Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Autor: vmakowski Seite 3 von 9

Woche 33 (11.11.24 – 17.11.24) Arequipa – Cusco

Montag 11.11.24 – Arequipa – Cusco (Bus)

Wir stehen um halb fünf auf und stehen pünktlich um halb sechs mit Sack und Pack vor dem Hotel. Als eine Peru-Hop-Guide mit Neuankömmlingen von der Straßenecke gelaufen kommt, haben wir die Hoffnung, dass dort unser Bus steht. Leider ist es der falsche Bus Richtung Nasca! Für uns kommt kurz drauf ein schon fast vollbesetzter Mini-Van ohne Möglichkeit des Fahrradtransports. Gestern Abend hat Peru-Hop auf unsere Erinnerung per WhatsApp geschrieben, dass alles geklärt wäre bezüglich unseres Tandems (und dass alle Mitarbeiter Bescheid wüssten). Die Transportfirma lässt noch einen zweiten Van anfahren, in den das Tandem aber ebenfalls nicht passt. Jutta soll jetzt mit allem Gepäck einsteigen, Viktor mit dem Tandem am Hotel warten.

Der Bus nach Cusco (über Puno), zu dem Jutta gebracht wird, ist noch fast leer, die Passagiere werden zunächst nach den beiden Zielen sortiert. Bevor das Gepäck in den Gepäckraum geladen wird, erklärt Jutta mehrfach, dass unser Rad noch kommt und aufrecht quer an die Metallstützen gestellt und festgezurrt werden muss. Trotzdem packt der Packer die Koffer und Rucksäcke von beiden Seiten dort ran und will das Rad später längs neben das restliche Gepäck stellen, ohne jegliche Möglichkeit es festzuzurren. Unsere Taschen packt Jutta erst dazu, als feststeht, dass wir mit dem Bus Viktor am Hotel abholen fahren werden. Und diesen ganzen Aufwand inclusive der Verzögerung hätte man sich sparen können, wenn wir selber per Rad zum Bus gefahren wären – die Strecke ist keine zwei Kilometer lang – sie hätten uns nur gestern Abend den Ort der Abfahrt mitteilen müssen. Als Viktor dann das Fahrrad einladen soll gibt er resolute Anweisungen, die paar Koffer wieder so umzupacken, dass das Tandem festgezurrt werden kann. Vermutlich aufgrund der bereits eingefahrenen Verspätung, traut sich keiner der beiden Busfahrer zu widersprechen und das Tandem steht am Ende so, wie wir es wollen.

Auf der 13,5-stündigen Fahrt (für 635 km!!) schickt Viktor dann etliche Nachrichten mit Peru-Hop hin und her, um zu klären, dass wir an den noch kommenden Orten immer Unterkünfte suchen, die uns ein eigenes Ankommen am Bus ermöglichen. Der Guide im Bus – Roberto – ist ebenfalls sehr engagiert in dieser Sache.

Roberto setzt sich unterwegs zu allen Fahrgästen und unterhält sich kurz mit ihnen, er ist FC Barcelona Fan und nutzt das Fussballthema gerne, um ins Gespräch zu kommen. Er ist sehr professionell, merkt sich die Namen aller Fahrgäste und spricht sie persönlich an. Uns fragt er unter anderem danach, wie lange wir schon zusammen sind und was unser „Geheimnis“ sei. Er sei jetzt sieben Jahre mit seiner Freundin zusammen und sammle die „Geheimnisse“ der Fahrgäste. Viktor fragt ihn danach, ob es etwas gäbe, was er an seiner Freundin so richtig hasse. Er lächelt und antwortet nicht. „Akzeptiere sie so wie sie ist und versucht Euch nicht gegenseitig zu verändern“. Natürlich fügt er noch hinzu, dass es nichts gibt, was er an Jutta hasst, aber vermutlich vieles, was Jutta an ihm hassen könnte und trotzdem akzeptiert. 😉

Der erste Teil der Strecke ist derselbe wie gestern und vorgestern nach Chivay, und an der Baustelle müssen wir heute ca. eine halbe Stunde warten, bis die Durchfahrt möglich ist. Da auch zwischen Juliaca und Cusco viele kleine (Brücken-) Baustellen sind, wird schon früh angesagt, dass die Fahrt wohl länger dauern wird als normalerweise.

An der Laguna Lagunillas halten wir an einem Mini- und Kunsthandwerkmarkt auf 4444 m.ü.N.N. . Es gibt heiße Getränke, Toiletten und eine tolle Aussicht zum Fotografieren.

Als wir dann näher am Wasser entlangfahren, können wir viele Anden-Flamingos sehen. Diese sehen wir auch auf der weiteren Fahrt noch in einigen anderen Gewässern.

Um ca. halb eins sind wir in Juliaca, wo alle aussteigen, die heute nach Puno fahren wollen und wenige einsteigen, die von dort kommen und nach Cusco wollen. Alle anderen dürfen hier nicht einmal kurz aussteigen. Die nächste Möglichkeit dazu gibt es erst um halb vier an einem Restaurant, in dem uns ein Lunchbuffet erwartet und wo wir fast eine Stunde bleiben. Na ja, ist dann für uns halt Mittag- und Abendessen in einem, um diese Zeit.

Für die 345 km von Juliaca nach Cusco benötigt der Bus (incl. der Pause) volle sieben Stunden, obwohl ganz wenig Verkehr ist. Die Straße auf dieser Hochebene ist so schlecht und voller Umleitungen um Baustellen, dass es einfach nur sehr langsam vorwärts geht. Wenigstens ist der Blick aus dem Fenster sehr schön, solange es noch hell ist.

Um halb acht sind wir am Peru-Hop-Terminal in Cusco. Wir haben extra ein Hotel nur 500m davon entfernt gebucht und schieben das bepackte Tandem an die angegebene Adresse. Dort ist ein Schild von einem Hostel mit völlig anderem Namen, und die an der Ecke parkenden Taxifahrer sind auch überfragt. Viktor geht schließlich in dem Hostel fragen und erfährt, dass es das gebuchte Hotel Templo Home ist. Auf den Zimmerschlüsseln steht allerdings Templo Inn, das laut Google – Eintrag ein Hostel im selben Haus sein soll. Alles etwas eigenartig, aber wir können problemlos noch eine Nacht verlängern und am Abreisetag das Zimmer bis abends behalten. Außerdem geht der Sohn des Hauses gleich zweimal für Viktor in die nahegelegene Tienda, einmal, um sich nach Viktors Bierwunsch (Cusqueña Negra) zu erkundigen, und dann, um diesen Wunsch zu erfüllen. Dafür gibt es natürlich ein ordentliches Trinkgeld in Höhe des Bierpreises für den jungen Mann.

Dienstag 12.11.24 – Cusco

Nach dem Frühstück geht Viktor das „Boleto Turistico General„-Ticket kaufen, während Jutta mit ihren Schwestern videokonferiert. Um 10 Uhr kommt Patricia von Peru4fun, um mit uns die Reise ins Peruanische Amazonasgebiet durchzusprechen und das Geld in bar (in US-Dollar) abzukassieren. Wir haben uns auf Anraten von Andy und Susan (unsere Überraschungs-Gastgeber in Monterey, CA) für einen Kurztrip von Cusco nach Puerto Maldonado und den Tambopata-Nationalpark entschieden, der vom 15.11.- 17.11. stattfinden soll.

Geplanter Kurztrip zum Tambopata Nationalpark im Amazonasgebiet

Anschließend machen wir uns auf den Weg zum Inkakomplex Sacsayhuamán über das San Blas Viertel und den San Blas Markt. Das sind zwar nur 2,7 km Fußweg, aber es sind sehr viele Stufen nach oben. Da merken wir dann doch, dass wir uns in ca. 3.400 m.ü.N.N. befinden – die Luft ist ganz schön dünn.

Auf dem Weg kommen wir erstmals am Ausichtspunkt „Mirador San Blas“ vorbei und laufen durch die schönsten Gassen der historischen Altstadt, unter anderem auch die „Calle Siete Borreguitos“ (sieben Lämmer).

Oben angekommen empfängt uns am Eingang des archäologischen Komplexes ein Guide (Santiago Leonardo), der uns seine Dienste anbietet und geschickterweise gleich erwähnt, dass alle Beschreibungen auf dem Gelände ausschließlich in Quechua, der indigenen Sprache des ehemaligen Inka-Reiches, erfolgen. Da wir den Mehrwert von Fremdenführern durchaus zu schätzen wissen – oft genug sind wir ziel- und kenntnislos durch ähnliche Anlagen gelaufen und haben uns gefragt, was wir da eigentlich gerade sehen – nehmen wir seine Dienste gerne in Anspruch.

Zunächst geht es nochmal ordentlich bergauf, bis wir an einen Parkplatz gelangen, an dem ein Kassenhaus steht. Dort wird unser für 16 Sehenswürdigkeiten gültiges Touristenticket gelocht und somit für diese Sehenswürdigkeit Nr. 16 entwertet. Auf dem Weg nach oben hält Santiago immer wieder an, gönnt uns so eine kleine Pause, um wieder zu Atem zu kommen, und erklärt schon mal einige Dinge. Sacsayhuaman wurde im 15. Jahrhundert unter der Regentschaft des neunten Inkaherrscher Pachacútec (1438 – 1471) erbaut, vermutlich als Festung und Tempelanlage. Sie wurde nie fertiggestellt, da die Eroberung durch die spanischen Konquistadoren „dazwischenkam“. Am Rande des Weges zeigt uns Santiago eine kleine Höhle, in der die Mumie eines circa 50-jährigen Mannes in Adelskleidung gefunden wurde. Alle gefundenen Mumien von Adeligen seien bei ihrem Tod circa 50 Jahre alt gewsen, während in den Gräbern der normalen Bevölkerung ein Großteil weit über 60 oder sogar 70 Jahre alt gewesen sei. Dies habe am Inzest gelegen, der unter den Adeligen betrieben wurde, um die direkte Abstammungs-Linie vom Sonnengott zu bewahren.

Ebenso erfahren wir schon im Aufstieg, dass die Inka Menschenopfer dargebracht haben, um für Regen oder gute Ernten zu beten. Die Opfer waren Kinder, die noch nicht die Geschlechtsreife erreicht haben, denn diese galten damals als Boten zu den Göttern im Jenseits. Santiago behauptet, dass die geopferten Kinder nicht aus den Adelsfamilien stammten, sondern aus der normalen Bevölkerung.

Oben angekommen führt uns der Guide über das riesige Gelände und erklärt uns einiges zur Architektur und Bauweise. Das Beeindruckenste an der Inka-Architektur sind die riesigen Steinblöcke, die komplett ohne Mörtel ineinandergefügt sind und keinen Fugenzwischenraum lassen, in dem sich Pflanzen ansiedeln könnten. Die Steinblöcke wurden mit harten eisenhaltigen Steinen und mit Meißeln bearbeitet, bis sie exakt ineinander passten. Santiago zeigt uns eine vermutlich selbstgemalte Zeichnung, in der die Einbuchtungen an den großen Steinblöcken so erklärt werden, dass sie als Ansatzpunkte für Hebel und Stützen dienten.

Sinn der Vertiefungen an den Steinen

Die Erdbebensicherheit der Inka-Bauweise erklärt Santiago mit der leicht schrägen Bauweise (unten breiter als oben, wie die Pyramiden), die besonders erdbebensicher sei. Die post-koloniale Bauweise mit 90°-Winkeln an den Wänden sei wesentlich weniger erdbebensicher.

Nach etwa eineinhalb Stunden ereichen wir als letztes den Mirador der Anlage und haben einen genialen Blick über die ganz Stadt Cusco.

Weitere Details über Sacsayhuaman in spanischer Sprache findet man hier.

Abstieg zur Plaza Mayor zum Treffpunkt der Free Walking Tour

Um 15:30 Uhr haben wir für heute eine Free Walking Tour gebucht, die durch die historische Altstadt führen soll und an der Plaza Mayor startet. Wir sind etwas knapp dran und erreichen erst kurz vor 15:00 Uhr hungrig und durstig den zentralen Platz der Altstadt. Also schnell in ein Café, zwei Café Latte und Kuchen bestellt, die aber ziemlich lange brauchen und entsprechend hastig verzehrt werden müssen.

Am Treffpunkt stehen mehrere Fremdenführer mit lila T-Shirts und einem großen lilafarbenen Regenschirm. Wir werden auf mehrere Gruppen aufgeteilt. Unsere englischsprachige Gruppe besteht aus einem italienischen Paar, einem Australier und uns beiden. Unser Guide heißt „Joshua Joel“ und ist 22 Jahre alt, also ungefähr so alt wie unser Sohn Joshua.

Die Tour führt durch die historische Altstadt, und wir kommen relativ schnell an einen kleinen eingemauerten Marktplatz, in dem ein Alpaca und ein Lama frei herumlaufen und grasen. Auf der Fahrt in den Colca Canyon hatten wir vom Guide noch erfahren, dass sich Lamas und Alpacas kreuzen können und dabei die Hybriden Huarizos entstehen, die ihrerseits ebenfalls fortpflanzungsfähig sind. Wenn sich zwei Huarizos paaren werden dann wiederrum Lamas oder Alpacas geboren. Unser heutiger Guide Joshua verneint zunächst die Existenz von Hybriden, korrigiert sich aber später nochmal. Jedoch seien die Hybriden meist nicht lange überlebensfähig, nur 20% erreichen angeblich selbst die Geschlechtsreife.

Diese kleinen Widersprüche zwischen den Aussagen und Erklärungen verschiedener Fremdenführer ziehen sich danach wie ein roter Faden durch den Rest der Tour. Bei dem einen waren es in Peru 3.000 Kartoffelsorten, beim anderen über 4.000, heute sind es bei Joshua 5.000, von denen es in Cusco genau 3.785 geben soll. Auch die gefriergetrockneten Kartoffeln (Chuño) werden heute wieder erwähnt. Bei Joshua sind sie 11 – 13 Jahre haltbar, von den anderen Guides hatten wir über 20 Jahre gehört.

Die Menschenopfer, von denen wir heute morgen gehört haben, erfolgten laut Joshua in einer Zeitspanne von 700 Jahren im Inkareich nur dreimal, weshalb er die Theorie glaubt, dass es nur in extremen Trockenzeiten dazu kam. Bei Joshua wurden den Göttern auch nrt die „besten“ Opfer dargebracht, und daher waren es natürlich die Kinder der Adligen, die geopfert wurden.

Heute morgen hatten wir noch erfahren, das die großen Felsen nie bergauf transportiert werden mussten, sondern immer nur bergab in die richtige Position gerollt wurden, bei Joshua werden sie über Rampen auch aufwärts transportiert wie bei den Ägyptern und den Pyramiden.

In einer Straße erklärt Joshua die Aus – und Einbuchtungen an den Felsen in der Mauer zu kalendarischen Markierungen. Mit seiner Handy-Taschenlampe imitiert er die Sonne und zeigt uns, wie die Schatten an bestimmten Stellen genau in die Fugen darunter fallen. So hätten die Inka mittels des Schattenwurfes das aktuelle Datum feststellen können und sich bei Aussaat und Ernte daran orientiert. Tja, sind das jetzt Ansatzpunkte für Holzstützen und Hebel, oder doch Kalendermarkierungen? Oder beides? oder stimmt gar Viktors Theorie, das die Inka die ersten waren, die den Boulder-Sport betrieben haben?

Trotzdem ist es eine wirklich interessante Tour, die blöderweise am gleichen Mirador endet, den wir heute morgen schon alleine erklommen haben. Na gut, in der Dämmerung bietet sich nochmal ein anderer Ausblick auf die erleuchtete Stadt, aber wir sind ganz schön platt und merken die dünne Luft leider immer noch deutlich, obwohl wir ja nun schon auf 4.000 Meter Höhe radgefahren sind und uns auch seit mehreren Tagen (seit Arequipa) in größerer Höhe befinden.

An dem Mirador erklärt Joshua uns auch nochmal, dass die Informationen aus der Inka- und Prä-Inka-Zeit aufgrund der fehlenden schriftlichen Überlieferungen (die Inka hatten keine Schrift entwickelt) sehr widersprüchlich sind und häufig auf den schriftlichen Aufzeichnungen der kolonialen, spanischen Chronisten basieren. Diese haben natürlich alles, was sie sahen, durch ihre eigenen Brille gesehen, interpretiert und beschrieben. Deshalb gibt es viele unterschiedliche Theorien, und jeder Fremdenführer legt sich seine Lieblingstheorien zurecht. Das erklärt zumindest einige der Widersprüche und beendet den etwas verwirrenden Tag für uns dann doch versöhnlich.

Den Cuy (das Meerschweinchen), den Viktor heute noch verspeisen wollte, lassen wir ausfallen (das Restaurant hat um 17 Uhr geschlossen) und gehen auf dem Rückweg in ein vegetarisches Restaurant, bevor wir im Hotel todmüde ins Bett fallen und den Blogeintrag für heute nur halb fertig geschrieben haben. Jutta fühlt sich vor dem Abendessen richtiggehend krank und hat starke Schluckbeschwerden, so dass wir etwas besorgt schlafen gehen, denn für die nächsten Tage haben wir einige anstrengende und nicht ganz billige Touren reserviert.

Mittwoch 13.11.24 – Cusco

Für den Vormittag haben wir uns Museumsbesuche vorgenommen. Dummerweise ist hier heute wieder einmal Streiktag, wobei die Hotelbetreiberin uns beim Frühstück sagt, dass die Touristen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden sollen. Wir gehen also zu neun Uhr – der Öffnungszeit – zum Museo de sitio Qorikancha. Mit einigen anderen warten wir vor dem verschlossenen Eingang, es wird fünf nach, zehn nach, viertel nach … – einige der Wartenden gehen schon wieder. Gegen halb zehn haben wir ebenfalls genug. Auf dem Bürgersteig vor dem Museum stehen zwei Tourismus-Polizisten, die uns beim Gehen sagen, dass doch heute Streik ist und das Museum deshalb geschlossen bleibt. Das hätten sie auch gleich mal sagen können! Sie zeigen in eine Richtung, und dass dort ein anderes Museum sei. Dort angekommen hat auch dieses geschlossen! Wir sind so genervt, dass wir einen Kaffee trinken gehen wollen, aber eine Frau von der Stadtverwaltung sagt uns auf dem Weg zur Plaza Major, dass das Qorikancha noch öffnen würde – vielleicht etwas später. Wir gucken erst noch beim privat geführten Inka-Museum vorbei, aber auch dieses hat die Tore verschlossen.

Tatsächlich kommen wir um zehn mit vielen anderen gemeinsam in das zuerst aufgesuchte, kleine Museum, von dem wir eigentlich mehr erwartet hätten. Nach dreißig Minuten sind wir durch!

Im Peru Café machen wir dann Kaffeepause, und gehen dann ohne weiteren Versuch ins Hotelzimmer, um den gestrigen Blogbeitrag fertigzustellen.

Um 13:15 Uhr sind wir am (heute noch veränderten) vereinbarten Treffpunkt zu einer Free Walking Tour per Fahrrad. Durch den Streik kann nicht die eigentliche Strecke gefahren werden, und aus diesem Grund ist es wohl auch nicht der eigentliche Guide, der eine andere Tour mit uns machen wird. Wir laufen zu einem Fahrradladen, wo wir und auch er ein Leihfahrrad bekommen. Und dann fahren wir hinter Paul her durch Cusco: anscheinend fährt er mit dem Rad genauso, wie er sonst läuft – über Fußwege auf der linken Straßenseite, über Stufen, über Kopfsteinpflaster, und rote Ampeln interessieren ihn ebenfalls überhaupt nicht.

In der Nähe des San Pedro Market bekommen wir Früchte zum Probieren: eine Lukuma, deren Eis und Joghurt wir schon kennen, eine Granadilla und eine Waba, auch Pacay genannt (letztere nehmen wir erst einmal mit und werden sie später essen).

Paul erzählt uns die Geschichten zu den Inka-Bauwerken wieder anders, zeigt uns aber auch Dinge, die wir noch nicht kennen.

Immer wieder sagt er, dass wir später dann zum Condor-Fotopoint fahren werden, dass muss der Höhepunkt sein. Das Handy zum Bildermachen ist vorher schon leer – wie auch die mitgenommene Powerbank. In San Sebastian kommen wir dann zu einer Säule mit einem Condor aus Kupfer oben darauf, und er macht Bilder von diesem ach so tollen Platz mit seinem Handy. Schön ist dort aber gar nichts, finden wir! Der große Platz von San Sebastian wird auch angefahren, ist allerdings gerade komplett mit Metall eingezäunt – wir können nur die angrenzende Kirche anschauen.

Auf der Rückfahrt vom Condor fällt Viktor immer wieder ein wenig zurück, denn es geht leicht bergauf und sein Leihfahrrad ist eine Qual. An den roten Fahrradampeln bleibt er dann immer stehen und fällt so noch weiter hinter Paul und Jutta zurück, die an jeder Ampel, egal ob grün oder rot, einfach weiterfahren. Jutta wird sogar einmal von einer Frau angesprochen, die darauf verweist, das rote Ampeln auch für Radfahrende gelten.
Irgendwo wartet Paul dann doch und fragt, ob Viktor eine Pause bräuchte. „Nein, nein … ich halte nur an den roten Ampeln an.“
Dann erklärt Paul: Früher, als sein Vater noch Polizist war, hätten sich die Leute noch an die Verkehrsregeln gehalten, aber heute seien die Polizisten keine Respektspersonen mehr und schauten sowieso nur noch auf ihr Mobiltelefon. Und weiter geht es … natürlich sofort wieder bei rot über die nächste Ampel.

Um halb fünf sind wir wieder am Fahrradladen, wo gerade ein Französisches Paar, das wir gestern mit ihrem Gepäck in der Stadt haben ankommen sehen, Ersatzteile kaufen möchte. Sie fahren noch bis in den Norden von Chile, dann müssen sie zurück nach Frankreich. Paul kassiert uns noch ab – mehr als bei der Reservierung angegeben – und dann laufen wir zurück.

Nach ganz kurzer Pause laufen wir noch einmal zum Hauptplatz: heute will Viktor dem Meerschwein noch seine zweite Chance geben, und zwar im Mr. Cuy direkt am Platz. Sie haben eine richtige Auswahl, und er lässt sich beraten – die Wahl fällt dann auf das Meerschwein aus dem Ofen. Für die vielen Touristen kommt es dann so an den Tisch:

Es wird anschließend aber in der Küche entkleidet und geschnitten:

Es schmeckt fast wie Huhn und viel, viel besser als beim letzten Versuch in Ecuador.

Auf dem Rückweg besorgen wir noch Cola, Wasser, Coca-Blätter und Snacks für morgen, denn um drei Uhr nachts werden wir abgeholt für eine Tour zu den Rainbow-Mountains – dazu morgen mehr.

Donnerstag 14.11.24 – Rainbow Mountain Vinicunca – Cusco

Um 2:30 Uhr klingelt der Wecker, denn wir sollen um 3:00 Uhr abgeholt werden, um den Rainbow Mountain zu erwandern. Wir haben gestern schon alles bereitgelegt, denn es muss in 4.000 bis 5.000 Metern Höhe mit jedem Wetter gerechnet werden. Also packen wir alle möglichen warmen Schichten ein, die wir dabeihaben, natürlich auch unsere Regen/Windjacken. Wasser, Snacks, Coca Cola und eine Packung Coca-Blätter haben wir gestern Abend auch noch besorgt.

Beim Schuhwerk entscheiden wir uns unterschiedlich. Viktor nimmt die Sandalen, mit denen er schon die Wanderung in Las Cajas auf über 3.900 Metern Höhe erfolgreich absolviert hatte, Jutta entscheidet sich für die geschlossenen Radfahrschuhe, die unter dem Ballen Metall-Cleats (Bindung zum Pedal) besitzen. Entscheidungen, die heute noch Konsequenzen haben sollen.

Um 2:55 Uhr stehen wir vor dem Hotel bereit. Es vergehen 20 Minuten, in denen nichts passiert, außer dass Viktor versucht, die angegebene Telefonnummer des Veranstalters zu erreichen. Wir machen uns etwas Sorgen, denn wir hatten ursprünglich für den 15.11. gebucht und dann um einen Tag vorgezogen, weil es morgen nochmal in das Peruanische Amazonasgebiet gehen soll. Nicht, dass man uns vergessen hat! Um 3:16 Uhr erscheint ein Mercedes Sprinter in der Straße und hält vor uns an. Er ist bis auf zwei Plätze bereits komplett besetzt. Jutta findet vorne noch einen Platz mit etwas Blick auf die Straße, Viktor klemmt sich in der hintersten Viererreihe noch dazwischen und fühlt sich wie der letzte Stein, der fugenlos in eine Inkamauer eingesetzt wird.

Dann geht es durch die Dunkelheit in die Berge hinauf. Unsere Guide, Vicky, macht ein paar Ansagen, und wir müssen uns einen Teamnamen aussuchen. Da niemand einen Vorschlag macht, müssen wir uns zwischen „Sexy Condors“ und „Sexy Alpacas“ entscheiden. Es werden dann die Condors.

Nach 1,5 Stunden Fahrt wird eine Frühstückspause von 25 Minuten in einem Restaurant mit Frühstücksbuffet eingelegt. Die Sexy Condors sitzen alle an einem zugewiesenen langen Tisch. Die Gespräche sind überschaubar, denn alle scheinen noch ziemlich verschlafen. Dann geht es nochmal für eine Stunde über eine unbefestigte Bergstraße zum Ausgangspunkt der Wanderung auf 4.300 Meter hinauf.

Das Ziel der Wanderung von 4 Kilometer Länge mit der Aussicht auf den Vinicunca (Rainbow Mountain, Montaña de los Siete colores) liegt auf 5.036 Meter Höhe.

Während sich der Van die holprige Bergstraße im Allradmodus hinaufkämpft erklärt Vicky, dass täglich circa 3.000 Touristen diesen Berg besuchen und wir auch deshalb so früh losgefahren sind, um oben zu den ersten Gruppen zu gehören. Denn schon nach kurzer Zeit wird man dort  Schlange stehen müssen, um „sein“ Foto zu machen. Viktor rechnet kurz, dass das etwa 150 Vans sind, die hier täglich hochfahren. Busse können die schmalen Serpentinen auf unbefestigter Straße vermutlich nicht schaffen. Es sind zwar hinter uns einige Vans auf den Serpentinen zu sehen, aber keine so hohe Anzahl. Später erklärt sich das dadurch, dass es zwei Aufstiege zum Aussichtspunkt gibt und sich der Verkehr dadurch verteilt. Außerdem kommen unterschiedliche Tour-Anbieter zu unterschiedlichen Zeiten, so dass es sich ebenfalls gut verteilt. Während wir durch kleine Bergdörfer fahren, in denen die Touristen-Vans wie Fremdkörper wirken, sinkt bei Viktor merklich die Motivation. Das Ganze hat für seinen Geschmack dann doch zuviel von Massentourismus in einer Region, in der solche Massen nach seiner Meinung nichts zu suchen haben. Er fühlt sich plötzlich an „Verstehen Sie Spaß“ (candid camera, versteckte Kamera) erinnert, als Reinhold Messner mit versteckter Kamera in den Alpen mit einem Souvenirstand auf einem Gipfel zur Weißglut getrieben wurde. Unsere Guide Vicky sieht das natürlich ganz anders und bedankt sich mehrfach, dass wir alle dabei sind, denn seit diese Berge 2013 per Zufall entdeckt wurden, hat sich das Leben der Einheimischen stark verbessert, auch wenn nach der Pandemie wohl ein Streit der verschiedenen Dörfer enstand : manche möchten gerne Eintritt nehmen, andere nicht. In unseren Van kommt heute ein Mann mit einem Zettel und teilt uns mit, dass wir nichts zahlen müssen…

Je höher wir kommen desto mehr Schneefelder sind rechts und links der Straße zu sehen. Wir befinden uns am Anfang der Regenzeit und in dieser Höhe bedeutet das natürlich Schneefall. Oben am großen Parkplatz, der gegen 10 Uhr circa 50 Vans Platz bieten wird, steigen wir alle aus und erhalten ein kurzes Briefing. Es stehen nun 4 Kilometer Wanderung bergauf an, zunächst 20 Minuten relativ flach, dann 40 Minuten steiler und wellig und am Ende dann 30 Minuten steil bergauf. Der letzte Abschnitt wird auch „Gringo-Killer“ genannt.

Man kann auch mit geführten Pferden hochreiten. Die Einheimischen führen diese zum Teil in offenen Sandalen schnellen Schrittes den Berg hinauf. Dann werden die Pferde teilweise von Motorrädern geführt wieder nach unten gebracht, um den nächsten Touristen hochzutragen.

Schon während der ersten 10 Minuten auf dem Wanderweg wird klar, dass einer von uns heute definitiv die falsche Schuhwahl getroffen hat. Wir laufen durch Schneematsch bergauf, der natürlich ruck-zuck in den Sandalen steckt und die Socken sind nach 20 Minuten am Ende des ersten kurzen Teilstücks bereits zur Hälfte durchnässt. Die Zehen sind schon klamm und trockener soll es weiter oben definitiv nicht werden, denn der Schnee beginnt bereits zu schmelzen, läuft in Rinnsalen über den Weg und bildet dort Pfützen, um die man nicht mehr herumlaufen kann. Viktor hat zwar Ersatzsocken dabei, aber die waren erst für die Rückfahrt gedacht.

Also ist die Entscheidung schnell getroffen. Nach einem Selfie vor schneebedeckten Bergpanorama trennen sich hier erstmals seit April unsere Wege für mehrere Stunden. Viktor probiert zwar nochmal ein Stück der zweiten Etappe, aber wie erwartet wird es zunehmend schlammiger. Da die Motivation sowieso schon eher schwach war, meldet sich Viktor bei Vicky ab und macht sich auf den Rückweg.

Selfie … und Tschüss

Unten am Parkplatz angekommen setzt er sich gemütlich am Toilettenhaus auf eine Bank in die Sonne, zieht seine trockenen Socken an und legt die nassen Socken zum Trocknen in die Sonne.

Jutta schafft mit einigen Luftholpausen in eindreiviertel Stunden den Aufstieg nach oben. Die Socken sind nur ein bisschen nass. Beim Loslaufen trägt sie noch eine Dauenjacke unter der Regenjacke, Mütze und Handschuhe, aber wie auch alle anderen wird bis auf die Regenjacke und die Mütze nach und nach alles ausgezogen. Der Weg ist trocken schon heftig, aber mit dem Schneematsch und den Rinnsalen aus Tauschnee eine noch größere Herausforderung. Wir haben Hoffnung, oben trotzdem etwas von den Farben sehen zu können – vielleicht scheint dort die Sonne ja schon.

Leider bewahrheitet sich das nicht: es liegt alles unter einer weißen Schneedecke. Das ist zwar auch sehr schön, aber überhaupt nicht das, weswegen man hier hochwandert.

Von der oberen Station, an der Jutta sich einen Stempel für den Pass holt und man sich Getränke und Snacks kaufen könnte, kann man noch 10 Minuten auf einen anderen Gipfel klettern. Beim Absteigen ist es so glatt, dass viele ausrutschen, auch Jutta legt sich hin und wird ziemlich nass in dem Matscheschnee.

Nach einer Stunde oben mit Gruppenbild der Sexy Condors macht sich Jutta wieder an den Abstieg zur „Talstation“/ zum Parkplatz. Der Schnee auf dem Weg ist komplett weg und auf der Bank, die auf dem Hinweg noch verschneit war, sitzen inzwischen Menschen.

Am Parkplatz treffen wir dann wieder aufeinander, und bald schon fährt unsere Gruppe zurück zum selben Restaurant wie heute früh, und es gibt ein Mittagessen. Von dort sind wir nach knapp zwei Stunden um kurz vor drei wieder in Cusco – jetzt werden alle in der Altstadt rausgelassen.

Wir halten auf dem Weg zum Hotel im Café Peru, wohin Viktor von Peru4fun für unseren Amazonastrip noch ein Paar Gummistiefel in Größe 45 gebracht werden (Juttas Größe gibt es wohl vor Ort) und verbringen den restlichen Nachmittag dann mit dem Blog im Hotelzimmer. Als wir zum Abendessen gehen wollen, schüttet es draußen. Daher gehen wir in eine nahegelegene Anticucheria und Pizzeria. Hier werden Peruanische Klassiker aus Rinderherz serviert aber eben auch Pizzen. Wir warten über eine Stunde auf unsere Pizza, denn der Pizzabäcker erscheint verspätet zur Arbeit und am Ende muss unser junger Kellner in der Küche selbst Hand anlegen, damit wir unser Essen bekommen. Dafür erhält der motivierte junge Mann das Trinkgeld trotz Kartenzahlung direkt bar auf die Hand, damir es nicht in der gemeinsamen Trinkgeldkasse verschwindet.

Freitag 15.11.24 – Cusco – Tambopata Reserve

Beim Frühstück tauschen wir uns mit einem jungen Argentinischen Paar aus. Sie waren auch schon bei den Rainbow Mountains und können uns erzählen, dass die Farben in Natur sehr schwach sind – demnach alle Bilder in den Broschüren der Touranbieter mit leuchtenden Farben digital nachbearbeitet sein müssen. Sie würden die Tour nicht nochmal machen und auch nicht weiterempfehlen. Tja, das nennt man dann wohl schlechtes „management of expectations“. Außerdem wird das Paar morgen für zwei Nächte ins Amazonasgebiet fliegen – vielleicht treffen wir sie, denn dorthin brechen wir heute auf.

Um 9:30 Uhr werden wir von Richard von Peru4Fun zum Internationalen Flughafen von Cusco gebracht (international, weil einmal täglich ein Flug von/nach La Paz in Bolivien geht – fast alle Flüge sind nach Lima). Wir haben alles Flüssige und eine Schere extra in eine Tasche zum Aufgeben gepackt, aber eine Flughafenmitarbeiterin meint, wir können beide Taschen mit an Bord nehmen, Flüssiges und Scheren seien kein Problem. An der Security fischen sie dann noch das Antirepellent (Mückenspray) heraus, weil es Treibgas enthält. Das mitgenommene Flaschenwasser und Obst gehen durch.

Der Flug nach Puerto Maldonado ist verspätet, und so verbringen wir einige Zeit im Warteraum, bis es endlich losgeht. Wir fliegen eine Stunde, werden sofort von unserem Guide Bryan eingesammelt und eine knappe Stunde mit dem Auto zum Hafen von „Infierno“ (Hölle) gefahren. Die Straße erfordert an vielen Stellen einen Allradantrieb. Mit einem kleinen Boot geht es ca. eineinhalb Stunden flussaufwärts zum Tambopata Reserve und dort zum Explorers Inn, dem einzigen Hotel innerhalb des Reservats. Zu Beginn der Bootsfahrt bekommen wir ein boxed lunch: sehen aus wie Tamales, sind aber „Amazonas Chaufas“, eine Lady-Banane und brasilianische Nüsse.

Der Zufluss zum Madre de Dios, wiederum Zufluss zum Amazonas, ist schon ganz schön breit, und wir bekommen erklärt, dass der Amazonas vier Kilometer breit sein kann. Und bei dem vielen Grün rechts und links, was wir schon länger nicht hatten, stellen wir beide unabhängig voneinander fest: je grüner, desto schöner!

In der Lodge bekommen wir vom Manager eine ausführliche Einweisung, bevor wir ins riesige, frisch renovierte Zimmer können. Nach kurzem Aufenthalt gehen wir wieder an den Fluss und legen uns in Hängematten, um den Sonnenuntergang (17:15 bis 17:50 Uhr) anzuschauen. Selbst bei diesem Nichtstun schwitzen wir, obwohl es heute „nur“ 34°C hat. Es ist halt ziemlich feucht.

Um 18:20 Uhr sollen wir uns einfinden, weil Bryan eine „Nachtwanderung“ mit uns machen will. Als wir eintreffen muss er erst geweckt werden. Später erklärt er uns, dass vor einer Woche sein erstes Kind geboren wurde und er Schlaf nachzuholen hat. Da wir keine geschlossenen Schuhe haben, tragen wir die Gummistiefel. In der Stunde Wanderung versuchen wir, gehörte Eulen zu entdecken, sehen verschiedene Tarantulas (am Baum und am Boden, sogar ein Nest mit vielen kleinen Chicken-Tarantulas), verschiedene Ameisen, u.a. die ziemlich große und durchaus gefährliche „Bullet“-Ameise (der Biss ist wie eine Pistolenkugel), eine ganz lange, schwarze Schlange, unterschiedliche Frösche… . Bryan erklärt die Symbiose zwischen einer kleinen Froschart (Dotted Humming Frog, chiasmocleis ventrimaculata, einen deutschen Namen gibt es nicht) aus der Familie der Engmaulfrösche (Grüße an Barbie) und einer Tarantula (Vogelspinne): die Tarantula-Larven ziehen Insekten an, die die Larven fressen wollen. Diese Insekten ziehen den Frosch an, der die Inseken frisst und damit das Nest der Tarantula schützt. Die Tarantula sitzt oft direkt neben dem Frosch und verjagt ihn nicht, denn er ist auch leicht giftig.
Den Nutzen von Pilzen im Ökosystem und viele andere Dinge erklärt uns Bryan ebenfalls während der kleinen Wanderung.

Wieder am Hotel hat das Abendessen schon begonnen. Außer uns Dreien isst eine recht große Gruppe am Nachbartisch, die aus Französischen Vogelbeobachtern besteht.
Da Jutta schon seit ein paar Tagen einen hartnäckigen Husten hat, und wir in Puerto Maldonado in einer Apotheke nur Antibiotika, aber keinerlei pflanzliche Hustenmittel angeboten bekamen, gibt es aus der Küche einen Ingwer-Tee (Gengibre) mit einigen weiteren geheimen Zutaten, u.a. etwas, das wie Knoblauch riecht und schmeckt. Tja, selbst die Apotheken im hiesigen Amazonasgebiet nutzen die üppige Biodiversität nicht wirklich, aber wenigstens die Köche tun es.
Anschließend verabreden wir uns für morgen um halb acht zum Frühstück und gehen unserer Wege.

Schlafen müssen wir bei ziemlicher Hitze unter dem Moskitonetz, bei nächtlichen Dschungelgeräuschen neben dem Brummen eines Generators (das aber zeitig abgeschaltet wird).

Samstag 16.11.24 – Tambopata National Reserve

Wir werden vom Geräuschpegel geweckt, als es hell wird und der Regenwald erwacht. Es wird richtig laut, aber endlich einmal keine Autohupen, Alarmanlagen, krähende Hähne, bellende Hunde oder laufende Fernseher und laute Musik aus den Nachbarzimmern.

Als wir unsere Brillen aufziehen, sehen wir erstmal …. nichts … denn die sind, obwohl sie einfach so auf dem Nachttisch lagen, komplett beschlagen. Das hatten wir bisher auch noch nicht.

Viktor versucht mit seiner neuen App „Merlin Bird ID“ einige der vielen Vogelstimmen zu bestimmen, die in einem vielstimmigen Chor zu hören sind. Juttas hartnäckiger Husten kommt aber immer wieder dazwischen. Zum Frühstück um 7:30 Uhr gibt es deshalb auch nochmal einen Ingwer-Tee aus der Küche.

Um 9:15 startet unser Wanderung mit dem Guide Bryan zum nahegelegenen SAGES-Forschungsturm. Da wir den Weg (und mögliche Ameisenhaufen) tagsüber gut erkennen können, empfiehlt er uns statt in Gummistiefeln ruhig mit unseren Sandalen zu gehen.

Unterwegs müssen wir über einige Bäche und Hängebrücken und können wieder einige Pfanzen und Tiere kennenlernen, unter anderem die Symbiose ziwschen den Feuer-Ameisen und dem „Devil Tree“.

Die kleinen Löcher sind Eingänge. Das Ameisenvolk lebt IN dem Baum.

Als wir den Turm erreichen steht auf dem Schild etwas von SAGES. Viktor denkt zuerst and die „Society of American Gastroenterologists“ , auf deren Kongressen er früher öfter war. Es geht aber bei dem Turm im Rahmen einer Kooperation mehrerer Universitäten um die Messung von CO2-Gasflüssen im Regenwald.

Von den 199 Stufen schafft Viktor 144, dann werden die Stufen schmaler, man spürt den Turm etwas schwanken und es weht eine leichte Brise. Alles nichts für ihn. Da er auf Anraten von Bryan auch noch vorsichtig sein soll, wenn er das Geländer anfasst (Ameisen, Wespen und andere stich- und bissfreudige Insekten sitzen dort sehr gerne) ist der Aufstieg wieder mal eine echte Herausforderung. Ohne krampfhaftes Festhalten am Geländer ist sowas für Viktor nicht zu schaffen. Die Fotos von ganz oben macht dann also wieder mal Jutta. 😉

Panorama von ganz oben

Oben auf der durchlöcherten Plattform ist der Blick sensationell. Überall grün, über das Blätterdach herausragende Iron Trees, im Hintergrund die Anden von Puno sichtbar, und dann sehen Jutta und Bryan auch noch einen Wald-Gelbkopfgeier, der ähnlich groß wie ein Condor und auch mit diesem verwandt ist, in der Luft schweben.

Nach ca. 30 Minuten machen wir uns auf dem Rückweg zum Hotel, wo wir bei Ankunft auf eine Unmenge von Schmetterlingen treffen.

Die Lodges des Hotels sind auf Stelzen gebaut, und es wird einiger Aufwand betrieben, um die Tiere aus dem Schlafzimmer heraus zu halten. Trotzdem gab es – wie uns Bryan beim Mittagessen erzählt – schon Gäste, die nach einer Nacht abgereist sind, weil es eine (völlig ungefährliche 😉 ) Vogelspinne in das Moskitonetz über dem Bett geschafft hatte, also von innen über der schlafenden Person hing.

Um 15 Uhr treffen wir uns zur Nachmittagsaktivität: mit dem Boot ein Stück den Fluss abwärts, 1,5 km zu Fuss zu einem See (der in der Vergangenheit aus einer Schleife des Flusses entstanden ist) und dort mit einem Katamaran zur Tierbeobachtung. Am Anleger vor dem Fussweg legt auch gerade ein weiteres Boot mit einem Guide und zwei Deutschen Frauen (Sonia aus dem Allgäu, Stefanie aus Konstanz) an, und wir beschließen, alle auf einem Katamaran den See zu befahren. So können sich die beiden Guides mit dem Rudern abwechseln, denn fortbewegt werden die Katamarane mit einem manuellen Ruder im Heck, aus Rücksicht auf die Fauna. Und dann gleiten wir langsam den See entlang, sehen mehrere Stellen mit Capybaras, die wir bislang nur im Zoo von Santa Barbara gesehen haben, nie in der Wildness, rote Brüllaffen, viele Kuhreiher (beim Nachschauen fällt auf, dass es diese wohl auch auf Helgoland gibt) und diverse andere Vögel und Fische.

Von Sonja aus dem Allgäu lernen wir auf dieser Bootstour, woher die Redewendungen „blau sein“, „blau machen“, „ein blaues Wunder erleben“ kommen: bei den Indigo-Färbern im Allgäu mussten die Männer viel Bier trinken, um viel urinieren zu können (sie waren dann betrunken), das Tuch wurde in dem Bottich mit Urin gerührt und noch weiß an die Leine gehängt – erst in der Sonne beim Trocknen kam die blaue Färbung zustande (wie durch ein Wunder wurde das Tuch blau). Und so etwas lernt man im Peruanischen Amazonas-Regenwald :-)!

Was wir heute nicht sehen, sind Stachelrochen und Riesenotter, die es in diesem See auch gibt. Aber es kündigt sich Regen an, und wir wollen nicht unbedingt nass werden, also fahren wir irgendwann lieber zügig zurück. Es ist inzwischen schon dunkel, nur die fast unwirklich wirkenden Blitze erhellen zwischendurch immer wieder den Himmel hinter der dunklen Silhouette des tropischen Regenwaldes. Während wir vor dieser unfassbaren Kulisse durch das Wasser gleiten, stellt sich dieses eigenartige Zufriedenheits- oder Glücksgefühl ein, das man meist irgendwo in der Magengegend verspürt. Serotonin und Dopamin bei der Arbeit 😉

Im Dunkeln laufen wir die Strecke zum Fluss zurück, verabschieden uns von den beiden Frauen und begeben uns auf der Rückfahrt noch auf Kaiman-Sichtungs-Jagd. Mit einem starken Scheinwerfer leuchtet Bryan das Wasser und die Ufer ab, und an zwei Stellen entdeckt er im Vorbeifahren im Ufergrün liegende Kaimane. Er erklärt uns, dass er die rote Reflektion der Augen im Scheinwerferlicht erkannt hat.

Sehr zufrieden kommen wir pünktlich zum Abendessen am Explorers Inn an. Als wir nach dem Essen noch etwas mit Bryan quatschen, wertet die Französische Gruppe gerade penibel alle Vogelsichtungen und die erkannten Vogelstimmen aus, was recht lustig klingt. Sie scheinen das sehr professionell zu machen.

Sonntag 17.11.24 – Tambopata National Reserve

Beim Erwachen und langsamen Lauterwerden des Regenwaldes wachen auch wir ebenfalls eher langsam auf. Viktor freut sich, dass es keine Vogelspinne ins Moskitonetz geschafft hat. Zum Frühstück um 7:30 gibt es heute kein Toastbrot mehr auf dem Buffet, dafür aber mehr Pancakes. Die französischen Birdwatcher haben gestern sämtliches Toastbrot für Sandwiches vertilgt, erklärt uns Marco, der Manager des Hotels. Da hatte er sich leider komplett verkalkuliert, und es kommt erst morgen wieder Toastbrot per Bootslieferung. Auf Vorrat kann man hier in dem feuchten Klima kein Brot kaufen, da es zu schnell schlecht wird.

Marco erzählt uns, dass Birdwatcher eine ganz besondere Kundschaft sind, besonders für die Fremdenführer. Er hat diesen Job als Guide früher auch gemacht. Birdwatcher laufen eigentlich ständig mit dem Blick nach oben durch den Regenwald und achten dabei nicht wirklich darauf, wo sie hintreten. Er ist selbst schon mit einer Gruppe Birdwatchern mitten in einem Ameisenhaufen gelandet und hat es erst gemerkt, als die Ameisen schon tief in den Hosenbeinen unterwegs waren. Zum Glück waren es keine Feuer-Ameisen sondern nur die Blattschneider-Ameisen, die hier überall große Kolonien bilden, in denen riesige Völker mit mehreren Königinnen leben. Sie können teilweise bis zu 60 Meter tief in den Boden reichen. Auf den Blattstücken betreiben diese Ameisen übrigens eine Art Landwirtschaft, denn sie züchten auf den Blattstücken Pilze, von den sie sich ernähren.
Bei solchen Führungen ist er auch schon mit Birdwatchern regelrecht über eine Anaconda gestolpert, die am Wegesrand in der Sonne lag und irgendetwas richtig Großes verdaute, denn der Körper war um ein Vielfaches dicker als der Kopf. Es war aber offenbar kein Birdwatcher, den sie verschlungen hatte.
Marco hat auch schon einmal einen etwas übergewichtigen Birdwatcher für 5.000 USD in eine entlegene Andenregion geführt, um irgendwo einen seltenen Vogel zu sehen, den es nur dort gibt. Nach anstrengender Bergwanderung, auf der er ständig Angst um das Leben seines Kunden hatte, und nach fünf Stunden Wartezeit, wollten sie sich gerade erfolglos auf den Rückweg machen, als der Vogel doch noch auftauchte. Der Birdwatcher sprang vor Freude wie ein kleines Kind auf und ab und konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Ein faszinierendes Hobby, bei dem sie offenbar bereit sind, unfassbare Summen für die Sichtung eines Vogels auszugeben, der auf ihrer Checkliste noch fehlt.

Für uns geht es nach dem Frühstück leider schon mit dem Boot zurück nach „Infierno“ und dann mit dem Kleinbus weiter zum Flughafen Puerto Maldonado. Es war ein toller Amazonas-Kurzurlaub und wir können uns nur nochmal ganz herzlich bei Andy und Susan für diesen Tipp bedanken. Auch wenn wir die riesigen Schwärme von Aras (Macaws) nicht gesehen haben, denn dazu hätten wir nochmal ein paar Stunden mit dem Boot fahren müssen, um ein Lehm-Steilufer zu besuchen, an dem diese Vögel Lehm fressen, um die Verdauung von giftigen Früchten zu ermöglichen. Das funktioniert so ähnlich wie das Essen von „Heilerde“ beim Menschen. Auf der Bootsfahrt sorgt Bryan heute sogar nochmal dafür, dass wir an einem kleineren Lehmufer auch noch ein paar Aras aus der Nähe zu sehen bekommen.

Wir erreichen den Flughafen von Puerto Maldonado sehr früh und haben bis zur geplanten Abflugzeit noch drei Stunden Wartezeit, die wir für den Blog nutzen. Es dauert aufgrund einer Verspätung des ankommenden Fluges sogar noch eine ganze Stune länger. Mmmmh … mit der Zeit hätte man vor Ort sicher noch eine kleine Wanderung machen können. Egal, wir haben die Zeit hier sehr genossen. Mal schauen, ob wir es heute Abend in Cusco noch rechtzeitig zum abendlichen Briefing für unsere morgige Tour nach Machu Picchu schaffen. Um 17:00 Uhr müssen wir uns dazu heute in einem Restaurant in der Nähe der Plaza Mayor einfinden und morgen um 3:00 Uhr morgens werden wir am Hotel eingesammelt.

Zunächst wird gemunkelt, dass es der Starkregen in Cusco ist, aber der Airbus kommt aufgrund eines erneuten Streiks in Lima noch viel später als zuerst erwartet – wir erfahren es allerdings nur nach und nach. Erst bekommen alle Fluggäste eine Tüte mit Wasser, Saft und zwei kleinen Snacks (was zwei bis vier Stunden Verspätung bedeutet – an der Anzeigentafel steht lange noch die eine Stunde), später gibt es noch ein warmes Essen und ein Getränk (entsprechend vier bis sechs Stunden – inzwischen steht an der Anzeigetafel 17:30 statt 13:25), und tatsächlich fliegen wir dann erst um 18:30 Uhr los.

Wir haben aber Sitzplätze und freies W-LAN und nutzen die „gewonnenen“ Stunden zur Planung unserer nächsten Radfahrtage und Sichtung der Unterkunftsmöglichkeiten incl. Reservierung von Valparaiso über Silvester, weil dort schon Einiges ausgebucht ist.

Als klar ist, dass wir es nicht zum Briefing für morgen schaffen, bekommen wir alle Infos und die Tickets digital geschickt, und aufgrund des Wetters werden wir erst um fünf statt um drei Uhr abgeholt werden, damit wir nicht so lange im Regen stehen und warten müssen.

endlich an Board – mit hoher Luftfeuchtigkeit

Vor dem Flug werden starke Turbulenzen angekündigt, aber die 35 bis 40 Minuten vergehen ganz ruhig. Auf dem Weg vom Flughafengebäude zum wartenden Auto von Richard von Peru4fun müssen wir allerdings wirklich mit Regenjacken und durch riesige Pfützen laufen – die lang erwartete Regenzeit hat begonnen.

Es ist fast 20 Uhr, als wir im Hotel sind. Wir bereiten nur alles für morgen vor und beenden den Blog – mit Nahrung wurden wir den Tag über ja ausreichend und müssen uns da nicht mehr drum kümmern ;-).

Woche 32 (4.11.24 – 10.11.24) Pisco – Arequipa

Montag 4.11.24 – (122) – Pisco – Huacachina (Ica)

Gesamt: 7.455,86 km

Wir frühstücken an Tischen im Treppenhaus unser Anden-Granola.

Für heute ist die letzte Etappe vor einer längeren Radfahrpause geplant. Es geht nochmal über 80 Kilometer durch wüstenhafte Gegenden, aber immerhin werden diese immer wieder durch Landwirtschaft aufgelockert. Dort wo bewässert wird, wachsen Wein und verschiedene Gemüse (z.B. Kürbis oder Melonen). So wird dem Auge ein wenig Abwechslung geboten und Pausen sind möglich, ohne sich in der prallen Sonne in den Sand setzen zu müssen. Auch der Nase wird heute Abwechslung geboten, denn es gibt ebenfalls große Zwiebel-Plantagen. Zum Teil liegen auf den abgeernteten Feldern tausende von Säcken voller großer Zwiebeln zur Abholung bereit und je nach Windrichtung weht ein intensiver Zweibelduft zu uns heran.

Trotzdem sind wir einmal doch deutlich länger im Sattel, als wir eigentlich wollen, bevor wir am Ende einer kleinen Steigung in der ansonsten recht einsamen Wüste an eine kleine Raststätte kommen, in der wir im Schatten etwas trinken und essen können … und einen Kaffee, eine Cola und eine Ananas-Limo kaufen, um uns damit den Schattenplatz und die Toilettennutzung zu erkaufen.

Die Betreiberin dieser kleinen Raststätte erzählt uns, dass sie Verwandte in den U.S.A. und Kanada hat, die sich aber kaum noch melden, weil sie jetzt einen gewissen Status erreicht hätten. Irgendwie traurig. Vor einiger Zeit sei ein Japaner bei ihr gewesen und hätte eine Nacht auf dem Grundstück gezeltet. Er sei mit einem 12 kg schweren Rucksack auf Rollschuhen („Patines“) unterwegs gewesen und hätte auch nach Argentinien gewollt. Also wenn Ihr uns für verrückt gehalten habt … 😉

Die letzten Tage waren eigentlich ideal zum Radfahren. Es ging bis Mittag auf ca. 25 Grad Celsius hoch, immer eine leichte Brise, die Frühjahrs-Sonne noch nicht so kräftig. Heute haben wir die leichte Brise von hinten, was uns im Sattel quasi Windstille beschert. Das ermöglicht doch tatsächlich den Fliegen, sich bei voller Fahrt (na ja, 15 bis 20 km/h eben) in aller Ruhe auf uns zu setzen und sich an unseren Schweißtropfen den Durst zu stillen. Die Temperaturen gehen heute Mittag bis 29 Grad Celsius hoch. Das ist noch ganz o.K., also verglichen mit 40 Grad Celsius in Mexiko, aber schon nicht mehr ganz so ideal.

Die Strecke geht auch den ganzen Tag leicht bergauf. So werden es am Ende 469 Höhenmeter. Wir sind eigentlich ganz angetan von dem Durchschnittstempo von 15 km/h, das wir bei diesem Streckenprofil erreichen.

Unterwegs sehen wir plötzlich auf dem Mittelstreifen einen einsamen Mitarbeiter der Autobahngesellschaft, der Müll einsammelt. Sein Name ist vermutlich Sisyphos.

Bevor wir von der Panamericana in Richtung unseres Ziels „Huacachina“ (die einzige echte Oase Perus) abbiegen, halten wir noch an einer Shopping Mall in Ica an, in der es ein italienisches Eislokal geben soll. Wir entscheiden uns für eine längere Pause und ein vorgezogenes Abendessen mit zwei üppigen Eisbechern, „Banana Split“ und „Crucero de Verano“ (Sommer-Kreuzfahrtschiff). Wir bedanken uns ganz herzlich bei Glorypedalling (Familie Wüpperman) für die Einladung über den Kofi-Button auf dieser Seite (irgendwo da rechts … oder beim Handy ganz unten … „Buy us an Icecream“).

Banana Split und „Crucero de Verano“ – mit herzlichem Dank an Familie Wüppermann von Glorypedalling

Danach geht es weiter nach Huacachina. Das ist eine echte Oase und ein Party-Ort mitten in den Dünen in der Nähe von Ica. Hier kann man unter anderem auf den Sanddünen Skifahren und „Sand“-Boarden.

Von hier startet morgen unsere erste Touri-Bus-Etappe nach Nazca (mit Zwischenhalt auf einem Pisco-Weingut), vermutlich mit lauter sehr jungen und sehr trinkfesten internationalen Touristen an Bord.

Wir checken in unserem Hotel ein und schieben unser Tandem schon einmal auf die kürzestmögliche Länge zusammen. Am späten Vormittag sollen wir morgen am Hostel nebenan, vor dem wir heute schon einen Bus von „PeruHop“ gesehen haben, mit Rad und Gepäck für unsere erste Bus-Etappe einchecken.

Dienstag 5.11.24 – Huacachina (Ica) – Nazca (Bus)

Schon vor dem Frühstück laufen (bzw. kraxeln) wir auf die Düne direkt hinter unserem Hotel. Der Sand ist noch recht kalt und ziemlich weich, so dass die Füße einsacken und man teilweise wieder etwas herunterrutscht. Wir sind trotzdem nach fünfzehn Minuten oben an der ersten Kuppe – hatten mit mehr gerechnet – und Jutta geht auch noch eine weitere Steigung hoch. Und selbst ganz oben liegen Getränkedosen, Kronkorken und Einiges an Plastik im Sand!

Nach unten nehmen wir den weniger steilen Weg. Das anschließende Frühstück schmeckt nach dieser Aktivität nochmal besser.

Anschließend verbringen wir noch Zeit im Zimmer – es muss wieder alles in möglichst wenig Gepäckstücke verpackt werden, die bustauglich sind. Zu 10:45 Uhr sind wir am „Peru Hop – Meetingpoint“, von wo wir mit vielen anderen heute vormittag eine Pisco-Vineyard-Tour mitmachen, und unser gesamtes Gepäck soll schon in den Bus gepackt werden.

Nach ca. 30 Minuten im Bus bekommen wir die Stationen der Weinherstellung gezeigt und erklärt, leider keinen Weinanbau, und die herumstehenden Fässer sind auch nur Dekoration. Hier wird der Wein noch mit den Füßen gestampft … zumindest wird das bei der Führung so behauptet.
Die Peruaner lieben angeblich nur süße Weine, weshalb hier trockene oder im Fass ausgebaute Weine nicht im Sortiment sind (und angeblich auch wegen des heißen Klimas …). Anschließend geht es zur Weinverkostung: verschiedene Mistellas (Likörwein), eine Lucuma-Crema (Pisco/Sahne/Frucht), einen Wein und puren Pisco. Mit drei Freiwilligen macht die Guide ein kleines Trinkspiel: sie bekommen so lange nachgeschenkt, bis sie alles richtig machen und kein Tropfen mehr aus dem Becherchen heraustropft.

Im Restaurant des Weinguts gibt es ein schon im Bus ausgesuchtes Mittagessen. Viktor isst wieder die regionale Spezialität, „Carapulcra con Sopa Seca“. Auf der Rückfahrt in die Oase erfahren wir vom PeruHop-Guide im Bus, dass diese Mahlzeit früher mit Katzenfleisch zubereitet wurde.

Zurück in Huacachina müssen wir im Bus bleiben (gut so, denn unser Gepäck ist ja unten verstaut), während fast alle anderen in zwei unterschiedliche Busse umsteigen und dafür viele andere Fahrgäste zusteigen. Wir fahren Richtung Nazca, die zwei anderen Busse Richtung Lima.

Wir haben uns nach Empfehlungen der Einheimischen ja schon hier Ica (Huacachina) in den Bus gesetzt und nicht erst in Nazca wie ursprünglich angedacht. Und auf der Strecke sind wir über diese Entscheidung recht froh. Die umgebende Wüste ist hier wirklich menschenleer, und es geht mehrfach ziemlich steil über Serpentinen bergauf und bergab. Mit so vielen Bergen hatten wir bis Nazca noch gar nicht gerechnet. Manchmal sehen wir aufgewirbelten Sand, häufiger sind es aber eher Steine oder Felsen, durch die sich die Panamericana hier fast schnurgerade zieht.

Kurz vor Nazca halten wir am Aussichtstturm, von dem aus man drei der Nazca-Linien sehen kann: einen Frosch, einen Baum und eine Eidechse. Letzterer ist der Schwanz durch die Panamericana „abgeschnitten“. Als die Straße gebaut wurde, gab es noch wenig Tourismus hier und man war sich der Bedeutsamkeit noch nicht bewusst. Heute steht das gesamte Gebiet unter Schutz und ist seit 1994 UNESCO-Weltkulturerbe. Morgen werden wir auf einem Rundflug noch mehr davon sehen.

Viktor erinnert sich noch an Fernsehsendungen von Erich von Däniken, der behauptet, die Linien hätten etwas mit außerirdischen Besuchern zu tun.

Vorsicht: Pseudowissenschaft – von Däniken ist gelernter Koch!

Nach dem Aussichtsturm geht es in den Ort Nazca, in dem wir zwei Nächte bleiben werden. Wir sind hier also „Off-Hopper“, denn Peru-Hop betreibt ein Hop-On/Hop-Off-System, bei dem das Busticket in die gleiche Richtung ein Jahr gültig ist und wir an jedem Ort so lange bleiben können, wie wir das gerne möchten. Der Bus hält direkt vor unserem Hotel, so dass wir relativ zügig einchecken können und unser Tandem einen sicheren Platz im Gepäckraum des Hotels findet. Erstmals seit langer Zeit haben wir für heute ein Zimmer mit zwei Einzelbetten buchen müssen, da alle Doppelbett-Zimmer schon ausgebucht waren.

Bevor wir in Mom’s Café zu Abend essen und die Sonne untergeht, gehen wir noch eine kleine Runde durch den Ort, kaufen ein paar Getränke und kommen auf dem Rückweg an einem kleinen Büchermarkt auf einem Platz vorbei. Dort liegen doch tatsächlich „Mein Kampf“ und „Das Tagebuch der Anne Frank“ direkt nebeneinander in der Auslage. Als Viktor dem Verkäufer erklärt, dass „Mein Kampf“ in Deutschland verboten sei, ist der völlig erstaunt und fragt, warum das denn der Fall sei.

Wie wir bei der Recherche für den Blog später feststellen, gibt es ein solches Verbot in Deutschland auch gar nicht. Tja, wieder mal erfolgreich ein Gerücht in die Welt gesetzt.

Beim Abendessen sitzt am Nachbartisch ein Pärchen, dass sich angenehm (und für Südamerika auffällig) leise miteinander unterhält. Viktor tippt bei der Spache zunächst auf polnisch oder tschechisch, hört aber dann plötzlich das Wort „Divendres“ – katalanisch für „Freitag“. Da muss er natürlich nachfragen und es ergibt sich eine kurze Unterhaltung auf Katalanisch und Spanisch. Die beiden sagen zunächst, sie seien aus Gírona (Gerona), tatsächlich sind sie aber aus Figuéres (Figueras). So wie ich hier immer sage, meine Mutter sei aus Barelona, haben sie offenbar auch die nächste größere Stadt für ihre Ortsangabe ausgewählt, um keine langen geographischen Erklärungen abgeben zu müssen.

Und da das Reisen ja bilden soll, kommt jetzt hier zum Tagesabschluss noch eine weitere überraschende Erkenntis: Auf solchen Reisen lernt man Dinge wertschätzen, von denen man gar nicht wusste, dass sie einem wichtig sein könnten. Wir sind heute zum – gefühlt – hundersten Mal in einem Hotel, in dem Viktor ständig zu stolpern droht. Wir sind ja überzeugte Treppengänger und benutzen den Aufzug eigentlich nur, wenn wir mit sehr viel Gepäck in den 4. Stock oder höher müssen. Und mit den Treppen ist das so eine Sache in Lateinamerika. Es gibt eigentlich kaum eine Treppe, bei der nicht irgendeine Stufe deutlich höher, flacher, kürzer, tiefer oder sonstwie „anders“ ist als der Rest der Stufen. Und wenn man auf so einer Treppe erstmal im Rhythmus ist, dann ist so eine „falsche“ Stufe echt nervig und auch gefährlich. Viktor hat also die Deutsche Gründlichkeit beim Treppenbau wirklich schätzen gelernt, obwohl er gar nicht wusste, dass das etwas Schätzenswertes sein könnte.

Bevor wir ins Bett gehen schauen wir über unser Smart-TV mal kurz in die Berichterstattung über die Präsidentschaftswahl in den U.S.A. und da kristiallisert sich schon heraus, was am nächsten Morgen dann zur Gewissheit wird.

Mittwoch 6.11.24 – Nasca (beide Schreibweisen sind korrekt)

Wir wachen gegen 7 Uhr auf, und die U.S.A. haben offenbar einen neuen, früheren (designierten) Präsidenten Trump. Die Freude der liberal-konservativen Welt ist auf Viktors WhatsApp- und Facebook-Kanälen beim besten Willen nicht zu übersehen. Harris scheint so geschockt, dass sie abtaucht und nicht einmal die Wahlniederlage in einer sonst üblichen Consession-Speech eingesteht und Trump gratuliert. Das scheint jetzt wohl traurige Normalität zu sein, in den polarisierten „Vereinigten“ Staaten von Amerika.

Wir frühstücken erstmal ganz entspannt und gehen dann eine Runde durch den Ort bis zur Plaza de las Armas und dann am ausgetrockneten Fluss entlang über den Platz mit den großen NASCA-Buchstaben zurück ins Hotel.

Gegen elf Uhr werden wir abgeholt von einem Van der Fluggesellschaft Aeronasca, mit der wir einen Flug über einen Teil der Nasca-Linien gebucht haben. Der kleine Flugplatz ist augenscheinlich (fast) nur für solche Flüge hier in die Wüste gebaut, an allen Schaltern gibt es diese Rundflüge, und er trägt den Namen „Maria Reiche„. Sie war die Deutsche Entdeckerin, Erforscherin und Kämpferin um den Erhalt der Nasca-Linien und stammte aus Dresden. Sie wird hier in Nasca regelrecht wie eine Heilige verehrt. Wer noch mehr über sie erfahren möchte findet hier noch weitere Details (in Deutsch, Englisch und Spanisch) aus ihrem Leben.

In dem kleinen Flieger hätten sechs Passagiere Platz – wir sind nur zu viert. Wir haben Kopfhörer, die einen Teil des Lärms verdecken, und über die der Pilot uns die 13 überflogenen Figuren erklärt. Es sollen immer die rechts und links Sitzenden einen guten Blick bekommen, weshalb das Flugzeug jedes mal eine ziemlich enge Rechts- und eine Linkskurve fliegt. Es ist so schaukelig, dass Jutta schon nach den ersten zwei Figuren speiübel ist. Sie bekommt einen mit vergälltem Alkohol getränkten Wattebausch nach hinten gereicht, der helfen soll. Die bereitliegende Tüte wird nicht gebraucht, aber zuhören kann sie ab da kaum noch. Das ist nicht so schlimm, denn die Augen funktionieren trotzdem ganz gut. Beim Aussteigen ist sie vom Angstschweiß zusätzlich nass geschwitzt, und die Übelkeit hält dummerweise noch eine ganze Weile an. Trotz allem bereut sie keinesfalls, diesen Flug gemacht zu haben. Dieses Mal ist es selbst Viktor nicht so gut gegangen, gibt er hinterher zu.

Wir lernen auf dem Flug unter anderem, dass einige der Linien mit ziemlicher Sicherheit Sternbilder darstellen. Die Spinne (die Viktor bisher für eine Ameise hielt) soll eine Darstellung des Sternbildes Orion sein, zufällig eines der Lieblingssternbilder von Viktor (sieht aus wie die Fünf auf einem Würfel, aber der mittlere Punkt ist der „Jakobsstab“ oder „Gürtel des Orion“ aus drei Sternen).

Wir ruhen uns erst im Hotel etwas aus, bevor wir uns in Mom’s Café nebenan setzen und sowohl die Nachricht über die zerbrochene Regierungskoalition in Deutschland lesen (wie es aussieht kommen wir wohl gerade rechtzeitig zu den Neuwahlen zurück nach Hause) als auch verschiedene Touren in Arequipa und Cusco buchen. Alles hing bisher an unserer Machu Picchu Tour, die jetzt für den 18.11. bestätigt ist. Um diesen Termin herum planen wir nun alle anderen Aktivitäten.

Wir entscheiden uns für ein frühes Abendessen, da wir um 18:30 Uhr in das nahegelegene Planetarium Maria Reiche gehen wollen. Bei GoogleMaps finden wir positive Rezensionen, und es soll dort recht gute Erklärungen zu den Nazca-Linien und ihrem Bezug zur Astonomie und den Sternbildern geben. Wir wollen uns zunächst vergewissern, dass der Eintrag noch stimmt und suchen den Eingang. Der ganze Block ist entweder von Bauzäunen oder einer hohen Mauer umgeben. Von Bauarbeitern erfahren wir, dass das Hotel renoviert wird, das Planetarium aber geöffnet ist. Der Eingang ist eine kleine Holztür in der Mauer. (Ein entsprechendes Schild wird erst um kurz vor 18:30 Uhr dort aufgehängt). Im nahegelegenen Restaurant Mamashana nutzen wir die Happy Hour für einen Pisco, und Jutta kann sich kaum zwischen den vielen vegetarischen Gerichten entscheiden. Am Nachbartisch sitzt eine französische Familie aus dem Elsass, der Vater spricht mit uns ein wenig Deutsch.

Als wir um 18:30 zum Planetarium gehen, erfahren wir von dem jetzt aufgehängten Schild, dass zunächst eine Vorführung auf Französisch erfolgt, dann um 19:30 auf Englisch und um 20:30 auf Spanisch. (Deutsch, Italienisch oder Portugisisch würde es nach Anmeldung für Gruppen um 21.15 Uhr ebenfalls noch geben). Im Hof steht ein Teleskop, durch das wir aber schon einmal schauen können. Es ist auf den gerade aufgegangenen Mond gerichtet, und wir dürfen ihn fotografieren. Wir gehen dann nochmal zum Restaurant zurück, geben der französischen Familie den Planetariums-Tipp und nutzen die Stunde nochmal für diesen Blog.

Mond durch das Teleskop fotografiert

Zu 19:30 Uhr sind wir wieder am Planetarium und treffen dort auch die französische Familie wieder. Nach einer kurzen Himmelsbeobachtung im Innenhof, bei der wir das Sternbild des Pegasus gezeigt bekommen (mit einem starken grünen Laser wird tatsächlich im Himmel auf die Sterne gezeigt), gehen wir in einen kleinen runden Raum, der ca. 30 Leute fassen dürfte und erhalten eine für die beschränkten technischen Möglichkeiten wirklich beeindruckende Präsentation. Die Sprache und Musik kommt vom Band, der Englische Sprecher ist Muttersprachler und gut verständlich, der vorführende Astronom Edgar zeigt mit seinem Laserpointer immer auf die gerade beschriebenen Sternbilder (Projektionsscheibe), die Linien von Nazca (Projektionsscheibe) oder eine rechteckige Beamer-Projektion weiterer Bilder und Videos.

Zum Schluss zeigt der Astronom noch ein eigenes zweiminütiges Video über Maria Reiche, von der er richtig fasziniert zu sein scheint. Maria Reiche lebte bis ins hohe Alter in Nasca, die letzten 25 Jahre kostenlos in einem Zimmer des Hotels, auf dessen Gelände auch dieses kleine Planetarium steht. Kurz bevor sie erblindete (vermutlich aufgrund der ungeschützen Augen und dem jahrelangen Sonnenlicht) nahm sie nochmal Abschied von „ihren“ Linien in der Wüste. Wir sehen einen kurzen schwarz-weißen Videoclip, in dem sie gebeugt und auf ihre Schwester gestützt ein letztes Mal durch die Wüste geht. Sie starb 1998 mit 95 Jahren als Peruanische Staatsbürgerin, denn sie erhielt kurz vor ihrem Tod die Peruanische Staatsbürgerschaft „ehrenhalber“, und ihre sterblichen Überreste wurden irgendwo in der Wüste zwischen den Linien von Nasca beerdigt.

Nach dieser Vorstellung wird im Hof das Teleskop noch auf den Saturn gerichtet, und wir können ihn richtig gut mit den Ringen erkennen, allerdings ist er so klein, dass man ihn nicht mit dem Handy festhalten kann, wie das noch beim Mond möglich war.

Donnerstag 7.11. 24 – Nasca

Nachts um ca. halb zwei werden wir geweckt. Die Erde bebt, alles wackelt, und wir sind uns nicht sicher, ob wir jetzt einen der sicheren Orte aufsuchen müssen. Im hellhörigen Hotel hören wir aber nichts dergleichen, alles still, keine Leute auf den Gängen, also bleiben wir liegen. Viktor schläft sofort wieder ein, Jutta liegt eine ganze Weile hellwach da. Beim Frühstück ist es das Gesprächsthema an allen ausländischen Tischen – für die Einheimischen war es nichts Besonderes, das Beben vor zwei Tagen war sogar noch etwas stärker.

Gestelltes Foto in „Zona Segura en caso de Sismo“ – „Sichere Zone im Falle eines Erdbebens“, meist unterhalb tragender Wände und Türstürze

Für heute haben wir nur eine Tour zu den Acueductos de Nazca gebucht, die um 13:30 starten soll. Wir können also in Ruhe ausschlafen und frühstücken. Anschließend packen wir und checken aus dem Hotel aus – die Radtaschen kommen den Tag über zum Tandem in den Gepäckraum. Wir laufen zu der Ausgrabungsstätte „Los Paredones„, die fußläufig erreichbar ist und uns mehr anspricht als die zwei möglichen Museen im Ort. Das Ticket für zehn PEN ist gleichzeitig noch für drei weitere Stätten gültig, die allerdings weiter entfernt liegen. Die Aquaeducte sind eine davon, so dass wir das Ticket dafür schon einmal haben.

Es handelt sich um ein von den Inka erbautes Verwaltungszentrum zwischen den Bergen und dem Meer. Wir laufen einen markierten Weg hoch und wieder herunter, und leider gibt es keinerlei geschriebenen Informationen am Rand. Wir finden noch die Ständer für Informationstafeln, aber die Tafeln selbst sind scheinbar abgebaut worden. So wissen wir nicht, ob die Mauern noch im Originalzustand sind oder wieder aufgebaut wurden. Wahrscheinlich teils, teils! Jedenfalls sind die Wände wieder mal eine Mischung aus Stein (Inka-typisch) und Lehm (Prä-Inka-Kulturen).

Zurück im Stadtzentrum setzen wir uns in Mom’s Café, wo wir die Routenplanung nach Santiago de Chile beginnen, bis wir im Mamashana (Restaurant von gestern Abend) ein schnelles „Almuerzo ejecutivo“ (Mittags-Menü) essen (Vorspeise, vegetarisches Chaufa plus Getränk), um rechtzeitig um 12:50 Uhr am Café auf unseren Guide für die Aquaeducte zu treffen – so steht es jedenfalls in der erhaltenen Mail. Nach 13 Uhr kommt ein Van mit Touristen, und der aussteigende Guide (Lui) ist auch der unsere. Er bittet darum, bis 13:35 Uhr Pause machen zu dürfen und wundert sich, als wir sagen, seit wann wir schon warten. Da ist augenscheinlich ein kleiner Fehler bei der Organisation passiert. Wir haben es zum Glück nicht eilig – warten einfach noch etwas in der Hotellobby.

Ein Fahrer fährt Lui und uns (wir sind die einzigen Touristen auf dieser Tour) zu den Acueductos de Nazca, und Lui erklärt uns nicht nur, wie und weshalb sie vor ca. 1350 Jahren hier gebaut wurden. Wir bekommen auch noch eine ältere Figur als die gestern gesehenen Nasca-Linien an einem Berghang zu sehen (einen Puma oder eine andere Katze) und er erklärt uns die sehr hohe Sanddüne hinter den dunkleren Felsbergen (die teilweise sehr starken Winde haben den Wüstensand hinaufgeweht und so die höchstgelegene Sanddüne Südamerikas gebildet). Es sieht so aus, als würde der Puma zu den Aquaedukten herabschauen, und als hätten die Menschen den einzigen hellen Berg aus Sand inmitten der dunken Felsenberge als Ursprungsort des Wassers für besonders heilig gehalten.

Zum Abschluss führt uns Lui zu den spiralförmigen Schächten, die als Belüftung- und Wartungsschacht dienen, denn die Aquaedukte müssen regelmäßig gereinigt und repariert werden, wenn z.B. durch Erdbeben einzelne Bereiche verschüttet sind. Das erfolgt auch heute noch, denn die Aquaedukte sind weiter in Funktion, und das Wasser wird von Bevölkerung und Landwirtschaft genutzt.

Lui hat als 13-jähriger eines der stärksten Erdbeben in Peru miterlebt, das über drei Minuten dauerte und viele Menschenleben in seiner damaligen Heimatstadt kostete. Er erinnert sich noch daran, dass er damals sicher war, die Welt würde untergehen, weil das Beben einfach nicht aufhörte. Dieses Trauma hat ihn letzte Nacht natürlich auf die Straße getrieben, so wie das seitdem bei fast jedem Erdbeben der Fall ist.

Auf der Rückfahrt unterhalten wir uns noch ein wenig mit Lui, der schon mal Deutsch gelernt hat und sich heute wieder vornimmt, es nochmal intensiver weiter zu versuchen. Wir laden ihn zu uns nach Berlin ein, er scannt den QR-Code für unseren Blog ein und erlaubt das Foto und das Video zu benutzen, in denen er auftaucht. Willkommen im Blog, Lui … and see you in Berlin!

Den Nachmittag verbingen wir in Mom’s Cafe, schreiben am Blog und stellen uns seelisch auf die Nachtfahrt mit dem PeruHop-Bus nach Arequipa ein. Dort sollen wir morgens um 5:30 eintreffen.

Der Bus kommt um halb sechs vor dem Café an, und wir können sofort unser Gepäck einpacken. Los geht es erst nach einer Pause, um 18:10 Uhr steigen alle ein. Da wir als einzige On-Hopper zu zweit sind und nebeneinander sitzen möchten, bleiben uns nur noch die zwei hintersten Sitze, direkt neben der Bordtoilette. Diese wird erstaunlich viel benutzt, und die Hälfte der Nutzer schließt die Tür hinterher nicht wieder. An Schlafen ist nicht wirklich zu denken – aus dem Toiletten-Grund (inklusive Geruch), weil es sehr eng ist und weil der Bus sehr häufig beschleunigt und abbremst. Die Straße ist sowohl schlecht als auch voller Reductores (speed bumps, Bremsschwellen, „schlafende Polizisten“), und die beiden Fahrer sind entsprechend vorsichtig, aber dadurch fahren wir selten gleichmäßig.

Freitag 8.11. 24 – Arequipa

Um halb zwei nachts hält der Bus zum Tanken, und wir können/sollen alle die Toilette besuchen. Manche der Mitfahrenden kennen diese Tankstellen-Klos noch nicht, an denen es kein Fließendwasser gibt, sondern nur einen Eimer, den man irgendwo füllen und nutzen kann – wir sind das inzwischen schon gewohnt. Um viertel vor fünf sind wir in Arequipa und es werden die Namen aufgerufen, die aussteigen sollen, weil sie von Minivans zu ihren Unterkünften gebracht werden. Wir dürfen zum Glück im Bus bleiben und werden inclusive Tandem bis um die Ecke vom Hotel Casa de Avila gebracht. Dort können wir zwar noch nicht ins Zimmer – es ist nicht einmal sechs Uhr morgens – aber dürfen ab halb acht frühstücken. Vorher gehen wir eine Runde durch die Altstadt, um wach zu bleiben und uns die angeschwollenen Füße zu vertreten.

Nach dem Frühstück sitzen wir noch ein bisschen im Garten, machen uns ein wenig frisch und gehen zu 10 Uhr zur Plaza de Armas, von wo wir eine Free Walking Tour bei Joan gebucht haben. Es warten noch zwei andere, die in unserem Bus saßen – insgesamt sind wir sieben. Joan kommt etwas später, weil er keinen Parkplatz gefunden hat. Viktor beginnt darufhin zu singen „I want to ride my bicycle ….“.

Joan beginnt fast jede Erklärung mit „My friends …“ und allzu oft sagt er „Indigenous people like me ….“, aber er ist voll engagiert und sein Englisch ist gut zu verstehen. Unter anderem erzählt er, dass in Arequipa viele spanische Auswander aus dem Baskenland und Katalonien ankamen und deshalb dort lange Zeit auch Katalanisch gesprochen wurde. Die Schreibweise seines Namens „Joan“ (nicht Juan wie im Spanischen) führt er darauf zurück. In Arequipa gibt es auch heute noch starke Unabhängigkeits-Bestrebungen und mancher nennt es auch das „Katalonien von Peru“.

Die historische Altstadt von Arequipa hat den Status eines Weltkulturerbes. Sie wird auch „Weiße Stadt“ genannt, da viele Gebäude aus dem speziellen hellen Sillar-Stein vulkanischen Ursprungs erbaut wurden, der nur in dieser Region vorkommt. Sie ist im Kolonialstil erbaut und erinnert daher stark an andalusische Städte wir Cordoba oder Granada. In einem der Innenhöfe, die wir besichtigen, fühlt man sich in den „Patio de los Leones“ in der Alhambra versetzt.

Der Name Arequipa stammt angeblich aus der Quechua-Sprache. „Ari, quepay“ bedeutet soviel wie „Ja, bleib hier“. Es liegt zwischen den Bergen und dem Meer, den zwei Gegenden, in denen in früheren Zeiten die Menschen eher gelebt haben.

Erinnerungen an die Alhambra

In der Kirche des Jesuitenklosters sehen wir unter anderem eine dunkelhäutige Jesusfigur und eine Darstellung des Abendmahls mit Cuy (Meerschweinchen), Mais und Chilischote.

Es gibt für die, die möchten, den hier überall verkauften „Queso helado“ zu probieren, der nur „Käse“ heißt, weil das Eis ein wenig so aussieht, wenn es hergestellt wird. Jutta probiert nicht, weil eine Zutat Kokos ist, und das für sie leider gar nicht geht.

Wir steigen auf verschiedene Türme oder Dächer, bekommen die drei Vulkane erklärt („Mutter“ – Chachani, „Vater“ – Misti, „Kinder“ – Picchu Picchu), hinter denen Macchu Picchu, Cusco und Puno liegen, und einige Tipps für Restaurants, Picanterias und typische Speisen.

Nach den zweieinhalb Stunden gehen wir in einem Rooftop-Café einen Kaffee trinken und eine Kleinigkeit essen, dann geht es ins Hotel, wo wir jetzt endlich ins Zimmer können. Nach einer guten Stunde des Ausruhens (mit „Lage der Nation“-Podcast zum Ende der Ampel-Koalition in Deutschland) machen wir uns noch einmal auf den Weg. Ziel ist das Recoleta-Museum, das Joan uns empfohlen hat, und das am anderen Ufer des Rio Chili liegt. Jeder Raum dort ist eher ein Museum für sich, neben Altem aus der Inka-Zeit gibt es auch Münzen (heutige), Briefmarken, Spielzeug, Naturkunde – einen roten Faden scheint es nicht zu geben. Zum Abschluss steigen wir auf den Glockenturm der Kirche – auch Viktor schafft trotz Höhenangst die schmale Wendeltreppe – und haben noch einen tollen Ausblick aus einer anderen Perspektive als heute vormittag.

Ein frühes Abendessen gibt es in einem schönen vegetarischen Restaurant in einem Innenhof in der Altstadt. Im Hotel schreiben wir nur noch und gehen früh schlafen, um morgen wieder frisch zu sein.

Samstag 9.11. 24 – Arequipa – Chivay

Wir haben eine Zwei-Tages-Tour zum Colca-Canyon gebucht und sollen zwischen sieben und halb acht abgeholt werden. Um kurz vor sieben machen wir uns an der Rezeption einen Coca-Tee (gestern Abend als Beutel gegen die Höhenkrankheit gekauft – die eigentlich besseren Blätter sind uns zu unpraktisch), um sieben dürfen wir uns Brötchen im Frühstücksraum machen. Während Jutta noch kaut kommt der Van. Wir sind die letzten Eingesammelten und haben die Plätze vorne rechts und hinten links. Die Gruppe besteht aus vier Spaniern, zwei Italienern, zwei Kanadiern, einem Mexikaner und fünf Deutschen (die anderen drei Deutschen sind erst heute früh mit Peru-Hop aus Nasca gekommen). Unser Reiseführer heißt Raúl und spricht hervorragendes English mit einem überraschend großen und guten Vokabular. Später finden wir heraus, dass er mehrere Jahre in den USA war und unter anderem auch in einem Deutschen Restaurant in Colorado gearbeitet hat.

Auf der Fahrt erklärt er uns unter anderem, wie wir mit Cocablättern wirkungsvoll gegen die Höhenkrankheit vorgehen können, die uns heute allen droht.

Auch bezüglich des vielen Mülls am Straßenrand erhalten wir nochmal interessante Einsichten von Raúl. So sind die „Municipalidades“ (Gemeinden, Städte) verpflichtet, vier mal im Jahr den Müll einzusammeln und zu entsorgen, der sich an den Straßen angesammelt hat. Trotzdem sieht es nach kürzester Zeit wieder genauso aus wie vorher. Hier im Nationalpark kommen bei jeder Sammlung 10 bis 15 Tonnen Müll zusammen.

Heute fahren wir 150 km nach Chivay, der Hauptstadt der Provinz Caylloma. Das erste Mal halten wir noch am Stadtrand an einer Tienda, wo wir uns noch Wasser und Coca kaufen können/sollen, da es hochgehen wird bis auf 4900 m.ü.N.N.. Wir kaufen „nur“ Schokolade, die ebenfalls ein wenig helfen soll in der Höhe, weil wir den Tee ja schon haben. Wir fahren erst einmal um den Chachani herum und können diesen und den Misti von der anderen Seite als aus Arequipa sehen – schneelos, da hier die Sonne länger draufscheint.

Hier in den Bergen leben die Vicuña, eine wilde Art von Alpacas, und wir halten mehrfach, um sie sowohl aus dem Auto als auch draußen anschauen und fotografieren zu können. Vicuñas liefern das beste und teuerste Naturhaar und dürfen von den Bewohnern des Nationalparks alle zwei Jahre geschoren werden. Dazu werden sie von hunderten Menschen großräumig eingekreist, und der Kreis wird dann allmählich immer enger gezogen. Das Scheren selbst muss bei jedem Tier innerhab von drei Minuten geschehen, da sie sonst aufgrund des Stresses einen Herzinfarkt erleiden können.

Wir fahren auf der Carretera Interoceanica und wollen vor einer bestimmten Uhrzeit an einer Baustelle sein, um daran vorbeifahren zu können. Falls wir nach zehn dort ankommen, wird die Vorbeifahrt erst ab 13 Uhr wieder möglich. Vor dem Abzweig nach Puno sind sehr viele LKW auf der Straße, und so sehen wir den Stau vor der Baustelle schon von ziemlich weit. Es geht aber etappenweise immer weiter, und wir kommen um halb zehn durch. Hier beobachten wir auch nochmal aus der Nähe, wie respektlos die peruanischen Autofahrer miteinander umgehen. Es herrscht absolutes Chaos. Jeder sucht den eigenen noch so kleinen Vorteil. Beide Fahrbahnspuren werden kreuz und quer benutzt, um sich gegenseitig zu überholen und vielleicht zwei Plätze gutzumachen. Nur blockieren sich alle dabei gegenseitig so sehr, dass sich manchmal minutenlang garnichts mehr bewegen kann, bis sich der Knoten irgendwie wieder aufgelöst hat. Es ist irgendwie beruhigend, dass die Respektlosigkeit, die wir hier häufiger auf unserem Tandem erfahren, nicht speziell den Radfahrenden gilt. Es ist offenbar einfach Teil der „Verkehrskultur“ in Peru.

Wir halten an einer Stelle, an der domestizierte Lamas, Alpakas und Schafe gemeinsam grasen und an einer anderen, an der wir Fotos mit Lamas machen können. An einer weiteren Stelle halten wir zum Beobachten von Vögeln. So haben wir immer wieder Möglichkeiten, uns nach und nach an die zunehmende Höhe zu gewöhnen.

An der Pampa Canahuas bei 4080m gibt es eine Einkehrmöglichkeit. Es wird uns empfohlen, den dortigen Inka-Tee (Mischung aus Coca, Muña= Andenminze und Chachacoma) zu trinken und die vermutlich höchstgelegenen Toiletten unseres gesamten Urlaubs zu benutzen ;-).

Der höchste und letzte (Zwischen-)Stopp ist der Mirador de los Vulcanes/de los Andes auf ca. 4900 m.ü.N.N..

Von dort fahren wir nach Chivay – es ist inzwischen 13 Uhr, und wir gehen zu einem Mittagsbuffet im Restaurant Mistituris mit sehr großer Auswahl an Vor-, Haupt- und Nachspeisen, unter anderem auch mit Alpaca-Fleisch. Anschließend werden wir in verschiedene Unterkünfte gebracht.

Nach einer Stunde Pause geht es zu den heißen Quellen „Aguas Termales AguaVerde„. Wir haben Zeit, uns in den fünf verschiedenen Becken mit aufsteigender Temperatur zu entspannen (zwei unter freiem Himmel, weitere drei überdacht).

Um zu den Bädern zu gelangen müssen wir eine Behelfsbrücke überqueren, da die letzte Brücke in der Regenzeit weggeschwemmt wurde. Viktor hat etwas Schwierigkeiten, kommt aber dann doch ganz gut rüber.

auf dem Rückweg

Zurück im Hotel können wir ein wenig am Blog schreiben, bevor es zum Abendessen im „Las Quenas“ geht. Wir haben zusammen mit dem italienischen Pärchen das Angebot angenommen, gemeinsam mit Raúl essen zu gehen. Alle anderen Tour-Teilnehmer liegen entweder mit Höhenbeschwerden flach oder gehen alleine irgendwo anders essen. In unserem Restaurant wird Live-Musik geboten und ein Tanzpaar führt verschieden lokale Tänze vor, u.a. Witiki, Qamili, Chukchu und Wayra, in die die Gäste kräftig mit einbezogen werden. Es wird ein heiterer, aber auch ein anstrengender Abend.

wir tanzen einen Weltkulturerbe-Tanz

Um 21:00 fallen wir mehr oder weniger fertig ins Bett. Um 5:45 soll es Frühstück geben, denn wer Condore im Flug sehen will muss früh raus. Manchmal ist Radfahren weniger anstrengend als ein Touristenprogramm.

Sonntag 10.11. 24 – Chivay – Arequipa

Wer hätte gedacht, dass in einem 5000 Seelen Ort die ganze Nacht laute Musik im Ort gespielt wird? Wir sind jedenfalls nicht vorbereitet und können entsprechend schlecht schlafen. Trotzdem sind wir um 5:45 Uhr im fertig eingedeckten Frühstücksraum und um halb sieben ausgecheckt vor der Tür. Während wir in unseren Van einsteigen, hält gerade vom selben Touranbieter einer, deren nachts um drei losgefahrene Insassen jetzt hier ihr Frühstück erhalten (wir hatten uns gegen diese Eintages-Tour entschieden wegen des frühen Starts).

Bei schönstem Sonnenschein und leichtem Wind fahren wir in Richtung des Mirador Cruz del Cóndor. In Yanque halten wir kurz an: wir können Getränke kaufen und den hier jeden Morgen tanzenden Schulkindern etwas Geld spenden – sie sammeln für eine Abschlussfahrt am Schuljahresende und tanzen dafür täglich frühmorgens eine Stunde bevor sie zur Schule gehen, weil sie wissen, dass viele Touristen um diese Zeit hier durchkommen.

Am Kreuz des Kondors stehen schon eine Menge Touristen, aber wir fahren daran vorbei, denn Raúl weiss aus Erfahrung, dass es eine bessere Stelle zum Sichten der Kondore gibt. Und wirklich! Ein Stück weiter sind wir fast unter uns und sehen mindestens sechs der großen Vögel (ein Zehntel alle hier in der Gegend lebenden).

Selbst auf dem Weg zurück zum eigentlichen Mirador halten wir noch einmal an, weil schon wieder ein Kondor in der Nähe kreist. Die vielen Menschen am Mirador sehen heute leider nur die als Kondor verkleideten Menschen und bekommen erklärt, dass die Vögel heute schon früher zum Pazifik aufgebrochen sind, weil dort die Seelöwen gerade Junge bekommen und die Kondore es auf deren Plazentas abgesehen haben. Das mit den Plazentas stimmt zwar, aber etwas weiter im Tal direkt oberhalb der Nester haben wir ja dank Raúl zahlreiche Kondore kreisend aufsteigen gesehen. Er zeigt uns auch noch eine Stelle, an der gezielt Tier-Kadaver ausgelegt werden, um die Chance zu erhöhen, dass die Kondore ihr Fressen hier im Tal finden und nicht zum Pazifik fliegen, damit die vielen täglichen Touristen nicht vergebens kommen.

Mirador Cruz del Cura

Auf der Rückfahrt halten wir an einem weiteren Mirador, um uns dort den Übergang vom Colca-Tal mit seinen vielen Terrassen zum Colca-Canyon angucken zu können.

Im Ort Maca ist der letzte Halt. Dieser Ort sackt jährlich um drei bis vier Zentimeter ab, weil er auf pflanzlichen Sedimenten gebaut ist, die immer weiter zusammenfallen. Wir bekommen die Sancayo (Kaktusfrucht, auch peruanische Kiwi genannt) zu kosten und können entweder einen Saft davon oder einen Colca Sour – Pisco Sour mit Sancayo – kaufen. Wir finden aber ein Café mit Espressomaschine und ziehen einen Milchkaffee vor. Außerdem werfen wir einen Blick in die Kirche Santa Ana de Maca.

Irgendwann unterwegs zeigt uns Raúl noch kleine Knollen und lässt uns raten, was das wohl sein könnte. Es sind tatsächlich auf natürliche Weise gefriergetrocknete Kartoffeln, die bis zu 25 Jahre lagerfähig sind. Sie werden im Winter auf über 4.000 Meter Höhe über Nacht im Freien gelagert und frieren dann bei ca. minus 15 Grad Celsius ein. Wenn dann morgens die Sonne herauskommt und auf die Kartoffeln scheint, verdunstet das Wasser aus den Kartoffeln bei Minustemperaturen (auch dank des niedrigen Luftdrucks in dieser Höhe) und sie verlieren 80% ihres Wassergehaltes. Übrig bleiben die gefriergetockneten unfassbar lange haltbaren Kartoffeln.

Kurz vor Chivay bekommen wir im Wititi Restaurant noch einmal ein Mittagsbuffet, bevor in Chivay selbst dann acht von uns den Bus wechseln müssen, weil diese acht weiter nach Puno statt zurück nach Arequipa fahren. Auf der Rückfahrt sind wir dann nur noch zu sechst. Obwohl Sonntag ist, sind viele LKW unterwegs (hier gibt es kein Sonntagsfahrverbot) und auf der Baustelle wird ebenfalls gearbeitet. Wir kommen vier Minuten vor einer Sperrung noch dort durch, andernfalls hätten wir wohl drei Stunden warten müssen.

Um kurz vor vier werden wir am Hotel abgesetzt und gehen dann noch in die Altstadt. Dort sind am Hauptplatz sehr, sehr viele Menschen, stehend und irgendwo sitzend, und wir fragen uns, ob sie wohl auf irgendetwas warten. Wir bekommen es nicht heraus – irgendwann hat sich die Menschenmenge aufgelöst. Wir besorgen uns für die morgige Ganztagesbusfahrt Proviant und gehen noch bei Mumis essen, einem Italienischen Restaurant, das vollhängt mit alten, schwarz-weißen Familienfotos, die aussehen, wie die alten Bilder unserer Eltern (die Menschen darauf sind augenscheinlich keine Südamerikaner).

Lang wird der Abend nicht mehr, denn wir müssen morgen um halb sechs fertig an der Straße stehen.

Woche 31 (28.10.24 – 3.11.24) Lima – Pisco

Montag 28.10.24 – Lima (Ruhetag)

Viktor hat gestern abend zwar nicht viel, aber zu scharf und fettig gegessen, und sein Darm rebelliert schon wieder, außerdem hat ihn jetzt noch eine Erkältung im Griff. Nach dem Frühstück legt er sich deshalb noch einmal ins Bett, Jutta liest währenddessen und packt zwei Pakete.

Um 9:30 Uhr machen wir uns auf den Weg, um unser Tandem bei 13Bikers abzuholen. Das wird ein nettes kleines Treffen, denn Manuel bittet uns, ein kurzes Interview für seinen 13Bikers-Instagram-Auftritt mit uns führen zu dürfen. Da sagen wir nicht nein, auch wenn Viktors Stimme extrem rau (gegen den erbitterten Widerstand von Viktor ohne „h“ geschrieben – seit 1996 so richtig) ist und zwischendurch wegzubrechen droht. Da das Tandem blitzblank ist, die Ketten wie geleckt aussehen, die Rohloff-Schaltung gut eingestellt ist und die vordere Bremse schön greift, wird es natürlich ein rundum positives Interview.

Eigentlich wollen wir danach erst die Pakete zur Post bringen und danach ins „Museo de Sitio Huallamarca„. Aber Viktor fühlt sich nach der kurzen Tandem-Fahrt zum Hotel wieder kränklich und legt sich nochmal hin. Als er bereit zum Losgehen ist, ist es schon nach ein Uhr mittags. Wir nehmen ein Taxi für die gut zwei Kilometer und sind gegen halb zwei vor der Post. Das Gitter ist geschlossen, obwohl die Öffnungszeit bis 17 Uhr sein soll. Viktor klopft energisch, und eine Frau steckt den Kopf aus einer Tür und sagt, sie würde bis zwei Uhr „Refrigerio“ machen, so heißt hier in Peru offenbar die Mittagspause. Zu unserem Glück ist direkt nebenan das Piola-Café, in dem wir nicht nur die Wartezeit verbringen, sondern nach Öffnung der Post (um 13:45!) auch die nötigen Formulare ausfüllen. An den Wänden hängen diverse Rucksäcke und Taschen mit einem Logo mit Fahrrad. Piola ist nämlich eine kleine Manufaktur, das Café ist nur der Nebenbetrieb.

Da man bei der Post nur bar bezahlen kann, geht Jutta auf die Suche nach einem Geldautomaten, während Viktor wieder u.a. Fingerabdrücke abgeben muss, um Pakete aufzugeben. Unser in einem DHL-Karton eingepacktes Paket wird gegen 3 Soles von der Postfrau in einen neutralen Karton umgepackt. Wenn sie von einem Konkurrenzunternehmen einen Karton annimmt, wird sie angeblich entlassen. Die zwei Pakete kosten uns über 500 Soles (über 100 Euro), aber dafür haben wir jetzt einiges an Ersatzteilen und Equipment endgültig zurück nach Deutschland geschickt, so z.B. den Campingkocher und das dazugehörige Kochgeschirr, das wir aus Medellín noch per Paket nach Lima geschickt hatten, weil wir damit rechneten, irgendwo in der Wüste von Peru oder Chile zu zelten und uns selbst verpflegen zu müssen. Wir wissen nun, dass wir die Gegenden, in denen das passieren könnte, sowieso mit dem Bus (oder anderen Transportmöglichkeiten) überbrücken werden. Unser Zelt nehmen wir für den Notfall zwar weiter mit, aber uns unterwegs auf Campingplätzen oder beim wilden Campen selbst zu bekochen, das werden wir zu vermeiden wissen.

Als wir endlich dort fertig sind, ist es inzwischen 15 Uhr. Viktor geht es eh nicht gut, und das Museum schließt um 17 Uhr, der Weg dorthin würde noch einmal 30 Minuten dauern, also lassen wir uns von einem Taxi wieder zum Hotel fahren. Viktor legt sich hin, Jutta geht noch ein paar Getränke und ein paar Milliarden Darmbakterien kaufen und dann auch ins Hotel.

Abendessen gibt es – es tut uns wirklich leid für die gute Peruanische Küche – bei Chili’s direkt neben dem Hotel, denn dort bekommt Viktor einfaches Kartoffelpürree und Bohnen ohne überraschende Schärfe oder andere Darmrisiken.

Dienstag 29.10.24 – Lima (Ruhetag)

Heute morgen hustet Viktor grünen Schleim ab, weshalb wir im Hotel noch einmal zwei Nächte verlängern, um am Donnerstag dann hoffentlich weiterfahren zu können.

Nach dem Frühstück wollen wir (trotzdem) zum „Museo de Sitio Huallamarca“ fahren, dem zweiten archäologischen Museum, das uns empfohlen wurde. An der Straße vor dem Hotel bekommen wir heute kein Taxi zu fassen, nach einiger Wartezeit lassen wir uns eines vom Hotel rufen. Nachdem wir das Geld einem Herren gegeben haben, fährt uns ein anderer durch viele Staus zum Eingang der Stätte: es ist ein Ausstellungsraum und eine Pyramide (inmitten von umgebenden Hochhäusern, was etwas skurril wirkt). Just, als wir in die Ausstellung gehen, geht das Licht aus: auch in Peru ist jetzt einmal Stromausfall. Also besichtigen wir die Pyramide, die ab 200 vor Christus erbaut wurde, später (ab ca. 1400) von den Incas umgebaut wurde und im letzten Jahrhundert leider ziemlich „geplündert“ wurde, bis sie in den 1960-er Jahren wieder aufgebaut wurde, dann nicht mehr oval, sondern eckig (also nicht originalgetreu), warum auch immer. Als wir draußen fertig sind, ist der Strom noch nicht wieder da. Wir schauen uns das kleine Museum ein wenig im Dunkeln an, verlassen es dann aber und laufen ein wenig durch die Straßen. Hier in Lima gibt es sehr viel Straßengrün, und viele Blöcke sind kleine Parks – das ist richtig schön, und das hatten wir schon sehr lange nicht mehr.

In einem Starbucks machen wir eine Trinkpause, bevor wir uns von einem Uber zum Museo Nacional de Arqueología, Antropología e Historia del Perú bringen lassen. Dieses wird zu einem großen Teil gerade erneuert, so dass wir eigentlich nur den Teil mit der Geschichte Perus ansehen können – vor allem, wie Peru unabhängig wurde. Und die Beschriftung ist ausschließlich auf Spanisch, bis auf eine Tafel pro Raum, was für Jutta etwas herausfordernd ist (das sind alles Vokabeln, die man nicht täglich hört…). Immerhin gibt es einen kleinen Bereich im Innenhof, der eine Übersicht der präkolumbianischen Kulturen Perus „Von Lima bis Inca“ bietet.

Der Uber-Fahrer, der uns im Anschluss zurück zum Hotel fährt, nimmt die Küstenstraße – ein ziemlicher Umweg, aber z.Z. wohl am schnellsten – die wir noch nicht gesehen haben. Das kommt einer kleinen Stadtrundfahrt nahe und wir sehen zum ersten Mal die Strände und die steilen Hänge Limas. Über sehr viel Natursteinpflaster fahren wir an der richtigen Stelle die steilen Felsen nach Miraflores hoch, mit einem Fahrrad kann man hier eher nicht fahren.

Den späteren Nachmittag verbringen wir im Hotel wieder einmal mit dem Planen und Verwerfen verschiedener Routen für Peru, Bolivien, Chile und Argentinien im November und Dezember. Entweder gibt es keine asphaltierten Straßen an den richtigen Stellen oder die Strecken auf Asphalt sind dermaßen lange Umwege, dass sie ebenfalls nicht in Frage kommen. Irgendwie wollen wir schöne Radfahrstrecken mit der Besichtigung von Nasca, Cusco, Machu Piccu, Titicaca-See und dem Salar de Uyuni kombinieren und gleichzeitig zu Weihnachten in Santiago de Chile sein. Derzeit erscheint das wie die Quadratur des Kreises.

Ein halbes Abendessen gibt es am frühen Abend noch im Hotel, für mehr reicht der Appetit nicht aus, und dann ist der Tag auch schon wieder fast vorbei. Noch ein wenig am Blog schreiben und … gute Nacht!

Mittwoch 30.10.24 – Lima (Ruhetag)

Da es Viktor immer noch nicht gut geht (anhaltender Husten und Durchfall), besorgt Jutta nach dem Frühstück ein paar Bananen und Haferflocken, und Viktor macht sich auf den Weg zur „Policlinico de Miraflores“, die ihm von Susana empfohlen wurde.

Auf dem Weg zu Poliklinik kommt er noch an einer Werkstatt vorbei, in der einige Transformers-Figuren stehen. Und vor der Werkstatt steht ein Auto, das stark vom DeLorean aus „Zurück in die Zukunft“ inspiriert scheint.

Am Empfang der Klinik erkennt eine Schwester (oder Ärztin?) aus einigen Metern Entfernung angeblich an Viktors trockenen Zunge, dass er dehydriert ist und will ihm eine Infusion legen lassen, die zuständige Ärztin nimmt aber davon wieder Abstand. Stattdessen soll er zehn Tage lang das Peruanische Perenterol (heißt hier Floratil) nehmen und heute mehrere Male Glucose-Elektrolyt-Lösung trinken. Außerdem ist absolute Schonkost („Dieta Blanda“), nichts Gebratenes oder Frittiertes angesagt, keine eiskalten Getränke und kein Eis (Horror!). Gegen den viralen Atemwegsinfekt soll er zweimal täglich Ibu 400 nehmen … (das lässt er aber sein). Als er dort fertig ist, beschließen wir, heute das „Museo de Sitio Huallamarca“ zu besuchen, das ganz in der Nähe ist.

Jutta macht sich sofort zu Fuß auf den Weg dorthin, hat außerhalb des Hotels kein Internet und bekommt die Nachricht nicht mehr, dass Viktor in einem Restaurant warten will. Telefonisch bekommen wir uns dann aber noch am Museumseingang verabredet. Hier darf man nur mit einem offiziellen Guide auf das Gelände, die englischsprachige Gruppe ist recht groß – dieses Museum ist eines der am meisten besuchten in ganz Peru.

Auch hier gibt es u.a. eine Pyramide, die aber völlig anders ist als die gestern gesehene, die ganz in der Nähe steht. Hier haben die „Lima“ von ca. 200 bis 650 n.Chr. in „Bücherregal-Bauweise“ beständig und erdbebensicher aus ungebrannten Lehmziegeln gebaut. Anschließend lebten hier bis ca. 1100 n.Chr. die „Wari“ und bis 1450 n.Chr. die „Ychsma“, und alle bauten weiter nach oben, bis es dann die insgesamt sieben Ebenen gab. Als nach 1500 die Inca auch hierher kamen, fanden sie nur noch einen Hügel vor, der sie nicht interessierte, und zogen weiter in den Süden.

Gut, dass wir notgedrungen diese Reihenfolge genommen haben – umgekehrt wäre die Stätte von gestern eher enttäuschend gewesen.

Nach der etwa einstündigen Tour lassen wir uns per Taxi zum Hotel zurück fahren. Viktor meint inzwischen, dass er morgen wieder auf’s Tandem steigen kann, ruht sich jetzt wieder ein wenig aus, und dann machen wir in der Tiefgarage schon einmal alles wieder ans Tandem, was wir nicht mehr im Zimmer benötigen. Jutta besorgt Getränke und Snacks, und dann warten wir, dass sich Susana meldet, weil wir noch mit ihr Kaffee trinken gehen wollen.

Sie schreibt allerdings erst gegen sechs, dass sie jetzt mit dem Mittagessen fertig ist und noch eine Stunde für den Weg zurück benötigt. Ihr Treffen mit den alten Schulfreunden findet einfach zu selten statt. Wir verabreden also stattdessen einen Gegenbesuch in Berlin bzw. Hohen Neuendorf.

Im Restaurant des Hotel Ibis gibt es zum Aberndessen tatsächlich eine Hühnerbrühe mit Reis für Viktor und einen Pfefferminztee aus frischer Pfefferminze.

Donnerstag 31.10.24 – (118) – Miraflores – San Bartolo

Gesamt: 7.184,42 km

In der Nacht ruft Viktor die Rezeption an, da (von oben) Musik in unser Zimmer dringt und uns vom Weiterschlafen abhält. Kurz darauf klingelt das Zimmertelefon (nachts um drei!) – ob denn jetzt alles wieder leise sei?

Um halb sechs stehen wir auf, packen alles incl. dem Tandem, frühstücken frühestmöglich um halb sieben und sind für sieben verabredet mit Rodrigo, dem Schwager von Sergio (in Mancora getroffen). Er wird heute gemeinsam mit uns nach San Bartolo fahren und kennt eine gute Radfahrstrecke aus Lima heraus.

Rodrigo ist schon über 70 Jahre alt und hat erst vor kanpp zwei jahren mit dem Radfahren begonnen. Er kennt die Strecke Richtung Süden recht gut, fährt aber normalerweise auf Nebenstraßen, die in schlechtem Zustand und teilweise auch nur Schotterwege sind. Heute führt er uns über Radwege aus Lima heraus und dann über die Panamericana weiter nach Süden. Er fährt vorneweg und sein Tempo ist vielleicht ein wenig schneller als wir normalerweise fahren, aber wir kommen gut mit. Rodrigo ist im Ruhestand und hat früher für eine Holzfirma gearbeitet, die Stützholz für die Minen (Silber, Kupfer) in Peru liefert. Seit dem Beginn des Bergbaus durch Kanadische Unternehmen wird dazu in Peru das umstrittene Eukalyptus-Holz angebaut und genutzt. Wie wir später feststellen, soll auch die Lagune in der Oase Huacachina bereits Opfer des Eukalyptus-Anbaus sein, weil er sehr viel Wasser benötigt.

Tatsächlich landen wir schon in Lima relativ bald auf einem Radweg, und bis auf einen Teil auf der Autobahn zwischendurch fahren wir eigentlich immer auf einem solchen. Manchmal rechts, manchmal links, manchmal mittig, z.T. ziemlich versandet, aber immer abgetrennt von der Straße. So schnell wären wir ohne die Hilfe wohl nicht aus der Stadt herausgefahren, und wir hatten die heutige Strecke wegen der erwarteten schwierigen Stadtfahrt extra kürzer geplant.

Mit einer Pause an einer Tankstelle und einem kurzen Umweg mit Halt an der Playa Caballeros (eine Bucht daneben liegt die Playa Señoritas 😉 ) sind wir schon um 11 Uhr an der Adresse unserer Unterkunft. Um wenigstens die Räder abzustellen und dann mit Rodrigo noch in den Ort zu gehen, muss Viktor den Vermieter anrufen, um zu erfahren, wo wir genau hinmüssen. Irgendwann kommt ein Herr, sucht mit Handy am Ohr den richtigen Schlüssel zu einem Apartment, händigt uns diesen aus, ohne zu sagen, welche Wohnung in dem Haus mit mehreren Stockwerken die angemietete ist. Also ruft Viktor wieder an. Das Apartment hat weder Toilettenpapier oder Seife noch WIFI, aber dafür Meerblick (und Kabelfernsehen!). Und diesen muss man eben teuer bezahlen! Wir zahlen hier mehr für die Nacht als im Zentrum Limas im Hotel Ibis für eine Übernachtung mit Frühstück. Per WhatsApp erfahren wir vom Vermieter, dass bei Booking.com alles korrekt beschrieben sei, keine Handtücher, kein Wifi, kein Toilettenpapier. Aber er will uns trotzem jemanden schicken, der noch einige Utensilien und Handtücher bringt, als freiwillige Sonderleistung, damit wir uns wohlfühlen.

Mit Rodrigo gehen wir auf einem schönen Weg die Bucht entlang zum Zentrum des Ortes und finden ein Eiscafé, das für Viktor nicht nur Sorbet-Sorten sondern auch schwarzen Tee hat, und verbringen dort noch Zeit mit unserem Begleiter, der sich im Anschluss mit seinem Rad von einem Taxi zurück nach Lima bringen lassen will.

Während wir dann im Zimmer auf die Handtücher, Seife und Toilettenpapier warten, nutzen wir Viktors mobile Daten, um wenigstens ein wenig am Blog zu schreiben und das Busticket für den Peru-Hop-Bus zu kaufen. Wir haben uns jetzt endgültig entschieden, Cusco, Machu Piccu und den Salar de Uyuni in Bolivien per Bus in unsere Tour einzubauen. Das wird eine ziemlich große Busrunde. So werden wir jetzt noch vier Tage bis kurz vor Nasca an der peruanischen Küste radfahren und dann in Etappen per Peru-Hop-Bus einige peruanische und bolivianische Sehenswürdigkeiten besuchen. Mit dem Tandem weiterfahren wollen wir dann erst wieder Anfang Dezember in Chile, südlich der Atacama-Wüste, von Copiapo nach Santiago de Chile (~1.000 km), so jedenfalls der grobe Plan.

Abendessen gibt es heute bei einem Argentinier, der die Hühnersuppe für Viktor mit entsprechendem Akzent serviert („Sopa de Pollo“ ausgesprochen „Sopa de Poscho“). Auf dem Rückweg durch den Ort sehen wir viele verkleidete Kinder und Jugendliche, die in den Läden am Hauptplatz „Happy Halloween“ aufsagen und Süßigkeiten sammeln.

Als wir ins Apartment zurückkehren, haben wir noch keine Handtücher im Apartment, aber auf dem Gang läuft eine Frau mit Wischmopp herum, die aussieht, als könnte man von ihr auch Handtücher erhalten. Viktor spricht sie an und tatsächlich war sie auch damit beauftragt, uns Handtücher ins Apartment zu legen, nur leider haben wir Dank der frühen Anreise jetzt offenbar alle Schlüssel in unserem Besitz, und auf ihr Klopfen hat niemand geantwortet.

Damit ist das Handtuchproblem also gelöst. Allerdings hat Jutta gar keine Lust mehr, sich zu duschen und behauptet, sie hätte heute gar nicht geschwitzt. Tatsächlich vertraut sie aber der Konstruktion in der Dusche nicht so recht, denn dort hat ein Handwerker ähnlicher Qualität wie Viktor, den Duschkopf mit Power-Tape „repariert“.

Also geht Viktor ins Bad und dreht erstmal das warme Wasser auf. Es läuft und läuft und läuft …. und bleibt kalt. Also erstmal wieder abdrehen. In der Küche ist ein eigenartiger Boiler an die Wand geschraubt, Kabel schauen aus der Wand und sind irgendwie mit dem Teil verbunden, teilweise sind lose Kabelenden miteinander verzwirbelt … aber immerhin mit Isolierband isoliert. Darunter eine Sicherung mit Kippschalter. Viktor schaltet die Sicherung ein und tatsächlich … am Boiler leuchtet ein rotes Licht auf. Viktor schreibt dem Vermieter, ob es nötig sei, diesen Boiler einzuschalten, um warm zu duschen. Dieser bestätigt per Sprachaufnahmen-Nachricht.

Zum Abschied raten wir dem Vermieter am nächsten Tag per WhatsApp zu einer kleinen Anleitung, die im Apartment liegen sollte, mit Informationen zu fehlendem Toilettenpapier, Handtüchern, Warmwasser etc.. Wir sind auf Wangerooge schließlich auch erfahrene Booking.com Vermieter (was Viktor nicht verschweigen kann 😉 ) und kennen solche Problemmieter, die ständig Fragen stellen. Er bedankt sich auch artig für den Hinweis („Consejo“). 😉

Am Ende entscheidet sich Viktor übrigens, heute auch nicht gschwitzt zu haben – bis das Wasser im Boiler warm ist wird es vermutlich Mitternacht.

Freitag 1.11.24 – (119) – San Bartolo – Rosario (de Asia)

Gesamt: 7.242,12 km

Gegen halb acht haben wir fertig gepackt. Viktor holt das Tandem aus dem Segelclub, in dem wir es abstellen durften, während Jutta alle Taschen die Treppen hinunter trägt. Wir müssen noch frühstücken und Getränke/Bananen für die Fahrt kaufen. Hier im Ort ist ein OXXO – dort gibt es heiße Getränke, (Trink-) Joghurt und Zwieback zum Frühstück. Wir sehen ziemlich viele junge Frauen zum Hauptplatz strömen, alle sind im schwarzen Kostüm gekleidet und tragen schwarze Sport (?)-Taschen bei sich. Wir tippen auf Musik zum Allerheiligen, bis Jutta auffällt, dass sie allesamt einen Kurzhaarschnitt haben. Das ist für Lateinamerikanerinnen völlig untypisch! Viktor fragt im OXXO, und wir bekommen die Erklärung: sie alle besuchen die Polizeischule hier im Ort! Dort dürfen sie keine langen Haare tragen. (Und wie es aussieht, lernen hier angehende Polizisten und Polizistinnen getrennt voneinander.)

Der Minimarket Panamá gegenüber öffnet um acht, dort hatten wir gestern beim Obst auch Bananen gesehen. Heute ist nur noch eine einzige (ziemlich schwarze) übrig, also kauft Jutta nur Getränke, Viktor in der Markthalle die Bananen. Und endlich können wir los.

Ganz kurz gibt es auch heute noch einen Radweg, anschließend fahren wir auf einer heute sehr vollen Panamericana-Autobahn. Eine Toilettenpause machen wir an einer Stelle, an der sehr viele Autos rausfahren: es sieht aus, wie ein Restaurant, das sehr, sehr gut angenommen ist (die Menschen stehen Schlange), und es liegt mitten im Nirgendwo in der Wüste. Ebenfalls mitten im Nichts scheint die weltbeste Universität im Ranking 2024 zu liegen. Wir sehen nur die Schilder und ein einziges Gebäude, alles andere muss hinter den Bergen liegen. Hier haben die Studierenden jedenfalls keinerlei Ablenkung!

An einer Tankstelle machen wir ein kurze Pause, essen unsere Bananen und ein bisschen Zwieback (Pan Bimbo Zwieback). Ein junger Hund mit erkennbarer Hüftdysplasie stromert hier herum, wird von den unmotivierten Mitarbeiterinnen der Tankstelle offenbar geduldet, aber nicht wirklich gemocht. Er leckt die Zwieback-Krümel vom Boden, die uns herunterfallen und als ein Auto wegfährt „trinkt“ er das Kondenswasser aus der Klimaanlage, das als Pfütze am Boden liegt. Viktor gibt ihm einen halben Zwieback, den er sofort frisst, und auch den Eimer Wasser, den wir ihm hinstellen, nimmt er sofort dankbar an.

Scheinbar warten die beiden Tankwärterinnen heute noch auf den Tanklastwagen, der ihnen Benzin liefert, jedenfalls besteht ihr ganzer Job darin, allen Autos, die auf die Tankstelle fahren, kopfschüttelnd zuzuwinken und dabei anzuzeigen, dass sie weiterfahren sollen. Hier kann man heute offenbar nicht tanken. Nach einer Viertelstunde Pause beobachten wir eine von beiden Tankwärterinnen dabei, wie sie Verkehrskegel aufstellt, die die Zufahrt zu einigen Zapfsäulen versperren, was aber wenig bewirkt, denn die Autos kommen weiterhin angefahren und stellen sich an die noch unversperrten Zapfsäulen.

Weiter geht es auf der Panamericana. Zweimal kommt der Autoverkehr dermaßen ins Stocken, dass wir auf dem Standstreifen schneller sind und erhobenen Hauptes vorbeifahren (Die Prinzen: … und sind immer schneller da) – solange nicht irgendwelche Blödköpfe mit ihrem Auto auf den Standstreifen fahren und dort steckenbleiben. Viktor wünscht, so jemanden im Graben zu sehen, und tatsächlich passieren wir bald einen Pick-Up, der halb im Graben liegt.

An der Straße sind sehr viele Stände, an denen man „Pan …“ kaufen kann, es ist uns aber noch zu zeitig. Als wir nach 25/30 km so weit wären, gibt es leider nichts in der Gegend. Nicht einmal zehn km vor dem Ziel ist neben einer Tankstelle ein kleines Restaurant, das u.a. Pan Artesanal anbietet. Wir halten und bestellen drei einfache und ein Olivenbrötchen. Das pure Brot ist gar nicht so pur, es enthält Anissamen im Teig.

Die Landschaft ist heute durchaus ansprechend. Wir sind zwei weiter in der Wüste, aber immerhin kommen wir immer wieder nah ans Meer und haben wunderschöne Ausblicke auf die Küste. Ein Hauch von Highway No. 1 in Kalifornien. Unter anderem kommen wir an der Playa Leon Dormido (schlafender Löwe) vorbei, an dem ein Felsen im Meer wirklich sehr stark an einen schlafenden Löwen (oder Hund? Siehe oben das Tagesbild) erinnert.

Gegen halb zwei haben wir die Hospedaje Olas Inn erreicht. Während Viktor das Tandem nach hinten schiebt, entdeckt Jutta im Treppenhaus den Zettel mit dem WIFI. Sehr schön, nach gestern. Die Handys und der Laptop verbinden sich auch super, leider ohne Zugang zum Internet zu bekommen.

Nach der warmen Dusche lassen wir uns deshalb zur fünf km entfernten Shopping Mall fahren, wo es ein Eiscafé geben soll und hoffentlich auch WIFI. Das Eiscafé hat diese Saison noch nicht geöffnet, viele Ladenlokale stehen leer, aber wir finden letztendlich ein Café mit Eisangebot. Ihnen fehlen zwar die Früchte und die Sahne, aber wir können zwei Banana-Splits mit den privaten Bananen der Bedienung bekommen. WIFI gibt es hier leider auch nicht.

Eisdiele „ABIERTO“ – „GEÖFFNET“

Anschließend versuchen wir es in einem Restaurant. Ebenfalls negativ, aber draußen am letzten Tisch verbindet sich der Laptop mit einem freien W-LAN. Na endlich! Wir bleiben, bis das Restaurant schließt. Bis morgen zu warten wäre zu lange, da kommen wir dann schon fast nicht mehr hinterher.

Samstag 2.11.24 – (120) – Rosario (de Asia) – San Vicente de Cañete

Gesamt: 7.288,64 km

Wir haben nur eine kurze Tour geplant, deshalb stehen wir erst gegen sieben auf und fahren eine Stunde später los, nachdem wir das ganze Treppenhaus nass gemacht haben. Juttas Camelbak hat ziemlich viel Wasser verloren – obwohl bei der Kontrolle alles dicht ist. Die sehr freundliche Hotelbetreiberin wischt schnell alles wieder auf. Wir wollen schnell zur Panamericana und fahren deshalb ein kleines Stück zurück. Der Umweg wird dann noch etwas größer, weil hier in Rosario nicht alle Straßen asphaltiert sind und wir uns keinen Platten einfahren wollen.

Nach nur etwa sieben Kilometern halten wir an einer Tankstelle zum Frühstücken. Aus diesem Grund haben wir diese Strecke gewählt, denn danach kommt länger keine Gelegenheit. Als wir dort weiterfahren wollen, werden wir auf Deutsch angesprochen: ein Autofahrer hat uns gestern schon beim Überholen gesehen und anhand der Deutschlandflagge zugeordnet. Deutsch spricht er, weil er in Lima auf eine Deutsche Schule gegangen ist (und seine Kinder heute gehen). Und es ist nicht die Alexander von Humboldt – in Lima gibt es laut ihm nämlich zahlreiche Deutsche Schulen.

Im Gegensatz zu allen letzten Tagen ist es heute schon gleich von Beginn sehr sonnig, so kommt es uns beim Weiterfahren schon viel später vor als es ist. Die Straße ist heute etwas hügeliger und geht durchweg durch die Wüste, auch wenn rechts von der Straße immer wieder (Bade-) Orte an der Küste sind, die wir aus mehr oder weniger Abstand sehen können.

An einem „Kimba“-Laden am Straßenrand machen wir eine Pause. Kaffee gibt es dort nicht, und das Restaurant gleich nebenan ist an einem Geschäft wohl nicht interessiert – die Mitarbeiterin reagiert in keinster Weise auf Viktors Eintreten, Grüßen und Fragen. Kurz darauf kommt der Abzweig nach Cerro Azul, und die Hotelbetreiberin in Rosario hat in einem der Gespräche ein kleines Museum dort empfohlen. Heute können wir uns die Zeit für solch eine „Unterbrechung“ nehmen, also fahren wir ab. Ein vorher anvisiertes Café (Mandala) gibt es nicht mehr bzw. gab es an dem angegebenen Ort vielleicht auch noch nie – keiner kennt es, also fahren wir gleich zum Municipal Museum of Cerro Azul.

Ein kleiner Junge begrüßt uns ganz überschwenglich und rechnet für uns aus, dass wir zusammen zwei Soles Eintritt zahlen müssen ;-). Ein junger Archäologe führt uns durch das kleine Museum und organisiert uns kurzfristig einen Guide, der uns gegen eine kleine Spende über die archäologische Stätte führen kann. Wir erfahren, dass die Huarca-Kultur hier in der Gegend die letzte Kultur vor der Eroberung durch die Inka im 15. Jahrhundert war. Die Herrschaft der Inka wurde dann wiederrum durch die spanische Kolonialherrschaft abgelöst. Es wird vermutet, dass die Huarca in einer matriarchial organisierten Gesellschaft lebten. Jedenfalls war die letzte Verteidigerin gegen die Inka eine sogenannte „Curaca“, eine weibliche Stammesführerin.

Wir dürfen für den Rundgang über die archäologische Stätte unser Tandem in einem Lagerraum des Museum abstellen. Statt angekündigter 30 bis 40 Minuten sind wir danach mit unserem Guide Valentin eine gute Stunde unterwegs. Die Huarca haben ihre repräsentativen Bauten ebenfalls aus ungebranntem Lehm erbaut, jedoch nicht aus Lehmziegeln wie wir sie in Lima gesehen haben. Stattdessen wurden große quaderförmige Lehmblöcke direkt vor Ort geformt. Die Huarca lebten überwiegend vom Fischfang. Zur Konservierung und Lagerung wurde der Fisch gesalzen und getrocknet. Dazu dienten große Terrassen, auf den der Fisch in der Sonne trocknete. Auf einigen Terrassen wurde der Fisch zur längeren Lagerung in Löchern vergraben und mit Sand zugeschüttet. Die Tour führt bis an den höchsten Punkt des Geländes, an dem die Überreste eines Inka-Gebäudes und ein Leuchtturm aus 1974 stehen. Von oben hat man eine beeindruckende Aussicht auf die Küste.

Es ist nach zwei Uhr, als wir das Tandem wieder aus dem Abstellraum holen und weiterfahren können. Eigentlich würden wir gerne noch etwas essen und trinken, finden aber nichts Passendes, und so starten wir erst einmal. Hier ab Cerro Azul müssen wir von der „Panamericana“ auf die „Antigua Panamericana “ wechseln, und an dieser sollen Pausenmöglichkeiten liegen.

Der Mini Market einer Tankstelle sieht ganz nett aus, hat Tische im Innenraum und Trinkjoghurt einer hiesigen Firma – in Liter-Flaschen. Wir kaufen uns eine mit Lucuma-Geschmack zu einem Beutel Anden-Granola und löffeln erst das Gemisch, dann den restlichen Joghurt aus Einweg-Plastik-Trinkbechern. Eigentlich wollten wir hier unsere Bananen essen, die Jutta gestern im Wong-Supermarkt gekauft hat. Als Viktor seine Banane schälen will, tut er sich dabei aber ungewöhnlich schwer. Die Banane ist innen auch eigenartig dunkel-gelb … und stellt sich somit als Kochbanane heraus. Die zweite Banane schenken wir zum Abschied der Kassiererin, die während unseres gesamten Aufenthaltes (und somit auch dem Abkassieren) über die Freisprechfunktion ihres Mobiltelefones telefoniert.

Die letzten 15 Kilometer gehen so gut gestärkt in die Hauptstadt der Provinz Cañete und wären auch kein Problem, wenn auf dieser alten Panamericana nicht der Seitenstreifen fehlen würde und wir deshalb häufig von kleinen und großen Bussen dicht überholt, geschnitten oder angehupt werden.

Die peruanischen Hunde sind heute auch wieder besonders anhänglich, so dass unsere Spritzflasche wieder zum Einsatz kommen muss.

Gegen halb vier sind wir am Joma Hotel (Viktor fällt bei JOMA sofort ein guter Freund und regelmäßiger Eisspender ein. Jutta muss ihn daran erinnern, das JOMA auch auf unseren mittleren Sohn passt). Angeblich hat man überall WIFI und im Zimmer soll der entsprechende QR-Code liegen. Dort liegt gar nichts, aber als wir von der Rezeption das Password erhalten – ta tah – haben wir nach zwei Tagen Flaute richtig guten Zugang zum Internet! Nach der Dusche laden wir also Bilder hoch und kümmern uns endlich auch um die Touren die wir in den nächsten Tagen und Wochen machen wollen.

Zum Abendessen im Aroma 432 gibt es für Viktor Carapulcra con Sopa Seca (später im Hotel liest Jutta diese Rezension: „Heute sind wir ins Restaurant gegangen, in meinem Teller Carapulcra mit Trockensuppe haben wir eine Kakerlake gefunden. Ich weiß auch, dass die Würze schrecklich war! Nicht empfehlenswert.“ – vor acht Monaten. Wir können aber nicht klagen!) Auf dem Nachhauseweg besorgen wir uns noch Getränke für die morgige Fahrt sowie etwas zum Frühstücken, denn morgen werden wir auf den über 80 Kilometern nicht viele Gelegenheiten zur Verpflegung vorfinden.

Sonntag 3.11.24 – (121) – San Vicente de Cañete – Pisco

Gesamt: 7.374,89 km

Nach längerer Zeit soll heute mal wieder eine Etappe über 8o km gefahren werden. Viktor hat das Abendessen gestern gut vertragen, wir scheinen uns als Tandem also gerade wieder einem guten Fitness-Niveau zu nähern.

Wir frühstücken im Hotelzimmer unser Anden-Granola von gestern mit Joghurt, Pfirsichsaft aus dem Tetrapack und kaltem Fertig-Cappuccino aus der Plastikflasche.

Um 7:00 Uhr sitzen wir auf dem Tandem und fahren auf der Panamericana Antigua zunächst weiter durch das Tal des Rio Cañete, bis wir den Fluss kreuzen und dann einen längeren Anstieg zur neuen Panamericana hochfahren. Dann geht es erstmal wieder durch Wüste und Sanddünen Richtung Süden, heute aber mit noch mehr Ausblick auf den Pazifik, Strände und Resorts (Hotels, Condominiums, etc.), was die heutige Tour ganz abwechslungsreich macht. Auch Einkehrmöglichkeiten gibt es wenigstens alle 10 bis 20 km, so dass es sich nicht so einsam und verlassen anfühlt wie die Wüste im Norden Perus.

Nach 28 km, etwa einem Drittel der Strecke, kommt eine „Deli-Bakery“ auf unserer Straßenseite. So eine haben wir vor einigen Tagen schon unerreichbar für uns auf der anderen Seite der Straße gesehen, und wir können eine Pause gut gebrauchen. Sie wird etwas länger, weil wir mit unserem Sohn Joshua hin- und herkommunizieren – er hat eine neue Wohnung und Probleme, aus der alten herauszukommen.

In der Deli-Bakery mit Musik vom Electric Light Orchestra

Weiter geht’s! Über eine längere Strecke sehen wir links einen höheren Hügel aus Sand, der aussieht wie menschengemacht. Wir vermuten fast, dass es sich um Aushub von einem Tagebaugebiet handeln könnte. Jedenfalls kommen wir auch an einem Restaurant „La Mina“ vorbei. Auf GoogleMaps ist hier aber nichts von einer Mine zu sehen. Am Fuß des Hügels stehen sehr viele einfache Häuser und Hütten, die bei Starkregen wahrscheinlich leicht von Schlammlawinen mitgerissen werden können.

Zwischendurch kommen auch immer mal grüne Gegenden. Dort, wo Menschen leben und bewässert wird, wachsen u.a. Mais und Artischocken (lieben Gruß an Andy und Susan aus Pacific Grove).

Als wir bei knapp 60 km das zweite Drittel herumhaben und nach einer Pausenmöglichkeit Ausschau halten, müssen wir noch ein paar Kilometer fahren und kommen dann an ein Restaurant, dass zu einer der unzähligen Flächen mit zu verkaufenden Grundstücken (und hier auch mit 150 schon gebauten Häusern) gehört. Sie haben fast nichts im Angebot, Viktor nimmt wenigstens einen Ananassaft, nachdem ihm versichert wird, dass dieser mit Flaschenwasser gemacht wird. Die Frau dort erzählt, dass sie 14 Jahre in Amsterdam gelebt haben und dann hierher gekommen sind, um dieses Chinchaycamac Condominium-Projekt aufzubauen. Beim Weiterfahren vermuten wir, dass das Ganze evtl. auch ein Geldwäscheprojekt sein könnte – wer weiss, was die in Amsterdam für Geschäfte betrieben haben.

Um 14 Uhr kommen wir am Hotel in Pisco an. Das Einchecken ist etwas schwierig: es gibt zwei Blöcke weiter einen Parkplatz für Autos, der inclusive ist, aber was mit einem Fahrrad ist, überfordert die zwei Hotelangestellten. Außerdem können sie sich nicht sofort auf ein Zimmer für uns einigen. Letztendlich steht das Tandem heute Nacht neben dem Hotel im Flur eines kleinen Einkaufszentrums und wir haben ein Zimmer in einem zweiten Gebäudeteil, mit einer Terrasse, wobei über der Tür dorthin ein offener Spalt (für Tageslicht und Durchzug) ist, durch den der Straßenlärm ins Zimmer kommt. Und in diesen Gebäudeteil dringt das WIFI-Signal wieder einmal nicht so gut. Das entsprechende Password liegt auch nicht im Zimmer, wie angekündigt, und die Angestellten wissen es auch nicht auf Anhieb.

Das Hotel liegt sehr zentral, und wir gehen geduscht dann einmal die Fußgängerzone rauf und runter und sehen uns die Top-Sehenswürdigkeit an: die Plaza de Armas. Für weiter entfernte, interessantere Dinge reicht die Zeit heute nicht mehr. Im Café Gloria am Platz wollen wir einen Kaffee trinken, merken aber, dass wir auch schon hungrig sind und nehmen statt des Kaffees ein frühes Abendessen – und des Ortes wegen noch einen Pisco Sour (mit Eiweiß) sowie einen Pisco Chilcano (ohne Eiweiß). Nach dem Einkauf von Getränken und Frühstück für morgen kehren wir ins Hotel zurück.

Woche 30 (21.10.24 – 27.10.24) Chepén – Lima

Montag 21.10.24 – (115) – Chepén – Paijan

Gesamt: 7.065,33 km

Der Wecker klingelt um 5:30 Uhr weil um 6:30 das Frühstück aufs Zimmer geliefert werden soll. Wir wissen nicht genau, wie lang der Tag werden soll, da Komoot uns nicht über die Panamericana-Autobahnabschnitte fahren lassen will, aber wir wissen, dass es an die 80 Kilometer werden können und es durch ca. 45 km Wüste ohne Verpflegungsmöglichkeiten geht.

Gleich in der Früh klärt sich, warum gestern keine Antwort auf die WhatsApp an das Hotel „Mar y Sol“ in Paijan kam: Die Kontaktperson (Rosy C.) hat eine Belgische Telefonnumer und lebt in Belgien. Gleich nach dem Aufstehen gehen mehrere WhatsApp hin und her, dann erfolgt ein WhatsApp-Telefonat. Es stellt sich heraus, dass das „Mar y Sol“ doch direkt am Meer liegt und nicht im Ort Paijan, wie der mal wieder fehlplatzierte Google-Pin anzeigt. Den Weg zum Hotel an der Playa Milagro (Strand des Wunders) schafft man nur mit einem Allrad-Auto, wir also mit unserem Tandem sicher nicht. Rosy verspricht aber, uns ein anderes Hotel in Paijan zu organisieren, weil sie in Deutschland immer so freundlich empfangen wird und ein kleines bisschen davon zurückgeben möchte, wenn zufällig mal Deutsche in ihrer Heimatstadt in Peru sind. Wir sollen einfach losfahren und sie schickt uns eine WhatsApp, sobald sie etwas organisiert hat. Da alle anderen Unterkünfte in Paijan keinerlei Kontaktdaten veröffentlicht haben (weder auf GoogleMaps noch auf Webseiten oder bei Facebook) sind wir sehr erleichtert und frühstücken reichhaltig. Jutta hat zu ihrem Frühstürck noch Spiegeleier erhalten, die Viktor noch nebenbei mitvernichtet.

Als wir dann das Tandem packen wollen, entdecken wir, dass unsere Helme nicht mehr auf dem Sitz liegen. Das gibt es doch nicht – sie sind durch das Gitter zur Straße geklaut worden! Da hat die Vorsicht mit diesem Gitter, dass immer verschlossen ist, wohl doch eine Berechtigung. Am Ende stellt sich aber doch heraus, dass die Mitarbeiterin an der Rezeption des Hotels die Helme gestern Abend noch an sich genommen und im Hotel sicher aufbewahrt hat.

Wir erreichen heute gleich zu Anfang der Etappe unsere 7.000-Kilometer-Marke. Wie es der Zufall so will geschieht das in der „Ciudad de Dios“ (Stadt Gottes), na wenn das mal kein gutes Omen ist. Aufgrund der Verhältnisse entlang unserer Strecke hier in Nord-Peru, haben wir einige 7.000er-Impressionen zusammengestellt:

Unsere erste richtige Pause machen wir in Pacasmayo im „El Eden“, wo wir richtig gute Brötchen mit Käse und Avocado bekommen. Im nächsten Ort, San Pedro de Lloc („Lloc“ kommt vom Nachnamen des Gründers, hat also keinen katalanischen Ursprung) machen wir schon die nächste Pause in einer Saftbar in der Fußgängerzone, denn danach erwarten uns 45 km Wüste ohne jegliche Ortschaften.

In San Pedro de Lloc haben sie wieder einmal besondere „Reductores“ (Verlangsamer) in die Straßen eingebaut. In anderen Städten haben wir bei guter Peilung oft eine Chance, die Lücken zu nutzen und hindurchzufahren, manchmal durch eine leicht diagonale Durchfahrt. Aber hier haben sie es wirklich absolut fahrradfeindlich hinbekommen. Und die Dinger sind richtig hoch. Später am Tag kommen auch noch extrem kurze und hohe „Schwellen-Reductores“ dazu, an denen unser Tandem in der Mitte mit dem eingeklappten Ständer aufsetzt, wenn wir beide draufsitzen. Jutta muss dann absteigen und wir schieben vorsichtig drüber. An einer dieser Schwellen entsteht ein kurzes Gespräch mit Passanten am Straßenrand, die meinen, unser Rad sei einfach ungeeignet. Viktor bestätigt, dass es für ganz USA, Mexiko, Mittelamerika, Kolumbien und Ecuador geeignet gewesen sei, aber für peruanische Straßen eben nicht. Großes Gelächter auf beiden Seiten.

Mittlerweile ist es später Vormittag und der langsam auffrischende Wind kommt aus südlicher bis südwestlicher Richtung. Für uns ist das seitlicher Gegenwind. Vorhergesagt sind bis zu 35 km/h und Windböen, die auch stärker sein können. Es ist ein ständiges Gegenlenken nach rechts erforderlich, um geradeaus fahren zu können. Besonders wenn Lastwagen an uns vorbeifahren und der Wind plötzlich von links kommt, werden wir ziemlich durchgeschüttelt. Immer wieder denken wir an Patagonien, wo diese Windgeschwindigkeiten eher zum Niedrigsten gehören, was wir zu erwarten haben. Da es außerdem die erste Hälfte der Wüstenstrecke bergauf geht, sind wir ziemlich langsam unterwegs. Es zieht sich also entsprechend hin. Irgendwann müssen wir einfach auf freier Strecke eine Pause einlegen. Gar nicht so einfach, den Ort zu wählen, denn die Landschaft gibt eigentlich nichts her, kein Orientierungspunkt an dem man sagen könnte „da ist ein idealer Ort für eine Pause“. Also wird es am Ende ein Busch am Straßenrand, in dessen Windschatten man sich immerhin mal kurz in den Sand setzen kann. Wir essen unser abgepacktes Mehrkornbrot (Multisemillas) mit einem Kräuterkäse (und ein paar angewehten Sandkörnern).

Während wir unsere Pause machen rollt ein Auto an uns vorbei und hält 50 Meter weiter auf dem Standstreifen. Der hintere linke Reifen ist platt. Viktor geht kurz hinüber und bietet Hilfe an, aber sie haben weder ein Ersatzrad noch ein Reifenpannenset mit Dichtmittel dabei. Als wir weiterfahren, bieten wir an, im nächsten Ort, den wir allerdings erst in ca. zwei Stunden erreichen werden, bei der ersten „Llanteria“ (Reifenwerkstatt) Bescheid zu geben, dass bei Kilometer 655 Hilfe benötigt wird.

Auf der zweiten Hälfte der Wüstenstrecke geht es etwas flotter voran, aber unsere Gespräche bewegen sich jetzt doch eher in die Richtung „ganz schön öde“ und „es gibt halt Regionen auf der Welt, in denen das Fahrradtempo doch nicht ganz so optimal ist“ (gell Ole? 😉 ) und „ach was war Mittelamerika doch schön …. und vor allem so abwechslungsreich“.

Irgendwann erreichen wir den Anfang von La Arenita und sehen einen Polizisten bei einer Fahrzeugkontrolle. Viktor berichtet ihm von der Reifenpanne bei KM 655 und er sagt, dass man in so einem Fall grundsätzlich die „Grua“ (Kran), also den Abschleppdienst, zu rufen hat. Dieser wird vom privaten Autobahnbetreiber gestellt und steht an jeder Mautstation bereit. Er sagt, dass wir uns um nichts mehr kümmern müssen, da er die „Grua“ bestellen wird.

In La Arenita machen unsere letzte Pause des Tages. Dort haben wir auch wieder Handy-Empfang und können nachschauen, was aus unserem Hotel geworden ist. Rosy hat uns mehrere Nachrichten geschickt. Wir kommen in einem befreundeten Hotel unter (Hostal Leo), das am Ortseingang von Paijan direkt an der Panamericana liegt. Falls wir noch genug Energie haben, sollen wir uns gerne um 17:00 Uhr an der „Plaza de las Armas“ („Waffenplatz“ – so heißen in dieser Gegend fast alle zentralen Plätze in den Ortschaften) einfinden. Sie hat uns eine kleine Führung organisiert und ein paar junge Tänzer sollen uns dort „La Marinera“ vortanzen, einen typischen Tanz der Region. Wir sind total gerührt von so viel Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, aber gleichzeitig stehen wir nun auch etwas unter Druck. So fremdbestimmt waren wir schon ein halbes Jahr nicht mehr (außer in den Tagen auf Galapagos), und es fühlt sich irgendwie komisch an. Erst gegen 16:00 Uhr erreichen wir unser Hotel, bis wir auf dem Zimmer sind ist es 16:15 Uhr. Jutta entscheidet sich spontan, erst am späteren Abend zu duschen, so sparen wir etwas Zeit und können uns rechtzeitig auf die 1,5 km Fußweg begeben.

Pünktlich um 17:00 Uhr sind wir am Platz und werden sofort von Sinforoso N. angesprochen, ein Antropologe aus Paijan, der uns ein wenig über die Geschichte der Stadt erzählen möchte. Wir erwähnen ihm gegenüber noch kurz die Tänzer, denken aber, dass er vermutlich Bescheid weiß. Er sagt auch, dass die Tänzer später noch kommen werden. Dann führt er uns etwa 30 Minuten über den Platz und in die Kirche, gibt uns einen stadtgeschichtlichen Überblick und erzählt uns unter anderem von der Jesusfigur „El Señor de los Milagros„, die vermutlich von den Spaniern am Strand in den Wellen abgelegt wurde, um ein Wunder zu „organisieren“, das bei der Evangelisation der indigenen Bevölkerung helfen sollte. Als wir mit der Führung fertig sind, geben wir Sinforoso noch eine kleine Spende für seine vielen Projekte, von denen er uns erzählt hat. Dann gehen wir schnell in einer Pizzeria und Polleria direkt am Platz essen, denn es wird langsam kühler. Wir haben keine warmen Sachen angezogen und müssen ins Hotel zurück.

Wir sind mitten in der Mahlzeit, als Viktors Handy klingelt. Der Vater der Tänzer ist dran. Sie warten schon seit 17 Uhr am Platz auf uns, und jetzt ist es bereits 18 Uhr. Ach herrje, wir essen hektisch die Hälfte unseres Essen, die andere Hälfte packen wir zum Mitnehmen ein, und gehen schnell hinüber. Der Vater fragt uns, wie wir uns das denn mit dem Tanz vorgestellt haben und wo der stattfinden soll. Ähm … also … „no tengo ni idea“ … ich habe keine Ahnung … das ist alles sehr überraschend für uns organisiert worden. Die beiden jungen Tänzer, ein Mädchen und ein Junge um die 12 Jahre, die lokalen Tanz-Champions, sind aber bestens gelaunt. Als sie erfahren, dass wir mit dem Rad reisen, kennt das Kichern und Kopfschütteln kaum ein Ende. Der Vater entscheidet, dass das Ganze also auf der Straße vor der Kirche passieren soll. Dort sind Kreise auf die Straße gemalt, die scheinbar genau dafür gedacht sind. Allerdings muss dazu erst noch ein entsprechend lauter, batteriebetriebener Lautsprecher besorgt werden, den ein Freund des Vaters mit dem Auto holen will. Mittlerweile ist es so abgekühlt, das Jutta es unmöglich länger aushalten kann. Sie hat schon seit zwei Tagen Halsschmerzen und braucht etwas Warmes zum Überziehen. Der Vater (und Trainer) ist zufällig auch Mototaxi-Fahrer. Er fährt mit Jutta zum Hotel, wo sie auch noch gleich etwas Warmes für Viktor mit einpackt. Es ist schon komplett dunkel, als wir in den Genuss des Tanzes „La Marinera“ kommen, der wirklich beeindruckend ist.

Auch die jungen Tänzer erhalten eine Spende, und wir hasten in einen Supermarkt, um für den morgigen Wüstentag noch Getränke und Verpflegung zu besorgen. Zurück ins Hotel geht es dann mit einem Moto-Taxi, denn Jutta hat da ja jetzt schon Erfahrung. Wir entscheiden spontan, dass wir nach der morgigen Etappe einen Ruhetag in Trujillo brauchen, um uns zu erholen und zu entscheiden, ob wir uns die nord-peruanische Wüste weiter antun wollen.

Viktors Hintern braucht auch dringend mal eine Verschnaufpause. Mit seinem Brooks-Ledersattel läuft es zwar von Anfang an sehr gut und praktisch schmerzfrei, auch bei 100-Kilometer-Etappen, aber ab einem bestimmten Alter tendiert die Haut des Menschen bei starker Gewichtsabnahme dazu, ein paar Falten zu werfen (also abhängig von Gewichtsklasse der Person und Stärke der Gewichtsabnahme). Nun ja, wer von Euch regelmäßig Rad fährt, weiß vermutlich, dass Hautfalten an den falschen Stellen und der Fahrradsattel eine ziemlich unheilvolle Kombination sein können 😉 .

Dienstag 22.10.24 – (116) – Paijan – Trujillo

Gesamt: 7.120,43 km

In unserem Zimmer frühstücken wir die Reste unserer Abendessen (super lecker am frühen Morgen um vor sechs und kalt) und packen dann das Tandem in der Garage, die jeden Sonntag zur Disco wird. Um halb sieben sitzen wir im Sattel. Noch ist es frisch, aber noch nicht windig.

Wir fahren zunächst durch viel Zuckerrohr-Anbau – immerhin eine Abwechslung zur Wüste gestern. Nach gut 20 km in Chopote wollen wir in einem Frühstücksrestaurant einkehren, da unser Frühstück im Hotel heute ja nicht so toll war. Draußen auf der Tafel stehen handgeschrieben Café, Milch, Soya, Avena (Hafermilch) sowie Sandwiches mit Käse, Huhn etc., und wir hätten gerne Kaffee mit einer von den drei Weißer-Optionen und zwei Käsebrötchen. Sie hätten für uns leider nur Kaffee schwarz (die Milch und Altenativen sind heute noch nicht da), und Käse haben sie ebenfalls nicht. Viktor nimmt dann einen Kaffee und wir beiden einen Ananassaft (warm) – auch den dann noch angebotenen Reis lehnen wir dankend ab. Jutta witzelt noch, dass das Hähnchenfleisch hier besonders frisch sein muss, denn aus der Küche hört man die ganze Zeit Hühner gackern. Bei diesem Halt resetten wir den Garmin Edge Explore, denn wir konnten die Tour für heute nicht mehr laden, obwohl wir schon alles versucht hatten zu löschen.

Wir fahren weiter, und langsam wird das Grün am Rand weniger und die Wüste mehr. Heute ist es weniger Sand, eher Steine, und heute ist der Straßenrand trotzdem von Menschen genutzt: überall sind Mauern, Häuser, Zäune. Es ist also um Einiges weniger trostlos als gestern. Ganz allmählich geht es über viele Kilometer aufwärts, bis wir nach ca. 35 km den höchsten Punkt (nur 240 m hoch) erreichen. Kurz vorher meldet Viktor eine Pause an, Jutta möchte wenigstens bis zu einer passenderen Stelle weiterfahren. Und siehe da: ganz „oben“ steht am Straßenrand das Restaurant „La Soledat“ (Die Einsamkeit) und lädt uns ein. Es ist richtig groß, sogar mit einer Bühne, und wesentlich besser sortiert als alles andere in den letzten Tagen. Wir bekommen Kaffee mit Milch und echte Cola (mit Zucker) bzw. Ginger Ale. Der Besitzer kann Viktor leider nicht bestätigen, dass solche „Oasen“ in den noch folgenden Wüstenteilen regelmäßig stehen.

Von hier geht es wieder ein wenig schneller, auch wenn inzwischen der Wind begonnen hat zu wehen, denn es geht wieder leicht abwärts. Und nach gar nicht sehr langer Zeit beginnt schon Trujillo – wir müssen durch die Vororte und den Stadtrand. Gerade hatten wir noch gesagt, dass die Straßenqualität erstaunlich gut ist, da beginnt die Stadt und die Straße ist katastrophal. Es ist zwölf Uhr, als wir am Hotel ankommen, leider sind wir an keiner Mall oder an keinem Café vorbeigekommen, um noch ein wenig Zeit zu schinden. Wir können aber trotz der frühen Stunde einchecken, bekommen ein Zimmer ohne Fenster, aber egal.

Nach dem Duschen wollen wir unsere Wäsche in eine Wäscherei bringen. Nachdem zwei unterschiedliche „Lavanderias“ geschlossen sind, fragen wir Passanten, ob eventuell ein Feiertag sein könnte. Nein, das nicht, aber heute ist nationaler Generalstreik in Peru. Also jedenfalls hier in Trujillo. Denn in Lima findet der „Nationale Generalstreik“ erst morgen statt. Logisch klingt das für uns nicht gerade, aber na ja. Und wenn z.B. die Betreiber einer Wäscherei nicht mitstreiken, laufen sie Gefahr, dass der Laden Schaden nimmt oder zukünftig gemieden wird, also streiken auch sie. In der Innenstadt sind auch alle Läden geschlossen, nur einige Restaurants sind geöffnet (längst nicht alle), und so können wir in einer Heladeria wieder eine Einladung zum Eis einlösen. Heute sagen wir dafür zum wiederholten Male Joachim und Ursula ein herzliches Dankeschön:

Zurück im Hotel arbeiten wir den gestrigen Tag nach und versuchen die kommenden Tage zu planen – morgen müssen wir entscheiden, wie es weitergeht. Auf der Strecke zwischen hier und Lima gibt es häufig wirklich GAR NICHTS! Es kristallisiert sich relativ schnell heraus, wohin die Reise übermorgen buchstäblich gehen wird … zum Busbahnhof (Terminal Terrestre) und per Bus nach Lima! Das dauert alles so lange, dass wir zum Abendessen ins Hotelrestaurant gehen, statt noch einmal auf die Suche nach etwas Geöffneten.

Mittwoch 23.10.24 – Trujillo – Ruhetag

Das Rado-Hotel hat sehr, sehr dünne Wände, und obwohl wir nicht einmal ein Fenster haben, ist es von innen und außen sehr laut. Trotzdem schlafen wir bis nach 7:00 Uhr aus und legen heute einen Ruhetag in Trujillo ein. Vorgenommen haben wir uns nur, die Wäsche gewaschen zu bekommen, die mögliche Routenführung nach Lima zu prüfen und zu entscheiden, ob wir morgen in einen Bus nach Lima steigen wollen – na ja, das ist eigentlich doch fast schon sicher.

Nach dem Frühstück macht sich Jutta daran, die Tage von Lima nach Nazca sowie von Cusco nach Puno zu planen, während Viktor die Wäsche in die Lavanderia bringt, die heute zum Glück pünktlich öffnet. 2,5 kg Wäsche kosten uns 18 Soles (4,50€). Später versucht Viktor, den PAJ-Link unseres GPS-Trackers auf unserer „Wo sind wir gerade„-Seite zu reparieren.

Gegen 11 Uhr steigen wir in ein Taxi zu einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Trujillo, den Ruinen der Hauptstadt des präkolumbischen Chimú-Reiches „Chan Chan„, das sich noch vor der kurzzeitigen Eroberung durch die Inkas an der Küste des heutigen Nord-Peru über 1.500 Kilometer von Tumbes bis nach Lima erstreckte.

Die Inkas konnten die Stadt nur nach 10-jähriger Belagerung erobern und erst, nachdem sie den Fluss Moche umgeleitet hatten, um in der Stadt eine Wasserknappheit auszulösen. Sie waren selbst nur sehr kurze Zeit in dieser Gegend, die von der Fischerei lebte. Als Landwirtschafts- und Verwaltungsexperten kamen sie in dieser trockenen Region angeblich nicht gut zurecht, während sie in Cuenca (heutiges Ecuador) länger herrschten. Die letzten Inka-Herrscher in der Region (Huáscar in Cuenca und Atahualpa in Quito) befanden sich miteinander im Bürgerkrieg, gerade als die spanischen Konquistadoren eintrafen … eine Uneinigkeit, die die Eroberung durch die Spanier wohl erst möglich gemacht hat.

Die archäologische Stätte, die wir mit einem Führer besichtigen, ist UNESCO-Weltkulturerbe und die größte aus Lehm gebaute Stadt der Welt. Die ursprünglichen Lehmwände sind unfassbar witterungsbeständig und erodieren selbst bei starkem Regen wenig. Archäologen und Wissenschaftler haben die Zusammensetzung der Wände genau analysiert und das exakte Mischungsverhältnis von Steinen, Sand, Lehm, Wasser und Muschelkalk kopiert, um die Wände zu rekonstruieren, es fehlt ihnen aber die Kenntnis über die Verfahren, mit denen die Bestandteile damals gemischt und verbaut wurden. Bisher ist es nicht gelungen, die Wände so wetterfest hinzubekommen, wie es die Chimú-Kultur damals geschafft hat. Die Stätte ist heute zu einem großen Teil überdacht, und trotzdem verwittern die rekonstruierten Teilbereiche deutlich schneller als die noch bestehenden Originale.

In Chan Chan herrschten insgesamt neun Regenten. Das weiß man, weil jeder seine eigene Grabstätte hat, in der auch sämtliche Frauen (beim letzten Herrscher waren es 90) und Hausangestellten gemeinsam mit dem Regenten die letzte Ruhestätte fanden. Nach dem Tod des gottgleichen Regenten mussten alle Selbstmord begehen, um ihm ins Jenseits zu folgen und ihm dort weiterhin zur Verfügung zu stehen. Man schätzt, dass bis zu 200.000 Menschen in Chan Chan lebten (sagt unser Führer … Wikipedia sagt 60.000).

Wir besuchen noch kurz das kleine Museum an der Ausgrabungsstätte und nehmen dann ein Taxi zurück in die Stadt. An der Plaza Mayor gehen wir ins Café „El Cardenal“, schauen uns danach den Platz an und gehen dann zurück ins Hotel. Jutta ist mittlerweile noch etwas stärker angeschlagen. Zu den Halsschmerzen haben sich Ohrenschmerzen dazugesellt, vermutlich durch den kühlen Abend in Paijan und den stärkeren Wind auf der Strecke. Sie will sich mal ein paar Stunden richtig hinlegen und ausruhen. Es ist allerdings auch schon 16 Uhr als wir zurück sind.

Für den Abend haben wir uns über GoogleMaps einen Burgerladen in der Nähe des Hotels ausgesucht, der eine vegetarische Variante anbieten soll. Wie so oft stellt sich aber heraus, dass es den Laden an dieser Stelle gar nicht (mehr?) gibt. Stattdessen gehen wir in einen anderen Burgerladen, den wir um einen „echten“ Cheeseburger und einen ohne Fleisch (dafür mehr „von allem anderen“) bitten. Es kommt sogar etwas Genießbares dabei heraus. Nur Bier haben sie leider nicht im Angebot, aber nebenan könne sich Viktor eines besorgen. Während die Burger im Entstehen begriffen sind geht er also los. Der Burgerladen nebenan hat auch kein Bier, verweist aber auf das kleine Geschäft direkt nebenan. Das Geschäft nebenan hat zwar Bier, aber leider ist keines kaltgestellt. Aber quer durch das Gebäude hindurch (durch die Garageneinfahrt, dann links) gibt es eine „Licoreria“ (Spirituosengeschäft), die auch Bier verkaufen. Also ab durch die Mitte und links … hmm … keine Licoreria, aber ein anderes kleines Geschäft. Die haben auch kein Bier, wissen aber immerhin, dass es die Locoreria schon seit über einem Jahr nicht mehr gibt. Aber vorne an der Straßenecke direkt rechts, gibt es einen Laden, der Bier verkauft. Dort gibt es dann tatsächlich Bier zu kaufen. „Ist es kalt“ …. „Ja, es ist kalt“ … „Super, haben sie Cusqueña Negra?“ … „Ja, haben wir“ (Mensch das wird hier noch mein Glückstag ….) … „Dann hätte ich bitte gerne eine Cusqueña Negra“ … „Dose oder Flasche?“ … „ähm, wo ist denn mehr drin?“ … „in der Flasche“ …. „gut, dann hätte ich gerne eine Flasche“ …. „dann müssen Sie mir bitte eine leere Pfandflasche bringen“ …..
Ich stehe dort mit nichts anderem als meiner Geldbörse in der Hand vor der Frau und dieses Gespräch findet wirklich so statt! Das Pfandsystem kennen wir schon aus einem anderen mittelamerikanischen Land … wir wissen nicht mehr genau welches. Sie erwarten eine leere Pfandflasche zurück, wenn man eine neue kauft.
Ich nehme also die Dose, denn ich bin völlig perplex und vergesse dabei, dass man ja auch einfach den Pfandpreis oben drauflegen kann. Das macht bloß offenbar sonst kaum jemand. Die Runde dauert 10 Minuten, aber zum Glück sind die Burger noch nicht fertig.

Im Hotel noch ein Pisco Sour für Viktor, der Blog wird noch schnell um den Nachmittag und Abend ergänzt und dann ist Schlafenszeit, denn wir wollen früh raus und zum Busbahnhof. Die Fahrt nach Lima soll circa 8 bis 9 Stunden dauern, und wer weiß welche Busgesellschaft uns mitnimmt.

Donnerstag 24.10.24 – Trujillo – Lima (Busfahrt)

Wir frühstücken frühestmöglich um halb sieben und machen uns im Anschluss gleich auf den knapp sechs Kilometer langen Weg zum Busterminal. Am ersten Schalter sagt man uns, dass sie nur mit Zweistockbussen fahren und keine Räder mitnehmen können. Der Herr weiss auch, bei welchem Schalter es sich erstmals lohnt zu fragen. Dort können sie Räder mitnehmen, fahren aber erst nach 22 Uhr los, also nachts. Das Auswärtige Amt von Deutschland rät allerdings aus Sicherheitsgründen von Nachtfahrten mit Überlandbussen ab. Am nächsten Schalter: dasselbe! Wir sind schon fast soweit, einzuknicken und nachts zu fahren, da finden wir „Transporte Imperial del Norte“, die vormittags losfahren und uns mitnehmen würden, obwohl sie ebenfalls mit Doppelstockbussen fahren.

Um zwanzig vor neun ist das Tandem transportbereit und die Tickets gekauft. Hier gibt man sämtliches Gepäck gleich am Ticketschalter ab. Das hatten wir noch gar nicht, und beim Tandem ist uns dabei auch nicht sehr wohl, das transportieren wir lieber selber und packen es auch geren selbst in den Bus … Jetzt müssen wir noch ein wenig Zeit totschlagen, denn irgendwann zwischen 10:30 und 11:00 Uhr sollen wir losfahren. Im riesigen Terminal ist es erstaunlich ruhig – kaum Menschen und auch kaum Busse, aber es gibt Verkaufsstände, so dass wir noch Getränke besorgen und Viktor sich noch eine Hähnchen-Empanada für die Fahrt kauft. Auf der neunstündigen Fahrt soll der Bus nur einmal kurz halten, um zuvor vom Begleiter aufgenommene Essensbestellungen „abzuholen“, die dann im Bus gegessen werden sollen.

Für den Eintritt in den Warteraum muss man pro Nase 2 PEN bezahlen. Kurz bevor wir in den Bus einsteigen, fällt Viktor auf, dass er seinen Camelbak am Sitz in der Halle vergessen hat. Er hetzt schnell raus, bekommt den schon eingesammelten Rucksack schnell zurück und muss tatsächlich noch einmal die 2 PEN bezahlen. Der „Gepäckträger“ bringt alles Gepäck auf Rollwagen, und auf dem letzten liegt oben drauf unser Tandem – dabei haben wir denen gesagt, dass in der Schaltung Öl ist und man das Rad nur aufrecht transportieren darf! Immerhin passt es wider Erwarten aufrecht in den Gepäckraum des Busses.

Um kurz nach elf rollen wir los. Unsere Plätze sind oben in der ersten Reihe, so dass Jutta ganz bequem auf die Straße gucken kann und kein Übelkeitsrisiko besteht. Und jetzt sitzen wir bis abends um 20 Uhr in diesem Bus und fahren die ganze Zeit durch Wüste. Mit dem Rad wären das noch einmal acht Tage geworden, und wir sind immer wieder froh, dass wir dieser Eintönigkeit und den Sandstürmen auf dieser ohnehin für Radfahrer offiziell verbotenen Strecke entflohen sind.

Um etwa 16 Uhr hält der Bus, und manche bekommen ein Essen. Wir haben gar nicht mitbekommen, dass vorher jemand die Bestellungen aufgenommen hat. Vielleicht auch gut so, denn gar nicht lange danach geht es Viktor plötzlich ziemlich schlecht: die Empanada hat wohl leider seinen Darm durcheinandergewirbelt – Krämpfe und Durchfall, die folgenden Stunden quält er sich ganz schön. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir nun ungewollt auch, warum es ab und zu auf der Panamericana mitten in der Wüste unerklärlicherweise nach menschlichen Fäkalien riechen konnte. Die Bord-Toilette entlässt während der Fahrt einfach alles unter den Bus – so wie früher in den Zügen der Deutschen Bundesbahn.

Auf dieser gut 500 km langen Strecke passieren wir gefühlt fast soviele Mautstationen wie Fahrgäste im Bus sitzen. Jedesmal kostet das den Fahrer gute 40 PEN (41,20 bis 42,80). Das Ticket nach Lima kostet pro Passagier 50 PEN. Jutta geht durch den Kopf, wie so eine Fahrt lukrativ sein kann, es ist neben dem Fahrer ja auch immer eine zweite Person dabei, und Diesel braucht der Bus auch noch. Womit wird das alles finanziert?

Der Busfahrer will wohl auf der zweiten Hälfte Zeit aufholen – zu Anfang hat es zeitweise ziemlich gestockt – jedenfalls rast er sogar nach Einbruch der Dunkelheit auf kurvigen Bergstraßen durch Nebelschwaden, dass es nicht mehr schön ist. Wir kommen aber heil um 20 Uhr am Nord-Terminal in Lima an. Ganz in der Nähe haben wir eine Übernachtung gebucht, um nicht im Dunkeln noch durch die Stadt fahren zu müssen. Als wir endlich den richtigen Ausgang aus dem Terminal gefunden haben, müssen wir nur einen Block schieben. Viktor legt sich sofort hin und schläft ein. Jutta nutzt den W-LAN-Hotspot von seinem Handy, um wenigstens etwas zu schreiben, denn WIFI haben wir hier nicht.

gut, dass wir hier nicht radfahren müssen

Freitag 25.10.24 – (117) – Lima Nord – Miraflores

Gesamt: 7.136,83 km

Viktor quält sich in der Nacht mit Brechdurchfall, morgens ist er so schlapp, dass wir überlegen, eine Nacht zu verlängern, aber dieses Haus blüht förmlich vor Schimmel und hat WIFI nur im anderen Gebäudeteil, und wir haben eine Reservierung für ein schöneres Hotelzimmer in Miraflores. Deshalb wollen wir versuchen, die 16 km mit dem Tandem zu fahren. Notfalls müssen Viktors Klamotten dort sofort in die Wäsche.

Da Jutta gestern schon kein Abendessen hatte, will sie auf jeden Fall etwas zum Frühstück, und die Shopping-Mall neben dem Busterminal mit einem Starbucks-Café öffnet ihre Pforten am 10 Uhr. Bis dahin bekommen wir das Tandem wieder fahrbereit gemacht, denn gestern haben wir es in zusammengeschobenem Zustand zum Hotel geschoben. Viktor legt sich noch einmal hin, Jutta geht frühstücken. Der Weg zur modernen Mall geht zunächst vorbei an der „Neuen Markthalle“ – die beiden liegen direkt nebeneinander, und der Unterschied des Einkaufens könnte nicht größer sein.

Um viertel vor zwölf haben wir das Tandem bepackt und ausgecheckt und machen uns auf den Weg einmal vom Norden in den Süden Limas. Komoot hat uns eine Strecke ausgespuckt, die ziemlich direkt führt. Gleich auf der Hauptstraße, auf der wir losfahren, kommt bald ein abgetrennter Radweg am linken Straßenrand. Als wir an einer Kreuzung rechts abbiegen sollen, treffen wir zum Glück auf andere Radfahrer, die uns abraten – wir sollen einfach den Radweg immer weiter fahren, an einer Gabelung den rechten Radweg nehmen, und dann kommen wir sicher über Radwege nach Miraflores. Ein dankenswerter Tipp! So fahren wir fast die gesamte Strecke abgetrennt vom motorisierten Verkehr!

An manchen Stellen ist der Radstreifen zugeparkt oder wird als Lagerplatz Für Baumaterialien, Müll oder Bauschutt genutzt (fast wie zuhause ;-)), aber noch nerviger ist der ständige Seitenwechsel. Mal fahren wir links, mal rechts, mal in der Mitte der Straße, wobei das in der Mitte-Fahren immerhin ziemlich lang an einem Stück ist. An den Querstraßen gibt es Ampeln, und nur manchmal stehen dort wartende Autos im Weg. An großen Kreuzungen stehen überall Verkehrpolizist*innen und regeln den Verkehr – die Ampeln zählen dort nicht. Und das Regeln klappt mehr schlecht als recht – es herrscht das Chaos! Wir haben grün, aber die Polizist*innen winken anders. Wir laufen immer wieder Gefahr, über eine grüne Ampel zu fahren und dabei überrollt zu werden. Wie man auf die Idee kommen kann, den Verkehr bei laufender Ampelanlage genau umgekehrt durchzuwinken, bleibt uns ein Rätsel. Wir mit unseren Gepäcktaschen können uns außerdem nicht so leicht durch die Lücken der Autos schlängeln wie andere Radfahrer – ja, hier fahren nämlich erstaunlich viele andere Menschen auch mit dem Rad! – wenn die Kreuzung wieder einmal komplett verstopft ist.

Viktor hält die knapp zwei Stunden, die wir hier im Stadtverkehr brauchen, erstaunlich gut durch, und vor zwei Uhr sind wir im neuen Hotel. Nach dem Einchecken und kurzer Pause im Zimmer gehen wir los zu einem Fahrradladen, da wir neue Bremsscheiben, Schaltzüge und eine Grundreinigung und Durchsicht wünschen. Wir haben einen Laden in der Nähe gefunden, der viele spezielle Räder (z.B. Liegeräder) in seinem Instagram-Profil hat, und suchen diesen. An der angegebenen Adresse ist ein verschlossenes Tor und fünf Klingeln ohne Schilder. Ein Security-Mann will uns zu einem anderen Fahrradladen schicken, aber Viktor probiert erst einmal, die Telefonnummer anzurufen. Ohne Erfolg, aber es kommt eine WhatsApp zurück, auf die wir antworten, dass wir vor der Türe stehen. Kurz darauf kommt ein Ehepaar auf die Straße, die diese Fahrradwerkstatt betreiben.

Sie lassen sich unsere Anliegen erklären, haben wohl eigentlich keine Zeit, denken aber, dass die anderen „normalen“ Radläden mit unserem speziellen Tandem überfordert seien. Also können wir es dort lassen, inklusive der Ersatzteile, die wir ja alle dabei haben. Einen Laden gibt es hier bei ihnen gar nicht, sie haben die Werkstatt, in der sie sogar Räder nach Kundenwunsch bauen, bei sich in der Wohnung. Wir werden sehen, was herauskommt, aber Spezialisten für besondere Räder sind sie auf jeden Fall.

Wieder im Zimmer legt Viktor sich wieder ins Bett, um hoffentlich morgen wieder fit zu sein. Jutta bucht eine Walking-Tour und hat ebenfalls einen erholsamen Nachmittag und Abend. Heute haben wir nur ein einziges Bild – auf der Radtour haben wir leider nichts fotografiert.

Samstag 26.10.24 – Lima (Ruhetag)

Unser „schöneres Hotelzimmer“ in Miraflores ist zwar um Längen besser als das am Busbahnhof im Norden der Stadt, aber von Nachtruhe kann wirklich keine Rede sein. Wir haben ein Zimmer im fünften Stock nach vorne zur Straße liegend. In Peru scheint es absolut normal zu sein, auch mitten in der Nacht heftigst mit der Hupe zu arbeiten. Wir haben uns selbst tagsüber noch nicht daran gewöhnt, dass hier eigentlich ständig irgendjemand hupt. Uns nervt es, und wir fühlen uns manchmal regelrecht bedroht, wenn von hinten jemand angerast kommt und dabei mehrere Sekunden lang die Hand auf der Hupe hat. Viktor vermutet sogar eine Art Geheimsprache, wie es sie in Kairo gibt, denn es scheint unterschiedliche rhythmische Hupsignale zu geben.

Der ebenfalls extrem laute Kühlschrank im Zimmer wird durch Ziehen des Steckers zum Schweigen gebracht. Morgens haben wir dann leider ein große Pfütze im Zimmer.

Das Frühstücksbüffet im 8. Stock ist auch eher dürftig, was für Viktor keine Rolle spielt, denn er isst ungetoastetes Toastbrot mit Marmelade und trinkt schwarzen Tee. Eine kleine Packung RITZ-Kekse hat er gestern Abend schon gut vertragen. Wir haben hier zwei Nächte gebucht und überlegen, ob sich ein Umzug lohnt, denn wir bleiben sicher noch bis Dienstag oder Mittwoch in Lima, je nachdem, wann wir das Tandem zurückbekommen.

Nach dem Frühstück experimentieren wir mit alternativen Apps zur Streckenplanung, denn Komoot will uns auch südlich von Lima einfach nicht auf der Panamericana fahren lassen. Wir probieren MapOut und Maps.me, aber am Ende scheint Google Maps (Laptopversion) mit einem GPX-Export noch die beste Lösung für unser kleines Komoot-Problem zu sein.

Um 9:15 Uhr gehen wir los, um rechtzeitig am Treffpunkt für die Free Walking Tour durch die historische Altstadt zu sein. Unterwegs kaufen wir in einer Apotheke noch etwas zum Wiederaufbau der Darmflora und HALLS-Halsbonbons, denn inzwischen kratzt nicht mehr nur Juttas Hals.

An der Touristeninformation, dem Treffpunkt, sollen wir erst einmal sieben Soles bezahlen, obwohl es sich doch um die „Free Walking Tour“ handelt. Es ist aber so, dass wir erst eine Strecke mit dem Bus fahren, da die historische Altstadt ca. zehn Kilometer entfernt ist. In die Bushaltestelle kommt man nur mit einer elektronischen Zugangskarte, die aufgeladen werden muss. Touristen wird empfohlen, einem Einheimischen die 3,50 Soles bar zu geben und ihn zu bitten, seine Karte nutzen zu dürfen. Auf dem Weg zur Haltestelle treffen wir noch auf weitere Teilnehmende, nach der Busfahrt werden wir dann in zwei Gruppen aufgeteilt, in eine kleine Spanischsprachige und eine große Englischsprachige.

Die Führung beginnt an der Plaza San Martin, benannt nach dem General und Nationalhelden, der mit seinen Truppen die Unabhängigkeit von Spanien für Peru, Chile und Argentinien erkämpfte. Wir erhalten Erklärungen zum Platz selbst und zu den umliegenden Gebäuden, von denen einige zum UNESCO Weltkulturerbe zählen. An diesem Platz finden die meisten Demonstrationen in Lima statt, da die Plaza Mayor direkt vor dem Präsidentenpalast zur Sicherheitszone gehört und Demonstrationen dort meist nicht erlaubt werden. Das Denkmal für General San Martin enthält eine interessante linguistische Verwechslung. Auf dem Kopf der „Madre Patria“-Statue (Madre Patria = Mutterland, analog zu Vaterland im Deutschen) am Sockel des Denkmals ist ein Lama dargestellt. Die Statue wurde in Spanien hergestellt, und es gab die Anweisung, als Kopfschmuck eine Flamme („Llama“) anzubringen, die in Spanien als herrschaftliches Symbol gilt. Angefertigt wurde sie dann mit einem Lama (ebenfalls „Llama“) als Kopfschmuck.

Die Führung geht dann über die wichtigste Straße „Jirón de la Unión“ der historischen Altstadt zur Plaza Mayor. Hier sind viele Gebäude mit dem Zeichen des UNESCO-Weltkulturerbes versehen. An den Fassaden befinden sich nur schwarze Schriftzüge und Logos international bekannter Ketten (Starbucks, McDonalds, KFC), denn die farbigen Logos sind wegen des Weltkulturerbe-Status verboten.

Wir besuchen unter anderem die Basilika La Merced, die einen interessanten Baustil-Mix besitzt. Die Fassade ist in der Mitte Barock und außen Neoklassizistisch. Ein Ergebnis von Zerstörungen durch Erdbeben und Wiederaufbau in späteren Jahrhunderten. Wir treten mitten in einem Gottesdienst ein. Der sehr kleine, ältere Pfarrer verschwindet fast hinter dem Altar (Jutta vermutet zunächst, dass er sitzt 😉 ). Er ist gerade beim Friedensgruß, und so können wir uns gegenseitig ein Zeichen des Friedens auf (und in) unserem Tandem geben.

An der Plaza Major angekommen, kommt Kevin trotz Mikrophons oft nicht durch mit seiner Stimme: Es findet einerseits gerade ein Umzug statt mit sehr viel Musik, andererseits ist eine größere Hochzeitsgesellschaft vor der Kirche neben der Kathedrale, und dort wird ebenfalls laute Musik gespielt. Immerhin fahren hier keine Autos. Es ist schon ohne so laut, dass sich manche Menschen die Ohren zuhalten.

Im Präsidentenpalast residieren die für fünf Jahre gewählten Peruanischen Präsidenten. In den letzten sechs Jahren allerdings gab es sechs unterschiedliche. Die jetztige Präsidentin ist z.B. nachgerückt, weil ihr Vorgänger wegen Korruption im Gefängnis gelandet ist. Aber auch sie ist sehr unbeliebt, weshalb hier sehr viele für Neuwahlen sind und es viele Unruhen gibt.

Einen Block hinter dem Palast endet die Tour am Fluss Rimac, hinter dem ein anderes Stadtviertel beginnt (ebenfalls Rimac), das etwas gefährlich zu sein scheint. Rimac ist Quechua und bedeutet „Sprecher“ (weil sich das um die Steine fließende Wasser anhörte, als würde der Fluss sprechen), und als die Spanier kamen, die kein Quechua sprachen, wurde aus Rimac dann Lima, der heutige Name der Stadt.

Wir fahren mit einem sehr übervollen Bus wieder zurück nach Miraflores, kehren auf dem Rückweg zum Hotel erst bei Starbucks ein und fragen dann noch im Hotel Ibis nebenan, ob wir morgen dorthin umziehen können. Dann ist es auch schon vier Uhr, wir verbringen etwas Zeit im Hotelzimmer und gehen dann noch einmal los. Wir wollen Mitbringsel für morgen besorgen, gehen in verschiedene „Centros Commerciales“, die uns eher abschrecken, und kaufen dann in einem großen Supermarkt ein paar Dinge (Deutsche Pralinen, Spanisches Turron…) und in einem Verpackungsladen eine Tüte zum Verpacken.

Beim Abendessen bestellen wir zwei Tex-Mex-Bowls – eine ohne das Fleisch (Jutta) und eine nur mit Reis und Bohnen (Viktor). In der von Viktor sind dann trotzdem die Hähnchenstücke. Da hätten wir wohl explizit sagen müssen, dass es nur Reis mit Bohnen ebenfalls ohne Fleisch sein sollen. Dieser Wunsch ist wohl einfach zu ungewöhnlich!

Sonntag 27.10.24 – Lima (Ruhetag)

Morgens nach dem Frühstück packen wir alles für den Umzug ins Hotel schräg gegenüber. Bevor wir aber auschecken, probieren wir noch ein wenig herum, wie wir jetzt die Routen auf den Garmin bekommen. Schließlich schaffen wir es, mit der App MapOut (iOS) auch Routen auf die „verbotene“ Panamericana südlich von Lima zu legen und die GPX-Datei dann in Komoot zu exportieren. Diese wiederrum lässt sich auf unser Garmin Edge exportieren und während der Fahrt zur Navigation nutzen, auch wenn wir nicht dauerhaft online sind.
Um kurz nach zehn bringen wir in zwei Etappen unsere Taschen ins Ibis-Hotel, checken im Miraflores Suites aus und setzen uns für eine Stunde ins Starbucks – Café. Um zwölf Uhr sind wir nämlich zum Brunch bei Familie Ballesty/Viñas eingeladen, und der Fußweg dorthin dauert 25 Minuten.

Auf dem Weg kommen wir an der „Alexander von Humboldt“-Schule vorbei, der Deutschen Schule, auf der die Kinder von Ballesty/Viñas und während des Schüleraustausches zwischen Oranienburg (Runge-Gymnasium) und Lima auch unsere beiden älteren Kinder waren. Dieser Schüleraustausch ist auch der Grund, weshalb wir diesen Kontakt haben und heute dort eingeladen sind. Es ist seit Santa Barbara Ende April das erste Mal, dass wir bei Freunden in einer privaten Wohnung sind, fällt uns dabei auf.

Susanna hatte gestern 40-jähriges Schulabschlusstreffen, und trotzdem tischt sie heute Lomo Saltado, Guacamole, großen weißen Mais, Tamales, peruanische schwarze Oliven, Käse, Süßkartoffelchips, Blutwurst aus Hühnerblut, Brötchen und einiges mehr auf. Und dazu auch noch Viktors peruanisches Lieblingsbier, Cusqueña Negra, und das schon zum Brunch. Na das kann ja heiter werden … und wird es auch 🙂 .
Zu siebt sitzen wir am Tisch und haben sehr viel zu erzählen. Zu dem avisierten Videoanruf mit unseren Kindern kommt es leider nicht – keine Gelegenheit. Als Juan-José um halb fünf gehen muss, beginnen auch wir mit dem Aufbruch, nicht ohne die zwei Pakete mitzunehmen, die wir aus Panamá und Medellín hierher geschickt hatten. Wir erhalten noch einige Tipps für Sehenswürdigkeiten und gute Restaurants in Lima, Cusco und den Rest unserer Route durch Peru. Vielleicht treffen wir uns nochmal mit Susanna zum Kaffee, wenn es zeitlich passt. Die Stunden sind wie im Flug vergangen – schön war’s!

Im neuen Hotel checken wir jetzt erst einmal ein und bekommen ein Zimmer mit dem Fenster zum Innenhof, in der Hoffnung, dass es nachts nicht ganz so laut sein wird. Beim Auspacken der beiden Pakete machen wir gleich unterschiedliche Stapel: einen Großteil der Ersatzteile werden wir von hier wieder nach Hause schicken, da wir sehr sicher sind, dass wir sie nicht benötigen werden. Die ursprünglich mal angedachten 18.ooo Kilometer Maximalstrecke werden es definitiv nicht mehr werden, denn uns ist klar geworden, dass die Wüste nichts für uns ist. Und es steht uns ja noch einiges davon bevor. Bis Nasca werden wir es noch versuchen, aber die Atacama-Wüste in Chile werden wir mit dem Bus durchqueren, mit einer möglichen Zwischenstation in Antofagasta, das steht für uns jetzt fest.

Viktor telefoniert am Spätnachmittag noch mit Sergio, den wir in Máncora getroffen hatten, weil dieser uns Tipps bezüglich der Weiterfahrt aus Lima geben kann. Und nicht nur das: sein Schwager wird am Mittwoch mit uns mitfahren und uns führen – er wohnt nur fünf Blöcke entfernt und fährt die Strecke selber gerne.

Ein leichtes Abendessen nehmen wir im Hotelrestaurant zu uns, ansonsten ereignet sich nicht mehr viel.

Woche 29 (14.10.24 – 20.10.24) Talara – Chepén

Montag 14.10.24 – (108) – Talara – Sullana

Gesamt: 6.578,20 km

Im Hotel gibt es heute schon ab sechs Uhr Frühstück. Da aber bis frühmorgens laute Livemusik aus der Nähe einen ruhigen Schlaf verhindert hat, schaffen wir ein Aufstehen um fünf nicht ganz. Die Frühstücksfrau wird gefragt, wo es einen Supermarkt gibt – wir benötigen nicht nur Getränke, sondern auch Snacks u.a. – und der einzige in Talara öffnet erst um neun Uhr. Als wir um halb acht losfahren, können wir immerhin die Getränke sowie zwei Bananen bei einer älteren Dame gegenüber kaufen.

Die ersten zehn Kilometer fahren wir die Strecke von gestern zurück bis zur Kreuzung, an der der Friedhof liegt – in dieser Richtung steil bergauf und wieder um den Flughafen herum. Heute geht es von dort geradeaus in Richtung Sullana, durch einen Nationalpark, fast 35 km ganz leicht bergauf mitten durch die Wüste. Fast das erste Straßenschild besagt, dass Radfahrer auf dieser Straße nicht fahren dürfen. Wenn es doch aber die einzige asphaltierte Straße ist? Gleich nach drei Kilometern gibt es eine Tankstelle, die wir anfahren. Wieder hat sie kein fließend Wasser, und ein Getränk muss man sich aus dem Automaten ziehen. An der Mautstelle kurz danach werden wir einfach durchgewunken, es scheint niemanden zu stören, dass wir das Fahrverbot nicht beachten. Von hier müssen wir wieder immer sehr lange geradeaus, und wenn dort zwischendurch einmal ein Haus steht, bellen uns gleich Hunde an, zweimal verfolgen sie uns hartnäckig und Jutta muss sie mit Wasser aus einr Getränkeflasche abwimmeln. Die Besitzer stört das Verhalten ihrer Hunde meist wenig. Nur einmal hören wir den Versuch, die Hunde zurückzurufen. Ansonsten ist hier tote Hose, außer vielleicht einigen Lizards, die die Straße überqueren und wenigen Vögeln. Dafür werden die Überholvorgänge heute schon etwas aufregender. Besonders die Reisebusse bremsen scheinbar ungerne hinter uns ab, wenn sie wenig Platz zum Überholen haben. Das ist heute häufiger der Fall, denn die Panamericana hat hier keinen Seitenstreifen, auf den wir ausweichen können, wenn wir etwas großes im Rückspiegel sehen. Die Busfahrer *innen hupen lieber, um uns zu warnen, und überholen dann mit deutlich weniger als 1,5 Metern Seitenabstand. Ein paar mal schüttelt es uns bei Seitenwind kräftig durch, wenn wir plötzlich andere Windkräfte verspüren. Da wird das geschickte Gegenlenken plötzlich zur lebenserhaltenden Maßnahme. Zum Glück sind die Lastwagenfahrer*innen deutlich rücksichtsvoller.

Nach 40 Kilometern wollen wir doch einmal eine Pause machen und entdecken ein Schild an der Straße und ein etwas größeres Gebäude – bestimmt ein Laden oder Restaurant… . Aber nein, es ist eine Bildungseinrichtung für Kinder, in dem einen Raum scheint eher der Kindergarten, im zweiten eher die Schule untergebracht zu sein. Vor dem Gebäude gibt es aber überdachte Bänke, wir setzen uns dort in den Schatten und verzehren unsere restlichen Snacks fast komplett (hoffentlich können wir demnächst wieder einmal etwas nachkaufen). Auch hier gibt es im Toilettenhäuschen weiter hinten kein fließend Wasser. Aber Viktor kann hier ins Internet, und wir finden 17 km weiter eine Tankstelle, die auch einen Laden haben soll. Den wollen wir nutzen.

Es geht relativ schnell bis dorthin, denn jetzt beginnt der Bergab-Teil des Tages, wenn auch in Wellenbewegungen. Dummerweise ist der Laden an der Tankstelle gerade geschlossen, weil die „Chica“ auf unbestimmte Zeit weg ist. Na ja, hier ist der Wüstenteil zuende und es sollen wieder ein paar Dörfer kommen. Wir fahren also bis nach Ignacio Escudero weiter, wo es Bäckereien und Restaurants geben soll. Eine der drei Panaderias ist tatsächlich geöffnet, hat zwar kein Brot, aber Kuchen und Kekse und auch Getränke, BIG-Cola für Viktor leider nur als 1,7l-Flasche. Der Rest davon wird in zwei kleine Flaschen umgefüllt und mitgenommen.

Wir kommen jetzt noch durch mehrere kleine Orte, werden kurz vor Sullana noch einmal daran erinnert, dass auch hier Radfahren verboten ist, und hier sind jetzt sogar Motos verboten: nach der Brücke über den Rio Chira geht es durch einen kurzen Tunnel hoch in die Stadt Sullana, das ist wahrscheinlich der Grund. Es hält sich aber niemand daran – wir ja auch nicht!

In der Stadt suchen wir wieder einmal an der falschen Straßenecke nach unserem Hotel, weil sogar bei booking.com ein falscher Pin gesetzt ist, müssen aber einfach zwei Ecken weiter, und checken um kurz nach drei ein. Hier ist schräg gegenüber einmal ein richtiger Supermarkt, wie wir sie kennen, und diesem statten wir gleich einen Besuch ab, um uns für die nächsten Tage zu wappnen, egal, ob wir nun weiter mit dem Rad oder evtl. doch mit dem Bus fahren.

Nachmittags und abends (im Hotelrestaurant) planen wir dann, dass wir doch nicht mit dem Bus durch die Wüste, sondern per Tandem in einem Bogen darum herum fahren werden. Dort gibt es ausreichend Orte und Übernachtungsmöglichkeiten.

Und noch etwas Nettes: Viktor hatte sich aus der Kolumbianischen Radfahrer-WhatsApp-Gruppe VIBICO (Viajeros en bicicleta por Colombia) verabschiedet. Daraufhin hat jemand zum Abschied für uns dieses Bild zusammengebastelt, das auf einem Foto aus Cali basiert.

Gracias VIBICO!
Plaza del Gato (Cali, Kolumbien)

Montag 15.10.24 – (109) – Sullana – Piura

Gesamt: 6.616,34 km

Wir haben um acht Uhr einen Interview-Termin mit der Verantwortlichen für die sozialen Netzwerke des Hotels „La Siesta“, deshalb (und weil wir eine kurze Etappe geplant haben) können wir gemütlich aufstehen, packen und frühstücken. Hier werden außergewöhnliche Gäste auf Facebook und Instagram gepostet – wir entdecken dort auch den Hund „Theo„, den wir live schon in El Remolino (Kolumbien) gesehen haben – der hat hier wohl auch übernachtet.

Um halb neun begeben wir uns auf den Weg, raus aus Sullana in Richtung Piura: ein kurzer Tag, aber wir müssen die Tage nach den vorhandenen Unterkünften planen. Und Piura ist die fünftgrößte Stadt Perus und vor über 450 Jahren von den Spaniern gegründet worden, sollte sich also vielleicht auch lohnen, sich den Ort anzuschauen.

Komoot hat irgend etwas dagegen, dass wir auf der Panamericana weiterfahren, obwohl wir heute im Gegensatz zu gestern kein Verbotsschild für Fahrräder sehen. Der Garmin zeigt deshalb nur eine gepunktete Luftlinie, in deren Nähe wir uns aber die ganze Zeit bewegen, weil auch die Panamericana ziemlich nahe an der direkten Verbindung läuft.

Nach knapp 30 Kilometern braucht Viktor eine Hintern-, Jutta eine Toilettenpause, und wir fahren eine Tankstelle an – die erste auf unserer Seite nach mehreren auf der Gegenfahrbahn. Dummerweise ist sie anscheinend noch in Bau (oder gar eine Bauruine), es ist nur ein Absteigen vom Sattel möglich.

Hinternpause im Schatten

Wir sind aber schon im Großraum der Stadt, denn kurz darauf können wir schon wieder an einer Tankstelle halten, diesmal mit WC – wobei uns eine Tankwärterin am Ende die Tür aufschließen muss, weil wir beide immer nur versucht haben, gegen den Uhrzeigersinn aufzuschließen und es hier nun mal im Uhrzeigersinn sein muss. Hier an der Tankstelle ist auch richtig Stimmung:

Über ein großes (Autobahn-) Kleeblatt biegen wir auf die richtige Straße ab, fahren in die Stadt hinein und sehen links ein großes Einkaufszentrum. Da es erst elf Uhr ist, parken wir das Tandem auf dem Fahrradparkplatz, den es tatsächlich unerwarteterweise gibt, und schlendern durch die Outdoor – Shopping – Mall, die uns ein wenig an Californien erinnert. Und den „Kaffee“ trinken wir dann tatsächlich auch in einem Starbucks – Viktor nimmt immerhin Peruanische Schokolade als Getränk.

Hier kontaktieren wir auch schon Übernachtungsmöglichkeiten für die nächsten paar Tage, teilweise per WhatsApp, teilweise per Facebook. Dabei fällt auf, dass eines der anvisierten Hotels wohl ein Stundenhotel ist („50 Sombras“ = 50 shades?), und wir reservieren lieber eines etwa acht Kilometer abseits der Strecke, die wir dann allerdings zweimal fahren werden.

Die ganze Sache mit dem unfassbar vielen Müll entlang der Panamericana schlägt uns hier zwischendurch immer mal wieder aufs Gemüt und das war in den letzten Tagen auch einer der Gründe für das Inbetrachtziehen einer weiteren Busfahrt. Heute stehen wir in Piura an einer Ampel, an der ein Vater mit seinem kleinen Sohn auf der Schulter bettelt. Das ist für uns jetzt leider schon fast Normalität, obwohl die überall sicht- und fühlbare Armut uns eigentlich auch aufs Gemüt schlagen sollte. Der kleine Junge hat gerade seine Wasserflasche ausgetrunken und wirft sie direkt vor uns auf die Verkehrsinsel. Das ist halt völlig normal hier und wird es vermutlich auch noch über viele weitere Generationen bleiben. So sind die Müllberge am Straßenrand erklärbar. Heute beobachten wir unterwegs ein müllbeladenes Tuc-Tuc am Stadtrand dabei, wie es dort anhält und der Fahrer aussteigt, um … tja, was wohl zu tun? „Jeder kehre vor seiner eigenen Haustüre“ heißt es ja, aber irgendwie erscheinen unsere ohnehin wenig erfolgreichen Bemühungen um Recycling und Müllvermeidung wie der Kampf Don Quichotes gegen Windmühlen … oder passt da eher Sisyphos mit dem Fels? Und wer sagt eigentlich, dass diese Form der Entsorgung weniger „richtig“ ist, als die unsrige? Immerhin verrottet alles Organische neben der Panamericana relativ schnell oder wird von den Geiern und anderen Tieren gefressen, die UV-Strahlung der Sonne und der Wind zersetzen und zerfetzen die Plastikflaschen und Plastiküten mit der Zeit zu kleinstem, kaum mehr sichtbaren Mikroplastik. Nun gut, die Berge an alten Batterien, die wir ab un zu auch sehen, dauern wohl ein wenig länger.

Die kurze Strecke bis zum WYNDHAM, das wir uns hier ausgesucht haben, führt noch über eine sehr holperige, unbefestigte Kreuzung (obwohl hier die Straßen sonst wirklich gut sind), dann sind wir aber auch schon da und müssen hier nicht einmal unser Gepäck zum Zimmer tragen!

Nach dem Duschen gehen wir los, um heute endlich einmal wieder eine Eiseinladung einzulösen. Ganz in der Nähe, bei Gelati Igloo, genießen wir zwei „Copa Royal“, für die wir heute Daniel B. ganz herzlich Dankeschön sagen:

Danke Daniel B.

Nach einem kleinen Stadtrundgang mit der Basilika, dem (geschlossenen) Museum Grau, der Placa de Armas, der Placa Tres Culturas und dem gerade wenig Wasser führenden Fluss kehren wir ins Hotel zurück. So richtig schön ist diese Stadt dann doch nicht.

Das Abendessen gibt es im Hotelrestaurant „Paprika“. Dieses Wort wird im Spanischen eigentlich gar nicht für das entsprechende Gemüse verwendet, sondern es heißt „Pimiento“ oder „Pimenton“, meist mit dem Zusatz „rojo“ oder „dulce“. Hier gibt es heute für Viktor auch den ersten „Pisco Sour“, den peruanischen National-Cocktail.

Mittwoch 16.10.24 – (110) – Piura – Chulucanas

Gesamt: 6.676,31 km

Nach einem reichhaltigen Frühstücksbuffet – dessen „Té puro“ allerdings Earl Grey – Geschmack hat (also mit Bergamotte aromatisiert ist) – und einem kurzen Plausch mit einem Fahrer des Hotels kommen wir bei recht frischen 17 Grad um viertel vor sieben Uhr los. Es herrscht gerade morgendlicher Berufsverkehr, mit den ganzen ständig hupenden Tuk Tuks fahren wir durch die Stadt. Die Hauptstraße in Richtung Osten wird in mehreren Blöcken gerade neu gemacht, und wir fahren Schlangenlinien, über Bürgersteige, auf der falschen Seite etc., können der Richtung aber folgen.

Sobald die Stadt aufhört, wird auch der Verkehr merklich weniger – gut so. Es geht die ersten 35 Kilometer in Wellenbewegungen aufwärts, ganz sachte, aber immer ein wenig höher. Die Tankstelle nach ca. zehn Kilometern kann Jutta schon für eine Toilettenpause nutzen – wer weiss, was noch so kommt (bei der kurz vorher hatte der Tankwart keinen Schlüssel ;-)). Heute stehen rechts und links überall zumindest Büsche, manchmal auch Bäume, also eher Steppe als Wüste, was das Fahren prinzipell ganz angenehm macht. Es gibt ein wenig Schatten und auch ein bisschen was fürs Auge. Durch das etwas dichtere Grün fällt der Müll auch nicht mehr so auf. Sogar ein wenig Landwirtschaft ist hier wieder möglich, es reicht zwar nicht zur Rinderhaltung, aber es gibt viele genügsame Ziegen, die auch ab und zu vor uns über die Straße getrieben werden.

Allerdings werden wir sehr, sehr häufig von hinten angehupt: man will uns von der Straße mit dem wirklich guten Asphalt auf den Seitenstreifen abdrängen, der ein paar Zentimeter niedriger und recht holperig ist . Dabei ist nicht viel Verkehr, und die Autos oder LKW könnten meistens problemlos nach links ausweichen. Da merkt man wirklich, dass Peru nicht so das Radfahrland ist. Hunde halten sich auch heute in Grenzen, nur einmal kommt die Wasserflasche (noch mit Cola gefüllt) zum Verscheuchen zum Einsatz.

Die nächste Tankstelle fahren wir auch wieder an, um Pause zu machen – es gibt Tisch und Stühle, aber leider keinerlei Heißgetränke. Die Temperaturen sind inzwischen schon wieder so hoch, dass wir auch mit kalten Getränken zufrieden sind. Vom ziemlich angeschmolzenen Gouda aus unserem Vorrat sind die Hände schmierig, wir dürfen aber die Toiletten nicht nutzen. Angeblich gibt es wieder kein Wasser, und die Türen sind verschlossen. Wer`s glaubt – hier sind sie nicht wirklich motiviert, wie es scheint.

Als nächsten Halt peilen wir den Supermarkt „Express 50“ an, den Google irgendwo zwischen 40 und 50 km anzeigt. Wir passieren mehrere Mini-Ortschaften und denken fast, dass ein Verkaufs-Containerstand am Straßenrand dieser „Supermarkt“ gewesen sein könnte. Na ja, dann eben doch wieder eine Tankstelle, die es hier wenigstens gibt, und die auch einen Laden haben soll. Und siehe da, der Minimarkt dieser Tankstelle entpuppt sich als „Express 50“ – Viktor berichtigt erst einmal den Pin bei Google Maps (Funktion „Änderung vorschlagen“). Hier sind sie sehr nett, und sie servieren uns je ein Heißgetränk sogar in Porzellantassen! Auch die Toiletten sind geöffnet und nutzbar, nur die Urinale bei den Herren sind in schwarzen Mülltüten eingepackt und mit einer dicken Staubschicht versehen, also wohl schon etwas länger außer Betrieb.

In „KM 50“ (so heißt der Ort wirklich!) biegen wir nach links auf die PI-108 ab, die glücklicherweise auch noch gut asphaltiert ist, und fahren bis nach Chulucanas. Diese kleine Stadt ist richtig begrünt und erstaunlich sauber. Es gibt durchgehende Gehwege (ohne die üblichen Höhendifferenzen und Stolperstufen vor jedem einzelnen Haus). Am Ortseingang stellt sich die Stadt in großen, bunten Buchstaben als Stadt der Mangos, Zitronen und Keramik vor. Hier scheint man sich in punkto Stadtbild richtig Mühe zu geben und auch die finanziellen Mittel dafür zu haben. Wir halten um 12 Uhr vor dem Hotel Mali, wo sofort das Tor zur Garage aufgemacht wird, bevor wir auch nur abgestiegen sind. Das frühe Ankommen ist kein Problem und wir erhalten sofort unseren Zimmerschlüssel zu einem geräumigen Zimmer mit ordentlichem Bad und Heißwasser für 50 Soles (umgerechnet 12.50€) die Nacht.

Am frühen Nachmittag steigen die Temperaturen hier auf über 30°C. Wir sind froh, dass wir früh genug aus Priura weggekommen sind, nicht mehr auf dem Tandem sitzen und uns am Zielort schon in den Schatten begeben können. Und natürlich gibt es bei diesen Temperaturen auch wieder ein Eis, zu dem uns heute Melanie S. eingeladen hat. Vielen Dank dafür! Wir haben unter anderem Lúcuma-Eis probiert, das angeblich das Lieblingseis aller Peruaner*innen ist. Es schmeckt wie eine Mischung aus Orangen-, Dattel- und Nuss-Eis.

Lúcuma-Eis … das Peruanische Lieblingseis. Danke Melanie!

Wir gehen noch schnell in den Supermarkt, um Getränke für morgen zu kaufen, finden ein Pizzarestaurant, das auch vegetarische Pizzen anbietet und checken eine „Panaderia“, in der wir morgen früh ein schnelles Frühstück einnehmen können, denn wir wollen wieder zwischen 6 und 7 Uhr los.

Donnerstag 17.10.24 – (111) – Chulucanas – Ñaupe

Gesamt: 6.750,05 km

Als wir früh um kurz vor sechs in die Hotelgarage kommen, um das Tandem zu bepacken, trauen wir unseren Augen nicht. Statt links an der Wand steht es jetzt hinten an der Rückwand, eingequetscht von einem Auto, welches wiederum dicht zugeparkt ist, sowohl rechts, als auch hinten. Keine Chance, es irgendwo hindurchzumanövrieren! Wir geben am Frontdesk Bescheid und gehen erst einmal zur Panaderia, um zu frühstücken. Es steht eine richtige Schlange dort an, und die Damen zögern erst ein wenig, als wir sie um heißes Wasser für Tee bitten – gestern Abend hatten sie es uns noch angeboten, dachten aber, wir kämen gleich um fünf Uhr. Jetzt ist hier einige los. Es würde ein wenig dauern, und dem stimmen wir natürlich zu. In der Zwischenzeit essen wir schon vor der Tür stehend richtige, knusprige Ciabatta-Brötchen und eine Art Milchbrötchen, zwar ohne alles, aber lecker. Als das Wasser heiß ist, werden wir hinter den Tresen an einen Tisch gebeten, man stellt uns Stühle hin und drei Becher: zwei mit Teebeutel (dabei haben wir unsere eigenen sogar mit), einen mit kaltem Wasser zum Abkühlen des Tees. Eine der Damen dort bleibt bei uns uns fragt uns etwas aus. Sehr nett! Und sie backen hier mit Sauerteig, als Einzige am Ort!

Wieder am Hotel steht das Tandem inzwischen gleich am Garagentor. Wir wollen lieber gar nicht wissen, wie sie es über die ganzen parkenden Autos bekommen haben, aber es scheint alles heil zu sein.

Um halb sieben fahren wir zwischen sehr vielen Tuk Tuks erst einmal die paar Kilometer zurück, um auf die richtige Strecke auf der 1N zu kommen. In Chulucanas machen wir nochmal ein paar Fotos der Schriftzüge am Straßenrand, die offenbar zur Stadtkultur gehören:

Hinter der Ausfahrt aus der Stadt kommen wir noch an der katholischen Universität vorbei und dann an eine Stelle, an der sehr viele Lastwagen mit Hapag Lloyd Containern an der Straße stehen. Wir sprechen einen der Fahrer an und erfahren von ihm, dass hier ein großes Obst- und Gemüse-Logistikzentrum existiert, in dem aus ganz Peru angeliefert, verpackt und in die ganze Welt geliefert wird. Er erwähnt Spargel und Weintrauben, aber wir vermuten, dass wohl auch Mangos und Zitronen aus der Region dazugehören.

Kurz darauf beginnt auf der 1N erstmal wieder ein längerer Teil mit viel Müll entlang der Strecke, wie eigentlich überall hier, immer ab der jeweiligen Stadtgrenze. Wenn wir gefragt werden, warum wir mit dem Fahrrad reisen, antworten wir oft, dass man die Umgebung einfach besser wahrnimmt als aus einer Blechkarosse. Man hört die Geräusche der Tiere, das Rauschen der Blätter, grüßende oder rufende Menschen am Straßenrand. Und man riecht eben auch alles, blühende Zitronenbäume, reife Mangos, Eukalyptus-Haine, die salzige Meeresluft an der Küste, den Sommerregen-Duft und vieles mehr. Heute morgen ist das auf diesem Teilstück aber ein echter Nachteil. Es riecht vom Straßenrand zum Teil bestialisch nach Müllhalde, Verwesungsgerüche werden bei kleinen Windböen bis zu uns herübergetragen. Einmal wird Viktor regelrecht übel, auch wenn der Impuls, sich zu übergeben, nur wenige Sekunden dauert. Jedenfalls ist das der Beweis, dass hier am Straßenrand wirklich täglich frisch nachgelegt wird.

Die erste Pause machen wir nach 23 km in einem kleinen Resturant entlang der Strecke. Viktors bestellter Kaffee (Tasse Wasser plus Instant-Pulver) wird von einem LKW-Fahrer am Nachbartisch zu einem Türkischen Kaffee aus selber geerntetem und geröstetem Kaffee aufgewertet. Mit ihm und seinem Kollegen entsteht ein längeres Gespräch, so dass wir hier 50 Minuten sitzen – ungeplant. Die beiden sind beeindruckt, dass man in Deutschland ein Jahr Urlaub bekommt. Viktor erklärt die relativ gute ökonomische Lage in Deutschland und die alternde Gesellschaft, die es uns leicht gemacht hat, den langen Urlaub herauszuhandeln, weil wir uns sicher sind, dass unsere Arbeitskraft noch gebraucht wird, wenn wir zurückkehren. Sie selbst haben nur jeweils 3-Monats-Verträge, die manchmal verlängert werden, manchmal auch nicht. Und es gibt genug Arbeitslose, die jederzeit für weniger Geld ihren Job übernehmen würden.

Für die zweite Pause haben wir uns nach etwas über 40 Kilometern aus den wenigen Gelegenheiten entlang der Strecke ein Restaurant auf GoogleMaps herausgepickt, das zu uns Leuchtturmfans passt:

Wir sind gepannt, ob man von hier wirklich das Meer sehen kann, wie es der Name andeutet. Aber wir fahren offenbar schnurstracks daran vorbei, ohne es überhaupt zu bemerken. Wir hätten vermutlich durch dieses geschlossen Tor, dass wir auf Google Streetview finden und an dem wir heute auch vorbeigefahren sind, von der Hauptstraße abbiegen müssen, um es zu finden:

Nun gut, nach 45 Kilometern finden wir am Straßenrand erstmals einen Schattenplatz, der groß genug für zwei Personen (ohne Tandem) ist. Wir essen den Rest unseres Brotes und die zu einem Klumpen zusammengeschmolzenen Goudascheiben, die uns im letzten Supermarkt so angesprochen hatten.

Da wir wissen, dass nach gut 60 km noch eine heftigere Steigung mit Serpentinen kommt, wollen wir vorher noch einmal pausieren und finden kurz vorher das Restaurant „Mi Mayanguita“. Warme Getränke gibt es hier nicht, nur die üblichen „Gaseosas“ (also Cola, Fanta, Sprite, Inka-Cola, etc.), in Ecuador und Peru praktisch alle voller Süßstoffe. Eine echte Coca Cola mit vollem Zuckergehalt ohne Süßstoff gab es das letzte Mal in Ecuador als 250ml-Flasche. Was sind denn hier für Verbotsparteien am Ruder? Kann man das nicht anders Regeln? Viktor zahlt gerne auch den doppelten Preis für die volle Zuckerdröhnung. Er braucht die Kohlenhydrate auf dieser Tour! Wir nehmen also Kaltgetränke, die immerhin eine Abwechslung zum immer etwas schal schmeckenden Wasser aus den Camelbaks sind.

Pause mit „Gaseosas“

Kurz darauf dürfen wir die „Cuesta de Ñaupe“ erklimmen, was für uns natürlich nach den Anden ein Leichtes ist. Nach 1,5 Kilometern und lediglich 12 Minuten sind wir schon oben und machen eine Foto- und Filmpause. Den Müll an dieser Stelle sehen wir schon fast nicht mehr, denn wir wollen die Serpentinen fotografieren, die wir gerade hinaufgefahren sind.

Einzig „echte“ Steigung des Tages

In der Steigung werden wir ständig von Honigbienen angeflogen, die verzweifelt nach ihrem Bienenstock suchen. Sie haben offenbar schon die ganze Umgebung abgeflogen und stürzen sich nun auf alles, was irgendwie anders aussieht und eventuell ihr Zuhause sein könnte. Kurz vor der Auffahrt in die Steigung kam uns ein Lastwagen entgegen, der vermutlich mit mehr als 100 Bienvölkern in Magazinbeuten beladen war. Er hielt gerade an und wir konnten viele herumfliegende Bienen sehen. Die Beuten waren offensichtlich nicht bienendicht verschlossen oder waren während des Transportes verrutscht. Die abgeflogenen Bienen entlang der Strecke sind dann verloren, denn sie können ihr Volk nicht mehr wiederfinden. Eventuell können sie sich irgendwo in ein anderes Volk „einbetteln“, wenn sie genug Nektar sammeln und mitbringen, aber hier in der Gegend wird es vermutlich wenig Bienenvölker und wenig Nektar geben. Wir sehen ab und zu ein paar Blüten an den Akazien, aber viel mehr gibt es hier nicht.

Wanderimker mit „Magazinbeuten“ (so heißen die Behausungen der Bienenvölker)

Nach einer etwas längeren Abfahrt mit ein paar wellenartigen Zwischensteigungen erreichen wir gegen 13:15 Uhr Ñaupe. Es ist ein ziemlich einsames Ein-Straßen-Dorf, hat aber immerhin ein Hospedaje (Hostel) mit großem Garten, in dem man auch zelten kann. Wir haben per WhatsApp ein Zimmer reserviert und sind froh, überhaupt eine Strecke durch den Norden Perus gefunden zu haben, die alle circa 70 Kilometer eine Unterkunft zu bieten hat. Von der Straße müssen 190 m rechts auf einer Nebenstraße zur Hospedaje zurückgelegt werden. Wir steigen lieber ab, weil hier keine Nebenstraße befestigt ist. Und schieben das Tandem… bis es steckenbleibt. Hier ist richtig viel weicher Sand, in dem die Reifen einsacken. Das Zimmer ist geräumig, die Dusche hat einen Kaltwasserhahn, aber es tröpfelt nur sehr gemächlich etwas aus dem Duschkopf.

Am Ort gibt es zwei „Restaurants“, von denen eines auch schon um 5 Uhr öffnet. Wir können also morgen sogar am Ort frühstücken und auch heute Abend etwas essen gehen. Einen Supermarkt oder einen kleinen Laden suchen wir allerdings vergebens. Aber die Getränke können wir morgen vor der Abfahrt auch im „Restaurant“ oder im Hospedaje auffüllen. In der Cebicheria La ÑAUPEÑA gibt es abends für Viktor die hier typischen Kutteln.

Zum Abendessen gehen wir gegenüber an der Hauptstraße im „LA ÑAUPEÑA“ essen. Die Speisekarte, die am Nachmittag an der Tafel angeschrieben war, ist mittlerweile weggewischt und als wir gegen 18:30 Uhr eintreffen, wird sie gerade neu angeschrieben. Jutta hat etwas Sorge, dass das Käse-Sandwich von heute Nachmittag jetzt nicht mehr verfügbar sein könnte, aber es taucht zum Glück ganz unten auf der Tafel wieder auf. Viktor hat ein Problem, denn er hat sich vorgenommen, regionale Spezialitäten immer zu probieren, wenn sie verfügbar sind. Hier gibt es heute Mondonguito, eine peruanische Spezialität aus Darm und anderen Innerein wie Pansen. Nun denn … um in Juttas Heimatsprache zu bleiben … „Watt mutt, datt mutt“ … und es schmeckt garnicht mal schlecht.

Freitag 18.10.24 – (112) – Ñaupe – Motupe

Gesamt: 6.827,13 km

In der Nacht schlafen wir nicht so gut: unter Viktor scheinen unter dem Laken zwei tote Kakerlaken zu liegen (so nimmt er jedenfalls an), die drücken den „Prinzen auf der Erbse“ (und stellen sich morgens als zwei Orangenkerne heraus), der Hund des Hauses nächtigt direkt vor unserem Fenster und bellt sehr häufig laut und vor allem lange, und es wird immer kälter (und wir haben leichtsinnigerweise die Decke weggelassen). Trotzdem stehen wir um fünf auf, packen alles, spülen die Toilette mit in einer Plastiktüte im Waschbecken aufgefangenem Wasser (der Tank mit dem Toilettenspülwasser ist wohl leer) und wollen dann das Tandem packen. Leider ist das Tor noch verschlossen. Gerade als wir uns zum Frühstück im Lokal gegenüber aufmachen wollen, kommt der Hausherr und schließt auf. Hier versteht man Viktors Spanisch wieder einmal nicht, denn die Dame des Restaurants versteht nicht, dass wir Rührei wünschen – oder sie kennt es nicht – also gibt es ein Omelette ;-).

Es ist fast sieben, als wir loskommen – das fehlende Wasser, das verschlossene Tor… – und es ist noch recht kühl. Kaum sind wir ein paar Meter auf der Straße gefahren müssen wir schon wieder runter: eine Brücke scheint vor längerer Zeit mal weggespült worden zu sein, und der Verkehr wird einspurig (ohne Ampel oder Einweiser) über einen Ersatz-Schotterweg, erst runter ins ausgetrocknete Flussbett und dann wieder hoch auf die Straße geleitet. Mit lauter entgegenkommenden Tanklastwagen ist das gar nicht so ohne!

In der Nähe der Straße reihen sich zu Beginn mehrere Ortschaften aneinander: weit voneinander enfernt stehende kleine Häuschen, eine Kapelle, manchmal ein kleiner Platz und/oder ein Sportplatz, sehr viel Sand.

An einer Tankstelle nutzt Jutta die Toilette (ohne fließend Wasser, wie so oft, seit wir in Peru sind) und Viktor wird zu einer Panaderia gegenüber geschickt, als er nach Brot fragt. Wir erstehen alle drei „süßen“ Brötchen, die in der Auslage sind, die „salzigen“ kommen gleich erst aus dem Ofen, und jeder ein kaltes Getränk.

Als wir nach guten 40 km eine weitere Tankstelle anfahren – außer denen gibt es keinerlei Möglichkeiten, etwas zu kaufen – sind die Herren dort so unfreundlich, dass wir gar nicht erst fragen, ob sie uns etwas Warmes zu Trinken verkaufen würden.

Auf der Strecke begegnen uns heute viele Tiere: Ziegen, Schafe, Kühe und Pferde, teils größere Herden, und alle frei herumlaufend. Und auch einige bellende Hunde, die uns verfolgen, müssen wir mit unserer Spritzwasser-Flasche verscheuchen, der wir jetzt noch etwas Zitrusduft zugefügt haben. An einer Stelle sehen wir schon von weitem viele Geier am Straßenrand: dort liegen drei tote Kühe im Straßengraben, alle auf einem Fleck. Vielleicht sind sie alle zusammen von einem LKW erfasst worden. Es stinkt bestialisch, dabei reicht uns eigentlich schon der ständige Müllgestank vom Straßenrand.

Der einzige größere Ort liegt heute bei etwa 50 Kilometern, und wir wollen dort eine richtige Pause machen. Der direkte Weg ins „Zentrum“ führt leider über Sandstraßen, wir bleiben also lieber auf der Hauptstraße und biegen später rechtwinklig davon in den Ort ab. Man zeigt uns auf Nachfrage den Weg zu einem/einer „Cafè/Heladeria“, und wir finden eine schöne Oase (Bambino), die in einem Wohngebiet ohne befestigte Straßen liegt. Um elf Uhr treten wir dort als erste ein, nach fünf Minuten sind fast alle Tische besetzt – wahrscheinlich öffnet es erst um elf. Sie haben dort eine große Auswahl an allem Möglichen, aber wir bleiben bei der Eiseinladung von Moni (der wir herzlich Danke sagen) und nehmen zwei „Banana Bambino“, wie hier die Bananasplit heißen.

Danke Moni!

Gleich hinter dem Ort erwartet uns die einzige wirkliche Steigung heute, während derer sich auch die Straße teilt, und ab wo wir laut Komoot nur noch mit „Straßenbelag“ zu rechnen haben (das war schon allzu häufig Schotter oder gar Sand, so dass wir nicht sehr zuversichtilich sind). Heute haben wir Glück: die „neue“ Straße ist asphaltiert und hat sogar einen glatten Seitenstreifen ohne Absatz zur Straße, ist also sogar besser. Nur auf einem Stück, vielleicht einem knappen Kilometer, scheint den Auftraggebern das Geld ausgegangen zu sein: wir sehen schon von weitem Sandwolken, denken erst, ein LKW hat sie aufgewirbelt, stellen aber plötzlich fest, dass hier wirklich ein Stück der Straße fehlt und alle langsam über holperigen, steinigen Sand fahren müssen. Aber auch das geht vorbei, mit viel Sand zwischen den Zähnen, in den Augen und überall an den Klamotten, Radtaschen und am Tandem.

Um ziemlich genau 14 Uhr kommen wir am „Quinta Falla“-Hotel in Motupe an. Das Hotelrestaurant schließt schon um 16 Uhr, ist also nichts für abends, aber wir trinken eine Chicha Morada. Beim Rundgang durch den Ort finden wir weder einen Supermarkt noch ansprechende Restaurants. Unsere Getränke kaufen wir dann in einer Tienda durch ein Gitter, deren Betreiberin wohl schwerhörig ist, denn man sagt uns, wir müssten laut rufen, sie sei taub.

Bei sehr mittelmäßigem W-LAN schreiben wir etwas, können Bilder aber kaum hochladen und müssen dieses vertagen. Um 18:30 soll eine Pizzeria öffnen, die wir mangels echter Alternativen besuchen wollen. Als sie deutlich später die Pforte öffnet – wir sind noch um den Block gelaufen, und waren schon nicht um halb sieben dort – sind wir die ersten Gäste, es wird dann schnell voller. Wir entscheiden und doch gegen eine Mitnahme des Essens, da es nicht mehr so warm draußen ist, dass man auf dem wirklich schönen Hotelgelände noch eine der schönen Sitzecken nutzen wollte.

Abends weichen wir wieder einmal Juttas Sandalen in Chlorwasser ein: hier gibt es einen Kunststoff-Papierkorb der richtigen Größe, das Heißwasser holen wir aus der Dusche mit spärlichem Wasserdruck – dauert entsprechend – und das Ganze bleibt über Nacht auf dem Balkon. Morgen werden sie hinten am Rad getrocknet und sind dann hoffentlich vom Gestank befreit.

Samstag 19.10.24 – (113) – Motupe – Chiclayo

Gesamt: 6.910,18 km

Da wir im ganzen Ort vor 7:30 Uhr nichts frühstücken können, stehen wir etwas später auf und sind um halb acht vor einer vermeintlichen Panaderia die auch Tische und Stühle hat. Komischerweise liegen in den Auslagen keinerlei Brote/Brötchen. Wir bestellen uns Sandwiches und Getränke, und als uns nach 30 Minuten gesagt wird, dass sie nicht das richtige Brot für die Sandwiches haben, erfahren wir, dass sie schon lange keine Panaderia mehr sind, sondern nur noch Cafè und Pasteleria. Wir kommen also erst um halb neun los, halten noch einmal für Bananen und Brötchen und fahren dann laut Empfehlung ein Stück zurück, um schneller auf der Hauptstraße zu sein.

Die Strecke heute ist zwar lang aber quasi ohne Steigungen. Wie in den letzten Tagen sehen und riechen wir sehr viel Müll. Da einige Brücken nur 36 Tonnen Gewicht zulassen, fehlen heute die Großen LKW, das merken wir richtig. Aber es fehlen auch andere Radfahrer (obwohl Wochenende ist) – wir sehen keinen Einzigen, bis wir in Chiclayo ankommen. Schade!

Nach ca. 30 km liegt am Straßenrand das Restaurante Cuyeria Vista Alegre, das Viktor sich schon als Pausenstation angesehen hat. Sie hätten trotz der frühen Stunde schon frittierte Meerschweinchen, wir hätten lieber Kakao/Kaffee, müssen uns aber mit Fanta begnügen.

An der Strecke heute liegen (wieder einmal, muss man fast sagen) sehr viele Areale, auf denen schon Grundstücke markiert sind, die zum Verkauf stehen. Sämtliche davon sind unbebaut, manche haben schon Laternen- und Strommasten, manche ein paar Bepflanzungen, manche Wege. Die anpreisenden Plakate scheinen oft schon lange zu hängen. Es könnten sehr, sehr viele Menschen hier Häuser bauen, aber anscheinend will das niemand. Ist dies eventuell auch nur eine Möglichkeit zur Geldwäsche?

Im kleinen Ort Illimo fallen Jutta ziemlich viele Läden mit Imkerbedarf und/oder Honig und anderen Imkerproduktem auf. Wir halten irgendwann an und gehen in einen gut aussehenden hinein. Der Betreiber hat ihn gerade ganz neu eingerichtet, um sich von den anderen abzuheben – das ist ihm geglückt. 1985 hat El Niño hier ziemlich viel zerstört, dass es im Anschluss ein Förderprogramm gab (mit Hilfe von Argentinien), seitdem gibt es hier sehr viele Imker. Da würde sich fast eine Partnerschaft mit Hohen Neuendorf anbieten.

Als wir nach knapp 60 km immer noch keinen Ort für eine weitere Pause gefunden haben, halten wir an einem kleinen Straßenrestaurant. Wir bestellen Kaffee (Wasser mit Instantpulver in Weihnachtsbechern) und verzehren unsere Mini-Bananen und -Brötchen. Die Dame bietet uns Chicha morada helado an, Viktor lässt sich noch bestätigen, dass es Eis ist und bestellt eines – was kommt, ist wieder ein Liter des Getränks, halt eisgekühlt. Immer diese Missverständnisse!

Irgendwo sehen wir am Straßenrand einen Van stehen, der hinten Claudia, Laura und Adrian auf der Scheibe kleben hat. Wir denken, das müssen Deutsche sein. Als wir vorbeifahren und ins Auto schauen, passiert Viktor spontan der Ausspruch: Nee, das sind doch keine Deutschen! Peinlich – da hat wohl das racial profiling zugeschlagen, das uns hier soviel begegnet, und über das wir uns immer aufregen!

Wir werden heute nicht so viel angehupt, es liegt aber wohl eher nicht an dem Verkehrsschild, das wir heute erstmalig sehen:

Und wenn es schon keine anderen Radfahrer gibt, mit denen wir uns austauschen: heute sind zwei Menschen in einem Tuk Tuk so angetan von uns, dass sie mehrfach anhalten, uns überholen lassen, wieder losfahren, um uns zu filmen und auszufragen.

Etwa 15 km vor dem Ziel fahren wir durch Lambayeque, die Stadt, die der Provinz ihren Namen gibt, und ab hier ist es eigentlich durchgängig Stadtverkehr bis Chiclayo. Wir fahren kilometerlang an vielen Mühlen (und Waagen) vorbei, hier scheint eine Kornkammer Perus zu sein. In Chiclayo kommen wir an einer Deutschen Bildungseinrichtung vorbei – hier unerwartet. Die letzen Meter sollen wir auf einem Radweg fahren können, und tatsächlich ist am Straßenrand ein Zweirichtungs-Radweg abgetrennt. Dieser ist allerdings komplett zugestellt mit parkenden Autos und Motorrädern. Trotzdem ist hier die erste Stadt in Peru, in der wirklich etliche (kann man fast sagen) Radfahrer unterwegs sind.

Nach dem Einchecken, welches um halb fünf erst beendet ist, gehen wir noch in ein Coffee Lab gleich gegenüber und machen dort die Bekanntschaft mit drei jungen Peruaner*innen, die uns als Deutsche/Catalanen sehr interressant finden. Sie hätten gerne Kontakt zu unseren Kindern in Deutschland :-).

Nach dem Duschen gibt es Abendessen im Paprika-Hotelrestaurant, danach Supermarkt und Laptop, das war’s für heute!

Sonntag 20.10.24 – (114) – Chiclayo – Chepén

Gesamt: 6.984,29 km

Wir sind um sechs nicht die Einzigen im Frühstücksraum: ein einzelner Gast, der eine Hahnenkampfkappe trägt (also gestern oder heute wahrscheinlich teilgenommen hat/teilnimmt), und eine größere Gruppe in Laufkleidung, die heute an einem Lauf an der Küste teilnimmt. Die Panamericana verläuft nicht dort, weshalb wir denen nicht in die Quere kommen oder umgekehrt.

Um sieben fahren wir los, erst auf direktem Weg aus der Stadt heraus, am Flughafen und viel Industrie vorbei. Im Anschluss kommt für die halbe heutige Strecke Wüste vom Feinsten. Alles kahl (außer dem Müll natürlich) und bräunlich – man fühlt sich ein wenig, als wäre man auf dem Mars. Nach ein paar Kilometern fahren wir laut Komoot-Navigation „offroad“, weil die Strecke zur Autobahn geworden ist und Komoot uns dort nicht fahren lassen will – der Hotelportier hat uns aber gesagt, wir könnten dort entlang. Hier sind zwei Spuren in jede Richtung mit großem Mittelstreifen und auch breitem Seitenstreifen. Und es ist sehr wenig Verkehr, so dass es nicht unangenehm ist, auf der Autobahn zu fahren.

Nachdem der erste Stopp zur Toilettenpause nicht erfolgreich ist („No hay agua“ – alles abgeschlossen), klappt es beim nächsten Versuch erheiternd: Jutta bekommt vom Tankwart erklärt, dass die Schlüssel an der Tür des Marktes hängen, und dass sie den weißen Schlüssel nehmen muss. Als sie diesen greift, kommt eine Frau aus einer Tür und will ihn ihr wegnehmen – der sei für die Damentoilette. Erst als Jutta bekräftigt, dass es deshalb der richtige sei, erkennt die Frau ihren Irrtum. Eine dunkel gekleidete Radfahrerin mit kurzen Haaren – alles drei gibt es schon alleine nicht in Peru :-).

Nach 38 km, etwa der halben Strecke, sind wir in einer grünen Oase, Mocupe, und wollen dort eine Pause machen. Die ausgeguckte Panaderia ist geschlossen, wir landen im Alpha y Omega am Zentralplatz, über Eck von einer recht großen Halle mit offener Front, in der ein Gottesdienst einer kirchenähnlichen Gemeinschaft stattfindet und hören fast unentwegt den lauten, unmelodiösen Gesang des Predigers. Für unseren Café con leche geht eine Mitarbeiterin schnell los und besorgt eine Dose Kondensmilch. So läuft das!

Hinter Mocupe ist zumindest auf einer Seite der Straße alles grün, hier wird in großem Maßstab alles Mögliche angebaut, und wir fahren über die Provinzgrenze von Lambayeque nach La Libertad.

Landschaftlich erwähnenswert sind vielleicht noch die Sanddünen, die in einem kleinen Gebiet entlang der Strecke sind und ein paar kleine, grüne Hügel, wo kleine Büsche wachsen und Sand haben anschütten lassen.

Um halb zwei sind wir über ziemlich enge Straßen am Hotel angekommen. Der Eingang ist mit einem Gitter von der Straße abgetrennt, in diesen Zwischenraum dürfen wir das Tandem quetschen – halb unter die Treppe zu den Zimmern. Alle Stufen haben unterschiedliche Höhen, und im Bad des Zimmers scheint jede Fliesenreihe ein anderes Muster zu haben. Sehr individuell.

Wir gehen erst einmal in den Ort, suchen eine Einkaufsmöglichkeit für die Getränke (Happy Shoping mit einem !P“) und setzen uns dann zwischen viele Einheimische in eine Art Café. Im Hotel wird geduscht, versucht, für morgen eine Unterkunft zu buchen (vergeblich), Fehleranalyse betrieben (Garmin und WordPress-Mediathek – beides ebenfalls vergeblich) und zumindest begonnen zu schreiben. Dann ist es auch schon Abend und wir gehen in ein nahegelegenes Restaurant – schon wieder eine Pizzeria. Der junge Mann, der uns bedient, zeigt am Ende Interesse, nach Deutschland zu gehen und ein Ingenieur-Studium aufzunehmen und fragt, wie er da an Informationen kommt. Wieder ein WhatsApp-Kontakt mehr, denn an seine E-Mail-Adresse kann er sich gerade nicht erinnern.

Woche 28 (7.10.24 – 13.10.24) Riobamba – Talara

Montag 7.10.24 – Riobamba – Cuenca (Busfahrt)

Beim Frühstück sollen wir uns zwischen Wasser und Milch entscheiden – wir müssen erst fragen, was es damit auf sich hat: auf dem Tisch steht Kaffee- und Kakaopulver zum Einrühren in die gewählte Flüssigkeit.

Viktor fährt zu neun Uhr zum Fahrradladen (Spinosa-BIKE), Jutta setzt sich währenddessen an die Rückwärtsplanung unserer Route (Weihnachten in Santiago bis heute). Der Fahrradtechniker tauscht bei unserer Vorderbremse das Hydrauliköl und erneuert die Bremsbeläge, die Bremsscheibe hält noch diesen Satz Bremsbeläge durch, sagt er. Sie hat zwar eine kleine Beule, aber ist noch stark genug und hat keine Riefen. Wenn sie heiß wird, beult sie sich durch die Wärmeausdehnung an der Stelle noch weiter aus und wir hören beim Fahren ein Schleifgeräusch an den Bremsbelägen. Wir planen den Wechsel der Bremsscheibe für Lima ein.

Und dann will der Besitzer von Spinos-BIKE partout kein Geld für seine Leistung erhalten, nicht einmal in die Kaffeekasse darf Viktor etwas tun. Er erzählt außerdem, dass die Panamericana bis Cuenca immer schlechter wird, auch mit den Betonplatten, die wir schon aus Panama kennen, und dass einige Steigungen noch um einiges steiler sind als alles, was wir bisher hatten (bis 17 und 18%).

Als Viktor gegen 10:45 Uhr wieder am Hotel ist, hat Jutta den Weg in Peru bis Lima quasi geplant und festgestellt, dass es von der Zeit her ganz schön knapp wird. Da sind wir uns sehr schnell sehr einig, dass wir heute schon probieren wollen, einen Bus nach Cuenca zu erwischen, die Stadt anzuschauen und mit einem weiteren Bus bis zur Grenze nach Peru zu fahren. Es reicht uns einfach mit diesen Bergen, bergauf im Schneckentempo, bergab intervallbremsend in dauerhafter Sorge um die Bremsen ebenfalls viel langsamer als es eigentlich möglich wäre. Die Landschaft hat zwar einiges zu bieten, aber die Panamericana selbst ist nun auch nicht gerade eine Schönheit.

Wir packen alles, Viktor zieht seine Radfahrsachen wieder aus, und wir fahren zum Busterminal von Riobamba. Man schickt uns zum „Patria“-Schalter, und schnell haben wir Sitzplätze im Bus um 13 Uhr, ohne dass wir den Fahrer fragen müssen, ob er das Tandem mitnimmt, wie bisher sonst immer. In der Wartehalle verkleinern wir das Rad wieder einmal, und nach gar nicht langer Wartezeit können wir zum Terminal 4 (hier benötigt man ein 20 ct teures Ticket, um Zugang zu bekommen), wo der Bus schon bereitsteht. Pünktlich genug kommt auch der Busbegleiter (Kassierer, Ausrufer, Gepäckverantwortlicher), und Viktor und er stellen das Tandem wieder quer hinten in den Laderaum, verzurren es sicher und stellen die Taschen alle dazu.

Pünktlich um 13 Uhr rollen wir los, um die nächsten 30 Minuten alle paar Meter anzuhalten, damit noch weitere Fahrgäste einsteigen können oder/und damit fliegende Händler durch den Bus kommen können, um Essen, Eis oder Gertränke zu verkaufen. Innen im Bus klebt ein Schild, dass man weder essen noch trinken darf, das aber wohl nicht beachtet wird. Ebenfalls nicht beachtet wird das Schild, dass Tiere verboten sind: es fahren zwei Hunde mit. Aber immerhin wird das Rauchverbot eingehalten.

Bis Cuenca sind es ca. 260 Kilometer, diese allerdings über die vielen Berge und auf schlechter Strecke, die wir uns ja mit dem Rad ersparen wollen. Wir wissen gar nicht, wie lange die Fahrt dauern soll, aber erstens hängen wir öfter hinter langsamen LKW, bevor die Straße ein längere Gerade zum Überholen anbietet, und zweitens (viel schlimmer) halten wir ständig an: es muss nur jemand am Straßenrand winken, egal wo, dann nehmen wir sie oder ihn mit, und zwar wohin die Person möchte, manchmal nur fünf Minuten. Und immer wieder steigen auch Händler ein, manchmal fahren sie ein Stück mit und werden irgendwo wieder rausgelassen. Und so benötigen wir für die Strecke etwas über sechs Stunden – es ist kurz nach 19 Uhr und dunkel, als wir ankommen. Und jetzt fällt uns auf, dass wir heute gar nichts für den Transport des Tandems bezahlen mussten…

Jutta guckt während der gesamten Fahrt vorne aus dem Fenster (im Bus kann so die Reiseübelkeit ganz gut vermieden werden) und stellt am Ende fest, dass wir auf der gesamten Strecke nicht eine Person auf dem Fahrrad überholt haben. Wir sind anscheinend durch eine Gegend Bus gefahren, in der Radfahren einfach keinen Spass macht 😉 !

Aus dem Bus haben wir ein Hotel ganz in der Nähe des Busbahnhofs gebucht, damit wir das Tandem gar nicht erst fahrtüchtig machen müssen, denn wir wollen ja auch noch mit einem Bus weiter. Wir machen nur den Sitz drauf und den Lenker hoch (zum besseren Schieben) und laufen die 500 Meter zum Boutique-Hotel La Farola. Nach dem Einchecken gehen wir schnell bei Don Wilson gegenüber etwas essen, und dann ist der Tag auch schon vorbei.

Dienstag 8.10.24 – Cuenca

Beim Frühstück kennen wir jetzt schon die Frage nach Wasser oder Milch 😉 – das ist anscheinend nicht so unüblich! Anschließend laufen wir gleich los in die Altstadt, wo wir um elf Uhr eine „Free Walking Tour“ gebucht haben. Wir gehen schon einmal in die riesige Kathedrale und in die alte Markthalle, bevor wir im Cafè Austria noch einen Kaffee trinken (und einer von uns der Linzer Torte nicht widerstehen kann, die jedoch einen Tick zu lang im Backofen war).

Am Platz vor der Kathedrale sperren die Freiwillge Feuerwehr und die Berufsfeuerwehr von Cuenca die Straße ab. Es findet irgendeine Veranstaltung statt, bei der es darum geht, wie stolz die Einwohner Cuencas auf ihre Stadt sind. Es gibt sogar ein speziell komponiertes Lied zu hören:

Um elf treffen wir auf unsere Guide, die erst 22-jährige Mel, und zwei weitere Reisende, einer aus Australien, der andere aus England. Wir starten im Seminario de San Luis. Von hier geht es in die Kathedrale. Und jetzt erfahren wir auch, weshalb die Türme wie abgeschnitten aussehen, was uns vorher schon aufgefallen war: der Architekt war Johannes Stiehle, ein Deutscher Priester, der – zumindest nach dem Urteil seiner Kritiker – kein besonders guter Statiker war. Die benutzen Steine und Baumaterialien sind nicht stabil genug, und bevor die Kirche fertiggestellt war, ging schon ein Riss durch die Decke (siehe Fotos), nachdem eine große und schwere Bronze-Jesusstatue auf dem Mittelbogen aufgestellt wurde. Also musste auf die Glockentürme verzichtet werden. Als Papst Johannes Paul II. im Jahr 1985 die Kathedrale segnen sollte, hat er es fast verweigert, weil es (ohne Türme) keine Glocken gab. Man musste dem Papst erst versprechen, dass die Glocken noch „nachgerüstet“ werden. Man hat es dann vor dem Tod des Papstes noch mit Aluminiumglocken versucht, die leichter sind, um das Versprechen einzulösen, aber das ist angeblich auch schief gegangen. Laut Berechnungen weiterer Statiker müsste „ein Wunder geschehen, damit die Kathedrale von Cuenca Glocken erhält“, also bleibt diese wirklich riesige Kathedrale wohl glockenlos.

Im Parque Calderon wird uns erklärt, dass der Status des Weltkulturerbes, den Cuenca seit 1996 trägt, in Gefahr ist, weil eine der acht alten Pinien (Pinos de Estrella aus Peru, Auracaria) hier auf dem Platz abzusterben droht. Alle acht Pinien sind aber wichtiger Bestandteil des anerkannten Weltkulturerbes. Auf dem Weg zum Treffpunkt haben wir jedoch auch schon moderne Gebäude zwischen den historischen Altbauten gesehen, bei denen wir uns ebenfalls dachten, dass so etwas den Status gefährden könnte. Für die Spanischsprechenden unter Euch:

In der neuen Markthalle bekommen wir u.a. auch die Abteilung mit den pflanzlichen Medikamenten gezeigt: es gibt neben Tropfen und Tabletten auch „Parfums“ für alle Lebenslagen und Krankheiten zu kaufen. Auf die Frage, warum es trotzdem in Ecuador so viele Apotheken gibt, bekommen wir die Antwort, dass in den Apotheken sehr viel Geld gewaschen wird (die Drogengelder der Kolumbianer, Mexikaner und Peruaner). Als wir das hinterher nachschauen sehen wir aber, dass auch hier in Ecuador eher mit Immobilien und Gebrauchtwagenhandel Geld gewaschen wird.

Weitere interessante Dinge, die wir über Cuenca erfahren:

Cuenca war die zweitwichtigste Stadt des Inkareiches, nach Machu Pichu. Als die Spanier die Stadt eroberten, nannten sie sie „Santa Ana de los quatro Ríos de Cuenca“, nach Ana, der Mutter der Jungfrau Maria, und nach der spanischen Stadt „Cuenca“, wegen der Ähnlichkeiten in der geografischen Lage. Mit den Spaniern kam natürlich das Christentum und der Bau vieler Kirchen. Der indigene Naturglaube und die Mythologie der Inka wurden dabei geschickt in den christlichen Glauben eingebaut, was sich auch heute noch in den Marien- und Jesus-Darstellungen zeigt, die fast immer Mond und Sterne (Maria) oder Sonne (Jesus) integrieren. Die Kathedrale von Cuenca wurde erst nach der Unabhängigkeit von Spanien gebaut, da der Zutritt zu den Kirchen vorher nur den Spaniern und den direkten Nachkommen erlaubt war. Größere Kirchen und Kathedralen wurden erst später benötigt, als alle Menschen Zutritt erhielten.

Der Panama Hut stammt urprünglich aus Ecuador, wurde in Cuenca gefertigt und nach Panama exportiert.

Die Stromabschaltungen in Ecuador sind nicht nur auf den Wassermangel zurückzuführen, sondern auch darauf, dass der Stromimport aus Kolumbien aufgrund politischer Feindseligkeiten zwischen den Regierungen nicht mehr möglich ist. Früher hat Ecuador überschüssige Energie aus Wasserkraft nach Kolumbien exportiert. Jetzt benötigt Ecuador wegen des Wassermangels in den Stauseen eigentlich Stromimporte, die aber nicht möglich sind.

Nach der Tour gehen wir in ein Juan Valdez Café, wo wir u.a. eine Humita probieren. Juttas Cousine Magdalena hatte nämlich gerade gestern in einer Nachricht ihre in Hamburg verzehrte Humita geschickt und uns diese ans Herz gelegt. Hier überlegen wir uns auch, dass wir noch einen weiteren Tag hier bleiben werden und morgen eine Tour in den Cajas Nationalpark machen.

Jetzt wollen wir zum Museum Pumapungo. Dorthin können wir auf der Promenade am Fluss Tomebamba laufen, die uns als schön empfohlen wurde. Auf dem Weg dorthin treffen wir den Australier von heute vormittag wieder – er schließt sich uns an. Das Museum selbst wird gerade renoviert und ist geschlossen, aber wir können in den archäologischen Park, das Ecuadorianische Machu Picchu, und hinterher gucken wir uns dort auch noch die Vogelausstellung mit vielen Papageienarten an.

Abends gehen wir in einem vegetarischen Restaurant essen, das uns Mel empfohlen hat. Es ist überraschend gut besucht und wir essen sehr preiswert und gut, Viktor sogar mit einem Banana-Split zum Nachtisch. Auf dem Rückweg zum Hotel fällt uns in der historischen Altstadt auf, das die Straßenbahn eine Mittelschiene hat, die wohl zur Stromversorgung dient. Es gibt hier keine Oberleitungen und die Schiene trägt ein Blitz-Zeichen. Wie kann so etwas auf dem Boden liegen, wo jeder Passant drauftreten und einen Stromschlag erleiden könnte? Die Antwort ist das APS-System von Alstom, bei dem immer nur der Abschnitt der Schiene Strom führt, der direkt unter der Straßenbahn liegt. Sehr teuer, aber in einem historischen Stadtbild, das Weltkulturerbe-Status hat, nicht anders machbar, denn dort sind Oberleitungen tabu. Die Straßenbahn von Cuenca ist seit 2019 in Betrieb und ist die höchstgelegene Straßenbahn der Welt. Mal schauen, ob wir morgen noch eine Fahrt hinbekommen. Bevor es zurück ins Hotel geht, gönnen wir uns noch ein Getränk bei „Latitud Cero„, einem Craft-Bier-Anbieter, den wir schon aus Latacunga kennen, und der sehr gute dunkle Biere (Märzen, dunkles Weizen) braut.

Mittwoch 9.10.24 – Cuenca

Nachdem wir gestern die Stadt Cuenca erkundet haben geht es heute in den Nationalpark Cajas. Wir haben eine Tour mit Wanderung um die Lagunen gebucht. Beim Frühstück unter Zeitdruck erhalten wir eine WhatsApp, dass sich der Treffpunkt geändert hat und wir nochmal vier Straßenblöcke weiter laufen müssen. Es wird zeitlich knapp, aber wir schaffen es mit wenigen Minuten Verspätung um 8:35 dort einzutreffen.

Mit einem Toyota Allrad Taxi geht es zu viert (Fahrer und unser Guide Diego) in die Berge bis auf über 4.000 Meter Höhe auf die Tres Cruces Passhöhe. Hier befindet sich die Wasserscheide zwischen Pazifik- und Atlantik-Seite, das heißt auf der einen Seite fließt das Wasser aller Bäche und Flüsse am Ende in den Pazifik, auf der anderen Seite endet alles Wasser im Amazonas und von dort aus im Atlantik. Der Nationalpark Cajas ist ein hochgelegenes Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung (Ramsar-Feuchtgebiet), dass wie ein Schwamm den Regen in der Regenzeit aufnimmt, speichert und dann über die Lagunen, Bäche und Flüsse während des Jahres wieder abgibt.

Unsere Wanderung beginnt bei über 3.950 Metern, geht dann zunächst bergab und später wieder zum Ausgangspunkt zurück. In den Steigungen merken wir die dünne Luft ganz schön, aber die Tasse Koka-Tee, die wir vor dem Losgehen trinken konnten, scheint ein wenig zu helfen (Placebo-Effekt?), jedenfalls haben wir keine Kopfschmerzen, die als erstes Anzeichen von Höhenkrankheit gelten. Wir wandern (teilweise kraxeln wir auch) circa sechs Kilometer um mehrere Lagunen herum und auf Teilen der alten Inkastraße durch den Nationalpark, beobachten Pflanzen und Tiere und genießen das einmalige, grüne Bergpanorama. Diego erklärt uns, wie wichtig dieses Gebiet für den Wasserhaushalt von ganz Ecuador aber auch aller Nachbarländer ist. Er zeigt uns die kleineren, aufgrund des Regenmangels bereits ausgetrockneten Lagunen sowie die größeren, deren Wasserspiegel ebenfalls für die Jahreszeit viel zu niedrig ist. Seit 90 Tagen wird hier auf einen ordentlichen Regen gewartet. Aber nicht nur der fehlende Regen sondern auch die fehlerhafte Aufforstung mit Pinien vor vielen Jahren sorgt wohl für die aktuelle Knappheit, denn letztere halten das Wasser nicht so im Boden . Wer wandern auch durch ein kleines Stück des natürlichen Waldes aus Polilepis (Arbol de Papel), der aber stark bedroht ist. Er erklärt, dass er eigentlich nicht damit gerechnet hatte, in seinem Leben die ersten Kämpfe um Wasser in Südamerika zu erleben. Jetzt sei er sich da nicht mehr so sicher.

Am Startpunkt zurück können wir trotz der Stromabschaltung einen Kaffee trinken, bevor wir wieder ein Stück nach unten zum Restaurant „Las Cuevas“ fahren und dort ein Mittagessen bekommen. Der servierte rote Saft stellt sich als Heißgetränk heraus und heißt Horchata (so heißt hier ein Tee aus Amazonas-Früchten, also etwas ganz anderes als in Spanien die „Horchata de Chufa“). Die eigentlich noch geplante eineinhalb Kilometer lange Wanderung lassen wir ausfallen – inzwischen regnet es, und es ist auch schon recht spät. Diego schlägt uns vor, nach der Rückkehr noch zu den „Baños de cuenca“ (Heiße Quellen) zu fahren, was wir uns auch vorstellen können, aber die Rückfahrt dauert ziemlich lange (inkl. Polizeikontrolle), so dass es uns dafür dann schon zu spät ist.

Die Zeit bis zum frühen Abend wird stattdessen mit Ausruhen und Blog-Schreiben verbracht. Gegen sechs gehen wir noch einmal los: wir wollen noch mit der höchstgelegenen Straßenbahn der Welt fahren und dann im von Diego empfohlenen Restaurant essen gehen. Der Ticketkauf geht schneller als gedacht, es gibt hier nur einen einzigen Tarif, und man bekommt nur ein Ticket, auf dem die Anzahl der Passagiere steht. Wir fahren nur zwei Stationen, aber das musste einfach sein. Das Filmen des Herunterfahrens des Stromabnehmers beim Übergang in die historische Altstadt geht aber leider schief. Auf dem Weg zu „Tiesto`s Café und Restaurant“ passieren wir wieder mal ganze Häuserblöcke ohne Strom und ahnen schon Schlimmes. Aber genau der richtige Block mit unserem Restaurant ist dann zum Glück wieder hell erleuchtet.

Wir essen hervorragend, nach mehreren Tagen mit preiswerten, schnellen Abendessen mal wieder ein willkommener Genuss. Der Nachtisch wird dann sogar zu einer kleinen Krönung, denn die Kombination aus leicht gefrorenem Mousse au Chocolat mit einer Kugel Maracuja-Eis wird auf einem mit verschiedenen Fruchtsaucen handbemaltem Teller serviert und schmeckt sensationell. Zum Abschluss bemalt der Chef nochmal einen weiteren Teller und wir dürfen es filmen (siehe unten).

Viktor fragt eher zufällig nach, ob die Früchte an der Theke vielleicht „Limon Mandarina“ seien, denn seitdem er diese komische Zitrone mit orangefarbenem Fruchtfleisch zum Tilapa gegessen hat, möchte er ein paar Kerne haben, um zuhause vielleicht ein Bäumchen aufzuziehen. Prompt läuft der Chef in die Küche und holt mehrere dieser Früchte und schenkt sie uns.

Donnerstag 10.10.24 – Cuenca – Huaquillas (Busfahrt)

Zunächst noch zwei Bilder aus dem Hotel La Farola in Cuenca:

Wir frühstücken um Punkt acht Uhr und verabschieden uns von der freundlichen Mitarbeiterin, die speziell für uns dunkles Roggenbrot besorgt hat. Das Gepäck kommt an das immer noch zusammengeschobene Tandem, und wir schieben es zum Busterminal. Dort angekommen werden wir gleich von mehreren Busbegleitern angesprochen, wo wir denn hinwollen. Kaum haben wir „Huaquillas“ gesagt, fängt ein junger Mann ganz hektisch an, uns zu einem Fahrkartenschalter zu schieben und gleichzeitig unser Tandem zu „übernehmen“, um es zu einem abfahrbereiten Bus zu schieben. Viktor erklärt ihm, dass wir noch zehn Minuten benötigen, um das Tandem transportbereit zu machen (Gepäck abnehmen und Lenker herunterklappen), aber er wiederholt immer wieder hektisch, dass er uns beim Einladen helfen würde. Viktor geht also an den Schalter und erhält das Ticket, ohne überhaupt etwas zu bezahlen. Das Finanzielle soll an Bord des Busses geregelt werden. Jutta ist währenddessen mit dem jungen Busbegleiter und dem Tandem in Richtung Bussteige unterwegs. Die beiden bleiben aber an der Nationalpolizei hängen, die das Tandem nicht durchlassen wollen, obwohl ihnen mehrfach erklärt wird, dass es sich um das Gepäckstück der beiden deutschen Fahrgäste handelt. Erst nach mehreren Minuten Funkgespräch über sein Walkie-Talkie gibt er den Weg zum Bus frei. Vom Verlassen des Hotels bis zum Abfahren des Busses vergehen nur ganze 13 Minuten!!! Dafür dauert die Fahrt wieder über sechs Stunden, obwohl die Strecke über den direktesten Weg nur knappe 200 Kilometer lang ist und nur vier Stunden dauern soll. Wir fahren nämlich nicht die kürzeste Strecke, sondern „oben herum“.

Jutta beobachtet den jungen Busbegleiter und Ticketverkäufer dabei, wie er eine kleine Plastikflasche aus dem Seitenfenster wirft. Da Viktor bei der letzten Rast genau das gleiche Getränk gekauft hat, nutzt er die Gelegenheit, geht etwas später während der Fahrt nach vorne und fragt den jungen Mann:
“En Ecuador es aceptable poner esto en el basurero del bus o lo tengo que tirar por la ventana como usted?”
„Ist es in Ecuador akzeptabel, dass wir diese Flasche in den Müllbehälter im Bus werfen oder muss ich sie aus dem Fenster werfen, so wie Sie das vorhin getan haben?“
Ohne zu zögern nimmt er Viktor die Flasche ab und wirft sie sofort aus dem Seitenfenster. Der alte weiße Boomer ist völlig verblüfft und kann gar nicht schnell genug reagieren, um das noch zu verhindern. Nun gut, das scheint also hier die korrekte Form der Entsorgung zu sein. 😉
Etwas verwirrt sind wir jedoch einige Minuten später, als der junge Mann eine Plastikflasche aufhebt, die jemand direkt unter dem Müllbehälter im Bus liegen gelassen hat, und sie in eben diesen Müllbehälter steckt. Was ist denn nun richtig?
Aber dann kommt Viktor auf die Lösung: Es hängt immer vom aktuellen Abstand der Flasche vom Müllbehälter ab! Liegt das Fenster näher, gehört es dort hinaus, liegt der Müllbehälter näher, gehört es dort hinein. Ganz einfach!

Auf dieser Busfahrt steigt nicht ein einziger fliegender Händler zu – das scheint evtl. eine „Anden“sache zu sein, und diese verlassen wir ja gerade. Und außerdem halten wir bis Naranjal – etwa halbe Strecke – auch nicht, um Passagiere ein- oder aussteigen zu lassen, und auch danach nur sehr selten. Vielleicht ist aus diesem Grund der Fahrschein heute teurer als für die 100 km längere Strecke nach Cuenca.

Während der Fahrt buchen wir ein Hotel in Huaquillas, und als wir durch die Stadt fahren, kommen wir an der Abzweigung dorthin schon vorbei, da das Busterminal fast an der Grenze nach Peru liegt. Der Bus fährt allerdings ohne uns zum Terminal, denn irgendwo vorher, einfach so am Straßenrand, sollen wir plötzlich aussteigen…

Wir machen das Tandem also auf einem Moto-Parkplatz fahrbereit, bepacken es und fahren zum Hotel. Dort dauert es einige Minuten, bis jemand Verantwortliches kommt, und es ist 15:58 Uhr, als wir einchecken. Auf unsere Frage nach einer Stromabschaltung bekommen wir gesagt, geplant sei 16 bis 20 Uhr. Wir sind also gerade oben im Zimmer, als das Licht ausgeht! Das Notstromaggregat, das vorhanden ist, funktioniert leider nicht. Da hatten wir in den letzten Tagen mehr Glück.

Also gehen wir in den Ort auf der Suche nach einem Kaffee. Dummerweise hat um vier gerade ein Fußballspiel Ecaudor gegen Uruguay begonnen. Und da die Privatäuser alle keinen Strom haben, laufen die Generatoren der Cafés (und Geschäfte) für Fernseher zum Public Viewing – überall stehen Trauben von Mopeds mit Menschen darauf auf der Straße. Ein Cafébetreiber erklärt, er könne ja nicht den Fernseher ausmachen, weil ein paar Deutsche einen Kaffee trinken wollen. Beides geht wohl nicht.

Wir finden eine Heladeria mit Café, in der kein Fußball läuft, bekommen dort aber leider nur Tütencappucino (und teilen uns eine Waffel). Anschließend laufen wir bis zur Grenze, um für morgen früh schon einmal zu gucken. Und das ist gut so! Denn als wir uns durch die enge Gasse zwischen allen Marktständen durchgekämpft haben und erst einen Taxifahrer und dann einen Polizisten fragen, erfahren wir, dass an diesem Übergang keine Migrationsbüros sind, dafür müssen wir einen ca. sieben km weiten „Umweg“ fahren. Mit den Stempeln im Pass dürften wir dann hier rüber fahren, wenn wir wollen. Und heute dorthin zu fahren, sei zu gefährlich, weil es bald dunkel wird, wenn, dann nur mit einem Taxi!

Wir gucken uns das Ganze mal auf der Karte an und beschließen, morgen früh über den anderen Grenzübergang zu fahren. Komoot lässt die Straße zwar nicht zu, will uns immer anders schicken, aber die Polizei und die Menschen im Hotel sagen, dass man dort radfahren kann.

Da um halb sieben das Hotel immer noch keinen Strom hat (zwei Männer knien vor dem Generator – made in the U.S.A. ) gehen wir die inzwischen dunkle Straße wieder zur Hauptstraße, setzen uns in ein Restaurant, in dem sogar das WIFI funktioniert, essen dort zu Abend und warten so lange, bis auf der Straße die Lichter wieder angehen, ein paar Minuten nach acht.

Freitag 11.10.24 – (105) – Huaquillas – Zorritos

keine Höhenmeterangaben mehr, die wir uns merken wollen 🙂

Gesamt: 6.336,29 km

Um kurz vor acht Uhr morgens klopft es an unsere Zimmertür – wir wollen gerade los, um das Tandem zu packen – und wir bekommen das Frühstück in Pappe und Styropor gebracht. Ist es wohl als „Frühstück im Bett“ gemeint? Wir gehen mit dem Tablett und unseren Radtaschen in den Hof, frühstücken, schmeißen den ganzen Müll weg und fahren los, nachdem wieder mehrere Anwesende Fotos von uns gemacht haben.

Wir nehmen den Weg, der uns gestern erklärt wurde. Die Straße zur Grenze ist ziemlich verlassen, nirgendwo Händler oder Geldwechsler. Dann fahren wir über eine Brücke und sind auf der Peruanischen Seite. Hier sollen doch eigentlich die Ein- und Ausreisebüros von der „Migracion“ sein… . Wir fahren erst einmal weiter, irgendwann fragen wir einen Polizisten und müssen immer noch weiter nach Peru hinein. Erst nach mehreren Kilometern gibt es hier ein binationales Gebäude, in dem gleichzeitig die Ecuadorianer und die Peruaner sitzen. Ist man am ersten Schalter fertig, geht man einfach ein paar Schritte weiter zum nächsten Schalter. Und das, obwohl die Beziehungen der beiden Länder nicht die besten sein sollen. Den letzten Krieg zwischen beiden Ländern gab es erst 1995. An dieser Grenze sind die Mitarbeiter alle sehr nett und wohlwollend, und wir denken, dass das richtig gut und schnell geklappt hat. Da wir ja keine Geldwechlser gesehen haben, will Viktor bei der Bank an der Grenze wenigsten ein paar USD in PEN, den peruanischen Sol, umtauschen. Jutta macht währenddessen Bekanntschaft mit einem sehr unangenehmen Grenzbeamten: das Tandem darf nicht dort stehen, wo es steht, es soll auf einen Parkplatz. Viktor kommt schnell unverrichteter Dinge (zu viel Bürokratie beim Wechseln notwendig, Formulare, Reisepass, usw.) zurück, und wir schieben auf der Straße weiter – schon wieder falsch, und wir werden vom gleichen Beamten zurückgepfiffen! Wir müssen uns bei der Fahrzeugkontrolle anstellen. Autos werden hier sogar teilweise von unten untersucht. Als wir an der Reihe sind, sind wir schon auf alles gefasst, dürfen aber einfach so weiterschieben. Hauptsache der eifrige Grenzbeamte hat sich wichtig gemacht!

Nach ca. 40 Minuten fahren wir also in Peru weiter. Schon gestern war die Natur nach den ganzen Bananenplantagen wesentlich trockener geworden, und jetzt fahren wir wirklich durch Steppe. Kilometerlang gibt es hier noch keine angesiedelten Menschen. Als wir die ersten Behausungen erreichen, wird es gleich auch grün: rechts und links überall Reisfelder.

Und was sich mit dem Übertritt ins nächste Land geändert hat: die Straße ist merklich schlechter, hier fahren wieder unendlich viele Tuk Tuks (Mototaxis) und die am Rand liegende Menge an Müll erinnert an Mexiko.

Nach gut 30 Kilometern und etwa der halben Strecke heute sind wir in Tumbes, der ersten Stadt, und suchen uns ein Café. Das „Coffee Art“ liest sich gut und gibt es anscheinend sogar zweimal. An der ersten Adresse ist leider nichts zu finden. Jutta hat den Gedanken, dass das Café umgezogen sein könnte, und wirklich, seit 2019 ist es an der anderen angegebenen Adresse. Der Betreiber akzeptiert weder Kreditkarte noch USD, deshalb geht Viktor erst einmal an einen Geldautomaten, von denen uns wegen der hohen Gebühren eigentlich abgeraten wurde. Dann machen wir eine ausgiebige Pause.

Auch hier wird beim Weiterfahren noch ein Foto von uns gemacht. Die zweite Hälfte der Strecke geht ähnlich weiter, manche Autos überholen recht eng, wir müssen stark auf die Straße achten, aber es gibt keine Berge mehr! Wir wussten schon fast nicht mehr, wie zügig man vorankommen kann, wenn das Streckenprofil flach ist. Selbst den leichten Gegenwind empfinden wir heute eher als angenehm kühlend, denn die Temperaturen liegen hier wieder höher, so zwischen 23 und 28 Grad Celsius.
Um 13 Uhr, nach etwa 50 Kilometern, kommen wir das erste Mal seit langer Zeit wieder an den Pazifik! Endlich! Und ebenfalls hier fahren wir eine Weile im Windschatten von fünf anderen Radfahrenden auf Mountainbikes und unterhalten uns ein wenig mit ihnen.

Vom Ausnahmezustand, der in allen Grenzregionen Perus zu Ecuador derzeit herrscht (das haben wir gestern in den Reisewarnungen des Auswärtigen Amts gelesen) bemerken wir heute (noch?) nichts. Polizei und Militär haben Sonderbefugnisse, insbesondere was Personen- und Fahrzeugkontrollen betrifft.

Weil es noch relativ früh ist, als wir Zorritos direkt nach dem einzigen 60-Meter-Hügel der heutigen Strecke erreichen und weil unsere Unterkunft etwas weiter südlich in Pinos liegt, wollen wir noch eine Eispause machen. Und obwohl es hier angeblich touristisch ist, finden wir nichts.
Der Weg zum Hotel ist wohl einer Sturmflut zum Opfer gefallen, es gibt ihn nicht mehr. Wir müssen unser Tandem von hinten über einen kleinen Pfad schieben, um dann vor verschlossener Tür zu stehen. Wir klingeln, zwei kleine Mädchen machen die Tür auf und reichen uns ein Telefon: der Vater ist unterwegs, wir dürfen schon hereinkommen und sollen im „Wartesaal“ (sala de espera) im zweiten Stock warten. Das ist im Prinzip eine große, leere Terrasse, aber gut. Es dauert auch nicht lange, bis der Vater kommt, nur weiß er nichts über die Reservierung. Darum kümmert sich immer sein Frau, die aber gerade in Lima ist. Wir sollen ihm die Buchungsbestätigung zeigen. Dann können wir endlich ins Zimmer mit Meerblick!

Hier hat wohl schon länger niemand mehr saubergemacht. Besonders die Dusche ist völlig verdreckt. Für den Preis haben wir eigentlich etwas besseres erwartet, aber nun denn!
Beim Versuch, das Ladegerät in die Steckdose zu stecken, muss Jutta feststellen, dass der Stecker nicht passt. Nanu!? Das Nachschauen im Netz klärt uns auf, dass es in Peru unsere heimischen Schuko-Stecker und 220 Volt-Leitungen gibt. Damit hatten wir nach den vielen Ländern mit denselben Steckern und 110 Volt schon gar nicht mehr gerechnet, haben aber den richtigen Stecker für unser Ladegerät dabei.

Als wir in den Ort losgehen wollen fällt uns auf, dass wir keinen Zimmerschlüssel haben. Die Besitzerfamilie ist wieder nicht da, also schließen wir die Tür von innen, ziehen sie von außen zu und hoffen auf den Schlüssel bei unserer Rückkehr. Wir suchen erst einen Supermarkt (finden einen Minimarkt, bekommen aber unsere Getränke) und anschließend ein Restaurant. Mehrere tragen als Beinamen „touristica“. Wir sind wahrscheinlich einfach außerhalb der Saison hier, denn andere Besucher scheint es hier kaum zu geben. Im „Elena“, direkt neben dem „Selena“ essen wir früh und laufen dann noch im Hellen zurück zum Hotel.

Die Tochter macht uns das Tor wieder auf und wird von uns geschickt, um den Zimmerschlüssel zu besorgen. Sie kommt mit einem ganzen Schlüsselbund und öffnet unsere Tür. Einen eigenen Schlüssel scheint man hier nicht zu bekommen.

Hier in Peru brauchen wir keine Stromabschaltungen zu erwarten (vor der Küste sehen wir Ölbohrinseln die Gas abfackeln ;-)), aber als wir wieder im Zimmer sind und den Wasserhahn aufdrehen, kommt nichts. Wir haben also ab sofort nicht mehr mit „kein Strom“ zu kämpfen, sondern mit „kein Wasser“. Wir lassen den Hahn aufgedreht und die Badezimmertüre geöffnet, um zu hören, wann es wieder fließt. Irgendwann, schon um Einiges später, plätschert es und Jutta freut sich schon. Viktor holt sie in die Realität zurück: das ist nur jemand im Nachbar-Badezimmer, der gerade pinkelt. Die Wand unserer Dusche ist nämlich nach oben offen, und das Badezimmer des Nachbarzimmers ist direkt dahinter, also quasi im gleichen Raum. Hatten wir auch noch nicht, mal schauen, was wir heute Nacht noch so hören werden.

Samstag 12.10.24 – (106) – Zorritos – Máncora

Gesamt: 6.408,90 km

Aufgrund der wenigen Orte und Einkehrmöglichkeiten entlang der heutigen Etappe entscheiden wir uns für ein Frühstück im Hotel, das es aber erst ab 8:30 Uhr gibt. Als wir gegen sieben Uhr aufstehen regnet es doch tatsächlich. Wieder alles richtig gemacht, denn später, als wir losfahren, scheint die Sonne. Und in der Zeit bis zum Frühstück können wir unserem Neffen zum elften Geburtstag gratulieren :-).

Um neun Uhr schieben wir das Tandem über die Sandpiste zur Panamericana und starten in den Tag. Der Sohn des Hauses (im Real Madrid Trikot, von denen er angeblich 50 Stück hat) steht im Grundstücks-Tor, als wolle er uns bei der Abfahrt beobachten, aber leider ist auf dieser Sandpiste nicht an „abfahren“ zu denken.

Die ersten Kilometer geht es durch kleine Küstenorte, die alle ineinander übergehen. Vor einigen Orten liegen Fischerboote im Wasser oder haben am Hafensteg angelegt und laden den Fang aus. Wir nehmen uns keine Zeit, um uns den Trubel genauer anzuschauen, denn wir können noch nicht einschätzen, wie der Wind hier an der Küste uns bremsen wird. Von Felipe und Katya, die wir in Mexiko und Panama getroffen haben und die schon in Lima angekommen sind, wissen wir, dass der Wind in dieser Gegend nachmittags recht heftig werden kann. Und wir sind ja heute eher spät unterwegs.

Als die Küstenorte enden geht es durch wüsten- und steppenartiges Gebiet immer am Pazifik entlang. Der Blick aufs Meer ist oft unverstellt und wir können den Ausblick genießen. Die Landschaft ist allerdings eher trostlos und der viele Müll am Straßenrand trübt die Aussicht etwas. Irgendwann kommen wir an großen, künstlich angelegten Seen vorbei, bei denen wir uns nicht sicher sind, ob dort Fische gezüchtet werden oder vielleicht Salz gewonnen wird. Eine Recherche am Abend ergibt, dass es sich wohl um eine riesige Langusten-Farm handelt. Jedenfalls sagt Google-Maps, es sei eine Langostinera und wir finden auch eine passende Webseite.

Kurz danach passieren wir ein großes, von der Sonne bereits sehr ausgebleichtes Schild von ACCOR/Novotel, auf dem ein großes Hotel-Resort angekündigt wird. Wir sehen weit und breit keine Bautätigkeit. Die abendliche Recherche ergibt, dass hier Ende 2024 ein großes neues Hotel in Betrieb gehen sollte, jetzt ist es für 2026 geplant. Ihr könnt übrigens noch in das Projekt investieren ;-).

Erst bei Kilometer 28 gibt es so etwas wie eine Einkehrmöglichkeit, wir trinken zwei Limonaden, denn Kaffe gibt es nicht. Bei Kilometer 35 dann endlich ein kleines Restaurant direkt am Meer, wo wir eine längere Pause einlegen und Viktor sich eine Langusten-Tortilla genehmigt.

Es geht heute mehrere Male über viele Kilometer schnurgeradeaus. Der erwartete Wind wird ab vormittags immer stärker und kommt aus Südwest. Wenn man dann ewig geradeaus mit Gegenwind fährt, wünscht man sich ab und zu Kurven. Als wir die Küste verlassen, haben wir zwischendurch andere Himmelsrichtungen, jeah. Und gegen Ende kommen unerwartet einige Hügel, nichts Schlimmes, aber in Kombination mit dem Wind will der Captain so etwas bitteschön vorher wissen.

Die Auto- und LKW-Fahrer überholen uns fast ausnahmslos mit großem Abstand, und am ganzen Tag gab es keine Hunde, die uns bellend vefolgt haben. Beides haben wir anders erwartet.

Wir würden gerne eine Eiseinladung wahrnehmen, kommen aber an keiner Möglichkeit vorbei. Am Zielort Máncora soll es dann so weit sein, bevor wir zum Hotel fahren. Und obwohl es hier sehr viele Hotels gibt, empfängt uns die Stadt mit Sandstraßen, und auf der Suche nach einem Supermarkt (Eisdiele schließen wir mal gleich aus) schickt man uns zu einer Markthalle, in der der „Supermarkt“ einige kleine Stände am Rand des Gebäudes sind. Der Blick in Google Maps ergibt, dass der nächste richtige Supermarkt 21 km entfernt ist – hier in der Stadt gibt es nur kleine Tiendas.

Unser Hotel liegt ganz im Süden von Máncora – wir passieren noch einige Souvenier-Geschäfte und Restaurants, es gibt also wohl einen touristischen Teil – und wir haben Strandzugang direkt aus dem Zimmer. Zum Surfen, Kitesurfen, SUP, Schnorcheln und Tauchen ist es hier sicher schön, wir nutzen diese Angebote leider gar nicht.

Nach dem Duschen gehen wir schon bald zurück in den Ort, wo wir ein Café mit vielen veganen Angeboten gesehen haben. Als wir es wiedergefunden haben, essen wir, kaufen hinterher gegenüber in einem Miniladen Getränke und passen heute auf, dass das Wasser nicht wieder versehentlich mit Sprudel ist – gestern ist uns das passiert, denn hier sind die Flaschen dieselben, in Ecuador unterscheidet sich die Optik ganz stark.

Sonntag 13.10.24 – (107) – Máncora – Talara

761 m Anstieg

Gesamt: 6.494,12 km

Heute ist einer jener Radfahrtage, bei denen Du am Ende nicht weißt, ob Du ihn Dir lieber gespart hättest, oder ob er sich vielleicht doch irgendwie gelohnt hat. Aber der Reihe nach.

Geplant sind für heute so um die 70 Kilometer immer an der Küste lang. Komoot zeigt an, das wir überwiegend Asphalt und „Straßenbelag“ zu erwarten haben. Deshalb nehmen wir das Frühstück im Hotel um 8 Uhr noch mit und machen uns gegen 9 Uhr auf den Weg. Vor dem Frühstück treffen wir beim Packen unseres Rades noch Sergio und seine Familie aus Lima, die hier Urlaub gemacht haben. Er fährt selbst jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit, wohnt in Miraflores in Lima und warnt uns vor den respektlosen peruanischen Autofahrern, die für Radfahrer lebensgefährlich sein können. Wir berichten von den ersten Tagen in Peru und davon, dass wir positiv überrascht sind, mit welchem Sicherheitsabstand wir hier bisher überholt wurden. Wir tauschen Telefonnummern aus, und sollen uns melden, wenn wir in Lima Hilfe benötigen.

Die ersten zehn Kilometer sind ereignislos, wir fahren in den kleinen Ort „Los Organos“ und halten für eine Toilettenpause an der „Petroperu“-Tankstelle. Wir werden dort sofort von einem Hund angebellt, der aber von einer Tankwärterin zurückgerufen wird, und Viktor macht noch den Witz „Ja, ja … wir wurden schon gewarnt, dass die Peruanischen Hunde die schlimmsten in Lateinamerika sind“. Während Jutta das WC besucht, fragt Viktor bei den Tankwärtern nach, ob die geplante Strecke an der Küste vollständig asphaltiert ist, da wir für diese Streckenführung die Panamericana verlassen müssen. Beide, Tankwärter und Tankwärterin, bestätigen einhellig, dass die Strecke vollständig asphaltiert sei und sogar in besserem Zustand als die Panamericana. Jutta, die genau das schon vermutet hatte, grinst stolz.

Ein paar Minuten nachdem wir weitergefahren sind, hören wir von hinten die heulende Sirene eines Polizeiwagens. Wir halten uns ganz rechts und fahren weiter, aber es gibt hier keinen Standstreifen, auf den wir ausweichen könnten. Neben der Straße liegen Schotter, Glasscherben und vor allem Müll in allen Formen und Farben. Als der Polizeiwagen uns mit sehr geringem Sicherheitsabstand überholt, winkt der Beifahrer heftigst aus dem Fenster, ruft „a la derecha“ und macht Handbewegungen, die eindeutig anzeigen sollen, dass wir gefälligst in den Müll fahren oder darin stehen bleiben sollen. Wir sind geschockt! Der nachfolgende überbreite Panzertransporter, für den der Polizeiwagen offenbar die Strecke freimacht, hat uns da längst mit großem Sicherheitsabstand überholt und hat damit mehr Rücksicht gezeigt als die Polizei. Viktor ist so sauer, dass er abends unbedingt noch auf Facebook eine Beschwerde in die städtische „Los Organos“-Gruppe schreiben will, falls eine solche existiert.

Wenig später erreichen wir die Abzweigung zur Küste und fahren Richtung Playa El Ñuro, einem kleinen Örtchen, in dem man offenbar mit Wasserschildkröten schwimmen kann, jedenfalls stehen überall entsprechende Schilder. Kurz vor der Abfahrt zum Parkplatz und zum Steg, von dem die Touren abgehen, führt eine ungeteerte Schotterstraße links in Richtung Küste. Na das kann ja unmöglich „unsere“ Straße sein, denn die ist ja durchgängig asphaltiert … denkste! … das wäre sie gewesen. Wir machen unten in der Nähe des Stegs ein Kaffeepause (mit übersüßtem Kaffee) und erkundigen uns bei der Betreiberin des Nachbar-Restaurants. Sie bestätigt, dass die Küstenstraße überall aus Sand und Schotter besteht (sie nennt es Trocha) und definitiv NICHT asphaltiert ist. Na vielen Dank, liebe Tankwarte! War das eine Retourkutsche für Viktors Hundewitz, wussten sie es einfach nicht besser? Aber warum sagen sie dann nicht einfach: „Wissen wir nicht“. Ist das so ein kulturelles Ding? Sie wollen freundlich sein und helfen, geben einem dann aber unbrauchbare Informationen, die sogar für uns gefährlich werden könnten? Wir haben nur eine begrenzte Menge Getränke und Nahrung dabei. Wenn wir erst nach 30 oder 40 Kilometern merken, dass wir nicht mehr weiterkommen, könnte das echt unangenehm werden. Heute müssen wir nur knapp 2 Kilometer zurückfahren und eine zehn Kilometer längere Strecke über die Panamericana fahren. Alles machbar … also eigentlich …

Zunächst müssen wir nämlich über einige Serpentinen hoch auf eine Hochebene fahren. Und auf eine ganze Stunde bergauf sind wir eigentlich nicht gefasst – wir sind doch nicht mehr in den Anden. Da Viktors Handy in der ganzen Gegend kein Netz hat, fahren wir ohne Navigation, wissen also nicht, was uns erwartet. Lange unvorhergesehene Steigungen machen Viktor üblicherweise ziemlich grantig. Nach der Stunde Dauersteigung liegt oben „El Alto“, und an der Panamericana liegt eine Tankstelle mit Services. Wir halten! Das Essen sieht sehr unappetitlich aus, der Schlüssel von der Damentoilette ist verloren, das Herrenklo ist ohne Wasser, aber es halten eine Menge Menschen und finden es offenbar gut hier.

Die über dreißig Kilometer auf der Hochebene gehen fast nur geradeaus, rechts und links ist Wüste und ab und zu ein Ölbohrturm. Die Sonne brennt, und der Wind kommt quasi ständig von vorne. Dass es hier die ganze Zeit leicht bergab geht, merken wir ersten Abends, als wir uns das Streckenprofil anschauen. Durch den Gegenwind haben wir den Eindruck, dass es eher eben oder leicht bergauf geht. Als schattiges Plätzchen zum Pausieren dient eine Mini-Kapelle/ein großer Schrein (?) für einen verunglückten Autofahrer, weil es einfach nichts anderes gibt. Uns fällt auf, dass es hier mit dem Müll am Straßenrand noch schlimmer zu sein scheint als in Mexiko: wir fahren (aber nicht nur hier auf der Hochebene) scheinbar durch eine riesige Müllkippe. In praktisch allen Pflanzen, Büschen und kleinen Bäumen entlang der Strecke haben sich hier Plastiktüten, Folien und ähnlicher Müll verfangen, und flattert im Wind. Vermutlich rottet das Zeug dort seit Jahren langsam vor sich hin. Einiges ist schon so zerfasert, dass es aussieht wie Lametta. Es ist ein Anblick wie aus irgendeinem dystopischen Weltuntergangsfilm.

Plastik im Busch im Wind

Aber als wir plötzlich zur Abfahrt von der Hochebene ins Tal kommen, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: der Blick ist einmalig! Hier liegt auch gar kein Müll! Leider sind wir ganz schnell unten!

Der Nachmittag ist schon weit fortgeschritten, und wir wissen immer noch nicht, wie weit es noch ist. Irgendwas zwischen 80 und 90 km wird wohl zusammenkommen, schätzt unsere Navigatorin. Da es nur diese eine asphaltierte Straße gibt, können wir uns wenigstens nicht verfahren! Bis irgendwann doch ein Abzweig kommt, an dem „Talara“ steht. GoogleMaps zeigt zum Glück auch Offline an, dass dieses eine kleine Nebenstraße ist, die wir nicht ausprobieren werden. Weiter geht es also in Richtung Sullana, und es wird noch einmal richtig hügelig. Dank dem „Venturi-Effekt“ ist der Gegenwind hier zwischen den Hügeln rechts und links besonders stark. Glücklicherweise haben wir aus den Höhen der Anden noch so viele rote Blutkörperchen mitgebracht, dass uns zumindest das Atmen leicht fällt.

Am riesigen städtischen Friedhof von Talara biegen wir rechts ab. Die Stadtgrenze ist noch über fünf Kilometer entfernt, und dort müssen wir erst einmal komplett um den Militär-Flughafen herumfahren, bis wir in Richtung des Hotels abbiegen können. Dieses liegt nämlich so, dass wir auf der Route am Wasser direkt daruf zugefahren wären. Es ist knapp halb sechs, als wir einchecken. Gleich um die Ecke gehen wir bei „Entre Patas“ essen, bevor wir duschen und uns für den Blog an den Schreibtisch setzen.

Ölbohrturm – dazu fällt Viktor noch dieser hier ein:

Woche 27 (30.9.24 – 6.10.24) Galápagos Inseln – Riobamba

Montag 30.9.24 – Galápagos Inseln – Isla San Cristóbal

Nach einem Frühstück (mit Granola mit Joghurt und anderem) im geräumigen Frühstücksraum werden wir um halb neun erwartet von Azucena zu einer privaten Tour. Bei der gestrigen Ankunft hier haben wir uns gewünscht, heute nicht schon wieder schnorcheln zu gehen wie eigentlich geplant, da es sowieso nichts Neues für uns zu sehen gäbe (es sei denn, Hammer-Haie wären drin, was aber um diese Jahrezeit nicht der Fall ist). Stattdessen geht es in die „Highlands“. Da es regnet und ziemlich nebelig ist, verschieben wir den Besuch der Lagune „El Junco“ auf das Ende der Tour und fahren zuerst zum Schildkröten-Zentrum:

Hier leben die Riesenschildkröten nicht in Gehegen sondern quasi in „Freiheit“ auf enem großen Gelände, aber geschützt und kontrolliert. Sie haben auf dieser Insel einen Panzer, der weder einen „Sattel“ ausgebildet hat (saddle-back) noch ganz rund ist (dome-shaped), sondern irgendwo dazwischen liegt. Das ist für die Insel San Cristóbal typisch, da die Vegetation und Nahrungsquelle für die Schildkröten hier „halb-hoch“ ist, so dass sich kein vollständiger Sattel ausbilden musste (wie auf Pinta bei der Gattung von „Lonesome George“), aber der flache, runde Panzer auch nicht ausreichen würde, weil die Schildkröten ihren Hals schon etwas höher recken müssen, um sich hier zu ernähren. Das Zentrum wurde vor 19 Jahren eingerichtet, und bis vor kurzem wurden die gelegten Eier eingesammelt und im Inkubator ausgebrütet. Inzwischen gibt es wieder so viele Schildkröten, dass man damit aufgehört hat. Wenn Ranger ein Nest finden, wird dieses ein wenig geschützt (gegen Ratten und wilde Hunde), und erst, wenn die junge Schilkröte schlüpft, wird sie über sieben/acht Jahre in vier verschiedenen Gehegen auf die Wildnis vorbereitet. Wir sehen die „beweglichen Felsen“ (Zitat unserer Guide) überall, an zwei Stellen ganze Ansammlungen: in diesen „Restaurants“ wurden Blätter der Elefantenohr-Pflanze ausgelegt, über die die Schildkröten regelrecht herfallen. Sie sollen lernen, diese Blätter zu fressen, die es hier normalerweise nicht gibt, damit die Menschen sie in Notlagen als Futter zur Verfügung stellen können.

Neben den Schildkröten gibt es hier auch verschiedene Darwin-Finken, Gold-Waldsänger, Fliegenschnäpper und Drosseln zu beobachten. Gerade die Finken bilden eine Symbiose mit den Schildkröten: sie picken die Insekten von den Hälsen der Schildkröten, um diese zu säubern, und ernähren sich selbst davon.

Außerdem bekommen wir verschiedene Flechten gezeigt, und eine neue endemische Kaktusart: den Micky-Maus-Kaktus 😉 (ein Scherz unserer Guide Azucena)

Von hier fahren wir zum Puerto Chino Strand, wo wir neben Seelöwen auch Fregatten und sowohl Blaufuß- als auch Nascar-Tölpel zu sehen bekommen. Ein Rundweg, den wir gehen, ist mehr eine Kletterpartie über Felsen als ein Weg, aber wir bewältigen ihn erfolgreich.

Auf dem Rückweg halten wir dann noch am Parkplatz zum Wanderweg zur Lagune „El Junto“ der einzigen Frischwasserlagune auf Galápagos. Nach dem Aufstieg auf ca. 600 m ü.N.N. sehen wir – nichts. Leider herrscht hier immer noch dichter Nebel, so dass wir weder das Wasser noch die vielen Fregatten sehen, die hierher kommen, um ihr Gefieder salzfrei zu waschen. Unsere Sandalen sind von der roten, nassen Erde auf dem Weg hier sehr dreckig geworden, die müssen wir vor dem Rückflug morgen säubern, denn man darf ja nichts ein- oder ausführen.

Zurück im Ort ist es gerade Mittagszeit, heute bietet das Restaurant (für Viktor) noch einmal eine Bandeja Paisa an, obwohl wir gar nicht mehr in der passenden Region Paisa in Kolumbien sind.

Den Nachmittag haben wir heute zur freien Verfügung. Wir relaxen im Hotel und komplettieren den Blog der letzten paar Tage, schneiden GoPro-Videos zusammen und laden unsere Fotos auf den Familienserver hoch. Leider ist das WLAN im Hotel ziemlich instabil, was das Ganze etwas verlangsamt.

So ein All-Inklusive-Paket kann ganz schön stressig sein. Jede Minute des Tages ist verplant und man hat wenig Zeit für Erholung oder spontane Aktivitäten. Wir sind da wohl doch eher die Selbstplaner und bevorzugen da mehr Autonomie. Aber ohne zertifizierten Guide ist auf Galapagos der Zugang zu den meisten interessanten Aktivitäten unmöglich. Hier geht es also wohl nicht anders.

Am späten Nachmittag können wir unserem ältesten Kind doch noch persönlich per WhatsApp-Videocall zum Geburtstag gratulieren. Danach gehen wir zu Fuß zum 800 Meter entfernten Flugplatz, von dem wir morgen gegen 13:00 Uhr abfliegen. Dort ist allerdings alles verschlossen, aber so kennen wir den Weg schon mal. Wir machen nochmal einen kurzen Spaziergang an der Promenade am Meer, Viktor trinkt ein Blackberry-Stout im „Post Office“ und wir essen in unserem All-Inclusive-Restaurant Pasta Frutimare (mit richtig viel Scampi und Pulpo) und „Pa Pi Poll0“ (Pommes mit Huhn) und lassen uns die sechs „All-Inclusive-Dollar“ wieder anrechnen.

Dienstag 1.10.24 – Galápagos – San Cristóbal – Quito

Unser Abreisetag von Galápagos. Wir sind die letzten übriggebliebenen Gäste im Hotel, im großen Frühstücksraum sind nur zwei Gedecke vorbereitet. Nachdem unsere paar Dinge wieder eingepackt sind, checken wir gegen neun Uhr aus, stellen die Taschen in einer ehemaligen Cafeteria ab und machen noch einen Rundgang durch den Ort.

Wir gucken eine Weile bei den Seelöwen, danach bei den Krabben, trinken noch einen Kaffee im „Umami“ aus sehr netten getöpferten Tassen, und auf dem Rückweg kaufen wir uns in der „Kachi Tanta“-Bäckerei drei unterschiedliche Sauerteigbrötchen für den Flug. Da es immer wieder fisselt, setzen wir uns die restliche Zeit bis elf Uhr in den überdachten Teil des Hotelinnenhofes. Unser „Betreuer“ Sandie hat uns gestern abend geschrieben, dass er uns um elf zum Flughafen fahren wird. Wir haben ihm zwar geantwortet, dass wir auch laufen können, aber da er nicht mehr reagiert hat, warten wir auf ihn. Um fünf nach elf schreiben wir ihm, dass wir loslaufen und tun das auch – es sind ja nur wenige Minuten Fußweg.

Am Flughafen stehen unerwartet viele Menschen in einer Schlange am Schalter. Unser Flug um 13:10 Uhr soll pünktlich sein, ein anderer verspätet, und mehr Flüge scheint es hier nicht zu geben. Wir geben unsere Taschen wieder auf, obwohl viele andere größere und wahrscheinlich auch schwerere als Handgepäck mitnehmen – einfach, weil es uns zusteht :-). Die Security lässt Viktor hier mit seinen Sandalen durch – beim Hinflug musste er sie ausziehen. Später im Warteraum wird er, neben einigen anderen, namentlich aufgerufen: bei der Kontrolle des Gepäcks ist der Laptop aufgefallen und muss herausgeholt werden. Geräte mit Akkus dürfen nicht mit aufgegeben werden – das war beim Hinflug kein Problem. Gleiche Fluggesellschaft!

Wir starten pünktlich, im gleichen Flugzeug sind auch zwei Personen, mit denen wir auf der Santa Fe-Tour geschnorchelt haben und die noch weiter nach Kolumbien reisen, bevor es wieder nach Barcelona geht. Sie steigen schon in Guayaquil um, denn heute landen wir wirklich dort zwischen. Wir bleiben dort eine knappe Stunde am Boden und müssen währenddessen auf unseren Plätzen sitzenbleiben, die meiste Zeit mit ausgeschalteten elektronischen Geräten und abgeschnallt, wegen des laufenden Tankforgangs. Das nervt ein wenig, aber was will man machen…

Von dort nach Quito geht es dann aber sehr schnell, kaum sind wir oben beginnt schon fast der Landeanflug, und pünktlich um 17:22 Uhr landen wir wieder in Quito. Bis unsere Taschen am Gepäckband ankommen, dauert es etwas – den Fahrer mit unserem Namen auf seinem Schild haben wir schon längst warten gesehen.

Es regnet ziemlich, und der Taxifahrer kommt uns netterweise an einem Unterstand abholen, dann fährt er uns durch viel stockenden Verkehr mehr als eine Stunde wieder in die Stadt zu unserem Hotel. Auf der Fahrt überholen wir ein Wohnmobil mit Deutschem Kennzeichen aus Hamburg, das fällt sofort auf.

Um nach sieben sind wir am Hotel, bekommen heute ein anderes Zimmer, aber wieder ganz oben, und gehen dann erst einmal in der Nähe bei einer Chifa (Chinesische Küche) für sehr wenig Geld recht gut essen. Anschließend tragen wir alle eingelagerten Radtaschen in unser Zimmer hoch und müssen alles wieder so umpacken, dass wir morgen wieder auf unser Tandem steigen können. Langsam wird es Zeit, dass wir weiterkommen!

Mittwoch 2.10.24 – (101) – Quito – Machachi

651 m bergauf

Gesamt: 6.115,44 km

Puh … nach einer Woche Galapagos auf Meereshöhe schlafen wir in der Nacht sehr schlecht (weil sauerstoffarm?) und die heutigen 38 Kilometer fühlen sich an wie 100.

Glücklicherweise haben wir uns gestern Abend noch entschieden, erstmal mit einer kurzen Etappe loszulegen. Nach langem Hin und Her wollen wir jetzt doch noch ein Stück in der „Sierra“ weiterfahren, also weiter in den Anden mit entsprechenden Höhenmetern. Wie folgen damit unter anderem dem Ratschlag des Mannes, den wir in der U-Bahn von Quito getroffen hatten. Er meinte, dass die Sierra einfach die schöneren Landschaften bietet und man die Städte Baños und Cuenca nicht verpassen dürfe.

Wir wollen daher von Ambato einen Tagesausflug nach Baños unternehmen und mit dem Tandem noch bis Cuenca weiterfahren. Da wir mittlerweile wieder etwas spät dran sind (auch wegen der Woche Galapagos), werden wir vermutlich ab Cuenca wieder eine Bus-Etappe einlegen und bis an die Peruanische Grenze nach Huaquillas fahren. Von dort soll es dann auf dem Tandem in Richtung Lima weitergehen. So müssten wir es grobgerechnet weiterhin zu Weihnachten nach Santiago der Chile schaffen können, wenn wir einen Großteil der Atacama-Wüste ebenfalls mit dem Bus überbrücken (und vermutlich Bolivien ganz weglassen – adé Titicacasee und Salar de Uyuni 🙁 ).

Die heutige Etappe ist jedenfalls nicht besonders schön. Die ersten 20 Kilometer fahren wir durch die südlichen Randbezirke von Quito, fast alles unansehnliche Gewerbegebiete. Ständig werden wir von Bussen überholt, die in schwarze Rußwolken gehüllt sind und immer wieder knapp vor uns abbremsen und rechts ranfahren, um irgendjemanden ein- oder aussteigen zu lassen. Wir bleiben entweder dahinter stehen, in der Hoffnung, dass sie gleich weiterfahren, oder wir versuchen, links an ihnen vorbeizufahren. Letzteres endet aber meist damit, dass sie gerade losfahren, wenn wir auf halber Höhe neben dem Bus sind und sie uns rücksichtslos (im wahrsten Sinne des Wortes) in den laufenden Verkehr abdrängen. Bleiben wir sicherheitshalber hinter dem Bus stehen, kann man fast darauf wetten, dass der gerade jetzt einen längeren Halt einlegt.

Wir sind heute sowieso ziemlich kurzatmig und die Abgase tun ihr Übriges. Die ersten Kilometer gehen so schwerfällig voran, als wären wir gerade zum ersten Mal mit dem Tandem unterwegs. Viktor wählt möglichst leichte Gänge, damit wir erstmal wieder ins normale Rollen kommen.

Nach 20 Kilometern kommen wir so langsam in etwas ländlichere Gefilde und machen unsere erste Pause an einer Tankstelle. Der Mini-Market ist wirklich sehr „mini“, Cafe con leche gibt es nicht, also gönnen wir uns jeder ein Magnum von „Pingüin“, wie Langsnese hier heißt.

Auch die letzten fünf Kilometer gehen ständig bergauf (zwischen 1 und 5% Steigung). Heute fühlen sie sich an wie die schlimmsten Bergetappen. Immerhin werden wir gegen 13:15 Uhr in Machachi mit einem tollen Hotel und super-freundlichem Empfang belohnt, in dem auch viele Deutsche Touristen absteigen, die auf den Cotopaxi wollen. Leider ist auch hier gerade mal wieder der Strom abgeschaltet und das Warmwasser daher nicht verfügbar. Viktor legt sich im sehr geräumigen Hotelzimmer einfach in den verschwitzten Klamotten auf die Ledercouch und schläft ein.

Als der Strom wieder da ist (kurz nach 15 Uhr) wird geduscht und wir bekommen an der Hotelbar einen Koka-Tee, der bei Höhenluft-Beschwerden helfen soll.

Zum Abendessen geht es in eine kleine Pizzeria, wo wir beide Nudeln essen und einem Ecuadorianischen Pokal-Halbfinale lauschen dürfen, das ins Elfmeterschießen geht. Das Spiel wird auf dem Fernseher gestreamt und wegen der Stromprobleme ist das Internet heute wohl hier sehr instabil. Immer wieder dreht sich die Übertragung im Kreis und einige Szenen gibt es daher fünf Mal und öfter zu sehen. Jutta sitzt mit dem Rücken zum Bildschirm und bekommt das alles nicht mit.

Im Hotel kämpfen wir noch mit unserem Garmin-Navigationsgerät, dessen Speicherplatz nicht mehr ausreicht, und schreiben den Blog-Beitrag. Viel zu spät geht es gegen 21:30 Uhr in die Federn.

Donnerstag 3.10.24 – (102) – Machachi – Latacunga

655 m bergauf

Gesamt: 6.169,97 km

Der Wecker klingelt um sechs. Als wir aber feststellen, dass schon wieder kein Strom da ist, bleiben wir noch fast eine Stunde liegen. Das Europäisch anmutende Frühstücksbuffet macht mehr Spass mit Strom (z.B. für den Wasserkocher und schwarzen Tee). Als wir um kurz nach acht das Tandem fertigmachen, haben wir die Hotelbetreiberin und eine Gästin um uns, die sich interessieren und Fotos machen.

Auf den ersten zwei Kilometern haben wir schon zweimal uns laut bellend verfolgende Hunde abzuwimmeln (was beim zweiten Mal erst durch Absteigen und Drohen glückt), und auch auf der weiteren Fahrt häufen sich diese „Attacken“. Wie soll das erst in Peru werden, wo es noch deutlich schlimmer sein soll?

Wir haben gestern beschlossen, heute doch nicht die gut 90 km bis Ambato durchzufahren, sondern in Latacunga zu übernachten, und das ist auch gut so! Die ersten knapp 20 km geht es stetig bergauf bis auf 3.500 m ü.N.N., und wir benötigen dafür 2:45 Stunden. Uns beiden schmerzen die Knie, an unterschiedlichen Stellen, und die Luft ist außerdem ziemlich dünn. Jutta, die sonst immer durch die Nase atmet, tut dies seit gestern oft durch den Mund, weil sie das Gefühl hat, dass die Luft nicht bis unten in die Lunge kommt. Unsere Fahrtrichtung ist gen Süden, und der kräftige Südwind kommt uns großteils auch noch entgegen. Immerhin ist heute die Landschaft wesentlich schöner als gestern – Vulkane, Landwirtschaft – auch in über 3.000 m Höhe – und der Verkehr ist auch nicht so schlimm.

Nach erst zwölf Kilometern, aber über zwei Stunden machen wir eine Pause in einer Art Berghütte, richtig schön gewärmt, in der es wieder die Bizcochos gibt, die wir schon einmal auf dem Weg nach Quito hatten. Viktor hat auch noch zusätzliche Energie in Form von „Manjar“ (Dulce de Leche – gesüßte Kondensmilch) bestellt. Während wir alles vertilgen bestätigen wir uns gegeseitig, dass wir leicht bläuliche Unterlippen haben, nicht von der Kälte, denn sooo kalt ist es nicht, schon gar nicht in diesem elendig langen Daueranstieg, sondern vermutlich vom Sauerstoffmangel, den wir heute immernoch spüren.

Als es endlich bergab geht, verrutscht uns heute der rote Seesack gleich zweimal hintereinander und ein Spanngurt gerät in die Kette, aber danach geht es zügig weiter, und um halb zwei sind wir in Latacunda an einem Shopping-Center, wo wir noch einmal halten. Hier gibt es einen bewachten Fahrradparkplatz mit Parkticket, das man bei der Ausfahrt wieder abgeben muss. Obwohl es gar nicht mal so warm ist, wollen wir eine der mehreren Eiseinladungen einlösen, bevor wir unser Hotel aufsuchen.

Nach einem Rundgang durch die Mall bestellen wir also große Eisbecher und genießen sie: Vielen Dank, Joachim und Ursula!

Das Hotel erreichen wir um 14:45 Uhr und bekommen gleich gesagt, dass es von 15 bis 20 Uhr keinen Strom geben wird. Ganz schnell springen wir unter die Dusche und sind fertig, bevor alles dunkel und kalt wird.

Wir machen uns mit dem Laptop auf den Weg, immer auf der Suche nach einer Gegend mit Strom und landen in der Cafeteria eines anderen Hotels, gerade rechtzeitig, bevor es mit Hagel anfängt zu gewittern. Die Cafeteria hat irgendwie Uruguaische Wurzeln und Viktor isst zum Kaffee ein paar Alfajores.

Als wir den Blog-Eintrag fast fertig geschrieben haben scheint auch schon wieder die Sonne und wir gehen zurück zu unserem Hotel. Wir laufen durch mehrere Straßen, in denen es aus vielen Hauseingängen wummert und dröhnt. Überall laufen Notstromaggregate. Hier wird uns wieder mal deutlich vor Augen geführt, wie sehr wir Menschen vom elektrischen Strom abhängig geworden sind. Nicht einmal der Frisör mit seinem elektrischen Haarschneidegerät kommt mehr ohne Stromanschluss aus. Teilweise liegen Verlängerungskabel quer über die Straße, weil sich mehrere Läden ein Notstromaggregat teilen oder der eine Häuserblock noch Strom hat und ihn an den gegenüberliegenden Block abgibt. Na ja, und ohne den fossilen Energieträger Benzin ginge hier natürlich rein garnichts.

Von etwa fünf bis etwa sieben halten wir uns im Zimmer auf, es wird immer dunkler, zwischendurch blitzt ein paar Mal das Licht auf – der Hotelier versucht wohl, das Notstromaggregat ans Laufen zu bekommen. Dann gehen wir mit Handy-Taschenlampe einige Blöcke in Richtung Strom (also erleuchtete Straßenzüge), um etwas zu essen, und landen im Pub K24. Jutta bestellt die Bowl K24, die mit essbarem Blattgold besprenkelt ist. Die Mitarbeiter zünden einige Kerzen an, und wir vermuten schon, dass auch hier das Licht bald ausgehen wird. Und ja, um acht wird es plötzlich dunkel – wir sind gerade bereit zu zahlen. Dann gehen wir erst durch dunkle Straßen wieder in unsere Gegend, wo inzwischen der Strom zurückgekehrt ist.

Freitag 4.10.24 – (103) – Latacunga – Ambato

446 m bergauf

Gesamt: 6.211,71 km

Als der Wecker um sechs klingelt, können wir tatsächlich das Licht anmachen – wir haben also Strom im Hotel. Etwa eine Minute später wird es allerdings schon wieder dunkel – die nächste Stromabschaltung. Mit der Handytaschenlampe bekommen wir unsere Zahnbürsten zugeordnet, alles andere klappt mehr oder weniger im Dunkeln – ein wenig Licht kommt durch das Fenster zum Innenhof, der oben ein durchsichtiges Kunststoffdach hat.

Unten im Frühstücksraum arbeitet das Notstromaggregat, und wir bekommen ein gutes Frühstück. Gegen acht sind wir abfahrbereit, und wieder werden wir begleitet, diesmal vom Hotelbesitzer höchstpersönlich, und er macht auch das Abfahr-Foto von uns.

Die heutige Tour ist weder lang noch mit viel Steigung. Es ist in den ersten zwei Stunden erstaunlich wenig los auf den Straßen, und die Panamericana ist hier vierspurig. Wo sind die vielen Busse? Wir vermissen sie aber nicht. Als Jutta an einer Mautstation die Toilette benutzen will, muss sie über alle Zahlstellen bis zur anderen Straßenseite, das dauert, da hat Viktor lange Zeit, mit einem dort arbeitenden Security-Mann zu quatschen.

Es sind heute mehrere kleinere „Hügel“, wir fahren also immer mal für kürzere Strecken bergauf und bergab. Ab Salcedo ist die Straße nur noch zweispurig und ohne Seitenstreifen, und hier ist der Verkehr inzwischen deutlich stärker – wahrscheinlich stehen die Menschen hier erst um neun auf. Wir fahren trotzdem ohne Pause immer weiter, benutzen zwischendurch einige Male die Hundepfeife (und bewegen die bellenden Hunde damit tatsächlich meistens zum Schweigen) und erreichen schon um halb elf den Stadtrand von Ambato.

Die Stadt ist sehr bergig, manche Straßen sind sehr steil, an vielen Stellen sind die Abhänge rechts und links der Straße zubetoniert. Komoots Streckenführung will uns ernsthaft das Tandem eine Treppe heruntertragen lassen – wir schieben statt dessen eine Alternative herunter, um auf die richtige Straße zu wechseln.

Weniger als drei Kilometer vor dem Ziel wollen wir doch einen Kaffee trinken und halten an einem vermeintlichen Shopping-Center. Leider ist es nur ein Supermarkt mit einem großen Fahrradladen im Untergeschoss, ein paar Mini-Läden auf dem Weg zum Obergeschoss, und dort neben dem Supermarkt eine Apotheke, ein Pizzastand und ein Eiscafé. Die draußen angekündigte Panaderia ist die Brotabteilung des Supermarktes, und es gibt tatsächlich keinen Kaffee zu kaufen. Na ja, im Eiscafé gibt es Eiscappuccinos – nehmen wir wenigstens diese, bevor wir die restlichen, beschwerlichen Kilometer durch die Stadt fahren.

Das Hotel Ambator lässt uns trotz der frühen Stunde schon einchecken, das Tandem darf in einem Salon abgestellt werden. Man sagt uns, dass heute der Strom schon abgeschaltet war, bislang nichts weiter angekündigt ist, sich das aber schnell ändern kann. Wir wollen schnell duschen und dann den Tag nutzen, allerdings liegen keine Handtücher im Zimmer. Jutta ist schon fertig und steht nass und frierend in der Dusche, bis endlich jemand mit exakt „unserem“ geheimen Klopfzeichen an der Zimmertüre klopft (Tam-Tatatam-Tam …. Tam-Tam …. woher kennt er das? 😉 ) und unsere Handtücher bringt.

Wir packen unseren Seesack mit Dreckwäsche und machen uns auf den Weg. Der nächste Waschsalon ist nur ein paar Blöcke entfernt, und dort sind auch mehrere Friseure – dieses beides wollen wir heute erledigen. Beim Waschsalon müssen wir wieder die Wäsche abgeben (Selberwaschen war seit Panama nicht mehr möglich), anschließend wählen wir den „Amerikanischen Friseur“ aus. Der Einmannbetrieb hat nur noch einen kleinen Jungen auf dem Stuhl, danach sind wir dran.

Im Anschluss gehen wir im Café Conquistator einen Milchkaffee trinken. Im oberen Stockwerk beginnt gleich eine Pressekonferenz, zu der relativ viele Menschen an uns vorbeilaufen.

Als wir hinterher noch ein wenig Sightseeing machen wollen und an der Hauptattraktion, dem Cevallos-Park (u.a. mit den großen AMBATO Buchstaben) ein Foto machen, kommt eine Frau und rät uns, hier nicht das Handy offen zu zeigen, weil sehr viel gestohlen wird. Wir sollen lieber die Richtung einschlagen, in der auch unser Hotel liegt. Puh – da sind wir diesmal wohl in der „guten“ Gegend gelandet.

Die zweite Sehenswürdingkeit, die Kathedrale, wirkt ziemlich neu, ist aber immerhin schon 1955 geweiht worden. Zwei ältere Kathedralen am selben Standort wurden durch Erdbeben zerstört.

Danach geht es erst einmal wieder zurück zum Hotel. Viktor hört eine Sprachnachricht von unserer „Bekanntschaft“ aus Acapulco, der davon erzählt, dass sie sich noch vom Hurrican erholen. Wir googeln: letzte Woche, am 27. September, gab es schon wieder einen heftigen Hurricane dort (nach Otis am 25. Oktober 2023, von dem sich die Stadt immer noch nicht richtig erholt hat), diesmal mit noch heftigerem Regen. Da waren wir wohl in der richtigen Jahreszeit in der Gegend in Mexico!

Am Ende des Tages landen wir zum Abendessen im Hotelrestaurant, weil wir auf dem Rückweg von der Wäscherei einfach kein Restaurant finden, das uns heute überzeugen könnte.

Morgen machen wir einen Ruhetag mit Tagesausflug nach Baños.

Samstag 5.10.24 – Ambato – Baños – Tagesausflug Amazonas

Wir werden um sieben Uhr von einem Taxi abgeholt, dass uns zu einer Busstation bringen soll, wo die Busse nach Baños abfahren. Da das Hotel Frühstück ab sieben Uhr anbietet, bekommen wir eines to go – Toastbrot und Mango. Als wir an der Haltestelle ankommen, können wir sofort in einen passenden Bus steigen, damit hatten wir gar nicht gerechnet. Wir fahren eine Stunde und sind um 8:15 Uhr in Baños, von wo wir ab neun eine Ganztagestour mit „Alexander-Tours“ gebucht haben. Einen Kaffee können wir trotz der Zeit nicht mehr trinken, da hier gerade der Strom abgeschaltet ist, aber wir bekommen immerhin einen Kakao.

Beim Büro von „Alexander-Tours“ angekommen werden wir sofort zu einem kleinen Bus geführt, in den wir als erste einsteigen, um dann diverse Runden im Ort zu fahren, auf der die anderen Reisenden und eine Menge Gummistiefel eingesammelt werden. Die letzten zwei Passagiere steigen aus einem anderen Bus direkt in unserern – irgendwo auf der Straße. Jetzt werden wir von unserem Guide Pablo informiert, dass wir zwei Stunden in Richtung des Amazonas-Gebietes fahren, bevor die Aktivitäten beginnen. Puh … wenn wir das vorher gewusst hätten, vielleicht hätten wir dann doch irgendwas anderes in Baños unternommen. Zweimal zwei Stunden Busfahrt zusätzlich zu der Strecke von Ambato nach Baños (2 x 40 Minuten). Irgendwie hatten wir Baños als „Tor zum Amazonasgebiet Ecuadors“ abgespeichert. Baños selbst wirkt auf uns aber eher wie ein idealer Ausgangspunkt für alle möglichen Extremsport-Aktivitäten. Überall hängen Plakate mit Angeboten zum Ziplining, Wildwasser-Rafting, Paragliding, Extrem-Mountainbiking und, und, und. Außerdem gibt es sehr viel Hostels und Hotels. Aber so richtig schön erscheint uns die Stadt auf Anhieb nicht. Wir haben allerdings auch keine Zeit, sie genauer zu erkunden.

Auf der Strecke halten wir schon an einem Aussichtspunkt (Mirador Mira Mera), wo wir auch etwas verzehren können. Eigentlich soll es anschließend als erstes zur Wanderung zu einem Wasserfall gehen, nur leider ist die Zufahrt zum Parkplatz von Baufahrzeugen belegt, und wir fahren rückwärts wieder raus. Statt dessen beginnen wir in einem Eingeborenen-Dorf, zu dem wir über eine ziemlich ramponierte Hängebrücke kommen. Ein in Festkleidung gekleideter Mann moderiert einige Darbietungen: Getränk, Pfeilschießen, Gesichtsbemalung, Tanz, Papagei und Boa constrictor. Nach einem Besuch des kleinen Kunsthandwerk-Ladens fahren wir weiter zu einer Stelle, an der durch die Bushupe Kanuführer aus dem gegenüberliegenden Dorf gerufen werden, die unsere Gruppe in zwei undichten Einbaum-Holzkanus den Fluss herunterfahren. In unserem Kanu ist schnell ziemlich viel Wasser durch die Wände eingedrungen, so dass alle nasse Füße bekommen. Der Fluss hat z.Z. wenig Wasser, einmal setzen wir auf und oft müssen wir durch ziemlich bewegtes Wasser und Stufen. Wir steigen irgendwo wieder aus, wo der Bus auf uns wartet.

Viktor denkt unterwegs mehrfach „We are sinking, we are sinking!“ und erinnert sich an diesen Werbespot:

Inzwischen ist es halb zwei, und wir werden an einem Restaurant abgesetzt, wo wir Mittagessen bekommen (dafür konnten wir morgens schon wählen, ob wir Huhn, Fleisch, Fisch oder Vegetarisch wünschen – Viktor nimmt „Maito“, den auf hier typische Art im Bananenblatt gedünsteten Tilapia).

Frisch gestärkt fahren wir über die jetzt freie Zufahrt zum Wanderweg zum Wasserfall „Cascada Hola Vida“. Der Weg ist heute einigermaßen trocken, so dass wir die mitgebrachten Gummistiefel nicht anziehen müssen. Es geht ca. 30 Minuten meist bergauf, über einige Brücken, bis wir ankommen. Auf dem Weg zeigt uns Pablo ein natürliches Mittel (Sicta), dass die Nase freimacht, nachdem es die ersten Minuten ziemlich brennt (als hätte man mit der Nase zu scharf gegessen), und schmiert die Gesichter von den Freiwilligen mit einer Art Lehm ein, wodurch man fünf Jahre jünger aussehen soll. Am Wasserfall können wir baden gehen. Wir haben aber kein Schwimmzeug dabei und verzehren hier stattdessen unsere Frühstücksmangos. Der Weg zurück zum Parkplatz ist wieder derselbe.

Irgendwann kommen wir unterwegs durch den Ort „Shell“, an dessen Eingang eine große goldene Statue einer Gewichtheberin steht. Tatsächlich ist die Stadt nach dem Ölkonzern Shell benannt, der 1937 die Konzession für die Erschließung der Erdölvorkommen der Region erhielt und an dieser Stelle eine Arbeitersiedlung erbaut hat. Die Gewichtheberin ist Angie Palacios, die hier geboren wurde.

Die nächste Station ist eine kleine Kakao-Farm „El Paraiso Cacao Farm“. In der Zeit, in der Kakaobohnen über einem offenen Feuer geröstet werden, bekommen wir aus der frisch geöffneten Frucht die frischen, weißen, weichen Bohnen zum Lutschen. Die dann fertig Gerösteten werden auf unserem Tisch verteilt, und wir alle zusammen schälen sie. Aus den Schalen wird Tee gekocht, die Bohnen werden dreimal durch eine Art Fleischwolf gedreht. Die dann entstandene Masse wird auf einem Bananenblatt verstrichen und sieht schon fast wie eine Tafel Schokolade aus. Gekühlt und fest hat sie das Muster des Bananenblattes.

Für zwei USD extra bekommen wir heiße Schokolade, Schokoladentee und Yukka-Brot und beobachten währenddessen einen grünen Papageien, der neben uns regelrechte Kunststücke vollbringt.

Um fünf fahren wir von dort noch zur letzten Aktivität: dem Mirador Indichuris, wo wir nicht oben auf der Tarzan-Schaukel schaukeln, sondern nur unten, aber wo wir von oben einen tollen Blick genießen. Gegen sechs treten wir die Rückfahrt an und kommen um acht wieder in Baños an. Dort finden wir nahtlos einen Bus nach Ambato (aus dem wir allerdings in San Pedro de Pelileo in einen anderen, hinter uns fahrenden, umsteigen sollen) und an der Stelle, wo wir aussteigen müssen, steigen wir ebenfalls sofort in ein Taxi zum Hotel.

Um halb zehn sind wir im Zimmer, nachdem wir uns schon Essen aufs Zimmer bestellt und die medizinischen Geräte, die unten im Hotel herumstehen, angeschaut haben. Von draußen ist laute Livemusik zu hören (wenn man mal einen lokalen Stromausfall bräuchte … passiert natürlich keiner), aber wir müssen eh noch Blog-Schreiben und essen. Es wird darüber Mitternacht …. und dabei steht uns ein Hammertag mit 1.200 Höhenmetern bevor.

Sonntag 6.10.24 – (104) – Ambato – Riobamba

1219 m bergauf

Gesamt: 6.269,63 km

Um fünf werden wir geweckt: draußen läuft der laute Stromgenerator wieder und aus dem Bad schallt Musik durch das Entlüftungsgitter. Um sieben sind wir beim Frühstücksbuffet, und Viktor bekommt endlich die vorgestern Abend vergessene Handyhülle zurück.

Die Diagnostikgeräte in der Halle sind über Nacht wieder abgebaut worden, so können wir auch viel besser unser Tandem aus dem Büro des Hotelmanagers herausholen, in dem wir es abstellen durften. Um 8:15 Uhr sind wir abfahrbereit, mit dem Wissen, dass es die ersten ca. 30 Kilometer nur bergauf geht. Schon in Ambato geht es über kurvige Straßen teilweise steil aufwärts, heute schickt uns Komoot aber immerhin nicht über Stufen (später dafür über unbefestigte Wege und in Sackgassen…).

Unsere erste Pause müssen wir relativ schnell an einer Tankstelle machen. Jutta hat es mit ihrer Kraft irgendwie wieder geschafft, das Tandem an der mittleren Teleskopierung einen Zentimeter auseinanderzudrücken. Wir müssen es wieder zusammenschieben, die Schraube nochmal fester ziehen und prüfen auch nochmal den Reifendruck.

Und wirklich, bis Kilometer 34 gibt es nur wenige Momente, in denen wir nicht an Höhe gewinnen. Als wir nach zwei Stunden erst zwölf Kilometer gefahren sind, beginnen wir, nach einer Pausenmöglichkeit zu schauen. Um kurz vor elf liegt ein Restaurant am Straßenrand mit geöffneter Tür. Sie öffnen aber erst um halb zwölf! Wir dürfen uns auf die überdachte Terrasse setzen und unsere Snacks und Wasser verzehren. Vor uns werden Meerschweinchen über Holzkohle gegrillt, und Viktor beschließt, ein Viertel Meerschwein zu bestellen, sobald möglich.

Also wird die erste Bestellung des Tages ausgelöst, und obwohl die ersten Schweinchen schon länger vom Grill genommen wurden, dauert es eine ganze Weile, bis das Essen kommt. Und dann kommt die Ernüchterung: Es wird sicher nicht Viktors Lieblingsessen. Das wenige Fleisch an dem kleinen Tier schmeckt ganz o.K., ähnlich wie Hähnchen aber weicher. Aber das Fett schmeckt fischig-tranig, erinnert leicht an fettigen Lachs. Es sind bestimmt tolle, gesunde Omega-3-Fettsäuren darin enthalten … aber bäh! Die knusprig gebratene Haut geht auch Richtung Hähnchen und ist ganz o.K.. Die Rippen sind dünn wie Fischgräten und beim Essen eigentlich überall im Weg. Der Cuy kriegt in Peru bestimmt nochmal eine Chance. Man soll ja jedem neuen Geschmack eine zweite Chance geben.

Um zwölf sitzen wir wieder im Sattel, und wir kommen etwas schneller voran als vor der Pause. Leider sind heute – obwohl es ja Sonntag ist – überhaupt keine anderen, uns motivierenden Radfahrer unterwegs, wie es seit Cartagena eigentlich jedes Wochenende der Fall war. In dieser Gegend haben die wenigen hier lebenden Menschen wohl andere Probleme und fahren kein Rad. Am Nachmittag erfahren wir noch, dass die wenigen Sportradler die Panamericana hier eher meiden, weil sie zu stark befahren und unfallträchtig ist.

Am Straßenrand liegen heute zwar auch einige Flaschen (wir wundern uns darüber, dass soviele zersplitterte Glasflaschen herumliegen, wo es hier überall immer nur Plastikflaschen zu kaufen gibt), aber hier gibt es besonders viele zugeknotete, schwarze Plastiktüten, in denen die Außer-Haus-Mahlzeiten mitgegeben werden. Gefühlt alle paar Meter wurde eine solche aus einem Autofenster geworfen. Es ist kein Vergleich mit dem Müll in Mexico, aber auffallend ist das doch!

To go-Tüte mit Wegwerfverpackung innen drin

Um viertel vor zwei, nach fünfeinhalb Stunden, haben wir die Hälfte der heute zu bewältigenden Kilometer geschafft und sind trotzdem noch nicht „oben“, das dauert noch weitere 30 Minuten, dann haben wir die Höhe von 3.600 Metern ü.N.N erklommen. Hoffentlich geht es ab jetzt schneller…

Die Abfahrt beginnen wir ziemlich schnell, werden aber von der überhitzten Vorderbremse schnell gezwungen, langsamer zu fahren. Wir sind nämlich noch keine drei Kilometer abgefahren, da lässt der Bremsdruck vorne deutlich nach und wir halten mithilfe der hinteren Bremse an, um die Vorderbremse abkühlen zu lassen. Nach dem Abkühlen ist wieder Druck da und wir können weiterfahren, müssen aber deutlich langsamer abfahren und durch Intervallbremsen dafür sorgen, dass die Bremsen nicht zu warm werden. Vermutlich ist die Bremsflüssigkeit zu heiß geworden, schlimmstenfalls sogar kurzzeitig in den gasförmigen Zustand übergegangen. Jedenfalls ist es wohl eindeutig Zeit für eine Überprüfung der Bremsen.

An einer Tankstelle kurz vor San Andres machen wir nochmal Pause, trinken zwei Cappuccino und suchen in unserem Zielort Riobamba nach Fahrradläden (Bicicleterias). Tatsächlich finden wir in Google-Maps einen Fahrradladen, der nur 900 Meter von unserem Hotel entfernt ist und Sonntags geöffnet haben soll.

Die restliche Abfahrt nach Riobamba ist nicht mehr so steil und wir können relativ flott in die Stadt hineinrollen. Wir fahren direkt zu dem Fahrradladen und treffen tatsächlich jemanden an, der gerade dabei ist, seinen Laden auszuräumen und 50 Meter weiter in neuen Räumlichkeiten wieder einzurichten. Er schaut sich die Vorderbremse an, stellt fest, dass wir die Bremsbeläge fast vollständig abgefahren haben und vermutet, dass nach über 6.000 Kilometern auch ein Wechsel der Bremsflüssigkeit angesagt sein könnte. Wir sollen morgen um 9 Uhr kommen und er erledigt alles in etwa einer Stunde, so dass wir sogar die für morgen geplante Etappe noch schaffen könnten. Na das hat doch mal wieder super gepasst.

Frohen Mutes checken wir in unserem Hotel ein, haben sogar Strom und warmes Wasser, und können noch vor Sonnenuntergang auf die Suche nach einem Restaurant fürs Abendessen gehen. Die zwei Cuy-Restaurants an der Hauptstraße fallen schon mal aus. Wir klappern mehrere Burgerläden ab und fragen nach vegetarischen Alternativen, aber am Ende wird es wieder eine Pizzeria, denn eine vegetarische Pizza ist da eigentlich immer auf der Karte oder leicht als Sonderanfertigung zu bekommen.

Woche 26 (23.9.24 – 29.9.24) Quito – Galápagos Inseln

Montag 23.9.24 – Quito & Mitad del Mundo

Für heute haben wir uns einen Touristentag in Quito vorgenommen. Das Hotelfrühstück besteht – wie schon seit geraumer Zeit – aus Rührei, Kaffee, Obst, Saft und – oh Wunder – einem Croissant, dass nicht nur aussieht wie ein Croissant sondern auch so schmeckt. Das hatten wir schon länger nicht mehr. Das Ganze mit einem tollen Ausblick aus dem Frühstücksraum ganz oben auf dem verwinkelten Hotelbau, der aussieht, als hätte man auf das Spitzdach nochmal etwas aufgesetzt.

Unsere „Free Walking Tour“ soll um 9 Uhr im Alameda-Park losgehen, gleich neben unserem Hotel. Leider haben wir gestern nachmittag nicht mehr auf die WhatsApp reagiert, die uns geschickt wurde. So scheint es kurz, als müssten wir die Altstadt ohne Stadtführer erkunden, aber dann können wir uns doch noch einer Tour um 10 Uhr anschließen. Unser Tourguide heißt Joel und lernt seit 16 Monaten Englisch. Dafür ist sein Englisch wirklich richtig gut, aber es ist manchmal trotzdem schwierig, seinen Ausführungen zu folgen, besonders in lauter Umgebung. Und laute Umgebung haben wir heute richtig oft, denn an allen Ecken der Stadt üben Schulklassen das Marschieren und Paradieren zu lauter Marschmusik. Am 26. September ist hier der „Dia de la Bandera“ (Tag der Nationalflagge).

Die Tour ist ganz interessant und führt ausschließlich durch die Altstadt Quitos. Wir erhalten viele Zahlen, Daten und Fakten zu den verschiedenen Gebäuden und unzähligen Kirchen (Basilika, Kathedrale, Straße der 7 Kreuze mit 7 Kirchen), aber es mangelt ein wenig an einem roten Faden oder einer historischen Einordung der Ereignisse, die sich in den Gebäuden abgespielt haben und von denen uns erzählt wird. Die obligatorischen Verkostungen regionaler Produkte (pinke Banane, Agaven-Saft, Schnaps-Bonbons und natürlich auch wieder Schokolade 🙂 ) in verschiedenen kleinen Läden dürfen natürlich auch bei dieser Tour nicht fehlen.

Nach dem Ende der Tour gönnen wir uns an der Plaza Grande (Großer Platz) auf Einladung von Aileen einen Banana Split, der uns zunächst ohne gesplittete Banane serviert wird. Nach einer kurzen Rückfrage, ob das in dieser Region so üblich sei, werden die Bananen aber gemeinsam mit einer Entschuldigung schnell nachgeliefert.

Vielen Dank an Aileen. Es wurde dann doch kein Rührei, sondern ein Entscheidungshilfe-Banana-Split, bei dem wir über „Galapagos-Inseln: Ja oder Nein“ diskutierten.

Auf dem Rückweg aus der Altstadt zum Hotel gehen wir anscheinend durch eine der berüchtigten Straßen, denn Jutta bemerkt plötzlich, wie ihr jemand an den kleinen (Camelbak-) Rucksack geht. Sofort dreht sie sich um und beschwert sich – der Missetäter bestreitet lauthals, den Reisverschluss geöffnet zu haben, aber es gibt sogar Zeugen. Im Rucksack war nur das Brillenetui, und das ist auch noch da, also ist noch einmal alles gut gegangen. Ein Zeuge geht noch eine Weile mit uns mit und rät uns, lieber einen anderen Weg zu nehmen. Und das mittags am hellichten Tag!

Nach einer kurzen Pause im Hotel machen wir uns auf den Weg zur Mitad del Mundo. Unser Guide Joel hat uns am Morgen geraten, mit der U-Bahn bis zur Endstation zu fahren und erst dort ein Taxi (er meinte natürlich Uber) zu nehmen, dann wäre es nicht so teuer. Und wir wollen sowieso gerne die erst im Dezember 2023 in Betrieb genommene Metro testen, also nutzen wir den Ratschlag. Hier muss man am Einsteigebahnhof für 0,45 Dollar ein Ticket kaufen – für die Rückfahrt geht es erst am dortigen Bahnhof – und den intakten QR-Code unter ein Lesegerät halten, um die Schranke passieren zu können. Das ist für regelmäßige Nutzer etwas umständlich, für uns aber ganz praktisch.

Schon an der Metrostation kommen wir mit einem anderen Fahrgast ins Gespräch und unterhalten uns auch während der Fahrt noch über unsere Optionen für die weitere Route durch Ecuador. Er rät uns dringend dazu, in den Bergen, also der „Sierra“, weiterzufahren, um Cuenca und Baños nicht zu verpassen. Wir sollen doch lieber ein paar Etappen mit dem Bus zurücklegen, als dass wir diese Schönheiten verpassen. Dieser Vorschlag kommt uns ganz gelegen, da die letzte Etappe nach Quito wirklich grenzwertig war.

An der Endstation „El Labrador“ finden wir sofort ein Taxi, mit dem die Fahrt noch einmal ziemlich lange dauert. Als wir ankommen, erklärt uns der Taxifahrer, wo der Eingang ist und dass das Gebäude vor uns die Universität der Kommunisten sei. Am Ticketschalter dauert jeder Kunde recht lange: der Kassierer stellt viele Fragen und fotografiert mit seinem Handy die Tickets auf seinem PC-Monitor oder was auch immer er da mit dem Handy tut.

Wir haben jetzt Zugang zu verschiedenen Ausstellungen, das ganze Gelände ist wie eine kleine Stadt mit mehreren kleinen Museen, Restaurants, Cafés, Läden und sogar Hotels. Es geht allerdings mehr um die Geschichte Equadors als um etwas „Mitte der Welt“-Mäßiges. Viktor fragt nach, wo es denn das Experiment mit der Corioliskraft gibt und erhält die Antwort, dass es dieses genau hier früher gab. Etwas enttäuschend! Dafür kann man genau auf der Äquatorlinie versuchen, ein Ei auf einen Nagel in einer Wiese zu stellen. Viktor hat es geschafft! Und wir erhalten hier einen Stempel in unseren Pass!

Wie eine kurze Recherche ergibt, wären die Experimente im Intiñan Solar Museum gleich in der Nachbarschaft zu sehen gewesen. Das hatten wir zwar irgendwann schon mal gelesen, aber weider vergessen. Nun gut, die Experimente sind sowieso alle geschummelt, denn die Äquatorlinie ist nun mal keine „Linie“ im eigentlichen Sinn. Auch das Experiment mit dem Ei kann man wohl überall auf der Welt erfolgreich durchführen.

Ei auf Nagelkopf gestellt
Stempel im Reisepass
Der Physik unter die Arme gegriffen (Quelle www.reiserei.com)

Auf dem Rückweg nehmen wir einen gerade herannahenden Bus, der angeblich zur Metrostation fährt. An dessen Endstation müssen wir allerdings in einen weiteren Bus steigen, der uns dann nach „El Labrador“ bringt. Wir wollen eine Station weiter als unser Hotel nach San Francisco fahren und dort in einem schönen Restaurant zu Abend essen. Als wir nach langer Fahrt hungrig dort aus der U-Bahn-Station kommen, ist alles dunkel: hier ist der Strom schon am frühen Abend abgeschaltet. Wir gehen trotzdem noch durch dunkle Straßen bis zu dem Zentrum, in dem das Restaurant ist, werden dort aber von einem Security-Mann aufgeklärt, dass alles geschlossen ist. Um 20 Uhr, noch eine Stunde hin, soll der Strom zwar wiederkommen, die Restaurants werden aber heute nicht mehr öffnen. Wir sehen Lichter einen Block weiter, aber uns wird nahegelgt, dort nicht hinzugehen, weil es eine sehr gefährliche Ecke sei. Der Mann schickt uns durch genau eine Straße, in der es ein Restaurant gibt, in dem wir dann schnell einmal Reis mit Huhn und einen Käse-Toast bestellen – nicht das, was wir uns für heute Abend vorgestellt haben. Erstmals auf unserer Tour fühlen wir uns tatsächlich richtig unwohl, denn die Straßen sind nur punktuell vom Scheinwerferlicht der Autos und Busse erleuchtet. Überall laufen Menschen mit eingeschalteten Handytaschenlampen herum. Auch wir nutzen unser Handy, um nicht über irgenwelche Bordsteinkanten oder Schlaglöcher zu stolpern.

Auch der Betreiber des Restaurants rät uns, die eine Metrostation mit dem Taxi zurückzufahren, weil es in der Dunkelheit auch viel zu gefährlich ist, den Weg zur Station „San Francisco2 zu gehen. Also gut, wir nehmen ein Taxi für eine Strecke, die wir sonst laufen würden. In Alameda, wo unser Hotel liegt, gibt es Strom, das Abschalten war also sehr lokal. An der Rezeption erkundigen wir uns nach einer weiteren Nacht und nach Touren nach Galapagos, weil wir heute gesagt bekommen haben, wenn man als Tourist in Ecuador nicht nach Galapagos fährt, sei das so als fahre man nach Paris, ohne den Eiffelturm zu besichtigen.

Dienstag 24.9.24 – Quito

Heute hören wir im Frühstücksraum noch mindestens an zwei weiteren Tischen Deutsche. Wir bleiben noch weiter oben sitzen und planen dort die weiteren Etappen bzw. überlegen schon einmal, wo wir wahrscheinlich einen Bus nehmen werden. Wir müssen uns schließlich nicht so verausgaben, dass uns abends Muskeln und Gelenke schmerzen und wir immer wieder Ruhetage benötigen. Außerdem sehen wir wahrscheinlich weniger, wenn wir immer nur auf der Hauptstraße fahren, als wenn wir gezielt (auch mit Bussen) schöne Gegenden und Orte besuchen.

Um zehn machen wir uns auf den Weg zur TeleferiQo von Quito. Da wir vorher noch einen Gürtel für Jutta kaufen müssen (der in Panama für 3,99 gekaufte ist heute morgen endgültig gerissen) fahren wir zwei Stationen Metro, gehen zum „Gürtelparadies“ und nehmen dann ein Taxi. Der Fahrer weiß zunächst nicht, wohin er uns bringen soll, denn Viktor sagt mehrfach „Funicular“. Erst als Jutta „Teleferique“ einwirft, wird es klar. Das Wort Funicular hat Viktor aus Katalonien im Kopf, das ist aber im Gegensatz zu einer Luftseilbahn eine Standseilbahn auf Schienen.

Das Taxi fährt recht lange einen Berg hoch, so dass wir schon Angst haben, dass wir nach oben gebracht werden. Die Talstation liegt aber wirklich schon recht weit oben, wahrscheinlich, damit die Kabinen nicht über bewohntes Gebiet schweben (wie in Medellin). Die Fahrt nach oben geht über 2,5 Kilometer und dauert 18 Minuten, die relativ wenigen Kabinen schweben sehr langsam den Berg hoch und runter. An einigen sind Fahrradgepäckträger vorne und hinten angebracht. Man kann sein Mountainbike mitnehmen und dann auch eine einfache Fahrt bezahlen, denn es gibt eine Mountainbike-Abfahrt, deren Anfang wir oben sehen.

Die Bergstation ist auf 4050 m ü.N.N., die Luft ist schon ziemlich dünn, aber es ist trotzdem warm. Und wir haben eine gute Sicht auf mehrere Vulcane und auf Quito.

Auf einem der Wanderwege kommt man zur „Schaukel in den Wolken“. Auch hier hören wir wieder Einiges an Deutsch. Wir schaukeln kurz, gehen dann aber nicht weiter, sondern wieder zurück, eine vier Kilometer Wanderung in dieser Höhe lassen wir doch lieber.

In einem Café mit riesiger Fensterfront kehren wir ein, genießen den Ausblick und haben einen kurzen WhatsApp-Video-Call mit ein paar Makowskis.

Bei der Abfahrt sind wir in unserer Kabine mit einem Paar (er aus den U.S.A., sie Ecuadorianerin), das in Manta an der Küste lebt. Sie hat lange in Quito gewohnt und erkennt von oben so Einiges wieder. Unten angekommen, teilen wir uns noch ein Taxi. Der Fahrer verlangt sowohl von uns als auch von ihnen den doppelten Preis der Hinfahrt. Der Versuch, ihn runterzuhandeln misslingt, denn er behauptet er müsse eine Extragebühr dafür zahlen, an der Talstation stehen zu dürfen. Aber wir müssen ja irgendwie wieder wegkommen.

Zurück im Hotel hat der Besitzer ein Angebot für eine Reise nach Galapagos für uns: sieben Tage, sechs Nächte, ab morgen. Wir hatten zwar eher an fünf Tage gedacht, aber dass es morgen schon klappt überzeugt uns dann, und wir sagen zu. Den fälligen Betrag sollen wir in bar bezahlen. Dafür müssen wir noch mit mehreren Kreditkarten an den Geldautomaten. Und das erweist sich noch als schwierig:

Von zwei Automaten ganz in der Nähe ist einer geschlossen, am anderen steht zwar, dass man 500 Dollar abheben kann, es würden aber nur 100 gehen, und das recht leider nicht. Deshalb brechen wir wieder in die Altstadt auf, wo es viele Geldautomaten gibt, und wo wir von zumindest einem wissen, dass er auch 500 Dollar ausspuckt. Nur ist dummerweise heute die Stromabschaltung schon seit 14 Uhr, und das Quartier ist schon wieder betroffen. Die Automaten sind also dunkel und tot. Wir wollen wenigstens versuchen, schon einmal zu essen und gehen zum Café del Fraile, in das wir gestern ja schon gehen wollten. Dort ist heute trotz des Stromausfalls geöffnet, und man sagt uns, was es alles nicht gibt (alle Heißgetränke, Naturales, Eis …). Wir bestellen und wollen so lange bleiben, bis um 18 Uhr wieder Strom fließt. Als wir fertig sind und sagen, dass wir mit dem Bezahlen warten möchten, bekommen wir erklärt, dass es doch bis 20 Uhr dauern wird und es dann ja längst dunkel sein wird. Eine Kartenzahlung klappt dann natürlich ebenfalls nicht… .

Etwas genervt suchen wir in Straßenblöcken mit Strom nach Geldautomaten, müssen aber etliche probieren, bis wir bei der Guajaquil-Bank endlich einen geöffneten und funktionierenden finden. Puh, das ist noch einmal gut gegangen, und bei dieser Bank ist die Gebühr sogar unschlagbar niedrig!

Die geplanten Stromabschaltungen sind übrigens in erster Linie das Ergebnis einer langen Dürrezeit, wie es sie seit 60 Jahren in Ecuador nicht mehr gab. Da über 70% des Strombedarfs in Ecuador mit Wasserkraft gedeckt werden, kommt es jetzt zu den Rationierungen von Strom (und auch Wasser). Die nächtlichen Ausgangssperren sind dann wiederum eine Folge der Stromabschaltungen, denn mit ihnen soll die nächtliche Kriminalität im Schutz der Dunkelheit eingedämmt werden.

Da es schon wieder dämmert, fahren wir lieber eine Station Metro zurück statt zu laufen, bezahlen die Galapagos-Reise in bar, packen unser Gepäck so um, dass wir zwei Taschen mitnehmen und den Rest hier im Hotel gemeinsam mit dem Tandem einlagern können, tragen das Tandem aus der Garage eine ganze Menge Stufen hinauf und parken es incl. Gepäck für die Woche hier im Hotel in einer Art Küche, die wohl nicht genutzt wird.

Den ganzen Nachmittag haben wir schon Rauchwolken gesehen, auch schon von der Bergstation, aber als wir am Hotel ankommen, ist es extrem geworden. Auch die Hotelmitarbeiter reden vom Feuer, wir hören Sirenen und wieder einmal liegt der Feuergeruch sogar in den Zimmern in der Luft.

Im Internet recherchieren wir, dass es aufgrund eines Waldbrandes am Stadtrand Verkehrsbeschränkungen in Quito geben wird. Gleichzeitig wurden aufgrund der Notlage aber auch Beschränkungen namens „Pico y Placa“ vorläufig aufgehoben, nach denen heute zwischen 16:00 und 20:00 Uhr keine Fahrzeuge hätten fahren dürfen, die die Endziffern 3 oder 4 auf dem Nummernschild tragen. Wir hoffen, dass unser Hotelbetreiber, der uns morgen früh um 7 Uhr persönlich zum Flughafen fahren will, die richtige Route kennt und die richtige Endziffer auf dem Nummernschild hat. Jedenfalls ist die Autobahn zum Flughafen nach seiner Aussage von dem Feuer betroffen, weshalb er möglichst früh losfahren will.

Mittwoch 25.9.24 – Quito – Galápagos Inseln

Um 6:45 Uhr sind wir abfahrbereit in der Hotellobby. Wir haben unseren roten Seesack und das orange Globetrotter-Rackpack als Reisegepäck dabei. Unsere beiden CamelBak haben wir zum Handgepäck umfunktioniert. Kurz vor sieben ist der Hotelbetreiber da, wir steigen in seinen KIA, und es geht los Richtung Flughafen. Vom Waldbrand ist kaum noch etwas zu bemerken. Die Feuerwehren scheinen ganze Arbeit geleistet zu haben. Wir fahren trotzdem eine weitere Strecke, um keinesfalls in die Nähe der Löscharbeiten zu geraten und dort womöglich im Verkehr stecken zu bleiben. Unter anderem fahren wir auch einen großen Teil der Strecke zurück, die wir mit dem Tandem bezwungen haben, denn die Abzweigung Richtung Flughafen liegt nördlich von Quito in der Nähe von Calderon. Es sind ca. 50 km, also praktisch eine Tagesetappe, wenn wir mit dem Tandem fahren würden.

Unterwegs wird uns bestätigt, dass es aufgrund der Verkehrsüberlastung in Quito in den Hauptverkehrszeiten (5-9 und 16-20 Uhr) schon seit Langem Beschränkungen gibt. Montags dürfen in diesen Zeiten keine Fahrzeuge unterwegs sein, deren Kennzeichen auf 1 oder 2 endet (Di 3-4, Mi 5-6, Do 7-8, Fr 9-0). So kann eine „Verkehrswende“ natürlich auch aussehen.

Kurz nach acht sind wir am Flughafen, über drei Stunden vor der Abflugzeit um 11:10 Uhr. Der Hotelbetreiber geleitet uns zum Schalter für den Galapagos-Touristenpass (20 USD pro Person), dann zum Röntgen unseres Gepäcks (es gelten scharfe Beschränkungen, damit keine invasiven Arten in die Flora und Fauna von Galapagos eingeschleppt werden) und schließlich zur Gepäckaufgabe. Erst als alles erledigt ist und wir nur noch durch die Sicherheitskontrolle müssen, verabschiedet er sich von uns. Wir frühstücken aber erst noch außerhalb des Sicherheitsbereiches bei „El Español“, wo wir uns auch für eine CO2-Emissions-Kompensation über „Atmosfair“ entscheiden, denn eigentlich hatten wir uns ja fest vorgenommen erst wieder in Ushuaia in ein Flugzeug zu steigen. Am Ende sind wir sogar etwas knapp am Gate und man erwartet uns dort schon mit persönlicher, namentlicher Ansprache.

Der Flieger ist nicht mal halb besetzt und es stellt sich wieder Erwarten heraus, dass es doch ein Direktflug ohne Zwischenlandung und Auftanken in Guayaquil ist, denn darauf waren wir eigentlich vorbereitet (und dafür haben wir „kompensiert“). Der Flug dauert knapp zwei Stunden und wir landen am Seymour Galapagos Ecological Airport (GPS) auf der kleinen Insel Baltra. Dort geht es durch eine Art Grenzkontrolle und Immigration. Ausländische Touristen zahlen pro Person 200 USD „Eintritt“, eine eidesstattliche Erklärung zur Nichteinfuhr verbotener Güter muss unterschrieben abgegeben werden (das Formular erhalten wir während des Fluges vom Bordpersonal) und das gesamte Gepäck wird geröntgt und von Spürhunden überprüft.

Vom Flughafen geht es per Bus zu einem Fähranleger (wir sehen auf der Fahrt bereits mehrere Leguane auf der Straße sitzen), von wo uns ein kleines Fährboot zur Hauptinsel Santa Cruz bringt. Dort wartet auf uns ein Pickup, der uns quer über die Insel zu unserem Hotel in Puerto Ayora bringt.

Zeit zum Einchecken ist nicht, wir können nur die Taschen abstellen und werden dann zur „Villa Luna“, ca. 15 Min Fußweg, geführt, wo wir in den nächsten Tagen Mittag- und Abendessen bekommen. Es ist halb drei, als wir dort ankommen und die Essenzeit eigentlich vorbei, deshalb dauert es wohl etwas, bis wir etwas bekommen. Und uns wurde gesagt, dass wir um halb vier am Treffpunkt – der uns auf dem Weg gezeigt wurde – sein sollen, um eine geführte Tour durch die „Charles Darwin Research Station“ mitzumachen. Das ist dann gleich nach dem Essen…

Unsere Gruppe besteht aus 13 Personen, wir sind die beiden einzigen, für die der Guide Englisch sprechen muss, alle anderen sind Ecuadorianer*innen. Wir hören also alles zweimal 😉 und bekommen vieles über dieses Archipel, die Flora und Fauna und über die Schildkrötenaufzuchtstation erzählt und gezeigt. Ohne autorisierten Guide darf man dieses Zentrum nicht besuchen, und dieses Zentrum ist ein Hauptgrund, warum Santa Cruz die touristischte Insel ist, die Hauptinsel mit der Regierung ist eine andere (San Cristobal).

Auf dem Rückweg zum Hotel, den wir erst einmal wiederfinden müssen – heute mittag sind wir nur hinterhergelaufen – haben wir immer noch keine Nachricht, wie es weitergeht. Wir checken ein, kämpfen ein wenig mit dem Verbinden mit dem W-LAN – der im anderen Treppenhaus aushängende QR-Code kann nur von internetfähigen Handys ausgelesen werden – und gehen dann wieder zur Villa Luna, um dort ein Abendessen zu bekommen. Viktor bekommt sogar einen Nachschlag Reis mit Bohnen als er sagt, er wäre noch hungrig.

Anschließend gehen wir auf ein Bier in die Santa Cruz Brewery.

Hier erhalten wir eine WhatsApp, dass wir morgen früh um sechs am Treffpunkt sein sollen. Wir verbringen den Tag auf einer anderen Insel. An so eine durchgeplante Pauschalreise müssen wir uns noch gewöhnen, so etwas haben wir noch nie vorher gemacht. Im Hotel ist es zum Glück kein Problem, wir werden ein Frühstück zum Mitnehmen bereitgelegt bekommen.

Es wird uns heute immer wieder erzählt, dass es auf den Galapagos-Inseln keine Kriminalität gibt, das muss also stimmen!

Donnerstag 26.9.24 – Galápagos Inseln – Isla Isabela

Morgens um viertel vor sechs ist leider doch kein Box-Frühstück bereitgelegt, und es ist auch noch niemand da, den man fragen könnte. Wir wollen aber pünklich sein und gehen ohne Frühstück zum Treffpunkt.

Die Informationen, die wir per WhatsApp am Vorabend um 18:37 Uhr von einer Johanna (Iyi Sanslar Travel) erhalten, sind eher dürftig. Wir wissen nicht wirklich, was uns heute erwartet, aber immerhin wissen wir, was wir mitbringen sollen. Sportschuhe haben wir nicht, also sind wir in unseren Shimano-Fahrradsandalen unterwegs.

Am Treffpunkt ist um kurz vor 6 Uhr nur eine Mutter mit ihrer Tochter „Isabela“. Welch ein Zufall, den es geht ja heute auf die gleichnamige Insel. Die Mutter scheint immerhin ein paar Informationen mehr per WhatsApp zu erhalten als wir.

Wir vier werden von einem Mann abgeholt, und wir gehen zu einem Anleger, an dem mehrere Menschen mit Listen und viele Touristen stehen. Jede Liste stellt ein Boot da, und wir erhalten Boarding Pässe für die „Britanny 1“. Alle Tschen und Rucksäcke müssen durch eine Röntgenkontrolle wie am Fluhafen, bevor man zum Wasser laufen darf. Am Anleger werden alle nach Booten sortiert aufgestellt und nach und nach mit Wassertaxis (pro Nase und Fahrt immer ein USD) zu den Booten gebracht. Da wir nicht mehr Informationen als die WhatsApp von gestern Abend haben sind wir nicht darauf eingestellt, jetzt zwei Stunden im Speedboat über das offene Meer gefahren zu werden – inklusive Seekrankheit natürlich.

Denn eine der Überraschungen für uns sind auf Galapagos die riesigen Abstände zwischen den einzelnen Inseln. Wir müssen heute zur Nachbarinsel Isabela mal eben 80 Kilometer zurücklegen. Mit dem Speedboat bei 40 km/h sind das 2 Stunden Fahrzeit. Inklusive 30 Minuten Ein/Aus/Umsteigen mit Wassertaxis gehen damit vom Tag schon mal 5 Stunden verloren. Wir sind heute also fast genauso viel Zeit mit dem Boot unterwegs wie wir auf der Insel Isabela verbringen werden. Das kann man mit Wohlwollen als „grenzwertig“ bezeichen. Und das wird beim Besuch der anderen Inseln nicht besser werden, denn sie sind eher noch weiter entfernt.

Die Brittany 1 hat drei Yamaha Außenbordmotoren, jede mit 300 PS. Ein kurze Recherche ergibt, dass jeder der Motoren 51 Liter Benzin pro Stunde verbraucht (bei 4.500 Umdrehungen pro Minute). Das ergibt bei zwei Stunden Fahrt 306 Liter Benzin für 32 Passagiere, also 9,6 Liter pro Passagier. Bei 2.392 Gramm CO2 pro Liter Benzin ergibt das ca. 23 kg CO2-Ausstoß für Hinfahrt und nochmals für die Rückfahrt pro Passagier. Viktor wollte es hier bloß mal geschrieben haben. Wir haben ja bei der Kompensation unserer Flüge über Atmosfair eine Zwischenlandung in Guayaquil einkalkuliert, die wir dann gar nicht gemacht haben. Da gehen wir jetzt einfach mal davon aus, dass zwei Starts und Landungen mit einem Airbus A320 mehr CO2 ausstoßen als die paar Fahrten mit den Booten. Aber richtig gut fühlt sich die ganze Speedboad-Raserei nicht an …. und zwar nicht nur wegen der Seekrankheit.

Zur Seekrankheit: Viktor hat irgendwann mal gelernt, dass die Seekrankheit durch die widersprüchlichen Informationen ensteht, die das Gehirn vom Gleichgewichtsorgan im Ohr und von den Augen erhält. Das Gleichgewichtsorgan sagt „Du bewegst Dich heftig auf und ab“, das Auge sagt „Du sitzt relativ still“, jedenfalls wenn man (wie Jutta) die Rückenlehne vor sich fixiert, die sich ja gemeinsam mit dem Schiff bewegt und in Relation zum Auge fast stillsteht. Viktors Anti-Seekrankheits-Technik ist daher: Entweder einen Punkt am Horizont oder Festland fixieren (dann erhält das Auge die gleiche schwankende Information) oder die Augen schließen (dann gibt es gar keine widersprüchliche Info für das Auge). Bei ihm funktioniert das einwandfrei … es mag aber auch bloß der Placebo-Effekt sein, weil er fest an seine Technik glaubt. Bei Jutta wirkt es nämlich auf der heutigen Rückfahrt nicht. Über die Hinfahrt schweigen wir uns hier einfach mal aus.

Um neun werden wir wieder mit einem Wassertaxi zum Puerto Villami auf der Isla Isabela gebracht, wo wieder mehrere Menschen mit Listen stehen und wir suchen müssen, auf welcher unsere Namen enthalten sind. Schließlich sind wir eine 14-köpfige Gruppe, und heute sind es nur vier Ecuadorianer, für den Rest ist Englisch angesagt. Unser Guide spricht deshalb wesentlich mehr Englisch als Spanisch. Und von ihm erfahren wir jetzt auch, wie der Tag hier auf der Insel strukturiert ist: vormittags geht es mit einem Boot (jeah!) zur vorgelagerten Insel Tintoreras, wo wir einen Gang auf dem Vulkangestein machen und anschließend in den Buchten schnorcheln können, anschließend ist im Ort Mittagessen, und danach geht es noch ins Landesinnere zu Flamingos und Schildkröten. Um viertel nach zwei ist wieder Treffpunkt für die Rückfahrt per Speedboat.

Glücklicherweise ist hier das Wasser noch ruhig. Beim Anlegen treffen wir gleich auf zwei Seelöwen-Babys, die keine Berührungsängste zu haben scheinen. Außerdem leben auf diesem Vulkangestein Unmengen an Küstenleguanen, und im seichten Wasser zahlreiche Haie und auch eine Wasserschildkröte.

Dann kann schnorcheln, wer will. Das Wasser ist ziemlich kühl, aber von allen Schnorchelpunkten bis jetzt ist dieses der beste, auch wenn wir keine Bilder davon haben. Dafür haben wir Videos von Walen (ohne dass wir darauf eingestellt waren) und Bilder von Blaufußtölpeln.

Nach dem Mittag geht es mit dem Bus erst zu der Lagune mit den Flamingos, danach zur Schildkrötenaufzuchtstation hier auf Isabella. Wie sehen unter anderem eine kopulierende Riesenschildkröte.

Fast pünktlich sind wir wieder am Anleger, müssen aber noch ziemlich lange warten, ehe unser Boot komplett ist und losfahren kann. Um zehn nach fünf landen wir wieder auf Santa Cruz an und müssen dort alle noch einmal durch die Röntgenkontrolle.

Im Ort gehen wir in der Villa Luna gucken, was es zum Abnedessen gibt und entscheiden uns dann, heute einmal schön essen zu gehen – Viktor hätte gerne Lobster. Im Al Mar werden wir fündig. Der Hummer ist eigentlich für zwei Personen, aber Jutta möchte etwas Vegetarisches und Viktor schafft ihn dann auch alleine. Nach dem Essen haben wir immer noch keine Nachricht, was morgen sein wird, die kommt erst nach 21 Uhr.

WhatsApp für Freitag

Freitag 27.9.24 – Galápagos Inseln – Tortuga Bay Beach – Bahia-Tour (Schnorcheln, Grietas, Playa de los Perros)

Nach einem unerwartet guten Frühstück im Hotel gehen wir zu acht Uhr zum Treffpunkt. Unser Guide Rodrigo erklärt unserer Gruppe, dass wir ca. zwei Stunden laufen bis zum Tortuga Bay Beach, dort Zeit verbringen und am besten mit einem Wassertaxi von dort zurückfahren, damit wir mittags wieder im Ort sind. Jutta würde lieber auch zurück laufen, aber er überzeugt uns, das Taxi zu reservieren.

Die „Wanderung“ geht vom Ortsrand über einen vollständig gepflasterten Weg durch einen Wald aus Kakteen, Palo Santo (Bursera Graveolens), Matazarno (Piscidia cathargenesis), Manzanillo (Hippomane mancinella) und vieles mehr. Rodrigo erzählt viel über die Anpassung der Pflanzen und Tiere hier, über die verschiedenen Meeresströmungen (aus Panama der Panamastrom, aus Peru der Humboldstrom und aus Australien der Cromwellstrom) und auch, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist sondern schon immer existiert hat. Na ja, er ist jedenfalls mit Leib und Seele dabei! Viktor kann sich trotzdem nicht zurückhalten und fragt nach, wie viele Jahre die Evolution auf Galapagos benötigt hat, für die Anpassung und „Endemisierung“ der Arten, von denen er berichtet. Zigtausende Jahre ist die Antwort. Auf die Frage, ob die Evolution das mit der Anpassung auch in wenigen hundert Jahren schaffen könnte, da die Erderwärmung ja seit der Industrialisierung eher etwas schnell voranschreitet, kommt die überraschende Antwort: „Wir sind ja schon fast vollständig auf erneuerbare Energien umgestiegen!“ …. oooooookeeeeey …. Ecuador, Wasserkraft, Dürre und Stromabschaltungen? Ach lassen wir das hier.

Als wir am Strand ankommen, ziehen wir die Schuhe aus und es fühlt sich fast wie Wangerooge an: ganz weicher, heller Sand, an einer Seite welliges Wasser, an der anderen Seite – wenn man nicht ganz scharf guckt – etwas wie Dünen. Das tut mal richtig gut, das Barfußlaufen!

Vom großen Strand biegen wir ab zum Tortuga Bay Beach, der richtig bevölkert ist, und wo man auch baden kann in türkisfarbenem, aber kaltem Wasser. Da es erst zehn Uhr ist, ändern wir unsere Reservierung von zwölf auf elf Uhr, und eigentlich hätten wir auch genug Zeit, zurückzulaufen. Viktor geht kurz in Wasser, und wir laufen den Strand rauf und runter und halten Ausschau nach Haien in den Mangroven – das ist zwischen den Wurzeln aber nicht so einfach.

Das Wassertaxi fährt zwanzig Minuten über die hohe See – Jutta ist schon wieder seekrank. Wieder im Ort gehen wir erst einen Kaffee trinken (haben ja etwas Zeit gewonnen 😉 ) und danach in der Villa Luna Mittagessen. Dort werden wir erkannt und Jutta gleich gefragt, ob vegetarische Nudeln okay wären. Und als sie gebracht werden, bekommen wir zwei Portionen, so dass Viktor zwei Mittagessen verzehrt. Sie waren wohl enttäuscht, dass wir gestern Abend unverrichteter Dinge wieder gegangen sind und wollten das wieder gut machen.

Um zwanzig nach eins ist schon wieder Treffpunkt, diesmal nimmt uns Johanna mit (von der wir die spärlichen WhatsApp-Infos bekommen haben) und bringt uns zum Anleger (also noch eine anstehende Bootsfahrt). Dort dauert es eine ganze Weile, bis die Gruppe vollzählig ist. Aber als es endlich losgeht und alle mit Schwimmweste bekleidet in das Boot steigen, beginnt eine wirklich tolle Tour: erst schnorcheln wir irgendwo in der Akademie-Bucht, dann fahren wir etwas und gehen zur „Griega“ einem natürlichen Schwimmbecken zwischen Felsen, wo wir wieder schnorcheln oder schwimmen, und als letztes machen wir eine kleine Wanderung zum Playa de los Perros, bei der wir Blaufußtölpel brütend, mit einwöchigen Jungtieren, mit ältern Jungtieren und umeinander werbend sehen können. Wenn zwei Eier ausgebrütet werden, überlebt zu 75% nur das erstgeborene Küken – weil dieses immer zuerst gefüttert wird. Nur bei extrem guten Konditionen bekommt das zweitgeborene auch ausreichend Nahrung ab und überlebt die ersten Wochen. Die Rotfußtölpel legen immer nur ein Ei und haben deshalb dieses Problem nicht, bei den Nazca-Tölpeln werden mehrere Eier ausgebrütet und alle „jüngeren“ Küken werden vom Ältesten getötet (sog. Siblizid). So ist die Natur!

Ziemlich durchgefroren, trotz Nassanzügen, sind wir nach kurzer Fahrt wieder in Santa Cruz. Wir gehen im Hotel heiß duschen, anschließend in der Villa Luna essen und abschließend noch etwas an einer Bar trinken (ein Honigbier bzw. einen Mosquito).

Ein kleines Zwischenfazit kann man wohl heute schon ziehen: Der Aufwand hat sich gelohnt und lohnt sich auch weiterhin (ja auch die ganze Speedboat-Fahrerei). Was man hier auf Galapagos sieht und lernt, wieviele Tiere man aus nächster Nähe beobachten kann, welche Vielfalt man beim Schnorcheln sieht, einfach unfassbar. Vor einigen Wochen haben wir noch jeden einzelnen grünen Leguan verfolgt und gefilmt … wir haben uns wie Bolle über Aras gefreut, die über uns flogen … jeder Brüllaffen-Ruf hat unseren Herzschlag beschleunigt … hier stolperst Du praktisch ständig über Küstenleguane und alle möglichen anderen Tiere, lässt das Handy stecken und genießt einfach den Anblick.

Samstag 28.9.24 – Galápagos Inseln – Isla Santa Fe (Schnorcheln)

Heute soll eine weitere Insel besucht werden, allerdings ohne diese zu betreten. Vor der Isla Santa Fe ist wieder Schnorcheln angesagt. Das Wetter ist nicht besonders gut und der Wellengang stellt sich mal wieder als übelkeiterregend heraus. Heute schaffen wir es aber, ohne Spucktüten auszukommen oder über der Reling zu hängen.

Aber zunächst findet morgens um acht Uhr das übliche Spiel statt. Am Treffpunkt befindet sich bereits eine große Gruppe, die aber an einer anderen Tour teilnimmt. Wir bleiben einsam zurück und Viktor fängt gerade an, eine WhatsApp zu tippen, als ein junger Mann uns abholt. Der bringt uns 500 Meter weiter zum bereits bekannten Anleger, wo alle Touren losgehen und übergibt uns an eine junge Frau. Die junge Frau übergibt uns dann nach 15 Minuten Wartezeit wiederrum an unsere heutige Tourguide „Susan“, genannt Susy. Diese steigt 30 Minuten später mit uns auf das Boot. Wir verstehen nicht ganz, warum so viel Personen involviert sind, vermuten aber, dass jede irgendwie mitverdient, obwohl unsere Namen auf der Passagierliste des Bootes „Sunray“ stehen, und es eigentlich auch reichen würde, wenn man uns mitteilt, dass wir um 9:00 Uhr am Anleger sein sollen um das Boot „Sunray“ zu besteigen. Na ja, wir sorgen ja gerne für ein paar zusätzliche Verdienstmöglichkeiten. Das Einsteigen verzögert sich noch eine Weile, weil ein Seelöwe den Steg belegt und es zu gefährlich ist, an ihm vorbeizugehen – die Tiere beißen heftig.

Nach einer guten halben Stunde kommen wir am ersten geplanten Halt an – noch auf Santa Cruz, wie wir nur dank der Aufzeichnung mit dem Garmin wissen. Der Wellengang ist allerdings so hoch, dass Susy mit Gesten erklärt, dass wir umdrehen – es ist zu gefährlich. Kurz denken wir, dass es zurück geht, aber erst nach einer weiteren Stunde Fahrt sind wir wirklich vor Santa Fe. Wir bekommen alle Nassanzüge, Flossen und Schnorchelbrillen und drehen die ersten Runden. Das Wasser ist eisig, aber superklar und voller verschiedener Fische. Ziemlich durchgefroren sollen wir uns an Bord nicht umziehen, weil wir noch zu einem weiteren Schnorchelpunkt fahren. Immerhin gibt es ein Heißgetränk und ein paar Snacks zur Stärkung zwischendurch. Auf dieser Fahrt sind zwei Angeln ausgeworfen, und es wird tatsächlich ein recht großer Fisch gefangen.

Am zweiten Punkt sind es in erster Linie die Seelöwen, aber auch wieder ganze Fischschwärme und auch eine Schildkröte, die das Schnorcheln sehenswert machen (wir haben es in den letzten Tagen eigentlich schon genug gemacht, aber zumindest ist die Reihenfolge die richtige, da es von Mal zu Mal besser wurde).

Anschließend dürfen wir uns umziehen und bekommen dann ein warmes Mittagessen an Board – Fisch, aber nicht den gerade gefangenen. Susy teilt die von ihr gemachten Videos und Bilder, und um zwei wird die Rückfahrt angetreten. Der heutige Kapitän macht es wirklich gut, wir reiten richtig auf den hohen Wellen. Auf der Rückfahrt halten auch die drei Motoren durch, die auf der Hinfahrt immer mal ausgestiegen sind, an denen zwischendurch aber heftig gearbeitet wurde.

Nach einer heißen Dusche im Hotel nutzen wir den weiteren Nachmittag noch zum Shoppen – morgen geht es nach San Cristobal, und so ganz ohne Andenken wollen wir Santa Cruz nicht verlassen.

Sonntag 29.9.24 – Galápagos Inseln – Isla San Cristóbal

Heute ist der Umzug in ein Hotel auf der Insel San Cristóbal fällig. Das bedeutet wieder zwei Stunden Bootsfahrt mit einem Speedboat. Heute ist es die D LUIS. Das Boarding geht relativ zügig vonstatten, wir sind positiv überrascht und haben Plätze relativ weit hinten ergattert, wo das Hüpfen und Schaukeln auf den Wellen nicht so stark zu spüren ist. Da haben wir dem Organisationstalent der Menschen hier am Hafen vielleicht doch etwas Unrecht getan, in den vergangenen Tagen …

… tja, und dann fehlen halt noch ein paar Passagiere, wir sitzen über 30 Minuten im schwankenden Boot und warten. Irgendwann kommt ein Wassertaxi mit mehreren Männern mit eigenartigen großen Kisten angefahren und wir hören schon aus einiger Entfernung lautes Krähen. Die Männer sind Teilnehmer am gestrigen Hahnenkampf-Wettbewerb (Pelea de Gallos) und sie haben natürlich ihre Kampfhähne dabei. Diese werden im gesamten Mittelgang des Bootes von vorne bis hinten zwischen den Sitzen abgestellt, also auch direkt neben Viktor am Gangplatz. Fluchtwege und Sicherheitsmaßnahmen sind da eher zweitrangig … aber das kennen wir ja schon vom Transport unseres Tandems in kleineren Bussen mit Mittelgang. Da wurden auch andere Passagiere in ihren Sitzen quasi eingeschlossen, als unser Tandem an Bord war. Für die Überfahrt nach San Cristóbal mischen sich so jedenfalls die salzige Meerluft und die Ausdünstungen abgekämpfter Kampfhähne (oder nennen wir es liebevoll „frische Landluft“) zu einem ganz besonderen Ambiente an Bord. Die Überfahrt ist dann wie gehabt eine rumpelige Angelegenheit, aber tatsächlich bleiben wir heute beide von Seekrankheit verschont, auch ohne die empfohlene Akupressur am Handgelenk anzuwenden.

Auf San Cristóbal setzen wir wieder mit einem Wassertaxi zum Anleger über (1$ pro Person). Dort werden wir schon von unserem lokalen Betreuer „Santi“ erwartet, der uns mit dem Taxi zum Hotel bringt und irgendjemandem ein Beweisfoto von uns beiden senden muss, als wir gegen 10 Uhr vor der Rezeption stehen und einchecken. Unser Zimmer riecht etwas schimmlig, ist aber geräumig und sauber.

Den Vormittag erkunden wir den Ort, insbesondere die Promenade am Wasser. Die Insel scheint wesentlich ruhiger als Santa Cruz, trotzdem gibt es auch hier einige Souvenier-Läden und auch viele Cafés und Restaurants. Und überall liegen Seelöwen herum – Mütter mit ihren Jungen. Wir beobachten ein ganz Junges, wie es hungrig versucht, die Zitzen der Mutter zu finden, sich aber nicht zurechtzufinden scheint. Die Mutter unternimmt alles Mögliche, das Kleine in die richtige Richtung zu weisen. Solange wir dort stehen, vergeblich!

Zwischen den Seelöwen gibt es auch hier Leguane und Krabben (letztere nur am Wasser, nicht auf den Wegen), und alle verstehen sich gut, es gibt keine Konkurrenz zwischen ihnen.

Mittag gibt es wieder in einem Restaurant außerhalb des Hotels, hier ist es aber sehr viel kleiner mit nur wenigen Tischen, keine Massenabfertigung wie in Santa Cruz.

Um halb drei ist Treffpunkt vor dem Hoteleingang mit Patricio und zwei weiteren Hotelgästen zu einer Tour. Wir werden ein paar Meter mit einem Taxi zum „San Cristóbal Gianni Arismendy Environmental Interpretation Center“ gefahren. Dort bekommen wir zunächst die Entstehungsgeschichte des Archipels erklärt – hier die Inseln im Osten sind mit ca. 5 Mio. Jahren die älteren, die im Westen sind erst 750.000 Jahre alt – dann haben wir eigenständig Zeit, die Ausstellung über die Geschichte inkl. der Touristischen Entwicklung anzuschauen. Im Anschluss laufen wir hoch zu einem Aussichtspunkt und runter zu einem Strand. Währrenddessen gibt es Erklärungen zu den unterschiedlichen Kakteen (Candelaria und Opuntia), zu Leguanen und Seelöwen. Am Carola Beach haben wir noch einmal Freizeit, um wahlweise zum Leuchtturm zu klettern (wir) oder etwas anderes zu machen.

Es zieht ein starker Wind auf und der Himmel wird immer dunkler, als wir Richtung Ort aufbrechen, am „Playa Mann“ vorbei. Dieser Strand heißt in Erinnerung an Alexander Mann so, der vor ~45 Jahren in Guayaquil ein großes (Kinder-)Krankenhaus hat bauen lassen und auch hier auf der Insel eine Persönlichkeit war. Bis wir im Ort ankommen, sind wir etwas nass und ziemlich kalt, so dass wir nach der Verabschiedung von Patricio erst einmal eine heiße Schokolade trinken gehen, um uns aufzuwärmen.

Von dort geht es direkt zum Abendessen. Mit uns kommt auch gerade eine Gruppe aus 20 jungen Menschen (fast ausnahmslos Frauen) an, die wahrscheinlich aus einem Skandinavischen Land stammen, wir können die Sprache aber nicht näher eingrenzen. Am nächsten Tag treffen wir sie an der Schildkröten-Aufzuchtstation wieder, wo sie offensichtlich als Freiwillige arbeiten und gerade die Fütterung vorbereiten.

Hier auf San Cristóbal können wir uns in „unserem“ Restaurant etwas von der Karte aussuchen, und dann werden sechs USD pro Person vom Preis abgezogen. Die allermeisten Gerichte liegen bei > 10 USD, so dass es hier mit dem „all inclusive“ nicht so ganz hinkommt. Aber man kann sich aussuchen, was man essen möchte, was auch nicht schlecht ist.

Anschließend im Hotel bekommen wir nicht einmal den gesamten Tag rekapituliert, bevor wir müde schlafen gehen.

Woche 25 (16.9.24 – 22.9.24 Pasto – Quito

Montag 16.9.24 – Pasto – Ipiales (Busfahrt) (2.950 m ü. d. M.)

Im Bus

Als morgens der Wecker klingelt, schlägt Viktor vor, hier und heute einen Bus nach Ipiales zu nehmen, statt noch einen Tag mit 700 Höhenmetern zu fahren, zumal das Wetter kalt und nass ist. Jutta stimmt sofort zu. Wir packen alles ein, frühstücken in einer Mais-Panaderia um die Ecke und fahren dann zum Busterminal, zu dem wir wieder einmal hinter einem Moped her fahren dürfen, weil Google uns durch eine gefährliche Gegend schicken würde und ein hilfreicher Kolumbianer uns rechtzeitig abfängt.

An den Ticketschaltern kann man uns nicht helfen, wir sollen bei den von weiter her kommenden Bussen (Cali, Medellin) warten und fragen, wer uns mitnimmt. In einer Wartehalle machen wir das Tandem transportbereit (also kleiner) und uns bereit zum Warten. Um acht waren wir am Terminal, ab 20 nach warten wir auf den passenden Bus. Eine Terminalmitarbeiterin will sich für uns darum kümmern. Der erste Fahrer, den sie fragt, lehnt ab, der zweite schlägt vor, das Tandem hinten in seinen kleinen Bus unter die Sitze zu legen, was wir ablehnen, und um kurz nach neun gibt es einen Bus mit nur 18 Sitzplätzen, aber einem Gang dazwischen, in den wir das Rad stellen dürfen.

Und so fahren wir für ein kleines Geld um halb zehn los nach Ipiales. Beim Aufstieg überholen wir einen Bikepacker, der sich bei dem nassen, kalten und sehr stürmischen Wetter dort hochkämpft (aber gerade pausiert). Wir sind froh, dass wir die Entscheidung mit dem Bus getroffen haben. Und schon um viertel nach elf machen wir das Tandem in Ipiales wieder fahrbereit. Leider ist die Steckverbindung für die Lichtkabel, die immer getrennt werden muss, wenn Juttas Sitz abmontiert wird, heute kaputt gegangen, und wir haben kein Licht mehr.

Mit warmen und wasserdichten Jacken fahren (und schieben) wir zum Hotel, das wir unterwegs aus dem Bus reserviert haben, und beginnen zu lachen, als wir dort ankommen. Vor dem Hotel steht ein Motorrad, dass wir gestern abend und heute morgen schon auf dem Parkplatz des Hotels in Pasto gesehen haben, ohne dass wir die dazugehörigen reisenden Neuseeländer gesehen haben. Diese sind aber soeben auch angekommen und erkennen das Tandem natürlich auch. Per Zufall sind wir wieder im selben Hotel untergekommen. Sie sind mit dem Motorrad hier hochgefahren und sagen, solch einen schlechten Tag (wettermäßig) hatten sie noch nicht auf der ganzen Tour (unterwegs seit Juli). Sie fragen uns noch, wann wir denn in Pasto losgeradelt wären und wir klären den Irrtum auf, auch wenn einer von uns kurz mit dem Gedanken spielt, sie in dem Glauben zu lassen, wir hätten diese schwierige Strecke an einem einzigen Vormittag (statt geplanter drei Tage) geschafft.

Wir checken um 12 Uhr ein und machen erst einmal eine Mittagsruhe. Schließlich müssen wir uns an die knapp 3.000 Meter Höhe gewöhnen und die heftigen Bergetappen stecken uns auch noch in den Knochen. Jutta schreibt schon mal ein wenig weiter am Blog, denn wir haben einiges aufzuholen.

Kurz nach 15 Uhr machen wir den ersten Spatiergang durch den Ort, besichtigen kurz die Kathedrale „San Pedro Martir“ und gehen einen Kaffee trinken. Das „Coffee Muna“ liegt in einer kleinen Shopping Mall und hat beim „corporate identity“ voll auf das Thema Katzen gesetzt. Wir entdecken dort im Spiele-Regal ein Spiel aus 2015/2019, bei dem man die schönsten Verschwörungstheorien entwickeln könnte.

Besondere Dose für das Trinkgeld

In einer Ferreteria kaufen wir Steckverbinder (Flachstecker) für die Reparatur des Lichtes, in einem „Hyper“markt Getränke, Müsliriegel und andere Verpflegung für die nächsten Etappen. Und in einem Kleintier-Zubehörgeschäft erhalten wir auch endlich eine dieser Ultraschall-Pfeifen, mit denen wir in Ecuador und Peru versuchen wollen, die Hunde abzuschrecken, die dort besonders lange bellend und nach Unterschenkeln schnappend hinter Radfahrenden herlaufen sollen, so berichten es jedenfalls andere Radreisende in der Südamerika-WhatsApp-Gruppe „Cycling South America“.

Apropos Whats-App: Heute erreicht uns noch die Nachricht, dass das Facebook-Video mit dem kurzen Interview an der Panamericana schon über Ecuadoriansche Geflüchtete eine Erstaufnahme-Einrichtung in Deutschland erreicht hat.

Wir bringen die Einkäufe ins Hotel zurück, Viktor repariert noch schnell im Hellen das Licht am Tandem und nach einer kurzen Verschnaufpause geht es los zum Abendessen. „Verschnaufpause“? – ja, man merkt die knapp 3.000 Meter doch ein wenig. Die könnten übrigens auch der Auslöser für den leicht erhöhten systolischen Blutdruck sein, den Viktors Smartwatch neuerdings feststellt.

Dienstag 17.9.24 – Ipiales & Las Lajas (Ruhetag)

Nach einer ziemlich kühlen Nacht im Hotelzimmer ohne Heizung (aber mit drei Decken), wir schätzen circa 16 °C Zimmertemperatur, haben wir uns heute einen Besuch des Marienwallfahrtsortes „Las Lajas“ vorgenommen, der ganz in der Nähe liegt und mit dem Sammeltaxi gut erreichbar ist. Die Nacht ist nicht nur kühl, sie scheint auch irgendwie sauerstoffarm. Viktor wacht immer mal wieder auf und muss ein paar tiefe Atemzüge machen, bevor er wieder einschlafen kann. Keine Ahnung, ob das von der Höhenluft oder eventuell doch vom Schnarchen kommt, das aber auf dieser Tour dank des Gewichtsverlustes eigentlich nachgelassen hat.

Jutta hat zum Frühstück eine kleine Mais-Panadería mit Café ausgesucht, die sich als als nettes kleines Lokal entpuppt. Viktor verzichtet heute mal auf den Kaffee und trinkt Kakao (von wegen Butdruck und so). Wir essen dazu leckere Maisbrötchen.

Nach kurzem Aufenthalt im Hotel (am Toilettenspülkasten ist etwas kaputt und wir geben das weiter) geht es zu Fuß zur Abfahrstation der Sammeltaxis nach Las Lajas. In der beschriebenen Straße werden wir sofort angesprochen und mit uns ist der Minibus dann auch voll. Die Fahrt dauert keine Viertelstunde.

Wir werden entgegen der Aussage des Hotelbetreibers nicht an der Gondelstation, sondern direkt in Las Lajas ‚rausgelassen. Zur Basilika geht es an vielen Souvenirgeschäften vorbei über sehr viele Stufen und Rampen abwärts. Erst als wir fast dort sind, erblicken wir diese an einem Fels gebaute Kirche. Innen findet wohl auch hier ein Gottesdienst nach dem anderen statt, so dass wir nur von hinten einen Blick auf die Felswand mit der Maria werfen können. Auf dem Gelände gibt es aber mehrere Wege, die wir nutzen: zum Wasserfall, unten am Fluss entlang, zu Aussichtspunkten. Außerdem gehen wir in das Museum, dass unter dem als Kirche genutzen Teil liegt, und schauen uns etwas über die Geschichte dieser neugotischen Basilika an. Anschließend sparen wir uns die Fahrt mit der Seilbahn, weil wir meinen, schon alles gesehen zu haben.

Nach dem Aufstieg in den Ort finden wir ein Café mit Espresso-Maschine und trinken noch einen Kaffee in Las Lajas, dann fahren wir mit dem Sammeltaxi zurück nach Ipiales. Der Fahrer hat seinen kleinen Sohn auf dem Beifahrersitz und guckt immer wieder auf das ihm hingehaltene Handy, und das auf der kurvigen Straße. Wir kommen trotzdem heil wieder an. Puh!

Im immer noch kalten Hotelzimmer arbeiten wir am Blog-Update, updaten die Google-MyMaps Karte, suchen und buchen (auch in Ecuador anscheinend üblich per WhatsApp) für morgen in San Gabriel, unserem ersten Zielort in Ecuador, ein Zimmer. Das Zahlungsmittel in Ecuador ist seit dem Jahr 2000 der U.S.Dollar, und wahrscheinlich hat das preiswerte Leben jetzt erst einmal wieder ein Ende. Das Zimmer (im Hostal) kostet uns soviel wie zwei Nächte hier in Kolumbien.

Wir haben noch einige Kolumbianische Pesos und wollen sie möglichst noch ausgeben, also gehen wir noch einmal los, kaufen allerdings nur noch Wasser und trinken einen heißen Kakao. Zum Abendessen haben wir gestern einem Jungen in der Parallelstraße zugesagt, dass wir heute in dem Burgerladen seines Vaters essen werden. Als wir allerdings dort ankommen, sind alle Rolläden heruntergefahren. Im Laden gegenüber sagt man uns, dass er eigentlich geöffnet sein müsste, aber an manchen Tagen einfach geschlossen bleibt. Viktor versucht noch, per WhatsApp dort nachzufragen, aber letztendlich gehen wir in ein Restaurant, das einem Türken gehört (aber keinerlei Türkisches Essen auf der Karte hat). Es stehen Wasserpfeifen in einer Vitrine und hängen Arabische Schriftzüge an den Wänden, weshalb wir uns überhaupt erkundigen, woher der Besitzer kommt.

Mittwoch 18.9.24 – (097) – Ipiales – San Gabriel (2.860 m ü. d. M.)

1.066m bergauf

Gesamt: 5.869,23 km

Sobald der Hotelbetreiber gegen sieben Uhr ins Haus kommt, holen wir das Tandem vom Parkplatz vor die Hoteltür und bepacken es. Mit langen, mehrschichtigen Klamotten, Mütze und Handschuhen verlassen wir Ipiales, die gut drei Kilometer bis zur Grenze geht es bergab, und wir frieren trotz der vielen Kleidung.

Vor der Grenze lassen wir das Tandem bei Security-Männern stehen und gehen in einem Hotel frühstücken. Noch nie war es so gut, heißes Rührei mit Reis und Banane zu frühstücken – wenn es draußen 4 bis 5°C ist, wie wir erfahren, schmeckt das einfach besser. Garmin zeigt am Abend für den Zeitpunkt unserer Abfahrt in Ipiales sogar 2,8 °C an.

Unsere letzten Pesos tauschen wir vor der Grenze in U.S.Dollar, denn wir brauchen sie ja nicht aufzubewahren. Der Grenzübergang mit beiden Migrationsbüros dauert etwa 45 Minuten. Für die Einreise nach Ecuador haben wir extra unsere Führungszeugnisse mit Apostille dabei, sie sind aber (schon seit einigen Monaten) nicht mehr nötig. Völlig umsonst für teures Geld in Deutschland beantragt…

Am Einreiseschalter von Ecuador hinterlassen wir an einer Scheibe mit sehr vielen Aufklebern auch unseren – neben dem von den Neuseeländern, die wir in Pasto und Ipiales getroffen haben. Hier stehen auch Schautafeln für Geflüchtete mit Routen durch Ecuador und den drei unterschiedlichen Klimazonen hier: Amazonas, Sierra und Costa. Wir sind zunächst in der Sierra unterwegs, wo es am kältesten ist.

Um zwanzig vor zehn Uhr steigen wir im zehnten von uns bereisten Land auf’s Rad, und natürlich geht es bergauf. Wir haben uns eine Strecke auf einer Fahrradstraße ausgesucht, die „Via del Ciclista“, die auf 5,8 km von einer Höhe von ~3000m auf 3330m ansteigt, und an der immer wieder Schilder von Ecuadorianischen Radfahrgrößen mit ihren Erfolgen hängen. Es ist zwar ziemlich steil und anstrengend, wieder müssen wir an zwei Stellen schieben, aber es ist so toll, nach langer Zeit wieder einmal zu fahren, ohne die Straße mit PKW, Bussen und LKW teilen zu müssen. Kurz vor dem Pass gibt es einen Aussichtspunkt mit Radfahrerstatue (Mirador del Ciclista), wo wir eine Pause machen.

Als es wieder bergab geht, will Komoot uns wieder mal irgendwo links ab schicken, wo es nicht einmal einen Weg gibt – wir bleiben auf der Straße, kommen dann zwar schneller auf die Hauptstraße zurück, haben dafür aber Asphalt. Und eine sehr lange Abfahrt.

In Julio Andrade halten wir an einer kleinen Panaderia, bei der wir klingeln müssen, damit uns geöffnet wird. Wir unterhalten uns mit der Bedienung, die sich sehr viel über Anne Frank angelesen hat. Bevor wir weiterfahren, laden wir sie zu uns nach Hause ein, falls sie einmal nach Deutschland reisen sollte.

Im nächsten Ort, San Pedro de Huaca, fahren wir von der Panamericana ab, um uns die Wallfahrtskirche dort anzuschauen, die uns in der Panaderia ans Herz gelegt wurde. Leider ist sie gerade eingerüstet und verschlossen, aber wir können durch Gitter hineinschauen.

Weiter geht es bis San Gabriel, und wieder haben wir die Steigungen am Ende nicht vorher im Blick gehabt, weil sie im Höhenprofil des Tages einfach untergegangen sind. Um viertel nach zwei checken wir im Black House Hostal ein, zu dem es innerhalb des Ortes auch noch gut bergauf geht. Viktor hatte zwar vorgehabt, das Tandem in den Graben zu werfen, wenn es auf den letzten Kilometern noch einmal bergauf geht, glücklicherweise kommen wir (aufgrund fehlender Gräben) heile an.

Nach einer heißen Dusche und längerer Pause mit Planung des morgigen Tages gehen wir in den Ort, suchen erst ein Restaurant auf, in dem es Meerschweinchen (Cui asado) gibt (Viktor ist interessiert), befinden das Lokal aber als nicht sehr einladend. Also gehen wir noch ein wenig herum und landen dann in einem Café, in dem wir Sandwiches zu Abend essen. Am Nachbartisch sitzt ein Mann der auflacht, als Viktor nach einem Bier fragt. Nach einem kurzen Gespräch über ein mit „Club Colombia“ vergleichbares Ecuadorianisches Bier, springt Viktor nochmal rüber in den Supermarkt (wo wir gerade erst Wasser und Gatorade gekauft haben) und kauft eine Dose „Club Verde“, ein doppelt gehopftes (doble Lupulo) Pils, dass ganz gut zum Sandwich passt.

An einem der Geldautomaten am Ort erhalten wir immerhin 200 Dollar. Das scheint die maximale Summe zu sein, die ma abheben kann und für die man knapp über vier Dollar Gebühren zahlt. Mal schauen, ob in der Hauptstadt Quito mehr drin ist. Jedenfalls werden Kreditkarten hier wohl auch nicht so gerne akzeptiert. Die Zahlung per App scheint hier – ähnlich wie in Kolumbien – weit verbreitet. Für uns ist das eine unüberwindbare Hürde, denn man braucht dazu ein nationales Bankkonto.

Donnerstag 19.9.24 – (098) – San Gabriel – Ibarra (2.225 m ü. d. M.)

1.425 m bergauf

Gesamt: 5.954,31 km

Das Black House Hostal bietet Frühstück an, und so sitzen wir pünktlich um sieben mit den Betreibern und Mitarbeitenden zusammen im Frühstücksraum. Als wir um viertel vor acht losfahren, ist es ca. 10°C warm und so nebelig, dass wir kurz überlegen, ob wir uns Regensachen anziehen sollten. Die Straße durch San Gabriel bis zur Panamericana ist zwar nicht besonders bergig, aber sehr schlecht gepflastert. Wir kommen trotzdem ohne größere Probleme auf die Hauptstraße.

Es geht 40 Kilometer mehr oder weniger bergab, allerdings in Wellen. Bei manchen Abfahrten reicht der Schwung bis (fast) oben in der nachfolgenden Steigung, das sind uns die liebsten :-). Manchmal sind auf der Abfahrt Bodenwellen und wir müssen abbremsen, oder unten ist eine Ampel oder es stehen dort Busse/LKW, dann haben wir auch auf diesem Teil schon zu kämpfen. Die Nässe, die auch von unten kommt und Dreck hochschleudert, tut ihr Übriges.

Die letzten ca. 10 Kilometer unserer langen Bergabstrecke, bevor wir aus der Provinz Carchi in die Provinz Imbabura hinüberfahren, sind nochmal ordentlich steil mit einigen langgezogenen Kurven, aber auch mit etwas engeren Serpentinen. Irgenwo auf den letzten zehn Kilometern überholt uns trotz unserer relativ hohen Geschwindigkeit ein Rennradfahrer, der auch bergab weiterhin ordentlich in die Pedale tritt. Wir sind beeindruckt von seinen Fahrkünsten, besonders in den Kurven, die wir eher vorsichtig angehen. Circa eine Viertelstunde später kommen wir am Ende der Abfahrt mit hoher Geschwindigkeit an einer Unfallstelle vorbei, die bereits von der Polizei abgesichert ist. An einer Linksabbiegestelle (in unserer Fahrtrichtung) sind ein Rennrad und ein Pickup scheinbar frontal zusammengestoßen. Der Pickup hat heftige Schäden an der Front, das Rennrad liegt in mehreren Einzelteilen vor, unter und neben dem Truck. Wir sind uns relativ sicher, dass das nur der Rennradler gewesen sein kann, der uns überholt hat, denn aus unserer Richtung war sonst kaum jemand auf einem Rad unterwegs. Im Vorbeifahren sehen wir keine Verletzten, vermutlich werden die schon versorgt. Weil die Polizei schon da ist und wir auch keine „Gaffer“ sein wollen, fahren wir weiter ohne anzuhalten. Hätten wir halten müssen oder sollen?

Wir können uns eigentlich nicht erklären, wie es an der Stelle zu einem Frontalzusammenstoß kommen kann. Entweder waren beide der Meinung, noch vor dem Anderen abbiegen zu können, oder bei dem Rennrad haben die Bremsen versagt. Die Rennräder sind ja meist mit Felgenbremsen unterwegs, und das war wirklich eine verdammt lange Abfahrt, auf der wir immer wieder durch Intervallbremsen und Langsamfahren (und eine Pause in der Abfahrt) auf ausreichende Abkühlung unserer Scheibenbremsen achten mussten. Aber wir sind natürlich auch mit viel mehr Gewicht unterwegs als so ein Rennradler.

Die Unfallstelle

Unseren neuen Geschwindigkeitsrekord von 68,3 km/h erreichen wir erst einige Kilometer weiter auf einer schnurgeraden Strecke hinter Ambuqui.

Nach und nach hat sich der Nebel auch gelichtet, und wir erblicken auch wieder die umliegenden Berge. Die Temperatur ist allmählich angestiegen, so dass wir, als wir nach zwei Stunden und 40 Kilometern an einer Terpel-Tankstelle Pause machen, die ersten Schichten Kleidung ausziehen können. Hier lernen wir, dass man in dieser Gegend eine Tasse Milch bekommt, in die man am Tisch Nescafé-Pulver einrührt, wenn man „Café con leche“ bestellt. Wenn man echten „Tinto“ mit Milch haben möchte, muss man das auch so bestellen. Das Servierte wird uns aber sofort umgetauscht und erklärt, als wir fragend die Milchtassen anschauen, die uns aufgetischt werden.

Unsere Routenplanung sieht eigentlich vor, schon kurz nach der Pause an der Terpel-Tankstelle in Ambuqui zu übernachten. Es ist aber noch so früh am Tag – was sollen wir den ganzen restlichen Tag in dieser – wieder sehr kargen und verschlafenen – Gegend machen? Also hängen wir den Aufstieg nach Ibarra, dem morgigen Etappenziel und einer größeren Stadt, heute noch dran, auch wenn das ein sehr langer Tag werden wird. Scheinbar geht es uns zu gut! Aber wir können dann ja morgen einen Ruhetag in Ibarra einlegen und mal wieder unsere durchgeschwitzten Klamotten in einer Waschmaschine durchwaschen, statt sie immer nur im Waschbecken oder unter der Dusche durchzuspülen.

Zunächst geht es etwas durch das Tal, es wird immer wärmer – wir ziehen uns weiter aus – (aber lassen schon auch noch einiges an 😉 ) – und wir fahren wieder einmal durch riesige Zuckerrohrplantagen. Nur hier „unten“ im Tal ist es grün, die Hänge hoch stehen noch Kakteen, aber nach oben hört die Vegetation mehr oder weniger auf. Vor einer Polizeikontrolle an der Provinzgrenze gibt es noch einmal die Möglichkeit, etwas Kaltes zu trinken, die wir sofort nutzen, denn die letzen 30 Kilometer wird es nichts Weiteres mehr geben, und es sind 30 Bergauf-Kilometer. Die Möglichkeit zur Nutzung der Toiletten (Baños) lässt Jutta ungenutzt verstreichen, die sehen aber auch wirklich nicht besonders einladend aus. Trotzdem ist das eine Entscheidung, die sich später noch als Fehler erweisen soll.

Die Kilometer 55 bis 85 werden richtig hart. Wir können zwar überall fahren, ohne absteigen und schieben zu müssen, aber es geht wirklich stetig aufwärts, und es ist trocken und heiß. Der Seitenstreifen der E35 ist erst noch sehr breit, wird aber schmaler, nachdem die Straße eine Weile zweispurig ist, was das Fahren auch noch schwieriger macht. Auf diesem Teil machen wir die Pausen nicht, um die Bremsen abkühlen zu lassen, sondern um unsere Körper regenerieren zu lassen.

Nach etwa der Hälfte der 30 Kilometer (aber beileibe noch nicht der Hälfte der zu bewältigenden Höhenmeter :-/ ) braucht der Captain schon wieder eine (Trink-)Pause. Da er weiß, dass die Stokerin eine „gegenteilige“ Pause benötigt und noch mindestens eine weitere Stunde keine „Baños“ zu erwarten sind, sucht er für die Pause auf dem Seitenstreifen eine perfekte schattige Stelle unter einem Baum mit breitem Baumstamm aus, hinter dem man verschwinden kann, ohne von der Straße aus sichtbar zu sein.

Als die Stokerin wieder hinter dem Baum hervorkommt, ist sie an Socken und Hosenbeinen übersät mit kleinen, stechenden Ähren, die sich mit ihren Widerhaken bei jeder Berührung noch tiefer in den Stoff der Kleidung bohren. Die Hilfe des Captains wird schon bei der ersten Berührung abgelehnt, denn es sticht nur noch heftiger. Man kann sich vermutlich vorstellen, dass dieses Zeug nicht nur außen an der Keidung haftet, sondern auch an Stellen, an denen es besonders unangenehm ist. Dem Captain scheint ein kompletter Kleidungswechsel am Straßenrand die einzige Option, aber mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl (oder besser Fingernagelgefühl) bringt sich die Stokerin nach einiger Zeit wieder in einen halbwegs fahrfähigen Zustand. Die Schreckenspflanze können wir trotz KI-Einsatz später nicht näher eingrenzen, ist es Festuca, Stipa oder Agrostis („Agro“ hört sich jedenfalls passend an)? Dazu kommt, dass wir beide an dieser Stelle von kleinen, bremsenartigen Insekten angefallen und blutig gebissen werden – wie auch schon bei einigen langsamen Anstiegen während der Fahrt – diese Viecher riechen den Schweiß und sind bei langsamer Fahrt gnadenlos zielsicher. Und wer brauchte jetzt nochmal unbedingt eine Pause an dieser „perfekten“ Stelle? 😉

Reste der Schreckens-Ähren in der Unterwäsche

Noch ein wenig mehr zu diesen bremsenartigen Insekten, Sandmücken, „Purrujas“ und anderen Ceratopogonidae: Die Viecher sind sogenannte Pool-Trinker, das heißt sie ritzen die Haut an, warten auf das austretende Blut und trinken es (natürlich auch hier nur die Weibchen, die Männchen sind harmlose Blütenbestäuber). Den kleinen Ritz merkt man zunächst gar nicht. Erst, wenn man über die Stelle wischt, sieht man einen kleinen blutigen Streifen. Das Jucken beginnt erst mehrere Minuten nach dem Biss, manchmal auch erst am nächsten Tag. Und – verdammt nochmal – das juckt, als gäbe es kein Morgen. Zum Glück kommt und geht das Jucken irgendwie in Schüben, es ist also kein Dauerzustand. Einige von denen vermehren sich offenbar im feucht-warmen Boden, wie er auf gut bewässerten Zuckerrohrplantagen in warmen Tälern wie dem „Valle de Cauca“ in Kolumbien oder jetzt eben hier im Tal der Flüsse Ambi, Tahuando und Chota in Ecuador zu finden ist.

Acht Kilometer vor dem Ziel, die besiedelte Gegend beginnt hier wieder, halten wir noch einmal an einem Restaurant und gönnen uns jeder eines der hiesigen „Eis am Stiel“ mit schrägstehendem dicken Holzstiel, die wohl in den Lokalen selbst hergestellt werden.

Eis am schrägstehenden Holzstiel

Auf der Reststrecke passieren wir die hiesige Lagune (die wir eventuell morgen an unserem Pausentag besuchen) und fahren noch sehr lange durch die Stadt. Es ist nach vier, als wir am Zielpunkt ankommen, allerdings ist weit und breit nicht das ausgesuchte Hotel zu sehen. Immer gerade nach solchen langen Tagen hat Komoot Probleme, obwohl sowohl der Hotelname (Plaza Victoria) als auch die Adresse im System bekannt waren. Das Handy ist offline, wir können also auch Google nicht befragen, aber ein Neustart hilft, und immerhin ist das Hotel so nah, dass wir dorthin schieben können.

Auch nach mehrfachem Klingeln an der Rezeption erscheint niemand. Wir bringen abwechselnd die Taschen einfach schon hoch, und irgendwann, als Jutta oben ist, ist eine Mitarbeiterin da, und wir können einchecken. Das Hotel hat einen Parkplatz (haben wir extra so ausgesucht), aber der ist um die Ecke und nur von 18 Uhr bis 9 Uhr für Hotelgäste verfügbar. Es ist jetzt halb fünf nachmittags, und wir wollen zwei Nächte bleiben – Viktor schiebt das Tandem dorthin und muss der Betreiberin drei Dollar zahlen, damit es bis übermorgen früh dort stehen darf, ohne tagsüber herausgeholt zu werden.

Nach dem heißen Duschen wollen wir erst einmal Essen gehen, ein avisiertes vegetarisches Restaurant gibt es nicht mehr, das Arabische Restaurant hat kein Falafel (nur Fleisch … und Huhn 😉 ), und so landen wir schon wieder in einem Café, das Sandwiches und Pizza ohne Fleisch anbietet. Die Kaffeekarte ist auch sehr gut und wir beschließen quasi, morgen auf einen Kaffee wiederzukommen.

Es ist nicht einmal halb acht, als wir zurück im Hotel sind, aber wir sind zu erschöpft, noch den Tag im Blog zu rekapitulieren. Da der Fernseher auch kein Smart-TV ist (sonst würden wir eventuell noch Nachrichten o.a. schauen) gehen wir tatsächlich sofort schlafen – so früh waren wir noch nie im Bett.

Freitag 20.9.24 – Ibarra (Ruhetag)

Morgens vor Öffnung der Frühstückscafés beginnen wir mit dem Blog von gestern. Außerdem suchen wir mit der vollgepackten Ortlieb-Tasche den nächstgelegenen Waschsalon auf, um die Waschzeit zum Frühstücken zu nutzen. Allerdings müssen wir die Wäsche dort nur abgeben und können sie nachmittags wieder abholen – also nicht selber waschen. Umso besser!

Als wir um halb neun am ausgesuchten Café ankommen, sind die Rolläden noch unten, obwohl es seit acht geöffnet haben soll. Der Security-Mann im Nachbargeschäft sagt, sie würden so um halb neun/neun öffnen. Wir wollen die Zeit zum Getränkekaufen nutzen, sehen aber gerade zwei junge Damen die Rolläden hochziehen. Auf Nachfrage erklären sie, dass sie heute verspätet sind, eigentlich öffnen sie um acht. Wir besorgen trotzdem noch die Getränke und gehen anschließend sehr nett frühstücken – Viktor bekommt auf Wunsch sogar zu seinem Amerikanischen Frühstück noch zwei Pancakes dazu.

Nach kurzen Zwischenstopp im Hotel (Viktor versucht, seine Smartwatch zu retten, die er mit der Installation einer Altimeter-App zerschossen hat) gehen wir zu Fuß zum Mirador San Miguel Arcangel. Das ist schon eher eine kleine Wanderung als ein Spaziergang, denn es geht steil bergab und bergauf. Ibarra bezeichnet sich selbst nicht nur als „Weiße Stadt“ – wieder einmal – sondern auch als Touristenstadt. Zu Fuß zu diesem Aussichtspunkt gehen aber wohl nicht sehr viele Menschen, denn fußgängerfreundlich ist die Strecke nicht.

Oben angekommen gibt es mehrere kleine Verkaufshütten, und es sind tatsächlich auch einige wenige andere Menschen dort (per Auto, Taxi, Bus). Man hat einen tollen Blick auf die Lagune, den nahegelegenen Vulkan Cotacachi und einen noch höheren Berg Taita Imbabura, dessen Gipfel aber in Wolken verborgen ist.

Als wir auf einer Bank sitzend die Reste der Pizza von gestern Abend essen, sitzt die ganze Zeit ein Hund bei uns. Und als wir den Abstieg beginnen, kommt dieser mit uns mit – er läuft eine volle Dreiviertelstunde vor uns her, bleibt stehen, dreht sich um, läuft weiter. Mit anderen Hunden an der Strecke scheint er sich nicht zu verstehen. Wenn wir die Straßenseite wechseln, wechselt er sie auch. Einmal biegt er schon rechts ab, wir müssen links, aber er kommt uns weiter hinterher. Erst als wir eine lange, steile Treppe hochgehen müssen, bekommt er das nicht rechtzeitig mit, und wir sind ihn los. Viktor erinnert sich an ein Video der Podtschis, die auch in Ecuador plötzlich für mehrere Tage Begleitung hatten.

Ziemlich zu Anfang am Abstieg, auch später war der Hund noch unser Begleiter

In Ibarra gehen wir noch einen Frappucino (wir sind in einer Großstadt 😉 ) in dem Café von gestern Abend trinken und verbringen dann den Nachmittag im Hotel (Blog, Planung Tour), holen die saubere Wäsche ab und kümmern uns darum, wie wir morgen früh um 6 Uhr ans Tandem kommen. Der Parkplatz öffnet nämlich erst um acht/halb neun … ein paar einzelne Dollar „Propina“ (Trinkgeld) stellen dann sicher, dass das Tandem sicher steht (auf dem Nachbarparkplatz) und wir morgen früh auch rankommen.

Gestern gab es in der Ecuadorianischen WhatsApp-Gruppe zur Unterstützung der Radreisenden eigenartige Informationen aus Quito über flächendeckende Stromausfälle. Die Radreisenden informierten sich danach gegenseitig darüber, ob es bei ihnen gerade Strom gab oder nicht. Heute lesen wir dann auch die E-Mail vom Auswärtigen Amt:

Hört sich nicht so richtig gut an, was die Sicherheitslage in Ecuador betrifft.

Abends gehen wir in einem guten Mexikanischen Restaurant in Ibarra essen. Luxuriöses Ambiente, individuelle Bedienung mit Empfehlungen per iPad (Fotos und sogar ein Video des Nachtisches), in unserem Raum eine Wandmalerei, die wir über die Google-Bildersuche als Cantinflas identifizieren, den „Mexikanischen Charlie Chaplin“. Dank der überzeugenden Präsentation bestellen wir sogar eine halbe Portion des Nachtisches, nämlich die „Churros“. Das ganze Abendessen ist sogar günstiger als die gestrige Pizza und Hähnchenschenkel. So ganz haben wir das Preisgefüge hier in Ecuador noch nicht verstanden.

Samstag 21.9.24 – (099) – Ibarra – Tabacundo (2.877 m ü. d. M.)

1166 m bergauf

Gesamt: 6.010,66 km

Viktor holt das Tandem vom Parkplatz, Jutta trägt währenddessen alle Taschen und Sonstiges die Treppen herunter. Als Viktor an der Rezeption fragt, ob alles „listo“ – fertig – wäre, kommt keine Reaktion, erst, als er sich dann auf den Weg macht, sagt die Mitarbeiterin, dass wir noch zahlen müssen. Wieder einmal ein Fall von Nichtverstehen…

Die ersten Kilometer raus aus Ibarra sind auf gepflasterter Straße. Wir kommen an einem Bahnhof vorbei und passieren zweimal die Bahngleise. Das ist eine Seltenheit, die meisten Länder auf unserer Reise haben gar keine Bahn, hier gibt es immerhin einige wenige Gleise für touristische Fahrten: https://www.reisen-nach-ecuador.ch/bahnreisen-ecuador/

Nach einigen Kilometern, in San Antonio de Ibarra, wollen wir frühstücken. An der Hauptstraße, auf der wir fahren, gibt es rein gar nichts, deshalb müssen wir in den Ortskern und landen in einer kleinen Panaderia „Arte Pan“, die uns vom Namen her an das „Arte del Pan“ in Panamá Stadt erinnert. Leider gibt es keine Heißgetränke, aber wir frühstücken hinreichend und mit frischen Broten. Da sich andere Kunden für uns interessieren, beginnt auch die Verkäuferin zu fragen. Sie rät uns auch, nicht an die Küste und immer nur tagsüber zu fahren. Sie erzählt uns einige Schauergeschichten von wahllos Ermordeten, die einem schon ein wenig Angst machen können. Und wie schon in den meisten Ländern vorher, geht die Kriminalität angeblich von den Einwanderern aus dem Nachbarland aus. Waren es in Kolumbien noch die Venezuelaner, so sind es jetzt hier die Kolumbianer, die Ecuador so unsicher machen. Wenn man das hört, kann man kaum glauben, dass Kolumbien, Ecuador, Venezuela und Panama in der Vergangenheit mal ein gemeinsames Land waren. Aber es ist wohl wie überall auf der Welt: Das Fremde ist immer das Gefährliche. Vermutlich rücken wir auf dieser blauen Erdkugel erst dann enger zusammen, wenn irgendeine „noch fremdere“ Spezies uns besuchen kommen sollte.

Die Bedienung gibt uns außerdem den Tipp, nachher in Cajas bei der „Keksfabrik“ an der Straße unbedingt Bizcochos con Chocolate zu verzehren.

Bis dorthin ist es für uns noch ein langer Weg. Es geht heute praktisch 45 Kilometer aufwärts, und davon sind knapp 40 durch ein nicht enden wollendes Industriegebiet aus aneinandergereihten Städten. Wir fahren auf dreispuriger Straße mit nicht immer nutzbaren Seitenstreifen, haben keine wirkliche Aussicht rechts und links, und es gibt nicht einmal Stellen zum Pausieren. Es ist teilweise so nebelig, dass es sich wie Regen anfühlt, und alle umliegenden Berge verschwinden im Nebel. Diese Wolken bewirken wohl auch, dass heute die Luft sehr stark nach Abgasen riecht, obwohl sich der Verkehr in Grenzen hält.

Weil wir es ohne Pause nicht schaffen, halten wir schließlich an einem Hähnchenstand, der außen auch Buñuelos anpreist. Auf Nachfrage schaut der Betreiber in den Kühlschrank und findet noch zwei, die Viktor also bestellt, zusammen mit Milchkaffee. Was wir bekommen, sind zwei Becher Milch und ein Beutel Don Café-Pulver zum Teilen und zwei Yuca-Buñuelos, die nicht im Entferntesten so aussehen wie auf dem Bild außen, aber schmecken. Am Nachbarstand gibt es Bananen, und das Erstehen zweier davon ist gar nicht so einfach, weil sich lange Zeit niemand findet, der dort arbeitet (man könnte sich einfach welche nehmen, aber das machen wir nicht!). Als sich endlich eine Frau verantwortlich zeigt, kann sie kein Geld wechseln. Während Jutta von Viktor passende 25 ct holt, ist die Frau schon wieder verschwunden. Aber Jutta drückt einer anderen das Geld in die Hand und nimmt die zwei bereitliegenden Bananen.

Auch hier sind heute am Samstag viele andere Radfahrende unterwegs. Man grüßt sich, mehr aber nicht. Dafür bietet uns ein langsam neben uns her fahrender Autofahrer durch’s Fenster Wasser an. Er fährt vor und erwartet uns nach einer Steigung, in der Hand schon zwei Wasserflaschen. Wir halten dankbar und bekommen sogar noch zwei kleine Corona-Flaschen dazu geschenkt. Javier unterhält sich mit uns und gibt auch noch Tipps für Ecuador. Vielen Dank für die Getränke – diese netten Gesten der Einheimischen machen uns immer wieder Freude!

Als wir um die Mittagszeit oben und bei den Keksfabriken ankommen, fehlen uns noch zwei Kilometer bis zu unserer 6.000 – Kilometer – Marke. Wir halten trotzdem und bestellen uns – wie empfohlen – jeder Bizcochos mit Kakao und Käse. Diese Art Mozzarella-Käse kann man zu den Keksen essen, aber auch in heiße oder kalte Getränke (den Kakao, Kaffee oder z.B. auch Cola) einrühren, bekommen wir erklärt. Hier pausierend gratulieren wir auch per Videoanruf zum 84. Geburtstag von Viktors Mutter, die sich natürlich freut.

Dann ziehen wir uns warme, winddichte Jacken über, fahren noch wenige Meter hoch und erreichen schnell den höchsten Punkt (….m), noch bevor unsere 6000 km voll sind. Beim Abfahren müssen wir zuerst bremsbereit starten, kurz nach der ersten Kurve kommen wir bei km 45,69 zum Stand: genau 6000! Nicht die beste Stelle, aber wir machen Fotos und versuchen auch Videos, denn wir haben gestern beim Mexikaner ein kleines Feuerwerk geschenkt bekommen, das zum Einsatz kommen soll:

Die letzten zehn Kilometer geht es jetzt ziemlich schnell bergab, und in Tabacundo (der Welthauptstadt der Rosen) finden wir schnell die Hosteria Rancho Manabita, auch weil an der Straße ein Mann eine riesige gelbe Fahne schwenkt, um Übernachtungsgäste anzuwerben.

Das Tandem können wir hinten unter die Treppe stellen, und unser Zimmer ist eine richtige Suite mit drei Betten in zwei Räumen. Nach heißen Duschen gehen wir im Vorderhaus im Restaurant Kaffee trinken, anschließend resettet Viktor seine Smartwatch (Sohn Julius hat dankenswerter Weise den Samsung-Support kontaktiert) und wir arbeiten am Blog.

Beim Abendessen im Hotelrestaurant bestellen wir beide typische Gerichte. Der weiße Mais, der wie gekochtes Popcorn aussieht, hat besonders wenig Geschmack. Kann man mal probieren, muss man aber nicht regelmäßig essen, auch wenn er hier typisch ist. Die einzigen anderen Gäste im Restaurant, die auch hier übernachten, sind ebenfalls Deutsche, die hier mit dem Auto unterwegs sind.

Wir trinken das von den Betreibern kaltgestellte, von Javier geschenkte Corona-Bier und sagen Danke:

Gracias Javier!

Im Restaurant läuft ununterbrochen „Coffee Music“ auf einem Bildschirm:

Die Mautstationen in Ecuador sind für Fahrräder etwas schwieriger zu befahren als in Kolumbien:

Sonntag 22.9.24 – (100) – Tabacundo – Quito (2.850 m ü. d. M.)

1.563 Höhenmeter – neuer Rekord

Gesamt: 6.076,73 km

An unserem 100. Radfahrtag radeln wir um halb neun bei Regen los, nachdem wir das Hotelfrühstück mitgenommen haben. Es ist so frisch, dass wir jeder zwei Jacken, eine Mütze und Handschuhe anziehen. Heute steht nach etwa 16 Kilometern die Überquerung des Äquators (und somit der Übergang vom gerade begonnenen Herbst zum gerade beginnenden Frühling 😉 ) an.

In Tabacundo und auch noch danach kommen uns einige bunt geschmückte Umzugswagen entgegen. Anscheinend verpassen wir heute einen Umzug, wir finden aber nicht heraus, was gefeiert wird.

Ab kurz vor 16 gefahrenen Kilometern fahren wir extra langsam (den Berg herunter!), gucken irgendwann bei Maps, sind noch nicht weit genug, fahren also weiter ganz langsam. Dann wird der Mirador El Pisque sichtbar, was bedeutet, dass wir die Nulllinie schon passiert haben müssen. Wir lassen das Tandem am Aussichtspunkt stehen und gehen offenen Auges zurück. Und entdecken am Bordstein eine winzig kleine Markierung. So können wir wenigstens Bilder am Äquator machen.

Wir fahren noch einige Kilometer weiter bergab, können aber kaum einmal schnell fahren, es ist viel zu kurvig. Mehrmals halten wir an: in Etappen ziehen wir beide Jacken, Mütze und Handschuhe aus, aber auch zum Abkühlen der Bremsen und heute wohl auch erstmalig des Hydrauliköls der Bremsen. Es scheinen sich bei der Abfahrt erste Dampfbläschen in der Bremsleitung der Vorderradbremse gebildet zu haben, denn der Bremshebelweg hat sich deutlich verlängert und die Bremsleistung hat nachgelassen. Nach dem Abkühlpause ist aber wieder alles normal.

Und dann beginnt der Wiederaufstieg! Und der hat es in sich! Auch andere Radfahrer ohne Gepäck müssen immer wieder am Straßenrand pausieren. Wir nutzen ein Café für eine Einkehrpause mit Kaffee (und einem Crèpe), werden dort aber wieder sofort von stechenden Viechern angegriffen.

Die Straße ist heute am Sonntag nicht besonders voll und auch in gutem Zustand. Dafür ist es oft ziemlich steil, auch über längere Abschnitte, und von der (kargen) Natur sehen wir immer nur zwischendurch etwas: an vielen Stellen sind die Hänge zubetoniert, und wir sehen nur grau. So besiedelt gestern die Strecke war, so unbesiedelt ist sie heute.

Inzwischen ist es auch richtig warm und trocken, wenn auch der Himmel bedeckt bleibt. Wir kämpfen uns hoch. Ab kurz hinter dem Abzweig zum Flughafen Quito fahren zwei Radfahrer vor uns mehr oder weniger im selben Tempo wie wir – und das ohne Gepäck. An einer Mautstation will Jutta die Toilette nutzen, und dort haben die beiden ebenfalls gehalten, so dass wir ins Gespräch kommen. Sie können uns sagen, dass bis Calderon, wo wir ein Hotel anvisiert haben, noch steile Stellen kommen, es dann aber flacher wird. Und sie geben uns Tipps, welche Straße(n) wir in Quito sicher fahren können, ob nun heute – falls wir doch noch in die Stadt weiterfahren – oder sonst übermorgen, wenn wir sie wieder verlassen wollen. Obwohl es nur noch fünf Kilometer bis Calderon sind, will einer von uns hier noch nicht entscheiden, was wir machen, denn so langsam kommt er an seine Leistungsgrenze.

Auf diesem Stück hält ein Autofahrer vor uns und winkt uns anzuhalten. Beim Sprechen rutschen ihm ein paar Deutsche Worte raus, und er erzählt, dass er vor 50 Jahren in Göttingen an der Uni war, sein Deutsch aber ziemlich vergessen hat. Wir unterhalten uns und machen Bilder.

Die Stunde, die wir bis zu dem (Zwischen-)Ziel in Calderon brauchen, ist wie erwartet noch hart. Es ist nach zwei, als wir dort sind, und diese Vorstadt von Quito lädt uns nicht gerade zum Verweilen ein. Wir wollen eine Pause machen und dann entscheiden, ob wir uns ein Weiterfahren noch zutrauen. In einer Querstraße soll es einige Eiscafés geben – wir biegen dorthin ab. Das erste existiert nicht mehr, das zweite ist ein Stand in einem Supermarkt, da können wir das Tandem nicht abstellen. Letztendlich gehen wir in ein KFC und bestellen am Terminal zwei Sundae-Eis. Die Kreditkarte wird belastet, es kommt aber kein Bon. Erst, als Viktor noch einmal bar bezahlt, bekommen wir unsere Stärkung ausgehändigt. Mal schauen, ob das Geld wirklich wieder zurückgebucht wird, wie behauptet.

Jedenfalls sind wir uns jetzt einig, dass wir noch ins Zentrum weiterfahren, wo wir für morgen früh schon eine Tour gebucht haben. Das Hotel hier in Calderon scheint sowieso eher ein Stundenhotel zu sein, und dieser Ort ist so wenig einladend.

Wir reservieren vom KFC aus ein Hotel in der Nähe des Ausgangspunktes unserer morgigen Tour und machen uns auf den Weg:

Quito will bei der Stadteinfahrt offensichtlich unseren Willen brechen.

Diese erste große (blaue = sehr langsam gefahrene) Schleife umfährt noch einen Berg, und es geht weiterhin stramm bergauf. Zum Glück ist Sonntag und nicht viel Verkehr. Die Straße ist teilweise vierspurig und wenig befahren, aber einige Busse überholen uns trotzdem auf der ganz rechten Spur mit gefühlten 20 Centimetern Abstand, oft mit offener Einstiegstüre, die nochmal ein paar Zentimerter näher an uns heranreicht. Bei einer besonders engen Situation entfährt Viktor trotz akuter Atemlosigkeit ein gebrülltes „Arschloch“, das natürlich außer weiterer Atemloskeit keinen Effekt haben kann, es sei denn der Fahrer hat zufällig in Göttingen studiert.

Die genannten Busse tragen übrigens häufig das „EURO4“-Siegel am Heck, also genau dort, wo sie auch die riesigen schwarzen Dieselrußwolken in unser Gesicht blasen. Seitdem wir im Großraum Quito unterwegs sind, riecht es eigentlich ständig sehr stark nach Autoabgasen und Dieselruß. Wir vermuten irgendeine Inversionswetterlage, die den Großstadt-Abgas-Duft einfach nicht abziehen lässt.

Die letzte (blaue, also langsam gefahrene) Gerade nach Quito hinauf zieht sich nochmal ewig hin. Am Ende der schnurgerade Strecke sieht man am Horizont …. NICHTS … nur den bedeckten Himmel … keine Häuser, keine weiteren Berge, rein Garnichts. Es sieht aus als müssten wir einfach ewig weiter direkt in die Wolken fahren, um dort dann unserem Schöpfer zu begegenen. Zum Glück beginnt dann hinter der letzten Kuppe aber doch die lange, leicht abschüssige Einfahrt nach Quito (rot-orange = schnell gefahren).

Für die gut 16 km von der letzten Pause in Calderon bis zum Hotel brauchen wir noch einmal zwei Stunden und kommen erst um halb sechs am Hotel an. Dabei ist die Nord-Süd-Strecke dann wirklich überraschend angenehm, auf der „Rio Amazonas“-Straße gibt es die ganze Zeit einen abgetrennten Radweg, es ist flach und sogar begrünt. Wir werden auf dem letzten Teil der Strecke von einem älteren Radfahrer begleitet, der auch schon in Peru und Kolumbien unterwegs war. Es scheint so als wolle er sicherstellen, dass wir auch gut ankommen, bevor es dunkel wird. Als wir am Hotel unser Tandem ins Parkhaus stellen können, verabschiedet er sich auch recht schnell und ohne dass wir seinen Namen erfahren.

Das Hotel David ist von der Straße erst kaum zu sehen, es liegt weiter hinten und ist nur über viele Stufen erreichbar. Das Tandem kann aber unten in die Garage, und wir müssen dann sogar im Hotel noch in den vierten Stock. Da es schon nach halb sechs ist und die wenigen Restaurants hier schon um sechs oder sieben zu schließen scheinen, wollen wir das Abendessen noch vor dem Duschen erledigen, und stehen trotzdem vor verschlossenen Türen. Die Nachfrage in einem Supermarkt ergibt eine geöffnete Churrasquería in der Nähe, und so landen wir zwischen Einheimischen und bekommen zeitlich sehr stark versetzt unser Essen. Jutta hat aber auch eine Spanische Tortilla bestellt, die den neuen Koch zunächst überfordert. Stunden später gelingt sie dann doch und schmeckt auch :-).

Im Hotel wird noch geduscht, aber nach kurzer Zeit am Laptop geht es ins Bett, zumal Quito angekündigt hat, dass von 22 bis 6 Uhr der Strom abgeschaltet wird, so erzählten es uns jedenfalls die beiden Radfahrer and der Mautstation.

Woche 24 (9.9.24 – 15.9.24) – Popayán – Pasto

Montag 9.9.24 – Popayán (Planungstag)

Der Tag in Popayán beginnt mit einem Frühstück mit Sauerteigbrötchen im Hotelrestaurant „La Pizzara“. Es gibt seit Langem einmal wieder schwarzen Tee und auf Wunsch sogar einen Schuss Milch für Jutta dazu! Heute abend werden wir vermutlich hier essen, denn wir legen kurzfristig einen Planungstag ein, weil wir vielleicht von hier (Popayán, 1.737m) mit dem Bus weiterfahren wollen, da die Strecke von hier über Pasto (2.467 m) bis zur Grenzstadt Ipiales (2.900 m) einer unserer Kandidaten für eine weitere Busfahrt wäre. Es gibt viele Höhenmeter zu bewältigen und die Unterkünfte auf der Strecke sind rar. Mit dem Tandem werden wir neun Tage für die Strecke benötigen und täglich um die 1.000 Höhenmeter bergauf fahren. Zwischendurch geht es natürlich immer wieder heftig bergab, aber mehr als 1.000 Höhenmeter schaffen wir auf Dauer täglich nicht. Da müssen wir uns unserer eigenen körperlichen Fähigkeiten nun mal bewusst sein.

Nach dem Frühstück gehen wir deshalb erst einmal zum hiesigen Busbahnhof, um uns über die Möglichkeiten mitgenommen zu werden zu erkundigen. Auf dem Weg dorthin fragt Viktor in diversen Apotheken nach möglicher Blutdruckmessung, da die Smartwatch wieder mit dem Kalibrieren fällig ist. Die Apotheken schicken uns weiter, in einem Ärztehaus kommt die Dame zum Messen erst um 10 Uhr. Aber die Mini-Apotheke (mehr so ein Stand) im Busbahnhof stellt ihr Blutdruckmessgerät zur Verfügung, und Jutta misst dreimal Viktors Blutdruck. Wieder 30 Tage Ruhe!

Im Bahnhof gibt es zwei Busunternehmen mit ausreichend großen Bussen, die in die erwünschte Richtung fahren. Das eine fährt stündlich und sieht gar keine Probleme, sowohl hier als auch auf der Strecke mit dem Tandem mitgenommen zu werden. Das andere fährt hauptsächlich nachts, tagsüber nur zweimal mit großen Bussen, und würde uns entweder von hier oder von Pasto mitnehmen. Gut, das behalten wir zunächst einmal im Kopf.

Wenn wir Mitte Dezember in Santiago de Chile sein wollen, werden wir auf jeden Fall noch Busstrecken einbauen müssen, denn die erste grobe Kalkulation ergibt heute eine Ankunft am 10. Januar, wenn wir die ganze Strecke mit dem Fahrrad fahren und keine längeren Pausen einlegen (und die Technik mitspielt).

Schon von Anfang an waren die 1.300 Kilometer durch die Atacamawüste im Süden Perus und Norden Chiles ein Kandidat für eine Bus(teil)strecke. Damit könnten wir z.B. zwei bis drei Wochen „einsparen“. Wir wollen auf jeden Fall genug Zeit in Lima haben, um z.B. Machu Picchu zu besuchen und dort Zeit mit einer befreundeten Familie verbringen zu können. In Lima soll auch das Tandem nochmal in die Werkstatt und einen Komplettservice durchlaufen. Deshalb kalkulieren wir für Lima zwei Wochen ein.

Nach mehreren Stunden Planung mit Google und Komoot sowie auf Papier-Untersetzern aus dem Restaurant von gestern Abend (auch Papier wiegt schließlich etwas und wir haben keines dabei) steht unsere Entscheidung, in den nächsten Tagen erstmal mit dem Tandem weiterzufahren und von Tag zu Tag zu entscheiden, ob wir in einen Bus steigen, der bis nach Ipiales mehr oder weniger die gleiche Strecke auf der Panamericana fährt.

Für 16 Uhr haben wir uns spontan noch für eine „Free walking tour“ durch die Altstadt angemeldet. Vor der Kathedralbasilika Mariä Himmelfahrt (Catedral Basílica Nuestra Señora de la Asunción) treffen wir ein belgisches Ehepaar und eine belgische Einzelreisende sowie den ersten Guide (XXX), der etwas hektisch wirkt und auf seine Kollegin wartet. Er ist eigentlich nur der Übersetzer – sagt er jedenfalls. Während der Tour übernimmt er dann aber doch eine Hauptrolle und lässt die Kollegin kaum zu Wort kommen. Ihr Englisch ist zugegebenermaßen schlechter als seines, welches aber auch oft nur mit Mühe verständlich ist. Die sprachlichen Schwächen machen die beiden aber locker mit ihrem Elan und ihrer Freundlichkeit wett.

Wir erfahren, dass Popayán auch die „weiße Stadt“ genannt wird und die vierte Stadt in Kolumbien war (nach Santa Marta, Cartagena und Cali), von der aus das Land während der Kolonialzeit lange Zeit regiert wurde. In dieser Stadt wurden die meisten späteren Präsidenten von Kolumbien geboren, insgesamt 14. In einer Straße stehen gleich 5 Geburtshäuser kolumbianischer Präsidenten. Das Wetter in Popayán nennen unsere Guides „bipolar“, da es mehrfach am Tag zwischen sonnig und regnerisch wechseln kann. Nach dem „ewigen Frühling“ in Medellin und dem „ewigen Sommer“ in Cali ist das ja mal etwas ganz Anderes. Am Rande von Popayán steht eine vor-kolumbianische, indigene Pyramide, der „Morro de Tulcán„, die unsere Guides zeitlich nicht so ganz einordnen konnten, jedenfalls seien sie „älter als die Kolonialzeit“ 🙂 .

Die Passionsprozessionen in Popayán zählen seit 2009 zum immateriellen UNESCO Weltkulturerbe. Alexander von Humbold war mehrfach hier und hat die Region bis ins heutige Ecuador erkundet. Der Uhren-Turm, Torre del Reloj, wird auch „Nase von Popayán“ (Nariz de Popayán) genannt. Die Uhr hat nur einen Stundenzeiger, denn die Zeit läuft hier einfach langsamer. Der Uhrenbauer wurde angeblich hingerichtet, weil er sich weigerte, die römische Vier im Ziffernblatt zu korrigieren.

Wir geraten auch heute in eine Prozession, weil gestern der Geburtstag von Maria war (gestern aber die Stadt vom Gastronomie-Festival in Beschlag genommen wurde). Die „Marching-Band-Musik“ ist so ganz etwas anderes als die vielen Salsa- oder anderen Rhythmen.

Wir lernen auch etwas über Sandflöhe, die es hier in der Stadt gab, die heute aber nur noch auf dem Land Probleme machen. Einer Legende nach ist ein Freund von Miguel de Cervantes befallen gewesen, hat diesen in Spanien besucht und ist dort gestorben. Cervantes hat dessen Kleidung übernommen, sich dadurch angesteckt und durch die halluzinogene Wirkung der Gifte sei ihm dann die Geschichte von Don Quichote eingefallen.

2020 im Corona-Lockdown hat das Gastronomie-Festival nicht auf den Straßen stattgefunden. Statt dessen haben die Menschen in ihren Häusern gekocht. Das Plakat aus dem Jahr sieht so aus:

Die Tour dauert gute zwei Stunden, und es bleiben uns danach nur noch das Abendessen, Update des Blogs und Schlafengehen. Morgen haben wir viele Höhenmeter aber wenige Streckenkilometer zu bewältigen. Daher werden wir noch im Hotel frühstücken und nicht ganz so zeitig losfahren, denn hier in den Bergen wird es am Nachmittag auch nicht mehr ganz so heiß und an unserem Zielort Rosas soll es nichts Sehenswertes geben. Allzu früh wollen wir deshalb auch nicht ankommen.

Dienstag 10.9.24 – (091) – Popayán – Rosas

1.077 m bergauf

Gesamt: 5.610,32 km

Da wir heute nicht sehr viele Kilometer, nur viele Höhenmeter fahren müssen, nehmen wir noch das Hotelfrühstück (mit dem schwarzen Tee 🙂 ) mit, heben noch einmal bei Davivienda Geld ab und fahren dann um halb acht los. Wir nehmen den Weg, den uns ein Einheimischer rät, weil dort weniger Verkehr sein soll und kommen auch ganz gut aus der Stadt raus.

Direkt hinter Popayán wird die Straßenqualität sehr viel schlechter als sonst auf unsere bisherigen Strecke durch Kolumbien. Wahrscheinlich haben wir die guten Straßen zu oft gelobt… . Jedenfalls gibt es Schlaglöcher, zeitweise eine größere Abbruchkante im Asphalt zum Seitenstreifen, teilweise gar keinen solchen. Wir fahren irgendwann mit dem Vorderrad über ein Blech, das hochgeschleudert wird und fast Viktors Unterschenkel trifft bevor es unter den Hinterrreifen gerät, und befürchten schon platte Reifen vorne und hinten. Es scheint aber noch einmal alles gut zu gehen!

Wir bewegen uns heute die ganze Zeit zwischen 1.350 und 1.950 Metern über dem Meeresspiegel. Die Blicke sind super schön, neben dem ganzen grün blühen gerade viele Bäume in gelb, rosa, orange, violett, rot – man könnte ständig anhalten.

Da Timbío nach nur 15 Kilometern die einzige Stadt auf unserer Route ist, halten wir dort in einer Panaderia. Neben Viktors Buñuelos probieren wir heute mal einen vom Konditor selbstgemachten Brombeerjoghurt (lecker – ähnelt der „Quajada“ in Spanien) und lassen uns alle anderen Dinge in der Vitrine ebenfalls erklären.

An der Straße stehen heute immer wieder Schilder mit Vereda – Namen (teilweise VRDA. abgekürzt), bei denen wo wir uns fragen, was das sein könnte. An einem Hang erklären uns zwei Schwestern, bei denen wir halten, dass dieses alles kleine Orte bzw. Dörfer oder Gehöfte sind (nur ein paar Häuser). Bei GoogleMaps kann man sie nicht finden, so klein sind sie, aber hier in den Bergen gibt es offenbar zahlreiche.

Bei den beiden Frauen trinken wir einen frisch gepressten Orangensaft und einmal Borojo in Orangensaft, ohne zu wissen, was dies ist. Die bräunliche Paste riecht säuerlich, wird dann mit Honig und O-Saft per Hand gemixt (man kann es auch mit Milch mischen) und schmeckt ebenfalls etwas sauer. Das Trinken solcher Getränke am Straßenrand birgt ja immer ein gewisses Risiko für die Darmflora …

Wie an sehr vielen Häusern hier am Hang wird auch dieser Verkaufsstand (alle verkaufen O-Saft) von einem Regierungsprogramm für Frauen gefördert, alle haben die gleichen Schilder, und dass wir genau hier halten, ist Zufall – wir wollen gerade Fotos machen.

Die letzten knapp 14 km gehen erst sechs km bergab, „unten“ über einen Fluss, und dann sechs km auf der anderen Seite bergauf, alles schön in Serpentinen, so dass wir beim Abwärtsfahren die Bremsen ziemlich strapazieren müssen. Eigentlich wollen wir vor dem Aufstieg noch einmal Pause machen, es ergibt sich aber nichts, und so landen wir nach etwa einem Drittel (und nur fünf km vor dem Ziel) im Restaurante Rancho Grande, wo wir eine ganze Weile bleiben, um nicht so früh in Rosas anzukommen.

Vor dem Rancho Grande werden wir von zwei Taxifahrern aus Pasto angesprochen, die dort Pause machen und sich scheinbar verabredet haben. Sie bestaunen das Tandem und wünschen uns – wie fast alle Kolumbianer – beim Abschied Gottes Segen für unsere Reise („Que Dios les bendiga“).

Die restlichen vier Kilometer Steigung gehören dann nochmal zu den heftigeren Streckenabschnitten. An einer Stelle wird es bei 11 bis 12 Prozent Steigung wieder sehr knapp. Viktor ächtzt, das Tandem auch … wir müssen gleich absteigen und schieben … und da springt plötzlich ein Mann am Straßenrand von seinem Sitzplatz auf einer Mauer auf und schiebt uns mit aller Kraft die 10 bis 20 Meter über die steilste Stelle bergauf während wir heftig weiterstrampeln. Sensationell! 🙂 Und wir können nicht einmal stehenbleiben und uns bedanken, weil wir hier nie wieder aus dem Stand anfahren könnten. Es muss also eine gerufenes „Muchas Gracias“ und ein hochgereckter Daumen reichen.

Insgesamt sind die über 1.000 Höhenmeter heute erstaunlich gut zu bewältigen. Vielleicht liegt das ja auch am gestrigen Ruhetag. Jedenfalls gibt es uns Hoffnung, dass wir die nächsten 13 Tage auf der vermutlich 14-tägigen Andendurchquerung nach Quito auch schaffen können.

In Rosas finden wir relativ schnell das „John Burger“, dessen Besitzer uns über die VIBICO-WhatsApp-Gruppe eine Unterkunft angeboten hatte, falls unser Hotel nicht reagieren sollte. Es ist aber noch geschlossen. Das Hotel Casa Grande ist nur weitere 80 Meter entfernt und schnell gefunden. Gestern hatte die Betreiberin per WhatsApp reagiert, allerdings erst, nachdem Viktor einen WhatsApp-Anruf unter der Telefonnummer versucht hatte. Sie steht sogar zufälligerweise gerade in der Tür als wir ankommen und begrüßt uns freundlich. Das Hotel ist erstaunlich groß und gut in Schuss (die Bilder bei Google ließen eigentlich ganz anderes befürchten), modern ausgestattet, hat ein halbwegs funktionierendes WLAN (zumindest zeitweise) und wir dürfen unser Tandem im Erdgeschoss in ein ungenutztes Zimmer stellen. Nur warmes Wasser hat es nicht … und hier in den Bergen ist das kalte Wasser unter der Dusche auch wirklich wieder richtig kalt. Erfrischend eben 😉

Nach dem Duschen machen wir einen kleinen Stadtrundgang, der schnell beendet ist. Aber wir haben eine Panaderia für morgen früh gefunden, die um 6 Uhr öffnet und auch gekühlte Getränke verkauft. Hierher verirren sich scheinbar selten Touristen. Wir werden in den Straßen angestarrt, ein paar Schülerinnen sprechen uns an und wir unterhalten uns ein wenig darüber, welche Sprachen wir sprechen und wohin wir weiterreisen. In einem kleinen Laden kaufen wir noch ein neues USB-Ladegerät, da das Billigteil aus Mexiko bereits seinen Geist aufgegeben hat. Dann müssen wir zurück ins Hotel, denn die Wirkung des Straßenrandgetränkes setzt bei Viktor ein. Na ja, bis morgen früh dürfe sich das hoffentlich wieder einrenken.

Abendessen gibt es bei John Burger, der sich standhaft weigert, dafür von uns Geld anzunehmen. Wir unterhalten uns über die vielen Sprachen der Welt, die vielen verschieden Varianten und Akzente der spanischen Sprache und über das Reisen. John ist mit Leib und Seele Koch, musste sich aber damit abfinden, dass in Rosas nur die traditionelle Küche funktionert. Als er mal Garbanzos guisados a la madrileña anbot, musste er am Ende alles selbst essen. Viktor nennt ihm den Deutschen Spruch „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht“ (Lo que el paisano no conoce, no lo come) und es gibt ein kräftiges Kopfnicken als Reaktion. John träumt davon, für ein Jahr mit der Familie in einem Küchenwagen durch Südamerika zu reisen und die Tour unterwegs mit seinen Kochkünsten zu finanzieren. Aber dazu müsste er das Familienauto verkaufen und den Sohn für ein „verlorenes“ Jahr aus der Schule nehmen. Viktor widerspricht und sagt, dass das doch eher ein „gewonnenes“ Jahr wäre. John ist aber in Rosas auch ehrenamtlich sehr aktiv (Theatergruppe, Tanzgruppe, usw.) und würde wohl sehr vermisst. Zum Abschied zeigt Viktor auf das Auto und ruft nochmal hinüber „Verkaufen!“.

Mittwoch 11.9.24 – (092) – Rosas – Mojarras

912 m bergauf

Gesamt: 5.693,75 km

Als wir morgens um fünf aufstehen, hat Rosas kein fließend Wasser. Zähneputzen geht gerade noch mit unseren Resten an Trinkwasser, mehr ist nicht möglich. Um kurz vor sechs hat das Haus unten immerhin schon ausreichend Druck und wir bekommen einen Topf mit Wasser zum Toilettespülen. Die Panaderia am Ort hat schon geöffnet, so dass wir schnell frühstücken (und die Toilette nutzen) und uns dann auf den Weg machen.

Es geht heute sehr viel bergab (in Summe gute 1.900 m), und so geht es auch los. Dummerweise ist erstens die Straßenqualität nicht gut und zweitens die Abfahrt teilweise so steil, dass wir alle ca. 2 bis 3 km die Bremsen abkühlen lassen müssen. Dafür ist die Aussicht toll, und wir machen viele Fotos. Es ist hier in der Höhe ziemlich kühl heute morgen, das wird sich im Laufe des Tages radikal ändern.

Wir haben uns an einer Stelle explizit für eine Streckenführung entschieden, die 60 Höhenmeter weniger Steigung haben soll als die alternative Strecke (auf nur ein paar wenigen Kilometern). Den Abzweig dorthin gibt es aber nicht mehr – es gab einen Erdrutsch, und seit ca. sechs Monaten führt eine neue Straße steil runter, über eine Brücke und dann wieder steil rauf.

Wir wollen in El Bordo, der einzigen Stadt auf der Strecke, Pause machen, haben uns aber nicht bewusst gemacht, dass es gute 40 km bis dorthin sind und es auch ziemlich viel bergauf geht. Hinter jeder Haarnadelkurve vermuten wir den Ort vergeblich, aber nach knappen zweieinhalb Stunden sind wir dort. Als links eine „Bakery“ erscheint (keine Panaderia) halten wir dort. Jutta sucht sich ein „salziges“ Brötchen aus, dass zwar überhaupt nicht salzig, aber immerhin nicht süß ist wie sonst fast alle Brote hier. Viktor nimmt Chicharrón (ein Gebäck, das wegen seiner Form so heißt, nicht etwa, weil es aus gegrilltem Schweinebauch wäre) und flüssigen Ananasjoghurt, außerdem probieren wir endlich einmal Vive100%, einen Energie-Drink für den hier überall kräftig geworben wird.

Um nicht so früh an der Tankstelle anzukommen, bei der wir heute zu übernachten geplant haben, halten wir danach noch am zentralen Platz und in einer Heladeria an einem kleineren Platz etwas weiter. Als Jutta dort zum Abschluss noch die Toilette nutzen will, ist auch hier das Wasser gerade ausgefallen. Auf Nachfrage heisst es, dass sei nicht üblich, aber es gäbe wohl einen Rohrbruch, und die betroffene Gegend sei groß.

Um zwölf fahren wir weiter, erst noch weitere 300 m bergab, danach angeblich mehr oder weniger auf einer (niedrigen) Höhe. Wir landen praktisch in der Savanne: es ist kaum noch grün zu sehen, total trocken und sehr heiß – ganz anders als der ganze Vormittag in den höhergelegenen Gegenden. Als wir in „El Estrecho“ noch etwas trinken und den Wasservorrat auffüllen wollen, erfahren wir, dass es aktuell 38°C warm ist und wir wohl auf unserer morgigen Strecke nach El Remolino mit 40°C rechnen müssen. Das sind ja Aussichten wie in Mexico! Wasser hat der gute Mann nur in fester Form aus dem Tiefkühler, das würde aber bei der Hitze sehr schnell tauen, sagt er. Nichts da, mehrere Stunden später (längst im Hotel) ist immer noch ein Eiskegel in der Flasche, man kann immer wieder ein paar Schlücke trinken.

Hinter El Estrecho geht es über die Zwei-Flüsse-Brücke „Puente Galindez“, hinter der uns auf den letzten 15 Kilometern nochmal überraschend viele Steigungen und Abfahrten erwarten, mit denen wir gar nicht mehr gerechnet haben und die uns deshalb ein wenig zermürben, auch wegen der hohen Temperaturen und der trockenen Luft. Tja, so ist das, wenn man auf einer Etappe viele Höhenmeter bergab fährt, da gehen die Steigungen ganz am Ende der Etappe quasi im Grundrauschen unter. Der Maßstab einer Grafik ist eben immer ganz entscheidend.

Gesamte Tagesetappe
Die letzten 15 Kilometer

Am Straßenrand stehen hier immer wieder Schilder „Se vende Mazamorra“, eine Mais-Süßspeise, die für die Gegend des Valle Cauca typisch ist:

Auf dem letzten Kilometer vor dem Hotel an der Terpel-Tankstelle (die genau beim Kilometerstein „Null“ des heutigen Panamericana-Abschnittes liegt) werden uns nochmal 9% Steigung serviert, die wir mit Ach und Krach fahrend (und einer von uns fluchend) bewältigen können.

Das Hotel Mojarras ist unsere dritte Erfahrung mit Lastwagenfahrer-Hotels, aber die heutige ist schon ein ganzes Stücke besser als die erste. Das Zimmer ist deutlich größer als die 6 m² beim vorletzten Mal, es hat sogar eine funktionierende Klimanlage, mit dem Hotel-Logo bestickte, sauber aussehende Handtücher und auch WLAN ist vorhanden, wenn auch eher instabil. Das Duschwasser ist immerhin lauwarm, aber die Sache mit dem Duschkopf … na ja … Ihr kennt das ja schon. 🙂

Zum Abendessen gibt es im Hotelrestaurant frischen Tilapia, denn die Essensangebote ohne Fleisch beschränken sich hier auf Hähnchen 😉 und auf diesen Fisch. Jutta schlägt den Tilapia sogar vor, rechnet aber wohl eher mit einem Filet. Die beiden Fischportionen darf dann doch Viktor komplett verzehren, denn eine von uns mag es nicht, wenn das Essen den hungrigen Gast so vorwurfsvoll anschaut.

Und natürlich machen die ankommenden Lastwagen bis spät in den Abend vor unserer Zimmertüre einen Höllenlärm, denn wenn die hier den Rückwärtsgang einlegen, geht bei fast allen Fahrzeugen ein Feuerwerk von Alarmtönen los, die man sich in Deutschland wirklich nicht vorstellen kann. Wir werden davon in den Schlaf „musiziert“.

Donnerstag 12.9.24 – (093) – Mojarras – El Remolino

798 m bergauf

Gesamt: 5.731,62 km

Wir haben den Duschkopf morgens beim Zähneputzen gefunden!

Das Restaurant an der Tankstelle öffnet um zwanzig vor sieben und wir müssen dieses abwarten, da auf der Strecke heute rein gar nichts liegt, wo man frühstücken könnte. Das Tandem ist aber schon fertig bepackt und von vor dem Zimmer, wo es die Nacht verbracht hat, weggeschoben. Auf unsere Nachfrage nach „Café con leche“ gibt es die Antwort, sie hätten nur „Tinto“, aber auf Wunsch bringt er eine Tasse heißes Wasser für Jutta für Tee. Am Nachbartisch sitzen einige Herren, bestellen Kaffee und Milch und bekommen einen Becher Milch zum Teilen. Manchmal scheint uns, dass wir anders behandelt werden als Einheimische. Jutta fragt am Nachbartisch nach einem Schuss Milch, und so kommen wir ein wenig ins Gespräch. Bevor sie weiterfahren, bekommen wir etwas Typisches aus der Region Nariño geschenkt, irgendwas „Süßes“ und „Weiches“ mit „Mani“ (Erdnüsse). Viktor möchte es lieber nicht in die Lenkertasche stecken, weil er Bedenken hat, dass etwas auslaufen könnte, bei der heute zu erwartenden Hitze von bis zu 40 Grad Celsius.

Gegen halb acht sitzen wir auf dem Rad und beginnen die heutige Berg- und Talfahrt, es geht kaum eben vorwärts. Die Straße ist wieder besser, und voll ist sie hier auch nicht, teilweise ist es richtig still. Allerdings hören wir nicht einmal Vögel zwitschern, denen wahrscheinlich auch zu heiß ist. Zwischendurch liegen oft abgestürzte Steine auf dem Seitenstreifen – hier gibt es wohl viele Steinschläge und Erdrutsche.

Die Natur ist recht karg, „schön“ kann man es hier nicht nennen, aber „reizvoll“ dann doch. Je weiter wir fahren, umso mehr Kakteen wachsen rechts und links. Irgendwann sehen wir etwas auf der Bergkuppe gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses im Tal. Zunächst denken wir an ein Kloster (man erkennt auf jeden Fall eine Kirche), als wir aber wirklich gegenüber halten und Viktor sogar Netz hat, entpuppt es sich als die Stadt „El Rosario“, die dort oben auf dem Berg liegt.

Wir überqueren kurz vor Ende der Etappe den Rio Mayo, einen Zufluss zum Rio Patía, in dessen Tal wir seit zwei Tagen auf der Panamericana unterwegs sind, und überqueren damit die Grenze zu unserem letzten „Departamento“ Nariño, dem Grenzgebiet zu Equador, das als noch unsicherer gilt als Cauca, Nach einem letzten steilem Anstieg kommen wir schon gegen elf Uhr in El Remolino an. Es gibt kein Café, aber eine Heladeria, wo wir uns Banana-Splits bestellen, die wir auf die Spende von Gabi und Peter genießen. Vielen Dank, Ihr Beiden!

Danke Gabi und Peter!

Gestern Abend haben wir ein Zimmer im „Wellness Hotel“ Valery reserviert, nachdem das erste angefragte Hotel kein Zimmer mehr für uns hatte. Als wir dort mittags um zwölf erscheinen, wird uns gesagt, dass der Pool heute geschlossen ist und wir bitte mit dem Wasser sparsam sein sollen. Falls das Wasser ausgehen würde, sollen wir an die Nummer von gestern schreiben, und es müsste dann wieder aufgefüllt werden. Das Zimmer hat AC und Ventilator, aber wieder keine Klobrille und die Dusche ist ein weißes Kunststoffrohr mit Kurvenverbindungsstück nach unten. Wellness halt! Und es kommt kein Tropfen Wasser aus dem Hahn! Zum dritten Mal innerhalb von zwei Tagen. Und das bei dieser Hitze! Es dauert ca. zwei Stunden, ehe sie den Tank wieder aufgefüllt haben. Das W-LAN erreicht man nur, wenn man mit dem Gerät an die Fensterscheibe geht. Und wir hatten jetzt schon die letzten zwei Tage Probleme damit. Müssen wir uns wirklich jetzt schon an Patagonien gewöhnen und auf wöchentliche Blog-Einträge umstellen?

Die Polizeistation hier im Ort ist zur Straße hin mit gestapelten Sandsäcken gesichert, und Radfahrer, die kürzlich hier übernachtet haben, haben erlebt, wie nachts eine Autobombe explodiert ist. Wir sind hier in einem von der Straße zurückgesetzen Gebäude untergebracht und verlassen das Zimmer wohl lieber nicht im Dunkeln.

Also machen wir uns am Nachmittag zu einem kleinen „Stadtrundgang“ auf und essen früh bei einer Heladeria plus Comidas Rapidas erstaunlich gute Burritos. Nach der Rückkehr entdecken wir eine Termiteninvasion in unserem Bad und vereinzelte auf dem Bett.

Freitag 13.9.24 – (094) – El Remolino – La Roca

1.159 m bergauf

Gesamt: 5.762,59 km

Wir werden hier im Hinterhof-Hotel sehr früh von sehr viel Hahnengeschrei geweckt. Da es auf der Strecke wenig Versorgungsmöglichkeiten geben wird, wollen wir noch hier frühstücken. Das Hotel bietet ab 6:30 Uhr etwas an, wir probieren vorher eine Panaderia, die aber keine Heißgetränke hat, also gibt es Instant-Milchkaffee und zwei Frühstücke (obwohl eigentlich nur eines bestellt war) aus dem Hotel plus Brötchen aus der Panaderia.

Der Nachtportier setzt sich zu uns und fragt uns aus. Später auf der Strecke überholt er uns zweimal mit dem Moped (und muss uns dazwischen auch entgegen gekommen sein), spricht uns beide Male an, und wir haben schon Sorgen, dass er etwas von uns will. Es passiert aber nichts! Zu viel Misstrauen?

Es geht wenige Kilometer abwärts, dann aber mehr als 20 Kilometer in Folge aufwärts. Die Natur ist weiterhin sehr trocken und felsig, also eher karg. Wir kämpfen uns die Straße hoch, nach neun Kilometern machen wir an einer (geschlossenen) Billardbar eine Pause – es gibt nichts, aber einen Billardtisch, schon seltsam. Etwa fünf Kilometer weiter (bei einem Schnitt von sieben Stundenkilometern dauern die) fahren wir durch einen kleinen Ort mit einer Mini-Tienda. Dort gibt es immerhin gekühlte Getränke und die restlichen frittierten Bananen vom Frühstück, die wir eingepackt hatten. Noch zwei Kilometer weiter gibt es eine Tankstelle, auf deren Schild etwas von Kaffee steht. Wir halten schon wieder, aber bei der Frage nach Kaffee erhalten wir als Antwort, dass die gute Frau diesen extra für uns machen müsste (hier im dünnbesiedelten ländlichen Gebiet ist man noch nicht so kundenorientiert…) und so trinken wir noch einmal etwas Kaltes und nutzen wenigstens die Toiletten.

Als wir das Julio Caesar Hotel passieren, haben wir fast das Höhenmaximum erreicht und im Kopf, dass wir dorthin zurück müssen, falls es unsere anvisierte Unterkunft nicht (mehr) geben sollte. Bei Google Maps ist zwar ein Eintrag, aber ohne weitere Informationen, und damit haben wir schon schlechte Erfahrungen gemacht. Auf unsere Nachfrage bestätigt man uns aber, dass es die Unterkunft „La Roca“ noch gibt.

Wir überqueren also noch das Höhenmaximum des Tages (ohne Schild mit Höhenangabe – hier gibt es anscheinend zu viele Pässe) und radeln die letzten Kilometer bergab bis zu einer Spitzkehre, in der es innen zwei Verkaufsstände und einen Reifenservice und außen zwei größere Häuser gibt: La Roca. In dem einen Gebäude sind unten Duschen und Toiletten (für LKW-Fahrer), oben leben wohl Menschen, das andere Gebäude ist unten ein Laden und ein Restaurant, oben sind ein paar Hotelzimmer.

Um ca. 12 Uhr mittags fragt Viktor erst im Laden nach einer Übernachtungsmöglichkeit, wird aber zum Verkaufsstand gegenüber geschickt. Die Dame dort hätte ein Zimmer frei, allerdings ist noch keines geputzt. Wir setzen uns in das Restaurant und bestellen Kaffee. Milch gibt es nicht, aber „Avena“ (Hafer-Milch-Mischung) haben sie, das wir dann dazu kaufen. Anschließend warten wir ein wenig, bestellen noch ein Mittagessen ohne Suppe (die es hier immer dazu gibt), warten noch ein wenig, essen noch ein Eis. Inzwischen ist es 14 Uhr, und Viktor geht noch einmal fragen, ob das Zimmer eventuell jetzt fertig ist. Nein, natürlich nicht, wir hätten schließlich nicht zugesagt, dass wir es nehmen! Okay, das Reinigen/Fertigmachen geht daraufhin recht schnell und wir bekommen ein Zimmer für 30.000 Pesos (knapp 7,50€), der Niedrigrekord! Es gibt kein W-LAN (und Viktors eSIM-Netz von MAYA hat hier nur 3G-Abdeckung), nur ein Handtuch (auf die Frage nach einem zweiten gibt es ein klares „Nein“), keinen Zimmerschlüssel, aber wir haben eine Toilette mit allem (Brille und Deckel!). Und Termiten im Zimmer, auch auf dem vorhandenen Tisch. Das Dach ist Wellblech einfach draufgelegt, so dass wir mit allem möglichen Getier rechnen müssen, das durch die Öffnungen hereinkommt.

Wir verbringen den Nachmittag also völlig analog – nicht einmal Podcast-Hören klappt – gucken uns den Sonnenuntergang in den Bergen an, essen noch zu Abend in dem Restaurant und halten uns dann im Fast-Dunkel im Zimmer auf. Hier fliegen so viele stechende Insekten, die wir nicht anziehen wollen. Wir beide haben heute schon viele Stiche bekommen, Jutta hat einen komischen am Mittelfinger, der das Fingerglied und die angrenzenden Seiten des Ring- und des Zeigefingers ziemlich schmerzen lässt. Mal schauen, was daraus wohl wird.

Das Schlafen gestaltet sich hier recht schwierig, da praktisch die ganze Nacht Lastwagen und Busse durch diese Straßenschleife fahren, die solch einen Lärm machen, als führen sie durch unser Zimmer. Manche halten auch, fahren piepend rückwärts oder rangieren lärmend. Da waren die drei Nächte an Tankstellen bislang sehr viel weniger schlimm.

Samstag 14.9.24 – (095) – La Roca – Chachagüi

980 m bergauf

Gesamt: 5.788,50 km

Wir haben für heute wieder eine kurze Etappe geplant, denn es geht nach einer Abfahrt von ca. 6 Kilometern wieder den ganzen Tag nur bergauf. Komoot zeigt dabei teilweise Steigungen von 30% an, die wir uns auf der Panamericana nicht erklären können (und auch nicht glauben wollen). Eine Rückfrage in der VIBICO-WhatsApp-Gruppe ergibt, dass die Steigungen hart, aber fahrbar seien. 30% wäre für uns bergauf nicht einmal mehr schiebbar.

Da auch heute die Verpflegungsmöglichkeiten begrenzt sein sollen, frühstücken wir in dem kleinen Laden in La Roca zwei Kaffee mit Milch (aus einer dazugekauften kleinen Milchtüte, die Viktor dann noch leertrinken muss) und abgepackte Brötchen mit unserer eigenen Marmelade und Schokocreme. Dann starten wir auf die Abfahrt, die uns gleich durch einen 210 m langen Tunnel führt, der spärlich beleuchtet ist und keinen Seitenstreifen hat. Zum Glück ist wenig Verkehr unterwegs und wir werden weder überholt noch kommt uns gerade Gegenverkehr entgegen.

ActionCam Video hier einfügen

Es ist heute morgen noch relativ kühl (geschätzte 15° C), und so schaffen wir die Abfahrt ohne Abkühlpause für unsere Bremsen. Mittlerweile haben wir das Intervallbremsen weiter optimiert. Wir fahren insgesamt langsamer bergab und bremsen häufiger, aber kürzer. Am Ende der Abfahrt fahren wir über den Rio Juanambu und beginnen den stundenlangen Aufstieg. Wir bemerken schon gleich am Anfang, dass die wenigen in Google aufgeführten Tankstellen und Läden entlang der Strecke geschlossen sind oder gar nicht existieren. Wir haben uns aber gestern Abend sowieso mit Getränken eingedeckt, die uns notfalls durch den kurzen Tag bringen.

Es ist Samstag, also Wochenende, und so kommen uns schon bald die ersten Radfahrer aus Chachagüi entgegengerollt. Wenn es nicht gerade allzu steil ist, heben wir kurz die Hände zum Gruß. Die Strecke scheint eine beliebte Trainingsstrecke zu sein. Wir kämpfen uns mit 7 km/h hinauf, an manchen Stellen geht es direkt neben der Leitplanke steil bergab in den Abgrund, an vielen Stellen ist die Leitplanke stark beschädigt oder fehlt ganz. Viktor mit seiner Höhenangst schaut einfach nicht hin. Bei dem langsamen Tempo muss er sowieso voll konzentriert auf die Straße schauen, denn das Ausweichen bei einem Schlagloch oder Metallteil auf der Straße ist ein ziemlicher Balance-Akt. Dafür genießt Jutta immer mal wieder den Blick in den Abgrund, denn ansonsten sind eigentlich rechts und links nur steile Felswände zu sehen. Bis auf einige Stellen natürlich, an denen sich großartige Panoramablicke eröffnen, die zu einer Pause einladen.

Irgendwann kommt von hinten der erste Radfahrer, der unten an der Brücke umgedreht ist und nun den Aufstieg nach Chachagüi hinauffährt. Er fährt länger neben uns her und fragt uns nach dem Tandem und unserer Route. Für Viktor sind solche Treffen und Gespräche gleichzeitig Ablenkung und Motivation. Man kommt zwar vom Reden stärker außer Atem, aber gleichzeitig lenkt es irgendwie von der Anstrengung ab. Der Radfahrer heißt Hugo und schreibt sich bei einer Selfie- und Fotopause noch die Marke unseres Tandems (HASE-Bikes) auf, denn seine Frau macht mit ihm keine Ausfahrten, und Viktor hat ihn wohl überzeugt, dass so ein Stufentandem eine tolle Sache ist. Alsbald kommt von hinten ein weitere Radfahrer an, der uns einholt, und uns bittet, ob wir ein gemeinsames Foto machen können. Auch er heißt zu unserer Überraschung Hugo. Wir erreichen zu viert den zweiten Tunnel des Tages, den wir gemeinsam durchfahren.

Und hier löst sich dann auch das Rätsel um die 30% Steigung auf. Komoot scheint bei der Berechnung der Steigung fälschlicherweise die Höhenlinien des Gebirges zu verwenden und nicht die tatsächliche Neigung der Straße.

Hinter dem Tunnel müssen wir eine Pause einlegen während die anderen weiterfahren, nicht ohne uns mitzuteilen, dass es ab hier nicht mehr ganz so steil ist. Na ja … je müder die Beine werden, desto steiler fühlt sich die Strecke an … wir bemerken keine deutliche Änderung und unser Tempo bleibt bei 7 bis 8 km/h.

Kurz vor Chachagüi halten wir an einer Tankstelle, die komplett einsam und verlassen daliegt. Die Toiletten verschlossen, es gibt keine Verpflegungsmöglichkeit, denn das eigentlich vorhandene Restaurant ist trotz gedeckter Tische verschlossen. Wir setzen uns ein wenig in den Schatten und essen ein paar Brotsticks aus unserer Verpflegung bevor wir weiterfahren. Kurz vor der Weiterfahrt um 10:35 Uhr sehen wir noch, wie das Tankstellenrestaurant geöffnet wird. Nun ja, Öffnungszeiten stehen hier in Kolumbien nur selten irgendwo dran. Man fragt halt danach und erhält dann eine ungefähre Zeitangabe, häufig mit der ergänzenden Information, ab wann geöffnet sei und ab wann (deutlich später!) man dann tatsächlich auch einen Kaffee bekommen könnte.

Einige Kilometer weiter kommen wir an den Flughafen von Chachagüi, wo wir eine Kaffeepause einlegen wollen. Auf dem kurzen Stück werden wir von zwei weiteren Radfahrern überholt, die uns ansprechen. Arturo erkennt uns, weil er uns in dem Facebook- und Instagram-Video von Conozcamos con Tello gesehen hatte. Dieser Tello scheint recht viele Follower zu haben. Wir haben zig „Bendiciones“ (Segnungen) für unseren weiteren Weg auf Facebook erhalten und sogar eine Einladung zum Abendessen an der Grenze von Ecuador nach Peru, die wir erst in eingen Wochen erreichen werden. Arturo bietet uns sofort an, uns morgen mit nach Pasto zu nehmen, als er hört, dass wir mit dem Bus liebäugeln. Er hat ein Wochenendhaus hier in Chachagüi, lebt aber in Pasto und transportiert sein Mountainbike morgen mit dem Pickup-Truck zurück nach Pasto. Wir tauschen Telefonnummern aus, und er holt uns am Nachmittag sogar nochmal am (etwas abseits gelegenenen) Hotel ab und fährt mit uns in den Ortskern, damit wir den auf jeden Fall noch kennenlernen können.

Der zweite Radfahrer verrät uns seinen Namen nicht, will uns aber unbedingt zu frischgepresstem Orangensaft einladen. Gegenüber vom Café, in dem wir Pause machen wollen, gibt er uns einen aus, trinkt selber nichts und fährt nach einem Selfie sofort weiter. Er meint, er würde uns später im Ort schon wiederfinden, was ihm aber nicht glückt. Beim Orangensaft unterhalten wir uns mit vier Motorrad-Polizisten, die wir kurz vorher noch beim Durchsuchen eines Lastwagens an der Straße gesehen haben. Dort hatten sie gerade irgendwelche Möbel von der Ladefläche eines LKW auf die Straße gestellt und waren dabei, sie wieder einzuladen. Die Polizisten machen auch gerade Pause am Saftstand, und wir kommen natürlich ins Gespräch über die Sicherheitslage. Sie sind überzeugt, dass wir auf der Strecke bis zur Grenze auf der Panamericana absolut sicher sind. Im Nachbar-Departamento Cauca seien die Guerillas noch teilweise aktiv (siehe oben die Autobombe in El Remolino vor zwei Monaten), aber hier in Nariño sei alles sicher. Die Lastwagenkontrolle war nach ihren Aussagen eine Drogen- und Waffenkontrolle. Na ja, wie uns gerade auffällt, lag El Remolino ja schon im Departamento Nariño.

Wie fast überall auf unserer Route sind die Menschen (und auch die Polizisten) der Meinung, dass die Gefahr vor allen Dingen von Flüchtlingen aus Venezuela ausginge, die seien nämlich überwiegend „Ladrones“ (Diebe). Das würde in Ecuador noch viel schlimmer werden, denn dort würden die Flüchtlinge aus Venezuela geduldet, was sie ja regelrecht anziehe. Ach da sind sie ja wieder mal, die „Pull-Faktoren“. Viktors Kommentar „Wo es viel Armut gibt, gibt es viel Diebstahl“ (Donde hay much probreza, hay mucho robo) greift nur einer der vier Kollegen auf und wiederholt ihn in halbwegs zustimmendem Tonfall (oder war das Wunschdenken?).

Noch ein paar Kilometer weiter checken wir in das Hotel „La Gran Estancia“ ein, können noch den Pool nutzen und finden im Rezeptionisten „Jose“ einen weiteren neuen Freund (nach eigener Aussage!), denn er ist auch Moutainbiker, unser Alter und findet unsere Tour toll.

Am frühen Nachmittag liegen Rauchschwaden über dem Hotel, die etwas besorgniserregend sind. Auf einem Berg ganz in der Nähe (drei km entfernt) ist ein Waldbrand ausgebrochen, den wir später mit Arturo aus dem Zentrum von Chachagüi deutlich sehen können. Sogar die Flammen sind erkennbar. Auch Arturo muss uns unbedingt noch einen ausgeben und so nehmen wir gemeinsam an einem Stand noch Granizado, Cholado und Raspado zu uns.

Das Abendessen gibt es heute im Hotelrestaurant, denn wir müssen dringend zwei Tage Blog schreiben, was hiermit gegen 22:30 Uhr vollbracht ist.

Sonntag 15.9.24 – (096) – Chachagüi – Pasto

1.144 m bergauf

Gesamt: 5.817,25 km

Nachts um 4 Uhr werden wir von lauter Musik auf dem Hotelgelände wach. Sie kommt aus den gegenüberliegenden Hütten, die man komplett anmieten kann. Mehrfach hört sie plötzlich auf, geht aber kurz darauf weiter. Das hält uns beide vom Weiterschlafen ab. Da unsere Tour heute wieder nicht lang und das Frühstück inbegriffen ist, sind wir die ersten im Restaurant (um 7:30 Uhr, wohlgemerkt, gleich bei Öffnung). Der Waldbrand hat seine Spuren in Form von Ascheregen im Pool hinterlassen, es riecht aber nicht mehr ganz so stark wie gestern.

Es wird ein langer und anstrengender Tag. Die Strecke hat extrem steile Anstiege (13 und 14%), auf denen wir zweimal schieben müssen – das erste Mal seit langer Zeit. Wir erzielen einen neuen Langsamkeitsrekord und sind bei Ankunft am frühen Nachmittag ziemlich kaputt. Wir hatten uns fest vorgenommen, niemals an zwei aufeinanderfolgenden Tagen über 1.000 Höhenmeter zu fahren. Nun sind es schon vier Tage in Folge. Das geht in dieser Gegend einfach nicht anders. Und morgen kommen nochmal 700 Meter dazu. Aber danach werden wir wohl wieder einmal zur Entlastung in einen Bus steigen.

Heute ist Sonntag, und so treffen wir unterwegs wieder mehrere Mountainbiker. Ein entgegenkommender sagt uns, es wären noch weitere acht Kilometer Steigung, aber nach sechs käme ein Saftstand (Jugos) am Rand zum Pausieren. Für diese sechs Kilometer benötigen wir mehr als eine Stunde, auch, weil wir mehrfach pausieren müssen. An einer Brücke halten auch zwei andere Radfahrer (einer heißt Rodrigo), die uns sagen, es wird demnächst flacher. Das stimmt leider nicht, denn erst später kommen unsere beiden Schiebestellen.

Selbstauslöser-Bild mit ersten Radlern

Als wir am Saftstand ankommen und einen O-Saft zum Teilen bestellen, halten zwei andere Mountainbike-Fahrer ebenfalls dort an, und als wir zahlen wollen, ist auch unser Orangensaft schon bezahlt. Schon wieder werden wir also zu einem Orangensaft eingeladen! Wir erwähnen, dass wir in den letzten Tagen schon mehrfach eingeladen wurden. „Hier kommen so wenige Deutsche her, da muss man die Gelegenheit nutzen“ ist die Begründung. Der Sohn von dem einen Mountainbiker kommt kurz darauf schiebend am Stand an. Wir sind also nicht die Einzigen, denen es hier zu steil zum Fahren ist.

Einladung zum O-Saft – Vielen Dank an Lizardo und Freddy

Um kurz nach zwölf halten wir am Zielpunkt von Komoot, das wieder einmal nicht die auf die Hoteladresse aktualisierte Version an den Garmin geschickt hat, sondern das Stadtzentrum als Ziel hat. Zum Hotel sind es noch ein bis zwei Kilometer weiter. Da es aber spät genug und ziemlich kalt ist, kehren wir im Café Guajaquil ein. Die Espresso-Maschine ist nicht in Benutzung, aber Viktor bekommt endlich einmal einen Tamal zum Essen.

Im Café hängen mehrere Plakate des Karnevals von Pasto, der immer Anfang Januar stattfindet und seit 2009 zum Weltkulturerbe zählt. Er trägt den Namen „Carnaval de Blancos y Negros“ (Karneval von Schwarzen und Weißen) und zieht jedes Jahr viele Touristen an. Wir haben auf dem Weg in die Stadt schon einige Gruppen gesehen, die eine Art Umzug mit Musik, Tanz und Stelzenläufern einüben.

Im Hotel duschen wir schnell und machen uns dann auf den Weg zur Sammeltaxi-Station. Diese ist zwar nah dran, aber wir müssen mehrfach nach dem Weg fragen. Die Mini-Busse stehen einfach so am Straßenrand und fahren los, wenn sie voll besetzt sind. Notfalls auch noch auf Extra-Hockern auf dem Boden. Wir wollen zur Laguna de la Cocha, die uns unterwegs sehr ans Herz gelegt wurde. An diesem Gletschersee ist es auf 2.680 m Höhe relativ kühl und der Ort ist irgendwie eine Mischung aus Venedig und der Schweiz. Die Holzhäuser haben einen entfernt vertrauten Stil, die angebotenen Souvernirs und einige Kleidungsstücke kommen uns teilweise „alpin“ vor. Durch den Ort fahren auf Kanälen kleine Boote, mit denen man auf die Lagune hinausfahren kann. Einige fahren bis zur Insel „La Carota“, auf der sich ein Naturschutzgebiet (Santuario de Flora y Fauna) befindet. Wir wollen keine Lancha nehmen, und ohne rauszufahren ist es gar nicht so leicht, einen Blick auf das auf Bildern immer türkisfarbene Wasser zu bekommen. Am Ende des Weges kann man gegen ein geringes Entgeld auf eine schwimmende Aussichtsplattform und dort immerhin auf den See sehen, dessen Wasser heute eher dunkel (wie die Nordsee) aussieht. In einem der Holzhäuser wärmen wir uns bei einem Kaffee auf, bevor wir wieder in ein Colectivo steigen, um zurück nach Pasto zu fahren.

Bei der Rückkehr werden wir von Arturo abgeholt, der uns gestern schon Chachagüi gezeigt hat, und der uns heute noch etwas von Pasto zeigen möchte. Der Abend wird länger als erwartet, wir gehen noch gemeinsam essen und er besteht darauf, dass wir sein Haus und seine Frau kennenlernen. Die eine Tochter ist schwer psychisch krank, und sie haben Hoffnung, dass Jutta ihnen Tipps geben kann (weil sie denken, dass in Deutschland die Forschung weiter fortgeschritten ist). Das müsse doch Gottes Fügung sein, dass wir uns begegnet sind.

Panorama von Brücke

Seite 3 von 9

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén