Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

Woche 29 (14.10.24 – 20.10.24) Talara – Chepén

Montag 14.10.24 – (108) – Talara – Sullana

Gesamt: 6.578,20 km

Im Hotel gibt es heute schon ab sechs Uhr Frühstück. Da aber bis frühmorgens laute Livemusik aus der Nähe einen ruhigen Schlaf verhindert hat, schaffen wir ein Aufstehen um fünf nicht ganz. Die Frühstücksfrau wird gefragt, wo es einen Supermarkt gibt – wir benötigen nicht nur Getränke, sondern auch Snacks u.a. – und der einzige in Talara öffnet erst um neun Uhr. Als wir um halb acht losfahren, können wir immerhin die Getränke sowie zwei Bananen bei einer älteren Dame gegenüber kaufen.

Die ersten zehn Kilometer fahren wir die Strecke von gestern zurück bis zur Kreuzung, an der der Friedhof liegt – in dieser Richtung steil bergauf und wieder um den Flughafen herum. Heute geht es von dort geradeaus in Richtung Sullana, durch einen Nationalpark, fast 35 km ganz leicht bergauf mitten durch die Wüste. Fast das erste Straßenschild besagt, dass Radfahrer auf dieser Straße nicht fahren dürfen. Wenn es doch aber die einzige asphaltierte Straße ist? Gleich nach drei Kilometern gibt es eine Tankstelle, die wir anfahren. Wieder hat sie kein fließend Wasser, und ein Getränk muss man sich aus dem Automaten ziehen. An der Mautstelle kurz danach werden wir einfach durchgewunken, es scheint niemanden zu stören, dass wir das Fahrverbot nicht beachten. Von hier müssen wir wieder immer sehr lange geradeaus, und wenn dort zwischendurch einmal ein Haus steht, bellen uns gleich Hunde an, zweimal verfolgen sie uns hartnäckig und Jutta muss sie mit Wasser aus einr Getränkeflasche abwimmeln. Die Besitzer stört das Verhalten ihrer Hunde meist wenig. Nur einmal hören wir den Versuch, die Hunde zurückzurufen. Ansonsten ist hier tote Hose, außer vielleicht einigen Lizards, die die Straße überqueren und wenigen Vögeln. Dafür werden die Überholvorgänge heute schon etwas aufregender. Besonders die Reisebusse bremsen scheinbar ungerne hinter uns ab, wenn sie wenig Platz zum Überholen haben. Das ist heute häufiger der Fall, denn die Panamericana hat hier keinen Seitenstreifen, auf den wir ausweichen können, wenn wir etwas großes im Rückspiegel sehen. Die Busfahrer *innen hupen lieber, um uns zu warnen, und überholen dann mit deutlich weniger als 1,5 Metern Seitenabstand. Ein paar mal schüttelt es uns bei Seitenwind kräftig durch, wenn wir plötzlich andere Windkräfte verspüren. Da wird das geschickte Gegenlenken plötzlich zur lebenserhaltenden Maßnahme. Zum Glück sind die Lastwagenfahrer*innen deutlich rücksichtsvoller.

Nach 40 Kilometern wollen wir doch einmal eine Pause machen und entdecken ein Schild an der Straße und ein etwas größeres Gebäude – bestimmt ein Laden oder Restaurant… . Aber nein, es ist eine Bildungseinrichtung für Kinder, in dem einen Raum scheint eher der Kindergarten, im zweiten eher die Schule untergebracht zu sein. Vor dem Gebäude gibt es aber überdachte Bänke, wir setzen uns dort in den Schatten und verzehren unsere restlichen Snacks fast komplett (hoffentlich können wir demnächst wieder einmal etwas nachkaufen). Auch hier gibt es im Toilettenhäuschen weiter hinten kein fließend Wasser. Aber Viktor kann hier ins Internet, und wir finden 17 km weiter eine Tankstelle, die auch einen Laden haben soll. Den wollen wir nutzen.

Es geht relativ schnell bis dorthin, denn jetzt beginnt der Bergab-Teil des Tages, wenn auch in Wellenbewegungen. Dummerweise ist der Laden an der Tankstelle gerade geschlossen, weil die „Chica“ auf unbestimmte Zeit weg ist. Na ja, hier ist der Wüstenteil zuende und es sollen wieder ein paar Dörfer kommen. Wir fahren also bis nach Ignacio Escudero weiter, wo es Bäckereien und Restaurants geben soll. Eine der drei Panaderias ist tatsächlich geöffnet, hat zwar kein Brot, aber Kuchen und Kekse und auch Getränke, BIG-Cola für Viktor leider nur als 1,7l-Flasche. Der Rest davon wird in zwei kleine Flaschen umgefüllt und mitgenommen.

Wir kommen jetzt noch durch mehrere kleine Orte, werden kurz vor Sullana noch einmal daran erinnert, dass auch hier Radfahren verboten ist, und hier sind jetzt sogar Motos verboten: nach der Brücke über den Rio Chira geht es durch einen kurzen Tunnel hoch in die Stadt Sullana, das ist wahrscheinlich der Grund. Es hält sich aber niemand daran – wir ja auch nicht!

In der Stadt suchen wir wieder einmal an der falschen Straßenecke nach unserem Hotel, weil sogar bei booking.com ein falscher Pin gesetzt ist, müssen aber einfach zwei Ecken weiter, und checken um kurz nach drei ein. Hier ist schräg gegenüber einmal ein richtiger Supermarkt, wie wir sie kennen, und diesem statten wir gleich einen Besuch ab, um uns für die nächsten Tage zu wappnen, egal, ob wir nun weiter mit dem Rad oder evtl. doch mit dem Bus fahren.

Nachmittags und abends (im Hotelrestaurant) planen wir dann, dass wir doch nicht mit dem Bus durch die Wüste, sondern per Tandem in einem Bogen darum herum fahren werden. Dort gibt es ausreichend Orte und Übernachtungsmöglichkeiten.

Und noch etwas Nettes: Viktor hatte sich aus der Kolumbianischen Radfahrer-WhatsApp-Gruppe VIBICO (Viajeros en bicicleta por Colombia) verabschiedet. Daraufhin hat jemand zum Abschied für uns dieses Bild zusammengebastelt, das auf einem Foto aus Cali basiert.

Gracias VIBICO!
Plaza del Gato (Cali, Kolumbien)

Montag 15.10.24 – (109) – Sullana – Piura

Gesamt: 6.616,34 km

Wir haben um acht Uhr einen Interview-Termin mit der Verantwortlichen für die sozialen Netzwerke des Hotels „La Siesta“, deshalb (und weil wir eine kurze Etappe geplant haben) können wir gemütlich aufstehen, packen und frühstücken. Hier werden außergewöhnliche Gäste auf Facebook und Instagram gepostet – wir entdecken dort auch den Hund „Theo„, den wir live schon in El Remolino (Kolumbien) gesehen haben – der hat hier wohl auch übernachtet.

Um halb neun begeben wir uns auf den Weg, raus aus Sullana in Richtung Piura: ein kurzer Tag, aber wir müssen die Tage nach den vorhandenen Unterkünften planen. Und Piura ist die fünftgrößte Stadt Perus und vor über 450 Jahren von den Spaniern gegründet worden, sollte sich also vielleicht auch lohnen, sich den Ort anzuschauen.

Komoot hat irgend etwas dagegen, dass wir auf der Panamericana weiterfahren, obwohl wir heute im Gegensatz zu gestern kein Verbotsschild für Fahrräder sehen. Der Garmin zeigt deshalb nur eine gepunktete Luftlinie, in deren Nähe wir uns aber die ganze Zeit bewegen, weil auch die Panamericana ziemlich nahe an der direkten Verbindung läuft.

Nach knapp 30 Kilometern braucht Viktor eine Hintern-, Jutta eine Toilettenpause, und wir fahren eine Tankstelle an – die erste auf unserer Seite nach mehreren auf der Gegenfahrbahn. Dummerweise ist sie anscheinend noch in Bau (oder gar eine Bauruine), es ist nur ein Absteigen vom Sattel möglich.

Hinternpause im Schatten

Wir sind aber schon im Großraum der Stadt, denn kurz darauf können wir schon wieder an einer Tankstelle halten, diesmal mit WC – wobei uns eine Tankwärterin am Ende die Tür aufschließen muss, weil wir beide immer nur versucht haben, gegen den Uhrzeigersinn aufzuschließen und es hier nun mal im Uhrzeigersinn sein muss. Hier an der Tankstelle ist auch richtig Stimmung:

Über ein großes (Autobahn-) Kleeblatt biegen wir auf die richtige Straße ab, fahren in die Stadt hinein und sehen links ein großes Einkaufszentrum. Da es erst elf Uhr ist, parken wir das Tandem auf dem Fahrradparkplatz, den es tatsächlich unerwarteterweise gibt, und schlendern durch die Outdoor – Shopping – Mall, die uns ein wenig an Californien erinnert. Und den „Kaffee“ trinken wir dann tatsächlich auch in einem Starbucks – Viktor nimmt immerhin Peruanische Schokolade als Getränk.

Hier kontaktieren wir auch schon Übernachtungsmöglichkeiten für die nächsten paar Tage, teilweise per WhatsApp, teilweise per Facebook. Dabei fällt auf, dass eines der anvisierten Hotels wohl ein Stundenhotel ist („50 Sombras“ = 50 shades?), und wir reservieren lieber eines etwa acht Kilometer abseits der Strecke, die wir dann allerdings zweimal fahren werden.

Die ganze Sache mit dem unfassbar vielen Müll entlang der Panamericana schlägt uns hier zwischendurch immer mal wieder aufs Gemüt und das war in den letzten Tagen auch einer der Gründe für das Inbetrachtziehen einer weiteren Busfahrt. Heute stehen wir in Piura an einer Ampel, an der ein Vater mit seinem kleinen Sohn auf der Schulter bettelt. Das ist für uns jetzt leider schon fast Normalität, obwohl die überall sicht- und fühlbare Armut uns eigentlich auch aufs Gemüt schlagen sollte. Der kleine Junge hat gerade seine Wasserflasche ausgetrunken und wirft sie direkt vor uns auf die Verkehrsinsel. Das ist halt völlig normal hier und wird es vermutlich auch noch über viele weitere Generationen bleiben. So sind die Müllberge am Straßenrand erklärbar. Heute beobachten wir unterwegs ein müllbeladenes Tuc-Tuc am Stadtrand dabei, wie es dort anhält und der Fahrer aussteigt, um … tja, was wohl zu tun? „Jeder kehre vor seiner eigenen Haustüre“ heißt es ja, aber irgendwie erscheinen unsere ohnehin wenig erfolgreichen Bemühungen um Recycling und Müllvermeidung wie der Kampf Don Quichotes gegen Windmühlen … oder passt da eher Sisyphos mit dem Fels? Und wer sagt eigentlich, dass diese Form der Entsorgung weniger „richtig“ ist, als die unsrige? Immerhin verrottet alles Organische neben der Panamericana relativ schnell oder wird von den Geiern und anderen Tieren gefressen, die UV-Strahlung der Sonne und der Wind zersetzen und zerfetzen die Plastikflaschen und Plastiküten mit der Zeit zu kleinstem, kaum mehr sichtbaren Mikroplastik. Nun gut, die Berge an alten Batterien, die wir ab un zu auch sehen, dauern wohl ein wenig länger.

Die kurze Strecke bis zum WYNDHAM, das wir uns hier ausgesucht haben, führt noch über eine sehr holperige, unbefestigte Kreuzung (obwohl hier die Straßen sonst wirklich gut sind), dann sind wir aber auch schon da und müssen hier nicht einmal unser Gepäck zum Zimmer tragen!

Nach dem Duschen gehen wir los, um heute endlich einmal wieder eine Eiseinladung einzulösen. Ganz in der Nähe, bei Gelati Igloo, genießen wir zwei „Copa Royal“, für die wir heute Daniel B. ganz herzlich Dankeschön sagen:

Danke Daniel B.

Nach einem kleinen Stadtrundgang mit der Basilika, dem (geschlossenen) Museum Grau, der Placa de Armas, der Placa Tres Culturas und dem gerade wenig Wasser führenden Fluss kehren wir ins Hotel zurück. So richtig schön ist diese Stadt dann doch nicht.

Das Abendessen gibt es im Hotelrestaurant „Paprika“. Dieses Wort wird im Spanischen eigentlich gar nicht für das entsprechende Gemüse verwendet, sondern es heißt „Pimiento“ oder „Pimenton“, meist mit dem Zusatz „rojo“ oder „dulce“. Hier gibt es heute für Viktor auch den ersten „Pisco Sour“, den peruanischen National-Cocktail.

Mittwoch 16.10.24 – (110) – Piura – Chulucanas

Gesamt: 6.676,31 km

Nach einem reichhaltigen Frühstücksbuffet – dessen „Té puro“ allerdings Earl Grey – Geschmack hat (also mit Bergamotte aromatisiert ist) – und einem kurzen Plausch mit einem Fahrer des Hotels kommen wir bei recht frischen 17 Grad um viertel vor sieben Uhr los. Es herrscht gerade morgendlicher Berufsverkehr, mit den ganzen ständig hupenden Tuk Tuks fahren wir durch die Stadt. Die Hauptstraße in Richtung Osten wird in mehreren Blöcken gerade neu gemacht, und wir fahren Schlangenlinien, über Bürgersteige, auf der falschen Seite etc., können der Richtung aber folgen.

Sobald die Stadt aufhört, wird auch der Verkehr merklich weniger – gut so. Es geht die ersten 35 Kilometer in Wellenbewegungen aufwärts, ganz sachte, aber immer ein wenig höher. Die Tankstelle nach ca. zehn Kilometern kann Jutta schon für eine Toilettenpause nutzen – wer weiss, was noch so kommt (bei der kurz vorher hatte der Tankwart keinen Schlüssel ;-)). Heute stehen rechts und links überall zumindest Büsche, manchmal auch Bäume, also eher Steppe als Wüste, was das Fahren prinzipell ganz angenehm macht. Es gibt ein wenig Schatten und auch ein bisschen was fürs Auge. Durch das etwas dichtere Grün fällt der Müll auch nicht mehr so auf. Sogar ein wenig Landwirtschaft ist hier wieder möglich, es reicht zwar nicht zur Rinderhaltung, aber es gibt viele genügsame Ziegen, die auch ab und zu vor uns über die Straße getrieben werden.

Allerdings werden wir sehr, sehr häufig von hinten angehupt: man will uns von der Straße mit dem wirklich guten Asphalt auf den Seitenstreifen abdrängen, der ein paar Zentimeter niedriger und recht holperig ist . Dabei ist nicht viel Verkehr, und die Autos oder LKW könnten meistens problemlos nach links ausweichen. Da merkt man wirklich, dass Peru nicht so das Radfahrland ist. Hunde halten sich auch heute in Grenzen, nur einmal kommt die Wasserflasche (noch mit Cola gefüllt) zum Verscheuchen zum Einsatz.

Die nächste Tankstelle fahren wir auch wieder an, um Pause zu machen – es gibt Tisch und Stühle, aber leider keinerlei Heißgetränke. Die Temperaturen sind inzwischen schon wieder so hoch, dass wir auch mit kalten Getränken zufrieden sind. Vom ziemlich angeschmolzenen Gouda aus unserem Vorrat sind die Hände schmierig, wir dürfen aber die Toiletten nicht nutzen. Angeblich gibt es wieder kein Wasser, und die Türen sind verschlossen. Wer`s glaubt – hier sind sie nicht wirklich motiviert, wie es scheint.

Als nächsten Halt peilen wir den Supermarkt „Express 50“ an, den Google irgendwo zwischen 40 und 50 km anzeigt. Wir passieren mehrere Mini-Ortschaften und denken fast, dass ein Verkaufs-Containerstand am Straßenrand dieser „Supermarkt“ gewesen sein könnte. Na ja, dann eben doch wieder eine Tankstelle, die es hier wenigstens gibt, und die auch einen Laden haben soll. Und siehe da, der Minimarkt dieser Tankstelle entpuppt sich als „Express 50“ – Viktor berichtigt erst einmal den Pin bei Google Maps (Funktion „Änderung vorschlagen“). Hier sind sie sehr nett, und sie servieren uns je ein Heißgetränk sogar in Porzellantassen! Auch die Toiletten sind geöffnet und nutzbar, nur die Urinale bei den Herren sind in schwarzen Mülltüten eingepackt und mit einer dicken Staubschicht versehen, also wohl schon etwas länger außer Betrieb.

In „KM 50“ (so heißt der Ort wirklich!) biegen wir nach links auf die PI-108 ab, die glücklicherweise auch noch gut asphaltiert ist, und fahren bis nach Chulucanas. Diese kleine Stadt ist richtig begrünt und erstaunlich sauber. Es gibt durchgehende Gehwege (ohne die üblichen Höhendifferenzen und Stolperstufen vor jedem einzelnen Haus). Am Ortseingang stellt sich die Stadt in großen, bunten Buchstaben als Stadt der Mangos, Zitronen und Keramik vor. Hier scheint man sich in punkto Stadtbild richtig Mühe zu geben und auch die finanziellen Mittel dafür zu haben. Wir halten um 12 Uhr vor dem Hotel Mali, wo sofort das Tor zur Garage aufgemacht wird, bevor wir auch nur abgestiegen sind. Das frühe Ankommen ist kein Problem und wir erhalten sofort unseren Zimmerschlüssel zu einem geräumigen Zimmer mit ordentlichem Bad und Heißwasser für 50 Soles (umgerechnet 12.50€) die Nacht.

Am frühen Nachmittag steigen die Temperaturen hier auf über 30°C. Wir sind froh, dass wir früh genug aus Priura weggekommen sind, nicht mehr auf dem Tandem sitzen und uns am Zielort schon in den Schatten begeben können. Und natürlich gibt es bei diesen Temperaturen auch wieder ein Eis, zu dem uns heute Melanie S. eingeladen hat. Vielen Dank dafür! Wir haben unter anderem Lúcuma-Eis probiert, das angeblich das Lieblingseis aller Peruaner*innen ist. Es schmeckt wie eine Mischung aus Orangen-, Dattel- und Nuss-Eis.

Lúcuma-Eis … das Peruanische Lieblingseis. Danke Melanie!

Wir gehen noch schnell in den Supermarkt, um Getränke für morgen zu kaufen, finden ein Pizzarestaurant, das auch vegetarische Pizzen anbietet und checken eine „Panaderia“, in der wir morgen früh ein schnelles Frühstück einnehmen können, denn wir wollen wieder zwischen 6 und 7 Uhr los.

Donnerstag 17.10.24 – (111) – Chulucanas – Ñaupe

Gesamt: 6.750,05 km

Als wir früh um kurz vor sechs in die Hotelgarage kommen, um das Tandem zu bepacken, trauen wir unseren Augen nicht. Statt links an der Wand steht es jetzt hinten an der Rückwand, eingequetscht von einem Auto, welches wiederum dicht zugeparkt ist, sowohl rechts, als auch hinten. Keine Chance, es irgendwo hindurchzumanövrieren! Wir geben am Frontdesk Bescheid und gehen erst einmal zur Panaderia, um zu frühstücken. Es steht eine richtige Schlange dort an, und die Damen zögern erst ein wenig, als wir sie um heißes Wasser für Tee bitten – gestern Abend hatten sie es uns noch angeboten, dachten aber, wir kämen gleich um fünf Uhr. Jetzt ist hier einige los. Es würde ein wenig dauern, und dem stimmen wir natürlich zu. In der Zwischenzeit essen wir schon vor der Tür stehend richtige, knusprige Ciabatta-Brötchen und eine Art Milchbrötchen, zwar ohne alles, aber lecker. Als das Wasser heiß ist, werden wir hinter den Tresen an einen Tisch gebeten, man stellt uns Stühle hin und drei Becher: zwei mit Teebeutel (dabei haben wir unsere eigenen sogar mit), einen mit kaltem Wasser zum Abkühlen des Tees. Eine der Damen dort bleibt bei uns uns fragt uns etwas aus. Sehr nett! Und sie backen hier mit Sauerteig, als Einzige am Ort!

Wieder am Hotel steht das Tandem inzwischen gleich am Garagentor. Wir wollen lieber gar nicht wissen, wie sie es über die ganzen parkenden Autos bekommen haben, aber es scheint alles heil zu sein.

Um halb sieben fahren wir zwischen sehr vielen Tuk Tuks erst einmal die paar Kilometer zurück, um auf die richtige Strecke auf der 1N zu kommen. In Chulucanas machen wir nochmal ein paar Fotos der Schriftzüge am Straßenrand, die offenbar zur Stadtkultur gehören:

Hinter der Ausfahrt aus der Stadt kommen wir noch an der katholischen Universität vorbei und dann an eine Stelle, an der sehr viele Lastwagen mit Hapag Lloyd Containern an der Straße stehen. Wir sprechen einen der Fahrer an und erfahren von ihm, dass hier ein großes Obst- und Gemüse-Logistikzentrum existiert, in dem aus ganz Peru angeliefert, verpackt und in die ganze Welt geliefert wird. Er erwähnt Spargel und Weintrauben, aber wir vermuten, dass wohl auch Mangos und Zitronen aus der Region dazugehören.

Kurz darauf beginnt auf der 1N erstmal wieder ein längerer Teil mit viel Müll entlang der Strecke, wie eigentlich überall hier, immer ab der jeweiligen Stadtgrenze. Wenn wir gefragt werden, warum wir mit dem Fahrrad reisen, antworten wir oft, dass man die Umgebung einfach besser wahrnimmt als aus einer Blechkarosse. Man hört die Geräusche der Tiere, das Rauschen der Blätter, grüßende oder rufende Menschen am Straßenrand. Und man riecht eben auch alles, blühende Zitronenbäume, reife Mangos, Eukalyptus-Haine, die salzige Meeresluft an der Küste, den Sommerregen-Duft und vieles mehr. Heute morgen ist das auf diesem Teilstück aber ein echter Nachteil. Es riecht vom Straßenrand zum Teil bestialisch nach Müllhalde, Verwesungsgerüche werden bei kleinen Windböen bis zu uns herübergetragen. Einmal wird Viktor regelrecht übel, auch wenn der Impuls, sich zu übergeben, nur wenige Sekunden dauert. Jedenfalls ist das der Beweis, dass hier am Straßenrand wirklich täglich frisch nachgelegt wird.

Die erste Pause machen wir nach 23 km in einem kleinen Resturant entlang der Strecke. Viktors bestellter Kaffee (Tasse Wasser plus Instant-Pulver) wird von einem LKW-Fahrer am Nachbartisch zu einem Türkischen Kaffee aus selber geerntetem und geröstetem Kaffee aufgewertet. Mit ihm und seinem Kollegen entsteht ein längeres Gespräch, so dass wir hier 50 Minuten sitzen – ungeplant. Die beiden sind beeindruckt, dass man in Deutschland ein Jahr Urlaub bekommt. Viktor erklärt die relativ gute ökonomische Lage in Deutschland und die alternde Gesellschaft, die es uns leicht gemacht hat, den langen Urlaub herauszuhandeln, weil wir uns sicher sind, dass unsere Arbeitskraft noch gebraucht wird, wenn wir zurückkehren. Sie selbst haben nur jeweils 3-Monats-Verträge, die manchmal verlängert werden, manchmal auch nicht. Und es gibt genug Arbeitslose, die jederzeit für weniger Geld ihren Job übernehmen würden.

Für die zweite Pause haben wir uns nach etwas über 40 Kilometern aus den wenigen Gelegenheiten entlang der Strecke ein Restaurant auf GoogleMaps herausgepickt, das zu uns Leuchtturmfans passt:

Wir sind gepannt, ob man von hier wirklich das Meer sehen kann, wie es der Name andeutet. Aber wir fahren offenbar schnurstracks daran vorbei, ohne es überhaupt zu bemerken. Wir hätten vermutlich durch dieses geschlossen Tor, dass wir auf Google Streetview finden und an dem wir heute auch vorbeigefahren sind, von der Hauptstraße abbiegen müssen, um es zu finden:

Nun gut, nach 45 Kilometern finden wir am Straßenrand erstmals einen Schattenplatz, der groß genug für zwei Personen (ohne Tandem) ist. Wir essen den Rest unseres Brotes und die zu einem Klumpen zusammengeschmolzenen Goudascheiben, die uns im letzten Supermarkt so angesprochen hatten.

Da wir wissen, dass nach gut 60 km noch eine heftigere Steigung mit Serpentinen kommt, wollen wir vorher noch einmal pausieren und finden kurz vorher das Restaurant „Mi Mayanguita“. Warme Getränke gibt es hier nicht, nur die üblichen „Gaseosas“ (also Cola, Fanta, Sprite, Inka-Cola, etc.), in Ecuador und Peru praktisch alle voller Süßstoffe. Eine echte Coca Cola mit vollem Zuckergehalt ohne Süßstoff gab es das letzte Mal in Ecuador als 250ml-Flasche. Was sind denn hier für Verbotsparteien am Ruder? Kann man das nicht anders Regeln? Viktor zahlt gerne auch den doppelten Preis für die volle Zuckerdröhnung. Er braucht die Kohlenhydrate auf dieser Tour! Wir nehmen also Kaltgetränke, die immerhin eine Abwechslung zum immer etwas schal schmeckenden Wasser aus den Camelbaks sind.

Pause mit „Gaseosas“

Kurz darauf dürfen wir die „Cuesta de Ñaupe“ erklimmen, was für uns natürlich nach den Anden ein Leichtes ist. Nach 1,5 Kilometern und lediglich 12 Minuten sind wir schon oben und machen eine Foto- und Filmpause. Den Müll an dieser Stelle sehen wir schon fast nicht mehr, denn wir wollen die Serpentinen fotografieren, die wir gerade hinaufgefahren sind.

Einzig „echte“ Steigung des Tages

In der Steigung werden wir ständig von Honigbienen angeflogen, die verzweifelt nach ihrem Bienenstock suchen. Sie haben offenbar schon die ganze Umgebung abgeflogen und stürzen sich nun auf alles, was irgendwie anders aussieht und eventuell ihr Zuhause sein könnte. Kurz vor der Auffahrt in die Steigung kam uns ein Lastwagen entgegen, der vermutlich mit mehr als 100 Bienvölkern in Magazinbeuten beladen war. Er hielt gerade an und wir konnten viele herumfliegende Bienen sehen. Die Beuten waren offensichtlich nicht bienendicht verschlossen oder waren während des Transportes verrutscht. Die abgeflogenen Bienen entlang der Strecke sind dann verloren, denn sie können ihr Volk nicht mehr wiederfinden. Eventuell können sie sich irgendwo in ein anderes Volk „einbetteln“, wenn sie genug Nektar sammeln und mitbringen, aber hier in der Gegend wird es vermutlich wenig Bienenvölker und wenig Nektar geben. Wir sehen ab und zu ein paar Blüten an den Akazien, aber viel mehr gibt es hier nicht.

Wanderimker mit „Magazinbeuten“ (so heißen die Behausungen der Bienenvölker)

Nach einer etwas längeren Abfahrt mit ein paar wellenartigen Zwischensteigungen erreichen wir gegen 13:15 Uhr Ñaupe. Es ist ein ziemlich einsames Ein-Straßen-Dorf, hat aber immerhin ein Hospedaje (Hostel) mit großem Garten, in dem man auch zelten kann. Wir haben per WhatsApp ein Zimmer reserviert und sind froh, überhaupt eine Strecke durch den Norden Perus gefunden zu haben, die alle circa 70 Kilometer eine Unterkunft zu bieten hat. Von der Straße müssen 190 m rechts auf einer Nebenstraße zur Hospedaje zurückgelegt werden. Wir steigen lieber ab, weil hier keine Nebenstraße befestigt ist. Und schieben das Tandem… bis es steckenbleibt. Hier ist richtig viel weicher Sand, in dem die Reifen einsacken. Das Zimmer ist geräumig, die Dusche hat einen Kaltwasserhahn, aber es tröpfelt nur sehr gemächlich etwas aus dem Duschkopf.

Am Ort gibt es zwei „Restaurants“, von denen eines auch schon um 5 Uhr öffnet. Wir können also morgen sogar am Ort frühstücken und auch heute Abend etwas essen gehen. Einen Supermarkt oder einen kleinen Laden suchen wir allerdings vergebens. Aber die Getränke können wir morgen vor der Abfahrt auch im „Restaurant“ oder im Hospedaje auffüllen. In der Cebicheria La ÑAUPEÑA gibt es abends für Viktor die hier typischen Kutteln.

Zum Abendessen gehen wir gegenüber an der Hauptstraße im „LA ÑAUPEÑA“ essen. Die Speisekarte, die am Nachmittag an der Tafel angeschrieben war, ist mittlerweile weggewischt und als wir gegen 18:30 Uhr eintreffen, wird sie gerade neu angeschrieben. Jutta hat etwas Sorge, dass das Käse-Sandwich von heute Nachmittag jetzt nicht mehr verfügbar sein könnte, aber es taucht zum Glück ganz unten auf der Tafel wieder auf. Viktor hat ein Problem, denn er hat sich vorgenommen, regionale Spezialitäten immer zu probieren, wenn sie verfügbar sind. Hier gibt es heute Mondonguito, eine peruanische Spezialität aus Darm und anderen Innerein wie Pansen. Nun denn … um in Juttas Heimatsprache zu bleiben … „Watt mutt, datt mutt“ … und es schmeckt garnicht mal schlecht.

Freitag 18.10.24 – (112) – Ñaupe – Motupe

Gesamt: 6.827,13 km

In der Nacht schlafen wir nicht so gut: unter Viktor scheinen unter dem Laken zwei tote Kakerlaken zu liegen (so nimmt er jedenfalls an), die drücken den „Prinzen auf der Erbse“ (und stellen sich morgens als zwei Orangenkerne heraus), der Hund des Hauses nächtigt direkt vor unserem Fenster und bellt sehr häufig laut und vor allem lange, und es wird immer kälter (und wir haben leichtsinnigerweise die Decke weggelassen). Trotzdem stehen wir um fünf auf, packen alles, spülen die Toilette mit in einer Plastiktüte im Waschbecken aufgefangenem Wasser (der Tank mit dem Toilettenspülwasser ist wohl leer) und wollen dann das Tandem packen. Leider ist das Tor noch verschlossen. Gerade als wir uns zum Frühstück im Lokal gegenüber aufmachen wollen, kommt der Hausherr und schließt auf. Hier versteht man Viktors Spanisch wieder einmal nicht, denn die Dame des Restaurants versteht nicht, dass wir Rührei wünschen – oder sie kennt es nicht – also gibt es ein Omelette ;-).

Es ist fast sieben, als wir loskommen – das fehlende Wasser, das verschlossene Tor… – und es ist noch recht kühl. Kaum sind wir ein paar Meter auf der Straße gefahren müssen wir schon wieder runter: eine Brücke scheint vor längerer Zeit mal weggespült worden zu sein, und der Verkehr wird einspurig (ohne Ampel oder Einweiser) über einen Ersatz-Schotterweg, erst runter ins ausgetrocknete Flussbett und dann wieder hoch auf die Straße geleitet. Mit lauter entgegenkommenden Tanklastwagen ist das gar nicht so ohne!

In der Nähe der Straße reihen sich zu Beginn mehrere Ortschaften aneinander: weit voneinander enfernt stehende kleine Häuschen, eine Kapelle, manchmal ein kleiner Platz und/oder ein Sportplatz, sehr viel Sand.

An einer Tankstelle nutzt Jutta die Toilette (ohne fließend Wasser, wie so oft, seit wir in Peru sind) und Viktor wird zu einer Panaderia gegenüber geschickt, als er nach Brot fragt. Wir erstehen alle drei „süßen“ Brötchen, die in der Auslage sind, die „salzigen“ kommen gleich erst aus dem Ofen, und jeder ein kaltes Getränk.

Als wir nach guten 40 km eine weitere Tankstelle anfahren – außer denen gibt es keinerlei Möglichkeiten, etwas zu kaufen – sind die Herren dort so unfreundlich, dass wir gar nicht erst fragen, ob sie uns etwas Warmes zu Trinken verkaufen würden.

Auf der Strecke begegnen uns heute viele Tiere: Ziegen, Schafe, Kühe und Pferde, teils größere Herden, und alle frei herumlaufend. Und auch einige bellende Hunde, die uns verfolgen, müssen wir mit unserer Spritzwasser-Flasche verscheuchen, der wir jetzt noch etwas Zitrusduft zugefügt haben. An einer Stelle sehen wir schon von weitem viele Geier am Straßenrand: dort liegen drei tote Kühe im Straßengraben, alle auf einem Fleck. Vielleicht sind sie alle zusammen von einem LKW erfasst worden. Es stinkt bestialisch, dabei reicht uns eigentlich schon der ständige Müllgestank vom Straßenrand.

Der einzige größere Ort liegt heute bei etwa 50 Kilometern, und wir wollen dort eine richtige Pause machen. Der direkte Weg ins „Zentrum“ führt leider über Sandstraßen, wir bleiben also lieber auf der Hauptstraße und biegen später rechtwinklig davon in den Ort ab. Man zeigt uns auf Nachfrage den Weg zu einem/einer „Cafè/Heladeria“, und wir finden eine schöne Oase (Bambino), die in einem Wohngebiet ohne befestigte Straßen liegt. Um elf Uhr treten wir dort als erste ein, nach fünf Minuten sind fast alle Tische besetzt – wahrscheinlich öffnet es erst um elf. Sie haben dort eine große Auswahl an allem Möglichen, aber wir bleiben bei der Eiseinladung von Moni (der wir herzlich Danke sagen) und nehmen zwei „Banana Bambino“, wie hier die Bananasplit heißen.

Danke Moni!

Gleich hinter dem Ort erwartet uns die einzige wirkliche Steigung heute, während derer sich auch die Straße teilt, und ab wo wir laut Komoot nur noch mit „Straßenbelag“ zu rechnen haben (das war schon allzu häufig Schotter oder gar Sand, so dass wir nicht sehr zuversichtilich sind). Heute haben wir Glück: die „neue“ Straße ist asphaltiert und hat sogar einen glatten Seitenstreifen ohne Absatz zur Straße, ist also sogar besser. Nur auf einem Stück, vielleicht einem knappen Kilometer, scheint den Auftraggebern das Geld ausgegangen zu sein: wir sehen schon von weitem Sandwolken, denken erst, ein LKW hat sie aufgewirbelt, stellen aber plötzlich fest, dass hier wirklich ein Stück der Straße fehlt und alle langsam über holperigen, steinigen Sand fahren müssen. Aber auch das geht vorbei, mit viel Sand zwischen den Zähnen, in den Augen und überall an den Klamotten, Radtaschen und am Tandem.

Um ziemlich genau 14 Uhr kommen wir am „Quinta Falla“-Hotel in Motupe an. Das Hotelrestaurant schließt schon um 16 Uhr, ist also nichts für abends, aber wir trinken eine Chicha Morada. Beim Rundgang durch den Ort finden wir weder einen Supermarkt noch ansprechende Restaurants. Unsere Getränke kaufen wir dann in einer Tienda durch ein Gitter, deren Betreiberin wohl schwerhörig ist, denn man sagt uns, wir müssten laut rufen, sie sei taub.

Bei sehr mittelmäßigem W-LAN schreiben wir etwas, können Bilder aber kaum hochladen und müssen dieses vertagen. Um 18:30 soll eine Pizzeria öffnen, die wir mangels echter Alternativen besuchen wollen. Als sie deutlich später die Pforte öffnet – wir sind noch um den Block gelaufen, und waren schon nicht um halb sieben dort – sind wir die ersten Gäste, es wird dann schnell voller. Wir entscheiden und doch gegen eine Mitnahme des Essens, da es nicht mehr so warm draußen ist, dass man auf dem wirklich schönen Hotelgelände noch eine der schönen Sitzecken nutzen wollte.

Abends weichen wir wieder einmal Juttas Sandalen in Chlorwasser ein: hier gibt es einen Kunststoff-Papierkorb der richtigen Größe, das Heißwasser holen wir aus der Dusche mit spärlichem Wasserdruck – dauert entsprechend – und das Ganze bleibt über Nacht auf dem Balkon. Morgen werden sie hinten am Rad getrocknet und sind dann hoffentlich vom Gestank befreit.

Samstag 19.10.24 – (113) – Motupe – Chiclayo

Gesamt: 6.910,18 km

Da wir im ganzen Ort vor 7:30 Uhr nichts frühstücken können, stehen wir etwas später auf und sind um halb acht vor einer vermeintlichen Panaderia die auch Tische und Stühle hat. Komischerweise liegen in den Auslagen keinerlei Brote/Brötchen. Wir bestellen uns Sandwiches und Getränke, und als uns nach 30 Minuten gesagt wird, dass sie nicht das richtige Brot für die Sandwiches haben, erfahren wir, dass sie schon lange keine Panaderia mehr sind, sondern nur noch Cafè und Pasteleria. Wir kommen also erst um halb neun los, halten noch einmal für Bananen und Brötchen und fahren dann laut Empfehlung ein Stück zurück, um schneller auf der Hauptstraße zu sein.

Die Strecke heute ist zwar lang aber quasi ohne Steigungen. Wie in den letzten Tagen sehen und riechen wir sehr viel Müll. Da einige Brücken nur 36 Tonnen Gewicht zulassen, fehlen heute die Großen LKW, das merken wir richtig. Aber es fehlen auch andere Radfahrer (obwohl Wochenende ist) – wir sehen keinen Einzigen, bis wir in Chiclayo ankommen. Schade!

Nach ca. 30 km liegt am Straßenrand das Restaurante Cuyeria Vista Alegre, das Viktor sich schon als Pausenstation angesehen hat. Sie hätten trotz der frühen Stunde schon frittierte Meerschweinchen, wir hätten lieber Kakao/Kaffee, müssen uns aber mit Fanta begnügen.

An der Strecke heute liegen (wieder einmal, muss man fast sagen) sehr viele Areale, auf denen schon Grundstücke markiert sind, die zum Verkauf stehen. Sämtliche davon sind unbebaut, manche haben schon Laternen- und Strommasten, manche ein paar Bepflanzungen, manche Wege. Die anpreisenden Plakate scheinen oft schon lange zu hängen. Es könnten sehr, sehr viele Menschen hier Häuser bauen, aber anscheinend will das niemand. Ist dies eventuell auch nur eine Möglichkeit zur Geldwäsche?

Im kleinen Ort Illimo fallen Jutta ziemlich viele Läden mit Imkerbedarf und/oder Honig und anderen Imkerproduktem auf. Wir halten irgendwann an und gehen in einen gut aussehenden hinein. Der Betreiber hat ihn gerade ganz neu eingerichtet, um sich von den anderen abzuheben – das ist ihm geglückt. 1985 hat El Niño hier ziemlich viel zerstört, dass es im Anschluss ein Förderprogramm gab (mit Hilfe von Argentinien), seitdem gibt es hier sehr viele Imker. Da würde sich fast eine Partnerschaft mit Hohen Neuendorf anbieten.

Als wir nach knapp 60 km immer noch keinen Ort für eine weitere Pause gefunden haben, halten wir an einem kleinen Straßenrestaurant. Wir bestellen Kaffee (Wasser mit Instantpulver in Weihnachtsbechern) und verzehren unsere Mini-Bananen und -Brötchen. Die Dame bietet uns Chicha morada helado an, Viktor lässt sich noch bestätigen, dass es Eis ist und bestellt eines – was kommt, ist wieder ein Liter des Getränks, halt eisgekühlt. Immer diese Missverständnisse!

Irgendwo sehen wir am Straßenrand einen Van stehen, der hinten Claudia, Laura und Adrian auf der Scheibe kleben hat. Wir denken, das müssen Deutsche sein. Als wir vorbeifahren und ins Auto schauen, passiert Viktor spontan der Ausspruch: Nee, das sind doch keine Deutschen! Peinlich – da hat wohl das racial profiling zugeschlagen, das uns hier soviel begegnet, und über das wir uns immer aufregen!

Wir werden heute nicht so viel angehupt, es liegt aber wohl eher nicht an dem Verkehrsschild, das wir heute erstmalig sehen:

Und wenn es schon keine anderen Radfahrer gibt, mit denen wir uns austauschen: heute sind zwei Menschen in einem Tuk Tuk so angetan von uns, dass sie mehrfach anhalten, uns überholen lassen, wieder losfahren, um uns zu filmen und auszufragen.

Etwa 15 km vor dem Ziel fahren wir durch Lambayeque, die Stadt, die der Provinz ihren Namen gibt, und ab hier ist es eigentlich durchgängig Stadtverkehr bis Chiclayo. Wir fahren kilometerlang an vielen Mühlen (und Waagen) vorbei, hier scheint eine Kornkammer Perus zu sein. In Chiclayo kommen wir an einer Deutschen Bildungseinrichtung vorbei – hier unerwartet. Die letzen Meter sollen wir auf einem Radweg fahren können, und tatsächlich ist am Straßenrand ein Zweirichtungs-Radweg abgetrennt. Dieser ist allerdings komplett zugestellt mit parkenden Autos und Motorrädern. Trotzdem ist hier die erste Stadt in Peru, in der wirklich etliche (kann man fast sagen) Radfahrer unterwegs sind.

Nach dem Einchecken, welches um halb fünf erst beendet ist, gehen wir noch in ein Coffee Lab gleich gegenüber und machen dort die Bekanntschaft mit drei jungen Peruaner*innen, die uns als Deutsche/Catalanen sehr interressant finden. Sie hätten gerne Kontakt zu unseren Kindern in Deutschland :-).

Nach dem Duschen gibt es Abendessen im Paprika-Hotelrestaurant, danach Supermarkt und Laptop, das war’s für heute!

Sonntag 20.10.24 – (114) – Chiclayo – Chepén

Gesamt: 6.984,29 km

Wir sind um sechs nicht die Einzigen im Frühstücksraum: ein einzelner Gast, der eine Hahnenkampfkappe trägt (also gestern oder heute wahrscheinlich teilgenommen hat/teilnimmt), und eine größere Gruppe in Laufkleidung, die heute an einem Lauf an der Küste teilnimmt. Die Panamericana verläuft nicht dort, weshalb wir denen nicht in die Quere kommen oder umgekehrt.

Um sieben fahren wir los, erst auf direktem Weg aus der Stadt heraus, am Flughafen und viel Industrie vorbei. Im Anschluss kommt für die halbe heutige Strecke Wüste vom Feinsten. Alles kahl (außer dem Müll natürlich) und bräunlich – man fühlt sich ein wenig, als wäre man auf dem Mars. Nach ein paar Kilometern fahren wir laut Komoot-Navigation „offroad“, weil die Strecke zur Autobahn geworden ist und Komoot uns dort nicht fahren lassen will – der Hotelportier hat uns aber gesagt, wir könnten dort entlang. Hier sind zwei Spuren in jede Richtung mit großem Mittelstreifen und auch breitem Seitenstreifen. Und es ist sehr wenig Verkehr, so dass es nicht unangenehm ist, auf der Autobahn zu fahren.

Nachdem der erste Stopp zur Toilettenpause nicht erfolgreich ist („No hay agua“ – alles abgeschlossen), klappt es beim nächsten Versuch erheiternd: Jutta bekommt vom Tankwart erklärt, dass die Schlüssel an der Tür des Marktes hängen, und dass sie den weißen Schlüssel nehmen muss. Als sie diesen greift, kommt eine Frau aus einer Tür und will ihn ihr wegnehmen – der sei für die Damentoilette. Erst als Jutta bekräftigt, dass es deshalb der richtige sei, erkennt die Frau ihren Irrtum. Eine dunkel gekleidete Radfahrerin mit kurzen Haaren – alles drei gibt es schon alleine nicht in Peru :-).

Nach 38 km, etwa der halben Strecke, sind wir in einer grünen Oase, Mocupe, und wollen dort eine Pause machen. Die ausgeguckte Panaderia ist geschlossen, wir landen im Alpha y Omega am Zentralplatz, über Eck von einer recht großen Halle mit offener Front, in der ein Gottesdienst einer kirchenähnlichen Gemeinschaft stattfindet und hören fast unentwegt den lauten, unmelodiösen Gesang des Predigers. Für unseren Café con leche geht eine Mitarbeiterin schnell los und besorgt eine Dose Kondensmilch. So läuft das!

Hinter Mocupe ist zumindest auf einer Seite der Straße alles grün, hier wird in großem Maßstab alles Mögliche angebaut, und wir fahren über die Provinzgrenze von Lambayeque nach La Libertad.

Landschaftlich erwähnenswert sind vielleicht noch die Sanddünen, die in einem kleinen Gebiet entlang der Strecke sind und ein paar kleine, grüne Hügel, wo kleine Büsche wachsen und Sand haben anschütten lassen.

Um halb zwei sind wir über ziemlich enge Straßen am Hotel angekommen. Der Eingang ist mit einem Gitter von der Straße abgetrennt, in diesen Zwischenraum dürfen wir das Tandem quetschen – halb unter die Treppe zu den Zimmern. Alle Stufen haben unterschiedliche Höhen, und im Bad des Zimmers scheint jede Fliesenreihe ein anderes Muster zu haben. Sehr individuell.

Wir gehen erst einmal in den Ort, suchen eine Einkaufsmöglichkeit für die Getränke (Happy Shoping mit einem !P“) und setzen uns dann zwischen viele Einheimische in eine Art Café. Im Hotel wird geduscht, versucht, für morgen eine Unterkunft zu buchen (vergeblich), Fehleranalyse betrieben (Garmin und WordPress-Mediathek – beides ebenfalls vergeblich) und zumindest begonnen zu schreiben. Dann ist es auch schon Abend und wir gehen in ein nahegelegenes Restaurant – schon wieder eine Pizzeria. Der junge Mann, der uns bedient, zeigt am Ende Interesse, nach Deutschland zu gehen und ein Ingenieur-Studium aufzunehmen und fragt, wie er da an Informationen kommt. Wieder ein WhatsApp-Kontakt mehr, denn an seine E-Mail-Adresse kann er sich gerade nicht erinnern.

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  1. Hallo ihr zwei! Nach Wüste kommt immer wieder auch Abwechslung! Nicht aufgeben, darüber hat man zum Schluss immer viel zu erzählen 🤗. Viel Motivation und noch mehr Spaß wünschen wir euch weiterhin fröhliche Grüße, Sabine und Uwe

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