedererlangung der Motivation eingestreut hat. Er bleibt noch einen Tag hier, und wird uns übermorgen sicher überholen.

Mittwoch 12.6.24 – Leon – Nagarote

Gesamt: 3.134,15 km

Morgens um 6 geht es bei Regen los. Es ist den ganzen Morgen über bedeckt, was uns angenehme Temperaturen unter 30 Grad beschert. Es geht weiter durch Rinderzuchtgebiete. Häufig stehen Schilder am Straßenrand, die darauf aufmerksam machen, dass die Grundstücke, Fincas (größere Haciendas eher selten) zu verkaufen sind. Die Fläche wird meist in „Manzanas“ angegeben (eigentlich genau übersetzt „Äpfel“). Dabei ist 1 Manzana = 69,8737 Ar.

Wir frühstücken sofort in Leon an einer Tankstelle, da es sonst auf der Strecke wieder gar nichts geben soll, laut Google. Die erste Hälfte der Strecke fahren wir Richtung Südosten auf der Carretera Managua – León, dann biegen wir links ab, fahren Richtung Nordosten auf der Carretera Nueva a León – eine für uns neue Himmelsrichtung.

Die Gegend um La Paz, etwas vor Nagarote, scheint für Tonziegel und andere Ton-Produkte bekannt zu sein. Jedenfalls liegen diese auf sehr vielen Grundstücken in großen Mengen bereit.

Es ist heute völlig flach, auch etwas Seltenes, da kommen schon Gedanken, dass man ja auch eine weitere Strecke fahren könnte. Und wirklich – wir sind um halb elf schon in Nagarote, gehen dort erst einmal in`s AM:PM, weil es (wieder um halb elf, wie gestern) gerade anfängt zu regnen.

So um kurz nach elf kommen wir schon im Hotel Jerusalén an, das wir gestern per WhatsApp reservieren konnten. Es ist das einzige Hotel am Ort. Beim WLAN-Namen und auf allen Stühlen im Innenbereich fällt uns das „HJ“ auf, das wir in Deutschland vermutlich besonders in einem „Hotel Jerusalem“ eher nicht sehen würden.

Wir lassen uns viel Zeit mit dem Duschen (wieder mal kalt und ohne Duschkopf, aber mit ordentlich Wasserdruck) und gehen am frühen Nachmittag durch den Ort, der keine besonderen Sehenswürdigkeiten aufzuweisen hat. Der zentrale Platz mit einigen sozialistischen Sprüchen liegt in brütender Hitze, der Eisladen ist geschlossen.

Beim Zustand der Deutschen Bahn käme bei uns heute wohl niemand mehr auf die Idee, so einen Spruch zu machen. „Die Revolution ist wie ein fahrender Zug“.

Im Cafe Olé (mit Saeco-Espressomaschine), das einer Nicaraguanerin gehört, die mit einem Schweizer verheiratet ist, trinken wir gute Frappés und unterhalten uns mit der Besitzerin über Privatunternehmen im Sozialismus, Work Life Balance und darüber, warum man trotz doppelter Staatsbürgerschaft niemals in die Schweiz umziehen würde.

Nagarote buhlt gemeinsam mit La Paz darum, der Ort gewesen zu sein, an dem in den 60iger und 70iger Jahren der „Quesillo“, eine Art nicaraguanisches Nationalgericht, erfunden wurde. Das sind Mais- oder Weizentortillas mit relativ frischem Käse (mozarellaähnlich, aber mit noch weniger Aroma). Von der Konsistenz her schmeckt es wie „gummiartig auf gummiartig“, aber es sättigt. Und die zugehörigen Zwiebeln geben dem Ganzen dann doch noch ein gewisses Aroma. Wir teilen uns im Restaurant der Erfinderin eine Portion. Am Aushang im Restaurant erkennen wir, dass sie ihr ersten Restaurant in La Paz hatte und dann zurückging in ihren Geburtsort. Das erklärt das Buhlen.

Bei am:pm holen wir noch Getränke für den Abend und die Nacht (Viktor probiert ein „neues“ dunkles Victoria) und fahren mit einem Tuk Tuk (im Batman-Design) zurück zum Hotel, vor dem wir ein Tuk Tuk im Ferrari-Design entdecken. Im Innenhof lassen wir uns beim Blog-Schreiben ziemlich zerstechen – mal schauen, welche Krankheit die Mücken hier übertragen (Dengue, Zike, Malaria, Gelbfieber…)

Wir wollen ja nicht unken, aber es ist dann jetzt doch mal ein Zwischenstand in Sachen „Freilauf“ fällig. Die Aktion mit der Insulinspritze und dem Lithium-Fett scheint gewirkt zu haben. Die ersten zwei Tage konnten wir in der zweiten Etappenhälfte meist noch ab und zu ein leichtes Knacken im Lager vernehmen (besonders in den Steigungen), wir vermuteten eine angeknackste Kugel im Kugellager, die je nach Position unter Last das Geräusch verursacht. Seit zwei Tagen sind wir aber „knackfrei“. Entweder hat die Kugel keine blöde Postion mehr eingenommen oder es war doch noch ein letztes Staubkorn, dass den Weg nach draußen gefunden hat (oder zerrieben wurde). Oder die richtig harten Steigungen haben gefehlt. Wir werden sehen.

Fahrt mit dem Tuk Tuk in Nagarote

Donnerstag 13.6.24 – Nagarote – Masaya

Gesamt: 3.204,71 km

Mit noch nasser Kleidung – wir hatten sie draußen hängen – starten wir und frühstücken wieder gleich bei am:pm, so dass wir um halb sieben richtig rollen.

Nach 15 Kilometern erreichen wir einen Mirador (Aussichtspunkt) am Managua-See mit einem sehr schönen Panorama-Blick (siehe Galerie). Kurz danach haben wir für ca. hundert Meter einen Begleiter. Ein großer gelb-schwarzer Schmetterling fliegt länger neben uns her als wolle er sich dieses komische Gefährt mal genauer anschauen. Wie wir morgen lernen werden, ist es vermutlich ein „Black Swallowtail“, jedefalls hat er unten an den Flügeln solche „Schwänze“.

Beim ersten Toilettenstop winkt uns jemand wie wild zu: ein Bikepacker aus Russland, der vor zwei Jahren in Uruguay – Montevideo gestartet und auf dem Weg nach Norden ist. Sein Favorit bislang: Brasilien – da fahren wir nun gar nicht hin. Zu Costa Rica meint er, man könne überall wild campen, so sicher ist es dort, aber er fand es nicht so toll, weil er nicht rauchen durfte, wo er wollte. Da sei Nicaragua viel besser. Hier gäbe es mehr Freiheit. So hat halt jeder seine ganz eigen Vorstellung von Freiheit. Sowohl wild Campen als auch Rauchen steht bei uns nicht so hoch im Kurs. Aber es ist immer wieder nett, andere Bikepacker zu treffen und zu sehen, auf welch unterschiedliche Art und Weise man mit dem Rad unterwegs sein kann.

Auf dem Weg nach Managua hinein treffen wir an einer Ampel auf zwei Rennradfahrer, die uns ein ganzes Stück begleiten und ausfragen. Sie leben in der Hauptstadt und haben einen Tipp, wie wir die Stadt am besten durchqueren können. Über eine lange Strecke fahren sie mit uns, warten oben an Steigungen, wenn wir langsamer sind, und als sie beide nacheinander in ihre Wohngegend abbiegen, bekommen wir noch die Erklärung (erste Ampel links, danach am zweiten Kreisverkehr rechts abbiegen) für das weitere Durchkommen. Wir halten in Managua aber erst an einer Tankstelle und dann auch noch an einem Shopping-Center (so richtig“amerikanisch“, wie man sie kennt und hier sonst eher nicht sieht) und kommen danach genau mit der Beschreibung raus aus der Stadt in Richtung Masaya. Wir wollen nicht zu lange für die 70 km brauchen, da wir für 17 Uhr eine Masaya-Vulkan-Abendtour gebucht haben und gerne rechtzeitig im reservierten Apartement sein wollen. Irgendwann im W-LAN bekommt Viktor aber die Nachricht, dass die Behörden den Nationalpark wegen erhöhter vulkanischer Aktivität aus Sicherheitsgründen schon am Nachmittag schließen und wir ggfs. die Tour zu einem früheren Zeitpunkt machen können. Wir antworten, dass wir uns beeilen.

Um 12 Uhr mittags, ca. 10 km vor dem Ziel, haben wir den höchsten Punkt für heute erreicht, das Klacken des Freilaufs meldet sich wieder und es fängt an zu gewittern. Wir denken, wir fahren weiter – wollen uns ja beeilen -, und am Eingang zum Nationalpark halten wir und gucken, ob unser Guide reagiert hat, dem wir angeboten hatten uns dort zu treffen – negativ. Also weiter in den Ort. Allerdings wird der Regen so stark, dass das Wasser zentimerterhoch auf der Straße steht und man beim Fahren kaum noch etwas sieht, so dass wir uns doch irgendwo unterstellen müssen, nur 3 km vor dem Ziel, aber nicht zu ändern! Dort stehen wir fast zwei Stunden, bis wir weiterfahren können, und es ist uns das erste Mal seit langer Zeit ein bisschen kalt.

In Masaya steht die Straße, die Komoot uns zum Fahren vorschlägt, unter Wasser. Wir suchen also nach befahrbaren Straßen, sehen Kinder im hüfthohen Wasser auf der Straße baden, LKW durch mehr als reifentiefe Pfützen fahren, überschwemmte Häuser, kommen aber einigermaßen trockenen Fußes an unser Ziel – denken wir. Die Gegend sieht nicht wirklich einladend aus, und das letzte Haus am Ende einer Sackgasse ist das Ziel. Wir halten, und eine Frau guckt aus dem vergitterten Fensterladen. Dort ist kein Apartment für uns! Komoot liegt wieder einmal falsch! Das richtige Ziel ist nur einen Kilometer entfernt, aber in einer völlig anderen, zentralen Straße: eine kleine Ferienwohnung, nett eingerichtet, mit kleinem Schild im Bad, dass man hier das Papier in die Toilette werfen darf und scheinbar mit einer Toilettenbrillen-Heizung- wir können es kaum glauben. Nur für unser Tandem gibt es keinen Unterstand, was bei dem häufigen Regen für uns eigentlich wichtiger wäre als eine warme Toilettenbrille. Und diese Wohnung ist preislich sogar günstiger als das Zimmer gestern in Nagarote!

Viktor versucht noch Kontakt mit dem Vulkan-Guide aufzunehmen, aber auf das Angebot einer früheren Tour haben wir wohl nicht schnell genug reagiert und er sagt ab. Dumm gelaufen, denn wir haben zwei Tagestouren rund um diesen Vulkan-Besuch geplant und sind heute extra nicht weiter gefahren! Also suchen wir uns ein Taxi, dass uns zum Eingang des Parks fährt (die Straßen sind alle wieder trocken, nach nur einer Stunde!). Während der Taxifahrer dort wendet, erfahren wir, dass man nur mit einem Auto hoch zum Besucherzentrum und Museum fahren darf. Auf unsere Nachfrage macht der Fahrer uns das Angebot, uns für einen günstigen Preis hochzufahren, zu warten und uns wieder zurück in den Ort zu bringen. So können wir wenigstens auf eigene Faust noch eine kleine Wanderung zu einer Stelle mit „Fumadores“ machen, wo heißer, geruchloser Dampf aus Löchern kommt (hinterher erfahren wir, dass man auch noch höher hätte gehen können, aber es ist leider nichts richtig ausgeschildert und ohne Guide kann man das nicht wissen) und uns das Besucherzentrum anschauen. Dort wird unter anderem die Theorie eines wichtigen nicaraguanischen Wissenschaftlers zur Entstehung von Lava (gebündeltes Sonnenlicht schmilzt das Gestein am Meeresgrund) dargestellt, die damals von Alexander von Humbolt gelobt wurde (siehe Galerie).

Wieder im Apartment versuchen wir vergeblich, uns das Geld für die ausgefallene Tour zurückzuholen und gehen dann relativ frustiert um die Ecke im Casona Vieja Mexikanisch essen. Das einmalige Erlebnis, im Dunkeln in die Lava eines aktiven Vulkans zu schauen, ist somit hier nicht mehr möglich.

Freitag 14.6.24 – Masaya – Granada (mit Stadtbesichtigung)

Gesamt: 3.223,29 km

Um 6 machen wir uns auf den Weg und fahren den vermutlich schnellsten Schnitt der bisherigen Strecke. Es geht fast nur bergab und wir haben für 8 Uhr eine Stadtführung mit Bootsfahrt auf dem Nicaraguasee (oder Lago Cocibolca) gebucht. Bei der Einfahrt in die Stadt sieht uns ein Reporter vom lokalen Fernsehsender Canal 5 und folgt uns mit seinem Moped bis zum Hotel. Auf der Straße davor interviewt er Viktor und filmt und fotografiert uns. (https://www.facebook.com/share/v/tcUhqJ43Z2Lxqu6B/). Und hier noch für die, die nicht auf Facebook sind:

Canal 5 – Granada – Interview

Unser Hotel erlaubt uns, das Tandem mit Gepäck unterzustellen, obwohl wir so früh natürlich noch nicht einchecken können.

Wir frühstücken in einem schönen Cafe im Zentrum (Casa del Café) und werden kurz vor acht am Hotel von unserem Guide abgeholt. Er fährt mit uns zum Hafen, wo wir eine einstündige Bootsfahrt mit viel interessanter Flora und Fauna beginnen. Unter anderem können wir Brüllaffen beim Mango-Frühstück beobachten. Laut unserem Guide gibt es eine Studie, in der nachgewiesen wurde, dass die Brüllaffen mit den kleinsten Hoden am lautesten brüllen. Bitte zieht Eure eigenen Schlüsse. 😉

Unser Guide ist trotz seines jungen Alters sehr kenntnisreich und kann uns auch viele andere Fragen zu Nicaragua beantworten, besonders auch zu den Regionen, durch die wie schon gefahren sind. Wir unterhalten uns auch über die politische Lage im Land, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Aber wir können jedem, der vergessen hat, wie es vor 1989 um die Meinungsfreiheit in einem Teil Deutschlands bestellt war, nur raten, mal ein Land zu besuchen, in dem auch heute noch ganz ähnliche Verhältnisse herrschen.

Wir erfahren unter anderem, dass Managua heute nur deshalb die Hauptstadt von Nicaragua ist, weil es einen langen Bürgerkrieg zwischen León und Granada gab, die beide schon mal Hauptstadt waren. Das Ganze endete in der Kompromisslösung einer neuen Hauptstadt Managua auf halber Strecke zwischen León und Granada.

Seine Blütezeit hatte Granada als der Fluss zwischen dem Nicaraguasee und der Karibik noch schiffbar war. Das änderte sich aber nach einem Erdbeben und Granada verlor seine wichtigen Handelsbeziehungen. Heute lebt die Stadt von Dienstleistungen und vom Tourismus. Wir sehen entsprechend viele europäisch oder amerikanisch aussehende und so gekleidete Menschen in der Stadt.

Den Abschluss der Tour bilden ein Besuch in einer Schokoladenmanufaktur und in einem Restaurant, wo wir ein paar typisch nicaraguanische Speisen und ein lokales Getränk aus Granada (Fresco de Grama) probieren. Der von einem Teilnehmer erhoffte Besuch in einer Zigarrenmanufaktur fällt leider heute weg.

In der Schokoladenmanufaktur

Wir sind rechtzeitig im Hotel und checken ein, um noch einen Teil des Eröffnungsspieles der EM zu sehen. Deutschland führt schon 2:0 gegen Schottland und die spanischsprachigen Kommentatoren sprechen von „absoluta superioridad alemana“ (absolute Deutsche Überlegenheit), Na wenn das mal kein Sommermärchen 2.0 wird. Viele deutsche Spiele werden wir (Viktor von Gottes Gnaden … wenn wir „wir“ schreiben, meinen wir „uns“) uns vermutlich nicht anschauen können.

Den Rest des Tages nutzen wir für die Planung der nächsten paar Tage, noch zwei Etappen, dann sind wir in Costa Rica.

Samstag 15.6.24 – Granada – Rivas

Gesamt: 3.292,67 km

Um morgens aus dem Hotel zu unserem Rad kommen, müssen wir den Nachtportier zunächst aus dem Schlaf holen – er liegt auf der Couch vor der Rezeption. Bei am:pm hinter der Kathedrale kaufen wir nur Getränke und starten dann gleich durch. Die Frühstückspause wollen wir nach gut 20 Kilometern und dem einzigen langen Anstieg des Tages machen.

Es geht also erst einmal für zehn Kilometer bergauf, gut ausgeruht nicht soo schlimm, aber sie ziehen sich trotzdem mit bis zu maximal 8% Steigung, die wir aber noch ohne Schieben überwinden können. Glücklicherweise hält sich der Verkehr in Grenzen. Landschaftlich gibt es vor allem Zuckerrohrplantagen und Rinderherden zu sehen, später in der Ebene auf gerader Strecke, bei Nieselregen und 25°C denken wir beide, es könnte auch irgendwo in Norddeutschland sein, auch wenn die Rinder hier nicht schwarz-weiß sind. Wir sind wieder in einer ärmeren, landwirtschaftlich geprägten Region unterwegs, wo Ochsen- und Pferdekarren zum Straßenbild gehören und viele Nutztiere frei am Straßenrand herumlaufen oder dort an Pflöcken angebunden sind.

Beim am:pm in Nandaime beschäftigen wir zum Frühstück drei Mitarbeiterinnen mit unserem Latté-Wunsch, da die Nescafé-Kaffeemaschine einfach nicht so will wie sie. Wir bestellen letztendlich schwarzen Bohnenkaffee (das kann die Maschine auch) und kaufen einen Beutel Milch dazu. Auf dem Fernseher sehen wir zu, wie die Schweiz bei der Fussball-EM den Ungarn zwei Tore einschenkt.

Heute ist es erst 10 Uhr, als es bereits anfängt zu regnen. Viktor will sowieso gerade etwas trinken, und es gibt zufällig eine Tienda und eine überdachte Bushaltestelle – wir stellen uns unter. Der Regen wird weniger, und wir fahren weiter – allerdings nur bis zur nächsten Uno-Tankstelle, nicht weit entfernt, weil es doch ganz schnell wieder beginnt zu schütten. Wir stehen eineinhalb Stunden an einer Zapfsäule, da die Tankstelle leider keinen Raum zum Verweilen hat. Pudelnass! Der Regenradar verspricht erst eine Regenpause, irgendwann aber dann doch nicht mehr, und da es gar nicht mehr weit ist, fahren wir irgendwann doch weiter.

In Rivas – immer noch pitschnass – wollen wir uns vor der Ankunft im „Rivas Inn Hostal“ noch ein Heißgetränk gönnen und finden 700m vor dem Ziel ein „Casa de Café“. In dem klimatisierten Raum wird uns mit unseren nassen Sachen fast kalt. Wir sind nicht die Einzigen, die stundenlang dort sitzen und Schutz vor dem strömenden Regen suchen. Unter anderem sitzt eine Deutsche dort, irgendwann mit ihrem Mann, auch Deutsch, und wir kommen sogar noch ins Gespräch: sie leben hier, haben eine Bananenfarm, fünf Kinder, und müssen alle drei Monate nach Costa Rica aus- und dann wieder einreisen, vermutlich wegen der Visa … ganz verstanden haben wir es nicht. Jedenfalls bestätigen sie uns, dass die diesjährige Regenzeit nicht normal sei. Es regenet täglich früher und stärker als sonst üblich. Das läge an feuchtwarmen Strömungen, die dieses Jahr verstärkt aus der Karibik herunterzögen.

Erst um kurz vor vier raffen wir uns auf, die verbleibenden 700 Meter zu fahren, können am Hostal das Tandem glücklicherweise in einen Flur schieben, so dass es nicht so nass steht, und haben dann auch noch eine wirklich warme Dusche, die richtig gut tut. Eigentlich hatte es geheißen, der Regen in der Regenzeit beginnt immer erst spätnachmittags, aber heute war es ungewöhnlich früh und hat dummerweise auch sehr lange angehalten. Wenn das so weitergeht: so früh am Morgen können wir gar nicht losfahren, dass wir vor dem Regen am Ziel sind.

Beim Checken der Straßenqualität in Costa Rica stellen wir fest, dass unsere eigentlich geplante „Ruta del Sol“ (Ruta Nacional Secundaria 160) für Fahrräder wenig geeignet ist, und dass selbst Autos dort mangels Brücken und wegen der starken Regenfälle kaum durchkommen.

Komplexe Anleitung in der App „iOverlander“ zum Durchfahren eines Flusses auf der Ruta del Sol in Costa Rica. Das schaffen wir mit unserem Tandem nicht.

Das bedeutet wohl, wir sollten uns doch eine andere Strecke aussuchen. Morgen geht es aber erst einmal wie geplant über die Grenze.

Beim Abendessen im La Nani Café kommen immer wieder bettelnde Kinder an den Tisch – das erste Mal eigentlich, aber hier richtig gehäuft.

Sonntag 16.6.24 – Rivas (Nicaragua) – La Cruz (Costa Rica)

Gesamt: 3.348,95 km

Heute geht es also auf die letzte Etappe in Nicaragua. Wir haben tolle Menschen getroffen und sind landschaftlich schöne Strecken gefahren. Besonders die Panoramablicke auf die Vulkane und die freudlichen und hilfreichen Menschen bleiben in Erinnerung. Aber auch das „DDR-ähnliche“ Bespitzelungsgefühl, die fehlende Meinungsfreiheit und die Bezeichnung jedes Regierungskritikers als „Terrorist“. Die katholische Kirche kann z.B. seit vielen Jahren keine Osterprozessionen mehr auf den Straßen durchführen, weil die Regierung solche großen Menschenansammlungen fürchtet und manche Kirchen ihre Türen öffneten und Schutz boten, als von der Polizei auf regierungskritische Demonstranten geschossen wurde.

Der heutige Blick auf die letzten zwei Vulkane (Concepción und Maderas), die auf der Insel Ometepe im Nicaraguasee liegen ist nur ganz früh am Morgen noch sehenswert, auch wenn die Spitze der Vulkane in den Wolken unsichtbar bleibt. Als wir das erste Foto machen wollen, liegen Insel und Vulkane schon vollständig im grauen Nieseldunst.

Frühstück gibt es kurz nach 6 Uhr ein letzes Mal bei „AM:PM“ bevor wir uns auf den Weg in Richtung Grenzübergang „Peñas Blancas“ machen.

Wir verpassen leider einige Stichstraßen zum See, die schöne Ausblicke bieten sollen, und kommen an mehreren Windparks vorbei.

Erst einige Kilometer vor der Grenze, als es schon wieder zu nieseln beginnt, hören wir links auf einem Grundstück laute Musik und sehen ein paar Menschan am Ufer stehen. Es ist ein Restaurant und „Hotel im Bau“ und wir werden vom Eigentümer sogar auf der Baustelle in den ersten Stock geführt, um die Aussicht auf den See und die Vulkane zu würdigen (alles Nebel, aber er zeigt uns,wo die Vulkane sonst sichtbar wären). Wir sollen unbedingt „Propaganda“ machen, damit mehr Touristen nach Nicaragua kommen. Hier also das Werbebild mit der Aussicht:

Hier nicht zu sehen: Die Insel Ometepe mit den beiden Vulkanen

Bis zur Grenze regnet es noch nicht stark und wir sind gegen 9:30 Uhr da. Kurz vorher trinken wir noch eine Cola und einen Eistee, essen ein paar Yuca-Chips und Gebäck, und werden so noch ein wenig Nicaraguanisches Bargeld los.

An der Nicaraguanischen Grenze werden wieder ordentlich Dollar abkassiert, einer schon zum Betreten der Abfertigungshalle (städtische Steuer), dann nochmal 3 Dollar pro Person für die Ausreise. Alle Radtaschen müssen durch ein Röntgengerät, dann dürfen wir weiter auf die Costa-Ricanische Seite. Dort droht eigentlich Ungemach, weil man nur mit einem vorzeigbaren Ausreiseticket (Flugticket oder Busticket) nach Costa Rica einreisen darf, aber als man unser Fahrrad in der Abfertigungshalle sieht gibt es dazu keine weiteren Fragen. Eigentlich müssen auch hier alle Taschen durch ein Röntgengerät aber der Grenzbeamte zeigt sich gnädig und winkt uns mit dem vollgepackten Tandem einfach durch. Bezahlen müssen wir nichts und auch keine ausreichenden Bargeld-Reserven vorweisen, wie das manchmal ebenfalls nötig ist. Um 10:30 Uhr sind wir durch und ziehen an einem Geldautomaten ein wenig Bargeld (20.000 Colon = 35 Euro, ein einzelner Geldschein).

Ein Deutscher Reisender spricht Viktor in der Abfertigungshalle an, als er das Tandem sieht: „Ach, sind sie die berühmten Tandem-Reisenden?“. Viktor: „Na ja, berühmt …?“. Antwort: „Doch, doch, Facebook und YouTube und so“.

Nach der Grenze haben wir noch ca. 20 km bis zum Zielort La Cruz zu fahren, allerdings größtenteils bergauf, und natürlich fängt es jetzt wieder stärker an zu regnen. In der letzten Steigung steht ein kleines Schutzdach einer Bushaltestelle und wir machen eine letzte Pause, um eine Regenlücke abzuwarten. Nach ein paar Minuten sehen wir einen Radfahrer die Steigung hochstrampeln, es ist Donivan, den wir in León getroffen hatten. Wir unterhalten uns nochmal kurz über das Wetter, aber dann muss er weiter, denn er will heute noch bis Liberia (unser morgiges Etappenziel).

Um 12:45 sind wir an unserem Hotel, Restaurant und Mirador (Aussichtspunkt) in La Cruz. Viktor kann noch ein wenig Fussball sehen (England schlägt Serbien 1:0) und Jutta versucht, ihr ausgeliehenes eBook zu Ende zu lesen, bevor es um Mitternacht deutscher Zeit nicht mehr verfügbar ist. Draußen neben dem Hotel spielt den ganzen Nachmittag ein Spielmannszug immer wieder das Gleiche, als würden die einen Marathon veranstalten. Wir erfahren beim Abendessen im Hotelrestaurant, dass das jeden Nachmittag stattfindet – etwas nervig.

Während wir zu Abend essen setzt sich ein US-Amerikanischer Journalist aus Vermont an den Nachbartisch, der mit seiner Familie bislang in Nicaragua gelebt hat, heute am gleichen Grenzübergang wie wir wieder nach Nicaragua einreisen wollte, aber dort zurückgewiesen wurde, mit der Begründung, er sei in Nicaragua unerwünscht. Eigentlich hat er nichts Negatives über Nicaragua geschrieben, das seine Unerwünschtheit begründen könnte … meint er jedenfalls. Er schreibt unter anderem für den American Prospect. Er kennt die die deutschen Gewerkschaften „IG Metall“ und „Verdi“, weil er auch beratend für Gewerkschaften in den U.S.A. arbeitet. Sein Sohn ist Autist, und sie waren aus den USA weggezogen, weil es dort mit einem behinderten Kind viel schwieriger sei, die Betreuung zu organisieren und zu finanzieren. Jetzt packen Frau und Sohn alle Sachen und reisen ebenfalls aus. Sie schwanken noch, ob sie zukünftig in Costa Rica oder Mexiko (Yucatan) leben wollen. Wir hören ihn später aus seinem Zimmer noch laut telefonieren – das Ganze ist ja erst heute passiert und es gibt viel zu organisieren.

Woche 10 (3.6.24 – 9.6.24) – San Luis Talpa – Somotillo

Montag 3.6.24 – San Luis Talpa – Usulután

Gesamt: 2.722,78 km

Den ganzen Morgen über liegt der Volcán de San Vicente (Chichontepec) zu unserer Linken oder direkt vor uns und verändert am Gipfel ständig sein Aussehen. Wir werden uns nicht einig, ob das nur Wolken sind oder auch irgendeine Aktivität des Vulkans. Ein Einheimischer beantwortet Viktors Frage nach der Aktivität des Vulkans später mit einem klaren „Nein“. Bei Google kann man hingegen Videos von heißen Quellen finden, die vielleicht doch die eigenartigen Nebelschwaden rund um die Vulkanspitze hervorrufen. Jedenfalls ist es ein sehr schöner Anblick und das frühe Losfahren um 6 Uhr hat sich so richtig gelohnt. Ganz Mittelamerika besteht im Prinzip aus einer Aneinanderreihung von Vulkanen, besonders Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua, aber selten erhalten wir während der Fahrt so schöne Ausblicke wie heute Morgen.

Da wir in einem Hotel in der Nähe des Flughafens übernachtet haben, gab es ausnahmsweise sogar ein Frühstück, denn viele Flugreisende müssen früh zum Flughafen. Das Hotel hat eine sehr spezielle Inneneinrichtung mit vielen alten Musikinstrumenten (3-Saiten-Bass, Orgel, Klavier, Saxofon) und zwei Oldtimern vor dem Eingang (einer davon ein weißer Mercedes Benz mit roten Kotflügeln).

Hoteleingang mit Oldtimern

Heute erleben wir dann auch erstmals am eigenen Leib das tropische Regenzeit-Wetter. Kurze, extrem heftige Schauer, überraschend früh am Tag (so gegen Mittag), die wir zum Glück in Unterständen abwarten können, da wir einmal in einer „Ferreteria“ (Eisenwarenhandlung) eine Dose WD-40 kaufen und beim zweiten Mal gerade an einer Tankstelle sind, um den Freilauf unseres Tandems zu „spülen“. Es kratzt und knackt wieder einmal im Freilauf, nicht reproduzierbar und daher wohl auf Staub und Dreck zurückzuführen, der ins Lager geraten sein muss. In den einschlägigen Foren findet man dazu den Rat, ordentlich mit WD-40 zu „spülen“ und dann zu versuchen, irgendwie neues Fett ins Lager zu bekommen, was eigentlich unmöglich ist, denn es lässt sich nicht öffnen. Eventuell müssen wir da in den nächsten Tagen eine Spritze mit ganz feiner Nadel kaufen und dann irgendwie frisches Lagerfett hineindrücken. Der zur Zeit besonders von den LKW aufgewirbelte Sand/Staub ist anscheinend feiner als bislang, denn Jutta hat ihn seit gestern trotz der Sportbrille öfter im Auge. Wir haben also ein neues Feindbild: Entgegenkommende LKW, die andere Fahrzeuge mit einem Affenzahn überholen und uns dabei auf unserer Spur frontal gefährlich nahekommen. Wenn die uns passieren fühlen wir auf der Haut einen regelrechten Sandstrahleffekt. Wir sind überzeugt, das hat auch den feinen Staub in unseren Freilauf trasnportiert.

Weißes Lagerfett tritt nach der Behandlung mit WD-40 durch den Spalt nach außen. Hoffentlich nimmt es Staub und Dreck mit. Mit einem Zahnstocher konnte Viktor auch Sandkörner aus dem Schlitz herausholen.

Auf einem Teil unserer Strecke heute fehlt erst ein Kanaldeckel (direkt vor einem Verkaufsstand) und dann immer mehr, auch mitten auf der Fahrbahn. Also gar nicht so kleine, sehr tief nach unten offene, runde Löcher – völlig ungesichert und unangekündigt. Sollte man lieber einen großen Bogen herum fahren oder auch gehen – ganz schön gefährlich! Nachts fahren wäre hier auch aus diesem Grund verdammt gefährlich.

Die letzen paar Kilometer unserer heutigen, über 80 km langen Etappe fahren wir am Ende einfach durch den nachlassenden Regen, denn wir haben ja ein Hotel vorgebucht und können sofort unter die Dusche … denken wir ….

Leider haben wir unser „Hotel Sevilla“ über eine bisher noch nicht genutzte Plattform „PrimaStay“ (Partner von Expedia) gebucht. Der junge Mann an der Rezeption findet die Reservierung mit der Bestätigung der Vorausszahlung nicht (schon mal in den Spamordner geschaut?). Wir müssen mit PrimaStay in den USA telefonieren (vermutlich ist das Telefonat wegen der Roaming-Gebühren ungefähr so teuer wie die Übernachtung) und mehrere E-Mails schreiben (der junge Mann an der Rezeption drückt die englischsprechende Dame vom PrimaStay am Telefon mehrfach weg – er versteht und spricht nur Spanisch!) bis wir nach über einer Stunde endlich unser Zimmer haben. Aber es ist Dank frühem Aufbruch ja trotzdem noch früh am Nachmittag. Die Stunde nutzen wir zum Reinigen und Schmieren der Ketten, zum Nachspannen und Pflegen von Viktors feucht gewordenem Ledersattel und für weitere Reinigungs- und Schmier-Versuche am Freilauf. Außerdem reinigt Jutta in der Zeit einmal alle Fahrradtaschen (von außen), denn die haben es bitter nötig.

Viktor nutzt sogar noch den Hotel-Pool bevor er unsere neue Wäscheleine (10m, 1$) im überraschend großen Hotelzimmer aufhängt, damit wir alle Klamotten wieder trocken bekommen. Die Wäscheleine kaufen wir kurz vor Ankunft im Hotel in einem sehr modernen, großen Markt (LEMUS Home). An der Kasse werden vom System der Vor- und Nachname des Käufers verlangt (nachdem die offensichtlich bereits längere Zeit inaktive Kassiererin ganze vier mal ihr Windows-10-Passwort eingeben muss, bevor sie es richtig eintippt). Viktor sagt also wie immer „Viktor con una K en el medio“ (Viktor mit K in der Mitte), denn sonst schreiben hier alle „Victor“. Die Kassierin nimmt ihn beim Wort und wir finden später auf dem Kassenbon „Vicktor“ … das K ist völlig korrekt exakt in der Mitte. Und dieser ganze Aufwand für einen Dollar Umsatz.

Auf dem Parkplatz vor diesem Laden unterhalten wir uns über die krassen Kontraste hier: zum Beispiel dieses Grundstück mit großem, sauberen Parkplatz und dem großen Ladenlokal, klimatisiert, „schön“, und direkt davor und danach an der Hauptstraße Unmengen von ganz einfach aus Ästen, Brettern, manchmal mit Wellblechdach gedeckten Verkaufsständen, an denen phasenweise Kokosnüsse, Bananen, Ananas, Mangos … (immer etliche mit gleichem Produkt hintereinander) verkauft werden. Das sind zwei Welten ganz eng beieinander!

Abendessen gibt es im Hotelrestaurant mit zwei Riesenportionen Nudeln und frisch gemachter Limonade. Danach ist Jutta vor dem Zubettgehen etwas schwindelig … hoffentlich nur ein Kohlenhydrat-Schock.

Unser Zimmer 205 liegt direkt neben der Lüftung der Restaurantküche … ich denke an Herbert Grönemeyer „Es brummen die Motoren, es dröhnt in meinen Ohren“ … angeblich wird die Lüftung um 22 Uhr ausgeschaltet. Da liegen wir schon längst über eine Stunde im Bett, denn um fünf klingelt der Wecker. Irgendwie sind in diesem Hotel (das zwar eine AG ist, aber da der einzige Aktionär rechtliche Probleme hat, steht es unter Aufsicht der Regierung) alle Menschen unglaublich hilfsbereit und freundlich … aber entscheidungsfreudig und schnell sind sie definitiv nicht.

Dienstag 4.6.24 – Usulután – Santa Rosa de Lima

Gesamt: 2.812,12 km

Nein, wir fahren heute nicht über mehrere Grenzen und landen in Peru, der Zielort Santa Rosa de Lima ist sozusagen der letzte Ort, in dem man vor der Grenze nach Honduras übernachten kann, und liegt noch in El Salvador.

Jutta merkt morgens nichts mehr vom Schwindel, dafür hat Montezuma bei Viktor wieder einmal zugeschlagen, aber wir beschließen, trotzdem loszufahren und gegebenenfalls zu verkürzen. Morgens ist es noch etwas bewölkt und dadurch noch nicht so heiß. Allerdings wird uns ein Strich durch die Rechnung gemacht mit der Route, die wir nehmen wollen: als wir glücklicherweise mehrere Menschen fragen, bevor wir die Hauptstraße verlassen, um auf einer Regionalstraße in Richtung San Miguel zu fahren, wird uns von allen Seiten gesagt, dass die Straße nicht zu benutzen sei, es hätte doch stark geregnet, und sie sei sehr schlammig. Die alternative CA-2 – Route ist 20 Kilometer länger und hat ordentlich Höhenmeter mehr. Wir fahren also weiter auf der CA-2 und planen, während der Frühstückspause die geänderte Strecke per Bluetooth an unser Garmin-Navigationssystem zu schicken. Tja, und dann haben wir zwar wieder schöne Blicke auf einen Vulkan (Chaparrastique oder Volcán de San Miguel Bosotlan), aber es kommt lange keine Gelegenheit für eine Pause. Erst bei über 30 Kilometern landen wir wieder einmal an einer Tankstelle (Viktor frühstückt Oatmeal mit Wasser), und als wir die Route bearbeiten, suchen wir letztendlich wieder einen Teil auf einer „kleineren“ Straße aus, da es dort immerhin 350 Höhenmeter weniger sind.

In San Miguel besorgt Viktor in einer Apotheke zwei kleine Spritzen für das Kugellagerfett unseres Freilaufs am Tandem (s.o.) und lässt bei der Gelegenheit noch seine Blutdruckfunktion der Smartwatch kalibrieren – Jutta wartet draußen am Rad. Und ein paar Kilometer weiter fragt er in einer Fahrradwerkstatt nach Kugellagerfett. Haben sie nicht, aber einen Tipp, wo es White Lithium Grease von WD40 gibt. Den Baumarkt (auch groß und modern – er war uns schon aufgefallen) haben wir schon hinter uns gelassen und wenig Lust, nochmal zurück durch die Stadt zu radeln. Viktor nimmt also ein Taxi, lässt sich hin- und zurückfahren und besorgt dieses Fett. Die Hoffnung ist, dass wir mit dem Druck aus der Dose über die Spritzennadeln frisches Fett ins Lager drücken und gleichzeitig den Staub herausdrücken können, der offenbar hineingekommen ist. Jutta wartet währenddessen am Rad, vor der Werkstatt, diesmal länger, und es wird immer wärmer.

Als Viktor wiederkommt, haben wir gute eineinhalb Stunden in San Miguel verbracht, aber eigentlich noch keine Pause gemacht. Wir wollen bis zu dem auf Schildern am Straßenrand groß angekündigten Einkaufszentrum fahren und uns dort abkühlen. Leider fahren wir immer weiter, und es kommt kein Einkaufszentrum! Bei Kilometer 58 und gefühlter Temperatur von 43°C halten wir bei einer „Comida“ am Straßenrand, immerhin mit Kühlschrank, Eis und Tischen/Stühlen unter Ventilatoren, also ziemlich nobel. Während wir gekühlte Getränke zu uns nehmen, kommt Viktor mit dem Herrn am Nachbartisch ins Gespräch – dieser möchte auch irgendwann einmal nach Ushuaia, allerdings nicht mit dem Rad. Wir suchen uns dann noch zwei Eis aus, die uns diesmal von unseren Neffen Hanno und Theo aus Hannover ausgegeben wurden – vielen Dank, Ihr Beiden, und bis bald in Costa Rica! Wir freuen uns! Als wir schließlich alles bezahlen wollen, sagt die Dame uns, dass der Herr vom Nachbartisch alle unsere Getränke mitbezahlt hat – total nett! Das sind diese unbezahlbaren Erlebnisse von Gastfreundschaft, die kaum eine andere Reiseform hervorbringt. Er ist dort bekannt, und wir lassen einen unserer Panamericana-Tour-Aufkleber mit einer Dankesnotiz für ihn da – sehen ihn dann sogar noch einmal ein paar Kilometer weiter am Straßenrand und können uns persönlich bedanken.

Danke Hanno und Theo!

Die Steigungen wollen heute einfach nicht aufhören, und der Straßenbelag wird immer schlechter, so dass wir nicht einmal die Abfahrten genießen können. Viktor ist nur noch am Fluchen, und wir machen noch mehrere kleine Pausen, so dass es fünf Uhr nachmittags ist, als wir endlich am Hotel Mediterraneo im unglaublich hässlichen Ort Santa Rosa de Lima ankommen. Viktor plantscht noch ganz kurz im Pool direkt vor unserem Zimmer, und heute legt er sich nach dem Duschen gleich ins Bett, weil er zwar den Tag über keine Probleme hatte, aber sein Darm nach der Ankunft hier wieder verrückt spielt. Abendessen lassen wir heute ausfallen – auch Jutta hat trotz knapp 90 gefahrenen Kilometern keinen Appetit.

Mittwoch 5.6.24 – Ruhetag 1 – Santa Rosa de Lima

Wir sind ja darauf vorbereitet, dass es irgendwann passiert, und jetzt scheint es wohl soweit zu sein! Wenn es nicht so unangenehm wäre, könnte man fast von „Glück im Unglück“ sprechen, denn es erwischt uns – als perfekt harmonierendes Tandem – gleichzeitig.

Und wann passiert es? Natürlich einen Tag, nachdem Viktor auf einen Blog-Kommentar seiner Schwester antwortet und behauptet, wir hätten jetzt sogar etwas Puffer für die rechtzeitige Ankunft zum Familientreffen in Costa Rica. „Nur nicht unken“ in Reinform, würde er mal sagen.

Was ist also genau los?

Viktors Verdauungstrakt hat sich in der Nacht nicht beruhigt, es sind eher noch positionsabhängige Bauchkrämpfe dazugekommen, zum Glück nur leichte, aber an Radfahren ist da nicht zu denken. Tannacomp haben wir in der Reiseapotheke und Buscopan (bzw. „Espasmofin“ – Espasmo=Krampf, Fin=Ende) gibt es – wie auch Paracetamol – hier frei verkäuflich im Supermarkt. Peinlicherweise müssen wir auch schon an der Rezeption um Hilfe bitten, denn es war uns nicht klar, dass wir jetzt in einer Region unterwegs sind, in der das Toilettenpapier grundsätzlich nicht in die Toilettenschüssel gehört, sondern in einen Behälter daneben. Wir haben uns bisher auf die Schilder im Bad verlassen, die manchmal existieren und manchmal – wie hier im Hotel – eben nicht.

Schild im Hotel in San Luis Talpa

Jutta hatte vor zwei Nächten schon ein wenig gefroren, nachts im Spiegel rote Flecken am Oberkörper entdeckt und letzte Nacht dann richtigen Schüttelfrost (nach dem Schwindel) bekommen, aber bisher kein Fieber. Während der Fahrt gestern hatte sie schon Rückenschmerzen, die wir noch auf die schlechten Streckenverhältnisse geschoben haben, die jetzt aber stärker geworden sind, besonders im Liegen. Dazu Kopfschmerzen und allgemeine Schlappheit. Die Symptome passen ziemlich gut zu Dengue(-Fieber). Wir sind dagegegen doppelt geimpft, so dass wir nur mit einem leichten Verlauf rechnen, aber trotzdem ist da jetzt nicht an die körperlichen Anstrengungen des Radfahrens zu denken. Wer Jutta kennt, weiß um ihre Aversion gegen Schmerzmittel. Wenn Viktor Paracetamol kaufen darf und sie 1.000 mg davon einnimmt, dann ist es definitv schon etwas heftiger.

Zudem geht die nächste Etappe über die Grenze nach Honduras, wo die Gesundheitsversorgung noch schlechter sein soll als in El Salvador. Und hier am Ort gibt es gleich mehrere Krankenhäuser, eines nur 200 Meter vom Hotel entfernt. Dort könnten wir morgen eventuell auch einen Antigen-Bluttest machen lassen, um ganz sicher zu gehen. Also auch hier eher „Glück im Unglück“, zumindest was den Zeitpunkt und Ort angeht.

Womit wir auch noch eine ganze Weile unsere Zeit verbringen: vor der Einreise nach Nicaragua, die einen Tag nach unserem Aufbrechen von hier ansteht (denn wir werden planmäßig nur zwei Tage in Honduras sein), muss man ein recht aufwendiges Online-Formular ausfüllen, eigentlich mindestens sieben Tage im Voraus. Es sind mehrere Seiten, und erst beim dritten Versuch geht der Antrag durch. Ob wir den dann – wie erwünscht – auch noch als Papierausdruck mitnehmen müssen wir hier im Hotel noch klären. Bei Honduras sind wir uns nicht hundertprozentig sicher, ob wir als über Land Einreisende auch das Formular für dieses Land ausfüllen müssen, tun das vorsichtshalber aber auch noch.

Ein weiterer Vorteil des Ruhetages ist, dass wir in der Apotheke noch ein paar Spritzen kaufen können, die mit ihrer Nadel durch den seitlichen Spalt des knirschenden Freilaufes passen, um das Lithium-Fett hineinzupressen und hoffentlich damit den Staub herauszudrücken. Es werden am Ende Insulin-Spritzen von BD. Mit der 30-Gauge Nadel kommt Viktor hinein und kann mit der Sprühdose (statt Spritzen-Stempel hinten das rote Röhrchen einführen und beim Sprühen gut andrücken) auch noch einiges durch die feine Nadel in den Freilauf pressen. Jedenfalls tritt es an verschiedenen anderen Stellen wieder aus, was ihn hoffen lässt. Am nächsten Morgen ist aber auch klar, dass das Schmiermittel die feine Nadel so zusetzt, dass man für jeden Versuch eine neue Spritze benötigt – Wiederverwendung unmöglich.

Vom Supermarkt und den Obstständen am Markt sind wir auch nur einen Block entfernt, so dass wir uns um die Versorgung mit Zwieback, Krackern, Cola, Bananen, Wasser und Elektrolytgetränken nicht sorgen müssen.

Außerdem können wir ein paar Impressionen der Straßenverhältnisse fotografieren, nur damit man einen Eindruck bekommt. Klar, wir sind da vermutlich überkritisch, aber mit den Schlaglöchen haben selbst die großen LKW-Doppelreifen ihre Probleme.

Und damit keiner meint, wir kämen unseren staatsbürgerlichen Pflichten nicht nach: vielen Dank an Julius für das Ausfüllen und Einwerfen:

Wählen gehen! Sonst entscheiden andere für Euch.

Donnerstag 6.6.24 – Ruhetag 2 – Santa Rosa de Lima

Vormittags hoffen wir noch, dass das vielleicht der letzte Ruhetag in Santa Rosa wird und wir am nächsten Tag um 6 Uhr wieder auf unser Tandem steigen können. Jutta hat kaum noch Symptome und fühlt sich auch nicht mehr ganz so schlapp, vermutlich auch Dank der 1.000 mg Paracetamol, die sie morgens um 4 Uhr noch genommen hat. Die Verdauungsbeschwerden von Viktor sind auch 50% gebessert … Hoffnung keimt auf.

Am Nachmittag wird aber klar, dass es bei uns beiden weiterhin nur mit Medikamenten geht. Jutta braucht weiterhin Paracetamol, und für Viktor kaufen wir beim gemeinsamen Einkauf im Supermarkt noch ein stärkeres Mittel (Loperamid). Prophylaktisch nehmen wir auch eine Antiparasiten-Kur mit, von der uns unser WarmShowers-Kontakt in Antigua schon berichtet hatte. So eine 3-Tages-Kur würden viele Menschen in Guatemala alle paar Monate mal machen, hatte er uns berichtet. Die nehmen wir aber nicht ein, sondern sie kommt in unsere Reiseapotheke, denn wir wissen nicht, wie die Versorgung in Honduras und Nicaragua sein wird. Auf der Packung steht jedenfalls, dass sie in Honduras verschreibungspflichtig ist, während sie hier in El Salvador im Supermarkt frei verkäuflich ist.

Wir buchen das Hotel also für eine weitere Nacht und fahren somit frühestens am Samstag weiter, vielleicht auch noch später.

Um die Zeit totzuschlagen schauen wir uns auf dem Laptop einen Netflix-Film an, der sich aber als ziemlich schlecht herausstellt: „Im Wasser der Seine“

Wir nutzen den Tag aber auch für Sinnvolles:

Eine Prüfung der Etappen bis Costa Rica (Fidelito Ranch), wo wir uns mit Familie treffen wollen, ergibt, dass wir selbst bei einer Weiterfahrt am Samstag und einem Ruhtag für eine Vulkanerwanderung in Nicaragua noch vier Puffertage haben. Die können zwar auch ganz schnell weg sein, wenn wir weitere Erkrankungen oder technische Defekte haben sollten, aber wir sind immer noch ganz entspannt.

Viktor fragt außerdem in der Mittelamerika-Cycling-WhatsApp-Gruppe nach den Rezepten der anderen Mitglieder, um Mückenstiche zu vermeiden. Wir wissen beim besten Willen nicht, wie wir das noch besser hinbekommen können. Die Mücken, die Dengue übertragen, sind tagaktiv. Nachts können und wollen wir nicht radeln, es wird auch dringend davon abgeraten. Wegen der Temperaturen fahren wir früh los, zu einem Zeitpunkt kurz nach dem Sonnenaufgang, wo die Mücken besonders aktiv sind. Wir sprühen uns aber mit Repellentien ein. Wir schaffen es einfach nicht, in langer, heller, locker sitzender Kleidung unterwegs zu sein, wie das ebenfalls oft empfohlen wird. Das ist uns auf dem Rad einfach zu warm.

Die Antworten in der WhatsApp-Gruppe sind eindeutig: Den Mücken kannst Du auf dem Fahrrad nicht 100%ig entgehen. Du kannst nur versuchen die Stiche zu minimieren. Die meisten anderen machen es auf dem Rad ähnlich wie wir.

Unsere Frage
Übersetzung: Wir verbringen unseren zweiten Erholungstag in einem Hotel in Santa Rosa de Lima (El Salvador), bevor wir die Grenze nach Honduras überqueren. Meine Frau hat leichte Dengue-Symptome, aber kein Fieber (wir sind geimpft), ich habe einfachen Durchfall.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurden wir in den letzten Wochen in Guatemala und El Salvador einige Male von Mücken gestochen. Als Deutsche können wir die Hitze in langen Ärmeln und Beinen nicht ertragen. Wir fuhren um 6 Uhr morgens los und versuchten, mittags anzukommen, um den Höchsttemperaturen auszuweichen. Wir tragen kurze Sportkleidung und verwenden Repellentien. Wie machst du das? Was raten Sie uns? Danke für deine Antworten. Grüße Viktor
Eine der Antworten
Übersetzung: Zusätzlich zum täglichen Abwehrmittel verwenden wir eine zweite Schicht mit einem natürlichen Abwehrmittel, das ätherisches Citronellaöl enthält. 
Ich habe auch ein selbstgemachtes „Moskitonetz“ gemacht, das wir benutzen, wenn es beim Schlafengehen zu viele Mücken gibt. Aber tagsüber beißen sie uns immer. Ich denke, dass alle Radfahrer gebissen werden 😅, keiner von uns ist vor Mücken sicher. Die Variation liegt in den Heilmethoden.
Auch wir tragen kurze Kleidung, aber Mücken wissen sowieso immer, wie sie durch die Kleidung kommen.
Ich hoffe, dass sie bald wiederhergestellt werden! Das Beste meiner Meinung nach ist, zum Arzt zu gehen. Wenn es einem sehr schlecht geht, viel Wasser trinken und sich ausruhen!

Also, morgen gibt es hier wenig Neuigkeiten, nur den dritten Ruhetag.

Vielen Dank für die vielen Genungswünsche und die guten Ratschläge, lieber einen Tag länger als möglicherweise zu kurz zu pausieren. Wir nehmen diese sehr gerne an.

Freitag 7.6.24 – Ruhetag 3 – Santa Rosa de Lima

Jutta meint heute morgen, irgendjemand hätte uns bezüglich der Schlaglöcher geraten, einfach mit voller Geschwindigkeit durchzufahren. Wir finden diesen Ratschlag aber nicht mehr. War es im Blog, per WhatsApp, auf Facebook? Und wer war es? Na egal, hier ist der Beweis, dass es ein guter Rat ist:

Schlaglochtechnik
Der Vorteil von Ruhetagen: Man kann sich mal ein wenig belesen, um die extremen Kontraste und die am Straßenrand sichtbare Armut hier ein wenig besser zu verstehen. Danke für den Tipp Thomas.
“Atras de Pizza Hut”. Falls uns jemand sucht, wir sind im Hotel „hinter Pizza Hut“. Das ist die offizielle Adresse!

So ein Ruhetag schafft auch Freiräume, um z.B. Freundschaftsspiele der Deutschen Nationalmannschaft anzuschauen. Blöd nur, wenn beim entscheidenden 2:1 das ESPN-Signal versagt. Gut, wenn man dann per WhatsApp bei Fussball-Experten nachfragen kann, ob es ein schönes Tor war:

Wir schauen uns auch noch einen weiteren (polnischen) Netflix-Film an, der deutlich besser ist als der von gestern.

Es ist der Abend des dritten Ruhetages und wir fühlen uns beide fit genug, um morgen weiterzufahren. Das untätige Rumhängen an diesem eher hässlichen Ort (wir haben es „Cara Sucia 2 getauft – passt auch, erste und letzte Stadt in El Salvador) nervt und das rekonvaleszente Herumliegen tut dem Rücken auch nicht gut. Die paar Rückenübungen, die wir tagsüber einstreuen, helfen da nicht wirklich.

Wenn heute Nacht nicht noch irgendwas Unerwartetes passiert, geht es morgen um 6 Uhr weiter in Richtung Honduras. Und ab kurz vor der Grenze fahren wir dann auch das erste Mal auf der offiziellen Panamerikana. Zeitlich liegen wir ganz gut auf Kurs. Hier der grobe Plan, der sich natürlich täglich ändern kann.

Samstag 8.6.24 – Santa Rosa de Lima (El Salvador) – San Lorenzo (Honduras)

Gesamt: 2.882,02 km

Wir fahren endlich wieder Rad!

Die erste Stunde fahren wir heute direkt in den Sonnenaufgang. Und das auf einer erst sehr, sehr schlechten Straße. Viktor hat noch keine Sonnenbrille auf, also muss Jutta vor allen Straßenschäden warnen. Aber irgendwann wechseln wir auf die CA-1 – die Panamericana – und die Straßenqualität steigt gewaltig. Kurz vor der Grenze frühstücken wir noch im Stehen an einer kleinen Texaco und sind dann um etwa halb acht an der Grenze. Erst passieren wir den Zoll, einen Kilometer weiter ist das Migrationsbüro von El Salvador, wo wir den Ausreisestempel bekommen, dann geht es über eine recht lange, ganz leere Brücke, und schließlich gehen wir nacheinander in das Migrationsbüro von Honduras, weil uns das Alleinlassen des Tandems dort nicht geheuer ist. Jeder von uns muss drei US-Dollar Steuern für die Arbeit des Migrationsbüros zahlen.

Weiter geht`s bei immer größerer Hitze bergauf und bergab auf der CA -1, der LKW-Verkehr hält sich einigermaßen in Grenzen, vielleicht, weil Samstag ist. Wir brauchen noch eine kurze, und nach 50 Kilometern in Nacaome eine längere Pause zum Abkühlen und Stärken. Landschaftlich ist es ganz schön – viele grüne Hügel -, nur liegt hier in Honduras wieder sehr viel Müll am Straßenrand. Um 12:15 Uhr haben wir das Casa Vieja Hotel in San Lorenzo erreicht und dürfen glücklicherweise gleich auf`s Zimmer. Beim Duschen denken wir uns: gut, dass wir im letzten Hotel drei Tage bleiben mussten und nicht hier. Das Duschwasser (ich schreibe absichtlich nicht Strahl) rinnt an der ungefliesten Wand herunter, die auch schon ganz schimmelig ist. Die Dusche in Santa Rosa war tadellos! Als Viktor eine halbe Stunde später duscht, muss aber irgendwo eine Pumpe angesprungen oder ein anderer Wasserverbrauch eingestellt worden sein, denn da kommt das Wasser relativ normal aus dem Duschkopf.

Nachmittags gehen wir die Straße des Hotels weiter in Richtung Lagune und kommen zum „Strand“ von San Lorenzo, wo wir Sightseeing machen wollen. Der angeblich alte Pier ist 2018 neu aufgebaut und winzig, aber wir gehen am Wasser entlang bis zum Ende weiter, bekommen immer wieder Angebote für eine Bootsfahrt zu den Mangroven, sehen viele Menschen im Wasser baden, und kehren schließlich ein auf ein Getränk bei einem Restaurant, das auf dem Logo die Flagge von Honduras und von Deutschland hat und außerdem „Tucher“-Bier anbietet. Wir unterhalten uns, natürlich auf Deutsch, da kommt ein älterer Herr zu uns, der uns gehört hat: Werner Völk aus Stuttgart, der seit 1968 hier lebt und das Restaurant (und noch einiges mehr) aufgebaut hat. Seine Theke stand vor vielen Jahren mal waagerecht, aber mittlerweile ist das linke Thekenende mit dem gesamten Gebäude immer weiter abgesackt (trotz deutscher Gründlichkeit beim Betonfundament des Gebäudes). Er zeigt uns die Ecke, an der er nach jedem Erdbeben einen neuen Strich angebracht hat, um die Absenkungen zu dokumentieren (siehe Foto unten mit den Daten der Erdbeben).

Er hatte vorher schon in über 100 Ländern gearbeitet und fand es hier am schönsten. Er hat nach eigener Aussage Alzheimer und hat uns sehr viel erzählt – und zwischendurch immer wieder gefragt „oder habe ich das schon erzählt?“. Ob sein jüngstes Kind wirklich erst 14 Jahre alt ist – wer weiß? – aber es war recht unterhaltsam mit ihm und gar nicht so einfach für uns, wieder zu gehen.

Ein frühes Abendessen nehmen wir im winzig kleinen Restaurant unseres Hotels mit erstaunlich großer Karte ein und stellen währenddessen fest, dass gegenüber ein Stadion liegt, da die Flutlichter gerade angehen, und als wir ins Zimmer gehen, startet dort nicht etwa ein Fußballspiel, sondern eine Art Open-Air-Disco mit lauter Musik, Ansageversuchen und zahlreichen gedärmverdrehenden Rückkopplungen. Wir hoffen, dass es nicht zu lange gehen wird, denn um fünf morgen früh stehen wir wieder auf.

Sonntag 9.6.24 – San Lorenzo (Honduras) – Somotillo (Nicaragua)

Gesamt: 2.967,19 km

Die Veranstaltung gestern Abend dauerte bis Mitternacht, allerdings hat ein starkes Gewitter ab halb zehn eine Weile die Musik übertönt. Aber beides hat eine von uns am Schlafen gehindert. Egal, morgens um viertel vor sechs sind wir abfahrbereit – der Tag verspricht, lang zu werden.

Das Herauskommen aus San Lorenzo geht ein bisschen durch den Ort, bis wir an eine Straßensperrung kommen und daraufhin landen wir sogar schneller wieder auf der Hauptstraße, zunächst die CA-1. Es fährt sich sehr schön, noch nicht so warm und noch nicht so viel motorisierter Verkehr sonntags gegen sechs. Aber ein Mann, der um diese Zeit schon unterwegs ist, überholt uns, hält an, filmt uns und wir halten an zum Telefonnummern-Austausch. Kurz darauf hält er noch einmal vor uns an, da er Viktors Nummer doch nicht gespeichert hat. Und so haben wir wieder einmal Material mit uns Beiden fahrend – immer wieder schön:

Wir haben diesmal gar nicht geschaut, wie die Pausenmöglichkeiten so aussehen, und nachdem wir nicht gleich die erste Tankstelle nehmen wollen, kommt die nächste Möglichkeit erst nach 30 Kilometern, da sind wir schon ganz schön kaputt vor dem Frühstück, zumal es auch leider wieder sehr schnell heiß geworden ist. Frisch gestärkt (mehr oder weniger) geht es weiter durch die grüne Natur, vorbei an Mangrovenwäldern, durch hügelige Landschaften etc..

Die einzige echte Stadt, die wir heute passieren – Choluteca – beschert uns den Wechsel von der CA-1 auf die CA-3, und dabei folgen wir dummerweise Komoot und landen auf grottenschlechten Wegen, von Straßen kann da keine Rede sein, und die Stadt ist gar nicht mal klein. Die CA-3 ist aber glücklicherweise auch gut ausgebaut, ähnlich der Panamericana, auf einem Stück noch in der Stadt gibt es sogar einen Radweg, wenn auch in schlechtem Zustand…

Es wird immer wärmer und wir bräuchten eigentlich ab und zu eine Abkühlung, aber dieser Teil von Honduras ist so dünn besiedelt – es gibt lange nichts. Die Grenze nach Nicaragua steht erst bei Kilometer 78 an, und vorher soll es eventuell noch eine Tankstelle bei Kilometer 65 geben – wir hoffen darauf. Dort angekommen schwächelt Viktor schon etwas und braucht dringend ein kaltes Getränk aus dem zugehörigen klimatisierten Laden. Er rüttelt an der Türe … verschlossen. Verdammt, diese Sonntage sind echt blöd. Komisch nur, dass an einem Tisch eine Person sitzt, die auf das Rütteln an der Türe mit völliger Regungslosigkeit reagiert. Jutta entdeckt auf der andere Straßenseite einen kleinen Laden (Mercadito Sinai), also geht Viktor hinüber, ausgestattet nur mit einem 10-Dollar-Schein, denn wir haben natürlich bis kurz vor der Grenze dafür gesorgt, dass wir alle Lempira ausgegeben haben. Die Ladenbesitzerin akzeptiert zum Glück Dollar. Also werden zwei Gatorade und eine kleine Mirinda aus dem Kühlschrank geholt, der 10 Dollar-Schein wechselt die Seiten und die Mirinda wird sofort geöffnet – Zisch!

„Der 10 Dollar-Schein ist ja mit Kugelschreiber beschriftet, den kann ich nicht annehmen! Den nimmt die Bank nicht an.“ – Schockstarre mit bösem Blick – „Ich habe nichts anderes, wenn Sie keine Kreditkarte akzeptieren“. Viktor schiebt die Flaschen wieder rüber – inklusive der bereits geöffneten, aber noch nicht angetrunkenen Mirinda. „Ja, aber die ist ja schon geöffnet!“ – noch ein böser Blick – es folgen zwei Minuten Diskussion zwischen Mutter und Tochter und dann das Angebot, den Schein zu einem schlechteren Kurs anzunehmen – 22 statt 23 Lempira pro Dollar – oh Mann – das ist jetzt sowas von egal! Die fünf Dollar Wechselgeld gibt es natürlich in Lempira zurück.

Glücklich-genervt kehrt Viktor über die Straße zurück zur Tankstelle, wo Jutta weiterhin direkt neben dem Tandem steht und wartet. „Da sind gerade ein Mann und ein Kind reingegangen!“ sagt sie dann … häh … wo? Dieser verdammte klimatisierte Tankstellenladen, der natürlich Kreditkarten akzeptiert hätte, hat noch eine andere Tür und war die ganze Zeit geöffnet. Wer von uns diese Türe nun hätte eher entdecken können wird jetzt hier nicht diskutiert 😉 … noch ein böser Blick und tieeeeeeeefes Durchatmen … bevor wir uns auf die letzten Kilometer zur Grenze Nicaraguas machen.

Gegen 13 Uhr sind wir (neben einer großen Anzahl an LKW) an der Grenze. Zuerst fängt uns eine Grenzerin ab, kontrolliert schonmal unsere Pässe und meldet telefonisch zwei Deutsche mit einem sehr großen Fahrrad vor. Bei der Honduranischen Migrationsbehörde geht erst Jutta ins Gebäude und wird an den Einreiseschalter geschickt, obwohl wir doch ausreisen. Nun denn, nach einem erneuten Foto gibt es den Ausreisestempel. Als dann Viktor hinein geht, ist auch gerade ein ganzer Reisebus angekommen und es dauert ein bisschen länger. Wir überqueren eine längere Brücke, auf der wir sogar fahren und kommen auf Nicaraguanischer Seite an. Dort wollen wir ins Migrationsbüro, werden aber zurückbeordert, weil wir vorher bei einer Mitarbeiterin, die anscheinend für die Gesundheit zuständig ist, vorstellig werden müssen, die Einiges in ihren Computer tippt und uns mehrfach fragt, ob wir jemals in Südamerika waren. Der junge Mann im Migrationsbüro selbst ist ganz nett – wir müssen viele Fragen zum Aufenthalt hier, zu unseren Berufen (er will die Berufe auch auf Deutsch hören und spricht sie nach – A-PO-TE-KA-RIN) etc. beantworten, und hier reicht auch nicht das Foto, das wir ja schon von Honduras kennen, nein, hier müssen wir auch Fingerabdrücke aller zehn Finger abgeben und 13 US-Dollar pro Nase zahlen. Einen Einreisestempel gibt es aber nicht: wir seien jetzt im System und bekämen bei der Ausreise dann den Stempel. Das Ganze hat eine gute Stunde gedauert – das ist Rekord.

Jetzt sind es nur noch eine Steigung und wenige Kilometer bis zum Zielort Somotillo, und wir unken schon, dass wir nach so einem Tag nicht gleich in der ersten angefragten Unterkunft bleiben können, aber unsere erste Wahl (es gibt eigentlich nur zwei Hostales und ein Autohotel hier) vermietet uns gleich ein Zimmer – sehr einfach, mit vielen Mücken, aber AC, wenn der Strom nicht ausfällt, denn das ist abends der Fall.

Es fängt kurz nach unserer Ankunft schon an zu regnen, und wir entscheiden uns, den ganz kurzen Weg zur Pizzeria zu gehen, teilen uns eine große Pizza, zahlen die Rechnung mit dem Rest Lempiras (Wechselgeld von Viktor mittags) und US-Dollar gestückelt, weil wir noch keine Cordoba Oro für Nicaragua haben (als Wechselgeld gibt es unsere ersten Cordoba Oros) und gehen in der wohl einzigen Regenpause während des Stromausfalls wieder zurück. Im Zimmer prasselt der Regen wieder auf`s Wellblechdach, und das den ganzen Abend, richtig schön laut und irgendwann tropft es dann auch durch die Decke … zum Glück neben dem Bett.

Das „Badezimmer“ ist mit einem Vorhang vom Rest abtrennbar, das Abwasser des Waschbeckens wird über ein Rohr in die Dusche geleitet und läuft dort ab. Dasselbe passiert auch mit dem Kondenswasser der Klimaanlage. Viktor witzelt noch: „Gut dass sie das mit Toilettenwasser nicht auch so machen“ … aber das läuft einfach gar nicht ab. Erst wenn die Schüssel randvoll ist versickert es … oder vielleicht verdunstet es auch mit der Zeit.

Diese Woche sind wir zwar wegen unserer Krankheitstage nur vier Tage radgefahren, das aber in drei Ländern, das schafft man auch nicht überall.

Woche 9 (27.5.24 – 2.6.24) – San Sebastián (Retalhuleu) – San Luis Talpa

Montag 27.5.24 – San Sebastián (Retalhuleu) – Patulul

Gesamt: 2.304,41 km

Der Tag beginnt gegen sechs mit einem heftigen Tritt von Viktor – in Hundesch … , was mit Radfahrschuhen wirklich nicht lecker ist. Schon mal ein toller Start in den Tag. Und das auch noch für ein Sonnenaufgangsfoto, das nichts wird (siehe oben … man beachte die trübe Sonne). Glücklicherweise ist am Hotel auch gleich eine Tankstelle (weshalb es die Nacht über auch wieder schön laut war), und Viktor kann den betroffenen Schuh sofort mit Autowaschwasser halbwegs sauber abspülen. Glück im Unglück: Es ist nur die Ferse betroffen und nicht der Cleat-Mechanismus vorne, der auf dieser Tour auch schon einmal mit Kaugummi verkleistert war.

Eigentlich beginnt der Tag ja schon um 5 Uhr mit dem Anziehen der feuchten Klamotten von gestern. Da denkt man, im „luxuriösen“ Hotel wird man kein Camping-Gefühl entwickeln, und dann schlafen wir in unseren Innen-Schlafsäcken und morgens sind die Klamotten noch feucht.

Der wieder abgespülte Schuh – bei dem Profil und den Cleats (Verbinder zu den Klickpedalen) bleibt gerne viel hängen

Wieso eigentlich Autowaschwasser? Ja, hier in Guatemala werden die Autos ab einem bestimmten Tankbetrag kostenlos von den Tankwarten gewaschen, und das Wasser läuft einfach so über den versiegelten Boden irgendwo hin, oft zur Straße und über diese hinweg auf die andere Straßenseite, wo es dann versickert, unter Umständen wächst direkt am Straßenrand Mais, der dann mit dem Dreck-Wasser-Öl-Gemisch gewässert wird. Praktisch, oder?

Wir machen uns nach der Schuhputz-Aktion auf den Weg und merken sofort, dass die letzten beiden Tage noch Wochenende war: die Straße ist wirklich voll, auch schon um sechs, mit Motorrädern, Lastwagen und Bussen, die an einigen Stellen im Stau stehen, an dem wir aber oft rechts auf dem Standstreifen vorbeifahren können. Hier liegt der „Standstreifen“ zwar immer ein paar – oder auch mal ein paar mehr – Centimeter tiefer als die Straße, was ein Hin- und Herwechseln etwas erschwert, dafür ist er aber relativ sauber – Glas, Schrott und sonstiger Müll liegen erst im Grünen -, weil auch die Mopeds viel am Rand fahren und diesen „sauberfahren“.

Wir frühstücken in einer North-West-Tankstelle (guter Kaffee, saubere Toiletten, und wir dürfen unser eigenes Brot/den Rest Pizza essen), kommen gut voran, und um viertel vor neun braucht Viktor sein erstes Motivationseis. Diesmal endlich was fruchtiges ohne Chili oder Sägespäne – ach nein – gemahlene Kürbiskerne.

An unserem angepeilten Zielort Rio Grande nach 53 km sind wir schon um kurz nach 10 Uhr, und da es dort eh nur ein ziemliches Schmuddelhotel gibt, beschließen wir einstimmig die Weiterfahrt – natürlich nach einer weiteren Eispause bei North-West.

Jutta entdeckt einen Hügel mit Bienenvölkern, und Viktor beobachtet durch den Zaun, dass dort gerade ein Zuchtrahmen in eine Volk einghängt wird. Hier werden definitiv Königinnen herangezogen. Auf Zuruf erfahren wir, dass es ca. 500 Königinnen pro Saison sind. Wir werden sogar eingeladen, uns das Gelände anzuschauen. Verdammt, eine jener Situationen, in denen Abwägen und Kompromisse finden angesagt sind. Die größte Tageshitze steht kurz bevor und wir haben – nach einem heftigen Tag gestern – gerade entschieden, heute auch länger zu fahren. Mit etwas Wehmut lässt Viktor die Besichtigung sausen und es geht weiter.

Um 12.15 Uhr kommen wir nach 70 km in Patulul an und fragen bei einem INGUAT-zertifizierten Hotel nach einem Zimmer. Sie haben heute gerade alle Zimmer „fumigiert“, und wir sollen uns noch eine Weile gedulden. Angeblich passiert das prophylaktisch jeden Monat … aber wir befürchten natürlich trotzdem ein Ungezieferproblem.

Also gehen wir in den ziemlich bergigen Ort und stoßen in einem kleinen Bistro mit schönem Garten hintendran (wieder einmal eine kleine Oase) mit zwei Frappucino auf die Geburt von Kalle und Lotta meiner Cousine Anna an (gesponsort von Eurer Tante „Mopsi“ – vielen Dank, Maggie! und liebe Grüße an Anna, Arne, Ole, Michel, Kalle und Lotta).

Auf dem Rückweg kommen wir noch an einem Informationsstand für Investitionen in Grundstücke und Häuser in einer „Area Residencial“ vorbei. Wir machen ein Foto von dem typischen Aussehen, das uns in Guatemala schon häufiger aufgefallen ist. Ein großes repräsentatives Eingangstor und dahinter …. nichts außer Straßen, Straßenbeleuchtung, voll erschlossene Grundstücke, aber kein einziges Haus. Wir werden natürlich sofort angesprochen und nach unserem Investitions-Interesse gefragt. Also wenn jemand hier bauen will … die Grundstücke sind günstig und wir hätten da eine Telefonnummer für Euch.

Nach dem Einkauf von Getränken für den Rest des Tages und für morgen ist unser Zimmer bezugsfertig, im Pool im Hof vor dem Zimmer beginnt gerade der Schwimmunterricht der örtlichen Schule mit sehr vielen Kindern, immer in Etappen, und wir haben stundenlang Unterhaltung durch die Rufe des Lehrers, seine Trillerpfeife und das Kindergeschrei.

Heute kommt während der Fahrt das Thema auf, dass wir ja eigentlich durch unser Radfahren und die viele Bewegung unser Leben verlängern dürften :-), falls es nicht z.B. abrupt unter einem Guatemaltekischen Chicken-Bus endet. Allerdings wird das Ganze vermutlich doch ein Nullsummenspiel, da z.B. ebendiese Chicken-Busse dunkle schwarze Dieselwolken ausstoßen, die wir über die Atemwege und die Haut aufnehmen (und vermutlich auch andere Schadstoffe über die Speisen – siehe oben). Jutta hatte gelesen, dass diese Chicken-Busse von lebensmüden Irren – oder waren es irre Lebensmüde? – gefahren werden und plant auch nicht, mit einem zu fahren. Viktor würde es eigentlich ganz gerne einmal ausprobieren.

Außerdem planen wir, morgen eine wirklich lange Tour nach Escuintla zu fahren (Korrektur … doch nicht so lang … Komoot hat Viktor wieder einen Streich gespielt … aber die Fehlerquelle sitzt ja meistens vor dem Endgerät), um übermorgen von dort mit einem Taxi – nicht im Chicken-Bus – in das von dort nicht weit entfernte Antigua zu fahren, wo es einen Deutschen Warmshowers-Gastgeber gibt, bei dem wir zwar nicht übernachten werden, der mit uns aber eine Stadtführung machen will.

Er hat uns auch schon eine Übernachtung für Donnerstag abend im La Combi organisert, wo man in umgebauten VW Bussen übernachten kann. Genial!

Dienstag 28.5.24 – Patulul – Escuintla

Gesamt: 2.362,68 km

Heute sind wir schon um viertel vor sechs auf der Straße, wieder mit feuchter Kleidung – wir hatten sie nachts draußen hängen, und zuerst geht es den Berg hinunter bis zu einer schon morgens um sechs ziemlich überfüllten Kreuzung. Dort haben auch schon die Verkaufsstände geöffnet und wir können gekühltes Wasser kaufen. Das Vorankommen auf der CA-2 ähnelt dem von gestern, es sind sehr viele LKW und Chickenbusse unterwegs, die teilweise sehr eng überholen. Es könnte so schön sein, durch das ganze Grün rechts und links zu fahren, wenn man etwas entspannter auf einem breiteren Weg ohne die ständige Gefahr des Angefahren- oder Überfahrenwerdens unterwegs sein könnte.

Heute ist der Standstreifen auch besonders schlecht (siehe Tagesbild oben). Teilweise hört er schon mal in einer gefährlichen Kurve einfach auf, ein 20 cm Asphaltabsatz versperrt uns die Möglichkeit während der Fahrt wieder auf die Fahrspur zu wechseln. Außerdem kommen von hinten die Lastwagen und Chicken-Busse angerast. Seit Baja California haben wir einen Rückspiegel und können dann auf Nummer sicher gehen, anhalten, absteigen und … tja … wenn das in einer Steigung passiert, zunächst mal schieben. Denn Anfahren mit vollbeladenem Tandem in der Steigung auf der Fahrspur ist gefährlich … nun ja, das Schieben dort vermutlich nicht minder.

Da fällt mir (Viktor) ein, dass wir seit Tagen über die Abfahrten berichten wollen. Schließlich hat man sich die redlich in einem langen Anstieg erarbeitet. Sie sind eh schon viel zu kurz (also zeitlich), verglichen mit dem langen Aufstieg. Aber sie sind leider auch nicht soooooo toll. Zwei Faktoren kommen da zusammen. Erstens: Meist enden die Abfahrten an einer Brücke über einen Bach oder Fluss. Die Übergänge vom Asphalt zu den Brückenelementen sind unberechenbar, manchmal sind da Abstände von 20 cm mit tiefen Rinnen oder Schlaglöchern zu überspringen. Wenn wir die mit vollem Tempo nehmen, kann das einen Platten oder Schlimmeres bedeuten. Das heißt also, am Ende der Abfahrt vor der Brücke sicherheitshalber runterbremsen, den ganzen Schwung verlieren, in halbwegs sicherem Tempo über die Brücke und dann im Kriechtempo in den nächsten Anstieg. Zweitens: Die großen Lastwagen nutzen bei der Abfahrt die Motorbremse und rauschen trotzdem im Affenzahn an uns vorbei. Die Motorbremse muss man sich so vorstellen: Hinter uns kommt ein eigenartiges Knattern immer näher, wird lauter und lauter, und erreicht schließlich neben uns einen ohrenbetäubenden Schallpegel. Im Prinzip hört es sich an wie eine kontinuierliche Aneinander-Reihung von Fehlzündungen. Es ist der absolute Wahnsinn.

Was uns noch auffällt: Es gibt hier an der Straße viele „Auto-Love-Hotels“, die man stundenweise buchen kann (z.B. 3 Stunden inklusive Kamasutra-Buch), teilweise sind das sogar nur Garagen, in die man sich mit seinem Auto stellt und so etwas Sichtschutz hat.

Sehr oft sehen wir am Straßenrand Stände mit vielen Benzinkanistern, es riecht streng nach Benzin und es sieht fast so aus, als könne man dort Benzin in Benzinkanistern kaufen. Wir haben noch nicht herausbekommen, ob das eventuell geklautes Benzin ist, das da verkauft wird, oder ob es eine andere Erklärung dafür gibt.

An den ersten Tankstellen des Tages fahren wir vorbei, weil es uns für ein Frühstück zu früh scheint – ein Fehler! Als wir so gegen halb acht mal bei Google-Maps nachschauen, wann denn die nächste Frühstücks-Möglichkeit an der Strecke liegt, ist sie noch 22 km entfernt, und es geht ziemlich viel bergauf. Glücklicherweise schickt Komoot uns aber vorher durch Santa Lucía Cotzumalguapa (über Asphaltstraßen … na sowas! Danke Komoot!), und wir frühstücken endlich an einer Puma-Tankstelle. Viktor kauft sich für umgerechnet fünf Euro (!) ein kleines Nutella-Glas (Plastikgefäß, ist leichter), um die Erdnussbutter auf dem Brot etwas aufzupeppen („Reeses“ lässt grüßen). Ein Security-Mann ist dort der Türöffner, und er berichtet auf Nachfrage, dass die Waffe (sieht wieder aus wie eine Art Pump-Gun) noch nie zum Einsatz kam – sie sei nur zur Abschreckung.

Frühstück an der Tanke … selbstgemixter „Reeses“-Aufstrich

Die letzten 10 Kilometer ziehen sich wieder ganz gehörig in langen Steigungen bei steigenden Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit. Viktor leidet wieder unter Überhitzung und braucht alle paar Kilometer am Ende längerer Steigungen eine Trink- und Abkühlpause (Wasser auf den Kopf und das Tuch unter dem Helm wieder nass machen). Liegt es an der schwülen Hitze oder ist das alles nur „Kopfsache“, wie Jutta meint? Bei unserer letzten Pause haben wir frustriert in einer WhatsApp gelesen, dass unsere Blog-Woche-8 zerschossen ist (ein Update per Handy-App war nicht ordentlich synchronisiert). Mit der WordPress-Versionsverwaltung kennen wir uns noch nicht aus, und wir befürchten einen Verlust unseres Tagebuches, das wir vor allem auch für uns selbst schreiben, um später noch alles halbwegs auseinanderhalten zu können. Zum Glück kennt aber unser Sohn Julius in Deutschland die Funktion und repariert alles wieder.

Um viertel vor 12 Uhr sind wir am California Hotel in Escuintla, checken für zwei Nächte ein und müssen bis 14 Uhr warten, bevor wir auf unser Zimmer dürfen. Die Zeit überbrücken wir am (und im) Hotelpool und mit mehreren Frappés aus dem Hotelrestaurant.

Im Zimmer probieren wir erstmals unsere mitreisende Waschmaschine aus … die Scrubba-Bag (Danke an Barbie und Hans-Jürgen), denn hier haben wir ja jetzt zwei Tage Zeit zum Trocknen der Wäsche. Das sollte ja wohl reichen.

Scrubba Wash-Bag

Unser WarmShowers-Kontakt aus Antigua, Thomas, versorgt uns derweil mit weiteren Informationen und wir nutzen den Nachmittag für die Planung der Weiterreise nach El Salvador, Honduras (?) und Nicaragua. Die meisten Radler, die an der Küste Guatemalas und El Salvadors entlang fahren, nehmen ein Boot von El Salvador nach Nicaragua und überspringen damit Honduras, auch aus Sicherheitsgründen. Wir werden von Thomas in zwei WhatsApp-Gruppen aufgenommen und kontaktieren einen Boots-Betreiber, um zu klären, ob unser Tandem mitgenommen würde.

Noch ein paar Chicken-Bus Bilder

Mittwoch 29.5.24 – Sightseeing Antigua (Guatemala)

Heute schlafen wir bis 6 Uhr aus und lassen uns um 6:30 mit einem Taxi (unser Fahrer heißt Otto) nach Antigua fahren. Das Chicken-Bus-Experiment fällt aus, weil einer Person aus unserem Tandem-Team das Leben lieber ist als eine authentisch guatemaltekische Transporterfahrung. Irgendwie nachvollziehbar. Otto ist ein guter und defensiver Fahrer, der uns auch abends wieder sicher ins Hotel zurückbringt.

Die nur knapp 40 Kilometer dauern länger als eine Stunde, und als wir am zentralen Park/Platz in Antigua (UNESCO Weltkulturerbe) aussteigen, suchen wir gleich ein Frühstückscafé. Ein Rentnerehepaar aus Wales geht zielstrebig ins „El Portal“ – wir folgen, und sitzen mit den beiden frühstückend an der Theke. Sie sind als Freiwillige hier – er baut Häuser, sie unterrichtet Englisch an einer Schule.

Von dort geht es zum Aussichtspunkt Cerro de la Cruz über der Stadt, erst über Straßen, dann über sehr viele Stufen. Oben hat man einen guten Blick über die Stadt und auch auf die drei nahegelegenen Vulkane, von denen der Fuego relativ regelmäßig eruptiert – aus dieser Entfernung sehen wir „nur“ eine Rauchwolke, abends oder auf Wanderungen kann man dort auch Lava sehen, wie uns Thomas (aus dem WarmShowers-Netzwerk) erklärt, mit dem wir uns hier jetzt treffen. Er ist Deutscher, der seit vier Jahren hier lebt, „a weng“ fränkischen Akzent hat und uns den ganzen Tag durch die Stadt führen wird. Durch ihn sehen wir in Ecken der Stadt, in die wir niemals gegangen wären (z.B. McDonalds und Starbucks in alten, restaurierten Gemäuern, vermutlich einzigartig auf der Welt, oder Museen, in die wir „mal kurz“ ohne Eintritt reinspringen, aber auch einen verwinkelten Markt, in dem wir ein Pepián mit Hühnchenfleisch essen, ein traditionelles Gericht in Antigua). Wir können ihm gar nicht genug für diese spezielle Insider-Stadtführung danken.

Wir laufen zusammen zum teuersten (Kongress-) Hotel am Ort, das wir uns anschauen, und von wo wir – nach einem Gang durch den hoteleigenen Tunnel zum Parkhaus – mit einem hoteleigenen Shuttle-Kleinbus auf den in Privatbesitz befindlichen Berg fahren, wo wir das Museum des bekanntesten Künstlers von Antigua (Efraim Recinos) besuchen, der offensichtlich stark von Miró beinflusst wurde. Ganz Antigua ist inzwischen die Stadt der Reichen und Schönen, und es ist doch bezeichnend, dass wir hier heute das erste Elektroauto seit dem Verlassen der U.S.A. sehen – einen Tesla.

Und dann sehen wir noch so viele Dinge, dass wir sie hier gar nicht alle aufzählen können. Daher ein paar ausgewählte Fotos.

Auch für die vielen Auto-Hotels erhalten wir heute eine Erklärung. Diese werden überwiegend nicht etwa von jungen Pärchen genutzt, sondern von älteren Ehepaaren, die oft mit mehreren Generationen unter einem Dach leben und deren Zimmer meist keine Türen haben. Somit sind diese Hotels die einzige Möglichkeit für ein bisschen Privatsphäre.

Thomas erscheint uns jedenfalls als ganz spezieller WarmShowers-Gastgeber, bei dem viele Bikepacker länger bleiben können, der seine Gäste gerne bekocht und versorgt.

Donnerstag 30.5.24 – Escuintla – Chiquimulilla

Gesamt: 2.431,58 km

Bevor wir starten, kämpfen wir schon gegen Mücken und beobachten eine kleine Echse, die unsere Zimmerwand entlangkrabbelt. Als war dann um sechs losfahren, entscheiden wir uns, nicht, wie von Komoot geplant, durch die Stadt zu fahren, sondern die paar Meter zurück zur CA-2 zu fahren und dort dann weiter Richtung El Salvador. Die ersten fast 20 km geht es bergab – wunderbar für den Start des Tages. Und wirklich, es rollt sich prima, und es ist auch gar nicht so wahnsinnig viel Verkehr unterwegs. Als wir nach über sechs Kilometern immer noch nicht zurück auf der „blauen Komoot-Linie“ sind, der wir immer folgen, schauen wir doch mal zur Kontrolle bei GoogleMaps. Tja, und wir sind leider Richtung Süden/Playa Quetzal unterwegs – eine Sackgasse – und müssen wieder zurück – natürlich bergauf. Der Abzweig Richtung Grenze nach El Salvador ist nicht ausgeschildert, und auf dem Garmin ist die Karte leider weiß, wenn man nicht auf der geplanten Route oder wenigstens in deren Nähe fährt – wir können also (fast) nichts dafür, dass wir falsch gefahren sind … , und so machen wir einen elf Kilometer langen Umweg.

Auf der richtigen CA-2 geht es dann aber wieder weiter bergab, und wir sind schnell unterwegs, haben jetzt nicht nach 22 km eine Tankstelle zum frühstücken, sondern erst nach 33 (s.o.). Sie können uns kein Heißwasser zur Verfügung stellen, und wir dürfen auch nicht im Gebäude frühstücken, sondern sollen die Tische draußen nutzen – erstmalig – also essen wir bei Gestank in der Hitze mit unzähligen Fliegen überall.

Die Weiterfahrt wird etwas beschwerlicher, es wird immer heißer und geht dann auch aufwärts, aber heute hält sich der Verkehr einigermaßen in Grenzen, wahrscheinlich, weil nicht so viele LKW und Busse in Richtung El Salvador unterwegs sind. Und teilweise können wir sogar komplett ohne Autoverkehr fahren, da die Straße sich hier noch im Ausbau befindet und wir auf einem längeren Stück auf der eigentlich fertigen, aber noch nicht freigegebenen Straße fahren.

Insgesamt ist die Stecke aber gar nicht so schlecht und langweilig, wie wir sie erwartet hatten. Es ist grün und abwechslungsreich (Mango, Zuckerrohr, Rinder), nicht übermäßig heiß, weniger Verkehr als in den letzten Tagen, die Straße in guten Zustand. Wir sind ganz zufrieden, dass wir die in Richtung Escuintla erarbeiteten Höhenmeter heute auch wieder bergab fahren dürfen.

An einer Stelle machen wir uns aber doch kurz Sorgen, als wir dichte, undurchdringbar scheinende Rauchschwaden im Himmel und über der Straße vor uns sehen. Ein großer Brand? Eine Massenkaramboulage? Aus dem Nebel kommen uns aber Fahrzeuge entgegen. Und dann kommt uns auch die Ursache entgegen: wieder einmal ein rotbunter … Chickenbus, der diese extrem flächenbrandähnlichen Rauchschwaden ausstößt, und den das gar nicht zu stören scheint.

An einer Tankstelle 13 km vor dem Ziel wollen wir uns mit einem Eis abkühlen, aber der Laden ist gerade geschlossen, weil die Dame dort gerade unterwegs ist, um sich Mittagessen zu besorgen, wie uns die Tankwarte erklären. Glücklicherweise ist schräg gegenüber ein Minimarket, in den Jutta geht, aber dort ist der Tiefkühler kaputt – also auch keine Erfolg. Aber: eine Guatemaltekin in dem Laden erklärt, dass es „abajo“ Eis gibt und führt Jutta einen Berg runter zu irgendeiner Hotelküche, wo Jutta zwei „gude“ lactosefreie Erdbeereis am Stiel kaufen kann, die beim Ankommen an der Tankstelle schon ziemlich geschmolzen sind. Egal – wir haben unsere Abkühlung!

„Gudes“ Eis – „Guud“ Icecream

Gegen zwölf Uhr kommen wir bei „La Combi“ an, wo wir heute übernachten werden. Diese kostenlose Übernachtungsmöglichkeit (gegen Spende) hat uns Thomas, der WarmShowers-Host aus Antigua organisiert. Diesmal also weder WarmShowers noch Hotel, sondern eine Art Campingplatz, auf dem mehrere Autos zum Übernachten stehen. „Unser“ Chevrolet hat einen Ventilator und zwei LED-Birnen, und vor dem Schlafengehen wird drinnen eine Autan-Spirale abgebrannt. Draußen wird eine Kunstrasenmatte vor die Heckklappe gelegt und eine Deutschlandfahne aufgestellt. Mal schauen, wie die Nacht so wird, das ist bei diesen Temperaturen wahrscheinlich kein Spaß!

Es gibt ein Waschhaus, in dem das Wasser aus einem großen Tank kommt – wir duschen zügig und kleiden uns danach erstmalig in unserer mit Repellentien imprägnierte Kleidung, lang, relativ weit und mit Socken – ziemlich warm. Da Thomas in Antigua uns gestern von seiner Dengue-Erkrankung berichtete ist das aber auf jeden Fall jetzt sinnvoll.

Wir könnten hier theoretisch etwas für uns kochen, entscheiden uns aber dann doch für das Restaurant gegenüber. Wir sind halt einfach zu bequem.

Den späten Nachmittag nutzen wir für ein Blog-Update und für die Briefwahl zur Europa- und Kommunalwahl. Die Unterlagen konnten wir von unterwegs online anfordern und ein Familienmitglied darf mit eidesstattlicher Erklärung die Kreuze für uns machen.

Morgen geht es über die Grenze nach El Salvador. Dort ist der US-Dollar offizielle Währung, der „Colon“ wurde 2001 schon abgeschafft. Mit der zweiten offiziellen Landeswährung „Bitcoin“ wollen wir lieber nicht experimentieren. Wir planen ein paar weitere Etappen an der Küste entlang und kontaktieren potentielle Warmshowers-Gastgeber in El Salvador. Die Entscheidung „Honduras Ja oder Nein“ fällen wir noch nicht, haben aber schon ein Angebot für eine Bootsfahrt von La Union (El Salvador) nach Potosi (Nicaragua), bei der auch das Tandem mitkäme.

Für Nicaragua planen wir einfach mal von Granada aus eine nächtliche Vulkantour zum Masaya ein. Die geht abends los und könnte eventuell einen Radfahrtag komplettieren.

Freitag 31.5.24 – Chiquimulilla – Playa Metalío

Gesamt: 2.514,92 km

Schon vor dem Losfahren gibt es heute Dinge zu berichten: Viktors eine Badelatsche reißt im Waschraum kaputt, ausgerechnet an dem Tag, wo der Weg vom Bad zum Schlafraum etliche Meter über rote Erde führt. Jutta packt im Chevi die Sachen zusammen und vergisst, sich mit Sonnenschutz einzucremen. Außerdem packt sie die täglich genutzte Wäscheleine (Sea to Summit) zwar zusammen, sie dann aber leider nicht in die Radtasche – wir merken es erst am Nachmittag am Zielort.

Heute ist die Straßenqualität wieder einmal deutlich schlechter als in den letzten Tagen. Wir fahren auf der CA-2 Richtung Grenze nach El Salvador, frühstücken irgendwo in einem Super 24, wo wir heute sogar drinnen an einem Tisch unser mitgebrachtes Brot essen dürfen, und wo wir auch die Skippy Erdnussbutter aus Cambria leeren (auf den Rest, den man nicht mehr auskratzen kann, kippt Viktor seinen Kaffee und macht daraus einen leckeren Erdnussbutter-Nescafé-Latte. Als wir um acht Uhr weiterfahren, ist es plötzlich viel heißer draußen, die Sonne knallt schon sehr heftig.

Fünfeinhalb Kilometer vor der Grenze … Stillstand … eine LKW-Kolonne. Wir fahren dann doch einfach links vorbei, wie es auch die PKW machen, machen bei der letzten Tankstelle in Guatemala noch eine Pause, in der wir es nicht ganz schaffen, die restlichen Quetzales auszugeben, obwohl Viktor sich einen Hot Dog „Gringo“ reinzwingt, und passieren gegen halb elf ganz unspektakulär die Grenze. Bis auf die Schlange LKW ist ziemlich wenig los und es gibt keine Verkaufsstände, nur ein paar Männer, die uns Dollar anbieten. Auf der Salvadorianischen Immigrations-Seite diskutiert eine Frau direkt vor uns mit einer Grenzbeamtin darüber, dass Mexikaner und Amerikaner hier völlig problemlos einreisen können, während sie in Mexiko und U.S.A. „como Mierda“ (wie Dreck) behandelt worden sei. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob sie uns für Amerikaner hält (wie so viele hier) oder ob das nur Zufall ist.

Die erste Stadt, Cara Sucia (dreckiges Gesicht), ein paar Kilometer weiter, ist völlig überfüllt und gruselig. An der Grenze scheinen sie LKW immer schubweise durchzulassen, und eine der Kolonnen mischt sich mit dem Stadtverkehr, als wir auch gerade durchfahren. Die Stadt macht ihrem Namen also alle Ehre!

Am Ende von Cara Sucia steht plötzlich ein BMW-Motorrad rechts an der Straßenseite, der Fahrer winkt uns zu und macht ein Zeichen, dass wir doch bitte anhalten mögen, was wir auch tun. Seit ein paar Tagen sind wir in einer WhatsApp-Gruppe von Radfahrenden in Mittelamerika. Er ist ebenfalls in der Gruppe und da wir uns dort kurz mit Foto vorgestellt hatten, hat er uns wiedererkannt, ist sofort umgekehrt, hat uns überholt und ist dann rechts rangefahren. Er freut sich so unfassbar, uns zu treffen, wünscht uns alles Gute und Gottes segen, macht ein Selfie mit uns, umarmt uns beide zum Abschied und postet ein kurzes Video in der WhatsApp-Gruppe. Was für eine tolle, berührende und motivierende Begegnung!

Da wir bei Komoot den Tag in zwei Touren teilen mussten – bis und von der Grenze – aber nur eine Strecke aufzeichnen wollen, fahren wir seit der Grenze ohne Navigation, und da es so warm ist und wir Gegenwind haben, fühlt es sich fast permanent so an, als ginge es bergauf, und die Strecke zieht sich entsprechend. Als wir irgendwann eine Eispause machen wollen, stellen wir fest, dass es hier in Tankstellenshops kein Eis gibt (zumindest nicht überall), aber dadurch halten wir in Jujutla bei „La Nevería“, wo es Eiskaffee gibt, wie wir ihn von Zuhause kennen (mit einer Kugel Kaffee und einer Kugel Vanille).

Gegen 14 Uhr ( relativ langer Tag, mit viel Sonne, und Jutta hat sich ja bekanntlich nicht eingecremt, das macht sich jetzt bemerkbar) sind wir nach über 80 km am Zielort in Playa Metalío. Wir versuchen erst, bei einem gut bewerteten Hotel anzufragen, aber als auf unser mehrmaliges Klingeln niemand öffnet, landen wir doch beim Hostel El Ancla / Restaurant Los Tarros, das uns empfohlen wurde, weil es Bikepacker kostenlos zelten lässt, wenn sie im Restaurant essen. Wir nehmen aber ein Hostel-Zimmer und wollen dann erst einmal in den Pazific springen, weil wir schon so lange nicht mehr am Meer waren. Leider stellen wir schnell fest, dass das Wasser hier in Strandnähe voll mit schwimmendem Plastikmüll ist – nicht angenehm – also wechseln wir in den ebenfalls vorhandenen Pool. Die anschließenden Dusche ist auch ziemlich speziell:

ohne Duschkopf, also ein einziger Strahl, ganz neues Duschgefühl

Unser Zimmer riecht frisch fumigiert, die Klimaanlage ist zwar laut, kühlt aber kaum, und zum Schlafen werden wir wieder unsere Innenschlafsäcke nutzen, weil das Bett und die Kopfkissen nicht gerade sauber sind. Die beiden störendsten Dinge aber sind: es gibt kein WIFI (und Viktors Handy findet Netz mehr oder weniger nur vor dem Tor zur Straße), und es gibt kein Essen, obwohl es doch Restaurant heißt, denn die Besitzerin hat heute wichtigeres zu tun.

Als wir unsere gewaschenen Sachen aufhängen wollen, fällt uns auf, dass die Wäscheleine im La Combi vergessen wurde – Jutta hatte sie, wie gesagt, nicht sofort in die Radtasche gepackt, sondern auf dem Fahrradsitz vorne abgelegt, von dem sie beim Transport aus dem Unterstand heruntergefallen ist. Bessert die Stimmung auch nicht gerade! Wir bestellen (vor dem Tor) eine neue, die uns hoffentlich nach Costa Rica mitgebracht werden soll. Die alte Wäscheleine wurde im La Combi bereits neben dem Chevrolet gefunden und liegt für bedürftige Bikepacker zur Mitnahme bereit.

Wir sitzen vor unserem Zimmer auf einer Bank und versuchen, die weiteren Tage zu planen (küstennahe Route oder nicht, Bootsfahrt El Salvador – Nicaragua oder lieber Honduras auf dem Landweg durchqueren, was dauert wie lange und wann sind wir dann in Costa Rica?). Wir planen, auf jeden Fall morgen mal wieder ein Hotel zu suchen (mit AC, Dusche und WIFI). Auch das Schreiben des Blogs kann ohne WIFI nicht wie gewohnt mit sofortigem Hochladen von Bildern erfolgen.

Albert`s Pizza (in Metalío und Cara Sucia) liefert uns auf unsere Bestellung zwei Pizzen, und bevor der Mitarbeiter hier das Gelände verlässt, ordern wir noch schnell Bier und Wasser, damit wir auch noch etwas zu Trinken haben.

Trotzdem ist die Lage hier eigentlich ganz schön. Wir haben das ganze Gelände für uns, bis die Besitzerin irgendwann nach Sonnenuntergang eintrifft. Wir können bei Wellenrauschen in einer Hängematte relaxen, sind Pizza-gesättigt, Viktor ist von drei salvadorianischen „Herz Ass“-Bier leicht angetüdelt … also alles gut.

In der Nacht ist dann Viktor dafür verantwortlich, die Klimanalage in bestimmten Abständen ein- und wieder auszuschalten, wenn sie wieder so laut wird, dass sie zu explodieren droht. Immerhin müssen wir am nächsten morgen nur 20 Dollar zahlen, statt der angekündigten 30, als wir der Besitzerin den Hinweis geben, dass die Klimaanlage „etwas“ laut ist.

Samstag 1.6.24 – Playa Metalió – El Zonte

Gesamt: 2.591,25 km

Nach einer eher bescheidenen Nacht – entweder sehr heiß oder sehr laut – verlangt die Besitzerin 10$ weniger, und wir fahren ganz normal um sechs los. Die (Holper-)Straße zurück zur CA-2 ist gesperrt, wir müssen eine Umleitung fahren, es geht kilometerweit über Erdpisten (aber ohne Schlaglöcher 🙂 ), und wir kommen erst am Ende von Metalío wieder auf die Hauptstraße, d.h. keine Stände mehr mit Getränken. Glücklicherweise haben wir von der Besitzerin von Los Tarros jeder einen Liter Wasser bekommen.

Als nach knapp acht Kilometern eine Tankstelle mit Café auftaucht, beschließen wir, die Gelegenheit zu nutzen und machen schon unsere Frühstückspause. Es gibt zur Abwechslung mal richtigen, ungesüßten Kaffee aus einer guten italienischen Espresso-Maschine (und ein Teilchen für Viktor). Dann treten wir aber erst einmal richtig in die Pedale!

Auf einem kurzen Stück auf der CA-12 (bevor die CA-2 wieder von dort abgeht) fragt Viktor einen Polizisten, ob wir richtig sind und ob das Durchfahren der fünf Tunnel auf der CA-2 auf dem Küstenstreifen La Libertad mit Fahrrädern möglich ist. Der antowortet „ja und ja“ und meint, dass dort ja ganz schöne Steigungen vor uns liegen. Deshalb machen wir bei Kilometer 30 kurz vor dem schwierigen Teil eine Frühstückspause mit Pupusas. Die Menschen hier haben einen ganz anderen Akzent als in Mexico und Guatemala und verstehen Viktors Wunsch nach „Revueltos“ (mit Ei) falsch, denn wir bekommen Bohnenmus und Käse („Frijoles Queso“). Das wäre die zweite Wahl gewesen, also klären wir dieses Missverständis nicht auf.

Kurz danach geht es los mit dem Teil an der felsigen Küste, seht kurvig und immer rauf und runter, inklusive fünf Tunnel mit Längen zwischen 86 und 570 Metern. Es ist wirklich schön, auch wenn man kaum Meerblick hat, weil die Reichen und Schönen sich die aussichtsreichsten Grundstücke haben einzäunen lassen und wir in den Steigungen sowieso ungern anhalten, um nicht wieder anfahren zu müssen. So manches Mal fahren wir auf dem Seitenstreifen der Gegenfahrbahn, weil dort gerade Schatten ist. An zwei Stellen überholen wir vier stehende LKW aus Nicaragua (zweimal die selben), die wohl in Kolonne fahren. Aus einem der LKW wird Diesel in ein Gefäß abgezapft wird. Komische Sache! An einer anderen steilen Steigung steht ein Paar am Rand und filmt uns mit dem Handy, wir fragen, ob sie uns das per WhatsApp schicken können, sagen, dass wir an dieser steilen Stelle nicht anhalten können, aber sie fahren uns nicht nach, um die Telefonnummer zu erfragen. Schade eigentlich!

Nach über 70 Kilometern und 1000 Höhenmetern kommen wir ziemlich kaputt, überhitzt und ohne jegliche Getränkereste in El Zonte an, fahren das anvisierte Hotel an – belegt, fahren ein zweites Hotel an – belegt, und als das dritte Hotel auch kein Zimmer für uns hat, setzt Viktor sich dort auf der Terrasse hin, lässt den Kopf auf die aufgestützen Arme sinken, und macht wohl so einen erschöpften Eindruck, dass sich dort darum gekümmert wird, dass wir ein privat vermietetes Zimmer bekommen können. Nicht das, was wir uns vorgestellt haben, aber hier im Ort ist seit November alles immer ausgebucht – die Stadt ist voller US-Amerikaner, überwiegend Surf-Touristen. Wir sollen abgeholt werden, weil der Weg nicht gut zu erklären ist, es kommt aber niemand, und nach fast einer Stunde fährt die Hotelmitarbeiterin mit ihrem Motorrad vor und wir hinterher. Es geht ein Stück zurück auf der Hauptstraße und einen Weg hoch, den man nicht als Straße erkennen würde. Aber das Haus mit dem Zimmer ist ziemlich neu, massiv, und das Zimmer ist schön, klimatisiert und hat entgegen der Vermutung der Hotelmitarbeiterin auch WIFI. Also Ende gut, alles gut, auch wenn inzwischen Real Madrid gegen Borussia Dortmund gewonnen hat und Viktor eigentlich die Hoffnung hatte, das Spiel vielleicht im Hotel anschauen zu können. In der direkten Umgebung unserer Unterkunfts gibt es praktisch keine Läden oder Restaurants, außer der winzigen Tienda einer älteren Dame, bei der wir schnell noch Getränke kaufen, bevor sie bis Montag früh schließt.

Zum Abendessen gehen wir in das nächstgelegene Restaurant (750 m), welches das Hotelrestaurant des teuersten Hotels hier (mit dem deutsch klingenden Namen „Garten“) ist und gönnen uns mit Meeresblick ein gutes Abendessen. Die Speisekarte ist erst in Englisch, dann in Spanisch, das Hotel ist wohl eher für die Amerikaner, und diesen kleinen Luxus haben wir uns heute redlich verdient.

Blick von der Restaurant-Terrasse
Mango Tango und Gin Exotic

Zurück im Zimmer wird geschrieben und auch die Bilder von gestern ergänzt – heute geht es wieder!

Und allen Berlinern und Speckgürtel-Bewohnern viel Spaß morgen bei der ADFC-Sternfahrt!

Sonntag 2.6.24 – El Zonte – San Luis Talpa

Gesamt: 2.639,38 km

In der Nacht hat es regelrecht geschüttet und wir konnten unser Tandem nicht unterstellen. Die Radtaschen mit den Campingutensilien und Schlafsäcken lassen wir meist über Nacht am Rad, wenn es sicher steht, so auch diesmal. Mit etwas ungutem Gefühl checken wir, ob in den Taschen alles trocken geblieben ist, aber bis auf etwas Feuchtigkeit in den Hase-Seitentaschen ist alles o.K..

Die „Straße“ vor unserer Unterkunft, die wir unser Tandem herunterschieben müssen, ist recht schlammig geworden, so dass wir Anfangs mit unserern Cleats gar nicht in den Pedalen einhaken können. Erst ein paar Pfützen und die erste Pause an einer Tankstelle erlauben uns ein ausreichendes Säubern der Schuhe.

Überhaupt „die Tankstellen“ … irgendwie nervt es schon, dass wir für unsere Versorgung so auf die fossile Infrastruktur der Verbrenner-Lobby angewiesen sind. Aber auch heute finden wir keine andere Möglichkeit, unterwegs zu frühstücken, falls wir nicht bis 8 oder 9 Uhr warten wollen, wenn die Lokalitäten so langsam erwachen. Also gibt es auch heute wieder überzuckerten Nescafé-Cappuccino bei Texaco mit Schinken-Käse-Croissants, die in Folie gewickelt auf einem Styroporteller in der Mikrowelle aufgewärmt wurden.

Nach der langen Etappe mit vielen Höhenmetern gestern und der etwas nervigen Suche nach einer Unterkunft haben wir uns heute für eine kurze Etappe (knapp 50 km) mit reserviertem Hotel am Zielort entschieden. Die ersten Kilometer sind trotzdem gleich heftig, denn die paar Steigungen des Tages liegen sofort am Anfang. Viktors Patellasehnen sind trotz Tigerbalm noch leicht gereizt, also gehen wir es noch langsamer als üblich an. Und wir wissen ja, dass es zum Ende des Tages leichter wird.

Das Ganze ist – wie Jutta ja eh schon die ganze Zeit behauptet – überwiegend Kopfsache. Den Höhenmeter-Rekord haben wir gestern relativ gut geschafft und mit weniger „Bergauf-Stöhnen“ und „Heißlaufen“ des Captains als sonst üblich. Und eigentlich war es eine reine Einstellungsfrage. Man darf die bevorstehende Steigung nicht als Gegner empfinden, den es in einem harten Kampf zu bezwingen gilt. Man muss die Steigung ja nicht gleich zum Freund erklären, aber man kann akzeptieren, was nicht zu ändern ist und sie ganz entspannt als gegeben hinnehmen (Viktor tauft das jetzt mal „Steigungs-Radler-Achtsamkeit“). Wenn man die Steigung dann noch in einem langsamen Tempo angeht, mit dem man notfalls auch stundenlang durchfahren könnte, wenn die Steigung den ganzen Tag so weiterginge, dann ist es auf einmal kein so harter Kampf mehr. Ich behaupte nicht, dass es dann schon zum reinen Vergnügen wird, aber es wird irgendwie leichter.
Soooo … und nun übertragen wir das Bild mal auf andere Herausforderungen des Lebens, beruflich wie privat …. nicht bekämpfen … annehmen! Und dann in einem stetigen, langfristig durchhaltbaren Tempo abarbeiten. Ich glaube das wird die Kernaussage meines Motivations-Vortrages, den ich einigen Kolleginnen und Kollegen nach meinem Sabbatjahr versprochen habe 😉 .

Heute habe ich (Viktor) häufiger einen meiner Lieblingswitze von Eugenio (einem katalanischen Humoristen) im Kopf, denn wir kommen immer wieder an „Reduzca“-Schildern vorbei.

Um viertel vor neun kommen wir an einem Schild vorbei: Walter Thilo Deininger – Parque de Aventuras Surfcity. Wir überlegen, dort eine Aktivität mitzumachen, wegen des Deutschen Namens und weil die Zeit heute da wäre, aber das Einzige ist eine Botanische Wanderung um 9 Uhr, und wir fahren doch weiter. Auch hier steht an der Straße ein Schild: „Surf City under Construction“ – solche Schilder sehen wir schon seit El Zonte, auch an Bushaltestellen und anderswo, und es scheint, als solle hier aus all den Küstenorten ein durchgängiges Surfer-Paradies entwickelt werden. An verschiedenen Stellen stehen große Plakate, die auf Chinesische Großinvestoren schließen lassen.

Und weil wir nur eine kurze Tour haben, können wir öfter mal anhalten, um die heute etwas häufigeren Aussichten oder auch die überall anzutreffenden „freiliegenden“ Wurzeln vieler Bäume, die direkt oben an Abhängen stehen, zu fotografieren – an langen Tagen machen wir das eher seltener. Die vielen toten Hunde, Gürteltiere und anderen plattgefahrenen Lebewesen (oder „Sterbewesen“) in unterschiedlichen Verwesungszuständen (mit und ohne Gewimmel) fotografieren wir nicht.

Außerdem fragen wir uns: Was zirpt da so? Insekten oder Stromleitungen?

Wir kommen schon gegen elf am reservierten Hotel Rancho Argueta an, haben Sorge, wirklich erst um 14 Uhr einchecken zu dürfen, aber wir bekommen das erste fertig gemachte Zimmer und dürfen schon hinein. Bevor wir duschen, gehen wir noch kurz in die Pasteleria Claudy`s Cake und Café um die Ecke und checken danach zwei Essensmöglichkeiten in der Nähe, gegen die wir uns sehr einvernehmlich entscheiden (einmal Fastfood, einmal Straßenstand).

Den Nachmittag chillen wir dann und essen relativ früh im Hotelrestaurant, damit wir morgen um 5:30 Uhr noch das Hotelfrühstück mitnehmen können – etwas ganz Unübliches!

Heute gelernt: Die Sonne steht in der Zone zwischen den Wendekreisen zweimal im Jahr im Zenit. Und den nördlichen Wendekreis haben wir schon in La Paz an der Südspitze von Baja California überquert. Und jetzt hier – schon deutlich weiter südlich – geht die Sonne morgens ganz schnell auf, und schon um 10 Uhr steht sie direkt über uns (praktisch kein Schattenwurf) und bleibt dort für mehrere Stunden, bis irgendwann zwischen 14 und 15 Uhr wieder Schatten sichtbar werden und die Hitze ein wenig erträglicher wird. So sehr wir uns zuhause in Deutschland oft schöneres Wetter wünschen – dieses Klima hier wollen wir eher nicht…

Heute ebenfalls gelernt: In Mexiko hießen die Pools in den Unterkünften noch „Alberca“, seit Guatemala heißen sie wieder „Piscina“ (wie in Spanien auch). Die RAE (Real Academia Española de la Lengua) erklärt dazu, dass nur „Piscina“ korrekt ist, auch wenn einige lateinamerikanische („hispanohablantes“ – spanischsprechende) Länder das Wort „Alberca“ nutzen, was nur für Wasserzisternen zur Bewässerung in der Landwirtschaft korrekt sei.

Woche 8 (20.5.24 – 26.5.24) – Pinotepa National bis San Sebastián (Retalhuleu)

Montag 20.5.24 – Pinotepa Nacional – Santiago Jamiltepec

Gesamt: 2.001,92 km

Wir stellen den Wecker auf 5 Uhr und sind sogar schon ein paar Minuten vorher auf den Beinen. Wie wir am Abend von einem Tuk-Tuk-Taxifahrer in Santiago Jamiltepec erfahren werden, ist der Mai der heißeste Monat in dieser Region. Nach der Beinahe-Hitzschlag-Erfahrung wollen wir früh unterwegs sein, um der schlimmsten Hitze auszuweichen. Kurz nach 6 rollen wir los.

Morgens erreicht uns die Nachricht von einer Eis-Einladung, die eigentlich erst bei Kilometer 2.000 kommen sollte. „Nur nicht unken“ … einer der Lieblingssprüche von Viktor auf dieser Tour („Die Straße ist doch ganz gut“ –> „Nur nicht unken“ … „wir hatten schon lange keinen Platten mehr“ –> „Nur nicht unken“) schießt wieder in den Kopf. Jetzt müssen die 2.000 km heute aber auch geschafft werden. Danke Joachim!

Auch eine gute Kollegin von Viktor, Larissa, meldet sich per E-Mail und die Antwort auf die Frage nach dem Befinden und dem Spaß an der Tour ist es durchaus wert, hier nochmal hineinkopiert zu werden:

„Es gefällt uns trotz aller Strapazen und Planänderungen sehr. Die völlig andere Lebensart, Kultur, Musik, Einstellung, Ernährung, Klima … in jeder Region wieder anders … es relativiert so vieles von dem, was wir für “normal” oder für “richtig” halten.

Zunächst läuft der Tag nach Plan, gegen 7:45 machen wir eine Frühstückspause mit Brot, Käse, Ernussbutter und Mangos (und natürlich ausreichend Hydrierung). Vier Mangos haben wir kurz vorher von einem Moped-Fahrer geschenkt bekommen. Wir sind uns aber nicht mehr sicher, ob er uns vorher überholt und vielleicht unseren Duschvorhang gelesen hatte. Es ist übrigens nicht empfehlenswert, Mangos zu schälen und dann einfach bis zum Kern abzuessen. An den Fäden zwischen den Zähnen hat man lange Spaß. Also: Immer schön einzelne Stücke abschneiden.

Fünf Kilometer vor dem Ziel wird es aber wieder richtig schwierig, noch bevor die 2.000 km geknackt sind. 200 Höhenmeter sind auf 5 km zu erklimmen, na gut, das sind durchschnittlich 4 %, eigentlich schaffbar, besonders nach einem Ruhetag. Trotzdem endet es auf den letzten 2 Kilometern wieder im Schieben. Zum Glück ziehen Wolken auf, die das nächste Hitzeproblem gerade so vermeiden helfen. Ganz kurz vor Schluss knacken wir schiebend die 2.000 km Marke.

Somit sind wir „schon“ um 1o:30 Uhr am Ziel, aber trotzdem ist einer von uns wieder fix und alle. Wir checken im Hotel San Gabriel ein und machen nach 3 Stunden Erholungspause einen kleinen Stadtrundgang bei brütender Hitze, nutzen die Zeit für einen Friseurbesuch und essen mit geschorenen Köpfen ein Eis (Danke Antje!).

Im ganzen Ort fahren kleine dreirädrige, hier ausnahmslos weiße Tuk-Tuks mit drei Passagiersitzen als eine Art Stadt-Taxi herum. Außer im Ortskern, in der Nähe der Kirche, wo auch alle Einkaufsmöglichkeiten liegen, scheint kaum jemand zu Fuß unterwegs zu sein.

Die Namen der Städte kommen Euch komisch vor? Uns auch. Eine kleine Recherche ergibt, dass hier in der Region eine eigene Sprache, Mixteco, gesprochen wird. Zum Glück für uns aber auch weiterhin Spanisch. Deshalb sehen wir unterwegs bei Ortsdurchfahrten wohl auch einige „bilinguale“ Schulen.

Die Suche nach einem Restaurant gestaltet sich wieder etwas schwierig, weil wir nicht zum dritten Mal in Folge zu einem „Tacos Orientale“ gehen wollen. Am Ende wird es ein kleines Restaurant ohne Speisekarte, aber zum ersten Mal in Mexiko mit einer (gar nicht bestellten) Vorsuppe (Nudeln!) in Porzellangeschirr mit Metallbesteck, frisch abgewischtem Tisch und ganz ohne Einweg-Müll.

Die morgendliche Radfahr-Er-„fahr“-ung ist aber positiv genug, dass wir das in den nächsten Tagen so fortsetzen wollen. Die werden aber wieder länger, jedoch mit insgesamt weniger Höhenmetern. Die Straßenbeschaffenheit ist nach dem Tag mit der Großbaustelle (s.o.) allerdings stetig schlechter geworden, an ein zügiges Fahren mit unserem vollbeladenen Tandem ist gar nicht mehr zu denken. Nicht nur, dass die Schlaglöcher größer und zahlreicher werden, auch die sogenannten „Reductores“ (Geschwindigkeitsverminderer) werden zu immer komplexeren und raffiniert gebauten Speichenkillern:

Die „Reductores“ werden immer heftiger. Diese hier sind diagonal im Schritttempo machbar, wenn man sie geschickt anpeilt. Aber schwierig, denn der lenkende Captain kann das Vorderrad gar nicht sehen.

Dienstag 21.5.24 – Santiago Jamiltepec – Rio Grande

Gesamt: 2.062,43 km

Jaaaaaaaaaaahhhh (als langgezogener Seufzer auszusprechen) – es geht doch – wir können es also auch in dieser Region. Gut, der Tag ist überwiegend flach bzw. beginnt als 10 km lange Abfahrt, sozusagen zum Einschwingen.

Wir sind wieder um 6 Uhr los, nur schnell gekühltes Wasser bei Oxxo kaufen und dann auf die Strecke. Der Asphalt ist in der Abfahrt sogar etwas besser, als in den letzten Tagen, aber das ändert sich später wieder und wir fahren unser gewohntes Slalom um die Asphaltkrater. Frühstückspause wieder so um 7:45 Uhr, heute aber nach schon 29 km in San Jose del Progreso (fast der gesamten Strecke gestern), im Schatten, bei Oxxo hinter einer Tankstelle, mit den saubersten Toiletten nach 1000 km, mit zur Verfügung gestellten Plastikstühlen, einem freundlichen Polizisten, der uns bestätigt, dass dieser Bundesstaat Oaxaca sehr sicher ist (aber wir keinesfalls nachts fahren sollen, da wird uns das Rad unterm Hintern geklaut!), und es danach in Chiapas noch sicherer wird, weil da die Marine patroulliert.

Wir machen auch noch schnell ein Foto für Rick aus Cambria, von dem wir die Skippy-Erdnussbutter geschenkt bekamen, und die wir immernoch genießen. Er schickte uns gestern eine Nachricht zu den Sperrungen am Big Sur. Am vergangenen Wochenende hat er es mit dem Rennrad versucht, ist mitten in der Nacht an der schlimmsten Stelle gescheitert und musste umkehren.

Nachricht von Rick

Heute wird es rechts und links auch endlich wieder grüner, da sieht man den ganzen Müll nicht mehr so offensichtlich, es fällt manchmal Schatten auf die Straße, und es tut den Augen einfach unsagbar gut. Wir fahren sehr nah am „Parque Nacional Lagunas de Chacahua“ vorbei, bekommen die Lagune aber nicht zu sehen. Es ist nicht nur grüner, es heißt jetzt auch oft so. Wir überqueren den Rio Verde (grüner Fluss), kurz danach nochmal eine(n) Puente Verde (grüne Brücke). Wir fahren nicht nur wieder an einzelnen Mangobäumen (mit kleinen oder großen Mangos), Bananenstauden, Kokospalmen vorbei, sondern auch an ganzen Plantagen sowohl dieser als auch von Zitronen und auch Kakao – das erkennt Viktor durch die am Stamm hängenden Früchte, seitdem er damals mit unseren Kindern Minecraft gespielt und Kakao angebaut hat 🙂

Korrektur am 23.5.24: Es handelt sich um Papaya-Plantagen, Kakao wird hier in der Region nur sehr selten angebaut.

Die Strecke fährt sich so angenehm, das Viktor schon wieder Energie hat, um physikalische Theorien zu entwickeln. Er ist sich mittlwerweile sicher, dass die Hitzeprobleme des Captains alleinige Schuld der Stokerin sind, die den kühlenden Fahrtwind voll abbekommt und abschirmt, und deren Schweiß die Luft bereits komplett auf 100% Luftfeuchtigkeit gesättigt hat bevor sie den Captain erreicht, so dass für den kein Kühleffekt mehr möglich ist.

Zu dem Thema erhalten wir morgens vor Abfahrt von Freunden noch eine interessante Nachricht: Der Captain soll unbedingt mit dem Brüllen aufhören. –> Brüllaffen fallen tot von Bäumen

Um kurz nach 10 Uhr sind wir schon quasi am Zielort Rio Grande und Viktor probiert an einem Stand jetzt das erste (und vermutlich auch letzte Mal) eine gekühlte Kokosnuss: sie kommt aus einem Bett aus Eis in einem auf der Seite liegenden Kühlschrank, oben wird etwas abgeschlagen, und dann trinkt man mit einem Strohhalm das Wasser. Das Geschmackserlebnis ist … kühl.

An dem Stand kann man auch essen, wenn man mag, selbst die Tortillas sind aus eigener Herstellung.

Wir checken im Confort Hotel Pacific ein (WIFI Passwort „ElonGod10“ – sehr vertrauenswürdig … Viktor kommt sofort ins Gespräch über Elektroautos), duschen erstmals mit zwei Duschköpfen, die beide mit ausreichend Wasser versorgt werden, als solle man zu zweit nebeneinander duschen, wofür der Platz aber nicht reicht, und machen nach einer kleinen Pause einen Stadtrundgang. Es gibt einen mit Planen überdachten – und daher schattigen- , zwischen einer Ladenzeile und der Hauptstraße eingebetteten ziemlich großen Gemischtwarenmarkt mit zwei Dauerdurchsagen von jeweils einem Stand am Rand, die über die gesamte Fläche schallen, und die irgendein Stärkungsmittel für die Frau mit Haifischöl (am einen Ende) bzw. Basilikumaugentropfen gegen Grauen Star (am anderen Ende) anpreisen. Beim Abendessen in der Taqueria Milagro gleich gegenüber fragt Viktor nach und wir erfahren, dass diese Durchsagen als Dauerschleife sieben Tage die Woche von morgens bis abends laufen. Es kann übrigens ein großer Vorteil sein, wenn man wenig Spanisch versteht … die Dauerschleife nervt nur schallmäßig, aber nicht inhaltlich (Jutta vs. Viktor). Der Schallpegel ist ohnehin hier in Mexiko eher hoch.

Vom Markt geht es zum „Zentralen Park“, wo wir uns ebenfalls Schatten erhoffen, der aber eher Basketballplätze, einen Kinderspielplatz und einen Fitnessgeräte-Park enthält. Genau das Richtige, wenn der Tag einfach noch nicht anstrengend genug war und es noch so früh und kühl ist:

Wieder ziemlich heiß

Ringsum sind aber Ladengeschäfte, und wir finden tatsächlich einen kleinen Laden mit selbstgemachtem Eis am Stiel – Danke an Joachim und Ursula! Nach kurzer Zeit in der Sonne halten wir noch einmal bei einem Café und trinken dort einen Frappucino, den es erstmalig (!) nicht im Plastikbecher, sondern im Glas gibt (Danke an Thomas und Stefanie!), und lassen uns danach von einem Tuk-Tuk, die hier in Rio Grande in allen Farben fahren, für 20 Pesos zurück zum Hotel fahren – einfach mal zum Ausprobieren, und weil es so unfassbar heiss ist und es auf dem Rückweg kaum Schatten gibt.

Und hier noch ein Gruß und Dank an Augenoptik Leue in Hohen Neuendorf, falls sie hier mitlesen. Die Brillen funktionieren bestens.

Gruß an Augenoptik Leue in Hohen Neuendorf

Mittwoch 22.5.24 – Rio Grande – Puerto Escondido

Gesamt: 2.114,29 km

Beim Verlassen des Zimmer um kurz vor sechs sitzt eine ganze Menge Bienen an der Flurwand neben unserer Zimmertür – die Häuser haben eigentlich alle nach außen offene Flure, und da sind wohl ein paar Restbienen eines Bienenschwarms im Flur des Hotels zurückgeblieben oder sie sind in der Abenddämmerung vom beleuchteten Flur fehlgeleitet worden.

Nach 20 Kilometern machen wir Frühstückspause an einem Stand am Straßenrand und merken dort schon wieder, wie schnell die Temperatur in die Höhe steigt. Ansonsten ist die Fahrt nach Puerto Escondido relativ arm an Eindrücken, die Lagune, zu der wir längere Zeit parallel fahren, und bei der man im Dunkeln Biolumineszenz bewundern kann, ist von der Straße nicht zu sehen, und bis heute Abend wollen wir dort auch nicht bleiben. An die Lagune selbst führen nur Privatwege über Privatgrundstücke. Und lange suchen wollen wir auch nicht, denn die Temperaturen steigen minütlich

Wir fahren küstennah praktisch durch Puerto Escondido durch und suchen uns eine Unterkunft an einem der Strände – Playa Zicatela – wo man allerdings aufgrund der sehr starken Brandung nicht schwimmen darf. Dafür haben wir ausnahmsweise einmal ein etwas besseres Hotel mit Pool genommen, in dem diesmal auch Wasser ist. Als wir allerdings hineinsteigen, stellen wir fest, dass das Wasser wohl an die 30°C hat und keine Erfrischung ist. Deshalb ist hier wohl auch zur Zeit Nebensaison – Hauptsaison ist vom 1.11. bis zum 31.3. (oder 30.4.?), obwohl wir auf der Nordhalbkugel sind, aber wohl nur von November bis März sind die Temperaturen hier angenehm – anders als zuhause …

Wieder einmal machen wir uns Gedanken, wie wir es bis Ende Juni nach Costa Rica schaffen wollen, wenn es ab jetzt eigentlich überall so warm sein wird, dass wir unmöglich 100 km am Tag, manchmal noch mit vielen Bergkilometern, schaffen können. Also fragen wir bei „Europcar“, gleich hier um die Ecke, nach einer One-way-Miete nach Tapachula, kurz vor der Grenze nach Guatemala. Der Mitarbeiter kann nicht sofort klären, ob bis morgen ein entsprechend großes Auto zur Verfügung steht, scheint aber zuverlässig und engagiert.

Zufällig aus dem Cafe entdeckt

Während wir auf seine Antwort warten, lassen wir uns von einem Tourguide (Jimmy Tours) zur Schildkrötenfreilassung an der nahegelegenen Aufzuchtstation bringen, bekommen Fakten über die Golfina-Schildkröte erklärt und dürfen jeder eine kleine, vor erst 40 Minuten geschlüpfte Schildkröte aus einer Kokosnuss-Schale freilassen. Wir beobachten unsere beiden sowie viele andere bei ihrem Lauf in die heftige Brandung bis sie im Meer verschwunden sind. In freier Natur würden nur 5% überleben, mit Hilfe der Station, deren Mitarbeiter jeden Abend den Strand überwachen, die Eier einsammeln und kontrolliert armlängentief verbuddeln, und schließlich, kurz bevor sie nach 40 Tagen schlüpfen, einen Korb über die Stelle stülpen, um die Jungtiere dann gesammelt ins Meer entlassen, wenn nicht mehr so viele Fressfeinde (z.B. Vögel und Hunde) unterwegs sind, überleben – tata! – ganze 20% – von unseren beiden also vermutlich auch nur eine … oder keine.

Erst nach 14 Jahren kann man feststellen, ob Männchen oder Weibchen, und die Weibchen kommen wieder zurück zum Eierlegen: sie kommen an den Strand und brauchen eine Stunde 40 Minuten, um das Loch zu buddeln, die Eier hineinzulegen, das Loch wieder zu verschließen und wieder ins Wasser zu gehen. Sie sind 50/60 cm groß, also bei der Strandinspektion ganz gut zu sehen, und dann geht die Schildkrötenaufzucht durch die Station los.

Unser Guide erfährt von unserem Wunsch mit dem Mietwagen und bietet sich als Alternative als Fahrer nach Tapachula an, bzw. seinen Kollegen mit einem größeren Auto, als er genauer nachfragt. Die wäre sogar günstiger als die One-Way-Miete bei Europcar. Wir lassen uns seine Nummer geben, und als wir beim Abendessen in einem Italienischen Restaurant (!) sind, kommt per WhatsApp die Absage von Europcar – sie hätten erst übermorgen ein entsprechendes Auto. Also entscheiden wir uns, Jimmy (Jaime Ortiz Reyes) zu vertrauen und es mit seinem Kollegen zu probieren… So etwas in Mexico zu machen, ist schon ein wenig aufregend … Hoffen wir mal, dass das alles gut geht!

Donnerstag, 23.5.24 – Puerto Escondido – Tapachula – Kleinbus- Transfer

Wir sitzen in einem Nissan Kleinbus mit 14 Sitzen, davon vier besetzt (Jutta, Viktor, Fahrer und seine Tochter), unser Tandem steht aufrecht und in voller Länge mit Spannriemen gesichert zwischen uns und wir werden von Jesus ca. 600 Kilometer nach Tapachula, der letzten großen Stadt vor der Grenze nach Guatemala, gefahren. Der Fahrpreis ist am Ende günstiger als bei Europcar den „Drop-Off“ zu bezahlen, der alleine schon über 14.000 Pesos gekostet hätte. Diese Transportart fühlt sich zwar ziemlich dekadent an, aber wir entscheiden uns trotzdem dafür. Dieses Sabbatjahr ist schließlich unser persönlicher Egotrip und das schlechte Gewissen hält sich in Grenzen. Wir wollen halbwegs entspannt in Costa Rica ankommen und das geht nur mit ausreichend Ruhetagen, schaffbaren Höhenmetern und Tagesetappen, die unseren alternden Captain nicht völlig zermürben.

Auf den ersten 200 Kilometern treffen wir die ersten Bikepacker auf dieser Tour. Wir haben sie überholt und angehalten, Wasser und Hilfe angeboten. Sie sind auch unterwegs nach Ushuaia/Patagonien/Feuerland. Er (Felipe) ist Chilene und spricht gut Deutsch, da er mit dem Rad schonmal Deutschland umrundet hat. Sie (Katja) ist wohl aus Kanada (?) (Nachtrag: sie ist aus Russland). Wir werden uns bestimmt wiedersehen, denn die beiden dürften schneller sein als wir. Wenn nicht, sind wir aber für Weihnachten schon in Chile verabredet. Wir hatten leider nur ein paar Minuten, aber sie haben versprochen, uns über den Blog zu kontaktieren.

Bikepacker mit gleichem Ziel (Katja und Felipe)

CO2-emissionsmäßig keine Glanztat, dieser heutige Tag, aber dafür haben wir uns ja hier in Mexiko standhaft geweigert, die lokalen Gepflogenheiten anzunehmen und die täglich ausgetrunkenen Wasser- und Gatorade-Flaschen vom Fahrrad sofort in den Straßengraben zu werfen. Eigentlich erwartet man ja von Gästen, dass sie sich anpassen …

Außerdem unterstützen wir mit der Tour einen lokalen Kleinunternehmer, statt das Geld dem Europcar-Konzern in den Rachen zu werfen. Seht Ihr, wenn man 10 Stunden Zeit hat, kriegt man so ziemlich alles irgendwie schöngeredet ;-). Das hat jetzt alles Viktor geschrieben! Jutta dagegen hat die ganze Zeit im Kopf, dass man niemals hier inoffizielle Taxis nehmen soll, sich sowieso von Männern generell lieber fernhalten soll, schwitzt Wasser und Blut, weil der Fahrer ständig mit Händen und Füßen redet und einfach keine Pause machen will, obwohl durch die schlechten Straßen hier die 600 km wirklich 10 Stunden Fahrt bedeuten. Und als wir an einer Abfahrt Richtung Tapachula vorbeifahren, sieht sie uns schon irgendwo abgeknallt in den Bergen, aber wir fahren ein Stück rückwärts zurück und nehmen die Ausfahrt doch noch. Puh!

20 Uhr. Wir sind sicher im Hotel in Tapachula angekommen, eingecheckt und werden wohl zwei Nächte bleiben, um in einer Bank Bargeld für Guatemala zu besorgen, ein paar Kleinigkeiten am Tandem zu justieren und vielleicht die Stadt anzusehen. Und der Pool ist bis 22 Uhr geöffnet, also gehen wir wohl noch kurz hinein, bevor wir schlafen gehen.

Jesus und seine Tochter machen sich nach 10 Stunden Fahrt übrigens sofort wieder auf den Rückweg. Wahnsinn! Wir bieten den beiden an, ihnen ein Zimmer in unserem Hotel zusätzlich zu bezahlen, aber er sagt, er habe schon ganz andere Strecken in einem Rutsch geschafft. Viktor redet kurz auf ihn ein und sagt noch was von „in Deutschland verboten“ aber die beiden machen sich auf den Rückweg. Wir lachen noch gemeinsam über Viktor’s Aufforderung an die Tochter, den ganzen Weg zu singen und Witze zu erzählen, aber irgendwie wird uns doch ziemlich mulmig, als der Nissan vom Hotelparkplatz rollt. Und, warum bitte schön, fährt eine Tochter im Teenager-Alter freiwillig an einem wegen Lehrerstreiks schulfreien Tag 20 Stunden Auto?

Nachtrag: Beim Frühstück fragen wir per WhatsApp nach und sie sind sicher zurückgekommen.

Noch ein paar Notizen von der Fahrt:

Uns kommen von Stunde zu Stunde mehr Gruppen von „Illegales“ entgegen, die aus Mittelamerika kommend zu Fuß Richtung Norden unterwegs sind und die U.S A. erreichen wollen. Laut unserem Fahrer werden sie vom Staat geduldet, ihm droht aber eine Strafe von 100.000 Pesos, wenn er sie mitnimmt oder ihnen auf andere Art hilft.

Feuer: größerer Brand links der Straße, laut unserem Fahrer vermutlich unbeabsichtigt und außer Kontrolle. Auf meine Frage, ob solche Brände von der Feuerwehr bekämpft werden, kommt die Antwort: „Si, si, pero tardan mucho“ – Ja, ja, aber sie kommen sehr spät. Ich traue mich nicht nachzufragen, ob „mucho“ eher Stunden, Tage, Wochen oder Monate bedeutet.

Der Vater von Jesus ist Landwirt, Anbau von Mais zur Ernährung von Familie und Hühnern, er brennt seine Felder nie ab. Aber es gibt noch viele Landwirte, die meinen, das Feld wäre „sauberer“ und fruchtbarer, wenn es nach der Ernte abgebrannt wird. Sein Vater hat ihm beigebracht, niemals abzubrennen, sondern unterzupflügen und verrotten zu lassen.

Müll an den Straßen: die jeweilige Gemeinde (Municipio) ist für die Reinigung verantwortlich. Dort, wo das Geld nicht in dunklen Kanälen verschwindet, erfolgt das monatlich, aber nach einem Monat sieht es eigentlich wieder gleich aus. Das Problem sei die Bevölkerung selbst.

Wahlen: Claudia Sheinbaum wurde gemeinsame Kandidatin von TP, Morena und Verdes (Grüne), weil die Konservativen eine Frau aufgestellt haben und der amtierende Regierungschef (Morena Partei) nicht mehr antreten darf (das entsprechende Gesetz hat er selbst unterstützt). Sonst würde er vermutlich wiedergewählt, da er mehrheitlich weiterhin beliebt ist. Sheinbaum ist Mitglied der Grünen und sozusagen Kandidatin von seinen Gnaden, auch weil die Grünen seine Regierung immer loyal gestützt haben. Ökologische Themen spielen aber bei der Wahl kaum eine Rolle. Das Müllproblem wird gar nicht als solches wahrgenommen. Hauptthema der Grünen ist angeblich ein angestrebtes privates Abholzverbot, denn das sei derzeit das drängendere Umweltproblem, weil überwiegend mit selbst geschlagenen Holz auf offenen Feuern gekocht wird. Tja, man muss die Bevölkerung halt mitnehmen. Zu viel Veränderung auf einen Schlag geht halt nicht.

Das große Thema der Opposition, die Sicherheit in Mexiko, hänge gar nicht von der Regierung ab, sondern von den jeweiligen regionalen Drogenkartellen und deren Stabilität. In Oaxaca gäbe es z.B. auch nachts kaum Sicherheitsprobleme (er lässt seine Tochter auch nachts alleine in die Stadt), weil es einen  unangefochtenen Drogenboss gäbe, der für Sicherheit und Bestrafung sorge, wenn jemand etwas Unrechtes tut. Das weiß jeder und deshalb ist es sicher. Der Drogenboss werde von der Bevölkerung und den Unternehmern gestützt, weil er z.B. nicht – wie in anderen Bundesstaaten üblich – Schutzgelder erpresst und die Drogen (vor allem Crystal Meth) auch nicht im eigenen Bundesstaat verkauft, sondern nur außerhalb, er schadet also nicht der Bevölkerung vor Ort.

Das ist natürlich alles nur die Sicht einer einzelnen Person, aber trotzdem irgendwie ganz aufschlussreich.

Abends im Hotel nutzen wir sogar noch bei Dunkelheit den Pool und erhalten von einer Mutter mit Tochter  ein paar Tipps zu den Grenzübergängen. Im Hotelrestaurant probiert Viktor erstmals eine „Michelada“, ein beliebtes Biermischgetränk in Mexiko. Darin enthalten sind Bier, scharfe Tomatensoße mit Chili, Maggi und andere Köstlichkeiten. Serviert im Glas mit Salzrand und mit einem Esslöffel. Selbst löffelweise ist es nicht genießbar. Manch Spezialität wird dem europäischen Gaumen wohl auf ewig verschlossen bleiben. Und auch, wenn Viktor eigentlich nie etwas zurückgehen lassen will („Lieber den Magen verrenken, als dem Wirt etwas schenken“) leert er das Glas nicht.

Freitag, 24.5.24 – Tapachula

Wir bekommen Frühstück im Hotel und suchen dann der Wegbeschreibung einer Rezeptionistin folgend nach einem Waschsalon. Er solle gleich um die Ecke sein, aber auch nach mehrfachem Fragen und Umrunden des Häuserblocks finden wir nichts, bis irgendwann eine Frau ihren Laden öffnet, wir sie auch noch einmal fragen, und sie bestätigt, dass in dem Laden nebenan eine Wäscherei sei. Irgendwann würde sie auch öffnen. Als wir später noch einmal wiederkommen, ist sie wirklich geöffnet, und gegen einen kleinen Aufschlag macht die Dame unsere Wäsche zu heute nachmittag und bringt sie sogar ins Hotel. Als wir ihr sagen, dass man von aussen nicht erkennen kann, dass sie wäscht, meint sie, bald werde der Maler kommen (und dann die Bezeichnung und Öffnungszeiten anpinseln? – neu ist ihr Betrieb jedenfalls nicht). Sei`s drum … Hauptsache wir sind erstmal wieder sauber unterwegs.

Wir beschliessen, morgen den Grenzübergang in Talisman zu nehmen und holen uns bei der Touristeninformation in der Innenstadt auch noch die Bestätigung, dass man einfach dorthin fahren kann, am besten aber schon Quetzales dabei haben sollte. Also ziehen wir bei der CI Bank noch einmal Pesos, tragen sie zum Schalter, und bekommen nach einigem Warten die ersten 800 Guatemaltekischen Quetzales. Eine Einreiseerlaubnis für die CA-4 Staaten Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua (90 Tage insgesamt in diesen vier Ländern) werden wir wohl einfach beim Grenzübergang morgen bekommen, da brauchen wir uns vorab nicht zu kümmern.

Außerdem besuchen wir noch eine ziemlich modernde, schöne, und eine andere „schon“ 200 Jahre alte, nicht so schöne Kirche, laufen durch die Fußgängerzone, trinken Kaffee bzw. Schwarzen Tee (!) im Café Angeles und laufen bei Regen (der erste seit Beginn der Tour) zurück zum Hotel, um die kommenden Tage zu planen.

Die Besichtigung von nahegelegenen Maya-Ruinen und einer Kaffeeplantage in den Bergen ziehen wir kurz in Erwägung, aber alle diese mehrstündigen Touren starten morgens um 8 Uhr oder werden nur angeboten, wenn ein Kreuzfahrtschiff im nahegelegenen Hafen von Playa Linda liegt. Wir müssten also noch einen Tag dranhängen. Das ist es uns dann doch nicht wert. Wir kommen morgen auf dem Weg zur Grenze an einigen Pyramiden vorbei. Je nach Fitness und Wetter planen wir einen Abstecher.

Zur Planung: Wir wollen weiterhin morgens um 6 starten, um der schlimmsten Hitze (und ab jetzt auch dem nachmittäglichen Regen der Regenzeit in den Tropen) auszuweichen. Guatemala haben wir uns grob in sieben Etappen „aufgeteilt“, teilweise mit 600 Höhenmetern am Tag … es bleibt spannend. Morgen wollen wir kurz vor neun Uhr morgens am „Höhepunkt“ an der Grenze sein. Dort soll es ca. 2 Stunden dauern, um nach Guatemala einzureisen. Danach geht es nach Komoot-Plan noch 12 km und 130 Höhenmeter runter und wieder rauf bis zum Etappenziel.

Die Kontraste beim Rundgang in der Stadt sind wieder mal beeindruckend. Laute, farbige, quirlige Straßen und immer wieder stille Oasen wie die Kirchen oder das Café.

Und wieder erleben wir, dass auch völlig andere Maßstäbe bezüglich Gesundheits- und Arbeitsschutz ganz normal sein können. Unsere „Normalität“ ist auch nur eine von vielen:

Probelauf im Elektrofachgeschäft, die hier in Mexiko auch Mopeds aus mexikanischer Herstellung (Italika) verkaufen. Immerhin bei offener Türe, aus der die Abgas-Schwaden auf die Straße wabern.

Unsere potentielle Warmshowers-Gastgeberin rief zwar gestern kurz an und schickte uns den Standort für eine Übernachtung, aber wegen der Wäsche bleiben wir jetzt sowieso noch eine Nacht hier im Hotel. Eventuell telefonieren wir nochmal mit ihr, um uns ein paar Tipps für den Grenzübertritt und das Radfahren in Guatemala zu holen, aber übernachten werden wir dort wohl nicht mehr. Wir checken auch nochmal den Grenzübergang, den Darius Braun (Und Trotzdem, seine Route auf MyMaps) hier nach Guatemala genommen hat, und fühlen uns bestätigt.

Ach, und diese Fußgängerampel hat uns gestern schon beeindruckt:

Zuviel Vorbereitungszeit ist auch nicht gut. Jutta nimmt sich abends noch die Zeit, den Newsletter des Auswärtigen Amtes zu Guatemala zu lesen. Eigentlich hatten wir unsere Nervosität Dank klarem Plan schon mehr oder weniger komplett abgebaut, aber dann lesen wir dort, dass man seine Routenführung in Guatemala dem INGUAT mitteilen und im Falle von Bedenken um Sicherheitsbegleitung bitten sollte. Ja spinnen die denn alle? Also erstellen wir noch schnell eine GPX-Datei mit der geplanten Route und schicken sie per E-Mail an das INGUAT mit Kopie an das Auswärtige Amt. Vermutlich ist das völlig sinnlos, aber man weiß ja nie.

Samstag, 25.5.24 – Tapachula (Mexiko) – Pajapita (Guatemala)

Gesamt: 2.174,80 km

Wir kommen pünktlich um sechs im Hotel San Francisco los, obwohl wir das Tandem komplett wieder beladen müssen und sind erstaunt, wie viele Menschen am Samstag um diese frühe Uhrzeit schon auf den Strassen sind.

Am Stadtrand von Tapachula treffen wir auf ein paar Radfahrer, von denen uns einer anspricht und filmt. Er wundert sich ein bisschen, dass wir nur bis Melacatán fahren wollen, aber wir erklären ihm, dass es an der Grenze nach Guatemala wahrscheinlich sehr lange dauern wird. Wir halten kurz an und machen ein Gemeinschaftsfoto. Viktor bittet um die Bilder und gibt ihm die Handy-Nummer. Und wieder haben wir einen Kontakt und schon am Abend per WhatsApp eine Einladung in unser Gästezimmer ausgesprochen, falls es einen der Radler mal nach Berlin verschlagen sollte.

Vielen Dank für das Video an Roberto aus Tapachula

Beim letzten Oxxo auf unserer Reise, ein paar Meter vor der Grenze in Talisman, frühstücken wir und schieben um halb neun das Rad in Richtung Grenzübergang. Das Mexikanische Migrationsbüro ist schnell gefunden, die Dame am Schalter gibt uns den Ausreisestempel (und zeigt uns, dass wir doch – entgegen unserer Annahme – einen ganz schwachen Einreisestempel in Tijuana bekommen haben) und wundert sich, dass wir ein US-Amerikanisches Visum im Pass haben. Also erklärt Viktor auch ihr noch einmal unsere Geschichte vom „Overstay“ in 1998 …

Wir schieben das Tandem über eine Brücke, die in der Mitte zwei Grenzsteine auf der Brüstung hat – Mexico/Guatemala – und die voll von Straßenhändlern ist. Hinter der Brücke ist ein lautes Gewusel und auch alles voller Straßenstände, wir können kein Guatemaltekisches Migrationsbüro finden, aber ein netter Mexikaner, der auch zu Fuß unterwegs ist, zeigt uns den Weg, etwas weiter vorne und fast versteckt zwischen den ganzen Händlern und Geldwechslern. Wir geben unsere Pässe hin und bekommen den Einreisestempel mit 90 Tagen Aufenthaltserlaubnis in den vier Zentralamerikanischen Staaten Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua.

Das Ganze dauert keine 15 Minuten, und wir müssen auch nichts bezahlen, allen Horrorgeschichten im Netz zum Trotz! Und dann empfängt uns Guatemala erst einmal mit einer 13-%-igen Steigung, die wir schiebend überwinden, bevor wir uns wieder ans Radfahren machen. Wir fahren auf der Guatemala CA-2, die in einem unfassbaren Zustand ist …

… in einem unfassbar guten! Nach der MEX-200 wussten wir schon gar nicht mehr, wie zügig, einfach und entspannt man auf einer guten Asphaltdecke – ohne Slalomfahren um tiefe Schlaglöcher – vorankommen kann. Die CA-2 scheint erst vor Kurzem eine nagelneue Asphaltdecke erhalten zu haben. Als wir um viertel nach neun am geplanten Zielort Malacatán ankommen entscheiden wir uns schnell für eine Weiterfahrt. Selbst leichte Steigungen fühlen sich auf diesem Untergrund wie eine Ebene mit Rückenwind auf schlechter Straße an. Um diese frühe Tageszeit ist es bei leicht bedecktem Himmel selbst nahe 30 Grad auf dem Fahrrad noch erträglich. Die Vegetation ist saftig-grün, links und rechts der Straße zirpen die Insekten in teilweise undurchdringlichem grünen Dickicht, wir fahren nicht in der prallen Sonne, selbst wenn sie mal länger durch die Wolken scheint, denn immer wieder spenden große Mango- und Avocadobäume uns Schatten. Eine neue Palmart wird hier in Reih und Glied angebaut – kein Kokos – vielleicht Ölpalmen? Wie wir abends recherchieren, kommt der Name „Guatemala“ von Cuauhtemallan = indigen für „lugar de muchos árboles“ = „Ort der vielen Bäume“.

Die geschwindigkeits-reduzierenden Straßenelemente heißen jetzt nicht mehr „Reductores“ sondern „Tumulos“, nerven aber immer noch genauso. Sie sind hier außerdem steiler und manchmal auch höher. Einmal setzt Viktor kurz mit dem linken Pedal auf, ein anderes mal scheint unser Ständer aufzusetzen.

An der Rezeption in Malacatán, wo wir dann ja doch weiterfahren, werden wir noch gefragt, welchen Weg wir den nehmen würden, den schwül-heißen an der Küste entlang, wo 40°C und mehr auf uns warten oder den kalten und steilen über die Hochebene Guatemalas, wo Kälte von 0°C lauert. Nun ja, der Plan war eigentlich an der Küste entlang, aber irgendwie ohne unerträgliche Hitze. 😉

Auf der vom INGUAT zertifizierten Hotelliste suchen wir uns ein Hotel in elf Kilometern aus, fahren dann aber auch dort schwungvoll vorbei und landen schließlich 30 Kilometer weiter als geplant im Hotel Santa Fe in Pajapita. Das hat eine eigene Security (mit einer Art Pump-Gun), ist mit Stacheldrahtzaun gesichert, und hat einen erstaunlich hohen Standard, mit Pool, Restaurant, Bar… Wir scheinen Guatemala völlig unterschätzt zu haben! Und die Bevölkerung hier freut sich anscheinend noch mehr, uns zu sehen, als die US-Amerikaner oder Mexikaner: wir werden ebenfalls ständig rhythmisch angehupt, aber hier werden wir auch sehr häufig fotografiert oder gefilmt. Ein Lastwagenfahrer hält dreimal vor uns an, um auszusteigen und uns zu filmen! Viktor äußert schon Bedenken, ob er uns per Video bei den Banden ankündigen will, die laut Auswärtigem Amt in den nächsten Tagen auf uns lauern werden. Wir sehen die ganze Route über Polizisten am Straßenrand. Wir vermuten, dass unsere E-Mail an das INGUAT statt einer Eskorte jetzt einfach an den wichtigen Stellen Polizeischutz ausgelöst hat. 😉

Allerdings hören wir auch häufiger den Ruf „Gringo“, der aber schnell verstummt wenn Viktor auf Spanisch „Noooo, somos Alemanes!“ (Nein, wir sind Deutsche) antwortet.

Das erste Eis in Guatemala kauft Jutta in einem kleinen Laden am Strassenrand, und das einzige fruchtige Stieleis, das es gibt, entpuppt sich als Mango-Chili – etwas gewöhnungsbedürftig. Dafür ist der Frappé in der Pizzeria Venezia am heutigen Zielort Pajapita eine sehr positive Überraschung.

In Pajapita gehen wir einmal kurz durch den Ort und über den Markt. Auch hier hängt das Fleisch an Haken in der Sonne wie in Mexiko, es gibt verschiedene Bananensorten (frittierte Bananen sind hier ein Nationalgericht) , Mangos, riesengroße Avocados und – neu hinzugekommen – „Rambutan“ … eine Art Litschi.

Sonntag, 26.5.24 – Pajapita – San Sebastián (Retalhuleu)

Gesamt: 2.233,52 km

Der Tag beschert uns überraschend fast 1.000 Höhenmeter, obwohl Komoot 850 m vorhergesagt hatte. Na ja, das sind vermutlich Rundungsfehler. Und eine kleine Extrarunde durch Coatepeque auf der Suche nach einer Frühstücksmöglichkeit. Der Tag zieht sich jedenfalls in die wärmere Tageszeit ( 6 bis 13:15 Uhr) und die Höhenmeter machen uns dann doch ganz schön zu schaffen. Die Steigungen sind zwar nicht ganz so steil (wir schieben nur in Coatepec mal durch den Ort) aber sie ziehen sich über die gesamten 60 km und zermürben dann doch mit der Zeit. Der höchste Punkt lag über 700 m. Mit dem Klima kommen wir hier aber irgendwie besser klar als mit der trockenen Hitze in Mexiko. Die 30 Grad sind trotz hoher Luftfeuchtigkeit besser zu ertragen.

Feuchtwarm ist besser als trockene Hitze … vielleicht.

Die Extrarunde zum Frühstück lohnt sich aber, denn wir lernen den Unterschied zwischen „Platano“ und „Banano“. Wir essen Pfannkuchen (Panqueques) mit Banane und bestellen uns auch die frittierte Banane. Letztere wird aber aus „Platano“ gemacht während die Pfannkuchen von „Banano“-Stücken begleitet werden.

Irgendwann braucht Viktor wieder sein motivierendes Fruchteis und er kauft an einem Stand ein Eis am Stil (Paleta) von Salita, der gleichen Firma, die auch schon das Mangoeis mit Chili herstellt. Diesmal ist es „Mango verde con Pepita“. Schon der erste Biss verrät: Hier sind Sägespäne im Spiel (Gruß an Bärbel und Jürgen)! Die Verpackung verrät: Keine Sägespäne sondern gemahlene Kürbiskerne (und Salz) … Jutta wusste schon, warum sie kein Eis wollte. Am Abend finden wir im Einkaufszentrum heraus: Es gibt auch ganz normales Erdbeer und Kokos-Eis … na dann also morgen ….

Die Pepitas sind eine Spezialität und werden zu verschiedenen Obstsorten gegessen. In den U.S.A. lebende Guatemalteken betreiben einen großen Aufwand, um da ranzukommen:

Wir steigen mehr oder weniger versehentlich in einem Hotel ab, das nicht auf der Liste des INGUAT aufgeführt ist, aber als wir erstmal im Zimmer sind bleiben wir dann doch. Wir erhalten auf Nachfrage sogar ein zweites Handtuch, was für Ehepaare hier aber unüblich ist. Zum Schlafen holen wir sicherheitshalber unsere Innenschlafsäcke ins Zimmer, weil Spannbettlaken und Laken sich ständig verschieben und die Matratze freigeben.

Nach dem Nachmittagsregen gehen wir den guten Kilometer zu einem Einkaufzentrum und entscheiden uns für „Pollo Campero“, einer Guatemaltekischen Restaurant-Kette, die es seit 1971 gibt. Die Bedienungen sind bestens trainiert und rattern ihre auswendig gelernte Begrüßung am Tisch in einem Tempo herunter, dass selbst Viktor nichts versteht. Auch die Bitte nach einer langsameren Wiederholung bringt genau GAR NICHTS. Egal, wir bestellen eine Pizza und eine Art Salat-Bowl. Die halbwegs verständliche Nachfrage nach der Pizzagröße wird von einer Handbewegung begleitet, die eine Pizzagröße andeutet (ca. Untertassengröße). Das reicht Viktor nach dem Tag nie, also bestellt er „la grande“ … die Gr0ße. Ungläubig aufgerissene Augen bei der Bedienung! Sie fragt sicherheitshalber nochmal nach und Viktor bestätigt abermals. „Die Pizza kommt aber ohne Getränk“ (das verstehen wir sogar beide) … sie bietet also ein Getränk in „Pichel“-Größe an und Viktor sagt ja. Wir kennen den Pichel ja schon von der Frühstückskarte heute morgen, da waren es ca. 500 ml.

Als das Getränk kommt, gibt es folgende Reaktion:

Über die Pizza brauchen wir nicht weiter reden. Sie dient morgen noch zum Frühstück und Mittagessen.

Woche 7 (13.5.24 – 19.5.24) – Mazatlan bis Pinotepa National

Montag 13.5.24 – Mazatlan und Busfahrt nach Acapulco (Fortsetzung)

Gesamt: 1.686,98 km

Nach der vorherigen Nacht auf der Fähre können wir dieses Mal im Bus etwas besser schlafen. Die erste längere Pause, bei der wir auch aussteigen dürfen, um auf Toilette zu gehen und/oder etwas zu Essen oder Trinken zu kaufen, ist morgens um halb sechs, und wir entscheiden uns aufgrund der frühen Stunde dagegen. Ein Fehler, denn danach halten wir nur noch zum Aussteigen von Reisenden und dürfen den Bus nicht verlassen. Ein eigentlich angekündigtes WIFI gibt es nicht, und so zieht sich die Fahrt ziemlich in die Länge, und Juttas Füße schwellen immer mehr an. Im Laufe der Zeit wird klar, dass der Bus es wohl nicht bis 18:45 Uhr schaffen wird, zu eng sind die Serpentinen durch die Berge, zu voll die Städte der Haltestellen, und dann wird die Uhr auch noch eine Stunde vorgestellt. Der Busfahrer teilt uns mit, dass er nicht zu dem Busbahnhof, der auf unserem Ticket steht und in dessen unmittelbarer Nähe wir ein Hotel reserviert haben, fahren wird, sondern zu einem anderen (Papagayo). Wir überlegen, uns von einem Taxi zum Hotel eskortieren zu lassen, weil es bei der Ankunft schon dunkel sein wird und fragen uns, ob wir es wohl bis 22 Uhr dorthin schaffen, weil man später nicht ankommen darf. Glücklicherweise packen wir nach dem letzten Halt schon mal alle unsere Sachen wieder in unsere mit an Bord genommene Tasche, denn: keine 100 km vor dem Ziel platzt ein Reifen des Busses (unser Glücksbringer wirkt scheinbar nur bei Fahrradreifen)! Wir sehen kurz alle Felle davonschwimmen, aber innerhalb von einigen Minuten hält ein Reisebus einer anderen Busgesellschaft vor uns, und wir dürfen kurzerhand alle umsteigen – sogar das Tandem findet einen Stehplatz – und mit dieser Alternative sind wir gegen 21 Uhr in Acapulco – 24 Stunden nach (zumindest geplanter) Abfahrt. Und letztendlich mussten wir für den Transport des Tandems nicht einmal bezahlen!

Im Licht des Bahnhofs machen wir das Tandem wieder fahrtüchtig, das Licht geht erst nach dem zweiten Versuch (die beiden Kabelschuhe unter dem Stoker-Sitz hatten Kontakt und somit einen Kurzschluss), ist aber gerade ziemlich wichtig, und bei Dunkelheit radeln wir durch`s gefährliche Acapulco – glücklicherweise sind es auch vom des „falschen“ Busbahnhof nur gute zwei Kilometer, ein Großteil auf einer viel befahrenen Hauptverkehrsstraße.

Die Hoteladresse erreichen wir vor 22 Uhr, finden aber kein Hotel, suchen ringsum und müssen schließlich anrufen, damit jemand aus dem Haus kommt und uns reinlässt. Draußen dran steht eine Tortilleria statt eines Hotels – woher soll man das bitte schön wissen? Wir duschen und gehen ins Bett, ohne den morgigen Tag zu planen – einen Tag in Acapulco bleiben oder wieder auf`s Rad – die erste Etappe hat Komoot uns mit über 80 km vorgeschlagen?

Dienstag 14.5.24 – (027) – Acapulco – Alfredo V Bonfil (Acapulco)

30,96 km / Gesamt: 1.717,94 km

Nach dem Aufwachen haben wir beide die Idee, endlich wieder auf`s Rad zu steigen, aber vielleicht die über 80 km auf zwei Tage zu verteilen, gerade, weil wir uns hier sowohl an das Wetter gewöhnen als auch die Straßenverhältnisse erst einmal kennen lernen müssen. Mehrere Versuche, in Frage kommende Hotels erstmal zu kontaktieren, schlagen fehl, und so gehen wir erst einmal schön frühstücken nach einem kompletten Tag mit nur Zwieback und Käseimitat, auf Empfehlung des Hoteliers bei „100% Natural“ am Strand.

Als wir loskommen, ist es schon nach elf und ziemlich heiß, und gleich nach zwei Querstraßen ist die Straße gesperrt, alles voller Polizei, und wir sehen einen wahrscheinlich kurz vorher Ermordeten auf der gesperrten Straße liegen. Geht ja gut los! Viktor kauft sich neue Radfahrhandschuhe, da die alten wohl beim Umsteigen vom einen in den Ersatzbus abhanden gekommen sind.

Trotz des Toten und der ziemlich vollen und chaotischen Straßen fühlt es sich gut an, wieder radzufahren statt auf Fähren oder in Bussen zu sitzen, bis wir nach einigen Kilometern zu unserer heutigen langen Steigung kommen, erst einmal einen falschen Abzweig nehmen, daraufhin den ersten, langen Teil der Steigung auf der falschen Straßenseite schieben, bis wir irgendwann das Tandem über den bepflanzten Mittelstreifen tragen können und dann immer weiter schieben, schieben und nochmals schieben. Oben angekommen, sind die Trinkvorräte so gut wie aufgebraucht – es ist einfach sehr heiß hier. Ein Autofahrer (Bagoberto) hält an und spricht uns an, weil er selbst Radfahrer ist und uns in der harten Steigung gesehen hat. Wir fragen ihn nach einer Unterkunfts-Empfehlung für heute Abend, und er will einen Bruder im 350 km entfernten Puerto Escondido kontaktieren – also eher etwas für in ein paar Tagen, aber wir haben einen neuen WhatsApp-Kontakt – und Kontakte scheinen hier wichtig.

Bei der Abfahrt verpassen wir wieder einen Abzweig und nutzen die erreichte Zivilsisation dann aber für einen weiteren Oxxo-Besuch und neue kalte Getränke. Es ist kein wirklicher Umweg, und als wir wieder auf der angedachten Route ankommen, ist diese ziemlich bald mit Toren gesperrt. Wir fahren ein Stück zurück, die laut Karte alternative Straße ist mit Schranken und Security gesperrt, aber ein Passant rät uns, dort zu fahren und hat auch gleich einen Tipp für heute Abend zum Übernachten. Das Restaurant und Hotel La Orquidea, das man bei Google niemals als solches finden würde – da ist man quasi immer auf Straßenbekanntschaften angewiesen, wie es uns scheint.

Über einen richtigen Radweg ziemlich schlechter Qualität (auch eine Folge des Hurrikans? – sehr viele Gebäude sind auch noch beschädigt) erreichen wir Alfredo V Bonfil nach nur 30 Kilometern, springen noch kurz in den Pazifik und bekommen am Strand ein Abendessen, obwohl es schon nach fünf ist und sie eigentlich um fünf schließen. Nach Sonnenuntergang (19 Uhr) kehrt hier absolute Ruhe ein, ganz anders als z.B. im Norden von Baja California.

Der Hotelbesitzer, Julio, hat eine Wohnung in Texas und fährt alle 6 Monate die gesamte Strecke (über 3.000 km), um die texanischen Kennzeichen zu behalten (keine Ahnung, welchen Vorteil das hat). Viktor und er reden ein paar Minuten aneinander vorbei, als es um den Hurricane im Oktober 2023 geht, von dem sich hier alle noch erholen. Sein Hotel ist eines der ersten, das wieder betriebsbereit war. Er sagt immer, der Hurricane sei „Octubre 24“ gewesen. Viktor meint, wir seien doch jetzt erst im Jahr 2024 … oder ist schon 2025? … auf so einer Tour verliert man irgendwie das Gefühl für Kalender und Zeit. Es geht hin und her bis klar wird, Julio meint den 24. Oktober 2023, ein Datum, dass sich hier so eingbrannt hat wie weltweit der „September 11“.

Julio gibt uns noch einige Tipps für die Streckenführung der nächsten Tage, insbesondere für Abstecher zu schönen Stränden. Mal schauen, ob wir uns die Zeit nehmen können. Er gibt uns seine Telefonnummer und wir sollen ihn unbedingt kontaktieren, wenn wir Hilfe benötigen. Sein Bruder ist Chirurg (in Puerto Escondido?) und könnte uns ebenfalls notfalls helfen.

Eine Lehre von heute: von Security-Leuten nicht abschrecken lassen, die Strecke hinter der Schranke war wirklich schön, nicht viel befahren und vor allem sicher!

Mittwoch 15.5.24 – (028) – Alfredo V Bonfil (Acapulco) – San Marcos

49,94 km / Gesamt: 1.767,88 km

Sehr warm, man schwitzt schon, ohne etwas zu tun. Die ersten paar Kilometer fahren wir noch auf dem ziemlich holperigen, kaputten roten Radweg von gestern. Dann geht es von der Küste weg zur MEX-200, der Straßenbelag ist neu, schwarz.

Es herrscht ständig und überall ein unangenehmer Brandgeruch. Wir wissen nicht, ob das frische Brände sind und ob sie absichtlich gelegt wurden oder vielleicht durch die vielen weggeworfenen Flaschen und das fokussierte Sonnenlicht (Lupeneffekt?) ausgelöst wurden. Die Böschungen am Straßenrand sind oft schwarz herabgebrannt. Es kommt uns der Gedanke, ob eventuell auch Holzkohle mit den Bränden hergestellt wird, diese wird nämlich säckeweise am Straßenrand in den Orten verkauft. Es liegt unglaublich viel Müll entlang der Straßen und wir wissen, das wird Richtung Süden (Ecuador, Peru) noch viel schlimmer werden.

Irgendwo unterwegs ist eine Straßensperrung durch die Polizei: auf einer schnurgeraden Strecke mit Bordsteinen auf beiden Seiten liegt am Straßenrand ein umgekipptes Auto. Wir rätseln, wie das an diesem Ort passiert sein könnte: ist der Fahrer eingeschlafen, einer frei herumlaufenden Kuh (die gibt es hier ab und an) ausgewichen oder schlimmstenfalls erschossen worden? Wir werden es nicht erfahren!

Kurz hinter einer der hier sehr häufigen Kontrollstationen des Militärs hören wir beunruhigende Explosionen, die sich aber schnell als ein Feuerwerk herausstellen. Am helligten Tag in einer Gegend, in der es offensichtlich häufig brennt.

Wir kommen auch an einem lodernden Feuer am Straßenrand vorbei, wo ein Stapel Teerpappe (in Deutschland als Sondermüll besonders teuer zu entsorgen) vor sich hin brennt und schwarze Rauchschwaden über die Straße wabern lässt. Mehr als „Luftanhalten und schnell durchstrampeln“ fällt uns nicht ein.

Viktors Garmin-GPS-Uhr hat endgültig den Geist aufgegeben (Bluetooth kaputt). Vermutlich war das Aufladen mit einem Schnell-Ladegerät von UGREEN der Killer. Die Aufzeichnung unserer Tagesetappen erfolgt ab sofort mit dem Garmin-Edge, mit dem wir auch navigieren. Ein Besuch bei „Elektra“ in San Marcos liefert keinen Ersatz. Also muss wieder mal Amazon herhalten und wir hoffen beim Familientreffen in Costa Rica auf Anlieferung.

Wir kommen heute aufgrund der „kurzen“ Strecke früh an und checken im Hotel Aleman ein (nein, die Besitzer sind keine Deutschen, sie heißen nur so), sind aber trotzdem ziemlich erledigt und der Schweiß rinnt uns noch eine Weile einfach weiter nur so runter. Unser Zimmer (wir sind hier darauf aufmerksam gemacht worden, dass ein Doppelzimmer, welches wir bislang immer gebucht haben, für vier Personen ist – stimmt, es standen immer zwei Doppelbetten darin) hat einen äußerst strengen Geruch, der vom WC-Stein zu kommen scheint und fast unerträglich ist. Dafür haben wir hier in der Dusche kein Problem mit der richtigen Wassertemperatur – es gibt nur einen Hahn und das Wasser ist glücklicherweise einigermaßen warm. Wir duschen unsere Radfahrkleidung gleich mit und hängen sie an unserer aufgespannten Wäscheleine im Zimmer auf.

Keine Verwechselungsgefahr zwischen „Kalt“ und „Warm“

Warmes Essen gibt es am Tacostand am Straßenrand – am Nachmittag. Schon kurz vor dem Dunkelwerden trauen wir uns noch einmal auf die Straße, fragen im hiesigen „Elektra“ nach einem Garmin-Ersatz und bekommen beim Kauf von zwei Bananen für morgen eine lokale, kleine Mango geschenkt, die es abends noch mit Chips und Bier für Viktor auf dem Zimmer gibt.

Nach einem WhatsApp-Telefonat mit unserem jüngsten Sohn, Julius, wofür wir heute endlich mal Zeit haben, stellen wir fest, dass wir etwas Wichtiges klarzustellen haben: Wir haben für die Fährfahrt und die beiden Busfahrten keine tausende Dollar ausgegeben! Das Zeichen für den mexikanischen Peso sieht dem Dollarzeichen nur zum Verwechseln ähnlich. Die Preise auf den Fotos waren also keine Dollarpreise. Viktor rechnet hier immer grob „Null wegstreichen und dann halbieren“, um auf den Europreis umzurechnen (1:20). Jutta teilt durch 20. 😉

Zweite Klarstellung: Wie an diesem Eintrag erkennbar (Garmin-Dopplung) hat sich der Blog zu einem Gemeinschaftswerk entwickelt. Lasst Euch also nicht zu sehr von den wechselnden Blickwinkeln verwirren.

Keine US-Dollar!

Lehre des Tages: Neuer schwarzer Asphalt strahlt die Hitze besonders gut zurück.

Nachtrag aus der Nacht: Es war wohl doch nicht der „Duftstein“ für das WC, der den beißend-chemischen Geruch verursacht hat. Es riecht eher nach einem benzol-artigen Lösungsmitteldampf, der aus dem Ausfluss der Dusche aufzusteigen scheint, unter der Türe ins Zimmer kriecht und einem den Atem und den Schlaf raubt. Die nicht benötigte Bettdecke hilft kurzerhand bei der Abdichtung der Türe und es wird tatsächlich deutlich erträglicher.

Donnerstag 16.5.24 – (029) – San Marcos – Playa Ventura

72,26 km / Gesamt: 1.840,14 km

Wir nutzen erstmals die App iOverlander, mit der Weltenbummler aktuelle Infos zur Sicherheitslage, wilden Campingmöglichkeiten, Hotels u.s.w. austauschen und schreiben einen kurzen Beitrag zum Hotel Aleman und den Geruchsproblemen im Zimmer „Guadalajara“. Ansonsten war das Zimmer aber eigentlich geräumig und sauber.

Es gibt zum Abschied „Kaffee und Brot“ im Speiseraum des Hotels – kein Frühstück – und wir kommen schon kurz vor neun morgens los.

Mal ein kleiner Einschub zum morgendlichen Packen: Wir haben Kleidertaschen mit einem Fach für saubere Wäsche und einem Fach für dreckige. Eigentlich total praktisch. In Summe bleibt das Volumen der Packtasche dann immer gleich. Aber wann genau gilt auf so einer Radtour ein Kleidungsstück eigentlich als „dreckig“? Ist das bei einer langen Hose anders als bei einem T-Shirt? Die Entscheidung fällt jeden Morgen schwer.

„Praktische“ Packtasche

Nach knapp 20 km will Komoot uns von der MEX-200 wegleiten. Während Jutta den Straßenbelag dieser Nebenstraße inspiziert, spricht Viktor mit einer Frau mit Kind, die uns recht resolut verbietet, diese Strecke zu fahren – sie sei viel zu gefährlich („mucha gente mala“ – „viele böse Menschen“ … und das anscheinend schon morgens um 10 Uhr). Wir sollen auch auf der Hauptstraße immer nur dort stehenbleiben, wo Frauen in der Nähe sind. Männer seien viel zu gefährlich, wenn sie unter sich seien. Auf der Hauptstraße MEX-200 sei genug Militär unterwegs, um uns jederzeit zu Hilfe zu kommen. Hmmmm … ein hohes Sicherheitsgefühl ist irgendwie doch etwas anderes. Da Jutta den Straßenbelag ebenfalls als ungeeignet einstuft, ist die Entscheidung, auf der Hauptstraße zu bleiben, schnell getroffen.

Es wird immer wärmer, und es geht fortwährend rauf und runter, dafür ist die Qualität der Straße weit besser als vermutet (oft aber sehr schwarzer, sehr neuer Asphalt … siehe oben). Kurze Pause gegen 11 Uhr bei km 35 mit gekühlter Cola, aber in der Hitze. Um 13 Uhr in Copala (bei ca. 60 km) gibt es vor dem Oxxo eine Bank im Schatten mit etwas Wind – direkt an der Straße – und wir bleiben bis halb drei, um der Mittagshitze auszuweichen. Da uns schon länger kein Eis ausgegeben wurde ;-), müssen wir uns zur Abkühlung eines auf eigene Kosten gönnen.

„Paleta“ (Eis am Stiel) bei OXXO. Im Hintergrund die Abfahrtszeiten der Sammeltaxis.

Wir kaufen uns noch einen Cappucino aus dem OXXO-Kaffeeautomaten, ein Fehler, denn scheinbar haben doch nicht alle OXXOs den gleichen Kaffeeautomaten. „Damals“ in Baja California schmeckte der uns noch.

Dort auf der Bank reservieren wir auch per WhatsApp ein Hotel in Playa Ventura, welches bei iOverlander empfohlen wird. Die nur noch 12,5 km dorthin sind weiterhin immer auf und ab, und ziemlich verschwitzt kommen wir um kurz nach drei dort an. Das Zimmer ist sehr spartanisch, die Tür mit einem Vorhängeschloss verschlossen, und die Klimaanlage, die wir mitgebucht haben, muss angeblich von einer Mitarbeiterin eingeschaltet werden – es ist ziemlich heiss im Zimmer. Wir gehen als erstes in unseren Radfahr-Sachen kurz zur Abkühlung in den Pazifik, duschen daraufhin (anscheinend ist es hier normal, dass es nur einen Wasserhahn ohne Regler gibt), und fangen dann gleich wieder an zu schwitzen.

Wenn man solche Stromverteiler im Hausflur des Hotels sieht, macht man sich so seine Gedanken.

Also erst einmal ins hoteleigene „Restaurant“, bevor es schließt. Es gibt Reis mit Rührei und Weizen-Tortillas (speziell für uns), denn bei Viktor gibt es nach dem Sprung in den Pazifik erste Anzeichen von Montezumas Rache.

Wir müssen hier alles bar bezahlen, was jetzt immer häufiger wird (außer bei OXXO), je weiter wir in den Süden kommen. Das Wechselgeld kommt direkt aus der Kochschürze der Köchin/Bedienung/Rezeptionistin. Der Fischgeruch der Geldscheine wird auf dem Zimmer im Waschbecken mit der hier scheinbar in allen Hotels bereitliegenden Rosenseife entfernt …. oder übertüncht?

Nach dem Zahlen bekommen wir doch noch eine Fernbedienung für unsere Klimaanlage, aber leider ist der Chef immer noch nicht da, um uns das WIFI stundenweise zu verkaufen. Es ist halb acht, ehe wir ein Password bekommen und uns an dieses Update machen und bereits dunkel draußen. Unser Zimmer wird von einer einzelnen funzeligen Glühlampe erleuchtet, die vom Monitor unseres Laptops deutlich überstrahlt wird.

Lehren des Tages: iOverlander ist gut … aber man sollte den Aussagen nicht blind vertrauen. Vorsicht bei OXXO-Kaffeeautomaten.

So, und nun können wir mit Pazifikrauschen einschlafen und auf Montezumas Gnade hoffen, denn eigentlich haben wir uns für morgen 80 km vorgenommen, vorher gibt es keine Hotels und auf Campen haben wir derzeit irgendwie wirklich keine Lust. Warmshowers-Gastgeber sind hier sehr rar und erst in ein paar Tagen gibt es wieder Kandidaten.

Freitag 17.5.24 – (030) – Playa Ventura – Cuajinicuilapa

78,60 km / Gesamt: 1.918,74 km

Weil wir 80 km fahren müssen, verlassen wir das ohnehin nicht tolle Hotel schon morgens vor 8 Uhr, fragen sowohl Bauarbeiter von gegenüber als auch zwei Frauen aus dem Hotel, ob man wirklich weiter an der Küste fahren kann, weil Google und Komoot uns zurück, so wie wir gekommen sind, schicken wollen, und fahren daraufhin einfach weiter. Die Straße entpuppt sich als ziemlich neu, mit Laternen in der Mitte und überall Schildern, dass nur noch Restgrundstücke zu verkaufen sind. Der angeschlossene Radweg ist völlig kaputt und zugewachsen. Wahrscheinlich wollten sie hier Playa Ventura groß ausbauen, und dann ging das Geld aus oder der Hurricane hat das Vorhaben gedämpft.

Frühstück gibt es nach 15 km bei OXXO in Marquelia, fertig abgepackte Sandwiches, das sagt eigentlich alles. Es ist auch morgens um diese Zeit sehr heiß, die Mittagstemperatur soll laut App 38°C betragen, und wir radeln NIE im Schatten. Bis km 46 geht es stetig mehr bergauf als bergab, die Straße ist hier zwar ziemlich neu und gut, aber die Natur um uns herum ist recht langweilig, vielleicht abgesehen von den zahlreichen Mangobäumen voller Früchte. Wir planen, direkt nach der folgenden Abfahrt an einem Abzweig die Mittagspause einzulegen (natürlich wieder bei OXXO), und bevor wir unten ankommen, wird aus der neuen MEX-200 eine Großbaustelle, so dass wir zwar im Schatten, aber eingehüllt von Staub und Lärm der Caterpillars pausieren. Es gibt unter anderem einen „Berliner“, den Viktor morgens nicht liegenlassen konnte.

„Berlinesa de Avellana“ … eine Art süßes Brot mit einem Klecks Haselnusscreme

Zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass die nächsten über 20 km praktisch eine durchgängige Baustelle sind, wir schleichen eher als dass wir wirklich fahren, über teils Sandpisten, teils Schotter, teils noch fast heißen Teer und denken häufiger, wir hätten einen Platten, weil die Untergründe so verschieden sind und der heiße Teer so schwammig an den Reifen klebt. Immer wieder regeln mit Fahnen wedelnde Frauen die Weiterfahrt durch Engstellen. Jutta vorne bekommt den aufgewirbelten Staub besonders der vielen Lastwagen unmittelbar ins Gesicht geweht. Da denken wir, endlich keine Steigungen mehr, und dann das. Die Kilometer bis zum Ziel in Cuajinicuilapa ziehen sich in die Länge, immerhin fahren wir die letzten Kilometer auf schon fertiggestellter Straße, kurz vor Schluss werden Jutta von einem Bauarbeiter im Vorbeifahren zwei Mangos in die Hand gedrückt und um halb fünf fragen wir im Hotel Blejim nach einer Unterkunft. An der Rezeption werden wir sofort gefragt, ob wir nach Patagonien fahren, denn hier sind angeblich schon sehr viele Radler*innen auf dem Weg nach Südamerika untergekommen. Vor unserem Zimmerfenster steht… ein Mangobaum!

Am 2. Juni sind in Mexico Wahlen, und seitdem wir in Tijuana die Grenze überquert haben, begegnet uns der Wahlkampf: an Häuserwände, Mauern, Ruinen, auf Felsen – auf allen möglichen Flächen – sind die Namen der meist weiblichen Kandidat*innen aufgepinselt worden, Plakate gibt es gar nicht, eher noch Folien an z.B. Zäunen, Taxis, Geschäften. Und es fahren Autos durch die Gegend, die akustisch für den einen oder die andere werben. Ob nach der Wahl die ganzen angemalten Sachen übermalt werden, oder wird damit bis zum nächsten Wahlkampf gewartet? Besonders auffällig ist für uns Claudia Sheinbaum … „Mexico es Verde“ (Mexiko ist grün) … einmal wegen des deutsch klingenden Namens und natürlich wegen des grünen Widerspruchs, den wir am Straßenrand täglich erleben. Dazu hier noch zwei Kurzvideos:

Typischer Brand
Asche und Ruß

Dazu vielleicht noch eine kurze Erläuterung: Wir wollen Mexiko hier nicht irgendwie schlecht darstellen, und wir genießen das „Erfahren“, “ Erriechen“ und „Erschmecken“ der Kultur und Landschaft trotz aller Anstrengung bislang sehr. Die Umweltprobleme, die wir hier sehen, „erden“ uns auch ein wenig bezüglich der Anstrengungen, die wir zuhause unternehmen … Stichwort „Mülltrennung“ oder „Mobilität“. Wir wollen das Ganze aber auch realistisch darstellen, falls jemand von Euch mal auf die Idee kommen sollte, etwas Ähnliches zu unternehmen. Zum „Erriechen“ gehören nun mal auch die unschönen Gerüche … in letzter Zeit übrigens auch häufiger mal der Verwesungsgeruch von noch nicht ganz mumifizierten, überfahrenen Tieren am Straßenrand.

Nochmal zum Thema Verkehr hier in Mexico: es fahren sehr viele Taxis – Kleinwagen bis Kleinbus – auf meist festen Routen als Sammel-Taxis (wie wir morgen lernen: „Combis“), die an festen Punkten halten. Dort werden die Aussteigenden dann sehr oft von Motorrollern abgeholt – es gibt also echte „Mobilitätspunkte“, auch ohne S-Bahnhof. Die Autos (sowohl die privaten als auch die Taxis) sind meist mehr als voll besetzt, oft steigen sieben erwachsene Menschen aus einem Kleinwagen – und die meisten Mexikaner sind eher etwas fülliger. Und das bei diesen Temperaturen! Eins der häufigsten Autos ist der VW Käfer – der fährt und fährt und fährt immer noch, sogar als Taxi.

Samstag 18.5.24 – (031) – Cuajinicuilapa – Pinotepa Nacional

50,87 km / Gesamt: 1.969,61 km

Die einzige Sehenswürdigkeit von Cuajinicuilapa ist ein Museum über die „Blaxican Culture“ (Mexikaner afroamerikanischer Herkunft). Gestern war es schon geschlossen, heute wollen wir der Hitze mit einer kurzen Strecke ein Schnippchen schlagen, die wir schnell hinter uns bringen wollen. Wir sparen uns also die Kultur, und das Museum öffnet sowieso erst wieder am Montag.

Der Tag erfüllt einige Kriterien für einen Schei$tag. Wir nehmen uns nach dem gestrigen langen Tag eine kürzere Strecke von ca. 50 km vor, die wir auch von den Steigungen her für machbar halten. Der Plan ist, am frühen Nachmittag, wenn die richtige Hitze loslegt, bereits in Pinotepa National zu sein.

Wir kommen um 9 Uhr im Hotel los, eigentlich schon etwas spät, frühstücken wieder irgendwelche verpackten Sandwichs bei Oxxo, probieren es wieder mit einem Cappuccino, diesmal aus einer Maschine mit echten Bohnen, na ja, wieder entpuppt es sich als süße Plörre.

Schon die ersten Kilometer belehren uns eines Besseren. Wir überqueren die Grenze vom Bundestaat Guerrero nach Oaxaca (O-A-CHAKA ausgesprochen, mit dem CH von „Bach“). Die MEX-200 erfüllt nun endlich alle unsere enttäuschten Erwartungen der letzten Tage. Sie ist zweispurig ohne Randstreifen und hat Schlaglöcher, die einen VW Käfer verschlucken könnten … na gut … nicht ganz, aber für uns bedeutet es eine ziemliche Slalomfahrt, ständig auf der Hut, ein Schlagloch zu übersehen.

Die Temperaturen sind schon sehr früh ziemlich hoch.

Die gefühlten 41 °C können wir nur bestätigen. Wir sind außerdem nicht im Schatten unterwegs und haben einige Steigungen mit nur kurzen Abfahren zu bewältigen. Der Fahrtwind fühlt sich an, als würde einem ein heißer Fön ins Gesicht gehalten. Die Hitze ist sehr trocken und nach wenigen Atemzügen ist der Rachen schon völlig ausgetrocknet. Viktor versucht es in den Steigungen mit Nasenatmung (Tipp von Jutta) … jau … das reicht für ungefähr 10 Atemzüge.

Wie jeder Radfahrende weiß, ist gute Hydrierung des Körpers unter solchen Bedingungen sehr wichtig. Das Ganze funktioniert – da ist sie wieder die Physik – nur bis 40°C oder 41°C Außentemperatur wirklich gut. Irgendwann hat es sich dann halt erledigt mit der Verdunstungskälte vom Schwitzen.

Bei Kilometer 22 (MEX200 Kilometer 222) ist Viktor so überhitzt, das wir eine zweieinhalb-stündige Pause einlegen müssen (er prägt selber den Spruch: Kilometer 222 – Viktor Weichei). Ihm ist schwindelig, ein wenig schlecht, sieht nach einem Hitzschlag oder Sonnenstich aus. Die ältere Frau in dem „Kiosk“ verkauft uns nacheinander knapp 6 Liter Getränke – wahrscheinlich das Geschäft des Tages, in der ganzen Zeit kommt sonst nur ein Mann eine kleine Cola kaufen. Sie reicht uns sogar zwei Plastikhocker heraus, aber Viktor breitet lieber das Groundsheet unseres Zeltes auf dem Boden aus und liegt eine ganze Weile mit dem Kopf auf dem zusammengerollten Schlafsack. Mit einem Teil des gekühlten Trinkwassers kühlt er immer wieder den Kopf und den Körper ab, und als wir irgendwann weiterfahren, sagt Jutta alle fünf Kilometer Bescheid, damit Viktor sein Halstuch am Kopf und sein Oberteil immer wieder nass machen kann. Die zweite Hälfte ist nämlich auch noch die mit den größeren Steigungen, die wir, gerade auf dieser schlechten, engen Straße, häufig nur schiebend erklimmen können. Wir fragen uns, warum man sich so etwas antut, aber sehr viel überholende oder entgegenkommende Autos freuen sich, uns zu sehen, hupen, winken, filmen… Und es sind viele mit Menschen vollbeladene Pickups (hier gang und gäbe) dabei.

Erst um halb sechs kommen wir in Pinotepa an, fragen im erstbesten Hotel und können bleiben. Das Hotel Antonio hat einen richtig tollen Eingangsbereich, und wir dürfen nach anfänglichem Zögern der Mitarbeiterin das Tandem unter der großen Treppe nach oben unterstellen, die Alternative auf der Straße scheint uns nicht so sicher. Abendessen (wir haben seit dem Frühstück nichts gegessen aber eigentlich noch immer keinen Hunger) heute schon wieder bei Tacos Orientale im Nachbarhaus des Hotels.

Und zum Schluss für die Pfingsttage ein weiteres Bilderrätsel: Was ist das?

Sonntag 19.5.24 – Ruhetag in Pinotepa Nacional

Wir entscheiden uns, in Pinotepa Nacional einen Ruhtag einzulegen und uns gemeinsam zu überlegen, wie es jetzt genau weitergehen soll. Bei den Temperaturen und den anstehenden Steigungen schaffen wir unsere 60 bis 70 Kilometer pro Tag jedenfalls nicht, die wir in unserer Grobkalkulation mal angesetzt hatten.

Die zwei Kontakte der vergangenen Tage (Bagoberto, der in Acupulco anhielt, Julio vom Hotel La Orquidea) werden über WhatsApp kontaktiert, können uns aber auch nur raten, vorsichtig zu sein, der Hitze auszuweichen, aber aus Sicherheitsgründen auch weiterhin keinesfalls nachts zu fahren. Die Tipps bezüglich anderer Transportmittel, namentlich „Autobus“ und „Combis“, prüfen wir am zentralen Busbahnhof, an dem auch die „Combis“ abfahren. Unser Tandem passt auf die Ladefläche über der Fahrerkabine vielleicht ganz knapp drauf, wenn es ganz zusammenschoben ist. Mit einem dieser Combis könnten wir bis Puerto Escondido kommen, wo wir wieder näher am Meer und zwei bis drei Grad kühler unterwegs wären.

Mit einem Bus könnten wir bis Salina Cruz kommen, von wo wiederum Busse nach Tapachula, der Grenzstadt nach Guatemala, fahren.

Jedoch nehmen die Busse nur dann Fahrräder mit, wenn sie genug Platz im Laderaum haben. Wir könnten also tagelang auf den „richtigen“ Bus warten, der uns wirklich mitnimmt.

Wir entscheiden uns, morgen einen Versuch mit sehr früher Abfahrt gleich bei Sonnenaufgang zu unternehmen. Die Strecke bis Puerto Escondido teilen wir in drei Abschnitte auf (~40 km, ~ 50 km, ~ 50 km). Wenn das morgen klappen sollte, wollen wir es an den Folgetagen ähnlich machen.

Die Strecke nach Costa Rica schaffen wir aber bei dem Tempo definitv nicht bis zum geplanten Familientreffen Ende Juni. Wir werden also sicher nochmal eine Bus-Etappe und einen andern Transport benötigen. Jetzt ist inzwischen auch die Strecke ausgerechnet, die wir mit den zwei Bussen und der Fähre zurückgelegt haben: insgesamt 2.932,1 km – erschütternd, schon fast 1000 km mehr als mit dem Rad – bis jetzt, denn weitere Strecken werden dazu kommen (müssen).

Zum Frühstück finden wir ganz in der Nähe von Hotel und Busbahnhof in einem Einkaufszentrum das Cafe Aroma, in dem es einen guten Caffé Latte gibt. In einer der sehr zahlreichen Farmacias (Farmacias similares – die mit den günstigen Generika 🙂 )besorgen wir uns neues Magnesium und auch mal ein Multipräparat, weil unsere Ernährung hier doch recht ungesund ist. In der Sichtwahl stehen lauter bei uns verschreibungspflichtige Sachen, völlig unsortiert, aber die Nahrungsergänzung muss der Herr von hinten holen. Auf dem Tresen (ist eher Tresen als HV-Tisch – für alle Insider) steht ein Cube mit zwei Spritzen Clexane und zwei Spritzen Enoxaparin xxx inclusive dem Preisvergleich. Wir machen einen klimatisierten Einkaufsbummel, kaufen uns Microfasertücher zur Kopfkühlung, passende größere Radfahrhandschuhe für Viktor, weiße Schweißbänder für Juttas Griffe am Stoker-Sitz (blöderweise schwarz und immer heiß, wenn die Sonne draufknallt) und am Ende sogar bei „Elektra“ eine billige GPS-Smartwatch von Huawei (Watch Fit) als vorläufigen Ersatz für das defekte Garmin Vivoactive HR. Dessen Bezahlung gestaltet sich allerdings schwierig: die Mitarbeiterin am Telcel-Stand will Viktors Telefonnummer haben – da sie eine Deutsche nicht eingeben kann, schreibt sie eine fiktive auf einen Zettel, mit dem wir uns bei der Banco Azteka im selben Gebäude anstellen müssen – dort muss Viktor sich zusätzlich zu der „Telefonnummer“ identifizieren, der Ausweis ist aber im Hotel geblieben, ein Bild auf dem Handy hilft glücklicherweise – und dann braucht das Veriphone-Gerät der Bank mehrere Versuche, bis die Kartenzahlung klappt – wir gehen zurück zum Telcel-Stand, erzählen, dass bezahlt ist und bekommen die Uhr und die Quittung – das ganze dauert wohl 20 Minuten und ist in unseren Augen ein sehr eigenartiger Vorgang zum Bezahlen in einem großen Elektro-Laden . Bei Elektra bestaunen wir auch die schönen rosafarbenen Toplader-Waschmaschinen.

Den Rest des Tages „chillen“ wir im wahrsten Sinne des Wortes im klimatisierten Hotelzimmer, checken das Tandem durch (Ketten-Check, Brooks-Sattel nachfetten und nachspannen, auf lockere oder verlorene Schrauben prüfen, etc.), hören mal wieder „Lage der Nation“ für ein paar Neuigkeiten aus Deutschland und beschriften den zweiten Teil des Duschvorhangs in der Hoffnung auf ein paar kalte Getränke oder Mitnahme- und Unterkunftsangebote.

Beim Nachspannversuch des Brooks-Sattels dreht sich die Spannschraube mit der Mutter mit. Was ist das für´n Schrott? Ich denke das ist der beste Sattel, den man käuflich erwerben kann? Ein schneller Blick in ein Forum zeigt, dass viele Langzeitradler das gleiche Problem erlebt haben. Mit einer Rohrzange kann man es aber ganz einfach lösen. Blöd nur, das Jutta sich gegen die Mitnahme eine Rohrzange ausgesprochen hatte ;-). Der Leatherman tut es dann aber zum Glück auch.

Hier noch zwei Details für HASE Pino Tandem Fans:
1. Mit den Schwalbe Pickup Mänteln ist es extrem knapp an den Schutzblechen (Video 1)
2. Wenn der Rückstrahler unter dem Scheinwerfer vorne mal nach unten zeigen sollte: NICHT HOCHKLAPPEN ohne die Schraube zu lockern (Video 2)

Lösung des Rätsels:

Radfahren in Sandalen

Woche 6 (6.5.24 – 12.5.24) Ensenada bis Mazatlan

Montag 6.5.24 – (022) – Ensenada – Santo Tomás

42,13 km / Gesamt: 1.519,13 km

Wir sind gegen 7:30 Uhr alleine im Haus und nutzen die angebotene Küche für ein Frühstück. Nach längerem Kampf mit dem Wasserhahn, der zusätzlich zum Einhebel-Mischer noch einen Infrarot-Sensor hat, den wir nur einmal per Zufall aktivieren, können wir in der Mikrowelle Teewasser warm machen. Dazu gibt es Bagels mit Erdnussbutter und Nutella … wir müssen die alten Bestände mal verbrauchen, die wir schon solange herumfahren.

Tomas kommt vom Strandspaziergang mit den Hunden nach Hause und erklärt uns, dass das Wasser aus dem Hahn am Spülbecken nicht „potable“ ist, also kein Trinkwasser. Das Trinkwasser befindet sich in einem Wasserspender hinter einer Schranktüre. Er wünscht uns „viel Glück“ mit unserem Tee, den wir aber schon getrunken haben. Gut, auf die gewünschte zweite Tasse verzichten wir lieber.

Zu 9 Uhr fahren wir in einen von Tomas empfohlenen Fahrradladen (TNT), um dort nochmal nach passenden Schläuchen zu schauen. Wir finden zwei 26″ Schläuche mit französischem Ventil, auch wenn sie mit 2,125 knapp unter den 2,15 liegen, die auf unseren Schwalbe-Mänteln angegeben sind.

Außerdem lassen wir die Bremsbeläge kontrollieren (alles noch gut) und den Drehgriff der Rohloff-Schaltung ein wenig schmieren, da er anfing zu knarzen und etwas schwergängig wurde.

Ergänzung: Wie wir viel später herausfinden, sind das bereits die ersten Anzeichen für abgenutzte Schaltzüge, bei denen einzelne Litzen bereits gerissen sind. Die Schwergängigkeit hat absolut nichts mit dem Drehgriff zu tun.

Wir sind jetzt also wieder mit je zwei Ersatzschläuchen für vorne und hinten unterwegs. Die werden wir aber nicht mehr benötigen, denn seit zwei Tagen sind wir mit dem Glücksbringer unserer Zahnärztin sichtbar am Fahrrad angebracht unterwegs. Vermutlich hat der Frühstückstee auch nur wegen des Glücksbringers keine negativen Auswirkungen auf unsere Verdauungstrakte.

Wir erhalten morgens noch von Freunden eine WhatsApp-Nachricht mit einem Link, können diese aber erst am Abend nach der Tages-Etappe lesen. Hier noch für unsere spanische Leserschaft ein Link.

Zwei australische Surf-Touristen und ihr amerikanischer Freund sind in Baja California getötet worden. Tatsächlich übernachten wir zu unserer Überraschung genau in dem Ort, Santo Tomás, in dem das Ganze passiert ist. Im Restaurant erfahren wir von der Besitzerin, dass der Ort nun traurige Berühmtheit erlangt hat. Es sei wohl ein Raubüberfall gewesen, bei dem die „wertvollen“ Felgen des Mietwagens erpresst werden sollten. Die Touristen hatten weit abseits der Straße am Strand wild gecampt und sich wohl auch gegen den Überfall gewehrt.

Die durchgängige Empfehlung, die wir erhalten: nur tagsüber unterwegs sein, 1 bis 2 Stunden vor Sonnenuntergang eine Unterkunft erreichen, nicht wild campen (notfalls bei Privatleuten, Tankstellen, Restaurants oder Polizeistationen fragen, ob man sein Zelt dort aufschlagen darf), einsame Gegenden und Offroad eher meiden, in der Nähe der Hauptstraßen bleiben. Wir beherzigen alles, und mit unserem Tandem sind wir sowieso an halbwegs brauchbare Straßen gebunden.

Der Tag ist insgesamt weniger schlimm als erwartet, besonders die Straßenverhältnisse sind erträglich, auch wenn die Tiefe der Schläglöcher sich im Vergleich zu den USA nochmal verdoppelt hat. Aber die Luft stinkt nach Abgasen … es scheint so, als führen hier nur abgehalfterte Verbrenner aus den USA … am Straßenrand liegt so viel Müll, dass wir Kleintiere am Scheppern der Getränkedosen erkennen (aber sie nicht sehen). Dafür gibt es mehr Großtiere auf den Straßen. Wir haben schon Pferde, Schafe, Ziegen und Hühner an den unmöglichsten innerstädtischen Orten am Straßenrand stehen sehen. Es gibt sogar Parkplätze für Pferde.

Wir befinden uns jetzt auf der „Antigua Ruta del Vino“ und könnten – wenn die Stokerin Vertrauen in einen angetrunkenen Captain hätte – unterwegs einige Weinproben machen.

Heute ist der erste Tag im „neuen Modus“. Wir wissen Morgens noch nicht, wo wir Abends übernachten werden, weil die Hotels weder Webseiten noch Telefonnummern im Internet veröffentlichen. Eine Buchung per App ist erst recht nicht möglich. Wir peilen also einen Zielort an, der laut Google-Maps angeblich über Hotels verfügt (wenn möglich mehr als eines und zur Sicherheit noch einen Campingplatz) und dann schauen wir, was wir wirklich vorfinden. Immerhin sind die Rezensionen bei Google ganz hilfreich. Das erste Hotel lassen wir erstmal rechts liegen, da es dort im vergangenen Jahr zu Erlebnissen mit Kleintieren im Bett und Lebensmittelvergiftungen im Restaurant gekommen sein soll.

Das mit der Unterkunft klappt heute gut und wir kommen im Hotel „La Mision Santo Tomás“ gegenüber der katholischen Kirche unter. Hier ist es so sicher, dass wir nicht mal einen Zimmerschlüssel erhalten haben. Jutta dreht noch eine Runde im Pool, bevor es ins Zimmer geht.

Die Dusche im Zimmer ist das genaue Gegenteil zur gestrigen Dusche. Egal welchen Hahn man aufdreht, es kommt brüllend heißes Wasser heraus. Viktor vermutet, dass die mit „C“ und „H“ gekennzeichneten Hähne für „Caliente“ und „Hot“ stehen dürften.

Dienstag 7.5.24 – (023) – Santo Tomás – Arroyo Seco

70,64 km / Gesamt: 1.589,77 km

Vor dem Frühstück ist Jutta schon aktiv und beschriftet im Zimmer unseren Duschvorhang.

Wir sind dankbar für:
Transport –> LA PAZ
Unterkunft
Erfrischungen

Im Hotel kocht uns die nette „Herbergsmutter“ (74) Wasser für unseren Tee, den wir aus dem Camping-Silikon-Geschirr trinken. Wir kaufen zwei süße Teilchen und einen Mango-Saft für 52 Pesos (2,98€). Wir unterhalten uns ein wenig über ungesunde Nutella (die wir heute aufbrauchen) und die Nachfolge-Sorgen für ihr Hotel und den kleinen Laden. Die Kinder sind in der Stadt und nur eines hat „eventuell“ Interesse.

Zum Abschied möchte sie uns einen Becher als Souvenir schenken, den wir dankend mit der Begründung „zuviel Gepäck“ ablehnen. Stattdessen machen wir ein Erinnerungsfoto davon.

Wir nehmen uns einen etwas längeren Tag mit ordentlich Höhenmetern vor. Die ersten 11 km geht es bergauf und wir verdienen uns eine lange Abfahrt. Die Straße ist erstaunlich gut, der Verkehr überschaubar. Die Autofahrer und vor allem die Lastwagenfahrer überholen uns mit ausreichend Abstand oder bleiben mit Warnblinklicht hinter uns, bis sie überholen können. Wir hören viele aufmunternde Hupen, uns wird zugewunken oder durchs Beifahrerfenster zugerufen. Auf unseren Duschvorhang reagiert niemand, er flattert aber auch ziemlich im Wind. Da muss noch eine Lösung her.

Die Strecke geht ohne Meeresblick durch insgesamt noch grüne Hügellandschaften … oder sind das schon mittelgroße Berge? Die paar Orte die wir durchqueren haben links und rechts von der Hauptstraße nur Sandstraßen und Wege. Komoot will uns immer wieder hineinschicken, aber wir verzichten auf das Sand-Sightseeing.

In San Vicente machen wir Mittagspause und essen ausnahmsweise etwas warmes (Quesadillas und Pommes aus frischen Kartoffeln), eigentlich nur, weil es in dieser Gegend keinen Café Latte oder Eiskaffee gibt. Das zahlt sich aus, denn als wir nachmittags gegen 16 Uhr in Arroyo Seco im Hotel Sonora ankommen und gemeinsam mit unserem Tandem ein geräumiges Zimmer beziehen, ist das nächste Restaurant ein Stunde Fußweg oder 15 Minuten mit dem Rad entfernt. Wir beschließen die mittags gekauften Bananen als Abendessen anzusehen, sonst hätten wir ja schließlich gleich im nächsten Ort übernachten können. Stattdessen werden wir dort morgen ausgiebig frühstücken.

Nachmittags hat der Wind ziemlich gedreht und aufgefrischt. Da müssen wir mal genauer schauen, ob das hier immer so ist.

Außerdem überholen uns viele moderne und recht vertrauenserweckend aussehende Busse der Firma „abc“, Autobuses Baja California. Wir könnten uns vorstellen, demnächst mal einen Versuch zu unternehmen, unser Tandem in einem solchen mitzunehmen (z.B. nach La Paz). Auf der Webseite schließt das Unternehmen dies nicht aus, macht es aber vom jeweils vorhandenen Platz im Laderaum abhängig.

Auflösung von gestern: Es war ein …

Mittwoch 8.5.24 – (024) – Arroyo Seco – San Quintin

72,35 km / Gesamt: 1.662,12 km

Wir verlassen das Hotel Sonora (jemand am Kauf interessiert? – „Se Vende“ – „Zu Verkaufen“) um 8 Uhr, kaufen bei Oxxo in Colonet unsere Getränke für den Tag und lassen uns ein Frühstückslokal empfehlen. Es sieht noch sehr neu aus und die Besitzerin bestätigt, dass es erst 5 Jahre alt ist. Der Kaffee (es gibt wieder keinen Tee) besteht wieder aus Heißwasser, Nescafé- und Kaffeeweißer-Pulver. Aber die Huevos Rancheros, Burritos und Quesadillas sind frisch gemacht und gut.

Heute fahren wir aus den „Bergen“ bzw. der Hochebene wieder herunter und die Landschaft wird deutlich trockener. Die „Carretera Federal 1“ geht heute praktisch nur geradeaus, rechts und links blüht durchgängig die gleiche Pflanzenart, nämlich Kamille. Wir fragen uns, ob das der Grund für den beliebten Kamillentee (Manzanilla) ist – schwarzen Tee kann man hier jedenfalls nirgendwo bekommen.

Kurz vor unserer Mittagspause in Camalu bei km 35 macht sie einen Schlenker nach links und wieder nach rechts, und dann geht es schnurgerade weiter. Alle Orte an der Straße bestehen aus Sandwegen, auf die man beim Abbiegen praktisch „abstürzt“. Es scheint fast so, als hätte man über Jahrzehnte Asphaltschicht über Asphaltschicht auf der Hauptstraße aufgetragen. Der Abgrund nach rechts ist jedenfalls eine Herausforderung, wenn wir etwas eng überholt werden, was insgesamt selten passiert, aber in den Orten schon mal vorkommt.

Der Verkehr ist heute etwas stärker, besonders viele Busse aus San Quintin und Schulbusse sind unterwegs.

In San Quintin sind wir gegen 14:30, checken schnell im Hotel Rosa Evelyn ein (5 Zimmer und ein völlig leerer RV-Park) und versuchen dann unser Glück bei der nahegelegenen abc-Busstation. Die Mitarbeiter schauen sich dort unser unbepacktes Tandem an, wir erklären, wie klein wir es zusammenschieben können, und es wird tatsächlich akzeptiert (ohne Kartonverpackung). Wir werden sogar gefragt, ob wir gleich heute fahren wollen. Also kaufen wir zwei Tickets für morgen Abend und müssen (zunächst?) für das Rad nicht einmal extra zahlen. Der Bus fährt nach Aussage des Personals „zwischen 18 und 19 Uhr“, auf dem Ticket steht 17:50 Uhr. Jetzt müssen wir nur noch herausbekommen, wie spät es gerade ist, denn die Kassenbons von Busstation, Hotel, Supermarkt und Gesundheitszentrum (Viktor hat die Blutdruckmessung seiner Smartwatch für 20 Pesos kalibriert) zeigen unterschiedliche Zeiten an. Wir sind uns gerade nicht sicher, ob wir hier schon eine Zeitzone gewechselt haben könnten.

Abends planen wir noch die Strecke bis Costa Rica und stellen fest, dass wir wahrscheinlich bis Acapulco mit Bussen unterwegs sein müssen (falls die unser Tandem mitnehmen), um in der verbleibenden Zeit halbwegs bewältigbare Tagesstrecken (ca. 70 km, max 1.000 Höhenmeter) hinzubekommen.

Für die Planung des Sightseeing-Tages in San Quintin bleibt nach diesem Blog-Update wohl keine Zeit mehr …. oder haben wir vielleicht eine Stunde mehr heute … oder weniger … oder was? So … Abendessen … Brot und Käse im Hotelzimmer.

Donnerstag 9.5.24 – San Quintin – La Paz (Busfahrt)

Wir sitzen im abc-Bus nach La Paz und das Tandem steht aufrecht im Laderaum des Busses. Irgendwie schade, dass wir Baja nun nicht vollständig „erfahren“ werden, aber richtig traurig sind wir auch nicht darum. Irgendwo mussten wir die Zeit ja wieder reinholen, um die wir uns verschätzt hatten, und es war schnell klar, dass wir in Mexiko einige tausend Kilometer anders überbrücken werden, um unser Familientreffen in Costa Rica zu schaffen.

Wenn die Busse auch auf dem Festland so locker mit der Mitnahme des Tandems umgehen (und es morgen in La Paz auch wieder heil aus dem Laderaum hervorkommt), wird unsere Radtour vermutlich erst nächste Woche in Acapulco weitergehen, so jedenfalls der grobe Plan.

Die Busfahrt soll 18 Stunden dauern.

Den Tag in San Quintin verbringen wir mit den beiden Sehenswürdigkeiten des Ortes, der knapp 4.800 Einwohner haben soll (Stand 2010): Der Botanische Garten und die Alte Mühle. Ersterer liegt zwei Blöcke von unserem Hotel entfernt und ist in knapp 20 Minuten durchschritten. Er hat wirklich eher die Größe eines Gartens und eine nicht gerade kleine Fläche in der Mitte besteht aus Kies. Trotzdem lernen wir einiges über die verschiedenen Pflanzenarten und können Bienen an der „Hierba Santa“ beobachten. Das zugehörige Café mit echter Espressomaschine ist für uns wie eine kleine Oase.

Der ursprüngliche alte Kern von San Quintin ist die alte Mühle, die ca. 10 km entfernt an der Bucht von San Quintin liegt. Wir entscheiden uns gegen eine Fahrt mit dem Tandem auf den Staubstraßen und nehmen uns ein Taxi.

Vor Ort ist es wirklich schön, es gibt ein Museum über die Gründung des Ortes durch englische Siedler. Wir essen im Restaurant zu mittag (Tacos und Salat mit Shrimps) und die Bedienung erzählt davon, dass der Hafen damals Schutz vor den Piraten bot und der Weizenanbau angeblich nur zur Verschleierung des Golderz-Abbaus und Abtransportes nach England (durch die Behringstraße) betrieben wurde. Der Weizen wurde demnach in den Schiffen oben auf das Golderz geschüttet und die Piraten erkannten den Wert der Ladung nicht. Ob das wirklich stimmt, kann ja mal einer von Euch recherchieren.

Als wir die Toilette besuchen, stutzt der spanisch-sprachige von uns kurz, ob er die Toilette auch benutzen darf, aber mit gesundem Selbstbewusstsein schreitet er voran.

„Nur Gutaussehende“

Freitag 10.5.24 – Busfahrt und La Paz

Die Klimaanlage im Bus läuft auch die ganze Nacht auf Hochtouren, so dass wir schnell alles anhaben, was wir mit in die Kabine genommen haben. Bei einem Zwischenhalt am frühen morgen müssen aber auch die Schlafsäcke aus dem Laderaum her. Bei der Gelegenheit wird das Tandem auch nochmal mit einem Spanngurt gesichert. Bei einer Vollbremsung würde es sonst vermutlich durch den Laderaum fliegen und nicht unbeschädigt bleiben.

Bei Tageslicht genießen wir die Aussicht, gruseln uns vor den Steigungen, die wir nun nicht erklimmen müssen, und vor den schlechten Straßenverhältnissen. Gleichzeitig vermissen wir den direkten Kontakt zur Landschaft, besonders die Gerüche, die man im Bus nicht wahrnimmt. Na ja, Baja California hatte allerdings bis San Quintin weniger Orangenblüten und Eukalyptushain-Gerüche zu bieten, dafür mehr unverbrannten Sprit in den Autoabgasen und schwarzen Rauch von verbranntem Plastikmüll.

Der Bus erreicht La Paz nach 18 Stundes Fahrt am frühen Nachmittag, wir machen das Tandem wieder fahrtüchtig und nach einer kurzen Fahrt checken wir im Hostel Bermejo („Bermecho“ ausgesprochen, Bermejo = „tiefes Sonneruntergangs-Rot“) ein.

In der Mittagshitze laufen wir zum Büro der Baja Ferries, weil wir dort unsere Tickets kaufen wollen. Leider kommen wir dort nach der Schließzeit um 14 Uhr an. Ein Mitarbeiter, den wir draußen treffen, rät uns zur Online-Buchung. Wir finden auf der Webseite unter den Fahrzeugen die Option „Fahrrad“ nicht und buchen sicherheitshalber einen Motorrad-Platz. Das wird sich später als unnötig herausstellen (siehe unten). Unser nächster Sightseeing-Höhepunkt ist die Kathedrale, die sich aber als eine geringfügig größere Kirche herausstellt. Den Papst, der auf einem Kirchenfenster dargestellt wird, können wir nicht identifizieren, tippen aber auf Pius X. oder einen schlecht getroffenen Johannes Paul II. Die zugehörige Beschriftung im unteren Teil des Fensters ist leider zerbrochen.

Den Nachmittag und Abend verbringen wir an der Strandpromenade, gönnen uns ein gutes Abendessen und genießen den Sonnenuntergang.

Samstag 11.5.24 – (025) – La Paz und Fähre nach Mazatlan

18,85 km / Gesamt: 1.680,97 km

Wir stehen um 5:30 Uhr auf und verlassen das Hostel vor allen anderen, um eine Kajak-Tour in die Mangroven vor La Paz zu unternehmen. Andere interessante Aktivitäten, die für La Paz typisch sind, wie das Schwimmen mit Walhaien oder das Whalewatching haben leider gerade keine Saison. Auch Cabo San Lucas an der Südspitze von Baja California sparen wir uns, da das eine weitere Tagestour plus drei Tage Verzögerung der Weiterfahrt bedeutet hätte (die Fähre nach Mazatlan fährt nur samstags, dienstags und donnerstags).

Wegen des Niedrigwassers waten wir durch die Mangroven statt hindurchzupaddeln. Trotzdem interressant, drei der vier weltweit vertretenene Mangroven-Arten kennzulernen (schwarz, weiß und rot … gelb gibt es nur im Brackwasser)

Tandem im Kajak.

Rechtzeitig zum inkludierten Frühstück sind wir zurück im Hostel und können dank Wäscheservice eine Waschmaschine in Aufrag geben.

„Hot Cakes“ mit Banane und Apfel zum Frühstück im Hostel

Den Rest des Tages verbingen wir an der Strandpromenade, gönnen uns ein Eis und sprechen mit Deutsch-Studenten, die gerade ein Frühlingsfest vorbereiten.

Am Nachmittag brechen wir bei noch 34°C auf nach Pichilingue, 19 km nörlich von La Paz, wo die Fähre nach Mazatlan ablegt. Auf teilweise guten Radwegen, teilweise sehr schlechter Straße dürfen wir uns einige kürzere aber scharfe Steigungen hinaufkämpfen. Die trockenheiße Luft ist ziemlich herausfordernd. Am Hafen ist eine riesige, staubige Baustelle ohne jegliche Beschilderung. An der Einfahrt für Autos werden wir wieder einen Kilomter über die staubige Baustelle zurückgeschickt.

Beim Checkin stellen wir fest, dass Fahrräder viel günstiger mitgenommen werden als Motorräder und erfahren, dass sie zusammen mit den Haustieren (Mascotas) zur Kategorie „Sonstiges“, nicht etwa zu den Fahrzeugen („vehiculos“) zählen. Wir erhalten eine Gutschrift (Voucher), die wir aber nochmal per E-Mail einfordern müssen.

Dann dürfen wir unser Rad an Bord schieben, werden aber plötzlich getrennt. Viktor darf das Rad bei den Motorrädern abstellen und mit Spannriemen anbinden (falls es eine unruhige Überfahrt geben sollte). Es ist verboten, Decken und Schlafsäcke mit in die Passagier-„Salons“ zu nehmen. Jutta wird woanders langgeschickt, wird dann aber an der Rezeption/Ticketkontrolle festgehalten, da Viktor alle Tickets hat. Die geplante Mitnahme von Getränken und warmen Sachen aus den Radtaschen geht damit auch flöten.

Wir haben Plätze im Salon 3, anfangs scheinen sie wegen der vorhanden Beinfreiheit gut zu sein, in der nacht stellt sich aber heraus, das unsere Beine in den Türbereich hineinragen und jeder über unsere gestreckten Beine stolpern würde. Leider gehen ständig Leute ein und aus, so das wir so ziemlich die schlechtesten Plätze hatten.

In der Bar kaufen wir uns dann die nötigen Getränke (inklusive einer frisch gepressten Limonade) und finden erstaunlicherweise europäische Schuko-Steckdosen an der Wand. Die Fähre war früher in Italien unterwegs. Leider haben wir den Schuko-Adapter schon in einem Paket nach Deutschland geschickt, aber vermutlich war auf den Steckdosen eh keine Spannung. Um die wenigen Steckdosen gibt es jedenfalls Gerangel und WIFI gibt es „nur für den Kapitän“ (erfährt Jutta auf Nachfrage).

Sonntag 12.5.24 – Mazatlan und Busfahrt nach Acapulco

6,01 km / Gesamt: 1.686,98 km

Nach 14 Stunden Fährfahrt erreichen wir Mazatlan und warten nochmal eine Stunde bis wir nach allen Lastwagenfahrern von Bord gehen können. Wir werden wieder getrennt und wollen uns an der Rampe treffen. Dazu muss sich Jutta aber heftig gegen das Durchwinken wehren, dass sie von allen Seiten erfährt. Viktor kann erst nach allen Motorrädern den Laderaum mit dem Tandem verlassen.

Bei Ricos Café in Mazatlan an der Strandpromenade gibt es ein sehr gutes Frühstück und es ist ziemlich voll. Heute ist Muttertag und scheinbar sind viele Familien unterwegs.

Am Busbahnhof erkundigen wir uns nach Reisemöglichkeiten nach Acapulco und werden von einem Schalter zum anderen weiterverwiesen. Es gibt täglich mehrere Busse. Der heutige Bus um 17 Uhr hat nur noch einen Platz frei. Wir buchen nach kurzer Überlegung zwei Plätze um 21:00 Uhr, Ankunft in Acapulco um 18:45 Uhr, also nach knapp 22 Stunden Fahrt.

So können wir heute eventuell noch an den Strand fahren und dort duschen (nicht etwa „eine Dusche nehmen“ … denn das wäre Denglisch), verlieren aber in Mazatlan keinen weiteren Tag und sparen Unterkunftskosten. Die Sehenswürdigkeiten (höchstgelegener natürlicher Leuchturm Nordamerikas, ein noch im Bau befindliches Stadtviertel, Kathedrale und Observatorium) können wir uns tagsüber ja noch anschauen, wenn uns danach ist. Erstmal bleiben wir aber im klimatisierten Busbahnhof und nutzen das W-LAN für dieses Blog-Update.

Wir sparen uns aufgrund der Hitze doch sämtliches Sightseeing, versuchen stattdessen, irgendwo am Strand eine Dusche zu finden (leider ziemlich erfolglos), und entscheiden uns auch gegen eine Abkühlung im Pazifik, mit dem Wissen, das Salz hinterher nicht abgewaschen zu bekommen. Der Strand ist voller Menschen und alle paar Meter gibt es (auf dem Sand) Strandbars und -Cafes, außerdem spielen ebenfalls alle paar Meter Musikgruppen Livemusik der ähnlichen Art, aber unterschiedlicher Qualität. Wir finden kein Restaurant, wo wir – bei der Hitze- noch etwas essen mögen, also verpflegen wir uns bei einem Oxxo mit Zwieback, Käseimitat und Wasser für die Busfahrt und teilen uns schleißlich eine Dominos Pizza im Busbahnhof.

Da alle Reisenden durch eine „tolle“ Security müssen, passieren wir diese rechtzeitig mehrfach mit dem Tandem und den ganzen Taschen und wissen dann nur, dass der Bus am Terminal 6 bis 14 ankommen wird. Ein Mitarbeiter sagt, eher die 6, wir tragen alles dorthin, der Bus kommt um kurz nach 9 auch wirklich dort an, lässt Passagiere aussteigen und muss dann erst zur Buswäsche und zum Tanken. Um kurz vor 10 können alle einsteigen – dann aber am Terminal 12, also alles Gepäck wieder etappenweise dorthin tragen. Das Tandem wird leider nicht so gut stehend untergebracht wie auf der letzten Busfahrt, sondern irgendwie diagonal reingestopft, was uns etwas Sorge bereitet. Dafür werden uns (zumindest erst einmal) keine 600 Pesos für den Fahrradtransport abkassiert. Dann sitzen wir, mit Schlafsäcken und Kissen ausgerüstet, im Bus….

Woche 5 (29.4.24 – 5.5.24) Venice Beach bis Ensenada

Montag 29.4.24 – (016) – Venice Beach – Huntington Beach

Bild klickbar für Route

75,35 km / Gesamt: 1.156,48 km

Der Tag started nebelig, klart aber in der zweiten Hälfte auf.

Der mittlere Teil am Hafen von L.A. und durch Long Beach ist etwas stressig, aber sonst sehr schön immer am Meer entlang auf dem Strandradweg.

In einer Unterführung unter der 110 verpassen wir im dunklen Tunnel am rechten Fahrbahnrand nur knapp ein tiefes Schlagloch, in dem unser 20″ Vorderrad locker komplett verschwunden wäre. Viktor hat praktisch nichts gesehen, weil wir aus der strahlenden Sonne kamen und die selbst-tönende Sonnenbrille noch komplett dunkel war. In solchen Situation müssen wir noch langsamer fahren und doppelt aufpassen.

In der Unterführung unter der 110 hätte es uns fast in einem Schlagloch erwischt. Dabei bedeutet die blaue Linie an der Stelle, dass wir dort eher langsam unterwegs waren.

Wir übernachten im Best Western Surf City, da kein Warmshowers-Gastgeber antwortet. Abendessen gibt es bei einem echten Italiener in Fußweite. Endlich mal keine Burritos sondern Pasta und Salat.

Dienstag 30.4.24 – (017) – Huntington Beach – San Clemente

49,43 km / Gesamt: 1.205,91 km

Ein etwas kürzerer Tag, um ehemalige Arbeitskollegen zum Abendessen treffen zu können. Wir halten an mehreren Fahrradläden, weil wir einen 20″ Ersatzschlauch mit französischem Ventil brauchen. Die sind aber scheinbar sehr unüblich. Mit „Schrader“-Valve haben wir schon einen Schlauch, aber ob wir den durch die Ventilöffnung in der Felge bekommen würden ist noch nicht ganz klar. Am Ende haben wir noch keinen neuen Ersatzschlauch mit passendem Ventil, aber immerhin ein „Valve Core Tool“ mit dem man den Einsatz der französischen Ventile herausschrauben kann und eine Flasche „Slime“, um neue Schläuche mit der selbstdichtenden Flüssigkeit befüllen zu können, die uns in Baja California vor täglichen Plattfüßen bewahren soll.

Unterwegs machen wir mehrere Pausen und nutzen die Einladungen von Daryl F. und Joachim & Ursula M. für Frappucinos bei Starbucks und ein Nutella-Crepe.

Jeff K. (Ex-Computermotion) holt uns im Hotel ab und wir gehen mit seiner Frau und Diana L. (Ex-Computermotion) beim Thailänder essen, tauschen Erinnerungen aus und bringen uns auf den neuesten Stand der Dinge bezüglich Job und Familie – 23 Jahre nach unserem Wegzug.

Mittwoch 1.5.24 – (018) – San Clemente – San Diego (Ocean Beach)

Gesamt: 1.307,03 km

Anfangs ist es in San Clemente sehr bergig, aber dann geht es die ersten 25 km immer schön auf einem Radweg parallel zur Interstate No.5. Zum Glück hören wir auf entgegenkommende Radfahrer und nicht auf die Campingplatz-Rangerin, die uns zurückschicken und auf die Interstate umleiten will.

Am Camp Pendelton lässt man uns allerdings als Deutsche ohne Militärausweis nicht durchfahren und wir müssen dann doch noch auf die Interstate ausweichen. Auf dem Campingplatz erzählen uns Autofahrer, dass vor zwei Wochen deutsche Radfahrer vom Militär durch das Sperrgebiet gefahren wurden. Wir werden aber abgewiesen, ohne dass man uns einen alternativen Weg nach Oceanside nennen kann.

Ab Oceanside geht es dann auf den „Historic Highway 101“, weiter durch Carlsbad und Solana Beach (mit Gelato 101 Eispause) in die größte Steigung des Tages hinein (Torres Pines). Wir schaffen sie heute ohne zu schieben.

Wir brauchen etwas länger, weil wir an fast allen Fahrradläden anhalten und weiter nach 20″ Schläuchen mit französischem Ventil (hier „Presta Valve“ genannt) fragen (wir haben keinen neuen Ersatzschlauch für unser Vorderrad mehr, nur einen geflickten Schlauch). Aber wir haben keinen Erfolg. Als wir sie abends online bei Amazon bestellen wollen, stellen wir fest, dass es die von amerikanischen Herstellern nicht gibt. Scheinbar stellt nur Schwalbe die her. Die breiteren Autoventile („Schrader“) passen laut Dan von Pankerad nicht durch die Ventillöcher in den Felgen. Die müsste man dann extra aufbohren.

Hallo Barbie: Da haben wir doch schon mal etwas, das Du mit nach Costa Rica bringen kannst 🙂

Die letzten ca. 20 km sind eine lange Abfahrt, die an der UCSD (University of San Diego) beginnt und uns nach Ocean Beach herunterführt. Nach 98 km erreichen wir unser Ziel und sind offenbar im Ortszentrum von Ocean Beach angekommen … aber leider nicht an unserem Hostel „California Dreams“. Irgendwer hat morgens die falsche Adresse bei Komoot eingegeben. Aber Schuld ist natürlich die Navigatorin 😉

Zum Glück sind es nur 2,9 km bis zum Hostel. Da haben wir schon Schlimmeres erlebt.

Abends gönnen wir uns ein Essen beim Italiener um die Ecke, den wir aber lange suchen müssen, weil er seinen Namen hinter einem Sonnerschirm versteckt hält.

Donnerstag 2.5.24 – San Diego (Ocean Beach)

„Ruhetag“ in San Diego. Wir nutzen den Tag zur Planung der ersten Woche in Baja California, besorgen uns Dollarreserven bei der Bank of America, nutzen einen Coin-Laundromat, der uns 80 Quarters (25 Cent – Münzen) beschert, von denen wir nur 18 fürs Waschen und Trocknen benötigen. Wir versuchen Fahrradkarten von Baja California bei Barnes & Nobles zu kaufen, finden aber nur unbrauchbare Auto-Straßenkarten mit riesigem Maßstab. Wir werden uns also auf MAPS.ME und die Offline-Karten verlassen müssen, wenn wir in BAJA ohne Netzabdeckung irgendwo stranden sollten.

Die letzte Chance auf einen Burger bei IN-N-OUT kann Viktor auch noch nutzen. Der nette Daniel an der Kasse akzeptiert unser gesamtes Kleingeld, obwohl uns sogar 20 Cent fehlen. Alle Quarter wieder losgeworden … jedes Gramm zählt 🙂

Wir beginnen auch mit der Planung für Festland-Mexiko, denn da werden wir wohl ein paar tausend Kilometer überbrücken müssen, um rechtzeitig in Costa Rica zu sein, wo wir uns mit der Familie treffen wollen. Vermutlich werden wir von Mazatlán (Sinaloa) bis Puerto Escondido (Oaxaca) mit Bussen fahren und unser Tandem entweder mitnehmen (riskant, abhängig vom guten Willen der Busfahrer) oder per Fracht (uShip?) versenden.

Zum Abendessen gibt es etwas Selbstgekochtes (Buitoni) im Hostel bei Reggae-Dauerberieselung (Legalize it! I shot the Sheriff … sogar eine Reggae-Version von „Rivers of Babylon“).

An der vom Hostel angebotenen Karaoke-Night nehmen wir lieber nicht Teil und ziehen uns auf unser gemütliches Privatzimmer mit zwei Einzelbetten zurück, während die letzten Flieger über dem Hostel durchstarten.

Am Abend kommt tatsächlich die E-Mail von Amazon, dass unsere bestellten Schläuche am Amazon-Locker zur Abholung bereitliegen. Es fällt schwer, es zuzugeben, aber Amazon schafft damit etwas, was keiner der Fahrradläden auf den letzen 200 km bieten konnte. Wir sind keine Amazon-Fans und sehr traurig darüber, dass gute Buchläden „dank“ Amazon aussterben, von den Arbeitsbedingungen in Amazon-Lagern weltweit ganz zu schweigen. Aber diese Lieferung rettet uns dann doch ein wenig den Schlaf.

Freitag 3.5.24 – (019) – San Diego (Ocean Beach) – Rosarito

Gesamt: 1.383,95 km

Von unserem Hostel geht es zunächst am Flughafen entlang, durch marinanahe Gewerbegebiete und am Ende ganz kurz über einen küstennahen Radweg. Auf dieser Strecke dokumentieren wir ein letztes Mal die Tiefe der U.S.-Amerikanischen Schlaglöcher.

Kurz vor der mexikanischen Grenze trinken wir unseren letzten kalifornischen Café Latte in einem reinen Drive-Thru-Starbucks ohne Sitzplätze oder Toilette.

Dann ordnen wir uns mit unserem Tandem in die Autoschlangen ein, denn wir haben gelesen und gehört, dass man mit Fahrrädern durch ein Fußgänger-Drehkreuz („Personenvereinzelungsanlage“) geleitet wird und man dort sein Rad senkrecht auf das Hinterrad stellen soll, um durchzukommen. Wir halten das mit unserem Tandem für physikalisch unmöglich. Im Gewimmel fragen wir eine Autofahrerin durchs Seitenfenster und sie rät uns, nach ganz rechts außen zu „Autodeclaración“ zu fahren, dort scheinen Sonderfälle behandelt zu werden.

Wir stellen uns also zunächst beim Schalter für die Zoll-Deklaration an, können dann aber gleich vor zur Passkontrolle, wo wir die Einreiseformulare erhalten, die wir ausfüllen müssen. Wir achten besonders auf die 180 Tage Aufenthalt, denn 7 Tage reichen uns für die Durchreise durch Mexiko definitiv nicht. Nach der Kontrolle des Formulars müssen wir an den Kassenschalter und 2 x 717 Pesos (~ 2 x 40 Euro) für die längere Aufenthaltserlaubnis zahlen. Wir erhalten einen kleinen Zusatzzettel mit Datumsstempel, den wir unbedingt aufbewahren müssen. Als wir unsere Pässe kontrollieren stellen wir fest: Kein einziger Stempel drin! Wie enttäuschend. Weder bei der Einreise in die USA noch bei der Einreise nach Mexiko haben wir einen Stempel direkt im Pass erhalten. Ob das alles so seine Richtigkeit hat, wissen wir nicht. (Viel später entdecken wir allerdings doch noch einen kaum sichtbaren Einreisestempel – da sind wir schon ein paar Länder weiter.)

Dann dürfen wir unser Fahrrad in die Haupthalle zur Gepäckdurchleuchtung schieben. Alle Raddtaschen müssen einzeln durch das Röntgengerät. Unser Tandem dürfen wir links vorbeischieben und wir selbst müssen auch nicht durch die Metalldetektoren. Dann werden alle Taschen wieder angebracht und wir schieben das Tandem über die Rollstuhl-Rampen. Wir landen ….. vor einem Fußgänger-Drehkreuz (siehe oben). Zum Glück wird uns aber daneben ein Tor geöffnet, durch das wir endgültig mexikanischen Boden betreten.

Auf den Ratschlag unserer Warmshowers-Gastgeberin, mit der wir seit Tagen per WhatsApp in Kontakt sind, nehmen wir die Straße nach Playas de Tijuana und nicht die von Komoot vorgeschlagene Route. Zunächst fahren wir im Stau zwischen den Autos mit, später werden wir jedoch in einer ewig langen Baustelle an den Grenzanlagen entlang zum echten Verkehrshindernis. Die Mexikaner nehmen es erstaunlich locker, wir hören keine einzige bösgemeinte Hupe, ein paar hupen und winken freundlich aufmunternd.

Nach einer kurzen Abfahrt auf einer 4-spurigen Autobahn müssten wir eigentlich irgendwie auf die linken zwei Spuren, aber der Verkehr macht es uns unmöglich. Wir warten 5 Minuten auf eine Lücke, aber es ist sinnlos. Also fahren wir nach Playas de Tijuana ab. Nach drei Kilometern fragen wir an einer Chevron-Tankstelle einen Tankwart (ja, die gibt es hier noch), ob wir geradeaus weiter nach Rosarito kommen. „Im Prinzip ja“ ist die Antwort, wir müssten nur an einer Stelle unser Gepäck und das Tandem über einen brusthohen Zaun heben und hinübersteigen. Die Physik schlägt uns wieder …

Der Tankwart schafft es selbst mit dem Auto oft nicht auf die linken Spuren und erzählt uns, dass er dann einfach abfährt, umdreht und die Auffahrt benutzt … verdammt … da hätten wir auch selbst drauf kommen können, schließlich haben wir das in den U.S.A. auch an jeder Ausfahrt machen müssen (also theoretisch …). Jutta hat während er das erzählt und sie wenig von dem versteht, was er sagt, den gleichen Geistesblitz. Wir drehen also um, nutzen die Auffahrt und sind dann auch bald an der Mautstation, wo wir auf eine Art erhöhten „Bürgersteig“ gewunken werden. Dann dürfen wir – ohne zu zahlen – einfach passieren. „No cobramos“ … wir kassieren nicht, sagt uns der Mitarbeiter noch … na ja, wie auch, wir dürfen da ja eigentlich gar nicht lang.

Nach 25 km Autobahn erreichen wir Rosarito. Unsere Warmshowers-Gastgeberin (in der Gegend bekannt unter dem Namen „Madre Tierra“ – Mutter Erde) ist noch in Tijuana und kommt erst spät heim. Wir essen schnell Fast Food, werden dann von Google über eine Fußgängerbrücke mit langer Rampe ohne Geländer geleitet und kommen „von hinten durch die Brust ins Auge“ über Schotterwege am verschlossenen Grundstückstor an, hinter dem zwei angeblich friedliche Katzen in einem Garten warten, in dem wir unser Zelt aufschlagen dürfen. Nach mehreren Versuchen schaffen wir es, das typisch amerikanische MASTER-LOCK (Zahlenschloss mit Drehknopf wie bei den alten Tresoren im Film) mit der Zahlenkombination zu öffnen, die wir erhalten haben.

Die WhatsApp-Sprachnachricht mit den Hinweisen zu WC und Dusche (auf dem Nachbargrundstück) erreicht uns leider erst am nächsten Morgen. Es geht also wieder ungeduscht in die Schlafsäcke. In direkter Nachbarschaft hören wir bereits einen Soundcheck „Un – Dos – Un – Dos“ und haben dann bis ein Uhr nachts das Vergnügen einer Band zuzuhören, die, laut Aussage unserer Gastgeberin am nächsten Morgen, vor drei Personen gespielt hat, aber dafür sehr laut und mit schiefem Gesang. Wir hatten uns schon gewundert, dass wir nach den einzelnen Stücken keinen Applaus hören konnten.

Samstag 4.5.24 – (020) – Rosarito – Alisitos

Gesamt: 1.422,34 km

Wir wollen schon fast aufbrechen, da kommt unsere Gastgeberin aus ihrem großen wohnmobilartigen Zuhause in den Garten und gibt uns noch einige Tipps zu Baja California. Dabei rät sie uns dringend zu einer Route von Ensenada über San Felipe an der Ostküste von BAJA. Dort sei viel weniger Verkehr, weniger lebensgefährliche Schlaglöcher („Zitat“), weniger Hunde, wärmeres Wetter und die Route sei viel schöner, da sie häufiger direkt am Meer entlang führt. Allerdings gäbe es auch weniger Orte, weniger Verpflegungsmöglichkeiten, es sei „Desierto“ (Wüste) und man müsse mit dem Wasser genauer planen. Oh je … wieder so eine Entscheidung.

„Madre Tierra“ mit vielen guten Tipps zu Baja California

Wir hoffen auf eine Zweitmeinung in Ensenada, bei unseren nächsten Warmshowers-Gastgebern.

Zum Frühstück setzen wir uns in ein „Carnitas la Huacana“ und bestellen uns irgend etwas mit Ei und Mais-Chips (Chilaquiles). Wir entscheiden uns für die weniger scharfe rote Version. Die Bohnen und der Reis überraschen uns ebenso wie ein großer Teller an verschiedenen Gemüsen (Radieschen, Peperonis, Zwiebeln, usw), mit dem wir nicht so richtig etwas anzufangen wissen. Tee gibt es nur als Eistee, der Kaffee ist ein Styroporbecher heißes Wasser und ein Tablett mit verschiedenen Nescafe-Pulvern.

Dann geht es in einen Supermarkt zum Geld abheben, Einkaufen und Zähneputzen auf der Kundentoilette.

Danach geht es für den Rest des Tages wieder auf die Autobahn 1D, wieder werden wir an der Mautstelle auf einen noch höheren „Bürgersteig“ gewunken, auf den wir das vollbepackte Tandem kaum hochgewuchtet bekommen, aber auch hier werden wir einfach durchgewunken. Erst an einer gefährlich engen Baustelle halten wir den Verkehr wieder gehörig auf und ein Aufpasser schimpft uns aus, spricht von Unfallgefahren, kann uns aber auch nicht mehr auf die benachbarte Hauptstraße rüberbekommen, die wir eigentlich nehmen müssten. Diese ist ebenfalls vierspurig, hat aber überhaupt keinen Standstreifen, und unsere Warmshowers-Gastgeberin hielt sie für gefährlicher als die Autobahn.

Und dann kommt halt noch der Nagel. Irgend etwas macht „Plopp“ und „Ratter-Ratter-Ratter-Ratter“, wir bremsen schnell ab und dürfen einmal wieder das Hinterrad ausbauen. Mit den Tipps von Tom aus Santa Barbara geht das schon viel schneller und ohne das Tandem auf den Kopf stellen zu müssen. Das Loch ist so groß, dass die Dichtflüssigkeit keine Chance hat, ihre Funktion zu erfüllen. Auch der Mantel hat ein ordenliches Loch abbekommen. Wir wechseln den Schlauch, und auch das Loch im Mantel bekommt von innen eine kleine Extrafüllung mit einem Flickzeug für schlauchlose Reifen, das beim Crankbrothers-Werkzeug mit dabei war. Keine Ahnung, ob das eine gute Idee ist, aber wir stimmen ab und es geht 2:0 dafür aus. Wir hinterlassen an der Stelle an der Leitplanke noch eine Erinnerung und den Nagel.

Nach 15 weiteren Kilmetern kommen wir im Hotel „Poco Cielo“ (ein Stückchen Himmel) an. Wir haben ein Upgrade erhalten, haben vom „Portwein“-Zimmer einen wunderschönen Blick aufs Meer (und ein paar Surfer) und können heute vermutlich mit Wellenrauschen einschlafen.

Unser Zimmer befindet sich im zweiten Stock und ist über eine Wendeltreppe zu erreichen, die überwiegend aus Rost zu bestehen scheint.

Das mit dem Wellenrauschen wird dann doch ein wenig später, denn im Erdgeschoss spielt eine Band – wieder sehr laut – aber diesmal gut. Alte Rock- und Pop-Stücke aus den 80ern und 90ern (wir haben was von Journey erkannt). Sie hören zum Glück deutlich vor Mitternacht auf.

Sonntag 5.5.24 – (021) – Alisitos – Ensenada

Gesamt: 1.477,00 km

Morgens entdecken wir unerwartet Regen vor dem Fenster. Alle Wetter-Apps sagen, dass es nicht regnet. Wir lassen uns Zeit, frühstücken in Ruhe und es klart auf. Es ist der letzte Tag auf der Maut-Autobahn nach Ensenada. Wir müssen nun entscheiden: Weiter über San Felipe (schöner, steiler, weniger Verkehr, weniger Orte, weniger Unterkünfte, weniger Mobilnetz, schönerer Meerblick, weniger nervige Hunde, angeblich auch weniger Schlaglöcher) oder direkt südwärts Richtung San Quintin (mehr Verkehr, mehr Unterkünfte, mehr Mobilnetz, mehr Orte, mehr Fahrradläden, kein Meerblick).

Auf großer Karte die beiden Alternativen

Wir fahren wieder den ganzen Tag auf der Maut-Autobahn, nur die letzten 10km gehen dann über die Mex-1 (nicht 1D), also die „Libre“, auf der auch Fahrräder erlaubt sind.

Es gibt teilweise auch Radstreifen und Radwege, so wie hier:

Radweg am Strandboulevard in Ensenada

Wir sind wieder bei einem Warmshowers-Gastgeber, wissen aber nicht, wann wir dort ankommen können. Unsere Nachrichten liest er leider nicht, denn er befindet sich – wie wir später erfahren – auf einer 13-stündigen Autofahrt von El Paso (Texas) nach Ensenada. Also verbringen wir den Nachmittag im Ortskern, trinken bei einem „echten“ Italiener Café Latte und essen Tiramisu, später suchen wir in einer Shopping Mall in der Nähe des Warmshowers-Gastgebers vergeblich nach passenden Ersatzschläuchen für unser Hinterrad und kaufen uns einen Duschvorhang.

Duschvorhang? Ja, wir wollen ein „Schild“ hinten am Fahrrad anbringen, auf dem wir uns für Mitnahme (Richtung La Paz), Unterkunft und Getränke interessiert zeigen. Sonst wird das nichts mehr mit dem Familientreffen in Costa Rica.

Um 19:00 beschließen wir auch ohne weitere Nachricht vom Gastgeber, den Zielort anzufahren. Leider haben wir wieder einmal keine genaue Adresse, nur die Straße ohne Hausnummer und einen Pin auf der Warmshowers-Karte. Aber das Haus ist schnell erkannt, denn der Hausherr ist im Wand- und Bodenkeramik-Geschäft und hat es mit einem Mosaik verschönert. Außerdem steht vor dem Haus ein Schild mit den Entfernungen nach Ushuaia, zum Nordpol, nach Rom und einigen anderen Orten.

Frau und Tochter sind zum Glück schon zuhause und lassen uns ein. Wir bekommen ein kleines Zimmer mit Duschbad im Hinterhof und sind bereits ihre 371-sten Warmshowers-Besucher in 15 Jahren. Jutta bekommt leider nur eine kalte Dusche ab (viel besser als gar keine Dusche), weil die Armatur offenbar anders angeschlossen ist als alle anderen, die wir bisher hatten: hier ist das Wasser nur warm, wenn man möglichst wenig am Hebel dreht. Die Toilettenspülung läuft durch und muss mit einem Extrahahn abgedreht werden. Aber es ist schön ruhig … kein Konzert zu hören.

Wir holen uns beim inwischen zurückgekehrten Gastgeber noch die erhoffte Zweitmeinung zur Route und entscheiden uns dann doch für die weniger schöne, belebtere, aber auch mit mehr Unterkunfts- und Einkaufsmöglichkeiten „gesegnete“ Strecke direkt Richtung Süden nach San Quintin. Das mit dem wilden Campen ist nicht so unser Ding und scheint derzeit in Mexiko auch etwas gefährlich zu sein, wie wir am folgenden Tag in Santo Tomás erfahren dürfen.

Vor dem „echten“ Italiener in Ensenada

Woche 4 (22.4.24 – 28.4.24) Cambria bis Venice Beach

Zum Start dieser Woche zunächst ein paar technische Hinweise zum Blog. Am Montag oder Dienstag erscheint hier immer ein neuer Blog-Beitrag für die laufende Woche. Die Abonnenten erhalten dazu eine E-Mail. Im Laufe der Woche wird der Beitrag dann immer um die Tagesetappe ergänzt. Dabei erhaltet Ihr KEINE neue E-Mail-Nachricht. Ebenso gibt es keine neue Nachricht, wenn wir nochmal irgendwas nachträglich ergänzen. Es kann sich also lohnen, den Beitrag der vergangenen Woche nochmal anzuschauen, da wir ab und zu nochmal etwas ergänzen. In der letzten Woche z.B. zum Thema „richtig flicken“. Mehr als zwei Wochen zurück gehen wir aber wohl mit Ergänzungen nicht, da in unserer Erinnerung sowieso alles miteinander verschwimmt.

Wo wir gerade sind, könnt Ihr am besten auf dieser Seite sehen. Dabei müssen wir Google-My-Maps aber Abends immer manuell ergänzen. Das klappt nur bei gutem WLAN und mit dem Laptop, aus dem Zelt also eher nicht. Am zuverlässigsten ist derzeit die PAJ-Karte (solange wir in 4G-Mobiltelefon-Gebiet sind). Ab Baja California dürfte die von Julius programmierte Karte mit den abendlichen Checkins wohl am zuverlässigsten sein, da wir diese Koordinaten auch per Satellit senden können.

Montag 22.4.24 – (011) – Cambria – Santa Maria

Bild klickbar für Routendarstellung

124,95 km / Gesamt: 776,19 km

Abfahrt in Cambia (Foto von Rick, Danke!)

Auf Einladung von Steve B. über den Ko-Fi-Button auf dieser Seite gibt es zwei Cafe Latte in Cayucos bei Cayucos Coffee. Unterwegs hat uns eine Radfahrtruppe überholt und sich schon mit uns für Cayucos verabredet, weil sie sich unser Tandem genauer anschauen wollen.

In Morro Bay sehen wir uns noch einmal kurz. Dort machen wir einen kurzen Abstecher zur Sehenswürdigkeit, einen alten „Vulkan-Pfropfen“, den Ihr oben auf dem Tagesbild mit der Kilometerangabe seht.

Es wird ein neuer Rekordtag, natürlich wieder ungeplant. Unsere Kombination von Offline-Garmin-  und Online-Komoot-Navigation führt uns wieder in die Irre. Diesmal aber nur bezüglich der Streckenlänge! Scheinbar verträgt das Offline-Garmin keine Abstecher, wie wir sie heute mehrfach gemacht haben. 12 km vor dem wirklichen Ziel werden uns null Restkilometer angezeigt. Tatsächlich sind wir aber noch ca. eine Dreiviertelstunde vom Ziel entfernt. Wir müssen unsere Warmshowers-Gastgeberin anrufen und ihr mitteilen, dass wir uns verkalkuliert haben und später kommen. Sie wartet mit dem extra für uns vorbereiteten Abendessen (Reis und Chili sin Carne) netterweise auf uns. Eine herzliche und erfahrene Warmshowers-Gastgeberin, die selbst z.B. schon am Nordcap war. Leider sind wir so platt, dass wir nach dem Duschen und Essen sehr schnell in unsere Schlafsäcke auf unsere Isomatten in ihrem Gästezimmer im Mobile-Home verschwinden.

Am nächsten Morgen geht es nach einem kräftigen Frühstück mit viel selbstgekochtem Oatmeal von unserer Gastgeberin weiter, bevor sie an einer Zoom-Konferenz teilnehmen muss.

Dienstag 23.4.24 – (012) – Santa Maria – Solvang

Bild klickbar für Routendarstellung

72,03 km / Gesamt: 848,22 km

Wir haben den gestrigen langen Tag noch in den Knochen. Die Patellasehnen melden sich bei Viktor. Zwei heftige Steigungen können heute nur schiebend überwunden werden. Wir erreichen trotzdem am frühen Nachmittag Solvang, DAS dänische Touristen-Städtchen Californiens, und checken im Motel King Frederik ein. So bleibt etwas Zeit für dieses Blog-Update, eine Touri-Runde und ein Abendessen.

Schon gestern fühlte sich das rechte Pedal das Captains (Viktor) sehr komisch an, als hätte sich der Kurbelarm etwas gelöst oder das Tretlager hätte zuviel Spiel. Heute wird es schlimmer und nervt ganz schön. Am oberen Punkt der Kurbelumdrehung macht es immer einen kleinen Ruck.

Die Schrauben sind aber alle fest. Tatsächlich ist das Spiel im Freilauf für den Zahnkranz des Stokers (Jutta, Stoker = Heizerin) an der Kurbelachse des Captains wohl der Grund dafür. Dan von Pankerad schreibt mir, dass das Spiel noch völlig normal sei und das Lager noch ewig halten würde. Hmmmm … aber wenn es doch nervt? Wir haben ein Ersatzteil dabei. Das bleibt unter Beobachtung.

„Leichtes“ (?) Spiel im Freilauf
Mein Kurzvideo an Dan von Pankerad

Wir fragen auf Facebook in der HASE PINO OWNERS Gruppe nach, wie die das sehen.

Die Antworten im Forum sind eher gemischt, aber die meisten sind der Meinung, dass das Spiel im Lager noch nicht übermäßig schlimm ist. Wir wollen trotzdem in Santa Barbara mal in einem Fahrradladen vorbeischauen und uns eine weitere Meinung einholen. Viele raten uns auch dringend zur Reinigung und Schmierung des Freilaufs.

In Solvang gehen wir erst viel zu spät wieder auf die Straßen. Die Tagesgäste sind weg und die meisten Geschäfte haben schon geschlossen. Übernachtungsgäste können hier nur noch in ein paar Restaurants zu Abend essen, aber ansonsten ist der Ort wie ausgestorben. Das abendliche Angebot ist also eher mau und wir verziehen uns recht schnell ins Bett.

Mittwoch 24.4.24 – (013) Solvang – Santa Barbara

Klickbar für Routendarstellung

72,01 km / Gesamt: 920,23 km

Heute stellen wir fest, wie wenig wir unsere damalige Wahlheimat (1998 – 2001) eigentlich kennengelernt hatten. Auch wir waren damals nur in der Stadt mit dem Fahrrad unterwegs, ansonsten per Auto. Wie schlecht die Fahrrad-Infrastruktur nördlich von Santa Barbara und Goleta ist, finden wir heute auf dem Highway 101 heraus. Es gibt praktisch keine alternativen Straßen, und so sind wir sehr oft auf dem Highway unterwegs. Die Strände sind unterwegs alle gesperrt (Sturmschäden), so dass wir auch unsere Pausen auf dem Standstreifen des Highway machen müssen. An mehreren schmalen Brücken gibt es keinen Seitenstreifen, wir müssen auf der rechten Spur fahren und hoffen, dass die Autos und Lastwagen hinter uns aufmerksam sind und hinter uns bleiben. Häufig gibt es am Übergang zu diesen schmalen Brücken tiefe Schlaglöcher oder Absätze, die uns jederzeit das Vorderrad verreißen könnten, wenn wir direkt hineinrauschen sollten. Abends erfahren wir von unseren Freunden in Santa Barbara, David & Carol, wo wir jetzt drei Nächte bleiben werden, dass an einer dieser Engstellen erst vor zwei Wochen ein Radfahrer zu Tode gekommen ist.

Komoot will uns wieder einmal über einen „Rennrad-Radweg“ führen, der definitiv keiner ist. Von Meter zu Meter nehmen die Grasbüschel zu und der Asphalt wird weniger. Wir drehen schließlich um und nehmen den Highway 101.

Radweg vor Goleta

Wir überleben die Fahrt, und am Ortseingangs-Schild von Goleta (wo wir 1,5 Jahre wohnten) machen wir ein Foto, fahren endlich von der 101 ab und können einen kurzen Abstecher zu „unserem“ Townhouse im Cannon Green Drive machen. Es sieht alles noch aus wie vor 23 Jahren, nur frische Farbe ist aufgetragen worden. Bei COSTCO gönnen wir uns endlich eine etwas längere Pause und einen Hot Dog. Ein junger Mann zieht seine Costco-Membership-Karte für uns durch, damit man uns überhaupt etwas verkauft. Er passt auf unser Rad auf und wir erfahren noch, dass er selbst schon durch Asien geradelt ist und es ihn schon wieder in den Beinen juckt, wenn er uns sieht.

Über die Hollister Avenue geht es dann weiter zu unseren Freunden nach Santa Barbara, die am Rande der „Hope Ranch“ und „More Mesa“ in einer gated community leben und dort ein wunderschönes Haus haben. Uns erwartet ein riesiges Gästezimmer und ein tolles Abendessen. Zum Nachtisch gibt es Eis und die neuesten Nachrichten über Trump und sein aktuelles Gerichtsverfahren.

Donnerstag 25.4.24 – Santa Barbara

Den Donnerstag verbringen wir Downtown Santa Barbara. Ein Fahrradladen, den uns Rick aus Cambria empfohlen hatte, öffnet erst um 12 Uhr und hat dann nicht die richtigen Werkzeuge für unseren Freilauf aus der BMX-Szene. Er empfiehlt uns die „e-Bikery“, wo wir unser Tandem abgeben und bis zum Nachmittag um 16 Uhr wieder abholen können. Tom verliebt sich in unser Tandem, freut sich über ein „non-electric“ bike als Herausforderung und checkt es durch. Die Pedale waren offenbar etwas locker, der Freilauf knirscht bei jeder zweiten Umdrehung bedenklich und hat Spiel (das Ersatzteil aber auch, nur nicht ganz so viel), die Bremsbeläge sind noch voll in Ordnung. Auf Empfehlung der Gullivers (erfahrene Radreisende) entscheiden wir uns dann doch für ein Dichtmittel in den Schläuchen.

Tom verrät uns außerdem, dass er der „Big Hair Superfan“ ist, falls den jemand von Euch schon mal gesehen haben sollte.

Empfehlung der „Gullivers Travels“

Wir checken noch beim USPS Postamt, wie teuer Pakete nach Deutschland und Kolumbien sind, da wir einige warme Sachen aussortieren und nach Kolumbien schicken wollen. Das Paket, das wir nach Santa Barabara geschickt hatten, soll nun endgültig zurück nach Deutschland. Pro Paket soll das ungefähr 30 Dollar kosten, sagt uns der Mitarbeiter am Schalter und gibt uns schon mal die Zollformulare mit.

Abends laden wir Carol und David zu unserem Lieblings-Mexikaner, La Playa Azul Cafe, ein, wo wir schön auf der Terrasse dinieren können. Den Tag schließen wir mit CNN und MSNBC im Wohnzimmer ab. Es ist ein „dunkler Tag“, denn vier der neun obersten Richter der USA tendieren wohl zur kompletten Immunität von Donald Trump, was Verfassungsexperten für einen Freibrief halten, der zukünftig jedem amtierenden Präsidenten jeden Rechtsbruch erlauben würde, inklusive des Mordauftrages an politischen Konkurrenten.

Freitag 26.4.24 – Santa Barbara

Der Freitag startet mit einem Frühstück bei Ayla und Ted, die abends nicht zur Grillparty kommen können, die ehemalige Kolleginnen und Kollegen von Computermotion organisiert haben. Die beiden haben wir 1998 bei einem Geburtstvorbereitungskurs kennengelernt und uns angefreundet. Auch, wenn wir die letzten Jahre nicht in Kontakt waren – wir kommen beim köstlichen, türkisch angehauchten Frühstück nicht aus dem Erzählen heraus. Es ist wie früher…

Frühstück bei Ted und Ayla

Carol fährt uns hin und holt uns wieder ab, unglaublich was David und Carol alles für uns tun. Nach einem Telefonat mit einem Hotel in Medellin, das sich bereit erklärt, ein Paket zu empfangen und aufzubewahren, packen wir ein solches mit warmen Wintersachen (frostsichere Handschuhe, Neopren-Überzieher und Ähnliches), die wir bis Kolumbien vermutlich nicht benötigen werden (behauptet Jutta jedenfalls).

Ein zweites Paket, dass wir schon von San Francisco nach Santa Barbara geschickt hatten, senden wir an unseren Sohn in Deutschland, müssen auf dem Postamt aber die Powerbanks rausnehmen, weil deren Versand angeblich verboten ist. Das iPad mini erwähnen wir deshalb lieber gar nicht und hoffen einfach, dass alles in Deutschland ankommt. Eine Powerbank schenken wir Carol, die bisher noch gar keine hatte. Auf der Post kostet jedes Paket dann doch 90 Euro und der ältere Herr hinter dem Schalter braucht Ewigkeiten, um die von uns angegeben Inhalte einzeln abzutippen. Wieder wartet Carol geduldig im Auto auf uns, bis wir alles erledigt haben.

Dann geht es noch in einen Supermarkt, da wir für die abendliche Grillparty bei September noch ein Tiramisu machen wollen, da es ein „Potluck“(also eine Mitbringparty) ist. Carol konnte sich noch an unser Tiramisu aus 1998 – 2001 erinnern und Jutta möchte ihr unser Rezept beibringen.

Wir verbringen einen schönen Abend bei September R. und Chuck mit Ex-Kollegen von Computer Motion (Yulun, Bill, Michael, ….). September erzählt eine gruselige Geschichte über ihren Klapperschlangen-Biss (bei der Gartenarbeit in ein Loch getreten), den sie gar nicht als solchen erkannt hatte. Als sie nicht mehr richtig sprechen konnte und sich ihr Kopf wir ein großer Ballon anfühlte haben sie dann doch 911 angerufen. Wir werden beim „Austreten“ in der Wildnis von nun an wohl noch etwas vorsichtiger sein.

Michael bringt Viktor auch noch ein original HERMES-Voive-Control-System-T-Shirt aus 1999/2000 mit, das jetzt mit auf Tour geht. Ausnahmsweise muss Viktor dafür kein anderes T-Shirt entsorgen.

Samstag 27.4.24 – (014) – Santa Barbara – Oxnard

84,62 km / Gesamt: 1.004,85 km … die ersten 1.000 km sind geschafft.

Wir fahren morgens bei Carol und David los, machen aber noch einen Zwischenstopp in Santa Barbara, um mit Steve und Jenny noch einen kurzen Besuch am Strand zu machen.

Einfach tolle Freunde und warmherzige, liebe Menschen. Carol und David.
Strandbesuch mit Steve und Jenny am Morgen.
Abfahrt bei Steve und Jenny

Die Strecke geht heute bei sonnigem Wetter fast immer am Meer entlang. Schon in Santa Barbara treffen wir aus Zufall unseren Warmshowers-Gastgeber, Alex, bei dem wir am Abend in Oxnard übernachten werden. Er ist zum „Earth Day“ in Santa Barbara, erkennt uns auf dem Radweg und fragt, ob das ein Tandem sei, da wir das in unserer Anfrage erwähnt hatten. Dann gibt er uns das Okay, unser Zelt in seinem Garten aufzustellen, auch wenn er erst später heimkommen sollte. Die meisten Warmshowers-Gastgeber sind einfach super unkompliziert.

Bei der Ausfahrt aus Santa Barbara treffen wir auf den Radwegen noch viele weitere „Earth Day“ Besucher.

Treffen der besonderen Art auf dem Radweg in Santa Barbara

Diesmal können wir unser Zelt im Hellen aufbauen, bleiben aber ungeduscht, denn Alex meint bei seiner Rückkehr, wir hätten es noch nicht nötig und er müsste dazu extra den Heater einschalten. Wir sollen statt dessen von den Zitronenbäumen im Garten einfach Früchte mit ins Zelt nehmen – diese riechen dann entsprechend gut.

Bei einem kleinen mexikanischen Schnellimbiss gibt es zum Abendessen Burrito und Quesadilla.

Sonntag 28.4.24 – (015) – Oxnard – Venice Beach

76,28 km / Gesamt: 1.081,13 km

Wir übernachten mit frisch gepflückter Zitrone im Zelt (die riechen so gut … und wir ungeduscht nicht so). Alex hat einen Zitrusgarten mit allen möglichen Bäumen (Grapefruit, Orange, Mandarine, mehrere Zitronenbäume) und einem riesigen Avocadobaum. Sensationell! Er erlaubt uns, soviel zu ernten, wie wir wollen und wir essen danach noch zwei Tage lang Zitrusfrüchte zum Frühstück. Besonders die Grapefruits sind unfassbar saftig und lecker.

Falter am Avocadobaum

Es wird ein ziemlich lauter und stressiger Tag mit PKW- und Harley-Wochenendverkehr auf dem Hwy No.1. Es könnte alles so schön sein ohne den lauten MIV (motorisierten Individualverkehr), denn die Landschaft ist wirklich einmalig. Aber besonders die Motorrad-Fans machen sich offenbar einen Spaß daraus, direkt neben uns richtig laut aufzudrehen.

Einfahrt nach Los Angeles

In Malibu halten wir am Cafe Marmelade an, denn dort gab es früher immer einen traumhaften „Three Layer Chocolate Cake“, aber leider gab es den auch 2013 beim letzten Besuch nicht mehr. Immerhin gibt es heute etwas schokoladig-Warmes mit Vanilleeis:

Vielen Dank an die Spenderin Nathalie V.

Dafür sind die letzten 10 Kilometer dann nochmal ruhiger, auf dem Strandradweg in Santa Monica und Venice.

Kurz vor dem Ende des Tages haben wir einen Platten, diesmal vorne. Das Dichtmittel im Schlauch hilft nicht, denn wir haben uns das wohl in einem Schlagloch geholt. Das Loch liegt innen am Ventil.

Platten vorne 10 km vor dem Ziel.

Wir übernachten im Samesun Hostel und haben ein Doppelzimmer mit Dusche/WC auf dem Gang. Das ist verglichen mit den bisherigen, viel teureren Motels sogar regelrecht luxuriös. Auf dem Weg zum Hostel sind wir allerdings vom „Second-Hand-Marihuana-Smoke“ auf dem Venice Beach Boardwalk schon fast selbst high.

Wassersparen im Hostel

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