Um uns auf stärkere Steigungen vorzubereiten und unsere Fähigkeiten „im Berg“ besser einschätzen zu können, haben wir uns entschieden, vom 29. Mai 2023 bis 3. Juni 2023 für eine Woche ins Erzgebirge zu fahren und mit unserem Hase Pino mal auszuprobieren, was wir an Steigungen noch so bewältigen können. Schließlich sind wir nicht mehr die Jüngsten und besonders gut trainiert sind wir auch nicht.

Anreise und Basislager

Also buchen wir uns in Oberwiesenthal im Schwarzen Ross ein Doppelzimmer und versuchen zunächst, eine Bahnverbindung zu finden, bei der wir sicher sein können, dass wir das Stufentandem mitnehmen können. Theoretisch geht das, praktisch können uns die Mitarbeiterinnen am Berliner Hauptbahnhof aber nicht garantieren, dass die einzelnen Regionalbahnen auch wirklich immer das vorgesehene Wagenmaterial zur Verfügung haben. Wegen der vielen Baumaßnahmen sei das sehr unsicher. Es bestünde also immer die Gefahr, dass wir irgendwo nicht mitgenommen werden, weil das Tandem nicht in den Zug passt.

Am Ende kaufen wir uns bei Paulchen eine extra lange Schiene für unseren Thule Heck-Gepäckträger (kleiner Umbau mit extra Bohrungen erforderlich) und fahren die Strecke sicherheitshalber mit dem Auto. Wie sich herausstellt ist das auch vor Ort gar nicht so schlecht, da wir am letzten Tag eine Tour im Muldetal fahren, die wir ohne Anfahrt per Auto nicht erreicht hätten.

Das Schwarze Ross war früher ein Ferienheim und ist jetzt ein liebevoll gestaltetes, dennoch preiswertes Hotel. Der Betreiber ist total freundlich, lädt unser Elektroauto durchs Heizungsraumfenster und bekocht uns an zwei Abenden vorzüglich, einmal sogar vegetarisch, was im Erzgebirge eher Seltenheitswert haben dürfte. Fragt einfach nach seinem Lieblingscurry, wenn ihr etwas Außergewöhnliches probieren möchtet.

Tag 1 – 29. Mai – „Mal kurz“ auf den Fichtelberg

Am ersten Tag verbringen wir zunächst einige Zeit mit Packversuchen und stellen fest, dass die Hase-Sitzlehnentasche gar nicht mit unserem Pino-Modell von 2019 kompatibel ist. Die neuen Pinos haben offenbar eine extra Querstange in der Rückenlehne. Da wird wohl eine kleine Sonderkonstruktion erforderlich werden. Auch die Sitztaschen (rechts/links am vorderen Sitz) passen nicht ideal, aber mit den Klettverschlüssen kriegen wir es halbwegs hin.

An den vorderen Gepäckträger (Lowrider) unter dem Sitz passen eine große und ein kleine Gepäcktasche.

Wir suchen uns auf Komoot eine kurze Strecke mit wenig Höhenmetern heraus und entscheiden uns, „nur“ auf den Fichtelberg hochzufahren. Das sollen nur 6 km und 300 Höhenmeter sein (Plan). Leider verwechseln wir beim Start die Routen der nächsten Tage und fahren zunächst einmal 6 km nach Tschechien hinein, bevor wir merken, dass irgendwas nicht so ganz stimmt.

Mein Puls erreicht ungeahnten Höhen in ungeahnt steilen Streckenabschnitten. Bis 12% schaffen wir im leichtesten Gang noch (ohne volles Gepäck), aber wo es steiler wird (Komoot behauptet bei der Planung bis zu 22%, das kann aber kaum sein) müssen wir dann doch schieben.

„Bergflöhe“ werden wir gemeinsam auf dem Tandem jedenfalls nicht mehr.

Bei der Abfahrt auf einer steilen Schotterstrecke muss ich sehr lange mit der hinteren Bremse dauerbremsen, da das Vorderrad ständig ausbrechen will. Gegen Ende der Abfahrt quietscht die hintere Bremse und die Bremsscheibe ist ordentlich angelaufen. Am nächsten Tag überzeugt uns ein Mountainbike-Experte in Annaberg, dass wir die Bremsscheibe und die Beläge wechseln (Resin-Beläge). Ob das wirklich nötig war bleibt unklar.

Wir lernen heute:

1. Kurze Strecken mit großer Höhendifferenz bedeuten starke Steigungen, an denen wir schieben müssen. Also bei gleicher Höhendifferenz lieber die längere Strecke wählen um die ganz starken Steigungen zu vermeiden. Oder umgekehrt: Wenn man lieber kurz und heftig schiebt, die kürzere Strecke wählen.

2. Intervallbremsen wann immer möglich. Vorne stärker Bremsen als hinten (80% – 20% ?)

Tag 2 – 30. Mai – Annaberg-Buchholz

Für den zweiten Tag haben wir uns eine mittellange Strecke nach Annaberg-Buchholz ausgesucht, deren ersten Teil durch die Tschechische Republik wir schon von gestern kennen.

Heute sind es daher nur knapp 500 Höhenmeter und wir müssen nur einmal wegen Steilheit schieben, das zweite Mal, weil ich mich kurz vor einer Steigung böse verschalte.

Während wir Annaberg besichtigen und uns länger den von einer Familie bewohnten Turm der Kirche anschauen, wechselt uns das Team von Radschlag sicherheitshalber die gestern stark angelaufene hintere Bremsscheibe und die Bremsbeläge. Wir nehmen sie mit, damit unsere Fahrrad-Experten zuhause uns dazu noch ihre Meinung sagen können.

Tag 3 – 31. Mai – Schwarzenberg

Für heute haben wir uns ordentlich etwas vorgenommen. Es sollen 60 km und etwas unter 1.000 Höhenmeter werden. Den ersten Kaffee trinken wir schon recht früh in Crottendorf, wo wir auch in ein paar Räucherkerzen investieren. Nach der Mittagspause in Schwarzenberg verfahren wir uns böse und so kommen am Ende des Tages fast 72 km und über 1.000 Höhenmeter zusammen.

Wir sind uns einig: Das war zuviel! 1.050 Höhenmeter. Die letzten 3 Stunden konstant in den leichtesten 3 Gängen nur bergauf.

Besonders die Extraschleife in Schwarzenberg, bei der wir uns leider verfahren haben, war wirklich überflüssig. Wir waren kurzfristig auf Google-Navigation umgestiegen und dabei wurde kurz vor Crandorf eine „bessere Alternative“ automatisch ausgewählt, weil wir aufgrund der Verkehrsgeräusche nicht gehört haben, dass wir die bestehende Route manuell bestätigen müssten.

Wir kommen Abends die Treppe im Hotel kaum noch hoch.

Was uns zu denken gibt:
3h:23min für 25,8km und 620 Höhenmeter. Das sind nur 7,8 km/h bei gerade mal durchschnittlich 2,4% Steigung. Und das praktisch ohne Gepäck.
„Anden ade“ würde ich mal sagen…. wir werden wohl jedes Mitnahmeangebot von Lastwagenfahrer*innen annehmen.
Aber für diesen Reality-Check sind war ja schließlich hergekommen. 

Weitere Berechnung an der letzten stärkeren Steigung in der letzten Stunde (da waren wir schon ordentlich platt):
56,4km 780hm 7:04
61,6km 1000hm 8:01
5,2 km 220hm 57 min —> 5,5 km/h 4,2% durchschnittliche Steigung

Tag 4 – 1. Juni – Ruhetag und Touristen-Programm

Schmalspurbahn „Fichtelbergbahn“ und Miniaturland Erzgebirge.

Der Holzmichel lebt

Tag 5 – 2. Juni – Muldentalradweg

Für den letzten Tag nehmen wir uns eine flachere Strecke vor und fahren den Startpunkt mit dem Auto an. Der Muldentalradweg führt überwiegend entlang einer ehemaligen Bahnlinie, bzw. genauer gesagt auf der stillgelegten Strecke entlang.

Manchmal haben so stillgelegte Bahnstrecken auch ihre Vorteile. Das System „Rad-Schiene“ kann keine großen Steigungen bezwingen. Wenn man auf einer ehemaligen Bahnstrecke einen Radweg anlegt, ist selbst das Bergauffahren sehr entspannt. 740 Höhenmeter, die meisten davon schmerzfrei.

Muldentalradweg … sehr empfehlenswert … inklusive Tunnelfahrt.

Die Strecke auf Komoot mit 740 Höhenmetern.

Fazit

1. An Fitness und Gewichtsverlust müssen einige von uns noch etwas arbeiten, um das Bergauf-Fahren zukünftig zu erleichtern.

2. Mehrere Tage hintereinander jeweils über 1.000 Höhenmeter zu erklimmen trauen wir uns eher nicht zu, auch weil der Spaß sich dabei eher in Grenzen hält. Bolivien ist gestrichen (jedenfalls mit dem Rad) und wir werden Mitnahmeangebote bei langen Gebirgs-Anstiegen, die sich über mehrere Tage ziehen würden, vermutlich bereitwillig annehmen.

3. Auch das Bremsen will geübt sein.