Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

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Woche 23 (2.9.24 – 8.9.24) – Neira – Popayán

Montag 2.9.24 – (085) – Neira – Cartago

Gesamt: 5.237,75 km

Wir stehen in Etappen auf, weil wir uns zu zweit in diesem Mini-Zimmer nicht bewegen können. Im 24 Stunden geöffneten Miniladen können wir Getränke kaufen, und das Restaurant macht uns einen Kaffee mit Milch – so sagen sie, schmecken tut das dickflüssige Etwas weder nach Kaffee noch nach Milch (ist aber serviert in einer Schale wie in Frankreich). Wir stellen uns an den Rand des Parkplatzes, um den Sonnenaufgang anzuschauen ( 😉 ) und schütten die Schalen aus.

Die Tour heute Richtung La Virginia geht entweder über einen sehr hohen Pass oder durch einen Tunnel, bei dem wir ja noch unsicher sind, ob man als Radfahrer dort hindurchfahren darf bzw. kann, denn erlaubt ist es wohl nicht. Die Stokerin überzeugt den Captain, erst einmal bis zur Tunneleinfahrt zu fahren – gegebenenfalls stellen wir uns dumm.

Während der Frühstückspause spielen zwei Katzen mit den Zugbändern unserer Radtaschen und mit unserem Glücksbringer und sind nur schwer davon abzuhalten, sie zu zerfransen. Bei der Weiterfahrt wird uns, je näher wir an den Tunnel kommen, von überholenden Radfahrern und Autofahrern gesagt, dass wir dort nicht durchfahren können. An der Mautstation kurz davor überholt uns wieder ein Radfahrer, von dem wir denken, dass er den Tunnel nehmen wird, und passieren deshalb kurz hinter ihm ebenfalls die Mautstation. Da kommt uns ein Pick-Up entgegen und hält uns an: Fahrräder sind im Tunnel verboten, weil man sich beim Radfahren so stark anstrengt, dass man sich mit den Autoabgasen vergiften würde. Wir versuchen noch, so zu tun, als wären wir ein Moped, aber wir dürfen nicht weiter. Der andere Radfahrer nimmt auch den Weg über den Pass, der erst hinter der Mautstation irgendwo abgeht.

Die Menschen an der Mautstation sagen uns, wir können von einem Auto mitgenommen werden, und der Security-Mann bietet uns an, für uns eines zu finden – das hat er angeblich auch schon für andere gemacht. Und siehe da: nicht einmal 30 Minuten nach unserer Ankunft dort, laden wir das Tandem und alle Taschen bei Luis hinten auf die Ladefläche seines Pick-Ups, auf der auch schon sein eigenes Rad steht. Viktor ist so begeistert von der kolumbianischen Hilfsbereitschaft, dass er zum Abschied noch ein lautes „Viva Colombia!“ zur Security und zu den Mitarbeitern der Mautstation hinüberruft. Wir hören lautes kollektives Lachen von hinten, als wir in den Pick-up einsteigen.

Ein paar Minuten später lässt uns Luis hinter dem Tunnel auch schon wieder raus. Er erklärt, wenn dieser Tunnel für Radfahrer geöffnet würde, wäre er am Wochenende verstopft von den vielen Radelnden, die dort Selfies machen würden – er versteht das Verbot also.

Als wir das Tandem wieder packen, stellt Viktor fest, dass seine Trinkflasche nicht mehr da ist, weiss aber nicht, ob sie noch an der Mautstation steht oder in Luis‘ Auto im Fußraum liegt. Jutta wollte ihre Flasche schon nach Deutschland schicken, weil sie sie nicht nutzt (sie trinkt nur Wasser und das aus dem Camelbak), also wird Viktor ab jetzt diese Flasche nutzen.

Dann geht es erst einmal eine schöne Abfahrt hinunter. Das „neue“ Tal ist sehr viel breiter als das gestern, rechts und links sind Wiesen und Felder (Zuckerrohr), die Berge relativ weit entfernt. Wir fahren in Fließrichtung des Flusses, der ein Zufluss zum Rio Cauca ist. Daher geht es eine zeitlang bergab. Wir machen eine Trinkpause an einem Restaurant, bestellen einen Krug Limonade ungesüßt/natürlich und bekommen zwei Liter Tamarindo-Getränk. Ist „Limonada natural“ wirklich so schwer zu verstehen? Die Dame dort empfiehlt uns einen Abstecher nach Viterbo, weil das doch sehr schön sei. Wir haben gerade beschlossen, nicht nur bis La Virginia zu fahren, sondern bis Cartago, weil wir so gut in der Zeit liegen, machen aber trotzdem noch diesen Abstecher. An der Abzweigung dorthin wird uns bestätigt, dass es dort mehrere (!) Eiscafés geben soll, das möchten wir ausnutzen. Die Allee bis zum Ort ist wirklich schön, alte Baumstümpfe sind dort von einem Künstler gestaltet worden. Es gibt unter Anderem eine Jungfrau Maria und einen Jesus zu bewundern. Das erste Eiscafé gibt es nicht mehr, das zweite und dritte sind heute noch nicht geöffnet, aber das vierte (und letzte) serviert uns zwei Banana-Split. Dafür sagen wir heute Juttas Cousine Angela vielen Dank für die Spende!

Danke schön, liebe Angela!
Bei der Ausfahrt gefilmt

Viktor nimmt übrigens das Angebot an, das Eis inklusive Frischkäse (eine Art Mozarella) zu bekommen – Jutta lässt den lieber weg. Ist mal etwas Anderes und muss nicht unbedingt wiederholt werden. Um Punkt zwölf fahren wir dort wieder los und geraten damit genau in die Mittagshitze. Und es geht ziemlich bergauf. Mit der Banana-Split-Stärkung klappt es aber ganz gut!

In Viterbo machen wir am Zentralplatz noch ein Foto und dann geht es zurück auf die Hauptstraße Richtung „Cali“ und „Cartago“. Kurz vor der nächsten Ortschaft wird Viktor von irgendeinem Insekt am linken Mittelfinger gestochen (was ist denn los in letzter Zeit?). Es schmerzt nur kurz und heftig, schwillt aber nicht an. In einem kleinen Laden darf er seine Hand für ein ein paar Minuten in die Eiswürfel-Truhe halten.

Ab „La Virginia“, unserem ursprünglich geplanten Etappenziel, geht es nochmal ordentlich steil bergauf. Wir benötigen 1,5 Stunden für die circa 10 Kilometer, unter anderem auch deshalb, weil wir einem jungen Motorradfahrer helfen, der sich bei einem misslungenen Überholvorgang offenbar verschaltet und derartig Gas gibt, dass seine Kette reißt und kurz vor uns auf der Straße liegen bleibt. Wir halten an, Jutta steigt ab und versucht die Kette von der Straße zu ziehen, bevor weitere Lastwagen drüberrollen. Aber die Kette ist so heiß, dass sie sie fallenlassen muss. Mit einem Stock vom Straßenrand versucht sie es nochmal. Dabei wird es plötzlich richtig lebensgefährlich, denn auf der Gegenfahrbahn befindet sich ein Lastwagen mitten im Überholvorgang und rast auf Jutta zu. Sie hat nur nach links geschaut und geprüft, ob unsere Fahrbahn frei ist, aber mit einem überholenden Lastwagen aus der Gegenrichtung auf unserer Straßenseite hat sie nicht gerechnet. Viktor kann noch rechtzeitig „Vorsicht!“ rufen und es geht alles gerade nochmal gut. Die Motorradkette ist sowieso hinüber und lässt sich mit Bordmitteln nicht reparieren. Der junge Motorradfahrer entscheidet sich, die lange Steigung zu nutzen und nach La Virginia bergab zurückzurollen, um dort eine Werkstatt zu finden. Wir verabschieden uns und fahren weiter bergauf. Kurze Zeit später überholt uns ein Motorrad-Doppel in uns schon beaknnter, typischer Haltung. Das kaputte Motorrad wird von einem anderen Motorrad geschoben, indem der rechte Fuß ausgestreckt und irgendwo am kaputten Motorrad abgestützt wird. Haarsträubend aber pragmatisch.

Am Ende der langen Steigung braucht der Captain nochmal eine Pause. Es gibt eine schnelle Cola, danach zwei „Granizados de Café“ und ein Stück Apfelsinenkuchen, dessen Teig sehr stark an unseren „Familien-Zitronenkuchen“ erinnert. Den kann man sicher auch mal mit Apfelsine statt Zitrone ausprobieren.

Zum Abschluss des Tages gibt es nochmal eine rasende Abfahrt nach Cartago ohne enge Kurven, bei der wir ein Motorrad überholen und vermutlich unseren bisherigen Geschwindigkeitsrekord brechen (64,9 km/h).

Wir checken für unsere Verhältnisse recht spät im Hotel Golden Cartago ein, denn es war in langer Tag mit wieder über 1.000 Höhenmetern. Wir spüren unsere Knie, gehen keinen Schritt mehr vor die Türe und essen im Hotelrestaurant in der obersten Etage zu Abend. Dort gibt es an den Wänden interessante Neon-Anmachsprüche, die wir hier mal für die Spanischsprachigen unkommentiert stehen lassen.

Dienstag 3.9.24 – (086) – Cartago – Tuluá

Gesamt: 5.330,91 km

Das Hotel hat uns zwei Sandwiches und Säfte an der Rezeption hinterlegt, da es um sechs Uhr noch kein Frühstück gibt, was uns aber zusteht. Sehr nett! Vor dem Losfahren checkt Viktor den Lenker, der gestern nicht mehr gerade war, und versucht die Ursache für das Verschieben herauszubekommen. Außerdem wird die Lenkertasche neuerdings vom Lenker eingeklemmt, was das Lenken erschwert. Beide Ursachen werden morgens noch nicht geklärt.

Draußen auf der Straße ist um sechs schon eine laute Demonstration im Gang: Motorräder und PKW schleichen hupend durch die Querstraße des Hotels – der Parkplatzwächter kann uns den Grund nicht nennen. Wir tippen aber darauf, dass die angekündigte Steuererhöhung auf LKW-Treibstoff der Grund sein könnte. Vor den Mopeds und Autos blockieren nämlich auch wahrscheinlich LKW die Straße, weshalb niemand anderes durchkommt.

Der Start geht zunächst durch Cartago, bis wir die Stadt verlassen haben, aber es fährt sich erstaunlich gut für innerstädtisch. Zwischen Cartago und Zaragoza gibt es einen zweispurigen Fahrradweg. Zunächst sind wir begeistert, aber schnell ernüchtert: der Weg ist sowohl holperig (im Gegensatz zur glatten Straße) als auch von zu Fuss Gehenden bevölkert, die auch nach Klingeln nicht zur Seite gehen. Wir wechseln also wieder auf den Seitenstreifen der Straße.

Es fällt auf, dass uns sehr, sehr viele Rennradfahrer in größeren Gruppen auf der Gegenfahrbahn entgegenkommen. Es sieht fast wie ein Rennen aus, ist aber keines. Einige wenige überholen uns auch, und zwei von denen fahren eine Weile mit uns zusammen, um uns auszufragen und uns noch Tipps zu geben. Zum Beispiel empfehlen sie uns, morgen in Buga (nicht heute in Bugalagrande!) die Basilica zu besichtigen.

Die erste Pause machen wir nach ca. 30 km in La Victoria. Dafür müssen wir von der 25 abfahren und eine sehr schlechte Straße nutzen, bis sie nach ein paar Kilometern besser wird und in den Ort führt. Wir fahren in Richtung der Kirche – dort wird es sicherlich einen Kaffee geben. Die Kirche ist sehr modern, fällt uns auf, und in der Panaderia daneben bestellen wir zwei Milchkaffee. Was wir bekommen: aus Instantpulver angerührte „Plörre“, obwohl es dort eine echte historische Kaffeemaschine gibt, die sogar mit Dampf Milchschaum erzeugen kann. Die Verkäuferin erklärt uns, dass die Kunden diesen Instant-Milchkaffee bevorzugen und bringt zum Vergleich eine Tasse mit dem echten Kaffee mit Milch. Der ist so, wie er sein sollte! Sie erklärt, dass man beim Bestellen von Röstkaffee (Café Quemado) mit Milch sprechen sollte und zudem erwähnen sollte, dass es kein Kaffee aus Instantpulver sein soll. Sie erklärt uns auch, dass das schlechte Straßenstück an der Einfahrt zur Stadt nur existiert, weil die Bürgermeister nicht einsehen, sie aus dem städtischen Haushalt zu erneuern. Sie sind der Meinung, das wäre eine Aufgabe Kolumbiens, da es sich um die Abfahrt einer Nationalstraße handelt. Also die gleichen Zuständigkeitsprobleme wie zuhause …

Auf der anderen Flussseite ist hier La Union, wo der Nationalpark der Weintrauben liegt – hier ist also wohl eine Weingegend. Die Straße heraus aus La Victoria in Richtung Süden ist glücklicherweise sehr viel besser.

Für die nächste Pause gucken wir uns Zarzal aus, weil danach sehr lange nichts mehr kommt, wo man Pause machen und Getränke auffüllen kann. In Zarzal wollen wir entscheiden, wir weit wir heute überhaupt fahren werden. Zarzal liegt gleich an der 25, ist also ohne Umweg erreichbar, und wir finden wieder nahe der Kirche ein Örtchen, wo wir Milchshakes aus Milch und Eiscreme (Malteadas) trinken können, die sehr nett zurecht gemacht sind:

Wir beschließen, heute bis Tuluá zu fahren, da wir keine größeren Höhen zu bewältigen haben und es immer noch ziemlich früh ist. Vor dem Weiterfahren checken wir noch einmal, warum die Lenkertasche so blöd eingeklemmt ist – verzieht sich der Rahmen, oder ist gar etwas gebrochen? Ganz einfach, nur bislang unbemerkt: der Schnellspanner am Stockersitz ist locker, und die Rückenlehne hat sich nach hinten bewegt. Gestern in den Steigungen hat sich Jutta so in den Sitz gepresst, dass die Lehne nach hinten gedrückt wurde und jetzt die Tasche am Lenker einklemmt. Wir richten den Sitz wieder aus und ziehen den Schnellspanner fest an! Eines der beiden Probleme ist also gelöst. Die verstellte Spur bei der Lenkung bleibt aber zunächst noch ein Rätsel.

Am Ortsausgang von Zarzal steht ein riesiges Schild: „La tierra que endulza a Colombia“ – hier lebt man wohl hauptsächlich vom Zuckerrohranbau.

Weiter geht es durch das weite Tal zwischen vielen Zuckerrohrplantagen. Immer wieder stehen Schilder am Rand, dass man achtgeben muss auf die querenden Zuckerrohr-Züge, obwohl hier nirgendwo Schienen verlaufen. Irgendwann kommt uns auf der Gegenfahrbahn ein solcher „Zug“ entgegen: Ein LKW mit noch drei weiteren angehängten Hängern. Als uns einer überholt, erwischt Jutta ihn nur noch von hinten, aber auf einem Feld sehen wir welche, wie sie beladen werden.

In Andalucia machen wir noch eine dritte Pause. Es sind zwar nur noch gut zehn weitere Kilometer, aber es ist immernoch erst 13 Uhr und zu früh, um im Hotel anzukommen. Wir wollen uns ein Eiscafé suchen, finden aber kein geöffnetes. Jutta will zunächst im Ara-Supermarkt neue Getränke kaufen, und als sie zurückkommt zum Platz, ist Viktor im Gespräch mit Julio Rocas, einem Mountainbiker aus der Gegend, der einige Tipps zu den weiteren Etappen in Richtung Ecuador geben kann, sowie Sehenswürdigkeiten (z.B. die „Schweiz Südamerikas“ in der Nähe von Pasto an der „Laguna de la Cocha“) empfiehlt. Im Endeffekt lassen wir das mit der weiteren Suche, trinken in der Panaderia am Platz einen Kaffee und brechen für den Endspurt auf. Bei der Ausfahrt aus Andalucia lernen wir noch, dass dieses die Hauptstadt der Gelatine ist. An nur einem Tag: Weintrauben, Zuckerrohr und Gelatine – das hat doch was!

Auf der kurzen Strecke nach Tuluá werden wir wieder gefilmt, diesmal von Javier Tello:

Er ist Touristenführer – macht mit denen Fahrten im „Willy“, mit dem er auch hier gerade unterwegs ist. Dessen Bedeutung für Kolumbien haben wir ja gerade gestern kennengelernt. Wir reden ein bisschen, und als wir weiterfahren, filmt er noch einmal. Und dann passiert es: Bevor er uns von hinten mit dem „Willy“ überholt, stehen wir schon wieder. Platter Vorderreifen bei Kilometer 88, nur fünf Kilometer vor dem Ziel! Wir wechseln also nach längerer Zeit (letztes Mal war in Panama) einmal wieder den Schlauch. Das Loch ist schon wieder auf der Felgenseite, also innen, aber wir finden keine Ursache, die Felge ist völlig o.K. – ein weiterer „Snakebite“ also.

Kurz vor Tuluá sehen wir noch eine weitere Demonstration gegen die geplanten Steuererhöhungen bei Treibstoffen. Lastwagen sperren die Gegenfahrbahn der Nationalstraße, auf der wir unterwegs sind. Wir kommen aber problemlos in die Stadt.

Und irgendwo heute, wir wissen nicht mehr genau wann, fliegen zwei ziemlich große Aras an uns vorbei. Die haben wir hier schon überall vermutet, aber im Gegensatz zu Costa Rica haben wir in Kolumbien bislang keine gesehen, nur gehört.

Um Punkt 15 Uhr checken wir im Hotel ein, das direkt an einer der sehr zahlreichen Brücken über den Tuluá-Fluss liegt. Wir flicken den Schlauch, erholen uns ein bisschen, finden online keine gute Lösung für das Abendessen und gehen irgendwann einfach los in eine Straße, in der es viele Restaurants geben soll. Von den gelisteten gibt es viele nicht mehr – wir landen in einem vegetarischen Restaurant.

Abends hat Viktor Nachricht von dem Sportfotografen, der an der „Alto de Minas“ alle Vorbeikommenden fotografiert und dann seine Visitenkarte zugesteckt hat. Er schenkt uns die hochaufgelösten Bilder von uns. Und da gerade heute Viktor gesagt hat, er würde doch gar nicht jammern, wenn es bergauf geht, als es um die Weiterfahrt in die Anden ging, die ja demnächst anstehen, teilen wir zwei von den Bildern hier. Viktor kommt aus dem Lachkrampf gar nicht mehr heraus. Es war eine wirklich steile Stelle, an der diese Bilder enstanden sind, muss man dazusagen:

Morgen werden wir um halb sieben das Frühstück hier noch mitnehmen, beschließen wir noch vor dem Zubettgehen.

Mittwoch 4.9.24 – (087) – Tuluá – Palmira

Gesamt: 5.404,81 km

Wir entscheiden uns, heute morgen bis in den Wallfahrtsort „Buga“ durchzufahren und deshalb bereits morgens im Hotel zu frühstücken. Wir stehen also später auf als sonst (5:30 Uhr), packen das Tandem und frühstücken um 6:30 Uhr mit Kaffee, Arepas, Rührei und Cornflakes mit Milch. Der Rezeptionist ist – wie schon gestern – sehr interessiert an unserem Tandem und unserer Tour. Er zeigt Viktor auch sein eigenes Fahrrad, bei dem er eine Scheibenbremse nachrüsten möchte. Zum Abschied erhät er einen unserer Aufkleber und liest vielleicht ab und zu mal hier mit.

Wir verlassen Tuluá in Richtung Süden, bis wir wieder auf die Nationalstraße 25 treffen, die uns zügig ohne nenneswertes Auf und Ab nach Buga führt. Innerorts sind die Straßen leider in weniger gutem Zustand. Wir müssen relativ viel Slalom fahren, um den Schlaglöchern auszuweichen. Hinzu kommen noch Doppel-„Reductores“, deren Abstand ziemlich genau dem Abstand zwischen Vorder- und Hinterrad unseres Tandems entspricht. Das Überfahren dieser Dinger ist daher doppelt unangenehm und muss mit dem vollgepackten Tandem besonders langsam erfolgen. In Buga machen wir eine kurze Kaffeepause, bevor wir zur Basilika fahren. Dort läuft gerade ein Gottesdienst, als wir kurz (leise und ohne zu stören) hineingehen. Das ist hier stündlich der Fall … Warten lohnt sich also nicht. In der Predigt werden gerade die Straßenblockaden der Lastwagenfahrer und die Demonstrationen gegen die geplanten Steuererhöhungen auf Diesel angesprochen. Es wird dafür gebetet, dass keine Steuererhöhungen kommen, weil dies die Lebenshaltungskosten weiter in die Höhe treiben würde.

Als wir wieder herauskommen haben sich einige Polizistern um unser Tandem versammelt. Wir beantworten einige ihrer Fragen (Was ist das für ein Fahrrad? Woher? Wohin? Wie lange schon? Wie lange noch?) und fragen, ob wir das Tandem noch 10 Minuten hier stehen lassen können, um einen Blick ins Museum gegenüber zu werfen. Sie stimmen zu und passen sogar auf das gute Stück auf, bis wir wieder aus dem Museum kommen. Im Museum erfahren wir einiges über die Wunder, die sich hier ereignet haben sollen und die den Ort zum Wallfahrtsort gemacht haben. Das wichtigste Wunder war eine „wachsende“ Jesusfigur an einem Kreuz, das von einer indigenen Frau im Fluss gefunden wurde. Im Museum hängen tausende von Danksagungen und hinterlassene Gaben und Geschenke von Menschen, die hier wundersam geheilt wurden.

Bevor wir uns wieder auf den Weg machen, bedanken wir uns bei den Polizisten und erhalten noch einige gute Wünsche für unsere weitere Reise. Und – wie so oft in Kolumbien – ein „Danke, dass Sie unser schönes Land besuchen“. Wir beobachten noch kurz die Malerarbeiten an der Fassade, die aus der Ferne wie eine geklinkerte Fassade in Norddeutschland aussieht, tatsächlich ist alles aufgemalt und auch die weißen „Fugen“ werden händisch mit einem Pinsel aufgebracht.

Die weitere Fahrt führt weiterhin durch Zuckerrohrfelder. Immer wieder sehen wir die Gespanne auf der Straße, die hier „Tren Cañero“ heißen. Und sie wirbeln ordentlich Staub auf.

In „El Cerrito“ wollen wir eine Eispause machen, doch bevor wir den zentralen Platz erreichen erleben wir den zweiten Plattfuß in zwei Tagen, diesmal am Hinterrad. Es ist wieder ein innenliegender „Snakebite“. Eine Kontrolle der Felge unter dem Felgenband ergibt, dass hier noch alles in Ordnung ist. So ein „Snakebite“ entsteht an Schlaglöchern, wenn der Schlauch so stark zusammengedrückt wird, dass er innen an der Felge eingeklemmt wird. Eigentlich wäre hier ein höherer Reifendruck die Lösung, dann kann der Schlauch nicht so stark zusammengedrückt werden. Aber ein hoher Reifendruck ist ja seit unseren Felgenbrüchen Tabu. Wir wollen weiterhin bei 3 bar Reifendruck bleiben, aber geben in den nächsten Tagen vielleicht nochmal 0,1 bar oder 0,2 bar hinzu. Und wir werden wohl häufiger prüfen müssen, ob der Reifendruck noch hoch genug ist.

Die eigentlich geplante Pause machen wir danach am zentralen Platz. Viktor möchte unbedingt wieder eine Malteada trinken – dafür suchen wir ein Eiskaffee. Auf dem Platz sind mehrere kleine Stände – einer hat Eis. Jutta sucht sich eine Kugel Erdnusseis aus, und als nach einer ganzen Weile die Bestellung ausgeliefert wird, bekommt sie eine Waffel mit rotem Fruchteis in die Hand gedrückt. Das muss Viktor dann noch zusätzlich zur Arequipe-Malteada essen, und die Kugeln hier sind ziemlich groß. Diese Stärkung reicht auf jeden Fall bis zum Ziel. Es sind auch nur noch 20 Kilometer.

Diese ziehen sich dann aber noch etwas, denn wir müssen mehrfach am Rand anhalten. Irgendwas stimmt mit dem Tandem nicht. Die Lenkung hat sich schon wieder verstellt und muss gerichtet werden. Bei genauerer Prüfung zeigt sich, dass die Klemmung für die Teleskop-Funktion unter Juttas Sitz nicht fest genug sitzt. Jutta hat mit der Kraft ihrer Oberschenkel und dem kräftigen Abstützen an der Rückenlehne doch tatsächlich das Tandem weiter auseinandergezogen. Zwar nur ein paar Millimeter, aber das wirkt sich bei der Lenkung mit mehreren Winkelgraden aus.

Wir überprüfen alle zugehörigen Schrauben auf einen Bruch (alles o.K.!) und ziehen sie dann ordentlich fest. Schauen wir mal, wer ab jetzt stärker ist, Klemmschraube oder Jutta. ;-). Außerdem müssen wir beide Reifen schon wieder aufpumpen, der Druck ist seit gestern (vorne) bzw. seit El Cerrito (hinten) wieder gesunken. Auch das sollten wir im Auge behalten!

In Palmitas stehen wir wieder einmal verwirrt am von Komoot angegebenen Zielort – kein Hotel in Sicht. Aber selbst, wenn wir die Adresse von Booking.com bei google maps suchen, stehen wir richtig. Während Viktor schnell eine Cola braucht, geht Jutta auf die Suche und findet in der kleinen Nebenstraße das nach hinten versetzte, sehr nette Boutique – Hotel.

Nach dem Einchecken wird das Tandem nochmal auf den Kopf gestellt und der gesamte Rahmen auf Brüche abgesucht. Irgendwie fuhr es sich heute sehr „schwammig“ und Viktor hat den Eindruck, dass es auch bei korrekt eingestellter Lenkung leicht nach links zog. Auch Jutta meint, das Fahrgefühl sei irgendwie anders. Wir finden aber weder am Rahmen noch an der Federung irgendwelche weiteren Probleme. Auch alle Schrauben scheinen noch vorhanden und ordentlich festgezogen zu sein.

Zum Getränkekauf und Abendessen gehen wir die Hauptstraße runter Richtung Zentrum. Getränke sind schnell gekauft, aber ein (geöffnetes) Restaurant, dass nicht nur Fleisch verkauft, finden wir nicht. Also gibt es heute – sehr preiswert – in einer Panaderia mit Kartoffeln bzw. Banane/Käse gefüllte Teigtaschen.

Donnerstag 5.9.24 – (088) – Palmira – Cali

Gesamt: 5.442,38 km

Bevor wir das Frühstück im Hotel nutzen, packen wir bereits das Tandem und pumpen die Reifen nochmal auf 3 bar auf. Uns ist nicht ganz klar, warum der Reifendruck unter 3 bar gefallen ist, aber wir wollen ihn jetzt häufiger kontrollieren, um weitere Snakebite-Plattfüße zu vermeiden.

Wir fahren heute nur eine kurze Strecke bis Cali, gemeinsam mit gefühlten Tausenden von Mopeds. Wir sind richtig schnell unterwegs (Schnitt über 20 km/h), bis an der Einfahrt zur Stadt plötzlich gar nichts mehr geht. Der Lastwagenfahrer-Streik schlägt zu. An einer Brücke schlagen uns moderne Wegelagerer vor, eine Böschung herunterzufahren, denn ganz vorne käme man definitiv nicht weiter. Sie haben eine Art Rampe gebaut und versuchen, bei jedem Moped abzukassieren. Wir bleiben auf der Nationalstraße und schieben das Tandem an (und zwischen) den Lastwagen vorbei bis nach ganz vorne. Dort werden wir von Lastwagenfahrern durchgewunken und man hilft uns sogar das vollbepackte Tandem auf einen erhöhten Mittelstreifen zu heben.

Danach geht es quer durch die Stadt in den südlichen Stadtbezirk „El Ingenio“, wo wir uns im Hotel Amber einquartiert haben, um bei der Weiterfahrt die Stadt schnell wieder verlassen zu können, ohne im Verkehr stecken zu bleiben.

An einer Brücke werden wir vor einer roten Ampel von einer Gruppe Fahrrad-Aktivisten angesprochen, die gerade eine Demonstration für die Wiederherstellung eines kürzlich an dieser Stelle zurückgebauten Radwegs beendet haben. Am kommenden Wochenende ist „Dia del Aire“ (Tag der Luft) und der soll genutzt werden, um Lobby-Arbeit für dieses verlorene kurze Stück Radweg zu machen. Viktor wird für Social Media interviewt und erklärt, warum eine gute Luftqualität uns Radelnden so wichtig ist. Wir haben keine Ahnung, wer das vielleicht wann und wo posten wird. Wir bleiben relativ lange an der Kreuzung stehen und beantworten viele Fragen. Viktors Garmin-Uhr erkennt aufgrund des Stillstands an einer Kreuzung offenbar einen Notfall, fängt an wie wild zu vibrieren und zeigt an, dass jetzt eine Notfall-Nachricht an unseren Sohn Julius gesendet wird. Gerade noch rechtzeitig kann dieser Vorgang abgebrochen werden. Jutta kriegt noc einen kleinen Werbezettel in die hand gedrückt, den wir tatsächlich am Folgetag nutzen.

Foto flyer

Bis genau zu dieser Kreuzung ist die Straße noch sehr leer, weil keine Autos am LKW-Sreik vorbeikommen, aber als wir dann auf eine kilometerlange Straße Richtung Süden abbiegen, landen wir in einem riesigen Freiluft-Markt, der vor den Geschäften am Straßenrand auf der Straße aufgebaut ist. Der Verkehr dazwischen ist fast zum Stillstand verdammt, trotzdem fahren hier viele Autos. Es geht sehr zäh vorwärts, bis der Markt endet und sich die ganze Umgebung ändert. Auf dieser einen langen Straße durchqueren wir wohl mehrere Viertel, die sich ziemlich deutlich unterscheiden.

Vor zehn Uhr kommen wir am Hotel an, dürfen das Tandem in die Tiefgarage stellen, können aber noch in kein Zimmer. Das Hotelrestaurant – Café hat (im Gegensatz zu vielen anderen, die geschlossen waren bzw. sind) geöffnet, und wir trinken einen Kaffee. Am Nachbartisch sitzt ein Herr und spricht uns auf Niederländisch an – wir erkennen es erst gar nicht. Er kommt aus Aruba, erzählt er, und dass dort neben Papiamento auch Niederländisch Amtssprache ist. Das ist aber auch schon der gesamte Austausch.

Da es hier in Cali (über 2 Mio. Einwohner) keine Bahnen gibt und eine Busfahrt ins Zentrum recht kompliziert und langwierig wäre, lassen wir uns von einem (gelben) Taxi ins Zentrum fahren – Jutta noch in den Radfahrklamotten, Viktor hat sich in der Tiefgarage umgezogen. Der Taxifahrer empfiehlt uns das Barrio (Stadtviertel) Granada, und wir laufen ein bisschen dort herum auf der Suche nach der historischen Schönheit und kolonialer Architektur. Mittags teilen wir uns einen leckeren Vorspeisenteller bei El Sirio, einem Syrischen Restaurant. Anschließend geht es langsam zum Archäologischen Museum, dem Treffpunkt für eine „Free Walking Tour“, die wir für 15 Uhr gebucht haben. Dort wollen wir um die Ecke noch etwas trinken, finden eine schöne grüne Oase in einem Innenhof, allerdings sind die zwei Bedienungen des Cafés sehr, sehr unmotiviert. Um die Bestellung kümmern wir uns irgendwann an der Theke (auf der sie lustlos ihren Kopf in die verschränkten Arme gelegt hat) selbst, und beim Bezahlen bekommt die junge Dame auch die 10% Trinkgeld nicht hin. Sie wundert sich nicht im geringsten, dass das Trinkgeld bei ihr den zu zahlenden Betrag mehr als verdoppelt hat, als sie diesen eintippt.

Am Museum treffen wir dann auf unseren Guide Lem und auf nur eine weitere Teilnehmerin – eine in Griechenland lebende Belgierin. Wir haben also quasi eine private Tour! Mit Lem gehen wir kurz ins Goldmuseum, wo er uns die vier Epochen der in dieser Gegend lebenden Bevölkerung erklärt. Des Weiteren erfahren wir, dass die Kirche „La Ermita“ den Turm nach Vorlage des Turm des Ulmer Münsters und den Rest nach Vorlage des Kölner Doms hat. Sie war ein Geschenk Deutschlands, da „wir“ uns im 1. Weltkrieg junge Kolumbianische Soldaten ausgeliehen haben, quasi als Dankeschön. Er erzählt uns von zwei weiteren Dingen, die Deutschland Cali geschenkt hat, aber sie fallen uns schon nach der Tour nicht mehr ein. Wir glauben, es war das Kupferdach eines Gebäudes, aber wir wissen nicht mehr welches.

Das Teatro Jorge Isaacs verfügt über die weltweit zweitgrößte Akustik-Box über der Bühne, die zur Verstärkung der Lautstärke von Sprache und Gesang ohne Mikrofon und Verstärker dient. Sie überragt das Gebäude und ist auch von außen gut erkennbar.

Akustik-Box auf dem Gebäude des Theaters

An der Plazoleta Jairo Varela erklärt er uns, dass die dort aufgestellten „Trompeten“ das Wort „Niche“ darstellen, zur Würdigung dieser wichtigen Kolumbianischen Musikgruppe. Aus allen vier Trompeten schallt 24 Stunden täglich deren Musik, im Inneren stehen thematisch sortiert die Liedtexte, und Lem zeigt uns dort auch kurz, wie man Salsa tanzt.

Außerdem ist der ganze Platz ein „Kunstwerk“: auf dem Boden sind sieben farbige Bahnen dargestellt, die für die sieben Flüsse stehen, die durch die Stadt fließen. Eine Überdachung ist so geformt, dass sie den Wind darstellt, der hier jeden Tag ab 15/15:30 Uhr vom Pazifik ankommt und die Stadt zuverlässig wiederkehrend täglich abkühlt. Und da der Pazifik „gleich hinter dem Berg“ beginnt, ist auch er im Platz mit verarbeitet.

Die Lage Calis, links der Pazifik, rechts die Andenkette, ganz rechts das „Valle de Cauca“ mit Cali. Der kühlende Seewind schafft es am Nachmittag zuverlässig über die Bergkuppe und kühlt das Tal und damit auch Cali.

Wir gehen hinunter in die pazifische Tiefe des Platzes, und Lem erklärt uns sehr sangesfreudig, wie die Salsa entstanden ist und weshalb Cali heute die Hauptstadt des Salsa ist.

Pazifische Tiefe des Platzes

Hier in Cali entstand erstmals eine rhythmisch beschleunigte Mischung verschiedener afrokaribischer, lateinamerikanischer und jazziger Tanzmusik, unter anderem auch dadurch, dass Schallplatten mit 45 RPM abgespielt wurden statt mit 33 RPM. Das erste Konzert einer amerikanischen Band wurde fast zum Flop, weil das Publikum die Musik nur in der beschleunigten Fassung kannte und nicht so langsam tanzen wollte, wie die Band sie spielte. Im multikulturellen „melting pot“ von New York entwickelte sich das Ganze dann in den 70iger Jahren immer weiter. Zum Begriff Salsa (korrekt übersetzt: Soße) gibt uns Lem diese Story zum Besten, die man auch auf Wikipedia findet:

Wie der Begriff „Salsa“ entstand

Seit der Coronazeit, als auch hier alle Clubs geschlossen blieben, findet hier jeden Freitag abend ein öffentliches Salsatanzen auf der Straße statt.

Wir lernen von Lem noch, dass es hier keine richtigen Hochhäuser gibt – außer weiter draußen in den Bergen – weil die Stadt Cali um eine Militärbasis herum gewachsen ist und die Flieger sonst nicht starten und landen könnten. Und – eine weitere Parallele zu Wangerooge (die erste ist der abendlich aufkommende Wind) – es gibt hier eine Männerstraße und eine Frauenstraße (Damenpfad und Herrenpfad auf der Insel Wangerooge), die beide zum Rio Cali führen. Als früher die Menschen im Fluss gebadet haben, waren dies die Zuwege zum Damen- und Herrenbad.

Nach der Tour fahren wir mit einem Taxi zurück zum Hotel, checken erst einmal ein, kämpfen ein wenig mit dem W-LAN (der gute Mann an der Rezeption gibt uns nacheinander zwei Passwörter für Netzwerke, die wir im Zimmer gar nicht empfangen – wir haben einen TP-LINK-Router im Zimmer und ein eigenes Netz, erfahren wir am nächsten Morgen von seiner Kollegin) und essen im Hotelrestaurant. Auch hier ist die Bedienung nicht wirklich arbeitswillig, fällt uns auf…

Freitag 6.9.24 – Cali (Ruhetag)

Wir sind um 9 Uhr am Boulevard del Rio zu einer Cali Bike Tour angemeldet, weshalb wir nach dem Frühstück mit einem Taxi dorthin fahren. Vor der „Pizzicleta“ ist Treffpunkt, und dort treffen wir auf Edwin, einen der Fahrradaktivisten von gestern. Wir bekommen angepasste Leihfahrräder und warten noch ein wenig auf Alejandro, den zweiten Aktivisten, der auf dem Hinweg einen Platten flicken muss.

Als wir komplett sind, sprechen wir ein wenig unsere Wünsche und damit die Route ab, und es geht los.

Wir fahren zum „Parque de los Gatos“ und zum „Parque del Perro“, besichtigen ein kleines Essigmuseum, in dem wir Türkisches Soda probieren (mit Estragon, Fruchtessig und Sprudelwasser) und erfahren, dass die Betreiber von Menschen aus der Nähe von Wiesbaden gelernt haben, wie man Fruchtessige und Cidres macht und dass der Bioreaktor, mit dem sie in den Bergen über Cali den Essig herstellen, von einer Firma aus Bad Honnef stammt (Cetotec). Die sind weltweit Marktführer, und die Fernwartung und Prozessüberwachung findet täglich online statt – es musste nach der Inbetriebnahme noch nie ein Techniker von dort nach Kolumbien kommen, das geht alles auch so.

Die Runde ist viel größer als per pedes möglich, und so können wir durch drei verschiedene Barrios fahren, die zu den ältesten gehören und wo noch viele Häuser im Kolonialstil erhalten sind: San Antonio, San Fernando und San Juan Bosco. Wir halten auch kurz an der ältesten Druckerei „La Linterna“ mit Druckmaschinen aus dem 19. Jahrhundert.

Nach der Tour sitzen wir noch recht lange mit Edwin und Alejandro beim Kaffee zusammen und sprechen über Fahrrad-Aktivismus, Mobilitäts- und Umweltpoltik und das potentielle „Vorbild“ Deutschland und Europa, auf das sie immer wieder zu sprechen kommen. Leider müssen wir sie dabei ein wenig enttäuschen, als wir die aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland beschreiben, die aufzeigen, dass eine grüne Regierungsbeteiligung in manchen Bereichen sogar zum Gegenteil dessen führen kann, was man eigentlich erreichen wollte. Positives „Storytelling“ – also der Fokus auf „Was gibt es zu gewinnen“, statt „Was wollen wir dir wegnehmen“ ist dabei wohl das A und O. Und Cali hat da Einiges zu bieten, denn die Promenade auf der heute jeden Freitag Salsa getanzt wird (und auf der Rad- und Fußverkehr gleichermaßen erlaubt sind), war bis vor wenigen Jahren noch eine vielbefahrene Straße, die heute in einem Tunnel verläuft. Ein echter Gewinn an Lebensqualität.

Wir fahren nochmal für ein paar Stunden zurück ins Hotel, um alles für die morgige Weiterfahrt vorzubereiten und noch am Blog zu schreiben. Dann geht es am späten Nachmittag ein letztes Mal ins Zentrum. Wir essen in einem Restaurant am Boulevard del Rio am Cali-Ufer zu Abend und schauen uns dann das Treiben auf dem Boulevard an. Es wird weniger getanzt als wir erwartet hatten, aber diese Stimmung ist schon etwas ganz Besonderes.

Samstag 7.9.24 – (089) – Cali – El Hogar

1.483 Meter bergauf!

Gesamt: 5.528,65 km

Bei noch relativ frischem Wetter (der starke Wind von gestern hat die Luft gut abgekühlt) radeln wir um sechs Uhr los. Obwohl wir das Hotel extra im Süden der Stadt gebucht haben, sind es noch elf weitere Kilometer bis zur Stadtgrenze, und anschließend folgt sofort Jamundí. Die 25 ist für einen Samstagmorgen um kurz nach sechs sehr, sehr voll – wo wollen die alle hin? – und als dann die letzte Siedlung vorbei ist, wird es schlagartig leerer.

An einer Terpel-Tankstelle mit Mini-Altoque frühstücken wir besser als erwartet. Die junge Bedienung reist sehr gern nach Ecuador, und am liebsten an die Küste. Drei Herren, die sich das Tandem anschauen, warnen uns ein bisschen vor der heute beginnenden Gegend, dem Departamento Cauca, da sich dort noch Drogenkartelle Kämpfe liefern. Wir müssen aber dort durch, um nach Ecuador zu kommen. Ist diese Gegend jetzt weniger gefährlich als z.B. die Küste in Ecuador? Wir wissen es (noch) nicht!

Weiter geht es bis Santander de Quilichao, das wir als erste Übernachtungsmöglichkeit geplant haben, wo wir aber schon vor neun Uhr ankommen und nur in einer Panaderia Panamericana Pause machen. Es läuft heute so gut, da wollen wir noch ein bisschen weiterkommen. So geht es frisch in die erste Steigung, direkt hinter dem Ort beginnen die kräftigeren Anstiege in Richtung Popayan, Pasto und Ecuador.

Richtig genießen kann man die Natur hier nicht, es ist zu viel Blech auf der Straße, und es staubt und stinkt zeitweise auch ziemlich stark. Mondomo haben wir als nächste Übernachtungsmöglichkeit eingeplant, es ist allerdings auch hier noch nicht einmal 12 Uhr mittags, als wir ankommen und der Ort bietet nichts, was uns dort den ganzen Nachmittag halten würde. Wir bestellen uns also nur ein „Almuerzo“ (Mittagessen) aus Hähnchen mit Reis, das wir uns brüderlich teilen – Viktor das Hähnhcen, Jutta den Reis – und fahren also nochmal weiter, auch wenn es sehr viel bergauf geht. 12 Kilometer weiter, in Pescado, gibt es das nächste Hotel. Das können wir noch schaffen.

Im Ort Pescado geniessen wir erst einmal zwei Banana-Split an einem Stand. Dieses Mal nicht als Motivation, sondern als Belohnung für die überwundene Steigung. Dafür sagen wir vielen Dank an Britta und Stefan für die Spende!

Danke an Britta und Stefan! Mit richtig viel Obst diesmal!

Wir fahren noch die 200 Meter, die es laut Google bis zum Hotel sind. Dort sagt man uns aber, es läge noch eine Abfahrt weiter, der PIN bei Google ist mal wieder nicht richtig gesetzt. Dort angekommen, stehen am Tor zwei Handynummern – man soll per WhatsApp reservieren. Eh eine Antwort kommt, sind wir schon die Auffahrt hoch. Dort ist außer einem Pferd leider niemand, aber wir sehen draußen Wäsche hängen. Dummerweise schickt der Betreiber dann eine negative Antwort, sie haben kein Zimmer frei! Inzwischen ist es fast 15 Uhr, und wir haben eigentlich genug, sind fast so weit, dort auf dem Grundstück zu zelten. Aber der Betreiber schreibt auch, dass es acht Kilometer weiter ein Hotel an einer Petromil-Tankstelle gibt. Google sagt zwar zwölf Kilometer, aber irgendwo dort müsste es dann ja hoffentlich liegen.

Wir ringen uns durch, auch diese Strecke noch zu bewältigen (war es also am Ende doch ein Motivationseis!). Alle Höhenmeter, die wir heute schaffen, brauchen wir morgen nicht mehr zu fahren! Und es sind nicht nur die Steigungen – hier wird heute an der ganzen Panamericana-Strecke immer wieder gearbeitet, mit Baustellen-Stoppschildern und einspuriger Verkehrsführung, so dass wir alle paar Kilometer wieder stehenbleiben müssen, bis unsere Richtung freigegeben wird und wir durch die Baustelle fahren können. Natürlich haben wir auch noch ständig im Kopf, dass wir unbedingt im Hellen ankommen müssen, wegen der angespannten Sicherheitslage im Departamento Cauca. Und dunkel wird es hier in Äquatornähe nun mal bereits bereits um kurz nach sechs Uhr. Wenn das nächste Hotel kein Zimmer frei hat, haben wir ein kleines Problem, wir hoffen aber, dass man uns dann vielleicht hinter dem Hotel zelten lässt.

Verschiedene befragte LKW-Fahrer geben immer wieder andere Antworten, wie weit es noch ist – Viktor ist schon ganz empört, dass sie anscheinend ahnungslos sind und vor lauter Hilfsbereitschaft einfach irgendeine zufällige Kilometerzahl als Antwort geben – aber irgendwann erscheint hinter einer Kurve die ersehnte Petromil-Tankstelle. Um viertel vor fünf, nach fast elf Stunden, 86 Kilometern und 1.483 Höhenmetern bergauf (der nächste Rekord nach nur einer Woche) checken wir für weniger als 10€ im Hotel ein. Nach einer (warmen!!) Dusche (wenn auch wieder mal ohne Duschkopf) gibt es hier dann auch noch ein ganz gutes Abendessen, anschließend beenden wir den Tag im heißen, hellhörigen Zimmer ohne Klimaanlage. Die Betreiberin hätte uns übrigens nicht hier zelten lassen, wenn sie kein Zimmer mehr frei gehabt hätten. Aber das Ehepaar, das das Restaurant betreibt, hat ein Haus in der Nähe und hätte uns das Zelten dort erlaubt.

Sonntag 8.9.24 – (090) – El Hogar – Popayán

702,9 Meter bergauf

Gesamt: 5.569,29 km

Die Restaurant-Betreiberin Yulieth hat gestern abend gesagt, sie würde gerne einmal auf dem Tandem fahren, und so dreht Viktor heute früh zwei Runden mit ihr als Stokerin (Teleskopstange bis zur eins ‚reingeschoben) auf dem Tankstellenplatz:

Leider mussten wir den Ton herausschneiden, da im Hintergrund an der Tankstelle laut das Radio lief und dadurch ein Musikfetzen mit aufgezeichnet wurde. Die Anwälte der Abmahnindustrie, für Viktor die schwärzesten aller schwarzen Schafe unter den Rechtsanwälten, mag das nun mal gar nicht. Youtube zeigt deshalb leider eine Fehlermeldung an und Ihr könnt das fröhliche Lachen von Yulieth jetzt nicht hören:

Gesperrtes Video mit Ton (auf Handys scheinbar sichtbar, deshalb noch einmal als Screenshot)

Als Gegenleistung bekommen wir von Ruben und ihr einen kostenlosen Kaffee mit Milch (und Zucker) aus dem Kaffeeanbau ihrer Familie in den Bergen. Ihr Vater ist zudem auch noch Imker – wie Viktor :-). Um halb sieben verlassen wir die Petromil-Tankstelle und begeben uns auf die Fahrt über die sieben Berge (zu den sieben Zwergen – nein – nach Popayán).

Höhenprofil des heutigen Tages

In einer der ersten Steigungen überholt uns ein Auto, das Seitenfenster auf der Beifahrerseite ist geöffnet und knapp vor uns fliegt eine Glasflasche haarscharf an Juttas Gesicht vorbei auf die Straße und zerschellt in tausend Scherben. Unfassbar! Auf den nächsten Kilometern sehen wir immer wieder Smirnoff-Wodka-Glasflaschen im Graben liegen, teils zerschellt, teils noch heile. Wir vermuten, dass hier jemand jeden Morgen auf die gleiche Art seine Altglas entsorgt.

Auf den ersten Abfahrten ist es noch recht kühl, das ändert sich aber schnell. Heute, am Sonntag, sind auch hier viele andere Radfahrende unterwegs. In den Abfahrten überholen wir sie, in den Steigungen fahren sie uns davon.

Auch die Baustelle geht heute noch weiter. Zwischen Santander de Quilichao und Popayán wird anscheinend eine neue Straße mit wesentlich weniger steilen Steigungen gebaut, es entstehen viele neue Brücken. Spart dann irgendwann Zeit und Treibstoffe, denn die vielen mehrachsigen LKW hier haben mindestens so zu kämpfen wie wir und blasen uns ihre schwarzen Diesel-Abgaswolken ins Gesicht. Leider ragen nur wenige LKW-Auspuffrohre vertikal in die Luft, was für uns auf dem Fahrrad deutlich angenehmer ist.

Die sieben Berge sind heute alle auf relativ hohem Niveau, und so haben wir viele schöne Aussichten. In Piendamo, wo ursprünglich die heutige Übernachtung geplant war, wollen wir frühstücken, und fahren in den Ort hinein. Dort sind alle Läden geschlossen, und die ganze Hauptstraße liegt recht verschlafen da, bis wir am Busterminal ankommen. Dort tobt das Leben, es wird laut gerufen, und die Panaderia dort hat glücklicherweise geöffnet. Wir kaufen heute mal ein kleines Brot und beschmieren es mit unserer seit Wochen nicht benutzen Marmelade bzw. Haselnusscreme. Dabei hören wir von draußen ständig unseren heutigen Zielort, den ein Buseinweiser weist den Fahrgästen den Weg zum richtigen Bus nach Popayán;

Wohin geht es heute?

Weiter geht es, immer schön rauf und runter. Das Schalten in der Talsohle am Ende einer Abfahrt ist manches Mal – trotz Rohloff-Schaltung, mit der man mehrere Gänge überspringen kann – gar nicht so einfach, da es so schnell wieder heftig steil wird. Eine weitere Pause machen wir relativ kurz vor Popayán. Dort pausieren auch gerade mehrere Wohnmobilreisende, mit denen wir uns angeregt austauschen. Auf beiden Wohnmobilen prangt jetzt unser Aufkleber.

Bei der Einfahrt in die Stadt werden Jutta von einem überholenden Rennradfahrer Ritz-Cracker und eine Banane als Geschenk zur Stärkung gereicht, kurz darauf bleiben er und ein anderer stehen, um uns auszufragen und Bilder zu machen.

In Popayán halten wir erst vor dem falschen Hotel, sind 130 Meter zu weit gefahren. Eine knappe Stunde später (aber immer noch vor 12 Uhr) sind wir am richtigen Hotel. In der ganzen Innenstadt ist heute der letzte Tag eines Gastronomie-Festivals, und sehr viele der Einbahnstraßen sind gesperrt. Das Handy hat kein Netz, findet nicht einmal den aktuellen Standort, und so kreisen wir schiebend durch die Straßen, bis wir endlich am richtigen Hotel sind, an dem wir schon bei der Einfahrt in die Altstadt vorbeigekommen waren, ohne es jedoch zu bemerken. Sehr zentral und schön, und wir wollen heute unsere Knochen und Muskeln ausruhen und die Weiterfahrt durch die Anden planen.

Nachmittags merken wir, dass die Planung nicht sehr leicht von der Hand geht, da die Berge bis zur Grenze nach Ecuador jetzt so steil werden, dass wir, wenn wir bei unseren max. 1000 Höhenmetern täglich bleiben wollen, alle 20 bis 30 Kilometer übernachten müssen. Deshalb beschließen wir, auch hier noch eine Nacht dranzuhängen, um morgen weiter suchen zu können und alternativ auch am Busbahnhof fragen zu können, wir eine Busalternative aussähe.

Zum Abendessen sucht Viktor eine Pizzaria mit Sauerteigpizza aus, die gleich hier sein soll. Am Frontdesk der Herr erklärt uns den Weg, der uns irgendwie zu weit vorkommt, aber wir essen dort sehr leckere Pasta (mit Salat vorneweg) und die Menschen dort sind wirklich nett und hilfsbereit. Als wir später im Hotel noch zwei Wasserflaschen kaufen, ist auf diesen das Etikett der gesuchten Sauerteig-Pizzeria – es handelt sich um das Hotelrestaurant! Da ist der Mitarbeiter wohl nicht richtig geschult …

Woche 22 (26.8.24 – 1.9.24) – Medellín – Neira

Montag 26.8.24 – Medellín (Ruhetag 11)

Für heute haben wir uns nichts vorgenommen.Wir schlafen ein wenig länger und frühstücken im Hotel. Heute gibt es „Arepa Venezolana“, eine mit Fleisch und Käse gefüllte Maistortilla, die deutlich aromatischer ist als die Quesadilla, die es hier sonst immer zum Frühstück gibt.

Viktor beschäftigt sich vormittags noch mit den Videoaufnahmen der GoPro-Actioncam von der Sicleada am vergangenen Mittwoch, aber leider gibt es auf dem Laptop Kompatibilitätsprobleme zwischen der Schnittsoftware und dem GoPro-Videoformat. Beim erforderlichen Umwandeln und Zusammenschneiden der Videoclips geht die Audiospur verloren. 🙁

Am späten Vormittag entscheiden wir uns dann doch noch für eine Aktivität und machen uns auf den Weg zum „Museo de Antioquia“ an der Plaza Botero, in dem weitere Kunstwerke von Botero sowie aus seiner Sammlung internationaler Kunstwerke zu sehen sind, die er dem Museum noch zu Lebzeiten gespendet hat. Botero ist 2023 im Alter von 91 Jahren in Monaco verstorben.

Auf dem Weg dorthin gehen wir einen Kaffee im Bohemio – schon fast unserem Stammlokal – trinken. Viktor kauft an einem Straßenstand eine Packung „Solteritas„, weil Jutta sich in den letzten Tagen wiederholt gefragt hat, was denn wohl diese knallorangefarbenen runden Dinger sein können. Dazu bekommt er eine ebenso orange Creme. Im Café versucht er vergeblich, eine Solterita in die Creme zu tunken, aber die ist so fest wie Wackelpudding … de funktioniert kein „tunken“. Unsere „Stammbedienung“ wird befragt, kennt sich aus, grinst … und bringt dann einen Löffel und sagt etwas von „untar“, also „schmieren“. Viktor löffelt sich also die süße, gefärbte Creme auf das salzige, frittierte, gefärbte Teil, verschmiert es und stellt fest, dass Kinder das süße Zeug wahrscheinlich sehr gerne essen. Jutta verzichtet dankend.

Im Museum kann Viktor die Tüte mit dem Rest der Solteritas und der Creme einschließen lassen. Es wird uns erklärt, dass wir im dritten Stock beginnen sollen. Und das ist dann auch die einzige Erklärung. Das Gebäude ist mehrflügelig, und es gibt weder einen Rundgang noch eine hilfreiche Beschilderung. Die ganze Etage ist eine Botero-Etage, einerseits Werke anderer Künstler aus seiner privaten Sammlung (er wollte mit der Spende anderen, jungen Künstlern ermöglichen, sich internationale Kunst-Originale anschauen zu können, was ihm als jungem Mann nicht möglich war) und andererseits seine eigenen Werke.

Leider suchen wir die Kunstwerke zum Kreuzweg (Judaskuss, Kreuzigung), die wir gestern in der Metro gesehen hatten, heute in den Ausstellungsräumen vergeblich. Sie sind nicht Teil der Dauerausstellung und befinden sich teilweise als Leihgaben im Ausland.

Das Treppenhaus beherbergt ein großes Wandgemälde aus dem Jahr 1936 „El problema del petróleo y la energía“ (Das Problem des Erdöls und der Energie):

Es scheint also schon vor 88 Jahren klar gewesen zu sein, dass „Petroleum“ zu Problemen führt. Hat sich die Menschheit nicht sehr darum geschert…

Zwischen dem zweiten und ersten Stock brauchen wir etwas zu trinken. Im Untergeschoss gibt es ein Café, das man kaum findet, das aber ganz nett ist. Warum nur schildern sie hier nichts ordentlich aus?

Nach mehreren Stunden im Museum beenden wir den Besuch und gehen erst einmal zurück zum Hotel. Zu halb sieben sind wir mit dem Warmshowers-Gastgeber Camillo verabredet, nicht etwa, weil das Paket angekommen ist, sondern weil wir ihn zum Essen einladen wollen. Wir haben einen Italiener ausgesucht, der direkt bei dem Hochhaus liegt, in dem er wohnt. Er hat bis acht Zeit, weil er sich da mit den Siclas trifft, um die Sicleada für die kommende Woche zu planen. Die Route für diesen Mittwoch wurde schon letzen Montag geplant. Die Gruppe trifft sich also wöchentlich, um eine neue Route für die ebenfalls wöchentlich stattfindenden Touren zu planen. Das ist mal Engagement!

Camillo erklärt sich bereit, uns das Paket mit den Ersatzteilen im schlimmsten Fall nachzusenden. Wir haben uns jetzt eine Art Stichtag gesetzt; wenn das Paket nicht – wie von der Post angekündigt – bis Donnerstag eingetrifft, werden wir uns einfach wieder auf den Weg machen. Eventuell prüfen wir vorher noch die neuen Felgen auf möglich Risse.

Die Schaltung haben wir mit den hier gekauften Einstellschrauben wieder fit gemacht. Auch wenn es keine Original-Rohloff-Einstellschrauben sind, sollte das erstmal halten. Neue Bremsklötze haben wir seit Panama im Einsatz (gerade mal 500 km). Reifen, Ketten und Bremsscheiben sind nach nur 5.000 Kilometern sowieso noch nicht fällig. Die müssten noch problemlos ein paar tausend Kilometer durchhalten. Ursprünglich wollten wir ja hier in Medellín schon bei 8.000 Kilomtern liegen.

Kommt das Paket rechtzeitig an, werden wir die Reifen wechseln und die Ketten und Bremsscheiben bei „Ideal Bike“ in Medellín überprüfen lassen. Diese werden wir aber nur wechseln, wenn es wirklich erforderlich sein sollte. Andernfalls wird das Ersatzteilpaket bei Camillo gelagert, bis wir es unterwegs benötigen sollten. Er ist ein unheimlich netter und hilfbereiter Typ und erklärt sich sofort bereit, das Paket im Keller zu lagern bis wir es benötigen und er es uns irgendwo nach Südamerika nachschicken kann.

Dienstag 27.8.24 – Medellín (Ruhetag 12)

Wir haben nichts vor und verbringen die ersten Stunden des Tages damit, eine vermeintlich fehlerhafte Kreditkartenbuchung von einem Hotel in Guatapé am Samstag Abend zu reklamieren. In der App klappt dies nicht, ohne die Kreditkarte zu sperren (was extrem ungünstig wäre), und das Hotel anzurufen klappt ebenfalls nicht. Als Viktor nach draußen geht, um es von dort zu probieren, erfährt er, dass das Anrufen von Handynummern vom Hotel aus nicht klappt, egal von welchem Telefon. Er erzählt, was er vorhat, und der Hotelmitarbeiter ruft irgendwo an und reicht Viktor das Telefon. Die Dame am anderen Ende sagt, er wäre doch in dem Restaurant des Hotels essen gewesen. Viktor verneint dies, er wäre in keinem Hotel in Guatapé essen gewesen. – Doch! – Mit wem spreche ich denn? – Und da klärt es sich auf: die Dachterrasse unseres Hotels in Medellín ist gemeint, wo wir am Samstag essen waren. Die beiden Hotels haben denselben Besitzer, und wenn man hier oben mit der Karte zahlt, erscheint auf der Abrechnung das andere Hotel in Guatapé. Unten an der Rezeption passiert das nicht. Woher soll man so etwas, bitte schön, wissen.

Außerdem wechseln wir die Cleats von Juttas Sandalen an die Halbschuhe, die ab hier wieder mit transportiert werden müssen (waren im Paket aus Santa Barbara). Das Abschrauben von den Sandalen dauert etwas, erst muss mit dem Taschenmesser der ganze festgetretene Dreck aus den Schraubenköpfen gekratzt werden. Ab sofort fährt Jutta also mit Halbschuhen (und Socken – hoffentlich ist es nicht zu heiß) und hat dann aber abends Schuhe zum Wechseln.

Der Reifenhersteller Schwalbe reagiert heute endlich, nachdem wir es nochmal zweigleisig per E-Mail und über das Kontaktformular auf der Webseite probieren. Hier die Antwort auf unsere Vermutung, dass der Defekt der Felgen an den dickeren Karkassen der Pick-Up Lastenradreifen liegen könnte:


Sehr geehrter Herr Makowski,
vielen Dank für Ihre Anfrage und das damit verbundene Interesse an unseren Produkten!
Das von Ihnen geschilderte Schadensbild haben wir in der Vergangenheit bereits gesehen, jedoch unabhängig von Felgenmodell, Reifenmodell bzw. -Konstruktion und Größe.
Erfahrungsgemäß kommt es zu solchen Defekten, wenn eine Felge mit zu hohem Luftdruck, gepaart mit einer hohen Achslast überlastet wird. Auch die Speichenspannung, hohe Stoßbelastungen durch den Untergrund (z.B. Schlaglöcher, Kopfsteinpflaster etc.) sind weitere Punkte, welcher in Kombination mit den genannten Faktoren zu einer Überlastung der Felge führen können.
Was den Luftdruck angeht, so wirkt ein Reifen dieser (sic!) mit derselben Kraft auf die Felge (die Karkassen-Konstruktion hat keinen Einfluss, sofern der Luftdruck gleich hoch ist).
Aus Ihrer parallel eingesandten Mail lesen wir, dass bereits Versuche unternommen wurden, den Felgenhersteller zu kontaktieren.
Es tut uns daher sehr leid, jedoch bleibt auch uns hier nur der Rat, sich an den Felgenhersteller zu wenden, da nicht der Reifen Ursache des Schadens ist.
Wir hoffen, dass wir mit dieser Auskunft dennoch behilflich sein konnten und wünschen Ihnen viel Erfolg!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Schwalbe-Team
Support Center | Internal Sales


Da wir am Anfang unserer Tour mit 3,5 bar Reifendruck bereits am unteren Wert lagen, der auf den Mänteln aufgedruckt ist, werden wir da wohl nicht mehr viel machen können. Wir sind schon auf 3 bar heruntergegangen, aber „schwammiger“ darf die Lenkung echt nicht mehr werden. Wir müssen also noch konsequenter Gewicht sparen und schlechte Wegstrecken mit Schlaglöchern oder Kopfsteinpflaster meiden, was in Südamerika …. ach lassen wir das. 😉

Da es gegen 10:30 Uhr noch keine Neuigkeiten zum Paket gibt, gehen wir ein paar Schrauben besorgen und nach einem Adapter für die Halterung der GoPro-ActionCam suchen, letzteres allerdings vergeblich. Vor der Rückkehr trinken wir noch einmal Kaffee aus Bechergläsern im Laboratorio del Café, das hat uns gefallen.

Jutta ergoogelt im Hotel eine Software, mit der man die GoPro-Videos inklusive Ton bearbeiten und umwandeln kann und installiert diese auf dem Laptop, während Viktor im Keller am Tandem und der GoPro-Halterung herumschraubt. Nach etwas Einarbeitung in den VSDC-Editor bekommen wir die Aufnahmen der Sicleada letzten Mittwoch hin, so dass jetzt ein Video mit Ton verfügbar ist.

Wer einen Eindruck von unserem Hotel bekommen möchte, hier ist ein GoPro Video:

Auch um 16:30 Uhr haben wir noch keine Nachricht über die Auslieferung des Paketes. Das wird also heute wieder nichts. Die Stimmung ist trotzdem nicht mehr ganz so mies wie gestern, denn wir wissen jetzt, dass wir am Freitag weiterfahren werden, wenn das Paket am Donnerstag nicht eintrifft. So haben wir einen klaren Plan und es ist ein Ende des Wartens in Medellín abzusehen.

Wir machen uns nochmal auf den Weg zur Plaza Botero, denn wir wollen das Restaurant am Museo de Antioquia ausprobieren. Das hat ein nettes Ambiente und Viktor will nochmal eine „Bandeja Paisa“ mit der obligatorischen Blutwurst probieren.

Unterwegs kaufen wir noch eine Packung Solteritas nach, denn die Hälfte der Creme ist noch übrig. Da muss sich noch jemand opfern und sie vernaschen.

Mittwoch 28.8.24 – Medellín (Ruhetag 13)

Heute geht es Schlag auf Schlag! Endlich!

Nach dem Frühstück ruft Viktor noch einmal bei 4-72, der Kolumbianischen Post, an, damit wir bestätigt bekommen, dass wirklich spätestens morgen die Auslieferung des Paketes geplant ist. Die Dame am anderen Ende sagt, sie hätten noch bis übermorgen (also Freitag) Zeit, aber wir könnten das Paket heute schon abholen kommen. Jutta reicht schnell den Kugelschreiber und einen alten Karton, dann wird die Adresse durchgegeben und die drei Dokumente, die mitzubringen sind (Zolldokument, Quittung über die Zahlung der Zollgebühren und Kopie des Ausweises) – und zwar zwingend auf Papier.

Wir versuchen, alles unten an der Rezeption drucken zu lassen: mit der geschickten E-Mail geht es nicht, also schickt Viktor alle Anhänge nochmal per WhatsApp. Dann kommen drei weiße Blätter Papier aus dem Drucker. Die Tinte ist entweder leer oder eingetrocknet. Aber zwei Blöcke vom Hotel entfernt soll es einen Druckerservice geben. Wir machen uns auf den Weg und haben zwei Personen vor uns. Während des Wartens schickt Viktor die Seiten an die neben dem Schalter hängende Mailadresse. Als wir an der Reihe sind, muss nur noch entschieden werden, ob schwarz-weiß oder in Farbe, und – zack – bekommen wir vier Seiten (Reisepass und Personalausweis jeweils einzeln) für 5000 Pesos. Mit denen in der Hand machen wir uns auf zur richtigen Adresse.

Nach einigen Metrostationen geht es ab der Station „Caribe“ zu Fuß durch nicht wirklich einladende Straßen, in denen wenige Menschen zu Fuß unterwegs sind. Beim ersten Versuch landen wir am Tor des Verkehrsministeriums, dort wird uns erklärt, wo wir wirklich hinmüssen. Die Einfahrt des Postgeländes ist durch eine Kette versperrt, ein Security-Mann bestätigt, dass wir hier richtig sind, und wir landen beim zweiten Versuch auch am richtigen Schalter. In der Halle stehen etliche Stühle in einer Art Warteraum – wir sind die Einzigen. Und ohne die befürchteten Probleme (z.B. weil die Adresse auf dem Personalausweis eine andere ist als die Adresse des Warmshowers-Gastgebers hier in Medellín, an den das Paket adressiert war) halten wir nach 25 Warteminuten glücklich unser Paket in den Händen.

Zurück gönnen wir uns ein Taxi. Im Hotel machen wir uns in der Tiefgarage sofort daran, die alten Mäntel gegen die neuen zu tauschen und die Schrauben am Stokersitz zu erneuern. Etwas nervig ist bei der Aktion das Bewegungsmelder-Licht, dass immer wieder neu durch Bewegungen aktiviert werden muss. Zum Glück ergibt die Kontrolle der Felgen beim Wechseln der Reifen keine Auffälligkeiten. Die Felgen zeigen nach den ersten 500 Kilometern seit Panama-Stadt keine Risse.

Das Mini-Taschenmesser von Jutta klebt nach dem Öffnen des Pakets ziemlich und lässt sich ohne Lösungsmittel nicht reinigen. Also wollen wir in einer Apotheke etwas Aceton kaufen. Der Apotheker schickt uns in eine Tienda, die sowohl Schreibwaren als auch Dinge für die Schönheit (Belleza) verkauft. Wir kaufen die kleinste Flasche (20 ml?), wischen das Messer einmal damit ab und geben der Dame die Flasche wieder zurück. Die guckt etwas komisch, und vielleicht verkauft sie sie noch ein zweites Mal – wir wollen sie aber nicht haben.

Fertig mit dem Tandem beschließen wir, es auch heute noch in die Werkstatt zu bringen (dann können wir die heutige Sicleada zwar nicht mehr mitfahren, aber das Rad hoffentlich morgen wieder abholen). Vorher müssen wir uns im Bohemio noch mit Kaffee und Gebäckstücken stärken, aber dann radeln wir zu Ideal-Bikes. Das klappt heute komplett ohne Google-Maps – wir sind schon lange genug in Medellín hier und kennen uns aus 😉 .

Im Radladen wird zuerst unser Ansprechpartner von irgendwo geholt. Nachdem ihm alles erklärt ist – die Bremsscheiben sollen kontrolliert und ggf. getauscht werden, die Ketten und Kettenblätter geprüft und ebenfalls bei Bedarf getauscht werden – geht er von irgendwoher den Radmechaniker holen, dem dann nochmal alles erklärt wird. Zu zweit begutachten sie alles und entscheiden, dass nur die Kette des Captains getauscht werden muss. Dabei soll das hintere Rohloff-Ritzel gedreht werden, um die bisherige Rückseite der Zähne zu nutzen, die noch nicht abgenutzt ist. Das neue Ritzel aus dem Paket nehmen wir dann erst bei 10.000 km in Betrieb.

Die vordere, lange Kette der Stokerin ist noch in gutem Zustand und die beiden Bremsscheiben sind noch „fast wie neu“ (beide nur 0,2 mm abgenutzt, mit Digital-Messschieber gemessen). Okay, dann sieht es auch so aus, als könnten wir morgen nachmittag oder allerspätestens Freitag vormittag das Tandem wieder abholen kommen.

Und wir werden ein Paket mit einigen der heute noch nicht benötigten Teile nach Lima schicken, was noch einmal ca. 3000 Anden-Kilometer weiter südlich liegt, um dann dort ggf. die restlichen Ersatzteile zu nutzen und z.B. die Kettenblätter auszutauschen. Wir werden einige Ersatzteile inkl. der alten Mäntel hier bei Camillo (dem Warmshowers-Gastgeber, der seine Adresse für das Paket bereitgestellt hatte) in Medellín lassen, von denen wir nicht abschätzen können, ob und wann wir sie brauchen werden. Die Mäntel sind noch nicht so weit abgefahren, dass sie nicht im Notfall noch als Ersatz dienen könnten. Camillo hat sich netterweise bereiterklärt uns ein Paket dort hinzuschicken, wo wir es benötigen.

Nur die Bremsscheiben werden wir weiter im Bordgepäck belassen, denn die müssen wir im Notfall selbst wechseln können, wenn sie auf irgendeiner langen Abfahrt überhitzen und den Geist aufgeben sollten.

Wir bekommen (in einem benachbarten Radladen) noch einen Shimano-Karton geschenkt, in den 26-Zoll-Reifen passen, und laufen so ziemlich beladen den Weg zum Hotel zurück. Nach einer kurzen Pause ist schon Zeit für’s Abendessen, und wir landen bereits zum dritten Mal im Pedacito-Burger, wo es heute relativ leer ist.

Und endlich steht fest, dass wir am Freitag (spätestens mittags) wieder aufbrechen können. Dann werden wir, genau wie in Panamá-Stadt, 15 Nächte hier in Medellín an einem Ort verbracht haben. Das ist in Summe ein ganzer Monat. Dafür haben wir diese zwei Städte wirklich ausgiebig und gut kennengelernt!

Während unser Zeit in Medellín – wir wissen nicht mehr genau an welchen Tagen – haben wir uns auf Amazon Prime Video noch die ersten Folgen von „Viktor bringt´s“ mit Moritz Bleibtreu in einer der Hauptrollen angeschaut, einfach weil uns der Name angespochen hat 😉 und es in Berlin gedreht wurde. Na ja, etwas seicht und die Dialoge sind manchmal ein wenig gestelzt, aber an einigen Stellen auch wieder ganz lustig.

Donnerstag 29.8.24 – Medellín (Ruhetag 14)

Unser letzter Tag in Medellín! Wir haben nur drei Dinge zu tun und gehen davon aus, dass diese den Tag zumindest fast ausfüllen. Als erstes gehen wir zur San Diego Mall, weil es dort den nächsten Apple-Laden geben soll. Wir sind so früh dran, dass dieser noch geschlossen ist, also gibt es vorher einen Kaffee bei Juan Valdez. Um kurz nach zehn beglücken wir die beiden Herren im Apple-Laden und kaufen einen Air-Tag. Diesmal werden wir das Paket nach Lima „verwanzen“, damit wir sehen können, wo es sich befindet. Die Männer sind sehr interessiert an unserer Reise und bekommen einen Sticker von uns.

In der Mall heben wir auch noch einmal zwei Millionen ab – wenn wir erstmal die Großstadt verlassen haben, werden wir vermutlich wieder wenig mit der Kreditkarte bezahlen können. Von dort laufen wir zur nächstgelegenen DHL-Express-Station, im Rucksack das Paket nach Peru. Nach den Erfahrungen in Panamá ist der Karton noch offen, und wir haben eine komplette Liste des Inhaltes vorbereitet. Die Station heisst „Autoservicio“ und wir sind uns nicht sicher, ob wir dort überhaupt Personen antreffen. Als wir ankommen, erklärt sich dieser Name: es ist eine „Drive-Through“-Station mit zwei Schaltern. Wir werden von zwei jungen Damen bedient, die zwischendurch immer wieder Fernando vom anderen Schalter zur Hilfe dazurufen. Denn wieder einmal kann bei der Identifikation des Versenders nur eine Ziffernfolge als Personalausweis-Nummer angegeben werden, wir haben aber Buchstaben und Ziffern gemischt. Erst nimmt die Mitarbeiterin einfach ihre eigene Nummer, aber Fernando hat später noch die Idee, die sechsstellige Zahl unten auf dem Personalausweis zu nehmen. Hier in Kolumbien wollen sie gar nicht wissen, was im Paket ist, wir können es einfach zukleben und den Inhalt schreiben sie nicht auf. Angeblich kann man alles verschicken (keine lebenden Tiere!). Es kommt sehr viel Papier aus dem Drucker, und Viktor muss dreimal nicht nur unterschreiben, sondern seinen Zeigefingerabdruck mit Tinte hinterlassen.

Dort fertig – es dauert so seine Zeit – fahren wir mit der Metro zurück. Viktor holt im Hotel den Karton mit den alten Mänteln und macht sich auf den Weg zu Camillo, der sie für uns aufbewahren wird. Sollten wir unterwegs wider Erwarten nochmal Mäntel benötigen, wären die alten Mäntel eine Reserve, die wenigstens schon in Südamerika ist. Camillo hat sich netterweise bereiterklärt, uns diese dann nachzusenden. Alle andere noch nicht benötigten Ersatzteile (Kettenblätter, Ritzel, Stoker-Kette, Freilauf) haben wir jetzt doch nach Lima geschickt. Jutta bleibt im Hotel – wir haben nur noch zwei Metro-Fahrten auf der Karte – und packt schon mal wieder die Taschen, so weit es geht, bis von Viktor die Nachricht kommt, dass er wieder auf dem Rückweg ist. Dieser führt über eine Straße, in der auf dem Gehweg alle noch verbleibenden Länder unserer Reise zu finden sind:

Wir wollen uns am Botero-Platz treffen. Jutta nimmt den alten Karton mit, der das Paket aus Deutschland war, und will ihn an der Müll-Straßenecke in der nähe des Hotels ablegen, damit sich eventuell einer der Obdachlosen ein „Bett“ daraus machen kann. Im Ausholen, um ihn oben auf den Müllstapel zu legen, wird er ihr schon aus der Hand genommen – nicht gerissen! – vielleicht sehen wir nachher noch jemanden darauf liegen. Am Botero-Platz muss Jutta eine ganze Weile warten, denn Viktor gerät in einen lokalen Regenguss und stellt sich eine Zeit lang unter.

Apropos Regenguss:

Auf der Metrofahrt von Viktor sieht er ein befremdliches Tattoo auf dem Arm eines Mitreisenden. Er kann ihn nicht schnell genug auf seine Deutschen Wurzeln ansprechen, sie fahren nur eine kurze Station gemeinsam. Aber das scheint entweder ein überzeugter Nazi zu sein oder er hat irgendwelche anderen alten Verbindungen nach Deutschland.

Gruselig!

Wir wollen am Botero-Platz warten, bis der Fahrradladen sein Okay gibt, dass wir das Tandem abholen können. Nachdem wir gemütlich ein „Naturales Erdbeer“ (diesmal mit Milch … man hat bei „Naturales“ immer die Wahl zwischen Wasser und Milch) getrunken haben, gibt es immernoch keine Neuigkeiten vom Fahrradladen und keine Reaktion auf mehrere WhatsApp-Nachrichten. Wir gehen also einfach in die Richtung von Ideal-Bikes und wollen so tun, als wären wir gerade zufällig in der Gegend. Tja, und das Rad ist natürlich fertig, sie haben uns nur nicht geschrieben (und auch nicht auf unsere Nachfrage reagiert). Wir hatten gestern für die Kettenmontage kein Kettenschloss mit abgegeben, das müssen wir jetzt natürlich noch bezahlen, aber die Montage der Kette und das Umdrehen des Rohloff-Ritzels kostet inklusive Kettenschloss umgerechnet keine 15 Euro.

Wir radeln zum Hotel – fast komplett über Radwege, die allerdings voller Verkaufsstände, Fußgänger und teilweise auch Taxis stehen, also eher im Slalom. In der Tiefgarage schrauben wir noch ein bisschen am Lenker und an der Teleskopierung für den Stoker, bringen die Getränkehalter und die Hase-Taschen schon einmal an und probieren aus, wie wir unser neues Schild am besten anbringen können. Es hängt jetzt mit zweimal zwei Kabelbindern am Griff unseres Rackpacks und sollte so zusätzlich zur Deutschlandflagge sichtbar sein. Zum „UNA BICI MAS“ (Ein Fahrrad mehr) haben wir mit Edding noch ergänzt „Y MENOS :-)“ (und weniger), nicht „O MENOS“ (oder weniger), weil wir ja statt Tandem auch mit zwei Rädern unterwegs sein könnten. Das „UNA BICI MAS“-Schild haben wir hier in Medellín an sehr vielen Fahrrädern gesehen, besonders bei denen, die bei der Sicleada mitgefahren sind. Das ist also wohl so ein „Fahrrad-Aktivisten“-Ding.

Nach etwas Pause gehen wir zum letzten Abendessen ins Bohemio, dass (zur Feier des Tages 🙂 ) mit Livemusik aufwartet. Wir bestellen extra erst Guacamole als Vorspeise, um die Wartezeit bis zum Beginn nicht schon mit den leckeren Bowls, die wir hinterher bestellen, zu verbringen. Die aus Schlagzeug, E-Kontrabass, Gitarre und Gesang bestehende Gruppe spielt vor allem Französische Songs. Wie lange hatten wir eigentlich keine Livemusik mehr – also Livemusik, der wir freiwillig zuhören ;-). Denn auf den Straßen hatten wir ja teilweise schon auch live singende oder anders musikmachende Menschen, die oft für uns nur laut und nervig klangen.

Da wir morgen nur eine kurze Strecke aus der Stadt herausfahren wollen, entscheiden wir uns für eine späte morgendliche Abfahrt, in aller Ruhe nach dem Frühstück.

Freitag 30.8.24 – (082) – Medellín – Caldas

Gesamt: 5.028,90 km

Endlich rollen wir wieder! 🙂
Sicherheitshalber haben wir uns für heute nur die Ausfahrt aus Medellín bis nach Caldas vorgenommen. Das sind auch schon knapp 400 Höhenmeter, aber der erste härtere Tag nach unserer langen Pause in Medellín wird uns erst morgen nach Santa Bárbara führen (800 Höhenmeter) … vielleicht auch noch weiter, wenn es nach unserer Heizerin (Stokerin) geht.

Heute frühstücken wir aber noch ein letztes Mal im Hotel und verabschieden uns von den Mitarbeiter*innen der Küche und der Rezeption. Die kannten uns jetzt schon ganz gut und wussten genau, was wir so zum Frühstück essen und trinken. Auch die „Sobresabana“, das Extra-Laken zum Zudecken war (fast) immer vorhanden. Die vergangene Nacht war allerdings nochmal richtig laut. Da alle Zimmer sämtlicher Stockwerke ihre Fenster zum Innenhof haben, durfen wir heute Nacht wieder bis 4 Uhr morgens dem ständigen Klopfen an der gegenüberliegenden Zimmertüre, lauter Musik aus allen möglichen Richtungen und den eindeutigen Geräuschen mehrerer Liebespaare lauschen, und das obwohl wir alle unsere Fenster geschlossen hatten.

Morgens hat Jutta eine Nachricht, dass in der heimischen Zeitung ein Bericht über uns steht. Helge Treichel hat ohne unser Wissen die ersten fünf Monate zusammengefasst:

Nicht so richtig ausgeschlafen geht es also gegen 9:15 Uhr los auf die Straßen Medellíns. Wir haben unsere Strecke vorab mit Camillo besprochen und sind größtenteils auf Radwegen stadtauswärts unterwegs. Die sind allerdings immer wieder zugeparkt oder mit Verkaufsständen zugestellt. Schon ohne diese Hindernisse sind die Radwege für unser vollgepacktes Tandem eher schmal. Hier einige Aufnahmen der Actioncam:

Aber im Vergleich zur Ausfahrt aus Cartagena ist es paradisisch. Selbst, wenn wir manches Mal rangieren, so sind wir trotz allem meistens getrennt von den motorisierten Fahrzeugen, und ab dort, wo die Radwege aufhören, ist der Verkehr weniger, und wir werden mit ausreichend Abstand überholt.

In La Estrella (der Endstation der Metro) passieren wir das Restaurant „El ciclista“ und beschliessen spontan, dort zu halten. Alles hängt voller Dinge zum Radfahren, und der Besitzer betüdelt uns richtig. In der Zeit, die wir dort sitzen, werden sehr viele in Tüten verpackte Essen in verschiedenen Autos davongefahren – wahrscheinlich leben sie davon. Andere Radfahrer fahren zwar vorbei, aber halten tut keiner.

Kurz nach der Pause werden wir langsam überholt und fotografiert, dann hält der Autofahrer und winkt uns anzuhalten. Ein 70-jähriger Mann ist ganz begeistert von uns, dreht ein Video mit Erklärungen, speichert Viktors Handynummer und will in Kontakt bleiben. Eventuell können wir ihn zu Weihnachten in Santiago de Chile treffen.

Die letzen Kilometer gehen zwar auch noch bergauf, sind aber relativ schnell geschafft, so dass wir um 12:15 Uhr am Hotel Caldas Plaza ankommen. Im Keller ist ein Saal für Veranstaltungen, in den wir das Tandem stellen dürfen. Obwohl es noch nicht 15 Uhr ist dürfen wir schon einchecken. Natürlich geht das Zimmer zur Hauptstrasse, der Strassenlärm klingt, als wären wir draussen. Tja, die ruhigeren Zimmer sind größer, und wir haben das einfache, kleine genommen (Kostenpunkt umgerechnet 18€, zwar ohne AC aber mit Warmwasser).

Nach dem Duschen suchen wir diverse „Espresso-Bars“ auf, die Google auflistet. Keine davon gibt es mehr. Aber als wir in einem Café/Restaurant nach einer Espresso-Maschine fragen, bekommen wir eine positive Antwort. Das „Dolce“ hat auch eine richtig vielseitige Essenskarte mit sehr vielen vegetarischen Gerichten, und wir legen eigentlich jetzt schon fest, dort auch abendzuessen.

Im Hotelzimmer bei Ventilatoren-Wind planen wir ein wenig weiter und stellen wieder einmal fest, dass es mit den Unterkünften etwas schwierig werden dürfte. Eventuell werden wir in den kommenden Tagen doch das ein oder andere Mal bei den lokalen Feuerwehren fragen müssen – die sollen einen immer zelten lassen (teilweise auch drinnen).

Um 18 Uhr gehen wir wieder los zum „Dolce“ – die Strassen und Bürgersteige sind um diese Zeit sehr voll, und die Temperatur ist mit 20°C relativ niedrig. Man kann schon eine Jacke gebrauchen! Die beiden bestellten Essen sind super, und das dunkle Cafébier von Viktor ebenfalls.

Morgen wollen wir wirklich wieder um sechs in der Früh aufbrechen, um die ersten 15 Kilometer (komplette Steigung) bei angenehmen Temperaturen fahren zu können. Hoffentlich lässt uns die Straße heute Nacht besser schlafen!

Samstag 31.8.24 – (083) – Caldas – La Pintada

Gesamt: 5.087,22 km

In der Nacht ist es auf der Straße nie richtig lange ruhig. Die Menschen hupen und rufen selbst mitten in der Nacht, und sehr früh, so gegen 3 Uhr, beginnt ein Einweiser der Busstation gegenüber (oder ist es der zentrale Busbahnhof von Caldas?) immer wieder die selben Satzfetzen oder Aufforderungen zu schreien. Dazu piepen die Busse und Lastwagen beim Rückwärtsfahren nervtötend. Die Hotelfenster sind so dünn und schlecht schließend, dass wir das Gefühl haben, zwischen den Bussen zu schlafen.

Um kurz vor sechs bitten wir den Nachtportier, uns die Garage bzw. den Eventsaal aufzuschließen, um das Tandem herauszuholen. Die Tienda gegenüber hat zwar seit vier Uhr geöffnet, aber leider nur 500 ml – Wasserflaschen, da nehmen wir erst einmal jeder eine, denn ohne H2O wollen wir den Daueranstieg am Anfang der Etappe auch nicht beginnen.

Heute geht es bis km 15 quasi nur aufwärts. Wir halten für einen Café con leche und ein Croissant zum Frühstück irgendwo im ersten Drittel. Sehr beeindruckend ist die Menge an Radfahrenden auf Renn- oder Mountainrädern, die uns in den ca. zweieinhalb Stunden, die wir benötigen, überholt. Immer wieder werden Daumen hochgestreckt, es kommen aufmunternde Rufe und Grüße, einige Male auch ein simples „Respeto“ (Respekt). Das ist tatsächlich ganz schön motivierend, aber die letzten 500 Meter schaffen wir dann doch wieder nicht auf dem Tandem. Der Akku des Captains ist leer, wir steigen ab und schieben das letzte Stück. Damit erreichen wir heute den vorläufig höchsten Punkt unserer bisherigen Tour und stellen mit 1.271 Metern auch einen Tagesrekord der bewältigten Höhenmeter auf.

Als wir oben am Pass auf 2.547m über N.N. ankommen, sind dort mehrere Einkehrmöglichkeiten, und an allen sitzen Menschen mit ihren Rädern. Natürlich werden wir Langsamen mit dem auffälligen Tandem von fast allen Überholenden angesprochen oder auch gefilmt, und einer bietet uns oben an, uns das Video zu schicken:

Ein verirrter Ziegenbock läuft auf der Straße und zwischen den Rädern und Menschen hin und her und erregt Aufmerksamkeit. Irgendwann ist er weg, und als wir die Abfahrt schon etwas hinunter sind, steht er wieder angebunden vor einem Haus. Er war wohl ausgebückst.

Nach der ausgiebigen Pause oben geht es insgesamt über 2000 m bergab. Unser vom Captain präferiertes Ziel Santa Barbara erreichen wir um halb elf. Das ist so früh, dass sofort klar ist, dass wir weiterfahren – es geht ja eh fast nur bergab. Wir fahren hinab bis ins „Valle de Cauca“, also in das Tal des Rio Cauca, dem wir in den nächsten Tagen flussaufwärts folgen werden. Die gesammelten Abfahrten – ohne die kurzen Steigungen, die es natürlich auch noch gibt – werden mit der ActionCam gefilmt und ergeben ein 50 minütiges Video, das man sich vermutlich besser in mehrfacher Geschwindigkeit anschaut … oder es vielleicht auch einfach lässt 😉

Vor La Pintada steht ein großes Subway-Werbeschild, das bei Viktor die Magensäfte fließen lässt – es ist auch schon nach zwölf. Wir haben aber noch keine Unterkunft, und wollen uns erst darum kümmern. Jutta hat gestern ein Hotel prophylaktisch als Zielpunkt eingegeben. Wir fahren im Ort schon an mehreren Hotels vorbei, behalten sie als Backup im Kopf, und folgen der Navigation. Zwischendurch denken wir, dass wieder einmal ein Pin falsch gesetzt sein muss, die Straße scheint ins Nichts zu führen. Aber an der exakt richtigen Stelle ist die Einfahrt zum Hotel Villa Camila, einem Finca-Hotel mit mehreren kleineren Gebäuden, weit ab von der Straße. Und sie haben noch Platz, mit Auswahl zwischen einem Luxus-Zimmer oder einem Standard. Wir nehmen den Standard und erfahren dann, dass das zur Verfügung stehende Zimmer leider gerade kein Heißwasser hat. Viktor versucht noch, einen Rabatt herauszuschlagen – vergeblich. Dafür soll das W-LAN heute gut sein (das gestern war im Prinzip nur auf dem Flur erreichbar und sehr langsam). Wir können es aber erst um 15 Uhr beziehen, also gehen wir tatsächlich erst noch einen Sandwich bei Subway essen.

Nach der Rückkehr können wir doch schon vor 15 Uhr unser Zimmer beziehen und Viktor nutzt noch den Pool. An Juttas Radfahrschuhen ist wieder eine Schraube der Cleats verloren gegangen. So langsam wird es knapp mit den Ersatzschrauben. Bis zum Abendessen planen wir die nächsten drei Etappen etwas detaillierter, da es unterkunftsmäßig an der Strecke ein wenig dürftig aussieht. Wir nutzen außerdem das bessere W-LAN, um das gestrige ActionCam-Video hochzuladen und unsere Fotos mit dem heimischen Server zu synchronsieren.

Zum Abendessen geht es ins Hotelrestaurant, Viktor wieder fleischlastig mit einer „Bandeja Paisa“, Juttas vegetarisch erwartete Quesadilla ist dann doch mit Schweinfleisch gefüllt und sie muss beim Essen an Renate denken (Nati weiß schon warum 😉 ).

Im Gang des Hotels

Sonntag 1.9.24 – (084) – La Pintada – Neira

Gesamt: 5.158,20 km

Viktor wacht gegen 23:00 Uhr auf, weil ihn irgendein Tier am Rücken berührt hat. Es fühlt sich an wie ein Nachtfalter, der gegen den Rücken geflattert ist. Er versucht ihn wegzuschlagen, erwischt aber nichts. Als er sich auf den Rücken dreht gerät das Tier im Bett offenbar unter seinen Rücken und sticht zu. Es fühlt sich an wie der Stich einer Biene. Also wird das Zimmerlicht angemacht und auf dem Bettlaken finden wir einen quicklebendigen kleinen Skorpion, den wir unter einem Getränkebecher einfangen.

Da wir nicht wissen, ob es hier in der Gegend gefährliche Skorpione gibt, fragt Viktor an der Rezeption nach. Nach einem ersten „In dieser Gegend gibt es keine Skorpione, die gibt es nur weiter oben in den Bergen“, wird der Hoteldirketor telefonisch kontaktiert. Viktor geht zurück ins Zimmer und der Skorpion kommt in eine kleine Kartenspiel-Dose, die er an der Rezeption erhalten hat. Da der leichte Schmerz schon wieder nachlässt und sich auch keine anderen Symptome einstellen (keine Sprachschwierigkeiten, Lähmungen, Atemprobleme, Schwindel oder sowas), will er sich gerade wieder ins Bett legen, als es an der Tür klopft. Der Rezeptionist steht vor der Tür und teilt uns mit, dass das Auto jetzt da wäre und wir ins Krankenhaus fahren könnten. „Wie jetzt, Krankenhaus?“ … „Na ja, sicher ist sicher“. Der Hoteldirektor, Andres, Mitte 20, lebte mit den Eltern lange in Spanien (Valencia) und hat dort Marketing studiert, bevor er die Leitung des Familienhotels übernahm, fährt Viktor höchstpersönlich zum Krankenhaus, das keine fünf Autominuten entfernt ist. Jutta bleibt im Hotelzimmer und recherchiert kurz, welches Krankenhaus das wohl sein könnte. Sie findet eine beunruhigende Bewertung, in der es mehr oder weniger heißt, man solle zum Sterben lieber zuhause bleiben, als dort hinzugehen.

Nach einer halben Stunde Wartezeit, der Schmerz ist kaum noch spürbar, entscheiden Hoteldirektor und Viktor gegen Mitternacht gemeinsam, dass es auch ohne ärztliche Bestätigung zurück zum Hotel gehen kann.

Die weitere Nacht ist bis auf ein Gewitter so ruhig wie seit Wochen nicht mehr. Als um fünf der Wecker klingelt, wären wir gerne noch liegen geblieben, aber wir wollen weiter und packen alles. An der Rezeption sagt man uns, es würde eigentlich fast nie regnen, aber der Regenradar lässt nichts Gutes erahnen. Eventuell können wir bei zügiger Fahrt vor das große Regengebiet kommen und dort trocken weiterfahren. Zunächst einmal dürfen wir im Hotelrestaurant fragen, ob sie uns schon einen Kaffee machen würden. Sie sind so nett, und wir können mit Kaffee und Keks im Magen losfahren, ohne sofort nach einer Einkehrmöglichkeit für ein Frühstück zu suchen.

Es geht auf der 25 weiter Richtung Süden. Als hätten viele LKW-Fahrer in La Pintada genächtigt, überholen uns zu Beginn sehr viele LKW – nach relativ kurzer Zeit legt sich das aber, und der Verkehr ist sonntäglich ruhig. Heute ist schon der zweite Tag, an dem uns in einigen Abfahrten kühl wird … ein Gefühl, das wir schon fast nicht mehr kannten.

Ein Motorradfahrer (Uriel) überholt uns, wendet zweimal und fährt dann etliche Kilometer langsam neben uns her, obwohl es viel bergauf geht und wir sehr langsam sind. Wir unterhalten uns über das reisen mit dem Rad, über einige Reisen, die er schon gemacht hat (unter anderem Cusco mit dem Rad, Bolivien mit dem Motorrad) und die erste längere Steigung des tages vergeht wie im Flug. Zwischenzeitlich bietet er an, uns zu schieben – wir lehnen dankend ab. Am Ende bietet er uns an, uns zu filmen und uns das Video zu schicken, denn er hat von seinen Reisen sehr wenige Erinnerungen im Video- oder Fotoformat und bedauert das sehr. Eine tolle Begegnung und es bleibt nicht die letzte an diesem bemerkenswerten Tag.

Es geht lange am Rio Cauca entlang, und als links ein Mirador kommt, machen wir eine Pause. Der Blick ist sensationell. Der Regen hat aufgehört. Der Tag entwickelt sich zu einem dieser fast perfekten Tage.

Der Aussichtspunkt ist der höchste Punkt auf der ersten Streckenhäfte, anschließend geht es erst einmal bergab und dann immer abwechelnd hoch und runter durch grüne Berge auf beiden Seiten. Insgesamt fahren wir aber gegen die Flussrichtung des Rio Cauca und gewinnen langsam an Höhe, ohne dass wirklich steile Passagen dabei sind. Trotz des ständigen Auf und Ab ist die Strecke weniger zermürbend als so manche Strecke, die wir in Costa Rica auf der Halbinsel Nicoya gefahren sind. Am Straßenrand stehen immer wieder Verkehrschilder mit neuen Tieren darauf.

Tatsächlich lebendig gesehen haben wir heute aber leider kein einziges dieser Lebewesen. Die Geckos und Skorpione im Hotel müssen reichen. Obwohl … wir sehen häufiger weiße Vögel über uns und über dem Fluss das Tal entlang fliegen. Wir können sie nicht eindeutig zuordnen und schwanken zwischen Reihern und irgendeiner weißen Papageien-Art (denn hier soll es Aras geben).

Bei Kilometer 40 lädt ein „Multiservice Parador“ zur nächsten Pause ein. Das Ganze sieht sehr neu aus, alles strahlend weiß und orange, aber es gibt diesen Ort schon seit 1999. Es gibt nicht nur ein Restaurant mit einer zentralen Outdoor-Küche und Theke darum herum, sondern auch Hotelzimmer im Gebäudeteil darunter. In irgend so etwas Ähnlichem werden wir heute auch übernachten. Auch hier wieder eine schöne Aussicht:

Ganz kurz nach dem Weiterfahren kommt uns ein Bikepacker entgegen. Damit haben wir schon ein bisschen gerechnet, weil sich in der Südamerika-WhatsApp-Gruppe jemand, der aus dem Süden kommt, nach einem Gastgeber in La Pintada erkundigt hat. Es ist Felipe (inzwischen der Dritte „Felipe“ auf dieser Tour), kommt aus Argentinien, hat seine Gitarre dabei, will bis Mexiko fahren und arbeitet immer mal zwischendurch, um Geld für die Weiterfahrt zu verdienen. Wir tauschen Kontakte und machen Bilder.

Vielleicht zehn Minuten später kommt uns ein weiterer Bikepacker entgegen: Konrad aus Polen, der mit seinem (Deutschen) Fahrrad die Welt umrundet, schon Asien, Polynesien, Australien, Neuseeland und Südamerika (insgesamt über 20 Länder) geschafft hat. Er gibt uns Tipps zu Ecuador und Peru, und auch wir tauschen Kontakte und machen Bilder. Wir sagen ihm noch, dass Felipe nicht sehr weit vor ihm in derselben Richtung unterwegs ist (das hatten wir sonst noch nicht, so kurz hintereinander).

Nicht weit vor Irra (wo wir eigentlich übernachten wollten, es aber nichts gibt, weshalb wir den Truckstop kurz hinter Irra „ausgesucht“ haben) ist noch einmal ein sehr großer Parador mit mehreren Restaurants und Cafés, nicht schön, aber voll von Busreisenden und sehr laut :-). Da wir inzwischen herausgefunden haben, dass unser Zimmer heute Abend nur sechs Quadratmeter haben wird, bleiben wir trotzdem mehrere Stunden hier. In der oberen Etage kann man sogar Eis kaufen, und wir haben noch mehrere ausgegebene Eis offen. Das ist die Gelegenheit! Als die Verkäuferin uns ignoriert und neben uns im Müll wühlt, und danach, ohne sich die Hände gewaschen zu haben, an die Eistruhen geht, vergeht uns der Appetit nach Kugeleis, und wir nehmen doch lieber Abgepacktes! Das haben wir uns heute redlich verdient – vielen Dank für’s Spenden, Tina und Stefan!

Danke Tina & Stefan

Als Viktors Handy leer ist und wir es an keiner Steckdose aufgeladen bekommen, es aber auch schon 14 Uhr ist, fahren wir dann doch in Richtung der Unterkunft. Wir kommen noch an einer Mautstation vorbei, an der wir fragen, ob wir morgen durch zwei Tunnel auf der Strecke fahren dürfen. Ein Herr dort sagt, wenn wir heute durch den Tunnel auf der zurückliegenden Strecke gefahren sind (ja, sind wir!), dann können wir das morgen auch. Etwas weiter ist eine Stelle mit Arbeitern in der gleichen Uniform, wo wir auch noch einmal fragen. Der Herr dort sagt, wir dürfen dort nicht durchfahren, sondern müssen einen anderen Weg, in jedem Fall mit sehr viel mehr Steigung, nehmen. Jetzt steht es 1 zu 1, und wir wissen noch nicht weiter. In der VIBICO-WhatsApp-Gruppe wird uns geraten, an einem Parador vor dem ersten Tunnel einfach die Lastwagenfahrer anzusprechen und sie zu bitten, uns durch den/die Tunnel zu transportieren. Mittlerweile ist es 20 Uhr und wir wissen nicht einmal genau, ob es sich um einen, zwei oder vielleicht sogar drei Tunnel handeln könnte.

Unser „Hotel“ liegt an einer Terpel-Tankstelle, oben drüber ist ein Restaurant und ein Minimarket, am Ende eine Rampe und ein paar Stufen hinunter kommt man zu Anmeldung. Die „Zellen“ sind wirklich nur sechs Quadratmeter groß, haben aber WIFI und AC. Ein Kommentar von anderen Radreisenden beschreibt es hier als „Gefängnis“, aber ganz so schlimm ist es nicht – die Toilette besteht zwar nur aus der Schüssel, ist aber hinter einer Wand. Alles, auch das Bett und die Handtücher, riecht nach Zigaretten. Bei den Handtüchern von einem „Grauschleier“ zu sprechen, wäre eine maßlose Untertreibung. Unser Zimmer ist ganz hinten im Gang, mit rosa Bettzeug. Wir nehmen nur das Nötigste mit ins Zimmer, auch wenn der Rest am Tandem einfach draußen stehen bleiben muss – es gibt keinen Ort zum Unterstellen. Aber die Tanktelle und der Parkplatz sind 24 Stunden geöffnet und bewacht, das Tandem steht direkt vor dem 24h-Minimarket und den Büros der Tankstellen-Mitarbeiter.

Woche 21 (19.8.24 – 25.8.24) – Medellín – Medellín

Montag 19.8.24 – Medellín (Ruhetag 4)

Zu sieben Uhr fahren wir mit dem unbepackten Tandem zur Stelle, an der die Straße von sieben bis 13 Uhr für Autos gesperrt ist. So früh sind noch nicht sehr viele Menschen unterwegs, es werden aber minütlich mehr, vor allem Läufer*innen, aber auch Radfahrer*innen und eine Skaterin. An allen Straßenkreuzungen stehen Ordner*innen mit Inder-Shirts, d.h. diese Straßensperrungen sind von der Regierung in Medellín initiiert. An „wichtigen“ Kreuzungen müssen wir teilweise trotzdem anhalten, wenn die Querstraße grün hat. Trotzdem ist es toll, die etwa sechs Kilometer lange Strecke auf der mehrspurigen Straße einfach sorglos fahren zu können und alle paar Meter freundlich von Inder-Mitarbeitenden gegrüßt zu werden. Der „Hinweg“ Richtung Süden geht mehr bergauf und dauert ein ganzes Stück länger als der „Rückweg“ Richtung Norden. Die Temperatur ist um diese Zeit richtig angenehm, in der Nacht ist es bis auf 16°C abgekühlt, das passiert hier gar nicht so häufig. Um acht sind wir zurück am Hotel, und nachdem Viktor schnell geduscht hat, frühstücken wir.

Anschließend machen wir uns auf den Weg zur Alpujarra-Metrostation (die dritte, die in der Nähe des Hotels liegt), dem Treffpunkt unserer heutigen Free-Walking-Tour. So eine Tour haben wir ja schon in Cartagena mitgemacht und für ein gutes Konzept befunden. Wir sind extra früh dran, weil wir planen, noch einen Kaffee trinken zu gehen. Beim Hotelfrühstück gibt es Kakao, der hier in der Region typisch zum Frühstück ist. Er ist allerdings eigenartig gewürzt, Viktor vermutet Muskatnuss. Aufgrund des heutigen Feiertags sind die Cafés in der Nähe der Metrostation leider alle geschlossen. Der Suchradius wird größer, und tatsächlich sehen wir ein geöffnetes Restaurant, das auch Kaffee anbietet. Kaum haben wir einen Fuß hineingesetzt, werden wir von Gilberto begrüßt (siehe Beitrag letzter Woche), der mit zwei Touristen an einem Tisch sitzt. Dummerweise hat Viktor ihm gestern per WhatsApp geschrieben, was wir heute machen 🙁 , und er hat sich ebenfalls für die Tour angemeldet. Er hat anscheinend sofort zwei andere Touristen geangelt, die auch schon so früh für eben diese Tour dort waren. Viktor überhört später, wie er ihnen ebenfalls anbietet, sie im Stadtteil Bello herumzuführen. Gilberto ist zwar ein ganz netter Kerl, aber seine „Geschäftstaktik“ ist dann doch etwas zu aufdringlich und intransparent.

Wir trinken also schnell einen Kaffee und gehen dann zu fünft zum Treffpunkt. Als bereits vor zehn Uhr alle 14 Teilnehmenden anwesend sind, geht unser Guide Milo (eigentlich Camillo) schon mit unserer angenehm kleinen Gruppe los. Er spricht ein sehr gut verständliches Englisch und ist einer der erfahrensten Guides bei Real City Tours.

Zunächst klärt er uns auf, dass alle auf ihre Wertsachen achtgeben sollen und selber verantwortlich sind. Wir setzen uns irgendwo in den Schatten, und nachdem er alle anwesenden Nationalitäten erfragt und sie unseren Namen zugeordnet hat (Wahnsinn, und das merkt er sich über die gesamte Tour) erklärt er zunächst sehr anschaulich die noch nicht sehr alte Geschichte Medellíns.

Bis zur Kolonisation durch die Spanier lebten nur wenige kleinere indigene Gruppen in den Bergen rund um das heutige Medellín. Mit Hilfe von Sklaven, die über Cartagena ins Land gebracht wurden, beuteten die Spanier die Goldvorkommen in den hiesigen Bergen aus. Die indigene Bevölkerung wurde gewaltsam und durch eingeschleppte Krankheiten dezimiert. Medellín blieb aber bis in die 1850-er Jahre eher klein und unbedeutend. Erst als die Industrialisierung begann, wurde eine Eisenbahnstrecke zum wichtigsten Fluss „Rio Magdalena“in Richtung Westen gebaut, und es kamen immer mehr Einwohner nach Medellín. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versiebenfachte sich die Bevölkerung. Es siedelten sich Industrien und Banken an und mit ihnen auch wohlhabendere Menschen. Andererseits wuchs auch die ganz arme Bevölkerung in den Bergen rund um Medellín, vorwiegend Binnenflüchtlinge aus den ländlichen Regionen Kolumbiens aufgrund der andauernden Bürgerkriege, später auch durch sehr viele Geflüchtete aus Venezuela, das früher ein Teil Kolumbiens war. Diese beiden „Schichten“ sind aufgrund der speziellen Geographie nie zu einer Stadt zusammengewachsen, es waren eher zwei Städte. Lange Zeit wurde vor allem Kaffee angebaut und gehandelt. Die ersten mafiösen Strukturen bildeten sich, als hohe Steuern auf Tabak und Alkohol erhoben wurden, und sich der Schmuggel dieser Produkte nach Kolumbien lohnte. Als in den USA und Europa die Nachfrage nach Kokain (Anfang der 80er bis Mitte der 90er Jahre) stieg, drehte sich die Schmuggelrichtung quasi um, und die Mafia begann, diese Nachfrage durch den Kokainexport aus Kolumbien über ihre existierenden Schmuggelnetzwerke zu stillen. So begann die wirklich schwierige Zeit Kolumbiens mit der Gewalt von Drogenkartellen, Guerillas und Bürgerkriegsparteien nebeneinander.

1992 wurde das von Pablo Escobar – den unser Guide Milo nur als „der, dessen Namen nicht genannt wird“ bezeichnet – geführte Kokain-Kartell zerschlagen. Nach seinem Tod kämpften verschiedenste Gruppen (FARC, ELN, CAP) besonders in der Comuna 13 um Macht und Kontrolle der Kokain-Handelswege (Zugang zur karibischen Küste). Im Jahr 2000 griffen rechte Paramilitärs (AUC) in den Kampf ein. Medellín wurde zur gefährlichsten Stadt der Welt nach Mordrate (357 Morde pro 100.000 Einwohnern). Die gestern erwähnte Operation Orion beendete diese Kämpfe in 2002 blutig.

2004 begann der Bürgermeister „Sergio Fajardo“ damit, neue städtebauliche Entwicklungsprojekte durchzuführen, um die abgehängten Stadtteile in den Bergen besser an Medellín anzubinden und in die Stadt zu integrieren. Insbesondere die Seilbahnen (ab 2007) mit Anschluss an die Metro und die Rolltreppen (2011) sind daher auch als „sozialer Städtebau“ zu verstehen. Medellin wurde 2013 auch aus diesem Grund zur innovativsten Stadt der Welt gekürt.

Ehemals gefährliche Plätze wurden erhellt, bepflanzt, in Sportstätten umgewandelt, viele Bibliotheken gebaut, ein kostenlos zu nutzendes Leihrad-Netz insbesondere in Metro-Nähe eingerichtet, und, und, und.

Trotzdem arbeiten immer noch 56% der Bevölkerung „informell“ (Schwarzarbeit sowie Mini-Selbständigkeit) und 60% liegen mit ihrem Einkommen unter 400 U.S.-Dollar monatlich.

Besonders die Corona-Pandemie und die politische Lage in Venezuela belasten Kolumbien und haben an einigen Stellen auch wieder zu Rückschritten geführt.

Neben dem Besuch von weiteren Plätzen und Straßen erfahren wir auch noch, dass Kolumbien das „Land der 1000 Rhythmen“ ist, dass, obwohl es sehr katholisch ist, es trotzdem auch sehr „open-minded“ ist (z.B. bei den Themen Abtreibung, Same-Sex-Marriage und LGBTQ), dass die Bevölkerung schlechte Dinge gut verdrängen und sich an positiven Kleinigkeiten sehr erfreuen kann (er erwähnt explizit das 1:1 von Kolumbien gegen Deutschland im WM-Vorrundenspiel 1990 in Italien), dass Botero der Stadt 23 Skulpturen geschenkt hat, unter der Bedingung, sie öffentlich zugänglich zu machen und vieles mehr. Nachdem wir fast alle noch das typische Getränk aus Zuckerrohr-Saft, Zitronensaft und Eis probiert haben, beendet Milo die Tour an einem Platz, an dem bei einem Konzert in den 90ern eine Botero-Figur durch einen Sprengsatz zerstört wurde. Botero selbst hat anschließend gefordert, die Figur solle als Mahnmal dort stehen bleiben und eine gleiche neue zum Danebenstellen gespendet.

Mit viel neuem Wissen verabschieden wir uns von den Deutschen, Schweizerischen, Griechischen, Norwegischen, Australischen (evtl. noch weitere) Reisenden (und von Gilbert) und verbringen die nächste Zeit mit der Blog-Aufarbeitung, ersten Planungen der nächsten Etappen und dem Schreiben positiver Google-Bewertungen für unseren Guide Milo. Außerdem versucht Jutta mit auf dem Rückweg gekauften Chlortabletten, die den schönen Namen „Razz-Fazz“ tragen, ihre stinkenden Shimano-Sandalen (das einzige Paar Schuhe seit Santa Barbara) zu desinfizieren, mal schauen, ob es wirkt.

Zu einem frühen Abendessen (damit noch im Hellen) radeln wir zu einem Italiener in der „San Diego-Mall“, wo wir abgefangen werden, als wir das Tandem hineinschieben wollen, und es draußen stehen lassen müssen. Ein „Aufpasser“ hat für ein Trinkgeld ein Auge darauf.

Dienstag 20.8.24 – Medellín (Ruhetag 5)

Wir gucken gleich morgens im den Tracker für das erwartete Paket: nichts Neues! Das bedeutet, wir können zumindest nicht gleich vormittags zu dem Warmshowers-Menschen fahren, an dessen Adresse es geschickt wurde, um es abzuholen. Was machen wir statt dessen? Die Motivation ist nicht sehr groß. Viktor probiert eine ganze Weile, jemanden ans Telefon zu bekommen. Manchmal scheint die Nummer nicht vergeben zu sein, manchmal gerät man in eine Endlos-Warteschleife mit Werbung, mehrmals hört man Musik mit einer Kinderstimme, die irgendwelche Zahlen aufsagt, aber niemals bekommt man jemanden ans andere Ende.

Wir beschließen, die Zeit zu nutzen und das Memory-Museum zu besuchen. Als wir schon unterwegs sind, sehen wir, dass dieses dienstags geschlossen ist. Dann fällt uns alternativ der Kulturpalast ein und wir gehen in die Richtung. Auf dem Weg trinken wir noch schnell einen Kaffee, da es zum Frühstück nur Saft gab.

Im Kulturpalast müssen wir vor dem kostenlosen Eintritt unsere Ausweise vorzeigen, und es wird an der Security mit einer Logitech-Webcam ein Foto von uns gemacht (wie an der Grenze bei der Einreise). In der unteren Etage befinden sich Ausstellungen verschiedener Künstler, in den Obergeschossen sind eine Bibliothek, Büros, Seminarräume und noch weitere Ausstellungsräume. Ganz oben gibt es zwei Aussichtsterrassen, eine im zuerst fertiggestellten Teil, der an eine Kirche erinnert, die zweite im später fertiggebauten, schlichteren Teil.

an dieser Ecke wandelt sich der Baustil

Wir kommen am Ende ohne Abmeldung bei der Security wieder heraus und probieren anschließend, ins Museum von Antioquia zu gehen. Da wir dort aber Eintritt zahlen müssten, lassen wir das doch und schlendern weiter. Viktor probiert zwischendurch weiter, bei der Post anzurufen – weiterhin erfolglos. Wir gehen in das „Centro Commercial Palacio Nacional“, der Shopping Mall im alten Palastgemäuer mit Säulen-Wandelhalle, um es uns mal genauer von innen anzuschauen. Beim ersten Besuch hatten wir nur die zahlreichen Schuhgeschäfte (im Erdgeschoss) gesehen, heute sehen wir auch die Kleidungsetage (erstes Obergeschoss) – alle Schuhe und Kleidungsstücke hier sind gefakte Markensachen, hat unser Guide Milo gestern erzählt. In den oberen Etagen ist eine riesige Anzahl Bilder in allen kleineren und größeren Räumen ausgestellt, die teilweise mit Presiangaben ausgeschildert sind. Wir fahren nicht mehr ganz nach oben, weil man sich so viele Bilder eh nicht richtig anschauen kann.

Bevor wir ins Hotel zurückgehen, trinken wir noch ein(e) „Pony“. Dieses Getränk gab es auch schon in Panama, und wir müssen es doch wenigstens mal probieren. Es ist eine Art Malzbier, noch etwas süßer und mit Vanille aromatisiert. Wie wir beobachtet haben, wird es hier von relativ vielen Menschen zum Frühstück getrunken.

Im Hotel geht es dann weiter mit den Anrufversuchen bei der Post. So ein bisschen wird man dann ja doch bekloppt, wenn man ständig nur Ansagen wie diese hört:

Wegen Problemen beim Operator Ihrer Zielnummer kann der Anruf nicht durchgestellt werden.
Promo: Pakete unter 2 kg und 200 USD Gesamtwert sind steuerfrei.

Irgendwann bekommt Viktor dann unter der Nummer der Post-Zentrale in Bogota doch eine Frau ans Telefon. Sie erklärt, dass für das Paket noch Zoll zu zahlen ist. In den nächsten Tagen würde an der Zieladresse eine Karte eingeworfen, auf der dann steht, wie der Betrag zu begleichen ist. Viktor fragt, ob das nicht auch per E-Mail ginge, was die Frau bejaht. Nach vielen notwendigen Angaben schickt sie schließlich eine Mail, in der ganz unten steht, dass wir über 400.000 Pesos (über 100 Euro) zahlen müssen, bevor wir das Paket ausgeliefert bekommen. Wenn wir nicht angerufen hätten, hätten wir mehrere Tage verloren (bzw. Tage in Medellín gewonnen 😉 ). Warum hatte der Tracker nur schon den 16.8. als Auslieferungsdatum angegeben?

Das Bezahlen gestaltet sich daraufhin noch schwierig: man kann nur eine Kolumbianische Kreditkarte angeben, und die haben wir nicht. Wieder hilft uns Camillo, der Warmshowers-Host. Er stellt seine Kreditkarte zur Verfügung, und wir zahlen ihm dann bei Abholung den Betrag in bar.

Angeblich wird 24 bis 48 Stunden nach Eingang des Geldes der Tracker aktualisiert, erst dann können wir abschätzen, wie lange wir noch hier in Medellín bleiben müssen. Alles nicht so toll, nur ein paar Wochen, nachdem wir schon in Panamá festgesessen haben.

Unser gestriger Guide Milo veranstaltet heute Abend in einer Bar einen „Workshop“ zu Kolumbianischer Musik und hat in einem Instagram-Post die Frage nach dem hinterlegten Rhythmus plaziert. Wir shazamen das Stück und schreiben eine Antwort (Paso). Viktor wird unsicher und schreibt noch drei weitere Möglichkeiten. Jutta bekommt eine Nachricht, dass sie ein Bier gewonnen hat, Viktor aufgrund der mehrfachen Versuche nicht. Eigentlich haben wir keine große Lust, hinzugehen, Beginn ist um 20 Uhr, und die Bar ist gut vier Kilometer entfernt.

Wir laufen dann doch schon sehr zeitig los, wollen unterwegs etwas essen und quasi dann unterwegs entscheiden. Der Weg ist fast nur geradeaus, der Feierabendverkehr voll im Gange. An den Kreuzungen stehen zusätzlich zu den Ampeln überall Verkehrspolizisten. Ampeln alleine scheinen nicht auszureichen. Wir haben uns vorher ein italienisches Restaurant in einer Nebenstraße, ca. einen Kilometer vor der Bar, ausgesucht. Dort angekommen, ist es geschlossen 🙁 . Vielleicht ist das unser Glück! Etwas weiter in derselben Straße ist der Italiener Pomodoro (auch wenn wir gestern schon beim Italiener waren), und dort fühlen wir uns super wohl. Wir sitzen hinten im Garten, dass Essen ist toll, Viktor bekommt endlich seine Gnocchi und Jutta vegetarische Lasagne mit Spinat (beim Essen fällt ihr auf, dass sie so etwas schon sehr lange nicht mehr hatte). Glücklich sattgeworden gehen wir dann auch noch weiter zur „Dopamina-Bar“, wo der Workshop stattfindet.

In einer kleinen Gruppe lernen wir bei Milo in einer guten Stunde fünf Rhythmen aus verschiedenen Teilen Kolumbiens kennen, müssen sie teilweise auch tanzen und bekommen Trink- und Essproben dazu. Macht Spaß und lässt uns eine Weile unsere Frust-Gedanken an das Paket vergessen.

Milo erklärt uns anschließend noch, wie das hier in Kolumbien mit den unterschiedlichen Preisen für z.B. Strom funktioniert, und welches Viertel welche der sechs Schichten bedeutet. Grundsätzlich ist es seit 1994 in Kolumbien so, dass Wohnviertel in eine der sechs „Strata“ eingeordnet werden. Unser Hotel liegt z.B. in „La Candelaria“ in Strata 4, der Stadtteil „El Poblado“ in 6, die Dopamina-Bar in „Los Laureles“ in 5. Je höher diese Strata, desto höher sind nicht nur die Mieten (ähnlich dem Mietspiegel in Deutschland), sondern auch alle anderen Preise für Strom, Wasser, Gas, Müllabfuhr, Stadtreinigung etc. Diese wohnortabhängige Umverteilungskomponente existiert zusätzlich zum gestuften Einkommenssteuersatz. Verdient man gut und wohnt in einem der unteren Strata, zahlt man auch nur die geringeren Gebühren. Das sorgt für ein wenig mehr Durchmischung der sozialen Milieus. Milo bestätigt uns, dass das System voll akzeptiert ist, nur wenige es kritisieren und keiner der derzeit relevanten politischen Akteure es derzeit abschaffen will. Wir sind sehr erstaunt.

Mit einem Taxi fahren wir schließlich zurück zum Hotel. Der Zimmerservice hat uns heute das Laken (Sobre-Sabana) zum Zudecken weggenommen, Viktor fragt an der Rezeption danach, und als wir schlafen gehen wollen, entpuppt sich das Laken als riesiges Spannbettlaken. Zum Zudecken tatsächlich prima, denn wir ziehen es uns in der Nacht nicht ständg gegenseitig weg!

Mittwoch 21.8.24 – Medellín (Ruhetag 6)

Wir gehen gleich morgens los in Richtung der „Casa de la Memoria“, dem Memory-Museum, in dem die gewaltsame Geschichte der Stadt Medellín verarbeitet wird. In dieser Ecke der Stadt sind wir noch nicht gewesen, obwohl es gar nicht so weit weg liegt. Es gilt auch wieder kostenloser Eintritt, wir müssen nur online einige Angaben über uns machen. Die App für den Audioguide gibt es nur für iOS (Jutta hat extra ihr Android mitgenommen, nun denn), aber die Ausstellung ist so interaktiv, dass es auch gut ohne geht. Zur gleichen Zeit ist eine größere Schulklasse dort, so dass die verschiedenen Bildschirme, Schaukästen etc. zumindest zu Beginn nur mit Wartezeit anzuschauen sind. Von den Informationen ist leider nur ein geringer Teil auch ins Englische übersetzt, mit den Vokabeln auf Spanisch hat Jutta reichlich Probleme. Das Museum war in erster Linie für Einheimische errichtet worden, aber jetzt sind wohl 75% der Besucher Touristen aus dem Ausland, erfahren wir später. Das Museum erklärt unter verschiedenen Gesichtspunkten eindrucksvoll die jüngere Geschichte Medellins. Jutta bleibt z.B. eine Frau in Erinnerung, die im Alter von elf missbraucht worden ist, viele Jahre später per Zufall einem Ihrer Peiniger begegnet ist und ihm dann erwidert hat, die Vergangenheit wäre vergangen, und jetzt müsse man nach vorne schauen.

Nach dem Museum laufen wir zum Ideal-Fahrradladen, weil dieser heute unser Tandem erwartet, und niemand auf die WhatsApp reagiert hat, die ihnen mitteilen sollte, dass wir noch auf die Ersatzteile warten. Wir geben also persönlich Bescheid und bekommen eine andere WhatsApp-Nummer mitgeteilt, der wir Nachrichten schreiben können.

Von dort gehen wir noch einmal ins Café am Antioquia-Museum, nehmen heute kalte Kaffees und bekommen sie in Bechergläsern serviert. Eigenartiges Gefühl, aus solchen zu trinken, wenn man sie sonst beruflich für „giftigere“ Dinge nutzt. Den Nachmittag vertrödeln wir im Hotel (keine Nachricht von der Post).

Abends um 20 Uhr beginnt eine von „Siclas Medellín“ organisierte „Sicleada“. Das wissen wir von dem Warmshowers Host, und da wir morgen ja eh noch nicht weiterfahren können, wie ursprünglich geplant, wollen wir mitfahren. Es ist, ähnlich der Critical Mass in Berlin, eine Tour vieler Radfahrender auf den Straßen der Stadt. Die Strecke wird hier aber vorher geplant und veröffentlicht, in Berlin verläuft die Route spontan. Die Polizei ist hier in keinster Weise involviert. An gelben Westen erkennbare Freiwillige („Voluntarios“, unser Warmshowers-Kontakt Camillo ist auch einer von ihnen) „korken“ die Querstraßen, damit der gesamte Verbund zusammenbleibt und sich keine Autos dazwischenschieben. Am Treffpunkt werden wir mit dem besonderen Rad natürlich häufig angesprochen und von Camillo, dem Warmshowers Host, erkannt. Wir sind erstaunt, wie wenig konfrontativ das Ganze hier während der Tour abläuft. Aus Berlin kennen wir da ganz andere Szenen von ausrastenden Autofahrern, die Fahrräder quer über die Straße werfen, um endlich weiterfahren zu können. Was den Verkehr und die Wartzeiten im Stau angeht, sind die Menschen hier irgendwie gelassener.

Gegen 23:00 Uhr sind wir wieder zurück im Hotel und sind heute dann auch mal länger alleine mit dem Tandem im Dunkeln unterwegs. Was uns an den ersten Tagen noch richtig nervös gemacht hätte ist jetzt schon fast Routine. Wir fühlen uns nicht unsicher, aber etwas Respekt vor der Gegend rund um unser Hotel bleibt natürlich bestehen.

Das ist vielleicht die Gelegenheit, noch ein paar unangenehmere Aspekte der Lage unserer Unterkunft in der Innenstadt (La Candelaria) zu erwähnen. Von den circa 6.000 Obdachlosen der Stadt (vor Corona waren es ca. 4.000) scheint ein sehr großer Teil in diesem Stadtviertel zu leben. Wir beobachten diese Menschen täglich dabei, wie sie die Müllbeutel am Straßenrand öffnen und alles Verwertbare heraussuchen. Getränkedosen und Getränkeflaschen, aber auch Kleidung und vor allem Nahrung. Alle Essensreste, die sie finden können, werden genutzt und meist sofort gegessen. Es sind so viele Obdachlose, dass man leider schnell abstumpft. Sie schlafen selbst tagsüber auf den Bürgersteigen und an den Straßenecken und man kann nicht einmal wirklich sicher sein, dass sie noch leben. Aber alle Passanten gehen an ihnen mehr oder weniger achtlos vorbei, also was sollen wir Touris da schon tun? An vielen Hausmauern liegen Haufen verrichteter Notdurft und wir beobachten einen Obdachlosen aus den Augenwinkeln dabei, wie er tagsüber in aller Öffentlichkeit hockend seine Notdurft in eine Plastiktüte verrichtet.


Ein Beispiel für den „informal work“-Sektor, ein Getränkestand, an dem wir immer wieder vorbeikommen, wenn wir etwas in der Stadt unternehmen.

„Glu-Glu-Glu“ (Gluck-Gluck-Gluck) … „Bienvenidos a la Promoción“ (Willkommen beim Sonderangebot) … Ansage des Straßenverkäufers, der Limonaden („Gaseosas“) für 1.000 Pesos (ca. 25 Euro-Cent) und Bier („Cervezas“) für 2.000 Pesos verkauft. Die Ansage läuft in Dauerschleife den ganzen Tag über einen Lautspecher an seinem mobilen Stand.

Playbutton klicken, um die Ansage zu hören.

Donnerstag 22.8.24 – Medellín (Ruhetag 7)

Schon wieder eine ganze Woche an einem Ort und bislang kein Ende in Sicht. Immer noch keine Aktualisierung im Paket-Tracker der Post!

Um halb zehn beginnt eine von uns gebuchte Tour ins Stadtviertel Moravia in der Comuna 4. Da dies kein touristisches Viertel ist, nutzt der Guide (wieder Milo) keinen Lautsprecher mit Mikrofon und Verstärker, und die Gruppe ist entsprechend klein. Treffpunkt ist an der Metrostation Caribe, und wenn man über die Fußgängerbrücke Richtung Osten geht, landet man sofort in Moravia. Mit unserer Gruppe kommt auch Gloria, die dort lebt und als „Community Leader“ tätig ist. Zuerst sind wir auf einem Hügel unterwegs. Dieser Hügel ist in den siebziger Jahren die Müllkippe Medellíns gewesen.

Die Eltern von Gloria waren schon in den Sechzigern aus der Region Cali hierher geflohen und betrieben zunächst Landwirtschaft. In den siebziger und achtziger Jahren kamen immer mehr Flüchtende, und als dann der Müll der ganzen Stadt kam, war er für diese sowohl Beschäftigung (Wertstoffe, Recycling, Baumaterial) als auch Versorgungsmöglichkeit, so dass sich die Bevölkerung damit arrangierte. Ein Foto von 1985 zeigt den gesamten Hügel mit einfachen Häusern und Welblechhütten bebaut. Die Politik hatte bis Anfang der neunziger Jahre andere Probleme (Gewaltkriminalität, Guerillas, Banden, Drogenkartelle) und griff nicht ein.

Dann wurde aber im Zuge der Transformation Medellíns eine neue Siedlung im Westen der Stadt errichtet, und alle Bewohner konnten kostenlos dorthin umziehen und erhielten eine Eigentumswohnung geschenkt (was aber nicht alle angenommen haben). Der Müll wurde ab dem Zeitpunkt an einen weiter von der Stadt entfernten Ort gebracht, und der ganze Müllberg wurde zu einem großen innerstädtischen Garten/Park umgebaut, mit einer eigenen Gärtnerei ganz obenauf. Der Rest Moravias (quasi an den Hügel angrenzend und relativ flach) wurde ebenfalls (auch durch Unterstützung der Community-Leader) lebenswerter gemacht, mit besserer Infrastruktur, Orten zum Verweilen, einem „Haus für Alle“ (eine Art Kulturzentrum).

Dann kam auch hier die Corona-Pandemie und warf die Stadt in vielen Dingen zurück. Die Menschen, die vom Straßenverkauf lebten, durften das Haus nicht mehr verlassen bzw. hatten keine Einkünfte, weil keine Kunden mehr auf der Straße unterwegs waren. Kolumbien war wohl sechs Monate im radikalen Shutdown. Menschen begannen wieder, ohne zu fragen Häuser auf der ehemaligen Müllkippe zu bauen und den Garten/Park zu zerstören. Sie verlegten selbständig Wasser, Gas und Elektrizität – wir sehen beim Rundgang an vielen Stellen oberirdisch laufende Wasserleitungen. Heute ist zwar noch etwas grün erhalten, und auch die Gärtnerei gibt es noch, aber es leben wieder eine ganze Menge Menschen dort, wo eigentlich ein Park war. Eigentlich wird von der seit acht Monaten amtierenden, eher rechtsgerichteten Regierung der Stadt erwartet, diesem Phänomen ein weiteres Mal Einhalt zu gebieten und eine ähnliche „Umsiedlung“ zu wiederholen, aber bisher ist noch nichts geschehen.

Als wir einen Stop am Sportplatz vor der Schule machen, sprechen uns immer wieder Schüler*innen an. Wir lernen, dass in Kolumbien die Grundschule fünf Jahre, die Weiterführende sechs Jahre dauert, dass Schulbildung kostenlos ist, in zwei Schichten vormittags und nachmittags abläuft (die rasant ansteigende Bevölkerungszahl kann nur so abgedeckt werden) und die Schulen im internationalen Vergleich nicht besonders gut sind. Dafür haben die Universitäten einen sehr guten Ruf. 50 % der Schulabgänger beginnt sofort zu arbeiten, die andere Hälfte teilt sich auf: entweder Universitätsstudium oder Duale Ausbildung über Sena. Und immer wieder wird wiederholt, dass 56% der Bevölkerung informell arbeitet, und 88% keine Einkommenssteuer zahlen müssen, weil sie unter dem Mindesteinkommen liegen. Die Mehrwertsteuer ist daher auch die wichtigste staatliche Einnahmequelle. Außerdem gibt es eine Transaktionssteuer von 0,4% auf alle Kontobewegungen (also Einzahlungen + Auszahlungen), die ebenfalls an den Staat fließt.

An einem Straßenstand bekommen wir alle vegane Empanadas mit frisch hergestellter Sauce zum Probieren. Das sind „Kirchen-Empanadas“ (Empanadas de Iglesia) – sie wurden für die Fastenzeit entwickelt und sind nur mit Kartoffel gefüllt. Bislang haben wir überall nur fleischgefüllte Empanadas gesehen, aber in der Nähe von Kirchen kann man anscheinend auch diese Art antreffen.

An einem Zwischenhalt, an dem es um die Befreiungs-Theologie und die Rolle der Priester in Moravia geht, wird uns außerdem nahegelegt, uns das Video „Misa Columbiana“ anzuschauen. Wir schauen uns den circa 20-minütigen Dokumentarfilm am späten Nachmittag im Hotel an und erhalten so noch etwas mehr Kontext zur heutigen Führung durch Moravia. Irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, dass die gestern beschriebenen Obdachlosen im Viertel rund um unser Hotel genauso vom „Müll der Reichen“ leben, wie damals in den 70igern die Bevölkerung von Moravia. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Uns ist völlig bewusst, dass wir bei diesem „Müll der Reichen“ von unserem Müll sprechen, von dem wir auf dieser Jahrestour deutlich mehr erzeugen, als wir zuhause jemals für uns akzeptieren würden.

Zum Abschluss der Tour dürfen wir in den Erinnerungsraum im Kulturhaus. Das Kultuhaus wurde mithilfe einer Nichtregierungsorganisation (NGO) namens „Oasis Urbano“ erbaut, die von zwei Berliner Archtiekten in Medellín gegründet wurde. Es hat unter anderem einen Innenhof und ein großes Auditorium. Gloria erzählt uns von den über 100 Community-Leadern und dass sie vor einigen Jahren im Zuge eines Architektur-Studierenden-Austauschs nach Berlin reisen durfte. Sie ermuntert uns, bei uns zuhause ehrenamtlich für unsere Mitbürger aktiv zu werden. Auch wenn wir etwas für Moravia tun wollen, dürfen wir uns jederzeit an sie wenden. Sie trägt die ganze Zeit schon einen Beutel mit dem Brandenburger Tor mit sich. Am Ort des früheren Hauses ihrer Familie ist jetzt ein Kindergarten, der zu Ehren ihrer Mutter deren Namen „Mama Chila“ trägt. Und, obwohl die Mutter noch lebt, ist ihr Gesicht ebenfalls als Ehrung an eine Häuserfront gemalt. Die Mutter wurde übrigens vom Staat enteignet, nachdem sie das Kaufangebot für ihr Haus wegen des zu niedrigen Angebotspreises nicht angenommen hatte. Gloria, ihre Mutter, Glorias Tochter und ein 11 Monate altes Enkelkind leben jetzt irgendwo zur Miete und hoffen auf späte Gerechtigkeit, nicht nur durch symbolische Gesten sondern auch finanziell.

Als wir nach Abschluss und Metrofahrt noch einen Kaffee trinken gehen (ca. 46 Stunden nach der Bezahlung der Zollgebühren) gibt es immer noch keine Neuigkeiten zur Auslieferung des Pakets. Wir sollten innerhalb von 24 bis 48 Stunden ein Update erhalten. Also weiter warten und eventuell wieder anrufen!

Zum Abendessen gehen wir heute in ein Café „Bohemio de Clausura“, das nur ein paar Straßenecken entfernt ist (und das wir erst gestern wahrgenommen haben, es steht außen nichts am Haus außer ein Baustellenschild). Wir essen eine Arabische und eine Mexikanische Bowl und sind froh, dass wir in dieser Großstadt immer wieder sehr gutes Essen finden.

Vor dem Bohemio stehen auf dem Platz einige Tische, an denen Schach gespielt wird. Teilweise tragen die Spieler grüne T-Shirts des lokalen Schachvereins. Viktor schaut eine Zeit lang bei einer Partie Blitzschach zu (2 Minuten Zeit für jeden Spieler). Vielleicht setzt er sich ja in den nächsten Tagen mal zu einer Partie hin.

Freitag 23.8.24 – Medellín (Ruhetag 8)

Heute nach dem Frühstück erreicht Viktor wieder einmal die Post (unser Sohn Julius hatte schon nachgefragt, weshalb die 1&1-Telefonrechnung so hoch ist – die gesammelten Telefonate mit der Panamaischen sowie der Kolumbianischen Post schlagen ins Kontor). Wir erfahren, dass unser sehnlichst erwartetes Paket bis zum 29. August ausgeliefert werden kann. Das heisst für uns: Es könnte jetzt jeden Tag eintreffen, aber evtl. auch erst in einer Woche! Wir sind geschockt!

Nach ein paar Atemübungen zum Beruhigen („Ommmmmmmmmmh“) 😉 verlassen wir doch das Hotelzimmer und wollen einerseits versuchen, uns um Ersatz für die Einstellschraube an unserer Rohloff-Schaltung zu kümmern, andererseits eine neue 2032-Knopfzellenbatterie für Viktors Helm-Rücklicht kaufen. Wir haben uns überlegt, dass wir mit funktionierender Schaltung auch einfach schon weiterfahren könnten. Das Paket könnte innerhalb Kolumbiens ja vielleicht mit einem Bus nachkommen. Auf unserer Busfahrt nach Medellín haben wir gesehen, wie dem Gepäckmenschen Pakete und sogar Paletten mit Eiern mitgegeben und dann an anderen Orten von den Empfängern abgeholt wurden.

In der Straße der vielen Fahrradläden fragen wir bei Ideal-Bike, bei denen wir das Tandem eigenlich nochmal warten lassen wollen (Ketten und Bremsscheiben prüfen, ggf. wechseln). Die haben keine passenden Einstellschrauben, aber wir werden in eine Querstraße geschickt, wo uns eine solche vielleicht durch Aufbohren einer normalen M5-Schraube hergestellt werden könnte. Auf dem Weg dahin liegt ein größerer Fahrradladen. Viktor zeigt dort die gebrochene Einstellschraube vor und tatsächlich hat der Laden ähnliche Einstellschrauben von normalen Felgenbremsen vorrätig. Sie sind zwar etwas kürzer aber wir nehmen mal drei Stück mit, um damit zu experimentieren. Eigentlich macht dieser Laden sogar einen besseren Eindruck als Ideal-Bikes, aber mit denen sind wir ja quasi schon zur Wartung des Tandems verabredet.

In einer Apotheke fragt Viktor nach der Batterie, wird aber in den Häuserblock gegenüber verwiesen. Wir schauen, welcher Laden es wohl sein könnte, da steht ein etwa zehnjähriger Junge mit einem kleinen Stand mit Batterien auf dem Bürgersteig. Wir bleiben stehen und werden sofort von ihm angesprochen. Jutta nimmt gleich eine 2032-er Batterie, aber der Junge greift eine Ziplock-Tüte, sucht darin herum und meint mit einer Batterie in der Hand, das wäre dieselbe. Viktor erfragt den Preis, er sagt 10.000 Pesos (ca. 2,50€). Das erscheint uns zu teuer, und wir lehnen ab. Der Junge sagt 8.000 Pesos. Wir fragen, ob auch 5.000 Pesos reichen. Er willigt ein! In diesem Alter schon ein toller Geschäftsmann – wir müssen an unseren zehnjährigen Neffen Theo denken, der das glücklicherweise noch nicht sein muss.

Anschließend überlegen wir uns, in irgendeine klimatisierte Mall zu gehen und entscheiden uns für die „Medellín-Mall“. Diese ist zu Fuß zu erreichen. Der Weg dorthin führt an sehr vielen Obdachlosen vorbei. Mitten auf dem Bürgersteig ziehen sich zwei davon gerade Spritzen auf. Und dann kommen wir am Ziel an, das sich als eine große Halle mit vielen kleinen Schuhständen entpuppt, also leider doch keine klimatisierte Mall ist.

Wir steigen daher in einen Metrobus, eigentlich mit dem Ziel der „Unicentro-Mall“, mit einmaligem Umsteigen. Da in der Gegenrichtung aber eine Station „Berlín“ heißt und wir ja keinen Zeitdruck haben, fahren wir erst in die Gegenrichtung, um ein Foto zu machen. Kurz vor Berlín, das ganz schön weit oben am Berg liegt, entdeckt Viktor eine Bar Borussia in gelb/schwarz. Der Bus ist leider nicht klimatisert (wie in Panamá) und wir fahren dann recht lange zurück und weiter Richtung Mall, steigen dann aber nicht mehr um, sondern gehen die restlichen Kilometer zu Fuß.

Das ist ein Glück, denn auf dem Weg kehren wir im „Magellan-Lab“ auf einen Kaffee (und ein Baguette) ein. Der Besitzer, Willy Magellan, spricht uns auf Deutsch an. Seine Mutter kommt aus Müllheim (Markgräfler Land – Partnerstadt von Hohen Neuendorf), er selber ist in Frankreich geboren und aufgewachsen. Außerdem reist er viel und ist 2018/19 von der Magellan-Straße nordwärts mit dem Fahrrad gefahren. Er kommt immer wieder an unseren Tisch, zeigt uns Bilder und gibt uns Tipps. Sein Baguette bekommt er jeden Morgen von einem Deutschen Bäcker in der Nachbarschaft, der Thomas heißt. Die Welt ist doch irgendwie klein!

Die Unicentro-Mall durchlaufen wir dann einmal, mehr zum Zeitvertreib, und gehen dann zu Fuß zurück zum Hotel. Google schickt uns einen ganz tollen Weg durch grüne, ruhige (!) Wohnviertel, Parks, über zwei Fußgängerbrücken. Am Fluss gibt es eine größere Sandfläche zur Naherholung und eine einladende Promenade. Irgendwo steht ein Bauzaun, beschriftet mit „Transformation“, aber es gibt einen Kontrolleingang zum Gelände. Dort findet gerade eine kostenpflichtige Ausstellung statt, aber wir werden über das Ausstellungsgelände eskortiert, als wir fragen, ob der Weg für Fussgänger passierbar ist.

Nach einer Pause im Hotel (inklusive Regenpause) gehen wir noch einmal im Rooftop-Burgerladen in der Nähe essen. Der Laden brummt, wir müssen warten, dass ein Tisch frei wird. Aber es lohnt sich. Viktor ist begeistert vom Blauschimmelkäse-Burger, der mit echtem Roquefort belegt zu sein scheint. Es gibt hier also nicht nur den säuerlichen, weißen Quietsche-Käse „Queso Costeno“.

Da wir jetzt auf jeden Fall noch über das Wochenende in Medellín bleiben werden, buchen wir uns für Sonntag noch eine Tagestour nach „Guatape“, wo es eine sehenswerte Altstadt und einen großen Felsen zu besichtigen (und besteigen) gibt. Und für morgen nehmen wir uns den mit der Seilbahn erreichbaren Arvi-Park vor, ein 1.700 Hektar Naturschutzgebiet in den Bergen am Rande von Medellín, in dem es geführte Wanderungen gibt.

Samstag 24.8.24 – Medellín (Ruhetag 9)

Wir wollen heute den Arvi-Park besuchen, und es wird geraten, dieses gleich früh zu tun, also fahren wir so zeitig mit der Metro los, dass wir zur Parköffnung um neun dort sein können. Wir müssen erst mit einer Gondel drei Stationen hoch bis Santo Domingo und dort umsteigen (und extra Geld bezahlen) in eine weitere Gondel bis Arvi. Am Umsteigeort steht ein Aufsteller, dass der Betrieb unterbrochen ist – ab neun Uhr kann man aber fahren, erfahren wir, und stellen uns an. Diese zweite Gondel bewegt sich viel schneller und steiler als die erste und dauert trotzdem gute 20 Minuten. Es geht zunächst über bebaute Gegend, dann noch vereinzelte Häuser, und dann über sehr viel grün.

Oben ist es richtig frisch, und es erwartet uns ein Markt mit Kunstwaren und Verpflegung direkt an der Gondelstation. Es wurden eigentlich geführte Wanderungen empfohlen, aber als wir uns Tickets kaufen wollen, sagt man uns, dass eine geführte, einen Kilometer lange Tour für Ausländer 60.000 Pesos (ca. 15 Euro) kostet, und wenn man die lange, vier Kilometer lange Runde ohne Führung laufen will, 60.000 Pesos, also nochmal obendrauf, wenn man beides machen möchte. Mit jedem Ticket darf man zweimal die Toilette benutzen – so etwas hatten wir auch noch nicht. Nach einiger Überlegung nehmen wir nur das Ticket für die vier Kilometer lange, ungeführte Tour.

Es gibt für die Tour keine Wanderkarte mehr, weil zu viele das Papier unterwegs weggeschmissen haben. Uns wird also der Weg erklärt und wir sollen mit dem Handy ein Foto der Wanderkarte machen.

Es sollen unterwegs aber auch Schilder aufgestellt sein. Wir werden von einem Mitarbeiter durch ein Tor geführt und losgeschickt. Auf dem Gelände des Arvi-Parks haben die Spanischen Kolonialherren seinerzeit Tagebau betrieben. Heute wachsen hier sehr viele Orchideen und Bromelien zwischen und auf den auch dicht stehenden Bäumen. Diese Art von Vegetation (auf den Schildern steht „neotropical“ – neutropisch?) ist tatsächlich neu für uns auf dieser Tour – wir haben ja schon viel Grün gesehen, aber dieses hier ist anders. Komischerweise hören und sehen wir keine Tiere, bis auf Insekten. Der Weg ist größtenteils sehr schmal, teilweise steil bergauf und bergab und nicht wenig beschwerlich. Im Gegensatz zur Stadt ist es so schön ruhig, wir hören nur zweimal andere Gruppen reden und einmal ein bisschen Autoverkehr. Also richtig erholsam … besonders für die Ohren und das Hirn! Der Rundweg ist allerdings nur 2,4, nicht 4 km lang, das hatten wir evtl. falsch verstanden (auf der Karte unten rechts stand es auch so 😉 ).

Wieder am Ausgangspunkt kaufen wir an einem Stand zwei Empanadas mit Kartoffel und einen Quinoa-Linsen-Bratling und fahren dann wieder nach Medellín. Wir nehmen Euch da mal ein Stück mit, denn die Fahrt über den letzten Hügel und der Blick hinunter nach Medellín sind schon ziemlich eindrucksvoll.

Falls Ihr Euch auch schon mal gefragt habt, wieso das Stahlseil einer Seilbahn kein Ende hat … hier ist die Erklärung.

In Santo Domingo muss man in dieser Richtung das eine Gondelgebäude verlassen, über die Straße zur anderen Linie gehen und dort wieder die Stufen hoch. Das ist gegen jede Intuition, und deshalb steht ein Mitarbeiter der Seilbahn beim Aussteigen bereit und erklärt das allen Passagieren (inklusive Zitat „en contra cada intuición“). Auf dem Hinweg ging es zum Umsteigen einfach über die Fußgängerbrücke, die beide Seilbahn-Linien verbindet. Die ist aber wohl eine Art „Einbahnbrücke“.

Wieder in unserem Stadtviertel angekommen, gehen wir noch mit unseren Getränkeeinkäufen einen Kaffee in „El Bohemio de Clausura“ trinken und warten den ersten Regen ab. Während des zweiten Regens sind wir im Hotel, Viktor repariert die Schaltung des Tandems mit den gekauften Einstellschrauben und macht den Ölwechsel bei der Rohloff-Schaltung, der alle 5.000 Kilometer fällig ist. In der Anleitung steht, dass man 25 ml Spülöl zu den 12,5 ml Getriebeöl dazugeben soll. Am Ende soll man dann alles absaugen. Wir bekommen auch nach über einer Stunde Wartezeit insgesamt nur 25 ml abgesaugt, der Rest bleibt wohl im Getriebe und wird mit 12,5 ml frischem Öl wieder aufgefüllt. Hoffen wir mal, dass das alles seine Richtigkeit hat.

Unser Hinterrad hat seit Cartagena auch eine merkliche Unwucht, was aber zum Glück nicht an den neuen Felgen liegt. Die sind bislang top. Aber der Mantel sitzt irgendwie nicht richtig. Da in unserem Paket aus Deutschland auch neue Schwalbe Pick-Up Mäntel enthalten sind, werden wir das Problem dann hoffentlich auch schnell lösen. Dabei können wir dann auch gleich die Felgen inspizieren und schauen, ob sich nach 500 Kilometern möglicherweise schon wieder erste Risse zeigen.

Unwucht am Hinterrad

Heute gehen wir erstmals hier im Hotel abendessen. Das Angebot ist überschaubar: Burger, Schnitzel oder Spieße vom Rind, Schwein oder Huhn. Der Burger mit Huhn ist heute leider aus. Die Lateinamerikanische Musik ist irre laut, aber dafür erhalten die Gäste die Fernbedienung für „YouTube Music“. Ein Pärchen ganz vorne am Fernseher fragt uns nach einem Musikwunsch. Viktor fällt spontan nur „99 Luftballons“ ein, weil er etwas Deutsches wünschen möchte, das international vielleicht bekannt ist. Und schon bald läuft Nena in der Rooftop-Bar unseres Hotels in Medellin. Da ein Gast ein „Rocky Horror Picture Show“ T-Shirt trägt, schiebt Viktor gleich noch „Hot Patootie – Bless my Soul“ von Meatloaf nach und erhält dafür ein Thumbs-Up vom Nachbartisch.

Sonntag 25.8.24 – Medellín (Ruhetag 10)

Wir haben uns für eine Tagestour nach Guatapé angemeldet und müssen dafür um 7:20 Uhr an der Metro „Estadio“ sein. Wir gehen zeitig los, um noch irgendwo etwas zu frühstücken und landen im Peter Pan. Viktor gibt einem Obdachlosen einen Kaffee und ein Brötchen aus, und nur ein paar Minuten später fragt schon der nächste – so etwas spricht sich offenbar sehr herum.

Der Bus steht an der Metrostation bereit und ist vollbesetzt. Wir sind vierzig Teilnehmende, haben aber zwei Guides: David für die Spanisch sprechenden, Felipe für die Englisch sprechenden (er hat einen Großvater aus Deutschland, ist aber selber aus Venezuela). Wir fahren ca. zwei Stunden und überholen auf der Fahrt in die Berge zahllose Radfahrer, auch schon ziemlich weit oben – die müssen richtig früh aufgebrochen sein. An einem Paísa-Restaurant gibt es eine Pause, bevor es auf den kurvenreichen, steilen Teil der Strecke geht. Das erste Ziel ist der „La Piedra del Peñol„, ein Inselberg/Fels, auf den man über eine 705-stufige Treppe steigen kann (machen täglich wohl rund 3000 Menschen, als wir ankommen, ist es noch nicht so sehr voll). Der Aufstieg kostet 25.000 Pesos, der Abstieg ist gratis … 😉 … so erklären es uns jedenfalls die Guides. Sowohl am Fuß als auch oben auf der „Piedra“ gibt es viele Stände, die oben werden über eine Lastenseilbahn beliefert. Viktor zögert ein wenig, ob er sich wegen seiner Höhenangst (spanisch: „Vertigo“) den Aufstieg zutrauen will, überwindet sich aber und schafft es auch bis oben. Der Feuerwehrmann auf halber Höhe will ihm partout nicht das Tor zur Abstiegsseite öffnen und ihn umkehren lassen. Der schlimmste Teil sei doch schon geschafft – es sei ab dort nicht mehr so steil und die Treppe verliefe auch nicht mehr so weit außen. Auf zittrigen Beinen und mit beiden Händen rechts und links am Geländer geht es also weiter nach oben. Von oben hat man dann eine Wahnsinns-Aussicht auf den sehr zerklüfteten Stausee. Richtig genießen kann das vor allem eine von uns, den der andere denkt schon an den Abstieg, der sich aber als weniger schlimm herausstellt als der Aufstieg.

Panorama von oben

Der Stausee wird von 23 Flüssen gespeist, und gerade ist das Wasser ein paar Meter nierdriger als normal, weil dieses Jahr „El Niño“-Jahr ist. Im kommenden Jahr wird ein „La Niña“-Jahr erwartet, und dass der See sich dann wieder komplett füllt. Für die Flutung mussten zwei Orte umgesiedelt werden. Die Bevölkerung hat vorher von Landwirtschaft gelebt, was nach der Flutung zumindest zu Beginn durch Fischerei ersetzt wurde. Heute leben sie zu 95% vom Tourismus-Geschäft.

Nach dem Abstieg und haben wir noch etwas Freizeit und werden vor sämtlichen Restaurants laut begrüßt, die angebotenen Speisen werden angepriesen und wir werden mit einem freundlichen „a la orden“ (zu Ihren Diensten!) hineingebeten. Viktor trinkt einen Kaffee und filmt einen dieser „Restaurant-Schreier“ kurz von drinnen:

Dann fahren wir mit dem Bus weiter nach Guatapé, einem der Orte am größten See Antioquias. In früheren Zeiten haben in einer Straße die reicheren Menschen gelebt und ihre Häuser an den Sockeln mit Reliefs bunt verziert. Als die ersten Touristen kamen, um sich diese anzuschauen, hat der ganze Ort begonnen, die Häuser auf ähnliche Weise zu bemalen – heute ist es der farbenfroheste Ort von Kolumbien. Es ist zwar keine Pflicht, sein Haus so zu verzieren, aber der soziale Druck ist so hoch, dass wirklich jedes Gebäude bunt ist.

In zwei Gruppen (Spanisch und Englisch) erhalten wir eine Führung durch den Ort, bevor es in einem Restaurant ein inkludiertes Mittagessen gibt (vier Essen zur Auswahl, die schon auf der Hinfahrt getroffen werden musste). Wir sitzen mit zwei Dominikanern (aus der Dominikanischen Republik) am Tisch und erzählen uns gegenseitig von unseren Reisen. Sie schlagen uns vor, nach unserer Rückkehr zuhause einen großen Globus aufzustellen, auf den wir für jedes bereiste Land ein Selfie von uns kleben, das genau die Form des Landes hat.

Im Ort fahren massenhaft kleine bunte Taxis herum, sogenannte „Moto-Chivas“, und bieten den Touristen ihre Rundfahrt-Dienste an. Sie sind an die großen Partybusse (Chivas) in Medellín angelehnt.

Mit vollem Magen gehen wir bis zu einem Bootsanleger, der durch das Niedrigwasser ziemlich weit draußen liegt und über einen sehr steinigen „Weg“ – eher Seegrund – zu erreichen ist. Auf der einstündigen Bootsfahrt über einen kleinen Teil des Stausees werden wir unterhalten von einem typischen Sänger dieser Gegend, der herumgeht, unsere Herkunft erfragt und dann etwas zu dem Land oder der Stadt improvisiert. Dieser gesang wird hier in der Region Antioquia „Trova Paisa“ genannt.

Wieder an Land haben wir eine Stunde Freizeit in Guatapé, um vier ist Treffpunkt auf dem Hauptplatz vor der Kirche. Nach einem Kaffee teilen wir uns noch eine Süßspeise, die man in Kolumbien laut Felipe unbedingt gegessen haben muss, eine „Oblea Columbiana“. Das ist eine Art Sandwich aus zwei Oblaten, mit Hüttenkäse, Arequipe (karamelisierte, stark gesüßte, dickflüssige Kondensmilch) und Brombeer-Konfitüre gefüllt. Schmeckt besser, als es sich anhört.

Auf dem Platz vor dem kleinen Oblaten-Café spielt derweil ein außergewöhnliches Straßenmusik-Duo aus Cello und Gitarre.

Oblea

Alle sind pünktlich am Treffpunkt, und es wird angesagt, dass wir pünktlich wieder in Medellín sein werden. Aber es ist Sonntag-Abend-Stau, und wir brauchen statt zwei Stunden leider drei Stunden für die 79 Kilometer zurück nach Medellín. Auf dieser Fahrt geht es durch einen sehr langen Tunnel, in dem weder Fahrräder noch Motorräder erlaubt sind.

Partymeile in Medellín, Stadtviertel „Poblado“. Von allen Seiten Musik.

Am Aussteigeort isst Viktor in einer Art Partymeile noch zwei Empanadas, bevor wir in einer „Botero-Metro“ zurück nach San Antonio fahren. Der ganze Zug ist wohl eine Ehrung des 2023 verstorbenen Künstlers. Wo sonst Werbung hängt, sind Verweise auf Kunstwerke von ihm (im Antioquia-Museum), und sein Konterfei klebt an den Stirnseiten mit einem „Gracias“. Selbst außen sind die Wagen mit seinem Namen beschriftet.

Nach dreizehn Stunden sind wir wieder im Hotel und verlängern unseren Aufenthalt wieder einmal (ansonsten müssten wir morgen weiterfahren).

Woche 20 (12.8.24 – 18.8.24) – Lorica – Medellín

Montag 12.8.24 – (079) – Lorica – Montería

Gesamt: 4.873,10 km

Da es keine Kühlmöglichkeit für Getränke im Zimmer gibt, wir heute keine lange Strecke vor uns haben und der Supermarkt ab sieben Uhr morgens geöffnet ist, checken wir so aus, dass wir im „Olimpica“ etwas frühstücken und kalte Getränke kaufen können. Dadurch ist es beim Losfahren schon wieder recht warm und voll auf der Straße.

Schon hinter der Brücke, die aus Lorica herausführt, beruhigt sich der Verkehr (anscheinend fahren die Mopeds alle nur innerorts), die „21“, auf der wir heute fahren, ist super ausgebaut und fast leer, daher sehr angenehm leise zu befahren. Wir fahren wieder durch grüne Feuchtgebiete, in denen Rinder gehalten werden. Heute sind auch relativ viele Kälber dabei. Es ist die für die Region typische Rasse mit dem Hautlappen unter dem Hals (Zebu?). Bei den männlichen Tieren ist außerdem der Buckel besonders stark ausgebildet.

Irgendwann ist uns dann auch nach einem Kaffee, morgens im Supermarkt gab es keine Heißgetränke, die Maschine ist defekt. An einer Tankstelle mit Markt halten wir deshalb an. Leider ist auch hier der angeschlossene Laden geschlossen, wie schon oft gesehen. Aber nebenan gibt es ein Restaurant, dessen Betreiberin schnell bei der Tienda nebenan Milch besorgt, damit sie uns dann zwei Tassen Kaffee mit Milch bringen kann. Diese entpuppen sich als heißes Zuckerwasser mit Milch und ein bisschen Farbe 🙂 , aber etwas Warmes braucht der Mensch… . Zum Bezahlen suchen wir die Dame, und schließlich geht die Tienda-Betreiberin sie suchen. Irgendwie hat sie kein Interesse, uns abzukassieren. Wir werden das Geld aber noch an die Tochter (?) los.

An einer Straßenmeisterei will Jutta die Toilette nutzen. Viktor fragt derweil nach einem Wasserschlauch, um das Tandem abzuspritzen, bevor etwas von dem gestrigen Dreck in den Freilauf geraten kann und er wieder anfängt zu knacken. Ein Polizist schickt uns neben das Gebäude und besorgt von irgendwo einen Gartenschlauch, sogar mit Druckdüse. So kann der gröbste Dreck abgewaschen werden.

Im Laufe der Fahrt – heute ist es besonders flach ohne nennenswerte Steigungen – wird die Gegend langsam etwas trockener und es kommen rechts und links immer häufiger Maisfelder dazu.

Bis wir dann den Großraum Montería erreichen und es städtisch wird. Der Verkehr nimmt wieder deutlich zu und wir fahren auf einer langen zweispurigen, von Bäumen gesäumten und daher angenehm schattigen Straße (wenn man das bei über 30 °C so sagen kann) in die recht große Stadt hinein.

Kurz vor dem heutigen Ziel steht eine riesige Shopping-Mall, und wir beschließen, dort ein Eis zu essen. Als wir uns zwischen parkende Motorräder stellen wollen, kommt schnell eine junge Frau und warnt uns, dass das zu gefährlich sei – wir sollten lieber in den Keller, da wäre Security. Dafür müssten wir nur das Tandem ein paar Stufen rauf in die Mall tragen und von dort runter. Das ist für uns nicht machbar. Jutta sucht rechts herum nach einer Einfahrt direkt in den Keller, findet aber nichts. Ist nämlich links herum, wie uns dann ein Security-Mann zeigt. Also parken wir sicher am Fahrradabstellplatz der Mall:

Die Vorteile, wenn man mit dem Fahrrad kommt

Wir machen also noch unsere Eispause, fahren aus der Tiefgarage heraus und können dann zu Fuß über einen Fußweg zum Hotel laufen, so nah liegt dieses an der Mall.

Unser Sites Hotel ist recht luxuriös und befindet sich ebenfalls in einer Shopping-Mall. Es besitzt einen Rooftop-Pool mit Bar. Unser Tandem wird in einen getrennten Bereich in der Tiefgarage der Mall geparkt, wo auch größere Radgruppen immer ihre Fahrräder abstellen dürfen. Größere Radgruppen? Davon haben wir nun schon länger nichts mehr gehört oder gesehen. Kolumbien soll ja DAS Radfahrland in Lateinamerika sein.

Zum Abendessen haben wir uns ein Libanesisches Restaurant in der gleichen Mall wie das Hotel ausgesucht. Leider existiert es nicht mehr.

Stattdessen finden wir aber, ebenfalls ganz nahgelegen, das „La Fresca Cocina Natural“ und werden dort ganz glücklich satt.

Dienstag 13.8.24 – (080) – Montería – Planeta Rica

Gesamt: 4.929,21 km

Das Hotelzimmer ist partout nicht warm zu bekommen – unsere Temperaturwahl der Klimaanlage wandert auf 25°C und sogar 30°C, aber sie läuft volle Pulle weiter und kühlt, kühl, kühlt. Macht man sie ganz aus, steigt die Temperatur schnell auf knappe 30 Grad. Also bleibt sie eingeschaltet und kühlt den Raum fleißig runter. Egal, wir haben in diesem Luxushotel wieder eine richtige Bettdecke und nicht nur ein dünnes Laken zum Zudecken. Mit der Decke kann Jutta das erste Mal seit langem wieder richtig gut und tief schlafen. Bei den sonst tropischen Temperaturen klappt das nicht so. Sie ist eben ein echter Kaltschläfer, 16 °C ist die ideale nächtliche Zimmertemperatur … auch in den Tropen. Viktor schläft halt mit kaltem Kopf. Er erwägt noch kurz, die Merino-Mütze aufzuziehen, aber die befindet sich in einer Radtasche am Tandem in Keller.

Nachts gewittert es wieder einmal, und morgens beim Aufstehen um 5 Uhr regnet es weiterhin. Der Regenradar sagt kein Ende voraus, die Straßen um unser Hotel stehen unter Wasser. (Das scheint hier überall absolut normal zu sein, hier gibt es halt nicht alle paar Meter einen Gulli, sondern eher längere Gullis in großen Abständen, und dann fließt das Regenwasser halt lange auf der Straße, und sie trocknet erst, wenn es nicht mehr regnet …) Wir beeilen uns also nicht. Viktor telefoniert noch einmal mit DHL, um an Informationen zu dem Kolumbien-Paket zu kommen, dass seit dem 27.7. am Flughafen in Medellin hängt, wir packen schon mal das Tandem, und dann frühstücken wir relativ gemütlich. Es gibt sogar schwarzen Tee – Viktor erwischt dummerweise Kamillenbeutel, die sich in der gereichten Holzkiste dazwischengeschummelt haben. Na ja, mit einem weiteren Teebeutel Schwarztee wird daraus ein hervorragender Schwarztee-Kamille-Cuvée.

Da unsere Taschen und die Deutschland-Fahne bei der letzten Regenfahrt sehr viel Dreck abbekommen haben, befestigen wir vor der Abfahrt den abgefallenen Spritzschutz am hinteren Schutzblech wieder. Das geht allerdings nur noch mit schwarzem Panzertape, das wir natürlich mitführen. Neben Kabelbindern ist Panzertape eigentlich das wichtigste Werkzeug und Ersatzteil, das man auf so einer Tour mitführt.

Wer kennt ihn noch nicht, den Ablaufplan für Ingenieure?

Als wir gegen acht Uhr losfahren, kommt von oben kein Regen mehr, es sind nur noch die Straßenränder überschwemmt. Der Radweg, den es hier tatsächlich gibt (und den Komoot auch kennt), können wir nicht nutzen. Er ist einfach zu kaputt und auch noch überschwemmt. Jede braune Pfütze könnte ein tiefes Schlagloch sein, in dem wir mit dem Tandem verschwinden oder nur eine flache Kuhle, die man einfach durchfahren kann. So bleibt uns nur die nasse Straße, auf der die Pfützen aber die gleichen Gefahren bergen. Mehrmals werden wir angehupt, weil wir solche „Bermuda-Dreieck-Pfützen“ in der Stadt umfahren. Überraschend schnell sind wir zum Glück an den Neubau- und Hochhaussiedlungen vorbei, dann kommen noch ein paar Holz-/Wellblechhütten, und nach einer halben Stunde liegt die Stadt hinter uns.

So platt es gestern war, so hügelig ist es heute. Sowohl hügeliges Weideland als auch teilweise felsige Hügel. An einer Stelle am Ende einer Steigung sind am Hügel alle paar Meter kleine Verkaufsstände aus dem blanken Fels gestemmt – alle verkaufen das gleiche – irgendwas in Bananenblätter eingewickeltes, vermutlich Tamales. Eine Frau stolpert gerade in Gummischuhen mit einer Kiste Nachschub einen steilen Trampelpfad herunter – das sieht gefährlich aus.

Verkaufsstände aus dem Fels gestemmt am Straßenrand

Es ist relativ wenig Verkehr, von den Motorrädern einmal abgesehen. Wir überholen einen Radfahrer, der das nicht auf sich sitzen lässt und sofort wieder an uns vorbeifährt. Er tritt ziemlich schnell in die Pedale – seine Schaltung scheint defekt zu sein. Mit ihm fahren wir eine ganze Zeit über, bis er über den grünen Mittelstreifen nach links abbiegt.

Einen von einem Motorrad begleiteten Langstreckenläufer, den wir überholt haben, treffen wir bei einer Toilettenpause an einer Tankstelle wieder und kommen ins Gespräch. Er erzählt uns von einer ganz neuen Straße zwischen Caucasia und Medellin, die nicht über diese ganz hohen und nebligen Berge führt. Da müssen wir einmal nachforschen, ob wir eventuell doch keinen Bus nehmen „müssen“. Als Jutta dieses nachmittags prüft, sehen wir dennoch über 5000 Höhenmeter, und dummerweise nicht genügend Orte an der Strecke, in denen man übernachten könnte. So wie es spontan aussieht, ist das leider auch keine realistische Alternative für uns.

An einer Tankstelle fragt Viktor nach Kaffee mit Milch. Sie haben nur schwarzen („tinto“) Kaffee. Er nimmt trotzdem einen. Wieder einmal ist er sehr, sehr süß, und er fragt die Angestellte danach. In größeren Filialen hätten sie zwei Thermoskannen, eine mit und eine ohne Zucker, aber hier haben sie nur eine, und alle wollen mit Zucker, also ist der Kaffee schon gesüßt. Punkt! Blöd nur, wenn man ihn ohne Zucker haben möchte …

Klein, schwarz und stark gesüßt.

Unser Ziel heute ist nicht nur die „reiche Küste“ / Costa Rica sondern der „reiche Planet“ / Planeta Rica. Eigentlich wäre richtiges Spanisch „Planeta Rico“ (eine der wenigen Ausnahmen von der Regel „alles was auf ‚a‘ endet ist weiblich“: el Planeta rico). Stört aber wahrscheinlich niemanden! Die Stadt mit 66.000 Einwohnern ist ein Zentrum der Viehhaltung, das „Reichhaltige“ ist wahrscheinlich eher die Umgebung, denn hier in den Straßen finden wir viele geschlossene Läden und z.B. ein großes, tiefes Loch auf dem – immerhin vorhandenen – Radweg.

Noch ein paar weitere Impressionen aus dem Ort:

Unser Hotel liegt direkt an einer der zwei Hauptstraßen, und wir erhalten wie immer eines der lauten Zimmer zur Straße. Dafür kann unser Tandem aber im Foyer stehenbleiben, neben den Motorrädern von Bediensteten und – vermutlich – Freunden, die teilweise mit laufendem Motor bis direkt vor die Rezeption rollen und den Motor dort noch ein paar Minuten laufen lassen. Unser Zimmer ist sehr geräumig, mit „Elvis“ an der Wand und einem Balkon.

Viktor kann sich dadurch nochmal direkt im Foyer vor der Rezeption an die Rohloff-Schaltung machen, denn es fehlt uns ja seit ein paar Tagen in den Anstiegen der leichteste Gang. Wie sich schnell herausstellt ist die obere Einstellschraube der Schaltbox, die am Anfang unserer Tour schon verbogen wurde, nun endgültig gebrochen. Das sieht nicht gut aus. Wir versuchen, die Situation etwas zu verbessern, indem wir das abgebrochene Stück wieder etwas zurückschrauben und es mit Panzertape (jaaaaa das Allzweck-Mittel!) sichern, aber wir brauchen wirklich dringend die Ersatzteile aus unserem Kolumbien-Paket.

Obere Einstellschraube mit Panzertape

Nachmittags suchen wir verschiedene Orte auf, an denen es Heladerias (Eisdielen) geben soll, aber entweder ist inzwischen ein anderer Laden dort eingezogen oder sie hat geschlossen. Immerhin finden wir die geöffnete Casa Rosa, wo es Kaffee gibt und für Viktor Kokostorte (und für Jutta ein Erdbeerdessert). Bei diesem Rundgang stellen wir fest, dass die Stadt doch ganz schön ist – also „vergleichsweise“ schön. Wenn man die Hauptstraße nicht verlässt, bekommt man ja kein echtes Bild. Unter anderem fliegen hier wahnsinnig viele grüne Sittiche, sitzen auf Bäumen und Stromleitungen und machen ordentlich Krach:

Abends gehen wir erst bei Olimpica Getränke kaufen und danach Abendessen mit viiiiel Fleisch, „Patacones Mixto“ – ein Berg Fleisch auf frittierter Bananenunterlage, den selbst Viktor nicht ganz schafft. Juttas Veggie-Sandwich hat sogar den Restaurant-Namen eingebrannt.

Mittwoch 14.8.24 – (081) – Planeta Rica – Caucasia

nur 90m vor dem Hotel

Heute ist Juttas Geburtstag, das Paket nach Deutschland soll endlich ausgeliefert werden und wir wollen heute die 5.000 Kilometer schaffen. Für Letzteres müssen wir nur einen kleinen Umweg von ein bis zwei Kilometern fahren, sonst reicht die Strecke nur knapp.

Nach dem frühen Aufwachen riecht es im Hotelzimmer ziemlich stark nach Benzin. Unangenehm und ungesund! Den Grund erfahren wir, als wir gegen sechs an der Rezeption sind: eines der sechs im Foyer geparkten Motorräder hat einen undichten Tank. Toll, dass man das im ganzen Hotel riechen muss! Um Punkt sechs sitzen wir auf dem Rad – die erste Punktlandung 🙂 .

Es ist bedeckt, aber trocken, ein bisschen windig und angenehm kühl. Wir fahren weiterhin durch sehr viel Grün am Straßenrand, teilweise Teak-Alleen, teilweise Rinderweiden, auch kurz Eucalyptus. Wenn man sich die Bäume nicht so genau anguckt, fühlt es sich fast wie in Norddeutschland an. Na ja, ein wenig hügeliger ist es hier auch. Als nach erst 45 Minuten eine Straßenmeisterei mit 24 Stunden geöffnetem Restaurant kommt, halten wir spontan zum Frühstücken.

Ein bei der Straßenmeisterei arbeitender Motorradfahrer kommt langsam von hinten an uns ran und fährt etliche Kilometer mit uns mit, muss zwischendurch alle ca. 3 km die Notrufsäulen testen. Er wird bezahlt aus den Mautgebühren. Nicht nur fragt er uns aus, sondern er gibt uns auch noch Ratschläge. Von ihm erfahren wir, dass es den per Schildern angekündigten Kaiman-Park nicht mehr gibt, weil der einem Drogenboss gehörte. Als er doch irgendwann weiter vorfährt, hält er kurz darauf noch einmal an und fragt, ob er ein Foto machen kann. Wir machen Selfies. Irgendwann viel später ist er auf dem Rückweg, und wir winken uns als alte Bekannte zu.

An der Brücke, die uns von ihm zum Fotomachen empfohlen wurde, machen wir eine Trinkpause. Zwei Lastwagenfahrer halten zum Essen, und wir kommen ins Gespräch, auch über die neue Autobahn nach Medellin. Sie empfehlen die alte Strecke wegen vorhandener Infrastruktur, Orten, Tankstellen, Hotels, Geschäften. Die neue Autobahn hat in dieser Hinsicht noch gar nichts im Angebot. Als sie uns später überholen, hupen sie kurz und der Beifahrer filmt uns mit dem Handy aus dem Seitenfenster und winkt nochmal, ebenfalls, als wären wir alte Bekannte.

Kurz vor Caucasia drehen wir in einem Kreisverkehr ein paar Ehrenrunden, fahren dann über eine Umgehungsstraße und dann noch ein paar hundert Meter in Richtung Zaragoza, bevor wir passend umdrehen und das nagelneue „Hotel Botanica“ (ein Monat in Betrieb) um 12:00 Uhr tatsächlich bei exakt 5.000 km erreichen. Das Tandem kann in die Tiefgarage und wir fühlen uns wie die ersten Bewohner des Zimmers 410.

Der von Viktor vorbestellte Fanfaren-Chor mit dem Geburtstagsständchen wartet wie geplant um 15:00 Uhr am Café Mokka eine Querstraße neben unserem Hotel. Ha, ha, doch nicht, wie angekündigt ein Fanfarenchor! Er hat gestern abend eine personalisierte Torte für zwei Personen bestellt, in einer Pastelleria. Diese sollte zu 15 Uhr in eben dieses Café geliefert werden, und so machen wir dort einen „Geburtstags-Kaffeeklatsch“. Mit vollem Magen nehmen wir aber die zweite Hälfte der Zwei-Mann-Torte immer noch wieder mit zurück.

Wir gehen zum ortsansässigen Busbahnhof – ist nur die Hauptstraße entlang, an der man nicht besonders gut als Fußgänger laufen kann, die Nebenstraßen sind da eigentlich besser – und erkundigen uns nach Möglichkeiten, morgen mit unserem Rad nach Medellin mitgenommen zu werden. Die Chancen stehen ganz gut, es wird aber spontan vom jeweiligen Busfahrer entschieden. Wir können gleich morgens kommen und darauf warten, dass wir im Laufe des Tages Platz finden. Wir beschließen, es zu probieren, und wenn wir bis mittags erfolglos gewartet haben, würden wir hier noch eine weitere Nacht bleiben. Abends im Dunkeln wollen wir nicht in Medellin ankommen – ist immerhin auf der Liste der zehn gefährlichsten Städte der Welt.

Donnerstag 15.8.24 – (081b) – Caucasia – Medellín (Bus)

Mauricio, der die „extra Meile“ mit uns lief, um uns sicher auf einen Radweg in Richtung Stadtzentrum zu eskortieren.

Gesamt: 5006,22 km

Nachdem wir im ebenfalls neuen, zwar noch in der Früh geschlossenen aber zugänglichen kleinen Café am Hotel die restliche Torte gefrühstückt haben, kommt die Bedienung, und wir bekommen auch einen Kaffee. Anschließend packen wir das Tandem und machen uns auf den Weg zum Busterminal. Dort entpacken wir wieder alles und verkleinern wieder einmal das Tandem – inzwischen haben wir richtig Übung darin, und dann wollen wir warten, bis ein ausreichend großer Bus nach Medellín kommt, dessen Fahrer uns auch mitnimmt.

Gestern hatten wir bei zwei Unternehmen angefragt. Ziemlich schnell sieht Jutta durch ein Tor einen großen Bus mit dem richtigen Ziel, allerdings von einer anderen Gesellschaft. Viktor fragt schnell erst eine recht unfreundliche Frau am Schalter, ob dieser Bus auch Fahrräder mitnehmen kann, dann den Busfahrer und schließlich den „Gepäckzuständigen“. Sie sind einverstanden. Sofort wird das Tandem aufrecht quer eingeladen und alle Taschen darum herum. Erst danach geht Viktor – wieder bei der Dame am Schalter – die Tickets für uns kaufen. Der Ticketkauf gestaltet sich schwierig, denn das Computersystem verlangt die Nummer von Personalausweis oder Pass.Die murrige Dame tippt und tippt, aber das System akzeptiert nur Zahlen und keine Buchstaben. Unsere Deutschen Pässe und Ausweise haben aber nun mal auch Buchstaben. Am Ende nehmen wir unsere Mobiltelefonnummern. Blöd nur, dass das nächste Eingabefeld unsere Telefonnummer verlangt. Zum Glück ist das System aber nicht so „schlau“, dass es die doppelt eingegebene Telefonnumer bemerkt.

Ohne etwas für`s Rad zu zahlen, sollen wir dann einsteigen. Um zwanzig nach neun rollt der Bus los. Und wir hatten Sorge, dass wir womöglich Stunden am Terminal stehen müssten! Der Gepäckmensch kommt irgendwann herum, kontrolliert die Tickets und kassiert doch noch die Gebühr für das Rad, die mit 60.000 COP (ca. 15 €) etwas günstiger ist als unsere Tickets mit 70.000 COP pro Kopf.

So sitzen wir stundenlang im klimatisierten, geräumigen Bus und schauen uns die schöne Natur durch die Fenster an. Außerdem registrieren wir die hier wirklich deutlich schlechteren Straßen (der Bus fährt gekonnt um sehr viele Schlaglöcher oder Huckel herum), den fehlenden Seitenstreifen und die wirklich vielen LKW und Busse. Wenn wir hier geradelt wären (und häufig geschoben hätten), wäre das ziemlich gefährlich geworden. Nur vom gefährlich dichten Nebel sehen wir nichts, nur ein paar leichte Schleier.

An einer besonders steilen Stelle kommt ein Auto nicht weiter – es fährt immer wieder an und rollt zurück. Der Bus fährt daran vorbei … haben solche Busse eigentlich Allradantrieb? Für uns wäre das wahrscheinlich eine Strecke, auf der wir das Tandem und das Gepäck getrennt transportieren müssten, weil wir das vollbepackte Tandem selbst zu zweit nicht mehr geschoben bekommen. Gut, dass wir im Bus sitzen!

Um zwanzig vor fünf hält der Bus in Medellín, wir machen das Tandem wieder fahrtüchtig und versuchen uns zu orientieren, wie wir auf die passende Straße zum Hotel California kommen. Der Busbahnhof hat mehrere Etagen, und wir sind ganz oben, die Straße ist aber ganz unten. Ein Security-Mann erklärt uns einen möglichen Weg bis zu einer Stelle, an der wir dann mit gesundem Menschenverstand weiterkommen sollen. Wir schieben durch Menschenmengen, über Brücken, um enge Kurven und stehen dann an der Metrostation oben, wollen aber nach unten. Da spricht uns ein Passant (Mauricio, siehe das Tagesbild-Selfie) an, meint, die Straße, auf der wir fahren wollen, sei zu gefährlich. Komoot nennt sie sogar „Ciclovia“ (Radweg), aber wir erfahren, dass das nur für die Wochenenden gilt, nicht aber an Wochentagen. Eine andere Straße hat aber einen Radweg, und wir werden von Mauricio ein ganzes Stück bis dorthin begleitet. An einer größeren Straße bittet er dann eine Moped-Fahrerin, uns bis zur richtigen Stelle zu führen und verabschiedet sich von uns nachdem wir schnell ein Selfie gechossen haben. Die Moped-Fahrerin macht das tatsächlich und wartet dabei immer wieder an Ampeln und Kreuzungen auf uns! Unfassbar wie besorgt und hilfsbereit hier die Menschen sind, wenn sie orientierungslose Ausländer auf einem Fahrrad sehen. So fahren wir zumindest das erste Stück in Medellin auf einem Radweg!

Als wir später irgendwo abbiegen müssen, werden wir sofort wieder angesprochen, jetzt von einer Radfahrerin. Als sie unser Ziel erfährt, hört sie nicht auf zu betonen, wie gefährlich es dort sei, sehr „caliente“ (heiß = heißes Pflaster?), und das die Strecke dorthin ebenfalls gefährlich sei. Mehrfach fallen die Worte „Drogen“ und „Marihuana“. Auch sie fährt jetzt ein ganzes Stück vor uns her und erklärt am Ende, wie genau wir am besten fahren sollen. Dummerweise dämmert es tatsächlich schon, und im Dunkeln wollen wir eigentlich nicht mehr unterwegs sein. Schließlich ist das hier angeblich eine der zehn gefährlichsten Städte der Welt (gell Nena? 😉 ).

Dunkel wird es aber gerade, als wir endlich vor dem Hotel stehen, in dem wir im April schon aus Santa Barbara ein Zimmer für den 20. August gebucht haben, und an das wir damals ein Paket mit warmen Wintersachen geschickt hatten. Heute haben wir keine Reservierung (wir wussten morgens ja noch nicht sicher, ob es heute schon klappt, und das Reservieren aus dem Bus funktionierte mangels Internetverbindung nicht), aber wir bekommen spontan ein Appartment mit Küchenzeile, Essecke und Sofa zumindest für diese eine Nacht als Upgrade. Sie raten uns, das Tandem mit ins Zimmer im fünften Stock zu nehmen. Der Aufzug ist aber zu klein und über die Treppen wollen wir unser schweres Monstrum dann doch nicht bis in den fünften Stock schleppen. Wir lassen es also in der Tiefgarage.

Aufgrund der Dunkelheit draußen und dem „gefährlichen Viertel“ bestellen wir uns eine Pizza zum Teilen, die sogar bis ins Zimmer geliefert wird.

Nachtrag, dank Kommentar von Michael P.: Die überdachten Wege sind für Milchkühe gedacht und sollen den Milchertrag steigern: https://www.mergili.at/worldimages/picture.php?/16164

Freitag 16.8.24 – Medellín (Ruhetag 1)

Nach einer etwas gewöhnungsbedürftigen Nacht gibt es mal wieder ein inkludiertes Hotelfrühstück, diesmal eher spartanisch mit Rührei, Quesadilla, Kaffee, Orangensaft und Wassermelone. Die Zimmer haben hier alle nur Fenster zum Flur und keine Verdunkelung, so dass das Flurlicht immer wieder das Zimmer erhellt ,wenn jemand auf dem Flur unterwegs ist. Es gibt mehrere Lichtschächte nach oben, und eine Etage über uns läuft sehr laute Musik an der Bar – aber diese hört glücklicherweise irgendwann auf. Die Betten sind für uns sehr ungewohnt bezogen, denn es gibt nur ein Bettlaken. Will man sich zudecken soll man eine unbezogene Wolldecke verwenden. Viktor fragt heute nach dem „richtigen“ Vorgehen, bekommt dann aber für die kommende Nacht eine „Sobre-Sabana“ („Obendrauf-Laken“) angeboten, die offenbar auch andere internationale Gäste häufiger wünschen.

Wir fragen an der Rezeption, ob wir das große Apartment verlassen sollen, was erst einmal verneint wird. Also gehen wir morgens gleich zu „Antony´s“ zum Haareschneiden, anschließend zum „Bike-Shop-Ideal“, wo wir fragen, ob sie dort unser Tandem in Arbeit nehmen können, wenn die Ersatzteile aus Deutschland eingetroffen sind. Das sei kein Problem, sagt der Besitzer. Und gerade heute vormittag finden wir im Tracker der Kolumbianischen Post die Nachricht, dass das Paket, heute, am 16.8., ausgeliefert werden soll. Über den Tag kommen immer wieder neue Zeilen hinzu, was uns auf eine baldige Auslieferung hoffen lässt. Der 16.8. wird es aber am Ende doch nicht.

Weil jetzt erst einmal Wochenende ist und Montag schon wieder ein Feiertag, verabreden wir uns für Dienstag – bis dahin sollte das Paket ja da sein. Montag ist hier „Maria Himmelfahrt“, obwohl schon der 19.8. ist. Es ist hier in Kolumbien so, dass die Feiertage gerne auf den folgenden Montag „verschoben werden“, im Jahr 2025 haben sie hier dafür am 18.8. frei. Schönes Prinzip, so gibt es viele lange Wochenenden.

Dass ausgerechnet heute das Paket ausgeliefert werden soll, kommt uns etwas komisch vor. Erst vorgestern hat eine Dame bei der Post am Telefon gesagt, es sei noch nicht einmal in Kolumbien, in der App zum Tracken erschien bis gestern auch nichts, und gestern hat Viktor schließlich den Zoll kontaktiert und ein wenig auf die Tränendrüse gedrückt. Von dort kam nur eine Bestätigungsmail, dass sie die Nachricht erhalten haben, und heute – einen Tag später – soll ganz zufällig ausgeliefert werden. Mal schauen, ob`s klappt!

Wir bummeln noch weiter durch die Innenstadt, auch auf der Suche nach einer Espressomaschine – alle sogenannten Caféterien haben nur Kaffee aus der Thermoskanne. Im Museum von Antioquia schließlich soll es ein „Kaffeelabor“ geben, mit allen erdenklichen Kaffeespezialitäten in heiß und kalt und auch einer Espressomaschine. Das wird uns auch von Gilberto bestätigt, der uns auf der Straße mit starkem amerikanischen Akzent anspricht. Er ist gebürtiger Medelliner, der aber in Michigan und Chicago aufgewachsen ist. Er wurde mit Anfang 20 von den U.S.A. nach Kolumbien ausgewiesen und ist erst vor 17 Jahren nach Medellín zurückgekehrt, auch aufgrund der vielen Vorurteile gegenüber der Stadt, der schwierigen Lebenssituation und der Sicherheitslage. Er lebt in Bello, einem Vorort von Medellín, und möchte uns gerne dort herumführen. Wir tauschen also Kontakte aus und verabreden uns für morgen Vormittag, auch wenn wir schon vermuten, dass er mit der „Tour“ in Bello ein wenig Geld verdienen möchte. Auf dem Weg zurück kaufen wir uns eine Metrokarte inklusive zehn Fahrten. Im Hotel sagt man uns, dass wir eventuell morgen in ein anderes Zimmer umziehen müssen bzw. können (das wäre weiter unten und nicht mehr so laut mit der Musik von der Dachterrasse).

Nach einer kurzen Pause machen wir uns wieder auf den Weg: wir wollen eine der Seilbahnen nutzen, denn Medellín befindet sich in einem Tal und ist an beiden Seiten die Hänge „hinaufgewachsen“. Die ärmeren Viertel weiter oben an den Hängen wurden aktiv per Seilbahn an den ÖPNV angebunden, um Teilhabe und Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Stadt ist stolz darauf, die Kriminalität, insbesondere die Kriege zwischen Drogenkartellen und Polizei & Militär, auch durch diese Infrastrukturmaßnahmen reduziert zu haben (allerdings auch durch extrem hartes Durchgreifen, das auch viele Menschenleben forderte). Metro und Seilbahnen sind der Stolz vieler Einwohner und befinden sich in erstaunlich gepflegtem Zustand. Sie werden vom überwiegenden Teil der Bevölkerung als echtes „Gemeinschaftseigentum“ verstanden, mit dem sorgsam umzugehen ist. Wer dazu noch etwas mehr nachlesen möchte, findet hier einiges Interessantes.

Um zu den Seilbahnen zu gelangen fahren wir mit einer „Straßenbahn auf Gummireifen“ zur Metro, und mit dieser dann zur Seilbahn-Station „Acevedo“. Dort stellen wir uns mit sehr vielen anderen Menschen in einer Schlange an, die stetig vorwärtsgeht. Es können immer acht sitzende Personen in eine Gondel, und dann kommen aus einer weiteren Schlange noch ein bis drei stehende Personen dazu. Die Fahrt nach Santo Domingo dauert ca. 10 Minuten und führt über zwei Zwischenstationen.

Dort wollen wir eigentlich noch mit der Linie L nach Arvi weiterfahren, aber diese Fahrt ist für Nichtortsansässige richtig teuer und wir lassen es bleiben. Später erfahren wir, dass dort ein Nationalpark ist, der Grund für den höheren Preis. Stattdessen gucken wir uns in Santo Domingo etwas um, gehen zum Aussichtspunkt mit einem tollen Ausblick über die Stadt und geraten in einen von der Polizei (Policia Nacional) organisierten Rap-Wettbewerb. Ein junger Mann und Teilnehmer spricht uns an und erklärt uns, wie der Wettbewerb abläuft. Er spricht sogar ein paar Brocken Deutsch, und wir wollen eigentlich warten, bis er an der Reihe ist. Als er sich aber nochmal zu Freunden auf den Platz setzt, gehen wir doch weiter. Wir haben seit dem Frühstück nichts mehr gegessen, vorhin einen vielversprechenden Eisladen gesehen und nutzen lieber die Gelegenheit, das von Iris G. gesponsorte Eis in Form von Banana-Splits zu genießen. Vielen Dank, liebe Iris!

Als wir wieder in der Gondel nach unten sitzen, sehen wir gerade unseren „Freund“ von eben auf der Polizeibühne. Tja, so toll waren die Vorträge eh nicht, vor allem laut! Wir nehmen Euch mal mit zum Aussichtspunkt und an der Rap-Bühne vorbei:

Mit der Metro geht es dann unten im Tal zurück zum Parque Berrio und dann relativ zügig zu Fuß zum Hotel, da es schnell dunkel wird, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwindet. Auf einem etwas anderen Rückweg entdecken wir noch das ein oder andere, unter anderem eine Gasse mit Studentenkneipen vor der Universität der schönen Künste („Bellas Artes“), wo wir in den nächsten Tagen wohl noch einmal vorbeischauen können, und Viktor kauft sich in einer Panaderia doch noch eine Empanada und eine Torta, natürlich alles wieder mit viel Fleisch. Auf der Dachterrasse des Hotels werden diese gegessen, weil unser Zimmer gerade gereinigt wird als wir zurückkehren.

Samstag 17.8.24 – Medellín (Ruhetag 2)

Nach dem Frühstück fahren wir mit der Metro nach Bello, um dort von Gilberto durch „seine“ Stadt geführt zu werden. Fast fünf Stunden lang erzählt er uns sehr viel über sein ganzes 52-jähriges Leben.

Er wurde in Kolumbien geboren und ist als kleines Kind mit den Eltern in die U.S.A. ausgewandert, weil die Eltern sich in Kolumbien bedroht fühlten und um ihr Leben bangten. Während seine Eltern als Erwachsene eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis für die U.S.A. erhielten, und seine in den U.S.A. geborenen Geschwister automatisch amerikanische Staatsbürger wurden, hätte seine Aufenthaltserlaubnis nach sieben Jahren von den Eltern erneuert werden müssen. Weil sie das nicht wussten, wurde Gilberto mit Anfang 20, vermutlich bei seiner Volljährigkeit, zunächst für 13 Monate in Atlanta im 17. Stock eines Immigrations-Gebäudes kaserniert und schließlich nach Kolumbien ausgewiesen. Gilberto ist überzeugt, dass Gott ihn danach aus einer tiefen Depression und dem Alkoholismus gerettet hat. Auf fast jedem Bild, dass wir mit ihm machen, zeigt sein Finger nach oben. Zur Zeit versucht er, auf legalem Weg wieder in die U.S.A. zu kommen.

Von Gilberto erfahren wir, dass die Hilfbereitschaft, die wir bei unserer Ankunft in Medellín erfahren haben, ganz typisch für die „Paisa“ sein soll. So werden die Einwohner des Departamento Antioquia genannt. Sie werden als besonders warmherzig und hilfsbereit bezeichnet. Wir erfahren auch, dass wir aus Cartagena kommend durch die Region der „Costeños“ gefahren sind. Die Bewohner der Region um Bogota werden „Rollos“ genannt und gelten angeblich als eher direkt, unfreundlich und korrupt (da waren sie wieder, die Hauptstädter 😉 )

Gilberto hat jahrelang für Stromversorgungsunternehmen gearbeitet. Er erzählt uns von Stromklau in großem Umfang (Stromleitungen in den Straßen werden unter Umgehung der Stromzähler angezapft) und kann uns außerdem erklären, dass die zylindrischen Bauteile oben an den Masten nicht etwa Kondensatoren sind, wie wir in Panama angenommen hatten, sondern tatsächlich Transformatoren. Denn hier werden tatsächlich Hochvolt-Stromleitungen bis in die Nähe der Häuser verlegt und die Spannung dann erst auf 120 Volt heruntertransformiert. Soweit uns bekannt, wäre das in Europa aus Sicherheitsgründen undenkbar.

Keine Kondensatoren sondern Transformatoren

Gilberto weist uns auch noch auf eine „sin street“ (Sündenstraße) in Bello hin, wo sich des abends Homosexuelle, Transvestiten und andere, nach seiner Meinung „verlorene Seelen“ treffen. Wir ersparen beiden Seiten eine kontroverse Diskussion zu diesem Thema.

Gegen Ende der Tour zeigt er uns noch das „Juwel“ von Bello, eine ehemalige Textilfabrik, die zu einer Shopping Mall umgebaut wurde, in der es aber viel Platz für die Öffentlichkeit gibt, der auch sehr gut angenommen wurde. Auf dem Dach gibt es einen großen, am Rand begrünten Platz (Parque de las Estrellas), der abends von Familien genutzt wird und ganz oben sogar Fussball-„Käfige“, in denen gerade Jugendmannschaften ein Turnier spielen, als wir uns alles anschauen.

Für ein typisches Paisa-Mittagessen bringt uns Gilberto in das Restaurant „Casa Vieja“, das einem guten Freund gehört (Juan Carlos). Wir erhalten unser Mittagessen sehr preisgünstig, denn wir verspeisen zu dritt zwei große „Paisa-Teller“ (Jutta nimmt Reis und Bohnen des einen, die zwei Männer essen den Rest), zahlen aber nur einen und erhalten die Getränke gratis. Juan Carlos bietet uns an, uns morgen in sein Heimatdorf in die Berge zu fahren, wo es einen wunderschönen Wasserfall gibt. Wir lehnen dankend ab, denn wir müssen an unsere Fahrradreparatur denken und wollen selbst die Mäntel wechseln und die Schaltung reparieren. Wir tauschen aber Telefonnummern aus, falls wir es uns doch noch anders überlegen sollten. So eine gewisse Grundvorsicht wollen wir uns dann aber doch noch bewahren und nicht gleich in jedes Auto einsteigen, das uns mit großer Hilfsbereitschaft angeboten wird. Zum Abschied lässt Gilberto auf Nachfrage von Viktor („Wenn wir noch irgendwas für Dich tun können …“) dann doch die Katze aus dem Sack und bittet um eine kleines Zeichen der Anerkennung, was auch immer es uns wert sei. Also erhält er von uns schnell noch eine kleine Spende, bevor wir durch die Drehkreuze zur Metro eilen, denn wir sind verdammt spät dran.

Ab 14 Uhr sind wir für eine geführte Tour in die Kommune 13 angemeldet. Statt um zehn vor zwei kommen wir mit der Metro erst – untypisch Deutsch – um zehn nach zwei am Treffpunkt an. Alle anderen warten schon. Von den zehn Teilnehmenden sind acht Deutsche, die natürlich alle pünktlich waren. Von drei jungen Menschen wurde eine in Wilhelmshaven geboren – ihre Mutter war dort als Schauspielerin tätig – sie sind bald wieder weggezogen.

Die Comuna 13 hat eine lange und gewaltvolle Geschichte hinter sich. Regierung (Polizei und Militär), Guerillas, sogenannte „Mercenarios“ (Söldner) und Banden lieferten sich von 2001 bis 2003 brutale Kämpfe bis es zur berüchtigten „Operacion Orion“ kam, die viele Menschenleben kostete, aber die Situation auch „befriedete“. Die offizielle Opferzahl der Operation wurde von der Regierung mit 100 bis 200 angegeben, die Einwohner selbst sprechen von Tausenden bis heute Verschwundenen. In einem Steinbruch auf der anderen Seite des Tales werden heute noch menschliche Knochen gefunden, eine offizielle Aufklärung hat es nie gegeben (Artikel).

Heute hat sich die Comuna 13 schon fast in eine Art Vergnügungspark verwandelt und wird von Touristen regelrecht überschwemmt, speziell seitdem ein System langer Rolltreppen gebaut wurde, die uns den Hügel hinaufbringen. Die Rolltreppen sind aber auch für die Bevölkerung eine große Hilfe beim Transport aller möglichen Güter (selbst Waschmaschinen) zu ihren Häusern am Hang.

Auch wir sind heute Teil dieser Touristenschwemme und haben dabei gemischte Gefühle. Einerseits bringen Touristen Einnahmen in das Viertel und schaffen somit eine Alternative zu illegalen Geschäften und kriminellem Lebensunterhalt, andererseit bringt der Tourismus ganz neue Probleme mit sich. Es ist extrem laut wie auf einem Rummelplatz in Deutschland, aus allen Richtungen prasselt die unterschiedlichste Musik auf uns ein, es riecht nach Joints, Empanadas und Urin.

Rap und Breakdance sind ein wichtige Einnahmequelle für die jüngere Generation in der Comuna 13 geworden:

Zum Abendessen gehen wir in einen Rooftop-Burgerladen und bestellen zwei Veggie-Burger (Viktor hatte für heute tatsächlich genug Fleisch). Beim ersten Versuch kommen zwei fleischhaltige, die an einen anderen Tisch gehören. Nachdem Viktor schon eine Pommes genommen hat, bemerken wir es und geben Bescheid. Ein paar Minuten später erhalten wir dann auch die richtigen Burger.

Unser Paket mit den Ersatzteilen aus Deutschland ist auch heute nicht ausgeliefert worden. Wegen des zusätzlichen Feiertages am Montag ist die nächste Chance jetzt leider erst am Dienstag.

Sonntag 18.8.24 – Medellín (Ruhetag 3)

Sonntags bietet das Hotel ein „besonderes“ Frühstück: Hühnerbrühe plus Papaya mit Cerealien überstreut. Jutta isst dann lieber noch von unserem Toastbrot-Vorrat … .

Nachdem der gestrige Tag im Blog aufgearbeitet ist, machen wir uns auf den Weg: sonntags sollen hier ja Straßen für Autos gesperrt sein, und eine der Sperrungen startet angeblich nicht weit vom Hotel. Wir wollen uns das zu Fuß anschauen gehen. Der Beginn ist dann doch wesentlich weiter entfernt, deshalb gehen wir in Poblado, dem Gegenteil der Kommune 13 mit angeblich den höchsten Monatsmieten Lateinamerikas, in einer Shopping-Mall Kaffee trinken … natürlich bei Starbucks. Die Mall ist gerade Schauplatz einer recht großen Bonsai-Ausstellung.

Wir laufen weiter und finden den Start der Straßensperrung. Eine junge Frau unter einem Pavillon erklärt uns, bis wohin sie reicht, und dass morgen noch einmal gesperrt wird, weil ja Feiertag ist. Vielleicht kommen wir morgen früh mit dem Tandem wieder. Am selben Ort ist schon wieder eine Mall, wir gehen kurz hinein (Toilettenbesuch) und finden ein Orthopädie-Geschäft. Da Juttas Halswirbelsäule immer noch muckt, kaufen wir dort kurzerhand eine Halskrause.

Das MAMMedellin (Museum der Modernen Kunst) ist nicht weit entfernt und hat bessere Bewertungen als das Pablo-Escobar-Museum, dehalb gehen wir dorthin. Wir müssen als Einzige unsere Tasche am Eingang abgeben und fühlen uns etwas diskriminiert. Viele von den Ausstellungen sind Audio-Installationen, manchmal hört man mehrere gleichzeitig. Ein Film macht z.B. das Sprichwort „Unter den Teppich kehren“ sichtbar. Einige wenige Bilder gibt es ebenfalls.

Anschließend wollen wir etwas trinken gehen, suchen ein wenig und landen dann in einem „Crepes & Waffles“. Als wir dort zahlen, erhalten wir auf dem Bon einen „2 für 1-Gutschein“ für das MAM. Da haben wir leider heute einmal die falsche Reihenfolge gewählt. Aber wir können ja auch nicht immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.

Auf dem Weg zur nächsten Metro-Station – denn zurück werden wir nicht mehr laufen – fragen wir in einem Home-Center noch nach Ultraschall-Pfeifen für Hunde, da gerade heute in der Südamerika-WhatsApp-Gruppe sehr viel über die nervigen Hunde – besonders in Peru – geschrieben wird und was man dagegen tun kann. Sie haben keine, und bestellen klappt leider auch nicht schnell genug. Vielleicht finden wir noch einen anderen Laden, wir bleiben ja notgedrungen noch ein paar Tage hier.

Da wir erst kurz im Hotel vorbeigehen, bevor wir uns zum Essen und Getränkekaufen aufmachen, ist es ein paar Minuten nach sechs, als wir am Supermarkt ankommen, und es dürfen nur noch Menschen hinausgehen. Dumm gelaufen, heute ist ja Sonntag!

Woche 19 (5.8.24 – 11.8.24) – San Blas Inseln – Lorica

Montag 5.8.24 – Hohe See

Um halb fünf hört Jutta, wie der Anker eingeholt und der Motor gestartet wird, also nichts mit „zwischen zwölf und zwei“. Jetzt ist sie wach, und nur eine halbe Stunde später beginnt sie trotz der schon prophylaktischen Einnahme von Reisetabletten zu spucken. Die vordere Luxus-Koje stellt sich plötzlich als Nachteil heraus, denn die hebt und senkt sich mit dem Bug des Schiffes am heftigsten von allen Kojen.

Als es hell wird, geht Jutta nach draußen, wo es etwas besser wird, aber wir kommen in zwei Gewitter-Stürme mit viel Regen, während derer sie nach unten in den Salon muss und – zwischen den dort auf ihren Kojen liegenden anderen Passagieren – seekrank am Boden liegt, denn ganz unten im Bug ist es laut Crew am erträglichsten. Viktor schläft während dieser ganzen Zeit und bekommt das Ganze nicht mit. Die meisten bleiben mehr oder weniger den ganzen Tag auf ihren Betten (André sagt, es wären wirklich alle seekrank), nur Jutta und zwei andere sind die meiste Zeit an Deck. Einer der Spuckbeutel (Jutta ist nicht schnell genug, sich über die Reling zu hängen und spuckt meist in Beutel) ist undicht, da muss dann der Kissenbezug der riesigen Liegekissen an Deck gewechselt und alles aufgewischt werden – unangenehm, aber nicht zu ändern. Im Magen ist von Beginn an nichts, was herauskommen könnte, aber alles Wasser, was sie auch nur trinkt, findet den Weg wieder nach draußen. Der Tag zieht sich so hin, um sechs geht Jutta in die Koje, um sich auf die lange Nacht auf See vorzubereiten, und ab sieben, nach einem letzten Aufbäumen des Magens, ist plötzlich alles ruhig.

Dienstag 6.8.24 – Hohe See – Ankunft in Cartagena

Als Jutta morgens „gesund“ aufsteht und nach oben geht, kann man schon die Skyline von Cartagena sehen – das Land ist nicht mehr weit. Es gibt Müsli/Cornflakes zum Frühstück, dann packen alle ihre Dinge zusammen, und schon um vor zehn ankern wir vor dem Hafen in Cartagena. Uns wurde gesagt, dass es dort einen richtigen Hafen gäbe und das Aussteigen mit dem Tandem sicher leichter wäre, aber jetzt erfahren wir, dass alle, inklusive Tandem, mit dem Dingi an Land gefahren werden. Aber zunächst fährt André an Land, um unser aller Einreise zu klären. Nach 45 Minuten kommt er ohne die Pässe zurück … . Die bräuchten noch etwas. Irgendwann kann er sie gestempelt abholen fahren und unser finaler Landgang kann beginnen. Nach allen anderen wird erst Jutta mit unserem Gepäck an Land gefahren, dann Viktor und das Tandem. Bis zur letzten Sekunde kann Viktor eigentlich nicht glauben, dass das Herunterreichen des Tandems in das Beiboot funktionieren kann. Vor seinem geistigen Auge sieht er das Tandem schon am Grund des Hafens liegen. Aber es klappt tadellos, wie schon so viele Male vorher, laut André auch mit 75 kg schweren Motorrädern. Das Tandem ist nun wirklich keine Herausforderung für ihn, das ist ja sogar leichter als der Außenbordmotor des Beibootes.

Am Steg verabschieden wir uns von André und der Volunteerin Roberta und machen noch ein Foto von ihnen auf dem Rückweg zur Sophia.

Im Schatten unter einem Baum packen wir das Rad aus und machen es wieder fahrtüchtig.

Dann fahren wir zum ersten Mal nach der Reparatur in Panama Stadt eine kurze Strecke mit dem voll bepackten Tandem. Es fährt sich zunächst sehr „schwammig“, fast so als hätte es einen Platten. Das liegt hoffentlich nur an den 40 PSI (2,5 bar) Reifendruck und nicht an der geringeren Speichenspannung. Die macht Viktor derzeit eigentlich die meisten Sorgen, denn alle Empfehlungen in verschiedenen Foren und in der „Pino Owners Facebook-Gruppe“ sprechen sich für eine hohe Speichenspannung bei montierten und aufgepumpten Reifen aus. Die Vermutungen über die Ursache der Felgenbrüche gehen derzeit dahin, dass die Lastenradreifen (Schwalbe Pick-Up) auch seitlich eine hohe Wandstärke der Karkasse haben und damit die Felge sprengen. Jedenfalls haben andere schon ähnliche Erfahrungen gemacht und sind ebenfalls ratlos.

Per Facebook kontaktiert Viktor die Firma Schwalbe, erhält aber als Antwort zunächst nur die üblichen Links zu den Standardinformationen. Mal schauen, ob in den nächsten Tagen eventuell noch mehr erreichbar ist.

Wir checken mittags im Holiday Inn Express im Stadtteil Manga ein, ganz in der Nähe der Marina. Das Tandem kommt in die zweite Etage ins Parkhaus. Wir nutzen als erstes recht ausgiebig die Dusche und waschen das ganze Salz ab, geben danach die ebenfalls salzige Dreckwäsche in die Hotelwäscherei. Nach kurzer Pause laufen wir zu einem Einkaufszentrum mit einem Baumarkt, da unsere in Panama gekauften Spanngurte leider wesentlich dünner und weicher sind als die vorherigen deutschen von Hase und sich nach dem einmaligen Gebrauch auf dem Schiff schon beginnen aufzulösen. Im Homecenter wird uns zwar gesagt, sie hätten wohl keine, wir finden aber noch genau eine Packung. Die Gurte scheinen genauso dünn zu sein, sind aber immerhin nur zwei Meter lang, und wir nehmen sie mit. Das Bezahlen zieht sich etwas hin – hier scheinen die Kassierer jede Menge Informationen von den Kaufwilligen zu benötigen, es geht sehr langsam voran. Wir werden gefragt, ob wir Punkte sammeln und müssen eine E-Mail-Adresse angeben. Am Ausgang steht dann noch Security und gleicht den Bon mit den herausgetragenen Dingen ab. Eine Mail von dort kommt in den nächsten 24 Stunden zumindest nicht … . Beim folgenden Getränkekauf im Supermarkt läuft die Bezahlung ebenso ab, das scheint hier Standard zu sein – eilig darf man es da nicht haben!

Zurück im Hotel beginnen wir mit der Nachbearbeitung der letzten Tage im Blog, gehen zwischendurch im zehnten Stock im Hotelrestaurant essen und schreiben dann weiter bis zum Schlafengehen. Komischerweise kann Jutta schlecht einschlafen – ob es daran liegt, dass es nicht mehr schaukelt?

Mittwoch 7.8.24 – Cartagena de Indias

Wir sind für zehn Uhr bei einer „Free Walking Tour“ in der Altstadt von Cartagena angemeldet, haben also reichlich Zeit, gemütlich aufzustehen und zu frühstücken. Viktor schreibt noch ein bisschen, Jutta entdeckt währenddessen ein „Wolkenkuckucksheim“ …

… das Haus steht eigentlich auf einem Hügel, den wir durch das zweite Fenster um die Ecke sehen. Durch die Spiegelung wirkt es aber so, als stünde es in den Wolken über dem Meer.

Das Hotel ruft uns ein „sichereres“ Taxi als die, die wir selber an der Straße anhalten würden, und wir lassen uns zum Proklamationsplatz fahren, wo schon eine große Menschenmenge steht und von einem angeblichen Rapper bedrängt wird, der Spenden sammelt. Überall sind fliegende Händler, die Hüte, Schmuck, Sonnenbrillen, Wasser und vieles mehr anbieten, um nicht zu sagen „aufdrängen“.

Die Menschenmenge aus Touristen, die sich für eine Tour angemeldet haben, wird in zwei Gruppen aufgeteilt – erst werden viele Namen aufgerufen, die mit dem spanischsprachigen Führer mitgehen werden, alle anderen werden ebenfalls auf Spanisch zugetextet, nur der letzte Satz („Please follow me“) erklärt verständlich, dass es für die englische Tour wohl woanders losgeht. Jutta kommt mit einem Engländer ins Gespräch, der eine Weile mit Susy, die mit uns auf der Sophia war, gereist ist, nachdem die beiden sich in El Salvador getroffen hatten. Und als wir am Ausgangspunkt „unserer“ Tour ankommen, steht dort eine weitere Gruppe (einer anderen Tour), in der wir Susy gemeinsam entdecken. Die Welt der Reisenden ist irgendwie klein.

Unsere „Free Walking Tour“ führt durch den alten Teil Cartagenas innerhalb der ehemaligen Stadtmauer, die zu einem überraschend großen Teil noch erhalten und begehbar ist. Unser Guide „Ronaldo“ ist ein echter Profi, versorgt uns mit vielen historischen Details und macht das dabei aber mit einer guten Portion Humor und immer passend zu dem Platz, an dem wir gerade stehen. So erfahren wir einiges über die Proklamation der Unabhängigkeit von Spanien (denn wir starten ja am Proklamationsplatz), die spanische Kolonialzeit, den Sklavenhandel, den Bau der Stadtmauer zur Verteidigung gegen die „Piraten“ (so wurden alle Feinde der spanischen Kolonialherren genannt, also auch die Franzosen und die Briten), den großen Angriff von Sir Francis Drake (1586), die Verteidigung Cartagenas (1741) durch den „halben Mann“ Blas de Lezo, die Palenqueras und deren Geschichte, die Zeit der Inquisition, die Größe der Balkone an den Häusern (je größer, desto reicher der Besitzer), die „Miss Columbia“ und „Miss Universum“ – Wahlen und über das teuerste Airbnb in Cartagena, das Sir Francis Drake House.

„Free“ ist die Tour natürlich nicht. Sie basiert auf dem Prinzip der freiwilligen Spende (PWYW – pay what you want), für das einige Studien nachgewiesen haben, dass am Ende sogar mehr Einnahmen erzielt werden, als bei einer festen Preisangabe. Ronaldo ist perfekt darin, in seinen Vortrag immer wieder einzuflechten, dass er am Ende an den durchschnittlichen Einnahmen der geführten Gruppe gemessen wird. Mehrere Fotos mit allen Teilnehmern werden aufgenommen, damit später exakt nachgerechnet werden kann. Irgendwann erwähnt er natürlich auch ganz nebenbei einen empfohlenen Durchschnittsbetrag. Er macht seinen Job wirklich gut und versteht es, einen gewissen sozialen Druck aufzubauen, ohne dabei unangenehm zu werden.

Cartagena de Indias wurde natürlich nach der spanischen Stadt Cartagena benannt, vermutlich weil die Hafenbuchten sich sehr ähneln. Die Stadtmauer und viele Gebäude in Cartagena wurden aus Korallengestein erbaut, was an vielen Stellen noch sehr gut zu erkennen ist.

Irgendwann während der Tour reißt der bedeckte Himmel auf und die Sonne brennt erbarmungslos. Viktor bleibt da leider nichts anderes übrig als ein Souvenir zu erstehen, denn seine Stirn soll definitiv nicht solche Blasen schlagen, wie es sein Rücken gerade tut. Am Stand eines Straßenhändlers fragt er nach dem Preis einer Baseball-Kappe. „40.000“ … er wendet sich ab … „für Dich 35.000“ … „krieg ich sie auch für 20.000?“ … „30.000“ …“krieg ich sie für 25.000″ … „30.000“ … Viktor wendet sich ab und geht wieder zur Gruppe … und bekommt die Kappe dann für 25.000. Gruß an meinen Vater im Jenseits … das hab ich von ihm. 🙂

Nach der Tour gibt es einen Kaffee im – laut Ronaldo – besten Kaffehaus Cartagenas, dann erwandern wir uns noch ein wenig die Stadtmauer und den Stadtteil Getsemani.

Am Ende des Tages entscheiden wir uns, noch einen Tag in Cartagena dranzuhängen, denn wir müssen morgen das Tandem entsalzen, alle Radtaschen neu packen (für die Überfahrt hatten wir alles umgepackt), Luft auffüllen, die Lenkerstellung nochmal korrigieren und vielleicht bleibt auch noch Zeit für einen halben Sightseeing-Tag. Ach ist das schön, so ganz ohne Zeitdruck!

Donnerstag 8.8.24 – Cartagena de Indias

Noch vor dem Frühstück füllen wir ein ellenlanges Online-Formular von DHL aus, da unser Deutschland-Paket noch in Leipzig hängt und nicht weitergeschickt wird ohne alle möglichen Angaben unsererseits. Wir frühstücken bei Sonnenschein am Fenster mit Blick auf den Containerhafen.

Anschließend gehen wir den Lenker des Tandems richtig einstellen und den Reifendruck auf 3 bar erhöhen. Bevor wir die neuen Bremsbeläge einbremsen fahren (d.h. ca. 15 Mal pro Bremse auf 25 km/h beschleunigen und bis kurz vor dem Stand bremsen) wollen wir an einem Autowaschplatz das Meersalz vom Tandem abwaschen. Als wir noch nach einer Möglichkeit dafür suchen, sieht Jutta Seifenwasser die Parkhausrampe herunterlaufen: die Reinigungskräfte erlauben uns, dort auf der Rampe das Rad abzuspritzen. Viktor macht das Einbremsen dann alleine und fährt dafür ein paar Mal um den Block, da es eine längere, gerade Strecke mit gutem Straßenbelag eh nicht in der Nähe gibt.

Wieder im Zimmer packen wir die Radtaschen so um, dass sie für unser Vorankommen richtig gepackt sind, kürzen die sehr langen Spanngurte aus Panama (sie bekommen noch eine Chance) und wollen dann noch eben eine Unterkunft für morgen buchen. Dieses gestaltet sich wesentlich schwieriger als erwartet: Komoot hat ein Hotel gefunden, von dem man aber keinerlei Kontaktdaten online finden kann. Wir suchen eine Alternative – nur andernorts, aber okay. Es geht niemand ans Telefon, aber nach einer WhatsApp-Anfrage bekommen wir eine Bestätigung. Mal schauen, ob wir morgen das von Komoot vorgeschlagene Hotel im Vorbeifahren sehen werden … . Wenn wir überhaupt heile dorthin kommen – ein wenig Bedenken haben wir jetzt doch mit den neuen Felgen.

Den restlichen Tag können wir noch zu weiterem Sightseeing nutzen. Dafür kaufen wir uns ein Ticket für den Hop on – Hop off – Bus und fahren damit mehr als eine Runde, nicht, weil es so toll ist, aber damit wir wieder in der Altstadt sind. Immerhin sehen wir so noch ein paar andere Ecken der Stadt und finden in der Hotelzone endlich einen roten Geldautomaten, wie er von Kapitän Andrés empfohlen wurde, weil diese die geringsten Gebühren nehmen. Und tatsächlich werden wir innerhalb weniger Minuten zu Millionären – wir halten 1,2 Millionen Kolumbianische Pesos in den Händen – 300 Euro. Das sollte für einige Zeit reichen, denn in den meisten Fällen zahlen wir mit Kreditkarte. Aber unser morgiges Hotel nimmt z.B. nur Bargeld.

In der Altstadt wollen wir im (sehr touristischen) Café del Mar an der Stadtmauer den Sonnenuntergang bei einem von Antje gesponsorten Cocktail genießen. Vielen Dank, liebe Antje, für das Willkommenheißen in Cartagena, und wir entscheiden uns diesmal gegen ein Eis und für einen (alkoholfreien) Cocktail – „Pink Sunset“ – passend zu Ort und Zeit!

Das Café ist schon um 16:30 Uhr rappelvoll, mit langer Wartschlange und Mindestverzehr an den Tischen. Direkt an der Mauer Richtung Sonnenuntergang unter der Kolumbianischen Flagge ist es am teuersten (100.000 COP = ca. 25€), wir nehmen einen der Tische an dem schon zwei Cocktails ausreichen, um das Bleiberecht zu erhalten. Diese sind allerdings so teuer, dass man mit dreien auch schon über 100.000 COP liegen würde.

Danke Antje!

Nach dem Besuch einer „Farmatodo“-Apotheke zur Blutdruckmessung und Kalibrierung von Viktors Smartwatch sowie zum Getränkekauf für das erste Mal Radfahren nach genau drei Wochen Pedal-Abstinenz lassen wir uns von einem Taxi zum Hotel zurückfahren. Mittlerweile sind wir Taxi-Profis und nennen dem Taxifahrer den Preis, den wir bereit sind für die Strecke zu zahlen (10.000 COP ist die Mindestsumme). Er akzeptiert. Im Hotel essen wir im zehnten Stock, packen noch ein wenig um, schreiben dann diesen Blog fertig und beenden den Tag eher zeitig. Der Andrenalinspiegel ist mal wieder deutlich erhöht (wie auch Viktors Blutdruck schon am Nachmittag). Die ersten 20 Kilometer werden vermutlich zeigen müssen, ob das ganze System wieder funktioniert und die Speichen und Felgen auch halten.

Wie schreibt es ein Hase Pino-Besitzer auf Facebook so schön:

Es ist etwas „unsettling“ = „beunruhigend“.

Freitag 9.8.24 – (076) – Cartagena de Indias – Maria la Baja

Gesamt: 4.690,53 km

Als Jutta um 4 Uhr früh aufwacht, kann sie ihr rechtes Knie nicht beugen – das Bein ist steif und schmerzt stark. Der Kopf beginnt zu arbeiten: wir wollen doch heute endlich wieder fahren! – müssen wir jetzt abbrechen? Lauter so Zeugs! Viktor wacht auf und hilft, und sobald Jutta auf der Bettkante sitzt und das Bein in Richtung Boden zwingt, ist plötzlich alles wieder gut. Puh! Auch als der Wecker um fünf klingelt, merkt sie nichts mehr davon.

Wir bepacken unser Tandem und gehen um sechs Uhr noch schnell frühstücken, danach geht es in den Berufsverkehr einer Großstadt. Das haben wir mit Sicherheit nicht vermisst: zwischen Autos, Bussen und vielen, vielen Motos kommen wir streckenweise kaum vorwärts und brauchen für die ersten 12/13 km (alles noch Cartagena) eineinhalb Stunden

eine kurze Verschnaufpause

Kaum ist die Stadt vorbei, geht es erst einmal einige Kilometer bergauf. Da kommt nach 25 km eine Tankstelle mit „Altoque“ (dieser Name hat den Namen „Va&Ven“ aus Panama hier in Kolumbien an den Terpel-Tankstellen-Läden abgelöst) gerade recht, und wir machen eine erste Abkühl- und Getränkepause von knapp einer Stunde (in der unter anderem DHL noch weitere Informationen von uns haben will … „Welche Sachen in dem Paket stammen ursprünglich nicht aus Deutschland?“). Die nächsten 25 km vergehen wie im Flug, die Straße ist relativ gut, nicht überfüllt, die Natur rechts und links ist richtig schön. Es geht erst durch Rinderhaltungsgebiete (wieder verstärkt mit Reitern auf ihren Pferden), dann durch ein großes Feuchtgebiet, gegen Ende dann wieder durch Palmöl-Plantagen. An einer Stelle im Feuchtgebiet sitzen und fliegen sehr viele Fischreiher:

Aber Viktor droht heute wieder einmal zu überhitzen. An einer Tankstelle mit Hotel und Restaurant fragt er nach einer Klimaanlage. Ja, in den Hotelzimmern wären welche. Gibt es in der Nähe einen anderen Ort mit Klimaanlage? Sie verneinen lachend, machen aber einen großen Standventilator direkt vor „unserem“ Tisch an. Viktor überlegt, „Pollo sudado“- „Verschwitztes Huhn“ zu bestellen, laut Nachfrage Huhn mit Gemüse, aber die Portion ist immer für zwei Personen, und Jutta möchte nicht.

Nach einer Stunde Pause ist es gerade zwölf Uhr, absolute Mittagshitze, als wir wieder losfahren. Wobei wir nicht weit kommen! Zwei Kilometer weiter ist eine Kreuzung, an der wir scharf rechts abbiegen müssen. Und 500 Meter vor diesem Abzweig geht gar nichts mehr! Nein, unser Tandem ist nicht schuld! Es stehen quasi drei Reihen LKW nebeneinander auf der gesamten Straße und bewegen sich nicht. Motorräder und einige Autos fahren auf dem rechten Grünstreifen vorbei, aber das geht für uns nicht. Wir schieben mehr schlecht als recht vorbei und durch und sind irgendwann an der Kreuzung. Viktor will die Situation noch schnell fotografiert haben, aber sobald Jutta mit dem Handy zur Seite tritt, wird er von mehreren Männern umringt und zum Tandem befragt.

Ab dort ist die Straße lange Zeit sehr leer – es kommt ja kein Fahrzeug von der Kreuzung hinter uns durch – aber die Temperatur ist so hoch, dass Viktor arg gegen Überhitzung kämpfen muss. Immer wieder eine nasses Tuch auf den Kopf und sehr viel Flüssigkeit! Um nach Maria la Baja zu kommen, schlägt Komoot die letzten knapp zehn Kilometer an einem Kanal vor, was auch eine Abkürzung von ein paar wenigen Kilometern bedeutet. Jutta guckt lieber zu Fuss, was für einen Belag dieser Weg hat, auch wenn Komoot von „Straßenbelag“ spricht. Und leider ist es ein steiniger Sandweg. Wir sind uns einig, dass sich das für so wenig gesparte Strecke nicht lohnen wird. Also weiter auf der Hauptstraße!

Unser Garmin hat nun keine Angaben mehr – Jutta muss bei jeder Frage „Wie weit noch?“ schätzen – und schon im Ort muss Viktor doch noch einmal Pause machen, obwohl es nur noch 500 Meter bis zum Hotel sind (was Google jetzt ausspuckt). Wir schieben mehr als wir fahren über nicht so tolle Wege, sind irgendwann zu weit, und dann geht Jutta zu Fuß mit Handy in der Hand zum laut Google richtigen Ort, der sogar mit dem Komoot-Ort übereinstimmt. Dort ist ein großes, mehrstöckiges, eingezäuntes Gebäude. Sie „holt“ also Viktor und das Rad auch dorthin. Dummerweise ist es nicht das Hotel! Dieses liegt aber nur wenige Meter weiter gegenüber. Für umgerechnet 20 Euro bekommen wir ein Zimmer.

Wir machen uns Gedanken, wie wir an Getränke für morgen kommen. In den Tiendas in der Nähe gibt es entweder gar keine Getränke oder so 200ml Saft-Tetrapacks. Jutta findet an der Hauptstraße noch eine, wo sie immerhin zwei Flaschen „Elektrolit“ bekommt, die Lateinamerikanische Variante von Gatorade in tollen Geschmacksrichtungen wie Kokos, Kiwi-Erdbeere und Maracuja. Und was ist eigentlich mit dem Frühstück morgen – die nächste Möglichkeit scheint es erst in 40 Kilometern zu geben? Wahrscheinlich werden wir nicht um fünf oder sechs losfahren können, wie heute überlegt, sondern müssen warten, bis hier im Ort noch eine Frühstücks-Möglichkeit öffnet, obwohl wir ja ganz gerne erst etwas fahren, bevor wir frühstücken, um die „kühlere“ Zeit am Morgen zu nutzen.

Leider ist das Rooftop-Restaurant, das es im Hotel geben soll, nicht in Betrieb, und von allen anderen Essensanbietern im Ort bietet heute genau einer Essen an, hat aber auch nicht alles (wenige) von der Karte, z.B. keine Burger. Immerhin bestellt der Hotelmitarbeiter abends für uns und macht sogar Überstunden, weil der Lieferant noch nicht da ist, als er eigentlich Feierabend hat.

Die Lieferung von „Fast Food 39“ zieht sich stundenlang hin. Von Fast Food kann wirklich keine Rede sein. Das Wechselgeld gibt es erst am nächsten Morgen, aber es ist tatsächlich da. Die „Arepas con todo“ stellen sich als eine Teigtasche mit etwas Salat und viel Huhn, Rind, Schwein und Chorizo heraus. Die „Choripapas“ sind Pommes mit Chorizo, zugedeckt mit Salat. Nach dem Herauspicken des Chorizo bleibt für Jutta nicht mehr wirklich viel Genießbares übrig. Die Teigtasche der Arepas ist mir irgendeiner Sauce getränkt, die Jutta auch nicht so toll findet. „Allesfresser“ Viktor wird heute Abend jedenfalls gut satt.

Samstag 10.8.24 – (077) – Maria la Baja – Santiago de Tolú

Gesamt: 4.766,18 km

Das war aber auch wirklich mal wieder nötig! Ein nahezu perfekter Radfahrtag mit ausreichend Erholungszeit am Zielort, um ihn auch noch ein wenig kennen zu lernen. Und ein kleiner Pool im Hotel. 🙂

Wir starten um kurz vor sechs direkt neben dem in voller Lautstärke laufenden Notstromaggregat des Hotels. Heute Nacht gab es ein längeres Gewitter und das Stromnetz fiel aus, genau zu dem Zeitpunkt als Jutta ins Bad wollte. Die Klimaanlage fiel aus und es blieb alles dunkel. Zum Glück hat die Huawei-Smartwatch eine Taschenlampenfunktion, die Viktor auch bedienen kann. Nach wenigen Minuten gab es ein lautes Rattern und der Strom war wieder da, aber das zugehörige Rattern blieb für den Rest der Nacht.

Obwohl es gestern hieß, die Tiendas machen wohl erst um sieben auf, finden wir an der Hauptstraße eine, deren Licht schon an ist und fragen erfolgreich, ob wir schon etwas bekommen können. Wir kaufen (neben Wasser) zwei verpackte „Pan de Uva“ (Trauben-Brot), in dem Irrglauben da wären Rosinen drin. Tatsächlich ist das einfach süßes Brot mit Aromastoffen (wir entdecken später Vanillearoma, aber kein Trauben- oder Rosinenaroma).

Die Sonne geht erst gegen 6:30 auf, also sind wir noch in der Dämmerung unterwegs, aber es ist schon ordentlich was los auf den Straßen, hauptsächlich Motorräder, meist mit zwei Personen besetzt, aber auch schon erste Lastwagen mit Containern, vermutlich aus Cartagena kommend. Der Wettergott meint es gut mit uns und schenkt uns heute einen bedeckten Himmel bis kurz vor 12 Uhr mittags. Viktor leidet dadurch deutlich weniger als gestern noch. Die Schwüle der Karibik treibt seinen Ruhe-Blutdruck regelmäßig auf 150 bis 170 mmHg, was uns etwas Sorge bereitet, aber der diastolische Wert bleibt zum Glück immer schön zwischen 70 und 80 mmHg.

Am Anfang geht es durch kleinere Palmöl-Plantagen. Wir sehen einen Erntearbeiter auf seinem Motorrad mit dem typischen langen Erntewerkzeug mit sichelförmiger Klinge am oberen Ende. An einer Straßenecke steht ein vollbeladener LKW mit den Ölfrüchten. Schließlich kommen wir an einer Ölmühle vorbei, an der wir endlich auch mal die faserigen braunen Reste des Pressvorgangs fotografieren können, die wir schon in Costa Rica gesehen hatten.

Ölmühle

Während der ersten Stunde beginnt es sogar einmal zu regnen, zunächst nur eine willkommene Abkühlung, dann etwas stärker, aber die Regenkleidung lassen wir in unseren grünen Packtaschen. Stattdessen legen wir eine Frühstückspause mit dem „leckeren“ Traubenbrot unter dem riesigen Blätterdach eines Baumes an einem der „Reductores“ ein und beobachten Lastwagen dabei, wie sie wahlweise mit vollem Tempo darüber hinwegrasen oder langsam hinüberschleichen. Nach der Pause hat der Regen auch schon wieder aufgehört.

Es geht auf gut asphaltierten Straßen mit erstaunlich wenig Schlaglöchern (dafür umso mehr ziemlich ekelig hohe und steile „Reductores“ an Überwegen und Schulen) weiter durch großzügiges, sattgrünes Weideland mit Rindern. Dazwischen sind immer mehr Feuchtgebiete und Waldstücke eingestreut, in denen den Schildern nach zu urteilen Faultiere und Ameisenbären leben. Wir bleiben öfter als sonst üblich stehen und machen Fotos. Vom Rad hören wir laute Froschkonzerte (siehe Video) – Jutta hat sofort und den ganzen Tag den Kanon im Ohr: Heut ist ein Fest bei den Fröschen am See (höre Link)-, sehen unglaublich viele Fischreiher (kleinere und größere) und hören in der Ferne zum ersten Mal seit längerer Zeit auch wieder Brüllaffen. Ein Fischreiher fliegt vor uns einen wunderschönen langen Bogen über unsere autofreie Straße und entleert sich dann ganz knapp vor einem entgegenkommenden Fahrzeug in einem langen weißen Strich, der die Straßenmarkierungen etwas unkonventionell ergänzt. Wir müssen schmunzeln. Der mag die Autos fast so sehr wie wir. Aber ohne sie hätten wir wohl keine ordentlich asphaltierten Straßen für unser Tandem und keine Tankstellen mit Eistruhen und Klimaanlagen.

Heut‘ ist ein Fest bei den Fröschen am See.
Faultierbrücke und „Wo sind die Brüllaffen?“

Leider sehen wir heute auch zum ersten Mal etwas, dass wohl auf so einer Tour fast unvermeidbar ist. Vor unseren Augen wird auf der Gegenfahrbahn ein Hund überfahren und wir hören und sehen leider den gesamten Vorgang. Wir können einfach nicht umdrehen, weil der Anblick zu schlimm war. Der Führer des LKW macht nach unserem Eindruck aber auch keine Anstalten, stehen zu bleiben.

Bei der zweiten längeren Pause treffen wir zwei Polizisten der Policia Nacional, die das Tandem und unsere Tour interessiert. Sie raten uns dringend, die Bergetappe von Caucasia nach Medellin nicht mit dem Tandem zu unternehmen. Die Steigungen seien extrem, es gäbe sehr viel Lastwagenverkehr und es sei dort auf der gesamten Strecke immer sehr nebelig, die Unfallgefahr daher sehr hoch. Sie empfehlen uns für die Strecke, auf einen Bus umzusteigen. Abends fragen wir in der WhatsApp-Gruppe VIBICO (VIajeros en BIcicleta por COlombia) nochmal nach, und die sehen das natürlich alle viel entspannter und laden uns gleich ein, bei einem „Anfitrion“ (Gastgeber) auf halber Höhe (Passhöhe nach Medellin: 2.788 Meter) zu übernachten.

Während dieser Pause versucht Viktor auch die Rohloff-Schaltung wieder richtig einzustellen, denn wir fahren offenbar seit Cartagena nur noch mit 13 statt 14 verfügbaren Gängen. Beim Einbau des Hinterrades muss irgendwas schiefgegangen sein. Viktor stellt mit dem 8er-Maulschlüssel die Schaltung auf den 14. Gang und den Schaltgriff ebenso auf die zugehörige Endposition. Dann wird die Schaltbox wieder aufgesetzt und beim Durchzählen sind alle 14 Gänge wieder verfügbar.
Ergänzung vom nächsten Tag: Irgendwas stimmt immernoch nicht. Es sind wieder nur 13 Gänge verfügbar.

Kurz vor Schluss kommen wir auch noch fast nach Berlin.

Die letzten 15 Kilometer werden wieder etwas beschwerlicher, da feucht-wärmer, aber wir kommen ziemlich genau um 12 Uhr in Tolú in unserem Hotel an, das uns positiv überrascht. Es hat seit einem Jahr eine neue Bewirtschaftung und das Ehepaar ist super freundlich und kundenorientiert. Viktor kann in den Pool springen und wir haben am Nachmittag Zeit, den Ort zu erkunden, einen Malteada de Café (Milchshake) an der Strandpromeade zu trinken und zu entspannen.

Auf Wunsch bekommen wir um Punkt 18:00 Uhr im Hotel ein Abendessen serviert, dass uns für gestern entschädigt. Wir unterhalten uns mit der Betreiberin und sie verrät uns das Geheimnis ihrer Großmutter für die Zwiebeln im Avocado-Tomaten-Salat (Zwiebeln mit Salz, Pfeffer, Zitrone und ein wenig Essig für eine Stunde in den Tiefkühler stellen).

Und noch aus unserer Serie „unbekannte Straßenschilder“:

Was könnte das Schild bedeuten? Wir nehmen Antworten in den Kommentaren entgegen.

Sonntag 11.8.24 – (078) – Santiago de Tolú – Lorica

Gesamt: 4.814,66 km

Als wir um fünf aufstehen, gewittert es, und der Regen hört auch bis sechs nicht auf. Wir haben uns für heute nur knappe 50 km vorgenommen, warum sollten wir da im Regen losfahren? Also vertreiben wir uns die Zeit im Innenhof, in der Hoffnung auf ein baldiges Ende. Um nach sieben essen wir schon einmal ein wenig Brot, dann ist das Essensthema wenigstens schon durch. Und gegen viertel vor acht hat der Regen soweit aufgehört, dass wir uns auf den Weg machen. Wie jedes Mal stehen die Straßen zum Teil unter Wasser. Es spritzt ganz schön – das Rad, die Taschen und die Deutschlandflagge (und sogar Viktors Camelbak) sind nach kurzer Zeit völlig verdreckt.

Zu Beginn geht es die Küste entlang an einem Hotel nach dem anderen. Namen wie „Playa“, „Palma“, „Azul“, „Blue“, „Bleu“ wiederholen sich. Überall stehen Reisebusse in den Einfahrten. Wir fahren einfach hindurch, ohne groß anzuhalten, und kommen schnell voran. In Coveñas halten wir zum Kaffeetrinken an, auch wenn erst eine Stunde gefahren ist. Wir sind ja schon ein paar Stunden auf den Beinen. Anschließend kommt schnell der Abschied vom Atlantik (Tagesbild oben): bei El Porvenir geht die Straße von der Küste weg, und wir werden jetzt wohl nicht mehr an diese stoßen – erst irgendwann wieder am Pazifik, vermutlich in Ecuador. Das war ein relativ kurzer Spaß mit der Karibik!

Es geht durch grünes Weideland, ein wenig auf und ab, und wir fahren ohne weitere Pause bis Lorica, kommen schon um halb zwölf dort an. Weil es so sehr früh ist, setzen wir uns erst in eine Panaderia und Heladeria (der Laden darf sich Eisdiele nennen, verkauft aber neben Brot und Kuchen nur abgepacktes Eis am Stiel). Obwohl, oder vielleicht auch gerade weil, es Sonntag ist, ist die Straße völlig mit Motorrädern überfüllt. Der Motorenlärm mischt sich auch noch mit lauter Musik, die anscheinend jeder einzelne Laden oder Stand hier abspielt – es dröhnt uns in den Ohren. Irgendwann haben wir genug und checken im „Hotel Hausen“ ein. Das liegt auch an der Hauptstraße, ist oberhalb von Geschäften und hat keinerlei Platz, wo wir das Tandem abstellen können. Die Läden haben heute geschlossen, und es gibt sowohl Kameras, die den Bereich 24 Stunden überwachen als auch eine Polizeistation schräg gegenüber, also parken wir einfach vor dem Nachbarladen, etwas versteckt hinter einer Säule.

Nach der guten Erfahrung gestern ist es in dieser Stadt wieder eher nicht so einfach, etwas zu finden, wo wir essen gehen möchten, obwohl es angeblich viele Restaurants geben soll. Wir machen uns zwischen drei und vier (nach einem Nickerchen des Captains) auf den Weg in den Ortskern, ca. 1,5 km entfernt. Dort finden wir eine relativ menschenleere Markthalle direkt am Fluss Sinú vor sowie viele geschlossene Läden und Restaurants. Es ist eben Sonntag. Am Wasser ist es aber recht schön und wir genießen die Aussicht und sehen viele Fischreiher, die hier einfach zum Stadtbild gehören.

In der Nähe lungern einige ziemlich alkoholisierte und teilweise recht laute Männer herum. Ein älterer Mann stürzt beim Versuch, sich in einen Plastikstuhl zu setzen, direkt vor Viktor auf den Boden. Jutta vermutet kurz einen Trickdieb, aber es ist niemand anderes in der Nähe und der Typ kommt alleine echt nicht mehr hoch. Also zieht Viktor ihn wieder auf die Beine und und setzt ihn in den Platikstuhl im Schatten.

Eine Panaderia hat immerhin geöffnet, wir trinken dort einen Kaffee und Viktor bestellt ein Blätterteig-Gebäckstück, das mit „Arequipe“ gefüllt sein soll. Es stellt sich als das schon bekannte „Dulce de Leche“ heraus (karamellisierte süße Kondensmilch), das in Kolumbien schon wieder den Namen gewechselt hat. Die anderen Restaurants öffnen nach Aussage einer Bedienung erst gegen 18:00 Uhr, also kurz vor Sonnenuntergang. Den Rückweg zum Hotel möchten wir aber lieber nicht im Dunkeln gehen.

Gebäckstück mit „Arequipe“

Auf dem Rückweg ins Hotel finden wir dann doch noch einen richtig netten Foodcourt direkt an der Hauptstraße. Die Stände und die Möbel sind aus Palettten gezimmert, aber sogar lackiert und gepolstert. Im Angebot sind Burger, Pizza, Fleisch von einer Grillstation und noch einiges mehr. Es gibt eine zentrale Kasse, jeder kann von den unterschiedlichen Ständen bestellen und bekommt es am Platz serviert. Für uns geht das Konzept perfekt auf, eine vegetarische Pizza mit Wasser und eine „Hamburguesa Alemana“ mit Bier („Deutscher Hamburger“ mit Berliner Wurst … oder dem was sie sich hier unter Berliner Wurst vorstellen).

Wir gehen satt, zufrieden und müde kurz vor Sonnenuntergang ins Hotel zurück. Unser Tandem durften wir vor dem Losgehen noch direkt vor die Türe des Hotels stellen, damit die nächtliche Security es im Auge hat.

Woche 18 (29.7.24 – 4.8.24) – Panamá City – San Blas Inseln

Montag 29.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 11)

Kurz nach dem Aufwachen (des Captains) bestätigt sich, dass die Schule gegenüber jeden Montagmorgen einen Fahnenapell mit Nationalhymne abhält. Vorher erhalten einige Schüler noch Urkunden und Medaillen.

Heute wollen wir uns um den DHL-Versand von zwei Paketen nach Lima (Peru) und nach Deutschland kümmern und persönlich bei DHL nachfragen, wann die Pakete aus Deutschland (neue Felgen und Speichen) zu erwarten sind. Außerdem sollen die Postkarten zur Post gebracht werden und wir wollen uns einmal im Fahrradladen Trillo Armadillo blicken lassen, um das weitere Vorgehen zu besprechen und die Schaltzüge nochmal zu inspizieren.

Wir machen uns also zu Fuß auf den Weg zur zwei Kilometer entfernten Post, bei der wir auch schon die Briefmarken gekauft haben, da wir die fertigen Karten genau dort am Schalter abgeben müssen – es gibt keine Briefkästen für internationale Post (s.o.). Die Mitarbeiterin erinnert sich an uns und nimmt den Packen Postkarten entgegen. Wo sie sie hintut, können wir nicht sehen. Von dort laufen wir hinunter ans Wasser und den ganzen Weg zum DHL-Office, das genau in der Gegenrichtung unseres Hotels liegt. Auf diesem Weg besorgen wir in einer Apotheke schon einmal Reisetabletten für unsere Schifffahrt.

Wir haben unsere große Luftpumpe aus Nicaragua dabei, die wir in das Paket nach Deutschland packen wollen, und die vermutlich die Größe des erforderlichen Kartons bestimmen wird. Während Viktor sich bei DHL nach unseren erwarteten Paketen erkundigt (laut diesem Mitarbeiter sind sie noch in London, obwohl die App anzeigt, dass sie gestern morgen London verlassen haben – wir wissen also eigentlich gar nichts!) misst Jutta schon einmal an den ausgestellten Paketgrößen nach. Allerdings können wir keine Kartons kaufen, hier muss man mit den zu verschickenden Sachen in der DHL-Station erscheinen, und dann wird (gemeinsam?) das Paket gepackt. Gut, dass wir die riesige Luftpumpe schon so weit getragen haben und heute noch weiter tragen werden …

Jetzt wollen wir aber mit dem Bus zum Fahrradladen fahren. Nassgeschwitzt stehen wir seeeeeehr lange an der Haltestelle, ohne dass eine der beiden möglichen Linien kommt, andere Linien kommen in der Zwischenzeit mehrfach. Wir haben es ja nicht eilig, und irgendwann können wir dann auch einsteigen. Die Fahrt dauert recht lange, bevor wir noch einmal umsteigen und kürzer weiterfahren müssen. An der Umsteigestation stehen wir wieder so lange, dass wir schon überlegen, die halbe Stunde zu laufen, aber wir warten doch weiter – es ist mit 33°C im Schatten einfach zu heiß.

Bei „Trillo Armadillo“ tauschen wir uns mit Alejandro aus und klären, wie wir gemeinsam weiter vorgehen, je nachdem wann DHL endlich ausliefert. Das Vorderrad ist jetzt schon mit der Felge aus Miami eingebaut, da müssen wir noch überlegen, weil aus Deutschland noch einmal eine spezielle Lastenradfelge (ANDRA 40) und Speichen kommen. Wir machen vom Liefertermin abhängig, ob der Laden noch einmal tauschen soll oder nicht. Einen Saitenschneider, um die große Kneifzange von unterwegs ersetzen zu können, und neue Spanngurte hat „Trillo Armadillo“ nicht, aber wir bekommen das Discovery Center für die Spanngurte und den Rali – Fahrradladen für einen speziellen Saitenschneider empfohlen. Das bedeutet noch mehrere Busfahrten und Fußwege! Und wir schleppen jetzt unsere Radtasche mit dem Werkzeug und den nicht benutzen Ersatzteilen mit, die ganz schön schwer ist.

Vorher trinken wir erst einmal einen Kaffee im Kotowa Coffee House, wo wir schon am ersten Tag hier gewesen sind, erst danach suchen wir einen Bus zum Discovery-Center. Dort müssen wir unsere Taschen und Rucksäcke von einem Security-Mann einschließen lassen. Juttas Rucksack mit der Luftpumpe passt in kein Schließfach und wird einfach oben draufgelegt. Es gibt einen ganzen Gang nur mit Spanngurten, die einzigen ohne Ratsche und ohne Haken, aber mit Metallklemme sind mit 4 Metern eigentlich viel zu lang, aber wir nehmen sie. Es folgt wieder eine sehr lange Busfahrt mit einigem Hin und Her zum Rali Fahrradladen. Dort sind wir weniger erfolgreich – sie hoffen, das erwünschte Werkzeug Ende des Jahres wieder zu haben und schicken uns zu Novey, einem nahen Baumarkt. Also wieder über die Fußgängerbrücke zurück, über die wir gerade erst gekommen sind (und wir hatten heute schon viele Fußgängerbrücken – mit dem ganzen Gepäck bei der Hitze). Dort haben sie auch keinen anderen Saitenschneider als eine große Kneifzange wie wir sie schon haben, aber wir kaufen wenigstens zwei kalte Getränke und eine kleine Rolle Noppenfolie 🙂 .

Für den Rückweg zum Hotel sparen wir uns den Bus und laufen wieder komplett, tragen immer abwechselnd die Werkzeug-Radtasche und halten nicht am Supermarkt, um neue Getränke zu kaufen, weil wir einfach nichts weiter tragen können. Jutta opfert sich und geht dann mit geleertem Rucksack gleich noch einmal los und kauft Getränke und Abendbrot, dann müssen wir heute nicht noch einmal los. Viktor beginnt schon mal mit dem Blog-Beitrag für heute und schaut parallel ein wenig CNN.

Dienstag 30.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 12)

Heute wollen wir nur ausreichend Dollar für unsere Bootsfahrt nach Kolumbien und noch etwas mehr als Puffer für Südamerika an „Cajeros Automaticos“ (Geldautomaten) abheben. Die Bootsfahrt muss nämlich in bar beim Kapitän bezahlt werden. Außerdem wollen wir etwas Geld in Kolumbianische Pesos umtauschen, zum Fischmarkt gehen, der uns gestern empfohlen wurde und Kopien von unseren Pässen machen. Außerdem wollen wir uns eventuell noch ein Souvenir kaufen, da wir ja noch ein Paket nach Deutschland schicken und wir es deshalb nicht auf dem Rad mitnehmen müssen. Es soll also fast ein Ruhetag werden!

Nach dem vielen Laufen am gestrigen schwül-heißen Tag fahren wir heute etwas mehr Metro … denken wir uns jedenfalls. Es geht zunächst eine Station in eine Gegend, in der es eine Wechselstube für Kolumbianische Pesos und sehr viele Banken mit Geldautomaten gibt. Als erstes gehen wir zur Wechselstube: Der einsame Mitarbeiter am Schalter hat zwar Pesos, muss sie allerdings erst „freischalten“ – wir können nachmittags wiederkommen. Na gut! Dann heben wir halt jetzt Geld am Automaten ab und fahren danach erst einmal zum Fischmarkt!

Wer kann denn ahnen, dass das Geldabheben zu einem Problem wird – wir hatten am ersten Tag hier in Panama problemlos 500 Dollar am Automaten erhalten und akzeptable 1,25$ Gebühr dafür bezahlt. Wir stiefeln heute von einer Bank zur nächsten, von einem Automaten irgendwo im Supermarkt, Shopping Mall oder Casino (die Geldautomaten gelten dort als spendabler) zum nächsten, versuchen es mit verschiedenen Kreditkarten, aber überall gibt es nur maximal 250 Dollar, und das bei 6,80$ Gebühr. Wir finden das einfach dreist hoch, auch wenn es im Verhältnis zu unseren Gesamtausgaben in Panama vermutlich keine große Rolle spielt. Bei einer Bank fragt Viktor sogar eine Mitarbeiterin nach möglichen Gründen: da müssten wir mit unserer Bank sprechen, da das wohl eine Beschränkung der Karte sei, sagt sie. Wir wissen aber, dass das nicht stimmt, denn wir haben ja schon mal 500 abheben können. Das sagen wir ihr auch. Aber sie wiederholt den gleichen Satz immer wieder, bis wir uns frustriert zur nächsten Bank auf den Weg machen.

Die Motivation sinkt, wir gehen nach über eineinhalb Stunden einen Kaffee trinken und gehen in Gedanken durch, wann und wo wir die 500$ bekommen haben. Es war ein „BAC“-Automat, sind wir uns halbwegs sicher, und eine BAC-Bank war bei den etwa 20 Versuchen unseres Vormittags noch nicht dabei. Die nächste ist nur einen Kilometer entfernt, in einer Richtung, die wir heute noch nicht eingeschlagen haben, in Richtung Küstenstraße. Wir machen uns also auf den Weg dorthin. Aber als wir dort ankommen: Fehlanzeige, Baustelle, zur Zeit keine funktionierenden Geldautomaten. Aber auf dem Boulevard nochmal einen guten Kilometer weiter ist noch eine „BAC“-Möglichkeit. Ironischerweise ist das ziemlich genau unterhalb unseres Hotels, wir sind fast einen Kreis gelaufen, ordentlich durchgeschwitzt und werden am Ende des Tages wieder über 20.000 Schritte gelaufen sein. Der Eingang zur Bank liegt irgendwo versteckt an der Rückseite, wir suchen ein wenig, umkreisen das Gebäude fast komplett, aber wir sind dann endlich erfolgreich! Irgendwie scheinen die deutsche DKB und die panamaische BAC etwas enger zusammen zu arbeiten. Halleluja, das hätte einfacher sein sollen. Wir machen ein Foto vor Freude, was Erstaunen bei anderen Bank-Besuchern auslöst.

Jetzt wollen wir aber endlich zum Fischmarkt, und zu Fuß haben wir keine Lust mehr. Die Busse fahren von hier nicht wirklich dorthin, also nehmen wir doch einfach zwei „Bird“-Scooter, die hier überall verfügbar herumstehen – Viktor ist mit der App angemeldet (und kann laut App Jutta als Gastfahrerin hinzufügen). Ein Scooter ist schnell geliehen, alle weiteren probierten Scooter sind aber nicht als Gast ausleihbar. Also wird der erste wieder storniert, und in der App wird probiert, die 2,50 Gebühr zurückzufordern. Am Ende fahren wir dann doch Bus zum Platz „5 de Majo“ und laufen durch eine schaurige Gegend zum Fischmarkt. Man riecht den Fischgeruch schon vor den vielen „Outdoor-Barberias“ (Barber Shops) auf dem Weg, und als wir ankommen, sind wir erstaunt, dass es in der Halle sehr warm ist. In der Markthalle, die wir letzte Woche besucht haben, waren die Hallen sehr gut gekühlt, aber hier vermissen wir das sonst übliche Eis und auch sonst irgendeine Kühlung. Statt dessen sitzt ein Fischreiher auf einem Gerüst, andere Vögel fliegen durch die Gegend. Aber es gibt viele tolle Dinge zu kaufen:

Im Obergeschoss ist ein Restaurant, wo wir eine Portion „Guacho de Mariscos“ bestellen, was einem von uns auch sehr gut schmeckt.

Nach dieser „Mittagspause“ fahren wir mit der Metro wieder bis zur Wechselstube. Der Umtausch von 100 U.S.Dollar in Pesos ist nur mit Reisepass möglich – gut, dass wir unsere heute ja mitgenommen haben. Außerdem braucht der Herr Viktors Telefonnummer, die Adresse des Hotels (muss er auf Google suchen, weil es ja in Panama keine richtigen postalischen Adressen gibt), und sogar den Beruf. Wir bekommen 360.000 Kolumbianische Pesos für die 100 Dollar. Und wir bekommen noch kostenlos unsere Pässe kopiert, als wir ihm von unserer Reise erzählen. Das war jetzt mal leichter als gedacht und wir müssen keinen Copyshop mehr suchen!

Es ist ca. vier Uhr nachmittags, jetzt also noch Panamá-Souvenirs für uns selbst? Wir machen uns auf den Weg zur Multiplaza Mall, wieder ein Stück zu Fuß und dann mit einem Bus. Leider kommt so lange kein Bus, dass wir doch überlegen, mit der Metro zur Albrook-Mall zu fahren, das klappt immer und wir kennen uns dort schon gut aus. Dort müssen wir erst einmal etwas trinken, dann suchen wir herum, ob wir etwas Schönes finden, und schließlich entscheidet sich Viktor gegen den kostspieligen faltbaren Panama-Hut (der nicht einmal nass werden darf und ihn irgendwie auch zu sehr an Honecker erinnert) und für ein T-Shirt. Jutta bleibt abstinent und nimmt aus Panamá nur die eigenen Erinnerungen mit.

In der Albrook-Mall fallen uns die vielen langen Warteschlangen auf, die vor den verschiedenen Geldautomaten stehen (siehe Foto). Es ist ja Ende des Monats und es scheint so, als ob bei vielen Menschen Zahltag war und sie sich Bargeld besorgen müssen.

Nach zwei Kugeln Eis fahren wir wieder zum Hotel zurück (mit Brot- und Bierkauf im Supermarkt REY), und es gibt zum Abendessen noch Reste von gestern auf dem neuem Brot.

Mittwoch 31.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 13)

Morgens um sieben kommt die Mail, dass unsere Pakete ins Auslieferfahrzeug geladen wurden. Es sollte also mit der heutigen Zustellung beim Fahrradladen klappen! Wir frühstücken etwas entspannter als die letzten Tage ein vermutlich vorletztes Mal gegenüber im „Arte del Pan“. Jutta einen „Esponjado“ wie fast jeden Morgen, Viktor einen „Hawajano“ (eine Art Käse-Schinken-Croissant) wie fast jeden zweiten Morgen hier in Panamá-Stadt.

Anschließend geht Jutta noch einmal alles waschen, inklusive der Regenjacken und der Camelbaks. Beim ersten Mal im Waschsalon angekommen fällt ihr auf, dass sie das Waschmittel im Hotel vergessen hat. Also noch einmal hin und her. Heute sind leider nur Toplader-Maschinen frei, diese vermeiden wir ja eigentlich seit 23 Jahren wenn es nur geht (seit wir aus den USA zurück gekommen sind), aber heute geht es nicht anders. Während die Maschine läuft, suchen wir im Hotel die Dinge für das Paket nach Hause zusammen, zwischendurch geht Jutta die Jacken und Rucksäcke nass abholen und den Rest in den Trockner packen, und dann kauft Jutta sich noch ein E-Book für die Schiffsreise (eigentlich leiht sie auf dieser Reise ihre Bücher alle aus, aber zum Lesen braucht sie regelmäßig ein stabiles W-LAN, um weiterlesen zu können, was wir auf dem Schiff nach Kolumbien sicher nicht haben werden).

Als auch die getrocknete Wäsche wieder abgeholt ist, schicken wir vorab schon einmal eine WhatsApp an den Mitarbeiter bei DHL mit allen einzupackenden Dingen und machen uns dann mit dem Bus auf den Weg. Der kommt kaum vorwärts, wahrscheinlich wären wir zu Fuß schneller gewesen, aber wir wollen nicht gleich wieder unsere frischen Klamotten durchschwitzen. Bei DHL dauert es ziemlich lange, es werden sehr viele Angaben gebraucht, aber netterweise müssen wir nur für ein 5kg-Paket zahlen, obwohl es 7,4kg auf die Waage bringt. Da beschweren wir uns nicht! Nachdem wir nachmittags eine Nachricht bekommen haben, dass das Paket auf den Weg gegangen ist, kommt eine Beschwerde-Sprachnachricht von dem DHL-Mitarbeiter: wir hätten ja Geld in dem Paket, das wäre nicht erlaubt! Ja, wir haben einen kleinen Rest Quetzales aus Guatemala mit eingepackt, die wollten wir nicht mehr durch die Gegend fahren, und das stand auch in der Aufstellung des Paketinhaltes, die wir ihm vorab geschickt hatten. Und wir haben alles zusammen mit dem Mitarbeiter eingepackt. Das hätte er uns da ja sagen können, jetzt ist es zu spät! Morgen treffen wir ihn ja nochmal, wenn wir das Paket nach Lima schicken. Mal schauen, was er uns zu sagen hat.

Jedenfalls ist es halb zwei, als wir bei DHL fertig sind, und wir trinken noch einen Kaffee bei „Coffee Bean und Tea Leaf“, bevor wir zum Hotel zurückkehren, um uns ein wenig abzukühlen. Dort kommt auch die Nachricht, dass der Fahrradladen die Pakete erhalten hat und sie sich jetzt an die Hinterradfelge machen! Wir wollen heute noch die Cinta Costera 3 (s.o.) „machen“ – nicht mit einem Rad, sondern zu Fuß. Dafür lassen wir uns mit Metro und Bus nach „El Chorillo“ fahren. Der Bus nimmt sogar ebenfalls den Weg über die Cinta Costera 3, obwohl er laut Google anders fahren soll. Als wir aussteigen, schickt uns eine Frau in die entgegengesetzte Richtung als wir eigentlich wollen – das ist wohl wieder so eine No Go-Area, die wir umrunden sollen. Nun gut, es ist zwar warm, aber wenn es sicherer ist! Neben der Autofahrbahn verläuft ein schöner breiter Streifen für Fußgänger*innen und Radfahrende, diese noch getrennt durch einen Grünstreifen. Leider alles in der Sonne! Es sind 2,8 Kilometer auf dieser Straße durch das Wasser. Wir laufen dann weiter auf dem Küstenboulevard, der um diese zeit viel belebter ist als tagsüber, und gehen zum Abendessen ein zweites Mal ins Santé, wo wir wieder richtig gut speisen und Viktor sich zum Abschluss den ersten und letzten Rum in Mittelamerika gönnt.

Promenade am frühen Abend

Donnerstag 1.8.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 14)

Heute soll unser letzter Tag hier in der Großstadt werden! Der Fahrradladen hat uns quasi garantiert, dass wir heute Abend unser Tandem repariert wiederbekommen können, also können wir morgen früh die geplante Tour mit Bluesailing nach Cartagena in Kolumbien starten.

Unsere Regenjacken sind getrocknet, und wir müssen sie noch mit dem besorgten Spray imprägnieren . Das wollen wir auf der Dachterrasse tun. Leider ist vor dem Frühstück die Tür nach draußen noch verschlossen.

Beim Frühstück haben wir beide nicht so richtig Appetit – sind etwas nervös – essen aber unsere letzte Avocado im Arte del Pan und verabschieden uns dann von den dort Arbeitenden. Anschließend ist oben immer noch abgeschlossen, obwohl Viktor an der Rezeption Bescheid gesagt hat, und wir sprayen dann einfach im Fitnessraum, dessen Fenster immerhin alle geöffnet sind. Das Spray stinkt ziemlich ungesund. Währenddessen kommt eine Reinigungskraft und öffnet den Weg nach draußen. So können wir die Jacken (Hosen und Camelbaks, wir haben die ganze Dose benutzt) wenigstens noch draußen ausdünsten lassen, obwohl man dort eigentlich keine Wäsche hinhängen darf. Sagt aber niemand etwas!

Wir müssen alle unsere Sachen wieder packen, uns zwar so, dass jeder eine Tasche zum Gebrauch mit an Bord hat, und alles andere anderweitig verstaut werden kann. Also am besten auch alle kleineren Taschen in etwas Größerem verpackt – wir können ja nicht mit zig Kleinteilen dort erscheinen.

Um elf machen wir uns auf den Weg zu Trillo Armadillo, diesmal mit einer anderen Verbindung, erst Metro bis San Miguelito (der einzigen Umsteigestation von Linie 1 zu 2) und dann mit dem Bus. An dem Umsteigebahnhof werden wir von mehreren uniformierten Menschen angehalten. Wir wollen sie fragen, wo die Busse abfahren, weil nichts ausgeschildert ist, statt dessen wollen sie unsere Reisepässe und den Einreisestempel sehen (sie sind von der Migrations-Behörde). Jutta hat ihren dabei, Viktor nur den Personalausweis, der ihnen aber nicht ausreicht. Wir sind jetzt seit zwei Wochen hier, und noch nie sind wir in solch eine Kontrolle geraten! Viktor sucht auf dem Handy nach Fotos, die ihnen dann für heute ausreichen, aber beim nächsten Mal muss es dann das Original sein. Tja, morgen werden wir hoffentlich die Stadt verlassen … .

Dann stehen wir an einer sehr chaotischen Bushaltestelle und warten auf eine bestimmte Linie. Es fahren unendlich viele kleine Coaches und Chicken-Busse, weniger Linienbusse, diese aber mit anderen Nummern. Irgendwann nach ca. 30 Minuten werden wir nach ganz vorne geschickt, dahin, wo schon Menschen aufgereiht stehen. Und dort kommt ein Bus zum Stehen, an dem vorne nur Allgemeines steht, keine Linie. In diesen beginnen die aufgereihten Menschen einzusteigen. Und siehe da! Der Fahrer stellt jetzt auch vorne unsere erwartete Zahl ein. Letztendlich sitzen wir im richtigen Bus! An diesem Bahnhof war das Umsteigen keine Freude!

Im Fahrradladen angekommen ist das Tandem noch völlig radlos. Der Mitarbeiter speicht gerade die vordere Felge mit unseren alten Speichen ein, da die aus Deutschland geschickten neuen Speichen leider nicht passen, obwohl Sandmann ja sogar einen Tag später noch neue losgeschickt hat – Viktor hatte leider falsch gemessen, und sie haben die ihnen geschickten Maße (3mm zu lang) genommen. Für das Hinterrad hatte Viktor nicht gemessen, da sind im zweiten Paket die richtigen für die Rohloff-Felge gekommen, und das Rad ist schon fertig, nur noch nicht eingebaut. Wir verabreden also nur, dass wir zwischen fünf und sechs noch einmal wieder kommen, um das Rad abzuholen. Leider passt es wider Erwarten nicht auf den Gepäckträger von Alejandro, obwohl er uns angeboten hatte, das Tandem zum Hotel zu bringen. Jetzt will er herumfragen, ob es jemanden mit einem Pick Up gibt, damit wir nicht abends noch mit dem Rad durch die halbe Stadt fahren müssen – im öffentlichen Nahverkehr kann man hier keine Fahrräder mitnehmen.

Wir wollen jetzt erst einmal das Paket nach Lima schicken (mit noch zwei Ersatzschläuchen 20″ zusätzlich zu von uns zusammengesuchten Dingen) und müssen dafür wieder zu DHL. An der Bushaltestelle stehen wir etwa eine halbe Stunde, alle anderen Wartenden haben inzwischen ein Taxi genommen oder sind losgelaufen, als wir uns dann ebenfalls für ein Taxi entscheiden – es kommt einfach gar kein Bus! Das Taxi findet den Weg zu DHL nicht richtig, lässt uns aber in der Nähe raus. Okay! Jutta hat ja ihren Pass dabei, also wird heute sie das Paket versenden. Für ein Paket nach Peru braucht der Mitarbeiter aber auch noch die Identifikation des Empfängers! Wir wollen es zu Susana Vinas schicken, der peruanischen Mutter, von der zwei Kinder bei uns in Duetschland waren und bei der zwei Kinder von uns in Lima waren (Schüleraustausch vom Runge-Gymnasium mit der Deutschen Schule in Lima). Glücklicherweise ist es in Peru nicht gerade Nacht und Susana schickt relativ schnell ihre Personalausweis-Nummer per Messenger. Zwischendurch ist Viktors Handy noch leer, aber DHL hat das richtige Ladekabel und spendiert den Strom. Das hätte auch schiefgehen können. Das vier Größen kleinere und weniger als halb so schwere Paket im Vergleich zu dem Gestrigen an die weniger weit entferntere Adresse kostet fast soviel wie das Paket nach Deutschland (das heute früh übrigens schon in Cincinetti war). Das kommt uns komisch vor, aber es wird jetzt angeblich „extra sicher“ verschickt, was immer das bedeutet … .

Etwas genervt laufen wir zum Hotel, um uns nach einer kurzen „Handy-Ladepause“ wieder auf den Weg zum Radladen zu machen. Inzwischen hat Alejandro leider keinen Pick Up-Fahrer ausmachen können. Die Rezeptionistin fragt, warum wir das nicht heute früh schon gefragt hätten, da hätte sie uns sicher helfen können (da wussten wir ja noch gar nicht, dass uns das Tandem nicht von Alejandro gebracht wird). Viktor versucht es noch bei einer angeblichen Autovermietung um die Ecke, die aber nicht existiert, und stellt sich dann auf Anraten von Alejandro an die Straße, um eines der Pick Up-Taxis zu ergattern. Das macht er lieber alleine, wegen der fehlenden Sitzplätze in Pickups, und Jutta bleibt im Hotel zurück.

Vor dem „Arte del Pan“ findet er einen Taxifahrer, der ihn für 7$ zur Centennial Mall bringen würde, wo sich der Fahrradladen befindet. Die Frage nach einem möglichen Freund mit großem Pickup (lange Ladefläche) beantwortet er mit „Ja“, aber leider hat der gerade keine Zeit, wie ein Anruf ergibt. Dafür sieht er nach circa einem Kilometer einen anderen Freund mit Pickup am Straßenrand stehen und Viktor kann (nach Zahlung von 10$ für die „Vermittlung“) umsteigen und hat jemanden, der mit ihm für weitere 50$ das Tandem abholt und ins Hotel bringt. Nun gut, das sind Wucherpreise, aber die Nerven liegen ein wenig blank und das merken diese Profis natürlich.

Das Tandem ist tatsächlich gerade fertig geworden als wir zur Abholung eintreffen und wird aus der obengelegenen Werkstatt heruntergetragen. Die Rechnung ist mit knapp über 400$ (inklusive Zoll für das Paket aus Deutschland, komplette Wartung plus Grundreinigung, drei eingespeichte Felgen, denn vorne wurde zweimal eingespeicht, Ersatz-Freilauf öffnen, reinigen und schmieren) noch erstaunlich human.

So haben wir am Abend noch Zeit, ein letztes Mal beim Italierner essen zu gehen und im geschlossenen Hotelrestaurant das Tandem zusammenzuschieben, den Stoker-Sitz abzubauen und das Ganze in einem großen Plastiksack zu verpacken.

Soooooo, morgen um 5 Uhr werden wir abgeholt und dürften danach für fünf bis sechs Tage „offline“ sein (je nach Wetter). Also nicht wundern, wenn hier erst wieder am 7. August oder 8. August etwas auf der Blog-Seite erscheint.

Freitag 2.8.24 – Panamá Stadt – San Blas Inseln (El Porvenir) Transfer

Der Beginn unseres Karibik-Abenteuers ist schon mal halbwegs katastrophal. Der „Jeep“, der uns um fünf Uhr abholt ist rappelvoll mit Menschen und Gepäck, das Tandem soll aufs Dach geschnallt werden oder „später nachgeliefert“ werden. Wir weigern uns, ohne das Tandem irgendwohin gebracht zu werden. Für einen horizontalen Transport müssten wir erst das Öl aus dem Rohloff-Getriebe ablassen.

Nun gut, warten wir also auf einen Pickup, der groß genug ist, das Tandem aufrecht zu transportieren. Bluesailing sagt um sechs, dass wir in einer Stunde abgeholt werden, also um sieben. Wir besorgen uns also doch noch einmal Frühstück bei Arte del Pan gegenüber und schauen um sieben herum aus dem Fenster – kein Pickup! Als wir Bluesailing kontaktieren, schreiben sie, dass es doch erst um elf Uhr klappen wird. Letzendlich ist es halb zwölf, als ein Toyota-Van vorfährt, um uns abzuholen.

Es geht auf eine abenteuerliche zweieinhalbstündige Fahrt in einem Toyota- Allrad-Van. Viktor sitzt auf dem Boden neben dem Tandem. Obwohl wir unter Zeitdruck sind, macht der Fahrer in aller Ruhe eine unerwartete Mittagspause. Danach geht es über sehr bergige Straßen zur Küste. Kurz zuvor passieren wir den Grenzübergang in das Autonomie-Gebiet der Guna Yala und zahlen dafür 40 Dollar „Eintritt“. Es dürfen nur lizensierte Fahrzeuge in das Gebiet fahren und zahlen dafür 500 US$ pro Monat und Fahrzeug, natürlich plus 20 US$ Eintritt für den Fahrer bei jeder Fahrt.

Das Abenteuer endet mit einer Lancha-Fahrt vom Steilufer am Ende eines Holperweges. Das Boot liegt gefühlt 1,5m tiefer im Wasser, hat mehrere Sitzbänke hintereinander, deren Rückenlehnen abgenommen werden, um Platz für das Tandem zu schaffen. Irgendwie bekommen wir das Tandem hinuntergehoben. Nach über einer Stunde Überfahrt – wir halten beide wie bekloppt den flatternden Plastiksack fest, der sich schon nach kurzer Zeit aufbläht und vorne wieder öffnet – erreichen wir die Sophia, die vor einer Insel ankert. Das Gepäck und das Tandem werden von der Lancha direkt per Hand ins Boot gehoben. Danach steigen wir über die Leiter an Bord. Das wird scheinbar immer so gemacht, selbst mit deutlich schwereren Motorrädern.

Als wir endlich an Bord sind, denken wir zunächst, alle anderen wären schon von El Porvenir hier zur ersten Insel „gesegelt“, aber es sind alle erst hier an Bord gegangen und verbringen den Tag schon im Wasser und/oder auf der Insel. Wir sind erst um vier angekommen und bleiben an Bord, um uns erstmal zu entspannen und von der nervenaufreibenden Anfahrt zu beruhigen. Unser Kapitän André macht sich, als wir endlich auch da sind, mit allen Pässen auf den Weg zur Immigrationsstelle in El Porvenir (wo wir bislang dachten loszufahren), damit alle Passagiere ihren Ausreisestempel erhalten. Wir bekommen zu zweit die Viererkajüte vorne im Bug für uns allein, können alle Radtaschen auf den oberen Kojen verstauen, und bekommen erst einmal noch Lasagne vom Mittagessen serviert. Nach und nach trudeln alle anderen Passagiere wieder ein – wir sind drei Crewmitglieder (inklusive Kapitän André) und neun Passagiere an Bord der Sophia. Eine Israelin, zwei Engländerinnen, fünf Australier, eine Argentinierin, ein Kolumbianer (Kapitän) und wir zwei Deutsche. Zusätzlich noch die Schiffshündin „Arya“, die auf der Sophia aufgewachsen ist. Wir sind mit Abstand die Ältesten, die meisten sind aber ebenfalls auf mehrmonatigen Reisen, allerdings nicht mit Fahrrädern.

Abends kocht der Kapitän: Spagetti mit einer Lobster-Fisch-Kokossauce. Es wird immer drei Mahlzeiten täglich geben, davon eine vegetarisch, erfahren wir. Kurz nach dem späten Essen verziehen wir uns in unsere enge Kojen und schlafen besser als erwartet.

Samstag 3.8.24 – San Blas Inseln

Noch vor dem Frühstück fahren wir zu einer der touristischeren San Blas-Inseln, vor der es ein Riff gibt und wir schnorcheln können. Wir ankern, und dann gibt es erst einmal reichlich Rührei, Obst und Tortillas. Dazu wird im Heck ein Klapptisch aufgestellt, um den wir alle Platz haben. Anschließend schwimmen wir zwei erst zur Insel und schauen uns ein wenig um. Es gibt Getränke und Kokosnüsse zu kaufen, wir haben aber kein Geld dabei. Wir schwimmen also zurück zur Sophia, gehen ein bisschen schnorcheln, und anschließend schwimmen wir mit Münzen in der Badehose noch einmel zur Insel. Viktor kauft sich bei Theodoro, einem Einheimischen, eine Pipa fria. Wie wir heute früh gelernt haben, ist „la Pipa“ die Baby-Kokosnuss, also die grüne, und „el Coco“, die reife, also die braune Kokosnuss. Es ist sehr viel Kokoswasser darin, das ihm auch wesentlich besser schmeckt als „damals“ die Kokosnuss, und nach dem Öffnen kann er das noch gelartige sehr dünne Kokos-Mark herauslöffeln.

Eine in Boston lebende Belgische Familie von einem anderen Schiff erzählt uns dort, dass vor der praktisch direkt angrenzenden Nachbarinsel ein noch viel größeres, schöneres Riff ist. Nach unserer Rückkehr an Bord bleibt noch genügend Zeit, dass wir dort auch noch hinschwimmen und schnorcheln. Wir sehen wirklich noch viel mehr als in der Früh, allerdings ist der Weg zum schwimmen recht weit, und Jutta merkt beim Schnorcheln schon wieder ihre Halswirbelsäule schmerzen. Ohne Schwimmbrille mit Sehstärke muss sie immer mit Brille schwimmen, hat den Kopf die ganze Zeit im Nacken, und nach dem Rückweg auf der Sophia schmerzt der Nacken und ihr ist richtig übel.

Wir fahren einige Inseln weiter, essen dort an Bord zu Mittag und haben dann wieder Zeit zu schnorcheln, zu schwimmen, Kajak zu fahren, Stand-up-zu paddeln oder oder. André, der Kapitän, bekommt von dieser Insel vier drei Wochen alte Hundewelpen mit, die er in Kolumbien unter die Leute bringen will. Jutta legt sich nachmittags hin und bleibt auch liegen, ohne noch einmal aufzustehen. Vermutlich muss sie sich zukünftig doch an das ärztliche Brustschwimmverbot halten, um die Nackenwirbel nicht so zu strapazieren.

Viktor geht nochmal mit der neuen wasserdichten Actioncam schnorcheln. Na ja, ichtig toll ist es nicht, aber immerhin:

Abends gibt es wieder frischen Hummer, diesmal gekocht und halbiert. Die Schalen gehen einfach über Bord, denn alles Organische wird in kürzester Zeit von den Meeresbewohnern vertilgt und zerkleinert. Um das Schiff herum schwimmen ständig gelbe und blaue tropische Fische, die sich auf jedes Reiskorn stürzen, das ins Wasser fällt.

Lobster-Abendessen

Zu dem „Organischen“ gehören übrigens auch unsere Körperausscheidungen. Am ersten Tag gibt es zur manuellen Bordtoilette eine genaue Instruktion, die aber offenbar nicht jeder verstanden hat. Der Kipphebel ist häufiger mal nicht in der korrekten Ruheposition (rechts) und die Schüssel randvoll mit Seewasser, das man dann „unter Druck“ erstmal zurück ins Meer pumpen muss.

Es ist doch extra ein Achtung-Zeichen an der linken Position. Die rechte Position ist die Ruheposition.

Die Schiffshündin mit dem Kringelschwanz hat Kapitän André vor Jahren mal auf einer der Inseln gerettet. Sie lebt auf dem Schiff und wird mit dem Beiboot zum Gassi gehen auf eine Insel gefahren. Die Welpen werden dort normalerweise auf den Inseln sich selbst überlassen und sterben schnell recht qualvoll daran, dass sie Sand fressen, weil sie Hunger haben. Heute rettet er am Nachmittag dann vier Welpen, die uns den Rest der Überfahrt begleiten.

Arya – die Schiffshündin

Sonntag 4.8.24 – San Blas Inseln

Heute fahren wir zu einer der östlichsten San Blas – Inseln, um den ganzen Tag und Abend dort zu verbringen und in der Nacht von dort aufzubrechen nach Cartagena in Kolumbien.

Wir lassen uns mit dem Dingi, dem Schlauch-Beiboot, zur Insel fahren, auch, weil wir seit gestern trotz Eincremens beide ziemlich starken Sonnenbrand haben und wir uns heute mit langer Kleidung eher im Schatten aufhalten wollen. Beim ersten Spaziergang sehen wir einen Wegweiser zu einem Restaurant und gehen diesem nach. „Ibins Beach Restaurant“ ist auf der anderen Seite der Insel, wo auch mehrere Segelboote ankern. Ibin hat einen selbst erstellten Michelin Stern, ganz viele Flaggen aus aller Welt mit Grüßen von Besuchern unter der Decke hängen, ein paar Aufkleber (einer von Hansa Rostock), zu denen wir auch unseren Sticker kleben dürfen.

Wir setzen uns, trinken etwas anderes als das etwas muffig schmeckende Wasser an Bord und unterhalten uns mit Ibin. Er ist mehrere Jahre auf einem großen Schiff mitgefahren, hat viermal den Panamakanal durchquert, ist aber wieder nach San Blas zurückgekehrt, um hier ein Restaurant zu betreiben. Er hat auf jeden Fall auch einen Instagram-Account, was für die Menschen hier sicher nicht alltäglich ist, aber er scheint ein weitgereister Guna Yala zu sein. Unter anderem hat er eine Freundin, die in Ushuaia (unser Ziel in Feuerland) ein Restaurant besitzt und ihm eine Fahne von Ushuaia dagelassen hat. Wir erfahren von ihm, dass wir ja auch abends um halb acht seine Gäste zum Pizzaessen sein werden, zusammen mit den Passagieren vom Schwesterboot der Sophia, der „Fantasy“.

Zunächst aber gibt es zum Mittag ein vielfältiges, leckeres Barbecue von unserer Crew zubereitet, mit Fisch, Fleisch, Gemüse und Salat – für jede*n etwas dabei. Am Nachmittag fahren wir mit dem Kajak (das Viktor vorher vom Schiff zur Insel geholt hat) zur Sophia und packen das Tandem noch in die zweite große Tüte, um es für die Hochseefahrt trocken verpackt zu wissen, und zurren es mit den langen Spanngurten richtig am Mast fest. Anschließend kajaken wir wieder zur Insel, versuchen sie vergeblich per Pedes zu umrunden – immer kommt man an Stellen, an denen es nicht weitergeht – und sind ziemlich erschüttert, was am Ufer so alles an Müll herumliegt. Viele Plastikflaschen, aber wir sehen auch größere Teile, das größte ist eine (kleine) Tiefkühltruhe. Das passt so gar nicht in das idyllische Bild der San Blas Inseln.

Um halb sieben gehen wir zwei dann schon rüber zum Beach-Restaurant von Ibin, um dort vor dem Pizzaessen noch ein bisschen im Hellen zu sitzen, den Sonnenuntergang zu sehen und etwas zu trinken. Als es schon dunkel ist, zeigt Ibin auf ein kleines Licht am Horizont, sagt, dass dass wahrscheinlich das Schwesterboot ist, auf das wir warten (und das eigentlich um fünf Uhr ankommen wollte), und das es von dort noch eine Stunde brauchen würde. Und dann bekommt er auch schon einen Anruf, dass die große Gesellschaft statt um halb acht nun erst um halb neun kommen wird. Nun denn, da warten wir halt noch länger und reden noch weiter mit Ibin, denn andere Gäste hat er nicht. Laufkundschaft wird es hier wahrscheinlich kaum geben, die Boote kündigen sich wohl vorher immer alle an, und die paar Eingeborenen werden wohl nicht so häufig kommen. Ibin ist unter anderem davon überzeugt, dass die immer gleichen Hurricane-Routen durch die Karibik kein Zufall sind, sondern von Geschäftsinteressen gelenkt werden. Nach jedem Hurricane tauchen hier Amerikanische Gebraucht-Boot-Händler auf, die billige Schnäppchen machen. André bestätigt später den Ersatzteilhandel und Gebraucht-Boot-Handel, der vor allem in Miami stattfindet, er schmunzelt aber wie wir über diese Verschwörungstheorie.

Die Pizzas sind jedenfalls alle schon in der Küche vorbereitet, und als dann endlich erst die Menschen der Sophia und etwas später die der Fantasy kommen, werden viele Pizzen (sind beides erlaubte Pluralformen laut Duden 🙂 ) aufgetischt. Es geht laut und feuchtfröhlich zu mit den Besatzungen der beiden Segelschiffe. Die mitgebrachten Getränke (Bierdosen, Bacardi-Flaschen und einiges mehr), scheinen hier ganz normal zu sein und Ibin nicht weiter zu stören.

Kurz vor zehn will Kapitän André die Rechnung bei Ibin begleichen und stellt fest, dass er sein Geld auf der Sophia vergessen hat. Er müsste also nochmal über die Insel und mit dem Beiboot das Geld holen. Da Viktor das Gespräch mitbekommt und zufällig seine Dollar für die Tour dabei hat, wird die Rechnung für die Überfahrt hier in bar beglichen und ein kleiner Teil des Geldes geht für den Abend sofort an Ibin. Nach zehn Uhr brechen wir – die Besatzung der Sophia – auf, über den dunklen Weg ca. 500 Meter quer über die Insel. Die erste Fuhre auf dem Dingi steigt zuerst ins falsche Beiboot (das der Fantasy), dann werden Handy-Taschenlampen aktiviert und das richtige Boot am Strand wird gefunden. Jutta kommt noch mit der ersten Fuhre mit, Viktor mit der zweiten. An Bord versuchen wir gleich, schlafen zu gehen, aber die Australier machen noch länger Party an Deck und es ist ziemlich laut. Dabei will André doch zwischen zwölf und zwei in See stechen, wenn alle tief schlafen, damit sich die Körper im Schlaf an das Geschaukel gewöhnen können. Das wird wohl leider nichts werden!

Woche 17 (22.7.24 – 28.7.24) – Panamá City

Montag 22.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 4)

Heute wäre unser Vorbereitungstreffen für unsere San Blas Inselhopping-Tour nach Kolumbien gewesen, wenn wir denn nicht mit dem defekten Tandem in Panamá Stadt festhingen. Statt dessen telefoniert Viktor nachts um zwei Uhr mit dem Ersatzteillieferanten Sandmann in Hagen und macht mit denen aus, dass sie die beiden Felgen für vorne und hinten per Express an den Fahrradladen hier in Panama schicken. Nach ein paar mehr Stunden Schlaf haben wir ein Angebot und können per PayPal bezahlen. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Post/DHL das halbwegs schnell hinbekommen.

Aus dem Hotelzimmer vernehmen wir morgens Ansprachen und Musik von genau gegenüber. Dort befindet sich eine Schule und es handelt sich offenbar um den Morgenapell mit Hissen der panamaischen Flagge und dem Singen der Nationalhymne. Das passiert nicht täglich, wir wissen aber (noch) nicht, ob das vielleicht jeden Montag so ist (Nachtrag vom folgenden Montag: Ja, das ist jeden Montag so).

Frühstück gibt es wieder gegenüber im „Arte del Pan“ – wir werden schon per Handschlag begrüsst. Dann wollen wir heute in das Miraflores Besucherzentrum gehen, um den Panama-Kanal nicht nur aus dem Zug erlebt zu haben. Mit Metro und Bus kommen wir bis direkt vor den Eingang und müssen als Nonresidents 17,22$ pro Nase Eintritt zahlen (Panamaer*innen nur 3$!). Es wird uns geraten, sofort zur Tribüne an der Schleuse zu gehen, und dort haben wir das Glück, dass zum Ende der Morgenschleusungen nicht nur ein Schiff aus dem Pazifik in den Kanal hereinfährt, sondern auch ein anderes, dass die Nacht im Kanal verbracht hat, über die andere Schleuse in den Pazifik herausgeschleust wird. Und im Hintergrund fährt außerdem ein großes Containerschiff vorbei, das über die 2016 neu eröffnete größere Schleuse angehoben wurde.

Wir erfahren unter anderem, dass im Panamakanal Einbahn-Verkehr herrscht, damit es an den Engstellen nicht zu Unfällen durch Gegenverkehr kommt. Morgens geht es Pazifik –> Atlantik, Nachmittags Atlantik –> Pazifik, wir sehen daher die letzte Schleusung des Vormittags.

Dann schauen wir uns im IMAX einen Film über den Bau des Kanals an, trinken anschließend einen Kaffee, gucken uns noch das wenige Theoretische an und stöbern im Souvenirshop, auch wenn wir nichts auf die weitere Reise mitnehmen können.

Mit dem Bus und der Metro geht es wieder zurück – wir steigen wieder einmal in Lotería aus, um zur Promenade zu gehen, und diesmal sieht es zwar nach Regen aus, aber wir bleiben trocken. Es ist nur ziemlich schwül.

Auch die Waschbären werden schon mit Zuckerwasser angefixt

Den späten Nachmittag verbringen wir im Hotelzimmer am Laptop, schauen ein wenig CNN (Kamala Harris legt beeindruckende erste 36 Stunden hin), beginnen die Planung für Kolumbien und laden schon mal ein paar Bilder für den Blog hoch.

Zum Abendessen geht es in einen Überraschungsfund vom Nachmittag, das Restaurant „Santé“ mit richtig guter Küche. Viktor ist völlig begeistert von einem Lachs-Steak mit Orangensauce, eine jener Überraschungskombinationen, bei denen man zuerst stutzt und dann völlig begeistert wird.

Auf dem Rückweg gehen wir noch in einen richtig großen Supermarkt „REY“ in der Nähe des Hotels, um uns wieder mit ausreichend Wasser einzudecken. Wir werden von einem breiten internationalen Warenangebot überrascht, mit westfälischem Pumpernickel und spanischem Turrón. Leider können wir nur gucken, aber nicht kaufen. Aber Viktor geht in den nächsten Tagen vielleicht nochmal für einen Turrón rüber.

Dienstag 23.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 5)

Für heute haben wir eine Tagestour zur Insel „Contadora“ inklusive Walbeobachtung gebucht und müssen dafür um halb sieben morgens hier sein:

Vorher allerdings erfahren wir schon, dass unsere Felgen immer noch nicht losgeschickt wurden, weil die uns gestern mitgeteilten Versandkosten doch deutlich höher sein werden. Während wir also im Taxi zum Anleger sitzen, telefoniert Viktor mit Frau Sandmann Junior in Hagen und gibt unser Okay für die hohen Versandkosten.

Die „Fähre“ nach Contadora ist ein Katamaran, fährt ziemlich schnell und schaukelt anfangs so stark, dass Juttas Sitznachbarin sich sogleich eine Plastiktüte greift und für alle Eventualitäten bereithält. Während der zweistündigen Fahrt beginnt es stark zu regnen. Unsere Whalewatching-Tour soll von der Saboga-Insel losgehen, die einen Halt vor Contadora liegt. Wir sind instruiert, beim ersten Halt auszusteigen. In Saboga angelegt, müssen wir über ein mit mehreren Zentimetern Regenwasser überschwemmtes Deck auf einen Steg aussteigen, der aufwärts zum Ufer führt und auf dem das Regenwasser uns entgegengeschossen kommt. Wir sind also von oben und unten patschnass, als wir am Ufer ankommen. Dort wissen wir erst einmal nicht, wohin wir uns wenden sollen. Dann wird unser Name gerufen – vom Steg hinter uns – wir sollen wieder an Bord gehen und erst einmal nach Contadora mitfahren … das Whalewatching ist aus Witterungsgründen verschoben. Also nochmal durch den strömenden Regen und das fließende Regenwasser zurück an Bord.

Anleger in Saboga

Am Anleger von Contadora kommt das Wasser immerhin nur von oben, aber wir wissen noch weniger, was jetzt passieren soll, bis wieder jemand unseren Namen nennt und uns in einen Pick-Up verfrachtet – beide vorne neben den Fahrer, Juttas Bein stösst an den Schalthebel. Na ja, wir werden zu dem Restaurant gefahren, in dem wir mittags ein Essen bekommen werden, und sollen dort auf besseres Wetter warten. Zwei Argentinier (Vater und Sohn) sind mit uns dorthin gebracht worden, und wir setzen uns zusammen an einen Tisch unter einem Zeltdach. Die beiden sind nicht ganz so nass – wir zwei bekommen neben einem heißen Kaffee auch noch ein dickes Handtuch von der Bedienung.

Gegen halb elf ist das Unwetter vorbei und wir werden mit einem Golfkart zu einem nahegelegenen Strand gefahren. Kaum unten angekommen, kommt eine kleine Lancha angefahren – das muss wohl Pedro, unser Kapitän sein, und er ist es. Wir steigen ein (noch mit den Handtüchern über die Schultern gelegt) und gehen Wale suchen. Ziemlich bald schon sehen wir die ersten, auch von recht nah. Pedro ist sehr schweigsam, redet eigentlich gar nicht (Viktor tauft ihn den „schweigsamen Pedro“), fährt aber immer weiter und weiter. Von anderen Whalewatching-Touren kennen wir umfangreiche Erklärungen und Informationen zu den Populationen, Wanderungsbewegungen, fehlenden Fettschichten und täglicher Gewichtszunahme der Kälber und vieles mehr. Manchmal war das schon zuviel Information. Mit Pedro ist es das genaue Gegenteil … aber es heißt ja auch „Whalewatching“ und nicht „Whaletalking“.

Wir umrunden mehrere der Inseln hier, ohne weitere Tiere zu sehen. Kurz vor Ablauf der drei Stunden sind wir wieder nahe an Contadora und haben dann doch etliche Buckelwal-Sichtungen, auch eine Mutter mit Kalb und mehrere Sprünge. Zwei davon erwischt Viktor freihändig mit dem Handy. Inzwischen sind wir bis auf unsere Schuhe auch wieder trocken und warm.

Am Strand vor dem Restaurant „Pimienta y Sal“ werden wir wieder abgesetzt und können dort aus einer kleinen Essensauswahl auswählen. Wir entscheiden uns für die Pasta mit „Camarones“ (Shrimps). Nach dem Essen haben wir noch eine gute Stunde, wollen ein wenig laufen, aber ohne eine „Straße“ zu benutzen, kommt man hier nicht von einem Strand zum nächsten, es sei denn, man klettert über Felsen und watet durch Bäche, die heute nach dem Regen besonders angeschwollen sind. Beim Besuch der Herrentoilette des „Pimienta y Sal“ hat Viktor hier ein Geruchs-Dejavue. Es riecht wie im CocoHouse in Horconcitos … und tatsächlich finden die Mottenkugeln aus dem Ferienhaus hier ihren zweiten wichtigen Einsatzbereich im Urinal.

Insgesamt muss man sagen, dass Contadora sicherlich sehr schöne Strände hat, die aber aufgrund des vielen angeschwemmten Plastikmülls (vor allem Flaschendeckel) auf uns nicht besonders einladend wirken. Auch die gesamte touristische Infrastruktur ist ziemlich heruntergekommen. Es stehen direkt am Hauptstrand mehrere verfallene Holzgebäude leer, die Wege der Insel sind nur mit Mühe begeh- oder befahrbar, weil überall tiefe wassergefüllte Krater und Schläglöcher lauern. Dafür gibt es eine Start- und Landebahn, an der gebaut wird. Wir sind eher mäßig beeindruckt.

Um drei werden wir wieder mit einem Golfkart zum Anleger zurückgebracht, bekommen dort übberraschenderweise zwei Nummern-Kärtchen (anders als bei der Hinfahrt), und als der Katamaran um halb vier anlegt, gehen alle in der korrekten Kärtchen-Reihenfolge an Bord … Es ist viel leerer als heute früh, und jetzt sitzen bei besserem Wetter auch Passagiere draussen, aber Ordnung muss wohl sein. Um kurz nach fünf sind wir wieder auf dem Festland (bzw. auf der menschengemachten Verbindung von Inseln zum Festland) und beschließen, auf dem Rückweg zum Hotel die Nahverkehrs-Busse zu nutzen – heute früh haben wir uns das aufgrund des Zeitdrucks nicht getraut. Mit einmaligem Umsteigen funktioniert das auch sehr gut. Wir steigen so aus, dass wir uns im REY-Supermarkt noch eine Stange Brot, ein paar Scheiben Gouda und Bananen zum Abendessen kaufen können. Und zum Nachtisch auch Turrón.

Bevor wir zum Essen auf unser Zimmer gehen können, sitzen wir noch etwas mit Felipe unten an der Rezeption unseres Hotels: Wir haben uns für Abends verabredet, denn er braucht Bargeld, an das er aufgrund einer verlorenen Kreditkarte nicht herankommen kann. Er hat von seinem Deutschen Konto eine Online-Sofortüberweisung an Viktor gemacht, und wir geben ihm das entsprechende Bargeld.

Zurück im Hotelzimmer sehen wir dann, dass die Firma Sandmann ganz kurz nach dem Telefonat heute morgen unsere Lieferung erfolgreich zur morgigen Abholung durch DHL-Express angemeldet hat, und das sogar zu einem geringeren Preis als gestern (bei uns heute morgen) angekündigt. Die Hoffnung steigt, dass wir zum Wochenende passende Ersatz-Felgen in Panama haben könnten, jedenfalls wirbt DHL-Express mit „in der Regel innerhalb von 2 bis 3 Werktagen“ Lieferzeit.

Mittwoch 24.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 6)

Heute gibt es für uns mal kein Touristenprogramm.

Den Vormittag nutzen wir zum Wäschewaschen in einer „Lavanderia“ (Waschsalon) in der Nähe des Hotels, die wir schon vor einigen Tagen ausgekundschaftet haben. Eine Frontlader-Maschine (von denen es nur zwei gibt neben vielen Topladern) kostet 1,75$ und der passende Trockner 2,50$. Der Raum ist ziemlich klein, vollgestellt und heiß, und man kann sich nicht „gemütlich“ setzen, während man wartet. Also steht Jutta mehr oder weniger dumm auf dem Bürgersteig und beobachtet Menschen und den Betrieb der Wäscherei und der Straße.

Viktor geht währenddessen den guten Kilometer bis zur staatlichen nationalen Post (COTEL – National Post and Telecommunication – „COrreo-TELefonica“), um sich dort nach einem möglichen Paketversand zu erkundigen. Wir wollen ein Paket nach Lima schicken (mit Ausrüstung, die wir erst weiter südlich benötigen werden … und schon 4.500 km mitgeschleppt haben) und eines nach Deutschland (mit Ausrüstung, Werkzeug und Ersatzteilen, die wir gar nicht mehr mitschleppen wollen).

Google schickt ihn aber zum Verwaltungsgebäude der COTEL, wo er von einer genervten und unfreundlichen Mitarbeiterin schon an der Türe abgefangen wird: „Was wollen Sie?“
„Ähm … Pakete nach Deutschland und Peru schicken.“
„Hier auf dem Zettel an der Türe steht, wo sie hinmüssen“ … (mit grimmiger Miene).
Auf dem Zettel befinden sich kryptische Pfeile nach rechts und es steht irgendwas von „5 Blöcken“ darauf. Die Frau fragt auf Spanisch: „Español o Ingles?“ (Spanisch oder Englisch?). Die Antwort „Beides ist o.K.“ nervt sie scheinbar noch mehr. „No hablo Ingles“ (Ich spreche kein Englisch) ist ihre Antwort. “ Na dann eben Spanisch“ … (Hallooooooo?? Wozu dann die Frage nach dem Englisch?). Sie erklärt, dass das hier die Verwaltung ist und die nächste „richtige“ Postfiliale fünf Blöcke weiter zu finden ist. Na gut, wenn das den ganzen Tag ihre Hauptaufgabe ist, kann man es irgendwie verstehen. Viktor hatte zwischenzeitlich schon eine neue Theorie aufgestellt: „Hauptstädter sind weltweit grundsätzlich eher unfreundlich“. Er fühlt sich in Panama Stadt ein bisschen wie in Berlin.

Die Filiale der Post ist eher ein Wartezimmer mit vier unbesetzten Schaltern und mehreren davor wartenden Personen. Hinter einem der Schalter ist weiter hinten eine Person zu sehen. Die Frage nach internationalem Paketversand wird ruppig mit „Derzeit ist kein internationaler Paketversand möglich“ beantwortet. Die Dame verschwindet nach hinten, kommt aber mit irgendwelchen Unterlagen aus einer Seitentüre in den Warteraum und will diesen über die Eingangstüre verlassen. Viktor heftet sich an sie und fragt „Was bedeutet derzeit … ist das demnächst wieder möglich?“. „Das weiß niemand“ ist die Antwort und sie verschwindet.

Draußen steht eine weitere, noch recht junge Mitarbeiterin im Post-Shirt vor den Postfächern und entfernt Aufkleber. Viktor fragt sie, ob die panamaische Post ein schlechter Arbeitgeber sei. Sie schaut völlig erstaunt. Nachdem Viktor ihr kurz die Erfahrungen mit den beiden Mitarbeiterinnen schildert und meint, dass er von diesen „a la Mierda“ geschickt worden sei (Spanischer Ausdruck „in die Schei …. schicken“ = zum Teufel schicken), lächelt sie immerhin und erklärt, dass die COTEL schon seit einigen Monaten die Rechnung für Luftfracht bei der nationalen Fluggesellschaft nicht beglichen hätte und daher kein internationaler Paketversand mehr möglich sei. Wann und wie das gelöst werde, sei völlig offen. Sie empfiehlt DHL oder FedEx.

Danach fahren wir mit dem Bus (obwohl uns Menschen an der Haltestelle sagen, wir könnten besser die Metro nehmen…) noch einmal in die Shopping-Mall nach Albrook, wo wir etwas zum Imprägnieren unserer Regenjacken kaufen wollen. Mittel zur Anwendung in der Waschmaschine gibt es hier gar nicht, aber immerhin finden wir in einem Baumarkt (weder Outdoorläden noch Drogerien oder Supermärkte führen so etwas) ein Spray zum Imprägnieren von allem Möglichen, auch Kleidung. Die Dose müssen wir jetzt komplett aufbrauchen, also werden wir sie nicht nur für die Jacken nutzen, sondern z.B. auch für unsere Camelbaks-Trinkrucksäcke.

Jutta geht es nicht so gut (Kratzen im Hals und Husten), und sie legt sich nach der Rückkehr ein wenig hin. Viktor nutzt die Zeit und geht zum DHL-Shop, um herauszufinden, wie wir Pakete mit Ersatzteilen und weiterem unnötigem Gepäck nach Lima und nach Deutschland schicken können. Erstaunlicherweise ist der Versand von Kleidung nach Peru ein Problem. Gebrauchte Kleidung ist verboten, neue muss noch das Preisschild tragen. Persönliche Kleidung muss besonders deklariert und selbst verzollt werden, darum kümmert sich DHL nicht. Angeblich liegt das daran, dass die Herstellung von Kleidung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Peru ist. Unseren Camping-Kocher können wir vermutlich nur ohne den zugehörigen Brennstoff verschicken, der als Gefahrgut gilt, genau wir jedes Gerät mit einer Lithium-Ionen-Batterie, und daher auch nicht per DHL versandt werden kann.

Sollten wir unser Tandem hier in Panama wegen des Defektes aufgeben müssen, würde uns ein Versand nach Deutschland mit DHL knapp über 1.000 Euro kosten, wenn wir es nicht hier verkaufen wollen. Das wäre aber eh der Worst Case, und wir hoffen natürlich, dass es nicht dazu kommt.

Zum Abendessen landen wir wieder in der Pizzeria in der Nachbarschaft, in der wir schon einmal waren. Heute laufen als Hintergrundmusik verjazzte Musikstücke, u.a. auch „Oh, Tannenbaum“ und „Have yourself a merry little Christmas“, was für uns im Juli etwas eigenartig klingt.

Donnerstag 25.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 7)

Gleich morgens haben wir wieder eine Nachricht von Sandmann. Sie haben die falschen Speichen ins Paket gepackt. Auf eigene Kosten haben sie uns jetzt ein zweites Paket hintergeschickt, in dem die richtigen Speichen sind. Wieder mindestens ein weiterer verlorener Tag … bzw. ein „gewonnener“ Tag in Panama City. Das erste Paket ist im DHL-Tracking-System aber auch noch nicht aufgetaucht. Es wird immernoch als „nicht an DHL übergeben“ geführt.

Wir schreiben morgens nach dem Frühstück gegenüber im „Arte del Pan“ noch etwas am Blog, danach geht es mit dem Bus zum „Parque Natural Metropolitano „, in dem es einige schöne Wanderwege mit Möglichkeit zur Faultier- und Brüllaffen-Sichtung gibt. Außerdem kann man auf einen „Mirador“ (Aussichtspunkt) hochwandern, an dem sich schöne Panoramablicke auf die Stadt und den Panamakanal bieten.

Die Busfahrt bringt uns bis auf 500 m an das Besucherzentrum, aber dann müssen wir wieder an einer Straße ohne Fußweg entlang zum Eingang. Also für Fußgänger ist Panama definitiv nicht gemacht. Bevor wir den Eintritt bezahlen können (mit vier Dollar viermal so hoch wie für Panamaer*innen) müssen wir unsere Namen, unsere Nationalität und unser Alter nennen, um an der Kasse selber nochmals gefragt zu werden, ob wir Einwohner Panamás sind. Uns werden die verschiedenen Wanderwege erklärt, und wir kaufen auch ein Faltblatt mit der Karte. Alle Wege aufsummiert sind nur etwas über fünf Kilometer lang, also sind es wohl eher Spaziergänge als Wanderungen. Wir entscheiden uns für die große Runde und gehen los. Tiere würden wir um diese Zeit nicht sehen können, dafür müssten wir morgens gleich um acht kommen, wird uns noch gesagt … . Entgegen dieser Aussage sehen wir aber Krabben, Schildkröten, Brüllaffen und Faultiere (die beiden letzteren nach Hinweisen von Rangern) und gehen durch einen schönen tropischen Wald mitten in der Stadt, bis zum Aussichtspunkt ganz oben.

Als wir oben ankommen hören wir als erstes einige Deutsche Wörter, sehen dann an einem Stromkasten einen Aufkleber vom MSV Duisburg (und einen von St. Pauli, einen von Baden-Württemberg, einen von Thomas Gottschalk etc.) und gucken uns erst dann um. Eine Deutsche Familie sitzt dort und wir kommen ins Gespräch. Er hat Wurzeln in Malaga in Spanien und ist Schalke- und Real Madrid-Fan. Sie kommt aus Berlin Köpenick. Sie sind mit den zwei Töchtern hier, fliegen danach nach Lima weiter um den Sohn abzuholen, dessen FSJ dort zuende geht. Während wir dort so stehen und quatschen, bezieht sich der Himmel immer mehr. Und dummerweise beginnt der Regen dann so schnell, dass wir auf dem Weg zurück sehr, sehr nass werden, selbst unter dem dichten Blätterdach. Auch auf den Wegen steht sofort das Wasser, obwohl sie nicht einmal versiegelt sind. Irgendwann kommt der Gedanke, dass Unterstellen und Abwarten vielleicht besser gewesen wäre. Dafür kommt, als wir am Eingang zurück sind, sofort ein Bus, der direkt am Eingang hält, mit dem wir dann fahren und wieder einmal an der Mall in Albrook landen.

Bevor wir uns auf den Weg ins Hotel machen, wollen wir uns bei Starbucks mit Heißgetränk und Blaubeer-Muffin ein wenig aufwärmen und trocknen lassen. Dafür müssen wir am Koala-Ausgang auf den Parkplatz – Starbucks sitzt in einem Extra-Gebäude. In dieser Gegend der Mall waren wir noch gar nicht … . Als wir das Café verlassen, sind wir immer noch sehr nass, und es schüttet auch weiterhin – Unterstellen und Abwarten (s.o.) wäre also keine Option gewesen, wenn wir nicht den gesamten Nachmittag im Park hätten bleiben wollen. Wir nehmen die Metro und warten mit vielen anderen an der Station Santo Tomas, bevor wir uns auf die Straße wagen, weil der Regen einfach zu stark ist und das Wasser die Straßen wieder überschwemmt. Irgendwann regnet es gerade schwächer und wir laufen schnell zum Hotel. Zum Glück haben wir eine richtig gute, sehr warme Dusche!

Wir wärmen uns noch ein wenig weiter auf (einfach die Klimaanlage ausstellen, dann wird der Raum gleich sehr warm), und zum Essen hat Viktor heute ein Rooftop-Restaurant ausgesucht. Wir gehen im (fast) Trockenen den knappen Kilometer, laut Maps sind wir mitten auf einer Kreuzung angekommen. Direkt an der Kreuzung ist nicht einmal ein Hochhaus, aber etwas weiter entdeckt Jutta den bunten Schriftzug vom „Julians“. Wir sehen keinen Eingang, aber ein Herr aus der Tiefgarage spricht uns an, nimmt uns mit zu einem Aufzug, fährt mit uns 28 Etagen hoch, geht oben über eine Außentreppe noch ein Stockwerk hoch und werden überrascht …

… dort soll demnächst dann ein Restaurant eröffnen, sie warten auf die Abnahme durch die Feuerwehr. Wir genießen kurz den wirklich tollen Ausblick, fahren wieder in Begleitung runter in die Tiefgarage und gehen gegenüber wieder einmal bei einem Italiener essen, allerdings ist dieser heute sehr viel edler und teurer, das hatten wir so nicht geplant.

Freitag 26.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 8)

Während des Frühstücks im „Arte del Pan“ gegenüber sehen wir plötzlich einen Blitz und hören einen lauten Knall: direkt neben unserem Hotel ist oben am Strommast irgend etwas explodiert, kurz ist am Haus gegenüber alles dunkel, dann springt im Parkhaus ein Dieselgenerator an und aus einem Rohr an der Fassade quillt dicker schwarzer Rauch. Wahrscheinlich ist der Kondensator, der Spannungspitzen (bzw. Überspannungen) ausgleichen soll, durchgebrannt, erfahren wir, als wir auf dem Rückweg am Eingang vorbeigehen.

Bei uns im Hotel hat ein Bereich ebenfalls keinen Strom, der Fahrstuhl geht z.B. nicht, aber in unserem Zimmer ist zunächst alles okay. Und wir bleiben den ganzen Vormittag im Zimmer, weil Viktor sich für elf Uhr mit seiner Familie zur Videokonferenz verabredet hat. Während dieses WhatsApp-Anrufs haben wir dann doch noch einen Strom – und Wifi-Ausfall. Als wir danach aber losgehen, ist gerade ein Mann von der Stromgesellschaft gekommen und will mit der Reparatur beginnen. Viktor erzählt ihm, dass wir die Explosion gesehen haben und er will genau wissen, was wir gesehen hätten. Wir zeigen auf den großen Kondensator und erklären, dass wir mit 90%-iger Sicherheit sagen können, dass der Blitz von dort kam. Er scheint sehr zufrieden über unsere Aussage.

Eigentlich hatten wir vor, heute zum Fahrradladen zu fahren, aber da wir keine Bestätigung erhalten haben, dass Alejandro gestern wirklich das Paket mit den Teilen aus Miami bekommen hat, lassen wir das lieber. Immerhin haben wir aus Deutschland die Bestätigung, dass unsere Bestellung „auf dem Weg“ ist. Unser Paket ist aber erst in Frankfurt, mit voraussichtlichem Lieferdatum am 30.7. – ganz schön spät. Wir vermuten, dass die Klimakleber am Frankfurter Flughafen auch eine gewisse Rolle bei dieser Verzögerung gespielt haben könnten.

Wir gehen stattdessen erst zu einer terpel-Tankstelle, um die fünf gesammelten Powerade-Etiketten in eine Olympiade-Kühltasche einzutauschen, wo doch heute in Paris die Olympischen Spiele eröffnet werden. Für diese sensationelle Kühltasche ist ein Formular mit der Personalausweisnummer, genauen Adresse und Unterschrift auszufüllen. Viktor wird darin als „Ganador“ (Gewinner) bezeichnet und bestätigt, den Gewinn erhalten zu haben. Erstaunlicherweise weigert sich Jutta, dieses wunderbare Gepäckstück über die Anden zu strampeln. Es soll doch tatsächlich ins Paket nach Deutschland gesteckt werden.

Die Frau an der Kasse ist ziemlich erstaunt, als wir sagen, dass wir den Kaffee dort trinken wollen (nicht „to go“) und auf den Plastikdeckel verzichten. Es kommen wohl eher selten Menschen zu Fuß dorthin, und alle anderen trinken und essen dann wohl in ihren Autos.

Anschließend laufen wir bis zu der Post, bei der man Briefmarken für unsere Panama-Postkarten kaufen können soll. Der Weg dorthin ist noch schlimmer als der zur Tankstelle, uns wird teilweise von entgegenkommenden Busfahrern angezeigt, dass wir dort lieber nicht entlang gehen sollten – das ist wohl unsere erste „no go area“ – aber wir kommen heile durch.

„Go“ or „No-Go“?

Der Dame bei der Post fällt es schwer, uns Briefmarken zu verkaufen, sie versucht mehrfach, es uns auszureden: Die Panamaische Post hat zwar inzwischen (und wohl schon vor einigen Wochen) ihre Schulden bei der Luftgesellschaft bezahlt, aber sämtliche liegengebliebene Post seit November wird jetzt portionsweise nach Eingangsdatum verschickt. Sie hat an den Fingern abgezählt, dass das neun Monate sind, und dass es so lange dauern könnte, sie könne gar nicht sagen, wann die Post ankommen wird usw.. Viktor fragt nach, ob die Post denn weggeworfen werden könnte. Das verneint sie kategorisch, denn das sei ja absolut verboten. Also käme die Post dann irgendwann doch an, sagt Viktor, was sie Postbeamtin mit dem Poloshirt, auf dem ein „Govierno Panama“ (Regierung Panama) Logo aufgestickt ist, ausdrücklich bestätigt. Trotzdem muss sie nochmal Rücksprache mit ihrer Chefin halten, weil Viktor auf dem Kauf der Briefmarken besteht. Am Ende erhalten wir unsere 20 Briefmarken zu je 35 Cent. Wir machen jetzt einfach mal dieses kleine Postkarten-Experiment und schauen, ob und wann sie ankommen. Wir haben alle Karten fotografiert, und falls sie niemals ankommen, gibt es sie dann irgendwann digital :-).

Jutta hat zwischendurch schon mal recherchiert, wie man in Panama seine Post empfangen kann. Dabei hat sie herausgefunden, dass diese nicht nach Hause geliefert wird, sondern nur an Postfächer. Damit erklären sich auch die vielen Postfächer, die wir vor dem Postamt sehen.

Von der Post gehen wir zur Küstenstraße, um noch eine etwas schönere Strecke an der Uferpromenade gehen zu können und um dort irgendwo einzukehren. Es scheint so, als komme heute nachmittag ausnahmsweise mal kein Regenguss (den gab es schon heute früh), und das nutzen wir aus. Im Restaurant Balboa fordert Viktor den Ober mit der Bestellung eines Perrier-Wassers und eines Apfelsafts mit nur einem Glas heraus, u sich selbst eine Apfelschorle zu mixen. Erst kommen Wasser und Glas (und die bestellte Fischsuppe). Nach einer Erinnerung an den Saft kommt eine Dose, Viktor öffnet sie und schenkt ein, und es ist Birnensaft! Erst beim dritten Versuch kommt endlich der Apfelsaft! Und eine gemurmelte Entschuldigung!

Anschließend gehen wir noch zum Aussichtspunkt an der Küstenstraße, wo auch ein Gasballon vorgehalten wird, der aber in der ganzen Zeit, die wir schon hier in Panama-City sind, noch nicht einmal aufgestiegen ist – man sieht die goldene Kugel von Weitem immer nur am Boden – keine gute Werbung. Wir erkundigen uns bei einem Fahrradverleih nach Preisen, um eventuell einmal mit dem Rad über die Cinta Costera 3 zu fahren, auf der eine Spur immer für Radfahrer autofrei bleibt:

Und dann gehen wir den ganzen Küstenstreifen zurück bis zur Fußgängerbrücke, die auf die richtige Straße aufwärts zu unserem Hotel California führt, kaufen auf dem Weg noch eine Stange Brot und eine Avocado (und Knoblauchsalz in Portions-Tütchen … sehr lecker) zum Abendessen.

Auf dem Weg kommt uns ein Mann entgegen, der eine spanische Flagge mit Hakenkreuz auf der Brust trägt. Wir vermuten einen ausgewanderten spanischen Nazi, aber der Typ erscheint uns eigentlich zu jung. Tja, so kann man sich täuschen:

Am Ende der Fußgängerbrücke sehen wir auf einem Spielplatz noch einen typischen „Matapalo“ (Töte-Stamm, Töte-Stock) … so wird hier der „Würgerficus“ genannt, der um andere Bäume herumwächst und sie irgendwann dabei tötet. Dann verrottet der abgestorbene Stamm, es bleibt ein hohler Würgerficus stehen und er wächst munter weiter.

Hier in Panama Stadt läuft man – selbst wenn es nicht regnet – eigentlich ständig durch irgendwelche Pfützen und Bäche, die über Straßen fließen oder am Rinnstein kleine bis mittelgroße Sprünge nötig machen. Sie sind das Ergebnis von hunderten (oder mehr?) kleinen (Ab?-)Wasserrohrbrüchen, die offenbar sehr unrepariert bleiben. In den Rinnsteinen wachsen jedenfalls meist schon Algen. Unsere Füße und Waden sind nach einem Spaziergang eigentlich immer von undefinierbaren Spritzern bedeckt.

Wir verbringen den Rest des Nachmittags im Hotelzimmer mit diesem Blog, CNN (Trump versus Harris), der Umbuchung unseres Boots-Trips nach Kolumbien und weiterer Streckenplanung für den Abschnitt von Cartagena (Kolumbien) nach Lima (Peru).

Samstag 27.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 9)

Heute wollen wir eigentlich ins „Biomuseo“, entscheiden uns dann aber kurzfristig um, weil wir den Kopf nicht frei haben. DHL hat uns über Nacht Nachrichten geschickt, die eine Lieferung unserer Ersatzteile-Pakete frühestens am 31.7. ankündigen. Alejandro vom Bikeshop teilt uns außerdem per WhatsApp mit, dass die angekündigten Lieferdaten von DHL selten stimmen, da ab dem mitgeteilten Datum erst die Zollabfertigung beginnt. Diese dauert oft viele Tage, und es werden häufig zusätzlich zum Zoll noch weitere Gebühren (und Schmiergelder?) gefordert, um die Pakete ausgehändigt zu bekommen. Die Zollbehörden nutzen angeblich ihre Macht schamlos aus.

Das erfahren wir leider erst, kurz nachdem wir die 120 Dollar Reservierungsgebühr für unsere Bootsfahrt von Panama nach Kolumbien am 2.8. bezahlt haben.

Wir fahren stattdessen bei strömendem Regen mit dem Bus zur Multiplaza Pacific Mall, weil es dort ein Decathlon geben soll. Schon als wir eintreten fällt auf, dass diese die edleren Geschäfte hat – alle möglichen Luxusläden sind vertreten. Zuerst besorgen wir in einem Do it Center riesige Plastiktüten, um unser Tandem einpacken zu können, und Klebeband. Dann wollen wir im Decathlon unser Kochbenzin zum Verschenken anbieten. Sie verkaufen dort zwar keine Kocher, aber es würde ab und an nach so etwas gefragt werden, und wir können die Flasche dort lassen. Wir schreiben in der WhatsApp-Gruppe der Fahrradfahrenden in Mittelamerika, dass es in diesem Laden eine Flasche zu verschenken gibt – vielleicht freut sich jemand darüber. Wir haben das Benzin jetzt seit 4.500 Kilometern transportiert und noch nie benutzt – jetzt wollten wir uns davon trennen. Leider finden wir keine neuen Spanngurte zum Kaufen (auch nicht in anderen Geschäften) – da unsere nicht mehr lange mitmachen, wollen wir sie ersetzen – dafür aber eine kleine Luftpumpe, die wir nicht gesucht haben, aber kaufen. So kann die große in Nicaragua gekaufte auch als Gepäck eingespart werden.

Nach einem Panamaischen Kaffee in der Mall fahren wir wieder mit einem Bus Richtung Hotel, müssen am Küstenboulevard aussteigen und hochlaufen – der Regen hat inzwischen aufgehört.

Wir erfahren, dass eigentlich alle paar Tage ein Boot nach Cartagena losfährt, was bedeutet, dass wir nicht richtig lange werden warten müssen, wenn unser Rad endlich fertig wird, aber dass, wenn wir am 2. August nicht mitfahren, die Anzahlung von heute früh verloren ist. Absagen können wir in der letzten Minute, aber wenn es früher wäre, könnten sie eventuell die Plätze noch anderweitig vergeben. Wir müssen die nächsten Tage abwarten, auch wenn es schwer fällt, nichts machen zu können … .

Nachmittags planen wir weitere Tage in Kolumbien, wollen dann recht früh schon essen gehen, gucken uns etwas aus, bleiben dann aber auf dem Weg dorthin bei einem Mexikaner hängen, den wir noch gar nicht wahrgenommen hatten. Dort ist trotz der frühen Stunde der Bär los, und dennoch geht es ziemlich schnell, und das Essen ist gut und preiswert. Die „Micheladas“, ein Mixgetränk aus Bier, scharfen mexikanischen Soßen und weiß-der-Teufel-was-sonst-noch werden hier besonders innovativ serviert; die Bierflasche wird umgedreht und mitten hineingesteckt (siehe Foto mit Corona-Flaschen).

Sonntag 28.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 10)

Heute früh müssen wir zunächst unser Hotelzimmer verlängern, unsere ursprüngliche Buchung ging bis heute, und die Kollegin gestern hat gesagt, wir sollen es bei der heute diensthabenden Kollegin machen. Wir zahlen erst einmal bis zum zweiten August, früher wird es eh nichts, eher später.

Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Bus zum Biomuseo. Wir müssen einmal umsteigen, tun dies aber eine Station zu früh (in der Gegenrichtung ist es diese Haltestelle, wer kann das denn erahnen ?), der richtige Bus wird nur von hinten gesehen. Als wir den nächsten Busfahrer fragen, lässt er uns kostenlos eine Station mitfahren. Wir sind schon um halb zehn dort, es öffnet erst um zehn, aber draußen ist ein kostenloser Teil der Ausstellung, den wir schon einmal anschauen. Um zehn Uhr müssen wir als Ausländer je 20 Dollar Eintritt bezahlen und denken, dass da zumindest der Audioguide enthalten sein muss. Nein, jeder mit einem Handy kann sich die You Tube – Videos anschauen, Jutta hat ihres im Hotel gelassen, und die Übersetzung in andere Sprachen als Spanisch klappt sowieso nicht. Es ist, gerade am Anfang, sehr voll, bald verteilt sich die Menge aber. Das Museum ist gut gemacht, ganz unterschiedliche Räume, für Jung und Alt, lohnenswert, auch für den Preis.

Panama und das Weltklima

Ein wichtiges Biodiversitätsbeispiel für die Pharmzeut*innen in unserer Leserschaft:

Biodiversität hilft bei der Suche nach neuen Krebstherapien
Deutsche Erklärung auf Tonspur

Es geht in diesem Museum vor allen Dingen um die Biodiversität in Panama und deren Wichtigkeit für die ganze Welt, um die Entstehungsgeschichte von Panama als Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika und natürlich auch ein wenig um den Panamakanal.

Wir lernen unter anderem, dass wirklich nur Panama als Brücke zwischen Nord- und Südamerika gilt, und nicht – wie wir zunächst dachten – ganz Mittelamerika. Ebenso erfahren wir, dass es einmal Riesenfaultiere gab und dass die Lamas eigentlich aus Nordamerika stammen und erst über die Landbrücke Panamas nach Südamerika gelangten.

Der Kanal zwischen Atlantik und Pazifik hätte theoretisch an vielen Stellen gebaut werden können, z.B. auch im heutigen Nicaragua unter Nutzung des Nicaragua-Sees (siehe alte Karte mit roten Linien in der Galerie). Der erste französische Versuch, den Panamakanal zu bauen, scheiterte an den damaligen technischen Möglichkeiten, aber auch daran, dass die entscheidende Idee – das Aufstauen des Wassers zu einem großen Stausee und der Bau von Schleusen – erst von den Amerikanern ins Spiel gebracht wurde.

Nach einem Kaffee auf der Terrasse des Museums laufen wir die Avenida Amador, die Verbindung des Festlandes mit den vorgelagerten Inseln, bei ziemlicher Hitze bis zum Centro Cultural Punta Culebra,

… wo wir noch einmal Eintritt zahlen müssen, um dort die Smithsonian-Ausstellungen und den Park besuchen zu dürfen. Hier gibt es Lebendiges (im Gegensatz zum Biomuseo), u.a. Frösche, Schildkröten, Fische, Korallen, Affen, Faultiere, Ameisenbären, Schmetterlinge, und auch viele verschiedene Sandarten von pazifischen und atlantischen Stränden zu mikroskopieren, viele informative Tatsachen zu lesen – z.B. lernt Jutta, dass es hier ziemlich viele Frösche gibt, die Eier legen, aus denen junge Frösche schlüpfen (nichts mit Kaulquappen und Metamorphose, dieses Stadium wird übersprungen). Der Himmel zieht sich ziemlich zu, und der Park schliesst sowieso um vier, also beeilen wir uns etwas, ihn zu verlassen, um noch einen Ort zu suchen, wo wir etwas trinken können. Alle Lokalitäten sind von essenden Restaurantgästen besetzt, aber irgendwann finden wir einen Souvenierladen, der auch Kaffee und andere Getränke anbietet und machen dort eine kleine Pause. Es kommt doch kein Regenguss, und wir können hinterher trocken zur Bushaltestelle gehen.

Wir müssen wieder an der Policia Nacional-Haltestelle umsteigen – die kennen wir inzwischen – nur die Weiterfahrt ist schwieriger als bislang, vielleicht, weil heute Sonntag ist. Es gibt mehrere passende Buslinien. Der erste passende fährt ohne Halt vorbei, wir hätten ihn wohl herbeiwinken müssen. Der nächste hält, fährt aber irgendwann eine andere Strecke, wie Viktor auf dem Handy per Google-Maps verfolgt. Wir steigen also an der Stelle aus, die am nächsten an unserem Hotel liegt – gar nicht weit zu gehen, über eine Brücke und nur ein Stück weiter geradeaus und dann rechts. Das scheint allerdings schon wieder so eine „No go“-Area zu – aus überholenden Autos rufen uns die Fahrer zu, dass es zu gefährlich ist („Be careful!“). Da fühlt man sich doch gleich unsicherer, obwohl es hellichter Tag ist und es uns vorher nicht unsicher vorkam.

Wir denken, wir gehen gleich bei einem Container-Restaurant-Platz mit verschiedenen Angeboten essen (ohne „Umweg“ übers Hotel), nehmen aber eine falsche Querstraße, landen dann doch erstmal wieder am Hotel. Viktor ist so hungrig, dass wir erwägen, Pizza zu bestellen, was ohne einen Account aber leider nicht klappt, also gehen wir noch einmal die 700 Meter und essen draußen zwischen mehreren Containern ganz leckere Burger.

Brutal leckere Burger

Von DHL haben wir heute auch ganz eingenartige Nachrichten bekommen: das eine Paket ist angeblich in Leipzig, das andere in London angekommen. Die DHL-App kündigt die Zustellung für den 30. Juli an, der WhatsApp-Chatroboter spricht vom 31. Juli. Wozu dieser ganze Online-Tracking-Quatsch, wenn man nur unbrauchbare Infos erhält? Wir werden morgen hier mal bei DHL vorbeischauen und um aktuelle lokale Infos bitten.

Woche 16 (15.7.24 – 21.7.24) – Aguadulce – Panama City

Montag 15.7.24 – (072) – Aguadulce – Anton

Gesamt: 4.459,98 km

Wir packen morgens das Tandem im Zimmer und bringen es vor das Hotel, um zum Frühstücksstart um 6:30 Uhr ins Hotelrestaurant zu gehen. Das „Cerrado“-Schild wird pünktlich umgedreht zur „Abierto“-Seite, wir treten ein und müssen erfahren, dass es nur Kaffee gibt, weil die Köchin noch nicht eingetroffen ist. Die Dame kann auch nicht sagen, wann das der Fall sein wird. Also gehen wir gegenüber beim CrossMarket furchtbar fettige Käse-Empanadas (eine mit weißem, eine mit gelbem Käse) frühstücken und fahren danach los. Der Weg auf die andere Seite der Panamericana ist recht beschwerlich und hat so gar nichts von Barrierefreiheit. Was man als Fußgänger hier in Mittelamerika als Fußweg angeboten bekommt, ist schon ziemlich speziell:

Zeitraffer Überquerung Panamericana (empfohlene Abspielgeschwindigkeit 0,25)

Wir haben in ganz Mittelamerika erst einen Menschen gesehen, der seinen Rasen mit einem Rasenmäher gemäht hat. Oft wird das Gras mit Macheten geschnitten, oder aber mit solchen Motorsensen, die häufig kleine Steine in unsere Richtung schleudern, wenn wir zu nah daran vorbeifahren, auch schon mal in Augenhöhe. Heute ist gerade wieder ein Sensenmann morgens vor dem Hotel aktiv und wird von Viktor festgehalten.

Motorsensenmann wirbelt Staub auf

Es ist Montagmorgen, die Straße ist zumindest hinter Aguadulce noch sehr voll – immerhin haben wir Asphalt und keine Betonplatten. Heute verläuft die Panamericana in einem großen Bogen gegen den Uhrzeigersinn, und teilweise haben wir heute etwas stärkeren Wind von vorne. Von der Aussicht her ist der Himmel fast abwechslungsreicher und interessanter als die Erde – immer wieder wechselnde Wolkenformationen. Leider müssen wir aber meistens beide konzentriert auf die Straße achten, die nur an wenigen Stellen wirklich gut ist, um alle Schlaglöcher, Äste, Schrauben und andere Eisenteile rechtzeitig zu sehen.

Nach ca. 20 Kilometern machen wir die erste Pause. Nachdem am Straßenrand der beste Kaffee auf dem ganzen Weg („Mejor Café del Camino“) angepriesen wurde, trinken wir zwei …. Apfelschorlen, weil es das erste Mal überhaupt ist, dass es dieses in Deutschland so verbreitete Getränk hier zu kaufen gibt (unsere Neffen wollten immer welche bestellen, ohne dass es sie z.B. in Costa Rica gab). Das Zeug heißt „Kist“ und trägt zusätzlich auch noch das Fanta-Markenzeichen.

Jutta liest auf dem Tiefkühler unter anderem das Wort „Duros“ (Harte), schaut hinein und sieht viele kleine zugeknotete Klarsichttüten mit verschiedenfarbigem Inhalt. Sie hat schon seit längerem vermutet, dass sich jene hinter dem Wort „Duro“ verbergen. Viktor erkundigt sich nach den Sorten (sie kommen aus eigener Herstellung) und probiert eines mit Kokos. In ganz Mittelamerika haben wir oft Menschen mit so kleinen Tüten auf der Straße gesehen, an denen sie gelutscht haben. Jetzt wissen wir, dass das preiswerte, hausgemachte Eis-„Duros“ waren. Im Supermarkt haben wir auch schon die Polypropylen-Tüten entdeckt, die man dafür benötigt.

Seit mehreren Tagen, wahrscheinlich seit wir in Panama sind, haben wir immer mal wieder blaue Herzen mit einer Art Funksignalzeichen auf den Wegen oder Straßen gesehen und bislang gedacht, das wäre Werbung für Tigo – ein Mobilfunkanbieter hier. Heute haben wir allerdings bemerkt, dass sie ganz unterschiedlich häufig sind UND dass jedes Mal auch ein Kreuz am Straßenrand oder im Gebüsch daneben steht :-(. Kurz vor dem Etappenziel in Anton sehen wir auf der Straße vor einer Brücke eine große Zahl dieser Herzen und das Datum 5.3.2017. Wir wissen sofort, dass hier ein Busunglück passiert sein muss, und so ist es auch.

Daraufhin haben wir die Idee, dass man ja auch in Deutschland etwas Ähnliches machen könnte (besonders dort, wo Radfahrer verunglückt sind, nachdem dort zunächst für 12 Monate ein weißes Geisterrad steht und dann entfernt werden muss, oder vielleicht auch auch für alle im Straßenverkehr Gestorbenen).

Als rechts eine terpel-Tankstelle mit „Va & Ven“ – Shop auftaucht, machen wir eine ausgiebigere Pause, in der wir auch Radläden in Panama Stadt anschreiben, die leider nicht willig sind, für uns Ersatzteile zu bestellen. Wir drücken ordentlich auf die Tränendrüse, aber sie haben einfach keinen Bock und behaupten, sie hätten Lieferzeiten von sechs Monaten für einen 3 Meter langen Schaltzug von Shimano. Außerdem verabreden wir uns locker mit dem Pärchen (Felipe und Katya, er Chilene, sie Russin), die wir in Mexiko mit dem Auto überholt hatten, und die auch Ende der Woche in Panama City ankommen wollen.

Die Weiterfahrt führt uns erst durch eine ziemlich große Stadt (Penonomé), in der wir uns fragen, warum hier die Städte alle so hässlich sind, und dann weiter auf schlechter Straße. Der Seitenstreifen ist wieder sehr vermüllt, oft auch vollständig mit Gras zugewachsen oder wird von Pflanzen überragt. Vor jeder Brücke endet der Seitenstreifen sowieso und wir müssen auf die Fahrspur. Von hinten kommen die Autos, Lastwagen und Busse mit 80 bis 100 km/h angerauscht. Der kleine Seitenspiegel am Lenker ist bei diesen Manövern mittlerweile eine unbezahlbare Lebensversicherung.

An einer Stelle sind wir gerade wieder auf der rechten Fahrspur, als große Querrillen mit schon von Weitem deutlich sichtbaren Stufen auf uns zukommen. Wir wollen auf den Seitenstreifen ausweichen, der mit Gras bewachsen, aber immerhin halbwegs vorhanden ist. Bei diesem Ausweichmanöver rollt unser Vorderrad gefolgt vom Hinterrad in einen mehrere Zentimeter breiten und tiefen Riss zwischen Fahrspur und Seitenstreifen, aus dem das Gras wächst. Es war einfach nicht erkennbar, dass dort solche breiten und tiefen Risse sind. Jetzt wissen wir, dass wir bei Gras am Straßenrand lieber vorsichtig sein sollten).

Das war knapp! Dass wir nicht gestürzt sind, ist eigentlich ein Wunder und vermutlich Juttas intuitiver und schneller Gewichtsverlagerung zu verdanken. Das zweite Wunder ist, dass beide Felgen das Ganze bei vollbeladenem Tandem offenbar schadlos überstanden haben. Wir haben bisher jedenfalls keinen Speichenbruch oder anderen Schaden entdeckt.

Viktor trägt auf Juttas Vorschlag die Gefahrenstelle bei I-Overlander ein, und glücklicherweise ist anschließend der Reifen noch fest. Wir hatten eigentlich mit einem Platten gerechnet, können aber weiterfahren.

Nur aufgrund dieser zeitlichen Verzögerung kommen wir gerade an einer „terpel“-Tankstelle vorbei, als die ersten Tropfen eines starken Gewitters herunterkommen. Wir stellen uns und das Tandem ganz schnell regensicher unter! Wären wir hier schon vorbeigefahren, wäre bis zum Etappenziel keine Möglichkeit zum Unterstellen mehr gekommen. Das Gewitter ist direkt über uns, Blitz und Donner erfolgen gleichzeitig. Wir bestellen uns noch einmal etwas zu Trinken, um das Gewitter abzuwarten. Plötzlich ist alles dunkel und leise (bis auf irgendein Handy im Raum, das noch Musik abspielt) – Stromausfall – und dann beginnt nach der nächsten Blitz-Donner-Kombi draußen auf dem Parkplatz die Alarmanlage eines Autos zu jaulen, vermutlich ausgelöst durch den verdammt heftigen Donner direkt über uns. Wir waren wieder mal zur rechten Zeit am rechten Ort!

Regenradar kurz nach dem Gewitter

Wahrscheinlich hat uns der Beinahe-Sturz vor dem Blitzschlag gerettet! 😉

Nach dem Regen sind es nur noch ein paar Kilometer bis Anton, und unser Hostal Las Catalinas ist schnell gefunden.

Es ist ein Bau aus der Kolonialzeit von 1913, und überall sind schöne Fliesen, es gibt einen schönen, überdachten, liebevoll eingerichteten Innenhof. Direkt nebenan ist die Kirche, und wir hören die ganze Zeit Gesang, erst nur Einzelne, abends dann einen Chor. Nach dem Duschen machen wir in glühender Hitze noch einen kleinen Rundgang, finden leider aber noch kein Restaurant für abends, das uns beiden richtig zusagt, und auch die beiden Heladerias, die es laut Google geben soll, gibt es nicht mehr. Also ruhen wir uns aus bzw. schreiben schon einmal am Blog und gehen abends dann zur Hauptstraße in die größte Fast-Food-Kette Panamas: „Pio Pio“, wo uns die Hotelangestellte heute morgen schon zum Frühstück hat hinschicken wollen (in Aguadulce natürlich, nicht hier in Anton).

Dienstag 16.7.24 – (073) – Anton – Coronado

Gesamt: 4.511,85 km

Als wir um kurz vor sechs im Halbdunkel zum Vordertor des „Hostal Las Catalinas“ kommen, ist dieses verschlossen. Uns fällt auf, dass wir gestern garnicht angekündigt haben, dass wir um sechs Uhr losfahren wollen. Aber es kommt sehr schnell eine Mitarbeiterin zum Aufschließen, so dass wir ohne Verzögerung starten können. Die Straße ist immer noch eher schlecht, auch wenn sich der Belag alle paar Kilometer verändert. Entweder die Betonplatten (mit Abständen und Absätzen), Asphalt (mit Schlaglöchern) oder ganz dünn auf die Betonplatten aufgetragener Asphalt mit Querrissen. Und der heutige Tag geht unentwegt auf und ab, nie richtig steil hoch, aber trotzdem etwas nervig. Rechts und links auch eher langweilige Landschaft, mal ein paar Mangobäume zwischendurch, einige Teak-Bäume, ein paar Weiden mit Pferden.

In Rio Hato wollen wir frühstücken, die dortige Tankstelle an der Bushaltestelle ist sozusagen ein kleines Mobilitätszentrum, aber bei der einzigen dortigen Möglichkeit zu Frühstücken wird die italienische Kaffeemaschine nur noch als Regal eingesetzt, und auf fettgebackene Empanadas haben wir heute auch nicht schon wieder Lust, also kaufen wir eine Art Brot und holen unsere Frühstückstüte aus der Radtasche.

Schade … nur noch ein Regal

Weiter geht`s! Man kann nicht gut in die Landschaft gucken, erstens wegen der schlechten Straße, zweitens, weil an beiden Straßenrändern mannshohe Büsche die Sicht versperren – manchmal stehen Bäume direkt dahinter, dann sieht man immerhin die Kronen.

In San Carlos wollen wir es noch einmal mit Kaffee und ggfs. Frühstück versuchen, aber im ganzen Ort ist wieder nichts Brauchbares, zumindest direkt an der Panamericana. Kurz danach ist auf der Gegenseite ein kleines Restaurant. Wir lassen das Tandem auf unserer Seite stehen und überqueren den Mittelstreifen – ein LKW-Fahrer tut das Gleiche. Reis/Pinto gibt es erst ab 11, aber es gibt Tortilla und Yuka. Wir teilen uns eine Portion. Und dann ist geplant, beim nächsten Va & Ven (Raststätten an den terpel-Tankstellen) eine längere Pause zu machen, weil wir uns zu 13 Uhr in der Unterkunft angemeldet haben, und sonst viel zu früh wären.

Ja, und planen kann man viel, aber Pläne kann man auch über den Haufen werfen. Erst einmal kommen uns zwei Bikepacker entgegen. Wir halten alle vier an und treffen uns auf unserer Seite. Pierre ist Franzose, vor eineinhalb Jahren in Ushuaia gestartet und auf dem Weg nach Kanada. Carmen (?) kommt aus Ecuador, ist vor zwei Tagen gestartet, auf dem Weg nach Mexiko und hatte bislang maximal sieben Kilometer an einem Tag gefahren (jetzt schafft sie schon 40km).

Zweitens bemerken wir ein paar Kilometer weiter, an einer Einfahrt zu einer Shopping-Mall, dass sich das Tandem komisch lenken lässt – der nächste Platten vorne! Wir schieben es zu einem Bordstein, um den Schlauch zu wechseln, und werden sehr schnell von einem Mann unterstützt, der eigentlich an dem angrenzenden Taxistand zu arbeiten scheint. Er heißt Eden, ist ehemaliger Profi-Mountain-Biker, und bekommt mit bloßen Händen den Mantel in wenigen Sekunden von der Felge gezogen. Eine Aufgabe, für die wir mit drei Reifenhebern normalerweise ein paar Minuten brauchen. Alleine für das Auspacken der Reifenheber aus den tiefsten Tiefen unserer Radtaschen brauchen wir ja schon Ewigkeiten.

Das Loch liegt (zum zweiten Mal seit Kilometer 3.000 in León) innen direkt neben dem Ventil. Daraufhin untersucht Eden die Felge und zieht dazu das Felgenband ab. Donnerschlag! – die Felge ist quasi rundherum gebrochen, teilweise „nur“ ein Riss, teilweise fehlen aber ganze Stückchen Aluminium! Wir sehen Panama-Stadt und die ganze Weiterfahrt in Gefahr, aber er meint, mit Isolierband beklebt (um den Schlauch zu schützen) könne man damit erst einmal weiterfahren, um sich in Panama Stadt (noch ca. 90 Kilometer) um eine neue Felge zu kümmern. Der tragende Teil der Felge scheint ja weiterhin halbwegs stabil, denn das Vorderrad läuft noch völlig rund und die Speichen sind alle fest.

Eden nennt auch gleich einen Laden (Trillo Armadillo), den er uns empfiehlt, und das ist keiner von denen, die uns schon für die Schaltzüge oder Schläuche ein Absage erteilt haben. Wir sollen einen schönen Gruß von ihm ausrichten, wenn wir den Laden kontaktieren. Das ist vermutlich das größte Geschenk, das uns Eden heute macht, denn der Besitzer (Alejandro) reagiert später auf die erste WhatsApp sofort sehr positiv und mit großer Hilfsbereitschaft.

Viktor kauft also in einer Ferreteria um die Ecke Isolierband, Eden wickelt es ein paar Mal um die Felge und macht uns dann das ganzen Vorderrad fertig, inklusive Aufpumpen. Anscheinend hat er richtig Spass daran! Auch möchte er anschließend nicht einmal von uns zum Kaffee eingeladen werden. Stattdessen zeigt er uns auf seinem Handy ein paar Fotos von seinen Siegen und von seinen Kindern, die auch MTB fahren. Welch eine positive Erfahrung trotz aller widrigen Umstände!

Wieder einmal waren wir genau am richtigen Ort, als uns das passiert ist! Und das wahrscheinlich nur, weil wir vorher die beiden Bikepacker getroffen haben und wir uns alle gemeinsam entschieden, stehen zu bleiben und ein wenig zu quatschen. Es hätte uns wirklich schlimmer treffen können!

Aber jetzt stehen wir vor einem Problem und einer größeren Entscheidung: Wir brauchen eine neue Vorder- und eventuell auch eine neue Hinterradfelge. Sie sind extra stark mit 32/36 Speichen, und wir warten noch darauf, ob der Laden in Panama sie überhaupt besorgen kann, und wenn ja, wie lange das dauert. Und in einer Woche geht (eigentlich) unser Boot in Richtung Kolumbien. Von dem werden wir an einem Strand in Sapzurro (Kolumbien) „ausgesetzt“, wo es keine richtigen Straßen gibt und müssen irgendwie über einen Wanderweg oder mit einem kleinen Boot (Lancha) nach Capurganá kommen, wo man wieder auf ein kleines Boot nach Necoclí steigen kann.

Darüber denken wir jetzt auch einmal detaillierter nach und finden alleine keine wirkliche Lösung. Außerdem wollen wir eigentlich gerne noch in den Norden bis nach Cartagena über Wasser (oder auch über Land) fahren, denn die Stadt soll ein kleines architektonisches Juwel aus kolonialen Zeiten sein. Gerade gestern hat Jutta eine in Berlin lebende Kolumbianerin (Andrea) gefragt, ob sie eine Möglichkeit kennt, wie wir von Necoclí nach Cartagena kommen können. Und heute hat sich plötzlich die Möglichkeit aufgetan, mit einer anderen Agentur direkt von Panama (auch über die San Blas Inseln) nach Cartagena zu schippern. Das wäre ohne mehrmaliges Umsteigen (Boote, Fähren, Busse, etc.), ohne das Einpacken des Tandems in einen Karton und ohne diese unsichere Lücke in Sapzurro möglich. Diese Entscheidung müssen wir in den nächsten Tagen fällen (aber erst einmal müssen wir wissen, was mit der kaputten Felge passiert), und wir nehmen gerne auch Ratschläge von Außenstehenden entgegen – zögert also nicht zu kommentieren – was sollen wir tun?

Pünktlich um 13 Uhr kommen wir beim „Dharma Casa Holistica“ an, wo wir kein Zelt (wäre auch möglich), sondern einen Bungalow gebucht haben. Wir duschen und laufen zu einem Starbucks, das wir etwa einen Kilometer vor der Ankunft gesehen hatten. Dort in dem Shopping Center Coronado treffen wir auf ein Deutsches Pärchen, das vor einem Jahr hierher ausgewandert ist, um der ganzen politischen Situation in Deutschland zu entkommen, und sie erzählen uns von etwa 30 Deutschen Pärchen hier in der nähreren Umgebung, die sich regelmäßig treffen. Sie gehen gerade zu einem Italiener essen. Diesen suchen wir uns für abends auch schon einmal aus, gehen aber zwischendurch noch einmal ins Zimmer.

Gegenüber von unserer Unterkunft werden Pflanzen verkauft. Manche kosten einen Dollar, manche auch einen Balboa. Schon gestern ist in Anton ein Auto durch die Straßen gefahren, dessen Fahrer gelbe und grüne Bananen (hier heißen sie wieder alle „Platanos“ – die zum roh essen „gelbe“ Bananen, die zum Kochen „grüne“ Bananen) und Eier angepriesen hat. Die Bananen gab es „vier für einen Dollar“, die Eier „30 für fünf Balboa“. Der Kurs ist genau 1:1 (fest gekoppelt), und von den Balboa gibt es ja bloß Münzen (s.o.) – welchen Sinn genau ergibt es, die Dinge so auszupreisen? Wir wissen es nicht!

Das Essen beim Italiener (drinnen in geschlossenem Raum ohne Mückenalarm, klimatisiert, bei Europäischer Musik – z.B. Eric Clapton) ist – so traurig dies auch ist – gerade nach so einem Tag, richtig schön. Und lecker ist es auch, obwohl Viktor statt der georderten „Gnocchi Quattro Formaggi“ die „Penne Quattro Formaggi“ bekommt. Er vermutet, dass er „Gnocchi“ wieder einmal anders ausgesprochen hat, als hier üblich, aber das stimmt nicht, wie hinterher mit dem Kellner geklärt wird, den Viktor nach der ortsüblichen Aussprache von „Gnocchi“ fragt. „Warum verstehen die mich hier so schlecht?“ fragt sich Viktor zum X-ten Mal.

Mittwoch 17.7.24 – (074) – Coronado – La Chorrera

Gesamt: 4.569,22 km

Schon vor dem Frühstück um 6:30 Uhr geht Jutta das Fahrrad packen und stellt fest, dass das Vorderrad schon wieder platt ist. Na toll! Also ist schon beim Frühstück Thema, ob wir evtl. lieber mit einem Auto nach Panamá fahren sollten, weil die Felge muckt. Die Mitarbeiterin der Unterkunft – Isabel aus Kolumbien – ist erst seit zwei Monaten hier. Sie wirkt eher wie Mitte 20, hat aber mit 38 Jahren schon zwei Kinder, 22 und 19 Jahre, die in Kolumbien bereits auf eigenen Beinen stehen. Isabel möchte langfristig nach Israel oder Europa auswandern, macht uns Vorschläge und leidet mit uns. Viktor lädt sie in unser Gästezimmer ein, falls sie es irgendwann nach Berlin schaffen sollte, und sie freut sich total.

Wir machen uns daran, das Vorderrad wieder einmal auszubauen. Dummerweise haben wir das Loch von gestern noch nicht geflickt und keinen neuen Schlauch mehr. Jutta beginnt also schon einmal mit dem Flicken des Schlauchs von gestern, bevor Viktor ihr den gerade ausgebauten bringt.

Sie sucht und sucht nach dem Loch, findet aber nichts. Erst als Viktor das Ventil im Waschbecken unter Wasser drückt ist die Problemstelle gefunden. Der Ventileinsatz sitzt locker. Zum Glück haben wir das richtige Werkzeug dabei, um ihn festzuziehen. Danach ist wieder alles dicht. Bei Viktor kommt dabei die Erinnerung aus den tiefsten Tiefen des Gedächtnisses hoch, dass sein Vater ihm schon im Kindesalter beigebracht hatte, immer erstmal etwas Spucke auf das Ventil zu geben und zu schauen, ob sich Blasen bilden. Dann kann man sich nämlich das Ausbauen des Rades und das mühsame Herausholen des Schlauches vielleicht sparen. Heute wäre das der Fall gewesen. Lehre von heute: Väter haben immer Recht. 😉

Wir kommen erst nach 11:30 Uhr los, da wir den weiteren Vormittag mit Umplanungen, Umbuchungen und umfangreicher Kommunikation verbingen, um die Ersatzteile zu besorgen, die wir in Panama-Stadt für unser Tandem benötigen. Wir prüfen die Möglichkeiten einer Bestellung in Deutschland mit Express-DHL-Versand nach Panama. Unser Sohn Julius erklärt sich trotz schlechter Erfahrungen mit dem Paket nach Kolumbien bereit, notfalls ein Express-Paket nach Panama zu packen. Derzeit sieht es aber eher so aus, als würden die Ersatzteile schneller aus den U.S.A. nach Panama kommen.

Da es am Vormittag auch ordentlich regnet und wir der angeknacksten Felge nicht so richtig trauen, überlegen wir lange, ob wir nicht doch einen Mietwagen oder einen Taxitransport (inklusive Tandem) nach Panama-Stadt in Anspruch nehmen. Als der Regen aufhört und wir alles geregelt haben, was derzeit zu regeln ist, steigen wir doch aufs Rad und geben der Felge eine Chance.

Gute Nachricht: sie hält! Auch mit einer ringsum gerissenen Felge kann man sogar auf schlechter Straße noch fahren. Die Strecke ist nicht schön, und da oft ein Ort an den nächsten grenzt, fehlt auch meistens der Seitenstreifen – in Ortschaften fehlen die grundsätzlich, manchmal zugunsten eines Fußweges, aber eben nur manchmal. Zwischen Kilometer 10 und 20 geht es über einen höheren Berg, und wir sehen auf der langsamen Auffahrt vor uns schon wieder Gewitterwolken. Ziemlich weit oben, beim Umfahren des Berges, hat man doch einmal einen schönen Blick auf Natur, Berge und Wasser, nur, dass vor dem schönen Panorama noch eine Autorennstrecke liegt, die das Bild etwas stört (Autodromo Panamá Salajices). Glücklicherweise sind wir schon auf der Abfahrt als es anfängt zu tröpfeln und schaffen es rechtzeitig unter das Dach eines Restaurants (Campo Alto), bevor es richtig schüttet. Obwohl es schon nach 14 Uhr ist, kann Viktor noch Frühstück bestellen und entscheidet sich als Beilage für „Hojaldres “ aus Maismehl, die ihm wesentlich mehr munden als die hiesigen „Tortillas“ (ebenfalls aus Maismehl, aber mit langweiligem Geschmack). Der Regen hört fast auf – wir fahren weiter.

Am Ortseingang von La Chorrera, unserem Zwischenziel vor Panamá Stadt, halten wir an einem Supermarkt mit einem McDonalds-Nachtisch-Stand, um noch etwas Kaltes zu konsumieren und mögen dort das Tandem nicht außer Sichtweite lassen. Das Publikum wirkt nicht sehr vertrauenswürdig, und die ganze Umgebung ist ziemlich voll, zugemüllt und eigentlich kein guter Ort, um Pause zu machen. Aber wir müssen noch durch die ganze Stadt, die Straße ist ein einziger Stau, und es geht immer noch auf und ab, fast wie in San Francisco oder hinter Acapulco, denken wir noch.

Am (vermeintlichen) Ziel angekommen, stehen wir am Eingang einer Gated-Community, und es ist kein Hotel America weit und breit zu sehen. Ein Anwohner kennt es nicht einmal. Kein Wunder: auch wenn der Pin bei Google genau hier ist (und Komoot uns deshalb hierhin navigiert hat) – das Hotel liegt auf der anderen Seite der Stadt, dort wo wir vor über einer Stunde hineingefahren sind. Viktor hat im Hotel angerufen und den Standort per WhatsApp geschickt bekommen (kurz denken wir, eine Unterkunft in der Nähe zu nehmen, aber es gibt nur zwei Hotels, die fast nebeneinander liegen, in dieser großen Stadt). Wir fahren, etwas genervt, den ganzen Weg durch die Stadt wieder zurück, hätten das Hotel auf dem Hinweg aber auch nicht sehen können, da zwischen den beiden Einbahnstraßen-Fahrtrichtungen ein ganzer Häuserblock liegt. Und unser Hotel liegt an der Fahrbahn, die aus Panama-Stadt in den Westen führt. Wir kommen also recht spät an, gehen sofort ungeduscht bei Leonardo eine Pizza essen, und haben anschließend nach dem Duschen kaum noch Energie übrig. Morgen ist auch noch ein Tag!

Donnerstag 18.7.24 – (075) – La Chorrera – Panamá Stadt

Gesamt: 4.616,86 km

Heute, am 75. Radfahrtag, wollen wir die letzte Etappe in Mittelamerika machen und nach Panamá-Stadt fahren. Es ist nur noch eine kurze Strecke, aber wir haben auch noch vor, das Rad zur Reparatur und Wartung in den Fahrradladen (Trillo Armadillo) zu bringen, also fahren wir trotzdem früh los. In einem Super7 nach sieben Kilometern frühstücken wir. Kurz darauf beginnt die Baustelle, die uns Komoot schon für die Fahrt heute vorhergesagt hat (eine Baustelle immer genau neben der Panamericana): zwischen den beiden Fahrspuren stehen viele Meter hohe Betonsäulen für eine neue Hochbahn, es wimmelt von Arbeitern in gelber Leuchtweste, von Abstandhaltern zur Baustelle und von Baustellenfahrzeugen. Der Autoverkehr fließt nur sehr zäh vorwärts, und wir können selten rechts vorbei, weil die Straße so viele Schlaglöcher hat. Es nervt ziemlich und ist auch nicht ungefährlich.

Die Einfahrt nach Panamá-Stadt ist recht eindrucksvoll über den „Puente de las Américas“ über den Panamá-Kanal, auch wenn wir am Aussichtspunkt vorbeifahren, weil es als Fahrradfahrer auf der Straße, besonders aufwärts, lebensgefährlich scheint. Bei der „Abfahrt“ haben wir eine gute Sicht auf die vielen Wolkenkratzer der Stadt. Das Straßengewirr führt hinter der Brücke noch zu einer Suche der richtigen Strecke, einmal müssen wir wenden und schieben bzw. fahren über eine elendig lange Fußgängerbrücke, weil wenden gar nicht so einfach ist, ein anderes Mal gibt uns ein anderer Radfahrer einen Tipp, wie wir auf nicht so stark befahrenen Straßen zum Hotel California kommen können.

Obwohl es erst elf Uhr ist, bekommen wir dort schon ein Zimmer. Wir entpacken das Tandem komplett, bringen alles ins recht kleine Zimmer, gehen gegenüber einen Kaffee trinken und eine (süß schmeckende) Quesadilla essen und fahren dann mit dem Tandem zum ca. neun Kilometer entfernten Fahrradladen. Durch die verstopfte Stadt kommt uns die kurze Strecke wie 40 Kilometer vor – das ist hier keine Radfahrstadt! Hoffentlich können wir das Tandem gleich heute bei Alejandro lassen, sonst müssen wir den Weg noch mindestens drei Mal machen!

An der Centennial Mall, wo Trillo Armadillo Bikes sich befindet, lassen wir das Tandem zunächst vor dem Laden stehen und laufen zum gute zwei Kilometer entfernten Gelarti-Laden, um uns das von Fam. Rühle gesponsorte Eis zu genehmigen, wieder mal ein Banana-Split mit 3 Kugeln. Vielen Dank dafür!

zwei von Rühles gesponsorte Banana-Split, sogar mit Fahrrad im Hintergrund

Zurück bei Alejandro gehen wir gemeinsam mit ihm alles am Tandem durch. Er hat gestern die 20-Zoll-Felge und andere Dinge für uns in den U.S.A. bestellt und hofft sie kommenden Donnerstag zu erhalten. Wir dürfen das Rad aber schon dort lassen, dann können sie schon alles andere checken. Wir bauen vor dem Laden noch eben das Hinterrad aus, um auch bei diesem die Felge zu kontrollieren. Tja, und wie wir es schon fast vermutet haben: auch hier ist ein Riss schon fast komplett rum. Wir entscheiden also, dass Alejandro auch hinten eine neue Felge einbaut, auch wenn das mit der Rohloff-Schaltung komplizierter ist als die vordere. Wenn wirklich am Donnerstag die bestellte Ware kommt, sollten wir nächsten Samstag das Tandem wieder abholen können. Jetzt haben wir hier wirklich einige Zeit und können uns noch schöne Ecken des Landes angucken, die wir beim Radfahren rechts und links vielleicht liegen gelassen haben.

Wir bleiben noch zu einem frühen Abendessen in der Mall (schon wieder beim Italiener) und fahren dann mit einem Taxi zurück ins Hotel California. Die Fahrt ist sehr rasant und holprig, der Fahrer ein wahrer Spuren-Hüpfer. Viktor kontrolliert die Geschwindigkeit mit dem Handy, weil er einfach nicht glauben kann, dass wir so langsam fahren, wie der Tacho anzeigt. Natürlich könnte es sein, dass wir nach dem eher langsamen Radfahren die Geschwindigkeit im Auto völlig überschätzen, aber tatsächlich: wir fahren 55 km/h, und der Tacho im Taxi zeigt 40 km/h an ( ja km/h nicht Mph … wir haben genau hingeschaut), satte 37,5% Abweichung nach oben. Und oft fährt der Taxifahrer auch angezeigte 50 oder mehr km/h. Na ja, dafür sind wir schnell am Hotel, gehen noch kurz in den Jacuzzi auf dem Dach und dann auf unser Zimmer zum Blog-Nachholen von gestern.

Jetzt noch ein paar technische Details zu den gerissenen Felgen:

Es gibt offenbar zwei „Schulen“ beim Einspeichen von Laufrädern. Die Einen schwören auf eine sehr starke Speichenspannung, die Anderen spannen die Speichen eher lockerer. Bei hoher dynamischer Belastung gelten stark gespannte Speichen als besser, da die Speichen an den Kreuzungspunkten weniger aneinander reiben und so Speichenbrüche vermieden werden. Unsere Speichen wurden von PankeRad am oberen Limit gespannt, denn sie wurden mit montierten und aufgepumpten Reifen (das entlastet die Speichen) auf maximale Zugspannung gebracht. Das entspricht angeblich auch der Spezifikation des Felgenherstellers RYDE aus den Niederlanden.

Dass die Felgen beide gerissen sind liegt vermutlich an einer Überlastung durch das Gesamtgewicht von ca. 240 kg. In der Telegram-Kommunikation zwischen Dan (PankeRad) und Viktor ergibt sich unter anderem folgendes Fazit von Dan:

„Am Ende läuft das immer darauf hinaus, dass man sich mit Lastenrädern und Tandems außerhalb der konstruktiven Grenzen von Fahrrad-Bauteilen bewegt…“

Die technischen Daten der RYDE Felgen erlauben scheinbar folgende Belastung: 90 kg pro Felge, also 180 kg gesamt maximal. Wir wiegen insgesamt ca. 240 kg. Da passt etwas nicht, oder? Aber wozu haben wir dann die Lastenradreifen (155 kg + 115 kg = 270 kg) ausgewählt, wenn die Felgen es gar nicht hergeben? Welche Felgen empfiehlt Schwalbe für die Lastenradreifen? Fragen über Fragen … und keine Antworten.

Nachtrag 26.8.24: Auch Wochen danach noch keine Reaktion von Schwalbe und Ryde, trotz mehrfachen Nachhakens. Das ist sehr enttäuschend und frustrierend.

Hoher Reifendruck könnte auch noch ein Schadensgrund sein, da dieser die Felge übermäßig stark nach außen gedrückt haben könnte. Aber wir fahren mit relativ moderaten 3,5 bar Reifendruck, das muss eigentlich jede Felge abkönnen, bestätigt auch Dan per Telegram-Nachricht.

Freitag 19.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 1)

Wir schlafen aus (bzw. einer von uns), und da das Hotelrestaurant dauerhaft geschlossen ist, gehen wir gegenüber im „am:pm“ frühstücken. „am:pm“ gab es in Nicaragua häufig, es gibt ein paar wenige auch in Panama und sie wollen laut Webseite in allen sieben Mittelamerikanischen Ländern expandieren, weil es in Mittelamerika noch nicht genug „Convenience Stores“ gibt, was wir durchaus bestätigen können.

Als Sightseeing-Programm haben wir uns heute die Altstadt „Casco Viejo“ oder „Casco Antiguo“ vorgenommen und als Fortbewegungsmittel den öffentlichen Nahverkehr gewählt. Google hat schön ausgespuckt, mit welchen Buslinien man fahren kann. Nicht mit Abfahrt- und Ankunftzeit, wie wir es aus Berlin gewohnt sind, aber immerhin. Die Station „Santo Tomas“ ist fußläufig gut zu erreichen, und wir finden auch eine Bushaltestelle. Busse in Richtung Altstadt fahren dort aber nicht, wir sollen runter bis an die Küstenstraße gehen, sagt uns ein Ortskundiger. Also noch ein längerer Spaziergang bis unten zum Wasser. Dort sehen wir aber sofort einen Bus halten und fragen den Fahrer, ob er zur Altstadt fährt (Nummern stehen nämlich nicht dran). Er fährt bis zur Station „5 de Mayo“, sagt er, und dort können wir dann umsteigen. Wir wollen ein Ticket kaufen, aber hier muss man eine mit Guthaben aufgeladene Karte benutzen, mit Geld im Bus geht da gar nichts (bei Google kommt übrigens immer „kostenlos“). Kulanterweise lässt er uns so durch das Drehkreuz des Busses. An der Endstation versuchen wir es erst selber, müssen dann aber fragen, wo der nächste Bus fährt und wo wir so eine Guthaben-Karte bekommen können. Daraufhin werden wir von einem Polizisten erst zum Ticketschalter eskortiert, kaufen dort für zwei Dollar eine Karte und beladen sie mit acht Dollar, und dann zum richtigen Terminal. Bevor wir dort am Drehkreuz die Karte vorhalten, zeigt er uns auch noch, welchen Bus wir nehmen müssen. Das war eine sehr nette Dienstleistung, die uns sicher viel Zeit erspart hat – wir sind erstaunt, dass der Polizist unserem alten Idealbild von „Freund und Helfer“ sehr nahe kommt.

Der Bus fährt einen ziemlichen Umweg, hält aber erst in der Altstadt das erste Mal, dort aber dann häufig. An einer günstigen Haltestelle steigen wir aus, auch da wird uns von Mitfahrenden und dem Busfahrer geholfen und der weitere Weg gewiesen. Irgendwie sind alle unglaublich hilfsbereit.

Und dann gehen wir durch die schmalen Gassen. Alles ist voller Autos, und wir wundern uns, dass hier anscheinend alle noch so engen Straßen frei für den Verkehr sind. Als zu Fuß Gehende hat man hier das Nachsehen. Und es ist sowieso schon ziemlich heiß, die aneinandergereihten Autos tun ihr Übriges dazu.

Beim Besuch der Kathedrale stellen wir fest, dass es hier die erste Kirchenorgel unserer ganzen Reise gibt, die dort auf dem Orgelboden erst 2019 vom Polnischen Orgelbauer Kaczmarczyk erbaut und während einer Messe mit Papst Franziskus eingeweiht wurde.

In einem Café machen wir eine längere Pause, auch, um nochmal Fakten zu unseren Felgen zu checken und uns in einem klimatisierten Raum abzukühlen. Anschließend gehen wir langsam wieder in Richtung 5 de Mayo-Station, weil wir noch zu einem Einkaufszentrum (Albrook-Mall) fahren und dafür die Metro nehmen wollen. Auf dem Weg gehen wir in einem Block durch die Markthalle, weil es dort kühler ist. Der erste Raum ist sehr farblos, denn es gibt ausschließlich Fleisch zu kaufen (besonders Huhn), dafür ist der zweite Raum ganz farbenfroh und mit aromatischen Gerüchen: es ist die Obst- und Gemüsehalle.

Juttas Cappuccino

Um überhaupt zur Metro zu gelangen, muss man seine Bezahlkarte an ein Drehkreuz halten. Die Dame am Ticketschalter hatte uns gesagt, wir sollten immer zusammen durchgehen und die Karte nur einmal vorhalten, und genau das machen wir jetzt auch – wurde uns ja so erklärt :-). Die Metro ist hier erst zehn Jahre alt, zumindest wurde da der erste Streckenabschnitt eröffnet, und ist klimatisiert, und mit ihr fahren wir sehr schnell nach Albrook.

Dort gelangen wir in der Menschenmenge zunächst zu einem riesigen Busbahnhof und wähnen uns da schon in der Mall. Aber es geht noch einen Gang weiter, und dann sind wir wirklich da: eine riesige Shopping-Mall mit vielen verschiedenen Gängen, mehreren Food-Courts, die alle ähnlich sind, und die man dementsprechend auch nicht zur Orientierung hinzuziehen kann. Wir wollen uns beide ein Paar Sportschuhe kaufen, damit wir in den kommenden Wochen (hier und auf der Reise nach Kolumbien) nicht immer unsere Radfahrschuhe tragen müssen. In einem Laden werden wir fündig (erst ein Paar Socken, dann die Schuhe).

Da unsere Action-Kamera schon seit längerem kaputt ist (und inzwischen mit nach Deutschland genommen wurde), erscheint uns diese Mall spontan als geeignet für einen Neukauf, und im zweiten besuchten Technikladen haben sie GoPros. Erst lässt Viktor sich beraten, dann gehen wir jeder einen Impossible-Burger bei Burger-King essen, und anschließend gehen wir die GoPro11 mini kaufen. Eigentlich hat der Verkäufer uns einen extra kälte- und hitzebeständigen Akku empfohlen, aber den kann man für die „Mini“-Variante nicht benutzen, also bleibt es bei der Kamera.

Mit der Metro kommen wir auch wieder zurück zum Hotel.

Samstag 20.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 2)

Für heute haben wir Tickets für eine Fahrt mit der „Panama Canal Railway“ gebucht. Dafür müssen wir um 11:30 Uhr am Corozal-Bahnhof sein, wo man mit ausschließlich ÖPNV nur bis knapp 40 Minuten Fußweg zum Schluss hinkommt.

Wir frühstücken in einem nahen Coworking-Café (Sitio Cürrao), packen Getränk und Sonnenbrille ein und machen uns um 10 Uhr auf den Weg – mit der Metro bis Albrook (das kennen wir ja schon von gestern) und weiter mit einem Taxi. An dem besagten Bahnhof kommen wir schon um kurz nach halb elf an, aber es stehen schon etliche „Mitreisende“ vor dem Bahnhofsgebäude, und ein paar Minuten später werden wir alle eingelassen – in Reih und Glied – und durch ein Spalier aus uniformierten Frauen geleitet. In dem Saal kann man Souveniers kaufen, ansonsten ist es eine große, leere Halle. Ziemlich schnell wird auch schon mit dem „Boarden“ begonnen: Erst kommen die Passagiere für den Panorama-Waggon, dann sind wir mit in der ersten Gruppe für den Luxus-Waggon (ohne Panoramafenster) und werden Plätzen zugewiesen. Da wir nur zu zweit sind, müssen wir uns zu einer Mutter mit Tochter setzen, dürfen aber später weiter nach hinten im Waggon an einen noch freigebliebenen Dreiertisch. Eigentlich ein nettes Angebot, aber leider ist am Nachbartisch eine Familie mit einem hyperaktiven dreijährigen Kind, das sehr laut und sehr unruhig ist. Zwischendurch bekommt er immer mal ein Handy zum Beruhigen oder wird mehrmals gestillt, die restliche Zeit kann er tun und lassen, was er will, und ist fast unentwegt Süßes oder Salziges am Essen.

Der Ausblick ist dadurch glücklicherweise nicht gestört (man kann sich bloß kaum unterhalten und versteht Ansagen auch nicht), und wir fahren zum Teil durch Dschungel, zum Teil mit Blick auf den Kanal, und wir sehen auch einige Schiffe. Auf der Hinfahrt bekommen wir alle einen Kaffee an den Platz und später eine Snackbox in Form eines Kartons mit kleinen Packungen mit Snacks. Leider könnten wir in Colón nur aussteigen, wenn wir eine andere Rückfahrmöglichkeit nehmen – dieser Zug fährt ohne Aufenthalt die Strecke wieder zurück. Es bleiben alle an Bord! Auf der Rückfahrt bekommen wir noch eine Gesangseinlage aller uniformierten Zugbegleiterinnen inclusive Percussion (u.a. auf einem Schildkrötenpanzer) zu hören, und bei dem traditionellen Lied singt der halbe Waggon mit – Party!

Um kurz nach halb drei sind wir wieder am Bahnhof. Dort ein Taxi zu bekommen dauert etwas, weil wir natürlich auch nicht die Einzigen sind, aber bald haben wir einen Fahrer, der uns wieder nach Allbrook fährt. Wir überlegen, mit der Metro bis zur Endstation zu fahren und uns dort umzuschauen, nachdem wir aber google befragt haben, lassen wir das doch lieber und steigen einen Station vor unserer aus, um noch ein bisschen Zeit an der Promenade zu verbringen. Dort ausgestigen sieht es plötzlich stark nach Regen aus und wieder einmal schaffen wir es gerade rechtzeitig ins Cafè/Restaurant Boulevard Balboa. Den Schauer wollen wir tee- bzw. kaffeetrinkend abwarten. Der Schauer entwickelt sich zu einem starken Gewitter, die Straßen werden richtig überschwemmt, und wir können keinesfalls zu Fuß irgendwo hingehen, also beschließen wir nach langer gewarteter Zeit, dort zu Abend zu essen – inzwischen ist es fast sechs Uhr.

Während dieser ganzen Zeit hat der Fahrradladen sich per WhatsApp gemeldet: sie haben schon vesucht, die neue hintere Felge zu einzuspeichen, und haben dabei gemerkt, dass die bei ihnen vorrätige nur für 32 Speichen ist, unsere Rohloff-Felge aber 36 Speichen braucht. Jetzt müssen wir es doch mit einem DHL-Express-Paket aus Deutschland probieren, und das geht frühestens Montag Morgen (bei uns die Nacht von Sonntag zu Montag). Das verzögert alles also noch einmal! Und wir müssen hoffen, dass heute noch nichts kaputt gegangen ist, und dass der Fahrradladen trotz dieses Faux-Pas ein Guter ist.

Das Essen ist wirklich gut (das Balboa gibt es schon seit 1958, und innen hat es sich wohl noch nicht sehr viel verändert, aber die Küche ist top), und anschließend lassen wir uns keine drei Kilometer mit einem Taxi zum Hotel bringen, weil es immer noch regnet und die Straßen voller Wasser sind.

Sonntag 21.7.24 – Panamá Stadt (Ruhetag 3)

Morgens macht Jutta das erste Mal einen WhatsApp-Videoanruf mit Kathrin und Barbara, ihren beiden Schwestern, bevor wir wieder gegenüber im „Arte del Pan“ frühstücken gehen, wie sonntags vormittags anscheinend auch viele Panamaer und Panamaerinnen – es ist kaum ein Platz frei, obwohl es nicht einmal schön oder gut ist.

Felipe und Katja, die wir schon in Mexiko auf dem Weg nach Tapachula mit dem Auto überholt hatten, kommen heute hier an, und wir sind gegen Mittag mit ihnen im „Sitio Cürrao“ verabredet. Wir gehen mit unserem Laptop schon hin, um die Zeit bis zu ihrer Ankunft mit der Planung der nächsten Tage und Wochen zu verbringen, aber kaum haben wir uns hingesetzt, kommen die beiden auch schon an. Sie haben bereits Asien mit dem Rad durchquert und sind schon „fast am Ziel“ (Chile). Sie überlegen noch, von Chile bis nach Ushuaia zu wandern und die Räder in Santiago de Chile stehen zu lassen. Wir laden sie zu Kaffee und Waffeln ein, denn die beiden sind mit extrem kleinem Budget unterwegs. Wir tauschen uns über die bisherige Strecke aus und darüber, was uns noch bevorstehen mag. Felipe berichtet unter anderem von einem Paar, das er unterwegs getroffen hat, die ebenfalls mit einem Tandem (auf europäischen Straßen) unterwegs waren und die alle 3.000 km neue Felgen benötigt hätten. Das bestätigt nochmal Dans Aussage von den „Konstruktiven Grenzen“ (siehe oben).

Die Zeit vergeht im Flug, wir bekommen vom Inhaber noch einen kleinen speziellen Kaffee geschenkt und gehen erst, als das Café um 14:00 Uhr schließt. Von dort wechseln wir ins Arte del Pan und bleiben auch dort, bis dieses schließt. Die beiden müssen sich jetzt auch darum kümmern, wie sie mit einem oder mehreren Booten nach Kolumbien kommen, sie wollen es z.B. auch bei Containerschiffen in Colon versuchen. Wir verabschieden uns in dem Glauben, dass wir uns wiedersehen werden. Felipe hat angeboten, dass wir unser Tandem in seiner Heimatstadt in der Nähe von Santiago de Chile lassen können (oder unsere Einzelräder, falls wir bis dahin haben wechseln müssen), um ohne Rad weiter in den Süden (Patagonien, Feuerland) oder in die Berge zu reisen. Also spätestens dort könnten wir uns wieder treffen, vermutlich um die Weihnachtszeit herum.

Wieder zurück im Hotel erreicht uns die Nachricht, dass Joe Biden raus aus dem Präsidentschaftswahlkampf ist, und wir gucken ein wenig CNN und ergänzen unseren Blog.

Viktor schreibt noch eine E-Mail an den Generalvertreter der RYDE-Felgen in Deutschland und kündigt einen Anruf für Montag 9:00 Uhr an (hier Montag 2:00 Uhr morgens), um einen Expressversand von zwei neuen Felgen aus Deutschland zu organisieren.

Woche 15 (8.7.24 – 14.7.24) – Rio Claro – Aguadulce

Montag 8.7.24 – (065) – Rio Claro – Tijeras

Gesamt: 4.085,96 km

Wir müssen morgens unsere gestern gewaschene Wäsche noch ziemlich feucht einpacken. Na die wird heute Nachmittag beim Auspacken sicher duften.

Frühstück gibt es heute vor der Abfahrt schon in der Küche des Ferienhauses mit Dinkelbrot von Edeka (letzte von der Familie mitgebrachte Scheiben), Lekkerland Käse nach Europäischer Art (aus dem lokalen Supermarkt) und Tee aus der Kaffeemaschine. Im Supermarkt in Rio Claro kaufen wir noch schnell gekühlte Getränke und radeln dann die letzten 35 Kilometer auf Costa Ricanischer Straße. Erst ist es ein wenig bedeckt, wird dann aber schnell wieder sonnig und heiß.

Gegen 10 Uhr kommen wir an der Grenze an und suchen erst einmal nach den angeblich so gut sortierten Fahrradläden in der Straße vor der Grenze. Viele kleine Geschäfte, mehrere Malls, viel Dreck und Lärm, hier zeigt sich Costa Rica für Einreisewillige von seiner schlechten Seite … . Die Radläden haben keine passenden 20 – Zoll – Schläuche, aber wir haben es zumindest versucht. Den Ausreisestempel müssen wir uns wieder ein Stück zurück holen – als wir an der Reihe sind, erfahren wir, dass wir erst einmal die 8$ Ausreisesteuer zahlen müssen, und wo das gegenüber möglich ist. Mit der Quittung bekommen wir den so wichtigen Ausreisestempel. Dann kehren wir in ein Soda ein, um die letzten Colones noch auszugeben. Das Migrationsbüro von Panama kann man nicht verfehlen, es ist zwischen den Straßen für die Ein- und Ausreise. Dort wird ein Foto gemacht und alle Fingerabdrücke genommen, aber nichts abkassiert, und wir bekommen den Einreisestempel. Komischerweise ist hier diesmal keine Dauer angegeben, das muss man wohl selber recherchieren, wie lange man im Land bleiben darf.

In Panama angekommen, ist es ganz plötzlich eine Stunde später. Die Zeitdifferenz zu Deutschland beträgt jetzt also nur noch 7 Stunden und die Sonne geht für uns wieder nach 18 Uhr unter. Wenn wir morgens um 6 Uhr losfahren ist die Sonne noch nicht aufgegangen.

Es fällt uns ziemlich schnell der wieder zunehmende Müll am Straßenrand auf, eine sehr viel höhere Dichte an Tankstellen an der Straße, wesentlich weniger Schatten (die Straße ist sehr viel breiter und mit einem Standstreifen versehen, rechts und links ist wenig Baumbewuchs), wieder viele Verkaufsstände am Straßenrand, die hier zum Teil ganze Tüten mit gemischtem Gemüse verkaufen (wir denken da an die heimischen Gemüsekisten). Außerdem heißen die „Sodas“ aus Costa Rica (kleine Kiosk-Restaurants am Straßenrand) hier augenscheinlich „Fonda“ oder sogar „Fondita“.

Es geht nach der Grenze nicht sofort bergauf, wie es schon öfter der Fall war, aber nach einigen Kilometern beginnt eine 10 Kilometer lange, nur ganz flache Steigung, die uns in der prallen Mittagssonne ziemlich zum Schwitzen bringt. Unterwegs winkt uns ein Mann heraus, der uns überholt hat, unsere Deutschlandflagge gesehen hat, und dessen Schwester in Stuttgart lebt. Er schickt ihr ein Selfie mit uns und eine Sprachnachricht. Außerdem spart er gerade das Geld für einen Besuch bei seiner Schwester zusammen, möchte also unbedingt einmal nach Deutschland.

Gegen Ende der Steigung gibt es einen kleinen Stand mit Getränken und Snacks. Wir halten an und Viktor gönnt sich eine kalte Cola. Der Betreiber des Standes bewundert das Tandem, besonders die Schaltung und die Kettenführung für den Stoker über mehrere Umlenkrollen. Er sitzt selbst in einem Rollstuhl mit Kettenantrieb und zeigt uns seine Kettenschaltung. Bei ihm halten viele Rad-Touristen, vor einiger Zeit auch ein Querschnittgelähmter im Dreirad mit Handantrieb, aber ein Rad wie unseres hat er hier noch nie gesehen.

Kurze Zeit später überholt uns ein E-Bike-Fahrer und ruft uns winkend zu, dass es nur noch berab geht („Pura Bajada!“). Irgendwann ist das tatsächlich fast der Fall, aber ohne Motor sind die Steigungen zwischen den Abfahrten halt auch noch zu erstrampeln. Lehre des Tages: „Traue keinem E-Bike-Fahrer, wenn er Aussagen über Steigungen und Gefälle macht!“

Unser Bed & Breakfast „Little Italy“ ist 450m von der Hauptstraße entfernt, diese geht es aber wieder einmal über teils lose, offenbar frisch verteilte, spitze Steine, und so sind die Wege in der gesamten Wohnsiedlung. Da ziehen wir es vor, das Tandem zu schieben, um nicht wieder einen Platten zu bekommen. Und obwohl wir so langsam unterwegs sind, verpassen wir das richtige Grundstück, erst das Winken der Betreiber führt uns zum richtigen Tor.

Die Suche nach einem Restaurant für unser Abendessen gestaltet sich ziemlich schwierig. Wir fahren mit dem Tandem die Panamericana ein ganzes Stück zurück, ohne etwas zu finden, das geöffnet wäre. Auf dem Hinweg lernen wir, dass diese Echsen hier auch ganz schön schnell sein können.

Schnelle Echse

Am Ende landen wir in einem kleinen Restaurant und wählen beide das Huhn „Pollo Frito“, vermutlich recht lange in Frittierfett gebratene Hähnchenstücke mit viel Knochen darin. In der folgenden Nacht hat Viktor erstmals seit dem Start unserer Tour unter Sodbrennen zu leiden. Einen Supermarkt finden wir auch nicht, also kaufen wir im B&B zwei Flaschen Wasser für die Nacht.

Bei der abendlichen Planung der nächsten Etappen stellen wir fest, dass es sehr wenig Unterküfte entlang der Panamericana in diesem Teil Panamas gibt. Für Warmshowers-Anfragen sind wir eigentlich schon zu spät dran und die potentiellen Gastgeber bieten überwiegend nur Plätze zum Zelten an, worauf wir in der Regenzeit auch nicht wirklich große Lust haben. Wir finden einen Ort „Horconcitos“ etwas abseits der Panamericana, in dem es ein Bed & Breakfast und ein Ferienhaus für morgen Abend gibt. Das haben wir uns in Panama eigentlich leichter vorgestellt.

Dienstag 9.7.24 – (066) – Tijeras – David

Gesamt: 4.103,62 km

Das Ferienhaus in Horconcitos, das wir in erreichbarer Entfernung gefunden haben, ist für heute Abend nicht mehr zu haben – wir entscheiden uns daher, mehr oder weniger notgedrungen, eine Nacht in David einzuschieben und Horconcitos morgen anzufahren. Dadurch haben wir nur diese ganz kurze Etappe und kommen schon um 7:45 Uhr am Hampton Inn an (Viktor möchte einmal Dienstreise-Feeling haben) nach einer gruseligen Fahrt im Berufsverkehr in die Großstadt.

Immerhin können wir unterwegs mal ein Foto von den festgebackenen Betonresten machen, denen wir auf unserer gesamten Tour schon so oft auf dem Seitenstreifen ausweichen mussten. Betonmischer scheinen hier in der Region regelmäßig größere Mengen davon zu verlieren und einfach liegen zu lassen. Wir hatten schon Haufen die 10 – 20 cm hoch waren und über die ganze Breite des Seitenstreifens reichten. In der Dunkelheit wären die eine richtige Gefahr für Leib und Leben (und Tandem).

Trotz der frühen Stunde bekommen wir sofort ein Zimmer, und das Tandem bekommt einen freien Konferenzraum im Keller ganz für sich alleine. Wir wollen den Tag für Erledigungen nutzen und beginnen gleich als erstes mit einem Friseurbesuch. Wir googlen nach „perruqueria“, dem Wort, das Viktor kennt. Die gefundenen sind ausnahmslos in Katalonien in Spanien. Ist wohl das falsche Wort. „Peluqueria“ ist hier das Richtige. Außerdem wollen wir Panamaische Währung, den „Balboa“, abheben, allerdings kann man an den ersten drei unterschiedlichen Geldautomaten immer nur US – Dollar ziehen. Beim dritten Versuch werden wir aber aufgeklärt, dass alle Banknoten hier US-Dollar sind. Nur die Münzen sind Balboas, so dass es an Geldautomaten immer nur US-Dollar gibt.

Es gibt hier in David etliche Fahrradläden, und wir wollen einen Ersatzschlauch und Schaltzüge kaufen. Der erste Laden, den Google-Maps uns anzeigt, scheint nicht mehr zu existieren, der zweite hat geschlossen, obwohl es schon 10 Uhr durch ist und er eigentlich geöffnet sein soll. Eine Nachbarin sagt, der Besitzer sei aber doch da, sein Auto stünde doch vor der Tür und er wohne in dem Haus. Viktor klopft an sein Wohnraumfenster. Eine verschlafene Stimme regt sich. Auf die Frage, ob der Laden denn geöffnet sei, antwortet er, ja, aber erst ab 10 Uhr. Er macht sich dann aber fertig und öffnet ein paar Minuten später die Ladentür . Erwartungsgemäß hat er die benötigten Sachen nicht, aber den Tipp, in welchem Geschäft es sie geben könnte. Nach einem Blick auf die Wegbeschreibung dorthin beschließen wir, für den Hinweg ein Taxi zu nehmen. Die stehen hier an allen Ecken herum und sprechen einen ständig an (also die Fahrer 🙂 ).

Uns ist schon aufgefallen, dass es hier mehrere Hotels mit angeschlossenem Casino gibt, und auf der Taxifahrt sehen wir noch mehr. Der Fahrer bestätigt, dass David eine Art Las Vegas von Panama ist. Der Spruch „What happens in Vegas, stays in Vegas“ gilt hier genauso als „What happens in David … „.

Der empfohlene Fahrradladen ist wirklich groß und gut sortiert (neben Fahrrädern und Zubehör gibt es auch z.B. Matratzen und Kochtöpfe, um ein paar Beispiele zu geben), aber auch hier erhalten wir unsere speziellen Ersatzteile nicht. Es wird wohl wieder auf Amazon hinauslaufen! Auf dem knapp drei Kilometer langen Rückweg fragen wir in mehreren Ferreterias nach einem Saitenschneider. Es gibt auch dort neben dem Eisenwarensortiment immer auch anderes: Lebensmittel, Kleidung, Getränke sowieso …, aber einen Saitenschneider bekommen wir nicht.

Ebenfalls erfolglos fragen wir in etlichen Apotheken nach 30G – Insulinspritzen, zum Einspritzen des Schmierfetts in den Freilauf. Alle haben sie 31G (die sind zu fein für das Fett), eine hat auch 25G.

Die letzte Sache, die wir besorgen wollen, ist ein USB-A (männlich/macho) zu USB-C (weiblich/hembra) – Adapter. Die allesamt weiblichen Verkäuferinnen in den zahlreichen besuchten Elektronikgeschäften (die gibt es hier weit häufiger als Restaurants oder Cafés) geben sich teilweise sehr viel Mühe, aber Mühe allein reicht leider nicht. Wir wollen schon aufgeben (Amazon …), da kommt noch ein passender Laden und Viktor will es noch ein letztes Mal probieren. Und siehe da: die Dame geht schnurstracks zu einem Regal und hat das passende Kleinteil.

Bevor wir wieder zum Hotel kommen, verweilen wir noch in einem Italienischen Eiscafé …,

… aber pünktlich zum Fußballspiel Spanien gegen Frankreich sind wir zurück. Viktor kann im Hotelrestaurant gucken. Im Zimmer gibt es den richtigen Sender nicht, alternativ könnte er auch ins Casino nebenan gehen. Da bleibt er lieber im Hotel.

Jutta nutzt die Zeit, um die Tage bis Santiago zu planen. Ab da wird es wieder wesentlich besser mit der Infrastruktur. Wir müssen wirklich jede Unterkunft in der Nähe der Straße nehmen, wenn wir eine auslassen, werden es zu lange Etappen. So wird nur ein Tag richtig hart werden mit fast 100 Kilometern und fast 1000 Höhenmetern. Eine Unterkunft muss man anrufen, da wartet Jutta auf Viktor, die anderen bucht sie aber auch lieber schon, denn wenn eine absagen würde, sähe es nach zelten an einer Tankstelle aus.

Nach dem Sieg von Spanien macht sich Viktor an eine Amazon-Wunschliste und versucht vergeblich, sich die Sachen hier nach Panama zu bestellen. Kaum möglich, und wenn, dann mit 40$ Porto für ein Kleinteil. Währenddessen vermittelt Jutta den Besuch des Katalanischen Teils ihrer Familie zum Europameisterschafts-Endspiel in Berlin mit Unterkunft bei unseren Untermietern Emma und Wolfgang. Und das Lustige ist, dass Emmas Familie vor vielen Jahren mit Juttas Vermittlung Urlaub in Katalonien gemacht hat und Dorothee und ihre Zwillinge daher kennt.

Weil wir jetzt wissen, dass wir doch nicht erst Ende Juli in Panama-Stadt ankommen werden, buchen wir uns für den 20.7. eine Panorama-Zugfahrt am Panama-Kanal und fragen an, ob wir unsere Bootstour nach Kolumbien am 23.7. antreten können, da bleibt die Antwort noch abzuwarten.

Wir haben heute bei den Gängen durch die Stadt kein besonders einladendes Restaurant gesehen, also gehen wir zum Abendessen ins Hotelrestaurant und werden dort nicht enttäuscht. Zwar ist der Raum viel zu stark klimatisiert, nicht nur uns ist es zu kalt, aber die Küche ist sehr gut.

Beim Stadtrundgang sehen wir wieder einen Kinderspielplatz mit rollstuhlgerechter Schaukel und Karussel. Das war uns in Mexiko (La Paz) schon aufgefallen. Wir sind aus dem Kinderspielplatzalter ja herausgewachsen und fragen uns, ob es so etwas in Deutschland inzwischen auch gibt.

Mittwoch 10.7.24 – (067) – David – Horconcitos

Gesamt: 4.149,77 km

Wir frühstücken im kühlen Restaurant des Hampton Inn, wo heute Party angesagt ist: heute ist Piña Colada Tag und alle Mitarbeiter tragen gelbe Shirts und Hawaii-Ketten, und überall stehen Ananas-Ballons als Dekoration. Das heiße Wasser für den Tee ist stark gechlort, so dass der English Breakfast Tee nicht schmeckt, aber sonst ist das Frühstücksbuffet wie in einem Amerikanischen Hotel erwartet. Beim Packen des Tandems richten wir die Deutschlandflagge richtig herum aus. Vielen Dank für den Tipp – wir mussten erst nachgucken, dass es da für jedes Land eine Regel gibt.

Wir verlassen das Hotel ziemlich genau 24 Stunden nach unserer Ankunft gestern. Recht schnell geht es raus aus der Stadt und auf die Panamericana, die hier sehr stark befahren ist. Hinter David kommt sofort Las Lomas, danach ist lange Zeit … nichts. Die letzte Tankstelle nach 18 Kilometern wollen wir nutzen, allerdings hat der angeschlossene Markt geschlossen. Gegenüber ist aber ein Gemischtwarenladen (Lebensmittel und Eisenwaren), bei dem wir tatsächlich den gesuchten Saitenschneider bekommen – ein recht großes, schweres Exemplar, aber das muss jetzt sein, bis wir etwas Kleineres haben!

Die Straße ist weiterhin zweispurig in beide Richtungen, heute aber mit einer Mauer dazwischen, so dass man nicht ohne eine Fußgängerbrücke oder einen großen Umweg über eine Wendemöglichkeit an die andere Straßenseite gelangt. Wir hoffen deshalb darauf, dass das bei Google angezeigte Restaurant (eine Marisqueria) irgendwo bei halber Strecke auf unserer Seite kommt. Wir haben Glück und finden die Pausenmöglichkeit, wenn auch die Bezeichnung „Restaurant“ etwas übertreibt. Es gibt Kaffee für 0,75$.

Horconcitos liegt 5 Kilometer von der Panamericana entfernt, und an dem Abzweig soll es einen Supermarkt geben. Dort wollen wir vorsichtshalber Reis und Sauce kaufen, falls das Restaurant in Horconcitos nicht wie bei Google angegeben geöffnet hat. Der Super Isabel (kombiniert mit der Ferreteria Isabella) liegt auf der nördlichen Straßenseite, wir sind auf der südlichen. Aber es gibt an dieser wichtigen Stelle eine Fußgängerbrücke. Viktor bleibt beim Rad, Jutta begibt sich auf den Weg zum Einkaufen. Kaum ist sie die ersten Stufen hochgestiegen beginnt es wie aus Kübeln zu schütten.

Die Brücke ist überdacht, und Viktor kann sich an der Bushaltestelle unterstellen. Haben wir sehr gut getaktet! Es ist zum Glück kein langer Guss, bald kann Jutta über den überschwemmten Naturparkplatz in den Markt gehen. Vorgestern haben wir gelernt, dass man sich in Panama als Kunde strafbar macht, wenn man keinen Kassenbon für erstandene Dinge hat. In diesem Supermarkt sitzt die Kassiererin mit einem Taschenrechner an der Kasse, Kartenzahlung ist nicht möglich, und es gibt auch keinen Kassenbon. Hoffentlich werden wir nicht kontrolliert :-).

7% der Rechnung oder 1$ als Strafe, je nachdem was höher ist, wenn man den Laden ohne Rechnung verlässt.

Die letzten fünf Kilometer gehen wie schon alles vorher immer rauf und runter, und dann sind wir am Ziel. Hier sind alle Straßen asphaltiert, ziemlich schmal, mit gelber Mittellinie und Richtungspfeilen alle paar Meter. Sie sehen fast wie Radwege aus, aber es fahren Autos und auch LKW drüber. Am Coco-House, unserem gemieteten Ferienhaus, sind wir schon um 12 Uhr. Einchecken geht ab 14 Uhr.

Wir gehen also gleich einmal durch den Ort und schauen nach dem potentiellen Restaurant. Es hängt zwar ein entsprechendes Schild am Zaun, und man sieht auch, dass dort ein Restaurant (gewesen) sein könnte, es ist aber nichts (mehr) da. Gut, dass wir Reis und Sauce dabeihaben! Piña Colada gibt es für ans am heutigen Piña Colada Tag jedenfalls nicht.

Viktor kontaktiert den Vermieter per WhatsApp. Er möchte erst die Bezahlung in bar in seinen Barbershop gebracht bekommen, dann dürfen wir früher rein. Die Miete ist weit mehr als die Nacht im Hampton Inn uns gekostet hat, und von außen macht das Haus einen guten Eindruck. Drinnen riecht es nach Benzin, die Betten sind nicht bezogen und teilweise sehr dreckig und es gibt keine Klimaanlage. Die Vermieter sind noch neu bei booking.com und bekommen von Viktor geschrieben, dass man für den Preis wirklich eine Klimaanlage erwartet – angeblich sollen auch welche nachgerüstet werden. Viktor möchte auf dem vorhandenen großen Fernseher das zweite Halbfinalspiel gucken, aber es gibt weder Sender noch sonst einen Online-Dienst, also muss das Handy als Bildschirm reichen. Immerhin ist das W-LAN wirklich schnell.

Wir öffnen alle Fenster und machen alle Lichter an, weil sich nur dann die Deckenventilatoren drehen, und schwitzen einfach weiter – keiner von uns hat das Bedürfnis, sich schon zu duschen und umzuziehen – es lohnt nicht!

Als Jutta abends den Reis kochen will, stellen wir fest, dass die Gasflasche leer ist, nachdem schon Wasser und Reis im Topf sind. Der Vermieter geht nicht ans Telefon! Was nun? Das Frühstück von sechs Uhr heute morgen ist lange her, wir haben zwar noch ein paar Nüsse, Müsliriegel und Bimbo-Brot, aber daraus kann man auch kein Essen zaubern. Wir gehen auf die Suche nach dem Kiosk, den wir heute Mittag gesehen haben, und essen dann dort. Als wir wieder im Haus sind, findet Viktor auch heraus, woher der „Benzingeruch“ kommt: in unserem Schlafzimmer ist eine Kommode, deren Schubladen voller Mottenkugeln sind, die man auch im Urinal verwenden kann, um Gerüche zu eliminieren. Damit steht fest, dass wir eins der zwei anderen benutzen, auch wenn das eine sehr dreckig ist, und in dem anderen Kakerlaken leben.

Und hier kommt die Auflösung der Quizfrage nach der Anzahl unserer bisherigen Platten: zwei mal Hinterrad (das erste Mal allerdings mehrfach…), drei mal Vorderrad, macht fünf Löcher in 15 Wochen und über 4000 km, und das bei den teils schlechten Straßen, das ist wohl okay.

Donnerstag 11.7.24 – (068) – Horconcitos – Las Lajas

Gesamt: 4.195,38 km

Die Nacht war besser als gedacht, wir schlafen aus und frühstücken Toast und Tee im Ferienhaus. Unser Geschirr stellen wir einfach in die Spüle, um den Vermietern zu vermitteln, dass man für den Preis auch eine gewisse Leistung erwarten kann. Den Reis von gestern verteilen wir unter einer Palme im Garten – es laufen viele Hühner herum, die den eventuell noch fressen können.

Um viertel vor neun starten wir, die ersten fünf Kilometer den Weg von gestern zurück zur Panamericana. Es ist sonnig und wenig Verkehr unterwegs, so dass es sich ganz angenehm fährt. Rechts und links ist heute wieder viel Natur, zwar keine unberührte, aber auch keine Monokulturen. Auch wenn es die ganze Zeit etwas auf und ab geht, eine richtig große Höhe müssen wir heute nicht überwinden – das kommt morgen.

Eine Tankstelle nach relativ kurzer Strecke will Jutta für einen Toilettenbesuch nutzen (jede Gelegenheit ausnutzen). Dort gibt es auch eine winzige Apotheke, die immer nur vormittags bis 12, am Wochenende nur eine Stunde geöffnet hat, aber, siehe da, dort gibt es die 30G – Insulinspritzen (nicht von „BD“, sondern von einem Chinesischen Hersteller) – hier scheinen die Diabetiker noch nicht alle auf die dünneren Nadeln umgestellt worden zu sein. Viktor kauft gleich fünf Stück!

Nach ungefähr halber Strecke gibt es ein „Supercentro“. Wir trinken einen schlechten Kaffee und lernen, das es in einer „Buhonería“ nicht etwa Eulen gibt (Búho – Eule) sondern Kleidung und anderen Kleinkram wir Knöpfe oder Modeschmuck. Ein paar Kilometer weiter ist dann doch noch ein Restaurant, und wir halten noch einmal. Das Restaurante Doña Gladys ist ein riesiger Raum mit weit entfernt voneinander stehenden Tischen und einer Kantinentheke. Wir vermuten, dass dort Reisebusse verköstigt werden. Wir forden die Bedienung heraus und bestellen zwei heiße Schokoladen, aber eine Kollegin kennt den richtigen Knopf auf der Nespresso-Maschine und wir bekommen sie.

Weiter geht`s! Um halb eins sind wir in Las Lajas, können aber erst ab 14 Uhr einchecken, also fahren wir in den Ort. Ein Schild weist auf ein Italienisches Eiscafé hin. Wir freuen uns zu früh – es öffnet erst um 14 Uhr, ist allerdings auch die Pizzeria am Ort, die gerade nicht Urlaub macht, und wir planen, abends dort zu essen. Wir setzen uns in den Schatten auf einem Platz vor der weiterführenden Schule, wo gerade Schulschluss zu sein scheint. Und für uns sieht es so aus, als würden sich alle Schüler und Schülerinnen hier auf dem Platz sammeln, statt nach Hause zu gehen. Ist es vielleicht nur eine Mittagspause? Dann sehen wir, dass ein Minibus kommt, in den ein paar der Jugendlichen einsteigen. Wahrscheinlich warten sie einfach auf viele verschiedene Busse, die sie wieder nach Hause bringen, denn in diesem kleinen Ort werden sie längst nicht alle wohnen.

Um viertel vor zwei klingeln wir bei unserem Bed&Breakfast und werden auch schon eingelassen. Hier haben wir einen kleinen Bungalow, mit Klimaanlage und Ventilator, warmem Wasser, Veranda mit Wasserkocher und Kühlschrank, also alles gut, nur das Frühstück gibt es erst ab acht, und morgen haben wir einen Hammertag vor uns und wollen früher los.

Weniger als eine Stunde nach Ankunft beginnt es zu gewittern, und das nicht zu knapp. Auf der Veranda bleibt man zwar trocken, wird aber schnell von Mücken angefallen.

Das Regenradar-Bild verheisst nichts Gutes, und die Pizzeria hat keinen Lieferdienst. Aber wir waren zumindest wieder mal rechtzeitig vor dem Regen am Ziel!

Der Saitenschneider von gestern ist übrigens eher eine gute Kneifzange vom gleichen Hersteller TRUPER, von dem wir in Nicaragua auch die neue Luftpumpe gekauft haben. Viktor hat im Laden mehrere Saitenschneider ausprobieren können (der Verkäufer half sogar beim Auspacken) und einen suaberen glatten Schnitt bekam nur diese Zange hin.

Am Nachmittag erhalten wir eine WhatsApp mit der Info, dass die Atacamawüste in Chile schon blüht. Viel zu früh! Das Phänomen gab es früher nur alle 5 bis 7 Jahre und immer im September/Oktober. Wir sind doch noch viel zu weit weg und hatten darauf gehofft, das „erfahren“ zu können!

Der Abend entwickelt sich dann doch noch ganz anders als gedacht. Da es immernoch stark regnet, teilen wir uns mit einem Pärchen aus dem Nachbar-Bungalow (Blanca und Carlos aus Spanien, er ist gebürtiger Kolumbianer) ein Taxi nach San Felix, um dort in einem spanischen Restaurant („Paco Meralgo“ betrieben von einem „Paco“ aus Extremadura in Spanien, der so schnell spricht, dass selbst die geürtige Spanierin ihn kaum versteht) essen zu gehen. Das Taxi, dass wir am Straßenrand herbeiwinken ist schon mit einem Fahrgast besetzt, aber natürlich kann er locker noch vier Personen mitnehmen. Carlos kommt mit dem anderen Fahrgast auf den Beifahrersitz (und die Mittelkonsole), wir anderen Drei nach hinten. 5 Dollar für die Hinfahrt.

Bei der Essenbestellung wieder mal so eine Situation, bei der einzelne Vokabeln ganz entscheidend sind. Der gebratene Thunfisch kommt in einer „Ajonjolí“-Kruste. Woher soll Viktor wissen, dass das Sesam ist, den er nicht so gut verträgt? In Spanien hieß das immer „Sésamo“. Selbst die Sesamstraße hieß damals „Plaza Sésamo“ und nicht „Plaza Ajonjolí“.

Wir verbringen einen netten Abend, teilen uns auf spanische Art ein paar Speisen und erfahren, dass die beiden als Freiwillige in Panama sind, um im Rahmen des Programms „Luz en Casa“ private Klein-PV-Anlagen in abgelegenen Gegenden zu installieren, die noch über viele Jahre nicht ans Stromnetz angeschlossen werden sollen. Ihr Arbeitgeber unterstützt das Programm und für jeden investierten Urlaubstag gibt er einen Arbeitstag dazu.

Wir nutzen die Zeit in San Felix noch für einen schnellen Einkauf im Supermarkt, von Paco nur „El Chino“ genannt, denn er wird von Asiaten betrieben, wie offenbar viele andere Mini-Supermärkte hier in Panama. So wie wir hier „Gringos“ sind, sind wohl alle Asiaten „Chinos“. Für unseren Hammertag morgen sind wir somit schon mal mit Getränken für die erste Tageshälfte versorgt und sparen uns einen Einkauf am frühen Morgen.

Und jetzt hätten wir noch ein neues Rätsel für Euch! So sehr beliebt scheinen unsere Quizze zwar nicht zu sein, aber egal. Seit wir in Panama sind, sehen wir immer wieder die folgenden Verkehrszeichen am Straßenrand. Was könnten die wohl bedeuten?

Freitag 12.7.24 – (069) – Las Lajas – Soná

1.295 m bergauf, 1.346 m bergab

Gesamt: 4.291,14 km

Da wir heute wohl an die 100 Kilometer fahren müssen und entsprechend früh losfahren wollen, verpassen wir das Frühstück des wirklich netten Bed and Breakfast, aber Chantal, die Deutsche Betreiberin, hat uns gestern Sandwiches (mit richtig gutem Sauerteigbrot) und Äpfel in unseren Kühlschrank gepackt. Wir kochen uns noch einen Tee dazu, frühstücken noch im Dunkeln auf der Veranda und fahren um sechs, noch vor Sonnenaufgang los.

Die ersten Stunden ist es angenehm kühl. Nach ca. 20 Kilometern kommt eine Grenzstation: die autonome Provinz Chiriqui ist zuende, hier wird kontrolliert, aber wir werden durchgewunken. Gleich danach verlassen wir die Panamericana und biegen rechts auf die „5“ ab, da nach unseren Berechnungen über diese Straße 300 Höhenmeter weniger als über die „1“ zu bezwingen sind. Schon beim Einbiegen fällt auf, dass es nur noch eine Spur je Richtung gibt, keinen Seitenstreifen und keine hässliche Mauer in der Mitte, so dass die Schneise durch die Natur schmaler ist, als eine einzige Fahrtrichtung der Panamericana. Der Autoverkehr ist deutlich reduziert. Auf dieser Straße werden wir bis Santiago bleiben können, und es fährt sich viel schöner: wir hören, sehen und riechen wieder viel mehr und haben zudem häufiger Schatten von den Bäumen.

An einer Stelle überfliegen uns ganz viele grüne Papageien, wir sehen kleine und größere Greifvögel, viele Schmetterlinge (einen ganz großen blauen bekommt Viktor sogar gefilmt) und ganz viele schöne Aussichten.

Blauer Schmetterling

Es geht ständig auf und ab, mal sind wir Wasserniveau – aber nicht am Meer, hier gibt es große Mangroven-Wälder – mal sind wir auf 200 Meter Höhe. Die vielen Höhenmeter des Tages kommen durch den ständigen Wechsel zustande. Es geht teilweise ziemlich steil auf und ab, wir werden beide an die Halbinsel Nicoya (Costa Rica) erinnert, und müssen auch dreimal schieben. Besiedelt ist das Gebiet hier ziemlich spärlich, wir müssen aber genug Pausen machen und Getränke auffüllen.

Es wird der erwartet harte Tag, denn die Temperaturen erreichen gegen Mittag unangenehme Höhen über 30 Grad Celsius und Viktors Wasser- und Isogetränke-Verbrauch geht entsprechend rasant in die Höhe. Wir haben mal nachgerechnet und sind über den Tag auf ca. 6,5 Liter gekommen (3 x 600 ml Gatorade, 3 l Wasser, 1 x 600 ml Cola, 1 x 600 ml Luni-Limonade, 1 Kaffee, 1 Tee). Die Getränke am Abend (noch mehr Wasser, 2 Dosen Ginger Ale) sind da noch gar nicht mit eingerechnet. „Ist das noch normal?“ fragen wir uns, besonders nachdem die Blutdruckmessung der Smartwatch seit einer Woche einen leicht erhöhten Blutduck (140/80 mmHg) anzeigt, während er vorher perfekt lag (120/70 mmHg).

Vor der letzten großen Steigung halten wir nochmal für ein Motivations-Eis an einem kleinen Kiosk „KEO San Antonio“ kurz vor Zapotillo. Viktor kommt mit dem Besitzer ins Gespräch und er erzählt von einer 28-tägigen Straßensperrung direkt vor seinem Kiosk im Oktober 2023 im Rahmen der Proteste gegen den Ausbau einer großen Gold- und Mangan-Mine in den Bergen oberhalb des Ortes. Das erklärt auch die „No a la Mina“ (Nein zur Mine) – Schilder, die wir am Straßenrand gesehen haben. Viktor verquatscht sich so sehr, dass er beim Aufsteigen auf das Tandem glatt vergisst, das Eis zu bezahlen (Jutta aber nicht). Der Besitzer besteht dann daruf, dass es nicht bezahlt wird und will einfach kein Geld annehmen. Immerhin nimmt er einen unserer Aufkleber an und sagt, dass ein Bruder Informatik-Lehrer sei und der ihm dann zeigen könne, wie er auf diese Blog-Seite kommt. Falls das geklappt hat: Danke nochmal für das geschenkte Eis!

Der letzte und größte Anstieg kommt erst zwischen KM 64 und KM 77, also doch recht spät, wenn die Kräfte so langsam nachlassen. Bei Viktor geht es wieder ans Limit und irgendwann ist der Akku leer und das Camelbak (der Wasser-Rucksack) auch. Zum Glück spuckt Google aus, dass in weniger als einem Kilometer eine „Abasteria“ (kleiner Laden) erreicht wird, wo wir wieder auftanken können. Eine kühle panamische Sprite-Alternative namens „Luni“ lässt Viktor an Imkerfeunde in Hohen Neuendorf denken: „Lüni rettet Viktor“.

Lüni rettet Viktor

Die Navigatorin hatte unser heutiges Ziel nur durch PIN-Setzen festlegen können (es gibt hier nicht so einfache Adressen mit Straßennamen und Hausnummer, daher muss manchmal der ungefähre Standort bei Booking.com herhalten). Als wir dort ankommen, werden wir von einer lustigen Gruppe Betrunkener zum Bier eingeladen, aber ein Hostal ist nicht in der Nähe. Wir fragen Google: 21 Minuten mit dem Auto! Nicht das noch – wir können nicht mehr! Viktor fragt die Vermieter per WhatsApp nach dem Standort. Gar nicht weit, wieder zurück zur Hauptstraße und dann auf die andere Seite. Viktor schreibt, dass wir in 20 Minuten da sein werden. Und dann stehen wir in der richtigen Straße und schauen uns um. Der Name (Hostal El Paraiso) steht nirgends dran. Wir sehen ein ziemlich herntergekommenes Haus mit „Zimmer zu vermieten“-Schild.

Neue WhatsApp. Keine Antwort. Wir fahren noch einmal zur Hauptstraße, wollen eigentlich einen Kaffee trinken, aber es gibt zwar jede Menge Mini Super, Ramschläden, Bars mit lauter Musik, aber kein Café. Jutta besorgt dann wenigstens noch ein paar Bohnen und Joghurt als Nachtisch, weil wir abends den Reis mit Sauce essen wollen. Inzwischen hat Viktor eine Antwort, dass wir um 16:30 Uhr reingelassen werden können. Wir sind fast pünktlich. Es begrüßt uns ein junger Weimaraner, die Vermieterin ist erstaunt, dass wir das erkennen, aber mit früheren Vizlas in der Familie ist das selbstverständlich. Und dann schließt sie nicht das Haus auf, sondern führt uns eine schmale Treppe daneben herunter, durch eine Tür in ein Wohnzimmer. Von diesem geht eine Tür in unser gemietetes Zimmer ab. In dem Raum ist abgetrennt durch zwei Schiebetüren eine Dusche und eine Toilette. Hatten wir so auch noch nie. Nur haben wir keinerlei Möglichkeit zu Kochen. Und um ins W-LAN zu kommen, müssen wir das von der Vermieterin geschickte Passwort mehrfach umstellen, bis es passt. Wir duschen also (eiskalt), essen den Joghurt, damit er nicht zu warm wird und gehen dann doch nochmal los – immerhin regnet es heute nicht. Jutta hat ein Restaurant gesehen, was einigermaßen okay aussieht. Es ist das Hotelrestaurant eines Hotels, das extrem schlechte Bewertungen auf Google hat. Dort sind wir die Einzigen, aber die Quesadillas sind ganz gut.

Als wir die Vermieterin noch einmal sehen und ihr sagen, dass ihre Unterkunft bei Google Maps mitten im Wald liegt, fragt sie tatsächlich uns, wie sie denn wohl die Koordinaten ändern kann. Sie ist schließlich im Zentrum von Soná… .

Samstag 13.7.24 – (070) – Soná – Santiago de Veraguas

Gesamt: 4.340,12 km

Wir schlafen nach dem anstrengenden gestrigen Tag heute aus und sind erst gegen 6 Uhr auf den Beinen. Gegen 8 Uhr brechen wir auf und kaufen in Sona nochmal frische Getränke für den Tag. Viktor kommt mit einem Autofahrer ins Gespräch, der ihn auf das Tandem anspricht und technische Fragen hat. Außerdem sieht er erstmalig ein Auto mit einem Nummernschildhalter des FC Barcelona, hier in Mittelamerika scheinen fast alle Fans von Real Madrid zu sein.

Der Tag ist in der ersten Hälfte erstaunlich anstrengend. Es geht wieder viel auf und ab, teilweise auch recht steil (bis 8% Steigung) und zumindest einem von uns steckt der gestrige Tag noch in den Knochen.

Zwischendrin ist eine Wiegestation für LKW am Straßenrand, beim Vorbeifahren winkt uns der dort Diensthabende zu, wir wenden und fahren hinein. Er denkt, wir wollen nach Wasser fragen, aber wir wollen eigentlich lieber mal unser Gesamtgewicht wissen, und er lässt uns auf die Waage fahren. Sie zeigt 0,520 Tonnen an, was nicht sein kann. Wahrscheinlich funktioniert die Waage nur mit höheren Gewichten und/oder Verteilung auf beiden Seiten … .

In Santiago angekommen ist es noch zu früh, zur Unterkunft zu fahren, also suchen wir nach einem Café oder Eiscafé und finden in der Nähe der Katedrale auch eines. Wir genehmigen uns auf Einladung von Michael P. zwei Frappé und machen dort ein romantisches „Amore Mio“-Selfie.

Vor der Katedrale spricht uns ein Paar an, es sind Ernesto und seine Lebensgefährtin. Er ist gebürtiger Kubaner, hat viele Jahre in Premia de Mar für eine deutsche Firma gearbeitet (ganz nah an Calella de la Costa, Viktors zweiter Heimat in Katalunien) und spricht Katalan („Amb molt de Gust“). Sie ist Russin. Die beiden haben sich in Spanien kennengerlernt und lange in St. Petersburg in Russland gelebt. Aus nachvollziehbaren Gründen haben sie verganges Jahr entschieden, sich einen neuen Lebensmittelpunkt zu suchen und haben sich gerade ein Grundstück in Panama gekauft. Wir tauschen Telefonnumern aus und Ernesto bietet uns jederzeitige Hilfe an, wenn wir unterwegs in Panama irgendwelche Probleme haben sollten.

Unsere Unterkunft ist heute ein Appartement in der Calle Jerusalen. Obwohl es noch nicht 14 Uhr ist und wir eigentlich erst ab 15 Uhr kommen sollen, probieren wir den geschickten Schlüsseltresor-Code und kommen schon rein. Das Appartment ist eine Wohltat nach gestern. Wir duschen, waschen unsere Sachen (was gestern gar nicht ging) und können sie zumindest bis abends auf dem Balkon aufhängen. Dann besuchen wir das schon mittags von Jutta inspizierte „Centro Interactivo del Canal de Panama“. Wir werden schon erwartet (nachdem Jutta mittags davon gesprochen hat, später zu kommen, als sie gleich dableiben sollte). Wir bekommen als einzige Besucher eine Führung. Es kostet keinen Eintritt (sie haben nicht einmal eine Kaffeekasse) und weder mittags noch nachmittags sind Besucher dort, aber mindestens drei Mitarbeiter und ein Security-Mann als Türsteher.

Jutta Interaktiv

Auf der Herdplatte im Appartment wird heute der Reis mit Tomatensauce und roten Bohnen gekocht – wollen wir nicht noch länger durch die Gegend fahren. Anschließend wird nur noch Blog geschrieben, die nächsten Tage geplant und Nächte gebucht und dem Samstagabendlärm der Stadt gelauscht.

Sonntag 14.7.24 – (071) – Santiago de Veraguas – Aguadulce

diese Schwelle alle drei Meter – eine Wonne

Gesamt: 4.398,57 km

Nach einer sehr lauten Nacht (lange noch laute Musik und Menschen, danach gleich Hähne und Autos…) frühstücken wir gemütlich im Appartment und sind gegen 6:45 Uhr abfahrbereit. Ein Nachbar spricht uns noch an: er kommt aus Fresno/Californien und ist als Rentner hierher gezogen – wir reden ein wenig, dann muss er los zur Kirche und wir können auch fahren (bevor es zu heiß wird).

Ab hier werden wir bis Panama Stadt wieder komplett auf der Panamericana fahren. Leider stellen wir gleich beim Verlassen von Santiago fest, dass die Qualität massiv nachgelassen hat: Betonplatten, und alle drei Meter eine nicht zu vernachlässigende Schwelle. Unser Glück ist, dass diese konsequent abwärts geht, da ist die Gefahr für einen Platten nicht so groß. Aber es rummst ganz schön und geht durch Mark und Bein! Die Gegenfahrbahn ist asphaltiert. An einer Tankstelle erkundigt Viktor sich und erfährt, dass es bis Panama Stadt so weiter geht, aber dass manchmal die eine, manchmal die andere Seite asphaltiert ist. Das sind ja wirklich tolle Aussichten! Die Standspur ist zwar asphaltiert, aber teilweise so verdreckt, dass wir nicht darauf ausweichen können. Im Laufe der heutigen Fahrt verschiebt sich die Abwägung zwischen dem Rummsen auf der Fahrbahn und dem Slalomfahren rund um den Dreck auf der Standspur (Tote Tiere, Betonreste, Bierflaschen, Glasscherben, zerfetzte Getränkedosen, Schrauben, Nägel, Überreste von Unfällen, z.B. Seitenspiegel, Karosserieteile u.s.w.) aber immer weiter in Richtung der Nutzung der asphaltierten Standspur, auch wenn das Risiko eines Plattens dort hoch ist.

Ziemlich bald nach Santiago kommt erst ein Abzweig links nach Guayaquil, kurz danach einer nach rechts nach Antalya – wir wähnen uns schon in anderen Ländern (Ecuador, Türkei). Beim abendlichen Nachschauen entpuppt sich Antalya allerdings als Atalaya … nur ähnlich. Dafür sind wir zum Abendessen bei den Inkas (Peru). Was denn nun? Wir können doch mit dem Rad nicht vier Länder an einem Tag besuchen!

Obwohl es rechts und links fast ununterbrochen besiedelt ist, finden wir Sonnatgs keine geöffnete Fonda zum Pausieren, alle Tankstellen sind auch nur zum Kraftstoff-Tanken und haben keinen Shop. Nach 35 Kilometern kommt ein Ort mit Tankstelle, Hotel, Minisuper und Restaurant, und Viktor bekommt Rühreier und wir beide einen Kaffee mit Milch. Ab hier ist unsere Seite der Panamericana asphaltiert, aber wir freuen uns zu früh: die dünne Schicht über den Betonplatten hat genau alle drei Meter einen Riss. Besser als vorher, aber gut ist anders. Wir denken an Mexiko, wo man wenigstens um die Schlaglöcher herumfahren konnte ;-). Das Auswärtige Amt schreibt über die Straßenqualität in Panama übrigens Folgendes: Das Straßennetz ist im regionalen Vergleich als gut einzustufen. Die von Panama-Stadt entlang der Pazifikküste bis an die costa-ricanische Grenze reichende „Panamericana“ befindet sich in meisten Teilen in gutem Zustand. Das sehen wir als Radfahrer nicht ganz so!

Aguadulce erreichen wir schon um kurz nach elf, und da es bis zum EM-Endspiel noch mehr als zwei Stunden hin ist, halten wir an einer Mall mit Eiscafé und verzehren das von Ursula und Joachim gesponsorte 4000-er Eis in Form von zwei Bananen-Splits (überall immer das einzige Angebot neben einfach Kugeln). Vielen Dank dafür, Ihr treuen Spender!

hat ein kleiner Junge für uns fotografiert

Das Hotel Interamericana ist schon älteren Semesters, aber wir dürfen schon früh in ein Zimmer im Erdgeschoss und das Tandem mit hineinnehmen (haben wir nicht erbeten). Es gibt einen Pool, der (wahrscheinlich, weil es wieder Sonntag ist) von einigen Familien besucht ist, aber Viktor springt noch rein, bevor er zum Fussballgucken in die Bar geht.

Nach einer langweiligen 1. Halbzeit, nimmt das Spiel in der zweiten dann Fahrt auf und Spanien gewinnt verdient 2:1 (Campeooooooooones! 🇪🇸 🇪🇸 🇪🇸 🇪🇸). England darf dann gerne die Heim-EM in 2028 gewinnen. „Football’s coming home“.

Zum Abendessen haben wir uns ein peruanisches Restaurant um die Ecke ausgesucht oder – denn es schüttet schon wieder, obwohl wir jetzt in einer trockeneren Region sein sollen – wir bleiben im Hotelrestaurant.

Ansonsten ist heute kein Touri-Programm in Aguadulce angesagt, sondern Blog-Update, Ausruhen und ein bisschen Rückengymnasik, denn der Ältere von uns spürt immer noch die Nachwirkungen der langen Etappe vom Freitag.

Der Regen hat aufgehört, wir gehen also zum Inka-Restaurant und fühlen uns dort ein bisschen wie in Peru, wo wir hoffentlich auch noch hinfahren werden.

Woche 14 (1.7.24 – 7.7.24) – Tambor (Fidelito Ranch) – Rio Claro

Montag 1.7.24 – Tambor (Fidelito Ranch) – Tarcoles

Gesamt: 3.724,91 km

Dieser Tag besteht aus zwei Touren, da wir zwischen Paquera und Puntarenas eineinhalb Stunden mit der Fähre übersetzen.

Heute soll es nach längerer „Urlaubspause“, erst drei Tage in Paquera, dann eine ganze Woche in Tambor, wieder weiter in Richtung Panama gehen. Unsere Knochen, Muskeln und Gelenke sollten also gut ausgeruht sein.

Viktor ist gefühlt schon ab 2 Uhr wach. Der Adrenalinspiegel ist hoch und die Nervosität fühlt sich fast so an, wie im April beim Start in San Francisco. Ab jetzt gibt es kein Familientreffen mehr, auf das man zufährt. Irgendwie ist das was Anderes. Der nächste halbwegs feste Termin ist Anfang August in Panama die geplante Überfahrt mit dem Boot nach Kolumbien.

Pünktlich um sechs hört der nächtliche Regen auf. Brigitte von der Fidelito Ranch macht noch ein paar Abschiedsfotos von uns, dann starten wir Richtung Fähranleger in Paquera. Den Weg kennen wir ja schon in der Gegenrichtung und erwarten die drei heftigeren Steigungen, in denen wir auch wieder – wie erwartet- schieben müssen. An der zweiten stauen sich aber plötzlich die Autos den ganzen Berg hinauf (und entgegen kommen uns, wie uns dann auffällt, auch nur Mopeds und Motorräder) – wir schieben mal rechts, mal links einfach vorbei und kommen an die Ursache dieser Straßensperrung: ein umgestürzter Baum (Ergebnis der heftigen Regenfälle) hat einen Strom- und Telefonmast umgerissen, der jetzt quer über der Straße liegt, inklusive vieler Kabel. Mit Mopeds kann man einigermaßen über den Mast fahren, der dort inzwischen schon etwas mitgenommen aussieht. Helfer haben davor und dahinter Äste gelegt, um eine Art Rampe herzustellen. Wir schieben das beladene Tandem ebenfalls darüber und haben auf den folgenden Kilometern höchstens mal ein Zweirad, das uns überholt – die Autos stehen noch länger dort. Puh, Glück gehabt – wir haben schließlich eine Fähre zu erwischen!

Am Fähranleger kommen wir um kurz vor acht an, halb neun war die Deadline, fahren an den schon wartenden PKW vorbei und bekommen ganz vorne unser online gebuchtes Ticket aus dem Stapel in der Hand eines Mitarbeiters auf Papier ausgedruckt überreicht. Digitalisierung schön und gut, aber dann doch nochmal alles auf Papier? Sogar doppelt, ein Exemplar für uns, eines zum Abgeben an einen Kontrolleur beim Einsteigen!

In den eineinhalb Stunden auf dem Schiff frühstücken wir zunächst. Wir sitzen draußen neben einer Costaricanischen Familie, deren einer Sohn (so 6 bis 7 Jahre alt) seiner Oma erzählt, dass die Deutschen sich mit allen streiten. Viktor outet uns als Deutsche, und dass wir eigentlich ganz friedlich sind. Der Junge kommt zu Viktor gelaufen und fragt, mit wem sich Deutschland denn schon alles gestritten hat. Er muss zugeben, dass das schon viele Länder waren und einige davon aufzählen (die Alliierten des 2. Weltkriegs müssen erstmal reichen). „Aber Spanien gehört nicht dazu und außerdem war das ja auch alles im vergangenen Jahrtausend und heute sind wir Deutsche ganz anders.“ Puh … gar nicht so einfach. Die Oma grinst und wir unterhalten uns noch kurz darüber, dass Costa Rica keine Armee zur Landesverteidigung besitzt.

Anschließend kommt der Kleine noch mehrfach, um sein Englisch zu präsentieren und weitere Fragen zu stellen. So geht die Zeit schnell herum und wir legen in Puntarenas an. Jutta geht mit den Fußgängern von Bord, Viktor muss ziemlich lange warten, bis er mit dem Tandem an Land gehen kann.

Die etliche Kilometer lange Landzunge, die wir zuerst fahren müssen, ist etwas ganz anderes als die Wege auf der Nicoya-Halbinsel, kaum Natur, heruntergekommen, nicht wirklich schön. Und als wir diese hinter uns gelassen haben, geht der Weg weiter auf der Nationalstraße 17, dann 23, beides große Straßen mit viel Verkehr. Wir hatten überlegt, bis Mata de Limon zu fahren, aber dort sind wir so schnell, dass wir doch die Weiterfahrt beschließen – wir machen nur eine Pause, essen unter anderem ein von Daniel B. ausgegebenes Eis (vielen Dank, lieber Daniel, dafür) und suchen und buchen eine Unterkunft kurz vor der „Krokodil-Brücke„. Auf dem Weg dorthin fahren wir Autobahn, nachdem uns der Wirt während unserer Pause gesagt hat, da könne man auch mit dem Rad fahren. Schön ist zwar anders, und wir sind soviel Verkehr schon gar nicht mehr gewohnt, aber wir kämpfen uns auf dem meistens vorhandenen Standstreifen die Hügel hoch, erst auf der 27, dann auf der 34.

Um ca. 15 Uhr kommen wir (nach knapp drei Kilometern auf unbefestigtem Weg) bei der Cerro Lodge an, ganz kurz bevor es zu regnen beginnt. Das erste angebotene Zimmer liegt sehr abgelegen und weit von einem Platz für das Tandem entfernt, das finden wir suboptimal, sagen dieses und bekommen ein anderes Zimmer. Hier können wir das Rad direkt vor unserem Fenster unterstellen – der weitere Regen kann kommen. Bei den Bewertungen dieses Hotels steht etwas von Außen-Badezimmern, aber bei uns ist alles im Haus, außer Tisch und Stühle, die stehen draußen. Wir sind hier mitten in der Natur, man merkt nichts von der Straße, es gibt Affen, Aras und andere Vögel, aber leider auch sehr viele Mücken und Purrujas (die schlimmen „Mini-Mücken“), offenbar auch bei uns im Zimmer, die ziemlich nerven.

An das Hotel angeschlossen ist ein Restaurant, dass berühmt ist für seine Pizza. Nach zweimal Pizza in den letzten drei Tagen haben wir darauf keine Lust und essen abends Nudeln (im Pizzabrot-Teller) bzw. Falafel-Salat. Bei weiterem Regen verbringen wir den weiteren Abend mit Schreiben und Lesen (und auch ein wenig Rechnen 🙂 )

Dienstag 2.7.24 – Tarcoles – Parrita

Gesamt: 3.794,00 km

Pünktlich um sechs Uhr morgens geht Jutta mit dem Zimmerschlüssel zur Rezeption, während Viktor das bepackte Tandem zur Straße vorschieben will. Kurz bevor der Schlüssel rübergereicht wird, gilt leider „Kommando zurück!“: der Vorderreifen ist platt! Wir vermuten, dass wir uns auf der schlechten Wegstrecke gestern Abend wieder einen „Snakebite“ eingehandelt haben, also einen kleinen Riss im Schlauch, der durch einen heftigen Schlag der Felge innen am Schlauch entsteht. Tatsächlich haben wir uns aber einen kleinen Draht außen eingefahren, vermutlich auf dem vermüllten Standstreifen der Autobahn gestern.

Dieses Teil (rechts) steckte im Mantel. Der kleine Stein links tauchte beim Schlauchwechsel plötzlich innen im Mantel auf, war aber vermutlich nicht die Ursache.

Hieraus leiten wir eine neue Quizrunde ab: der wievielte Platten seit San Francisco ist das? Wir nehmen Antworten in den Kommentaren entgegen! Zu gewinnen gibt es einen kostenlosen Schlauchwechsel an Eurem Fahrrad.

Jedenfalls beschließen wir, den letzten geflickten 20″-Schlauch zu nehmen, um nicht früh um sechs schon flicken zu müssen. Gesagt – getan! Beim Einbauen des Vorderrades denken wir aber schon, dass die Luft nicht hält. Der Test mit unserem Luftdruckprüfer bestätigt es. Wir bauen das Vorderrad also nochmal aus und tauschen den geflickten gegen unseren letzten neuen Schlauch. Diesmal klappt es. Den alten geflickten Schlauch schmeißen wir weg und beschließen, bei Gelegenheit neues Flickzeug zu kaufen, denn unser ziemlich altes hat anscheinend so seine Mängel (oder wir stellen uns beim Flicken einfach zu doof an).

In dieser Position lässt sich das Vorderrad super aus- und einbauen

Weil es dann eh schon später ist, trinken wir vor der Abfahrt noch einen Cappucino im Hotel, wobei wir unsere ersten freilebenden Aras bestaunen können, die auf der Restaurant-Terrasse mit Futterstellen angelockt werden. Das hätten wir ohne den Plattfuß verpasst! So ergibt alles wieder einmal irgendwie Sinn.

Ara an Futterstelle

Um halb acht starten wir schließlich, es geht glücklicherweise nicht die gleichen fast drei Kilometer von gestern zurück, sondern einen ebenso schlechten Weg in die andere, für uns richtige Richtung. Auf die Nationalstraße 34 stoßen wir ganz kurz vor der „Krokodil-Brücke“, über die wir schieben, um die angekündigten vielen Krokodile zu beobachten. Heute früh liegen zwei auf der Insel und eines am Ufer zur Insel im Wasser. Nicht viele, aber immerhin Krokodile in freier Wildbahn! Und wir sehen hier auch nochmal vier Aras über eine längere Strecke fliegen, bevor sie sich in einen Baum setzen!

Dann fahren wir weiter auf der 34, haben aber noch keine Unterkunft gebucht und wollen schauen, wie weit wir heute kommen. Als Frühstücksort peilen wir Jaco an, ein kleiner Ort nach knapp 30 Kilometern. Tja, wie wir nach 16 Kilometern merken, ist das ein Fehler. Wir haben uns das heutige Höhenprofil vorher nicht angeschaut! Schon etwas länger sind wir heftig bergauf gefahren und müssen kurz pausieren, um durchzuatmen, da schaut Jutta sich das Höhenprofil auf dem Garmin an und sieht, dass wir gerade mal das erste Drittel der einzigen heftigen Steigung des Tages geschafft haben. Angeblich stecken wir irgendwo in einem 16%-Abschnitt:

Oha, dafür fehlt uns beiden vor dem Frühstück dann doch die Energie. Wir essen also an der Straße pappiges Toastbrot (in unserer Tüte mit den Essenssachen klebt alles, denn der Honig ist ausgelaufen … lecker), um uns ein bisschen zu stärken, und beginnen zu schieben. Oben angekommen, können wir einem Betonmischer-Fahrer mit unserem Werkzeug helfen (also eigentlich Julius‘ Werkzeug, das er uns geliehen hat) und kurz die Aussicht genießen, dann geht es bergab und ohne weitere größere Steigungen weiter. Viktor hatte diesen kleinen Berg bei der groben Vorplanung zwar schon einmal bemerkt, aber nicht damit gerechnet, dass wir den heute schon „serviert“ bekommen. Manchmal ist es ein Nachteil, wenn man mehr Kilomter schafft als man erwartet hatte.

Irgendwann steht an der Straße ein Werbeschild von Starbucks in Herradura, noch vor Jaco, und wir entscheiden uns heute spontan für ein „Amerikanisches“ Frühstückscafé. Inzwischen ist es auch schon 10 Uhr, und wir sind seit fünf Stunden auf den Beinen. Beim Supermarkt im gleichen Einkaufszentrum kaufen wir dann auch noch frische Getränke. Nebenan ist eine internationale Buchhandlung, die richtig aussieht wie eine Buchhandlung bei uns – ganz anders als die Mini-Buchläden, die wir in den letzten Wochen überall gesehen haben. Gibt es also auch hier! Vor dem Supermarkt steht ein Sammelbehälter für Plastik. Dummerweise ist die Öffnung zum Einwerfen recht hoch – kleinere Menschen (nicht nur Kinder) müssten gezielt werfen, und ob die das machen? Aber genutzt wird er ja augenscheinlich!

Die 34 läuft heute größtenteils parallel zur Küste, zum Teil umgeben von natürlichem Bewuchs, zum Teil dann aber auch wieder von Rinderherden, Ölpalmen-Plantagen, auch etwas Industrie ist dabei – ganz anders als die Straßen auf der Halbinsel Nicoya, und auch mit deutlich mehr Verkehr. Wir haben ab und zu schöne Panoramablicke auf das Meer, viel Grün rechts und links der Strecke und können auch vom Rad aus nochmal Aras im Flug beobachten. Das ist einer der großen Vorteile des Radreisens: Man ist ganz nah dran an der Umgebung, man kann sie riechen, fühlen, hören … mit allen Sinnen „erfahren“. Aus der Blechkiste eines Autos würden wir die Aras irgendwo über uns nicht krächzen hören, würden nicht nach ihnen Ausschau halten und würden den grandiosen Anblick eines Formationsfluges mehrerer bunt leuchtender Aras über grüner Landschaft vermutlich verpassen.

Typischer Ausblick heute … gegen Nachmittag bereits mit aufziehender Regenzeit-Bewölkung

In einem Fahrradladen am Straßenrand erstehen wir tatsächlich schon heute ein paar frische Flicken und Vulkanisiermittel, passende 20″-Schläuche mit französischem Ventil gibt es aber nicht.

Mehrmals sieht es aus, als würde es bald zu regen beginnen, ohne dass es aber passiert. Aber um halb drei, gerade als wir in Parrita vor einem Hotel stehen, fallen die ersten Tropfen. Das Hotel Wilson liegt direkt an der 34, Parrita ist nicht schön und das Hotel auch nicht, aber wir haben knapp 70 Kilometer auf dem Tacho und es beginnt gerade zu regnen. Also checken wir ein, wieder gerade rechtzeitig, bevor es richtig schüttet – und für das Abendessen können wir einfach im Hotelrestaurant bleiben und müssen nicht mehr raus in die Nässe ;-). Und wir haben kein Wellblechdach, der Regen prasselt also nicht ganz so laut wie meistens hier!

Beim Einchecken wird mal wieder der Personalausweis gefordert und der Name vom Ausweis abgeschrieben. Viktor trägt heute den Nachnamen „Rheinhausen“.

Zum Abendessen gibt es Reisgerichte mit der ortsüblichen Beilage: Pommes! Daran haben wir uns so langsam gewöhnt. Kartoffeln sind in Lateinamerika eher ein Gemüse oder eine Beilage zu einem Hauptgericht. Reis mit Fleisch, Fisch oder anderen Meeresfrüchten (oder auch vegetarisch) ist ein Hauptgericht, zu dem Kartoffeln als Beilage völlig normal sind (so gut wie immer als Pommes Frites).

Reis mit Pommes

Mittwoch 3.7.24 – Parrita – Uvita

Gesamt: 3.878,62 km

Morgens vor unserer geplanten Abfahrt um 6 Uhr ist der Hotelparkplatz vollständig zugeparkt. Wir haben keine Chance mit unserem fertig gepackten Tandem irgendwie herauszukommen. Mit einem Regenschirm messen wir aus, ob wir durch die Hintertür ins Restaurant und dann vorne herauskommen könnten. Um kurz nach sechs kommt die Mitarbeiterin, die den Schlüssel hat und es geht am Ende mit teilweise abgenommenen Radtaschen durch das Hotelgebäude über die Rollstuhlrampe nach vorne heraus.

Jutta nutzt die Wartezeit und geht zum Mini-Super um die Ecke, der 24 Stunden geöffnet hat, um Getränke zu besorgen … alle Rolläden sind verschlossen … Pura Vida!

Die ersten 20 km geht es nur durch Ölpalmen-Plantagen-Monokultur auf schnurgerader Nationalstraße 34. Immer wieder stehen Werbeschilder an der Straße, die die großen Vorteile der Palmöl-Plantagen hervorheben. Ab einer bestimmten Größe brauchen sie z.B. viel weniger Wasser pro Kilogramm Palmöl-Ernte. Eine gute Marketing-Abteilung haben die bei „Palma Tica“ ganz offensichtlich.

Nach den 20 Kilometern lockert sich das Bild zwar etwas, aber bis nach über 40 Kilometern unserer Tagestour geht es mehr oder weniger weiter damit.

Als die Palmöl-Plantagen endlich enden, gibt es rechts und links wieder tropischen Mischwald. Auf der Straße sehen wir wieder Tausendfüßler und – gefühlt – sehen wir auch wieder mehr Schmetterlinge und Vögel, nicht nur Geier.

Eine Art Falke stößt direkt neben uns herab, lässt sich aber von uns ablenken und erwischt seine Beute nicht. Wir hören links wieder Aras krächzen und sehen sie dann auch zu zweit über den Baumwipfeln entlangfliegen. Das Panorama ist wunderschön. Wolken und Nebelschwaden über grünem Wald in allen Schattierungen. Teile des Waldes liegen im Sonnenschein, andere im Schatten der Wolken. Fast unwirklich schön.

Die heutige Strecke läuft wieder parallel zum Meer und immer wieder haben wir kurze Blicke auf schöne Buchten, Strände und Brandung.

Irgendwann hält ein Auto vor uns an und einer der Insassen macht ein Zeichen, ob wir für sie anhalten können. Sie fragen, ob sie ein Foto von uns machen dürfen und geben uns Tipps zu unberührten Stränden auf den folgenden 20 Kilometern. Sie erfragen unser Ziel, sind ganz begeistert und wünschen uns, dass Gott uns immer begleite.

Knapp 20 km vor dem Ende der heutigen Etappe trinken wir Eiskaffees im Café Delicias in Playa Dominical. Ein junger Mann (Gast oder Betreiber?) fragt uns nach unserer Reiseroute und erzählt von seiner Motorrad-Tour 2021 (während der COVID-Pandemie), als er in Panama City sechs Tage lang nach einer Überfahrt-Möglichkeit Richtung Columbien gesucht hat. Er war 2001/2002 ein Schuljahr zum Schüleraustausch in Neubrandenburg und Neustrelitz und spricht erstaulich gutes Deutsch. Er fand Deutschland toll, „eine neue Kultur“ und hat „viel gelernt“. Er erzählt, dass er seiner Mutter sehr dankbar dafür ist, dass sie ihm diese Erfahrung ermöglicht hat.

Beim Weiterfahren in Dominical sehen wir eine Gruppe junger Touristen an der Bushaltestelle stehen und erkennen sie wieder. Wir hatten uns heute morgen schon an einer Bushaltestelle gesehen – sie hatten uns angesprochen und angespornt. Sie erkennen uns natürlich auch wieder! Ihr Ziel ist heute Uvita, und auch wir haben uns diesen Ort als Ziel gesetzt. Eventuell begegnen wir uns dort auch noch einmal, denn wir planen, zwei Nächte zu bleiben. Wenn Ihr auf den Link geklickt habt, versteht Ihr eventuell, warum: Die Küste ist hier geformt wie die Schwanzflosse eines Wals, hier gibt es einen entsprechenden Nationalpark, und wir möchten uns diesen morgen anschauen.

Wegen der zwei Nächte haben wir uns heute vorab für ein Hotel entschieden, das wirklich gute Bewertungen hat. Als wir um kurz nach 13 Uhr dort ankommen (der erste „Versuch“ mit Komoot endet wieder einmal im Nichts), werden wir aufgrund der Lage und der Straßenfront etwas skeptisch, aber wir dürfen schon ins Zimmer, obwohl es noch vor dem offiziellen Checkin um 15 Uhr ist. Es gibt einen Pool und das Frühstück ist inbegriffen. Das Zimmer entpuppt sich als ein Appartment mit Küchenzeile, Sofa, Schreibtisch und Balkon, also purer Luxus.

Viktor geht gleich zum Pool, Jutta flickt erst noch das Loch im Schlauch von gestern morgen, und als sie dann ebenfalls aufbricht, beginnt es gerade wieder zu regnen. Heute schon um 14 Uhr, aber wir sind den dritten Tag in Folge kurz VOR dem Regen angekommen, trotz 84 Kilometern. Gewusst, wie, könnte man fast denken, es ist aber auch ordentlich Glück dabei.

Den weiteren Nachmittag schreiben wir am Blog, suchen uns eine Tour für morgen heraus, ruhen uns aus, trinken Tee und warten auf abends bzw. die Abendessenszeit kurz vor Sonnenuntergang, also schon zwischen 17 und 18 Uhr.

So, Viktor hier in diesem letzten Abschnitt des Tages. Ich muss heute mal ein bisschen weiter ausholen und mir was von der Seele schreiben. Ich bin ja Diplom-Ingenieur Biomedizinische Technik. Dafür musste ich an der TU Berlin unter anderem die Vorlesung „Feinwerktechnik“ beim legendären Professor Kiesewetter hören. Der hat regelmäßig Studenten aus der vordersten Sitzreihe nach ganz hinten in die letzte Reihe des Hörsaales versetzt, weil sie eine Swatch-Uhr trugen. Ihm war das Ticken dieser „Fehlkonstruktionen“ zu laut. Er konnte seine Vorlesung nicht halten, wenn jemand mit einer dieser Uhren in der ersten Reihe saß.

Einer seiner Lieblingssätze war: „Das muss man als Ingenieur einfach hören, dass sich da etwas weh tut!“. Ich fand Kiesewetter damals toll und habe seinen Satz verinnerlicht. Und nun zum eigentlichen Thema: Der Freilauf an unserem HASE Pino-Tandem! Seit Tagen wird das Knacken im Freilauf bei jeder Umdrehung wieder häufiger und lauter. Besonders unter größerer Last in Steigungen und eher in der zweiten Tageshälfte. Ich vermute, dass sich einzelne Staubkörner im Lager erst wieder in Bewegung setzen, wenn das Fett etwas warmgefahren ist. Und wenn es knackt, dann – ja was? – richtig! – „dann tut sich da etwas weh!“. So ist das nun mal, so habe ich das bei Kiesewetter gelernt, und es NERVT mich.

Dan von Pankerad in Berlin-Pankow schwört Stein und Bein, dass das Lager noch tausende Kilometer halten wird. Vermutlich wird HASE-Bikes das auch schwören. Aber ganz ehrlich, selbst wenn es hundertausende Kilometer hält, es NERVT.

Heute haben wir wunderschöne Teilabschnitte mit wenig Verkehr. Es ist absolut ruhig um uns herum. Wir hören Vogelgezwitscher, das Zirpen von Grillen, das Krächzen von Aras über uns. Unser Tandem läuft absolut ruhig. Die Ketten sind gut gefettet, die Führungsrohre sind optimal eingestellt, es schleift nichts, es rattert nichts, nur ein leichtes, leises Geräusch der laufenden Ketten ist zu hören. Selbst die Rohloff-Schaltung läuft im 10. oder 11. Gang wunderbar leise vor sich hin. Nicht mal meine Fahrradschuhe quietschen, denn es ist trocken und sie machen erst ekelige Geräusche wenn sie richtig nass geworden sind.

Und dann kommt von links unten bei jeder Pedalumdrehung plötzlich minutenlang ein „Knack“ …. „Knack“ …. „Knack“. 60 bis 80 mal pro Minute! Das macht einen doch wahnsinnig! Oder? Ich will hier nur zustimmende Kommentare sehen … verdammt noch mal!!!11!! 😉

Das Knacken unterwegs

Also habe ich heute direkt nach der Ankunft erstmal wieder ordentlich Lithiumfett durch eine Insulinspritze in den Freilauf gedrückt. Diesmal im warmgefahrenen Zustand, in der vagen Hoffnung, dass ich damit den Staub vielleicht besser herausgespült bekomme. Ich wische das herausquellende Fett auch nicht mehr ab, weil ich das Gefühl habe, beim Abwischen wieder Staubkörner in den kleinen Spalt des Freilaufes zu wischen.

Ausgebauter Freilauf mit Schweißpunkt

Meinungen, Theorien zur Ursache des Knackens und Lösungsvorschläge sind in den Kommentaren herzlich willkommen.

Donnerstag 4.7.24 – Uvita

Für 8:30 Uhr haben wir eine Bootstour mit „Ballena Aventuras“ gebucht, die durch den hiesigen Nationalpark fährt und diesen inklusive der Meerestiere erklären soll. Für uns bedeutet das, zunächst einmal auszuschlafen und das angebotene Hotelfrühstück mitzunehmen.

Treffpunkt ist am Büro des Touranbieters. Auf dem Weg bemerken wir unseren ersten Rambutan-Baum. Die Früchte haben wir nun schon öfter gesehen, aber den Baum kannten wir noch nicht.

Vor dem Büro läuft ein relativ großes Reptil auf der Wiese herum, das uns von einer Fußgängerin als „Big Lizard“ angekündigt wird.

Big Lizard

Im Büro des Touranbieters treffen wir auf drei weitere Deutsche und einen Costa Ricaner (zwei der Deutschen haben uns gestern mit einem Auto überholt und uns wiedererkannt). Wir bekommen eine Einweisung und gehen gemeinsam zum Strand, wo noch neun Personen dazukommen, vier davon ebenfalls Deutsche. Das Boot wird gleichzeitig zum Strand gefahren und mit einem Traktor über den Sand zum Wasser gebracht. Es gibt keinen Anleger, und alle Boote müssen hin- und hergefahren werden. Das Wetter ist gut, und gestern Nachmittag wurde ein Buckelwal gesichtet, deshalb hoffen alle, dass wir heute einige schöne Tiere sehen werden. Wir fahren zunächst die Küste ab, bekommen die fünf Strände des Nationalparks erklärt und schöne Felsen gezeigt. Dann geht es auf das offene Meer, und der Kapitän und die Tourleiterin (mit einem Shirt mit dem Logo „Turismo Sostenible“ = „Nachhaltiger Tourismus“ bekleidet) geben sich alle Mühe, aber wir sehen nur zwei unterschiedliche Schildkröten, eine grüne Meeresschildkröte und eine Karett-Schildkröte), braune Pelikane, Fregatten (die Piraten der Meeresvögel, denn sie fischen nicht selbst, sondern beklauen andere Vögel, können dafür aber zwei Monate durchgängig fliegen ohne zu landen und im Flug sogar schlafen). Die Tourleiterin gibt sich alle Mühe, uns wenigstens viele interessante Infos zu vermitteln. Sie erzählt uns zum Beispiel, dass fast alle Pelikane im Alter erblinden, weil die Augen bei jedem schlagartigen Eintauchen ins Meer leiden, sie am Ende die Fische nicht mehr von Felsen unterscheiden können und sich dann den Kopf an Felsen im Wasser zerschlagen. Nun gut, nicht nur künstliche Intelligenzen phantasieren sich manchmal spannende Geschichten zusammen.

Der Wellengang ist recht groß, Jutta geht es nicht so gut, und einer anderen Passagierin wird es richtig schlecht. Über drei Stunden fahren wir im Affenzahn von einer Stelle zur nächsten – ohne Erfolg! Der Bootsmotor im Dauerlauf führt uns wieder einmal vor Augen, wie sehr wir es lieben, ohne Motorengeräusch unterm Hintern unterwegs zu sein. Und an der Stelle, wo bei guter Sicht geschnorchelt werden kann, ist das Wasser nach dem vielen Regen zu trüb, und auf das Angebot, einfach nur zu schwimmen, hat niemand an Bord mehr Lust. Die Frage der Tourleiterin hörte sich aber auch eher so an: „Ihr wollt doch nicht etwa in der trüben Soße schwimmen?“. Wir haben verschiedene Wale und Delfine im Pazifik schon häufiger gesehen, aber die Anderen sind sicher enttäuschter als wir. Die Natur spielt heute einfach nicht mit.

Nach dem Aussteigen überlegen wir, noch die Walflosse (also die Sandbankformation in Walflossenform vor der Küste) zu „erwandern“, was aufgrund der Tide aber erst ab 16 Uhr wieder möglich ist. Der Mensch am Eingang zum Nationalpark will uns nachmittags noch einmal kostenfrei hereinlassen, also planen wir das grob ein.

Die „Walflosse“ Punta Uvita

Erst einmal gehen wir aber in der Hauptstraße einen Kaffee trinken. Der Ober erzählt über die Costa Ricanische Kaffeekultur, und dass in Nicaragua zwar viel Kaffee angebaut wird, die Nicaraguaner aber keine echte Kaffeekultur hätten. Costa Rica würde wegen des Preisverfalls nicht mehr so viel Kaffee anbauen wie früher, aber dafür hätten sie eine echte Kaffeekultur. Wir können bestätigen, dass es in Costa Rica offenbar deutlich mehr Espressomaschinen gibt als bei den Nachbarn in Nicaragua … also jedenfalls rechts und links unserer Streckenführung.

Um zwei sind wir wieder im Hotel und überlegen, wie wir es schaffen, den Wasserfall von Uvita zu besuchen und trotzdem um vier am Nationalparkeingang zu sein, um die Sandbank zu erwandern. Mit einer kurzen Toastbrot-Essenspause ist das gar nicht mehr vereinbar. Also wollen wir uns auf den Wasserfall beschränken. Auf dem Weg dorthin kommt uns dann aber leider der Regen dazwischen. Erst denken wir noch, es geht, aber dann sind wir schnell so nass, dass wir uns erst in ein Café setzen, noch etwas trinken und den Regen abwarten wollen. Da dieser heute aber wieder gar nicht aufhören will, sondern sich im Gegenteil immer weiter verstärkt, blasen wir den Wasserfall ab und suchen uns gleich etwas Nahegelegenes für ein frühes Abendessen aus. Wir sind ja flexibel!

Also gibt es recht gute Burger im „Santa Burguesa“. Im Eingang hängt ein Fahrrad, also genau der richtige Laden für uns. Uvita ist so touristisch, dass es sogar eine vergane und eine vegetarische Burger-Variante gibt. Als der Regen noch nicht aufhören will, wirft Viktor noch zwei Runden Dart bevor es dann durch mittelschweren Nieselregen zurück zum Hotel geht.

Freitag 5.7.24 – Uvita – Sierpe

Gesamt: 3.938,31 km

Wir trinken im Zimmer schon einen Tee, packen das feuchte Rad komplett wieder voll und werden von einem Herrn aus dem Tor herausgelassen, der schon in Buenos Aires gelebt hat und der auch schon eine Zeit mit jemandem aus Düsseldorf gearbeitet hat.

Da Viktor um 10 Uhr gerne das EM-Viertelfinale Spanien – Deutchland gucken möchte, planen wir, nach ca. 21 Kilometern zu frühstücken, da nach 42 Kilometern ein Ort mit mehreren Cafés und Restaurants kommt, wo wahrscheinlich die Möglichkeit besteht, dass das Spiel gezeigt wird.

Der erste Teil der heutigen Etappe liegt landseitig parallel zu der Strecke, die wir gestern mit dem Boot gefahren sind. Rechts von uns kommen nacheinander die verschiedenen Strände des Nationalparks. Dazwischen geht es eigentlich immer einmal hoch und wieder runter.

immer auf und ab, im Wechsel langsam und schnell, gut zu erkennen

Nach 21 Kilometern liegt tatsächlich gerade ein „Soda“ an der Straße, und wir pausieren dort. Da uns erlaubt wird, auch unser eigenes Brot zu frühstücken, bestellen wir einmal Pinto mit Rührei und ergänzen dieses mit dem aus Deutschland mitgebrachten Dinkelbrot und einem nicht mehr wirklich frischen Käse. Irgendwie ist das alles recht trocken. Und als Jutta dann das Brot wieder in die Essenstasche packt und sie darin auch das Fake-Nutella sieht, kommt ihr eine lang vergessene Erinnerung in den Sinn: Irgendwann in der Kindheit waren wir bei Peines in der Bülowstraße in Wilhelmshaven, und wir Kinder wollten wohl Nutella essen (Alexander, Nicola, wahrscheinlich Kathrin und ich, Jutta ?). Christa Peine als Mutter hat anscheinend gesagt, dass wir Nutella nur mit Schwarzbrot essen dürfen, wahrscheinlich, weil Weißbrot mit Nutella noch ungesunder ist, vermute ich. Diese Erinnerung war bis heute weit über 40 Jahre archiviert, hier ist der Kopf so frei von anderen Dingen, dass sie hervorkommt. Erinnern sich die anderen Beteiligten auch noch daran – ich weiss, das mehrere von Euch hier mitlesen?

Weiter geht es auf der 34, wir blicken auf Hügel, die mit Wolken wie Wattebausche betupft sind, aber auch wieder auf kilomterlange Ölpalmen-Plantagen rechts und links. Immerhin sehen wir heute als „Highlight“ in einer der Ölplantagen einen radelnden Arbeiter mit einem langen Werkzeug auf der Schulter (vermutlich das Erntewerkzeug), genau so, wie er auf den Warnschildern am Straßenrand dargestellt wird (siehe Tagesfoto oben). Leider ist er so schnell verschwunden, dass wir kein Foto machen können.

Erntewerkzeug, dass der Radler über der Schulter trug

Schon um halb zehn sind wir in Palmar Norte und finden ein ganz kleines Café, deren Betreiberin nichts dagegen hat, ab 10 Uhr das Fussballspiel zu zeigen. Wir bleiben! Und da es zu regnen beginnt, sitzt auch Jutta die ganze Zeit mit in dem Café, guckt nach den Einreisebestimmungen für Panama, plant den ganzen Weg dorthin, übersetzt mit Hilfe von LEO alle Schilder in dem Café, guckt die vorbeilaufenden und -fahrenden Menschen an und wartet auf die Deutsche Niederlage. Gegen Ende der regulären Spielzeit hört der Regen auf, allerdings setzt er wieder ein, kurz nachdem auch die Verlängerung vorbei ist und Deutschland 1:2 verloren hat. Auf den letzten Kilometern bis nach Sierpe werden wir deshalb so nass geregnet, wie wohl noch nie vorher, aber es lohnt sich nicht, dass wir uns unterstellen, außerdem entdecken wir an der Strecke auch keine Unterstellmöglichkeiten. Viktor bekommt den Starkregen sogar hinter der Brille in die Augen, so heftig, dass er sich fühlt sich wie ein ins Wasser eintauchender Pelikan (und meint, jetzt würde er ebenfalls erblinden – das haben wir nämlich gestern gelernt).

Triefend nass kommen wir im Hotel Margarita in Sierpe an. Glücklicherweise bleiben wir wieder zwei Nächte, um morgen eine Tour in den Corcovado-Nationalpark zu machen, so dass die Radfahrsachen vielleicht rechtzeitig trocknen – wir haben unsere Wäscheleine draußen unter dem Vordach aufgehängt.

Während des Abendessens im nahegelegenen Restaurant können wir immer wieder auf- und abtauchende Krokodile beobachten, die sich am Anleger tummeln, von dem morgen unserer Tour startet. „Also besser nicht ins Wasser fallen“, kommentiert Viktor. Tatsächlich sind die Tiere aber so gut genährt, dass sie Rinder nicht attackieren, auch wenn diese in Booten transportiert werden und ihre Beine ins Wasser hängen. Vor sieben Monaten sei hier ein junger Mann ertrunken und einen Tag später tot aufgefunden worden. Seine Leiche sei nicht angefressen gewesen. Das erzählt uns das Personal des Restaurants.

Krokodil-Beobachtung beim Abendessen in Sierpe … mit „schöner“ mexikanischer Musik

Wir machen noch einen kleinen Umweg zum Startpunkt der morgigen Tour und finden heraus, dass wir dort bei „Donde Jorge“ schon ab 6 Uhr frühstücken könnten. Warum hier in Costa Rica so viele Restaurant-Namen mit „Donde“ (siehe Liberia) beginnen ist uns nach wie vor unklar. Die Google-KI phantasiert sich dazu Folgendes zusammen.

Wir wundern uns auf dem Rückweg ins Hotel darüber, dass es im Spanischen „Cocodrilo“ heißt, im Englischen aber „Crocodile“ und im Deutschen „Krokodil“. Wieso ist im Spanischen das „R“ nach hinten gerutscht? Viktor erinnert sich dabei an die Alt-Griechisch-Demonstrationen von Thom Klauke (Ippopotamos, Krokódeilos) … auch hier ist das „R“ vorne. Siehe auch hierzu die überzeugend klingende Antwort der Google-KI.

Noch eben der neueste Stand zum Freilauf: Heute hat es kein einziges Mal „Knack“ gemacht. 🙂 Wir scheinen also den Staub erfolgreich herausgedrückt zu haben. Da heute ein recht „unstaubiger“ – nämlich sehr regennasser – Tag war, ist offenbar auch kein neuer Staub eingedrungen. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich doch nicht um alten Staub handelt, der sich im Freilauf verlagert und das Knacken verursacht, sondern um immer wieder frischen Staub, der von außen an besonders staubigen oder sandigen Tagen neu eindringt. Wir haben von Euch Tipps erhalten, dass wir den Freilauf mal richtig ausspülen müssten (in einem Forum wird dazu WD-40 empfohlen, in einer WhatsApp rät man uns zu Bremsenreiniger). Danke für Eure Antworten! Wir behalten das erstmal im Auge, denn so eine Spülung wäre schon ein etwas größerers Unterfangen und wir wollen es nur machen, wenn es auch wirklich nötig ist.

Abschließend noch der neueste Stand zum Hurricane Beryl: Er ist in Mexiko auf Land getroffen und hat sich zu einem tropischen Sturm abgeschwächt. Unser heutiger Starkregen könnte davon noch etwas beeinflusst gewesen sein, aber es besteht hier in Costa Rica eigentlich keine Gefahr mehr, selbst wenn er über dem Golf von Mexiko nochmal an Stärke gewinnen sollte.

Samstag 6.7.24 – Sierpe – Tour Corcovado Nationalpark

Der Treffpunkt für unsere gebuchte Tour ist heute früh auch unser Frühstücksort, denn wir sollen gestärkt auf die Tagestour gehen. Bei „Donde Jorge“ ist schon Einiges los, da dort viele Touren starten, allerdings muss man sich irgendwie selber darum kümmern, die richtige Tour/den richtigen Tourguide zu finden, und erst werden wir von einem zum anderen geschickt. Letztendlich bekommen wir Cäsar als Guide, der uns erst einmal Gummistiefel anbietet, weil wir nur unsere Radfahrsandalen haben, und Sandalen sind im Nationalpark nicht erlaubt (Schlangen werden als Grund genannt). Wir sind als englischsprachige Elfergruppe auf dem Motorboot La Bella unterwegs. Ein zweites Boot ist für die spanischsprechenden Touristen (aus Spanien), dabei wollte Viktor doch eigentlich fragen, weshalb sich die Veranstalter trauen, Spanier und Deutsche nach dem gestrigen Spiel zusammen auf einem kleinen Boot zu mischen … .

Die Fahrt von Sierpe zum Nationalpark dauert je nach Tide eine bis eineinhalb Stunden. Die erste Hälfte geht es mäanderartig entlang des Sierpe-Flusses, dann mit viel Karacho über die Mündung gegen die Wellen in den Pazifik und noch einmal so lange, bis wir an der Rangerstation San Pedrillo im Corcovado Nationalpark anlanden. Die Bootsfahrt ist nichts für körperlich angeschlagene Menschen, auf gar keinen Fall aber für Leute mit Rückenproblemen. Wir sitzen ganz vorne, wo der Bug immer wieder auf den Wellen hochspringt und danach heftig aufs Wasser aufschlägt. Die dünnen Sitzpolster federn nichts ab. „Wozu habe ich mir eigentlich eine Federsattelstütze für das Tandem besorgt, wenn ich meine Lendenwirbelsäule jetzt hier so malträtiere“ denkt sich Viktor. Er beobachtet angespannt die Dünung vor dem Boot und stützt sich dann immer mit der rechten Hand auf der Bank ab, damit der Schlag nicht über den Hintern in die Wirbelsäule geht sondern lieber über die Hand in den Arm. Das ist aber so verdammt anstrengend, dass es sich irgendwann so anfühlt als müsse er sich zwischen einem kaputten Handgelenk und einer kaputten Lendenwirbelsäule entscheiden. Zum Glück kommen wir gerade noch rechtzeitig in Strandnähe und müssen nur noch aus dem Boot ins knietiefe Wasser springen um an Land zur Rangerstation des Nationalparks zu gelangen.

Während wir fahren beginnt es auch schon zu regenen. Nachdem an Land von einer Rangerin mit Trillerpfeife alle Rucksäcke kontrolliert sind (Plastikflaschen und Waffen sind verboten), watet unsere Gruppe durch einen kleinen Fluss. Der Untergrund ist sehr steinig, und Jutta kommt barfuß nicht durch. Nach ein paar Schritten geht nichts mehr, die Strömung ist so stark, dass die Füße einfach nicht weiter wollen. Nur mit der Hand eines Guides als Unterstützung klappt es. Alle ziehen sich die Schuhe wieder an – wir die geliehenen Gummistiefel. Und das ist auch gut so! Die Wege sind so nass und matschig, und alle anderen mit ihren Wander- oder Sportschuhen haben ganz schnell nasse und dreckige Schuhe, Füße, Beine, Hosen. Mehrfach rutschen ander aus und haben dann auch schlammige Hände, Knie und Gesichter. Wir sind Cäsar wirklich für das Gummistiefel-Angebot dankbar! Die sind sogar erstaunlich bequem und wir holen uns wider Erwarten keine Blasen. Cäsar ist übrigens selbst auch in Gummistiefeln unterwegs.

Das erste gesichtete Tier ist eine gemeine Zeltfledermaus, die zum Schlafen unter einem Blatt hängt. Sie baut sich aus großen Blättern ein Zelt unter dem sie trocken hängt und schläft.

Zeltfledermaus

Kurz darauf bleiben wir stehen, weil es nach Pferd riecht. Wir lernen, das Tapire zu den Pferden gehören und es daher gerade nach Tapir riecht und also einer in der Nähe sein müsste. Wir finden ihn nicht. Die Suche nach Tieren gestaltet sich wieder einmal sehr schwierig bei dem doch relativ starken Regen. Wir bekommen Knochen eines vor drei Jahren gestorbenen Wales zu sehen, dessen Verwesung damals sechs Monate gedauert hat, während derer es ziemlich gestunken haben muss.

Walknochen

Hier erfahren wir auch, dass Costa Rica und Panama die einzigen zwei Länder sind, in denen zwei unterschiedliche Buckelwal-Populationen zum Gebären kommen, die aus dem Norden und die aus dem Süden. Die Tourleiterin in Uvita hatte nur davon gesprochen, dass sie zweimal im Jahr kommen, einmal nur 200, das andere Mal wesentlich mehr, und dass die Jungwale hier im warmen Wasser geboren werden, weil sie in kaltem Wasser noch gar nicht überleben können, bevor ihre Fettschicht dick genug ist. Beide Informationen zusammen sind eine gute Ergänzung zueinander!

Lebendig (aber auch als Skelett) sehen wir noch diverse Nasenbären (Coati). Alle anderen Tiere haben sich verdrückt, nicht einmal Vögel, Schlangen oder Frösche sind zu finden, und wir wandern drei Stunden durch den Regenwald.

Nasenbären

Cäsar erzählt uns aber einiges über Flora und Fauna hier, z.B., dass dieser ganze Nationalpark sich erst seit 50 Jahren selber entwickelt hat (das Gebiet war vorher von Menschen genutzt worden), dass auch die größten Bäume nicht älter als 200 Jahre alt werden, dass die Erde sehr nährstoffarm ist (nur reich an Eisen und Aluminium), dass sich manchmal zwei Bäume über ihre Wurzeln zusammentun, um die Nährstoffe besser zu nutzen (Anastomose, siehe Video), und so zu einem Baum werden und dass die Färbung vieler Stämme durch die Besiedelung mit verschiedenen Pilzen etc. die Vorlage für „Camouflage“ ist.

Jutta lässt bei der Rückkehr zur Rangerstation die Gummistiefel an, als es zurück durch den Fluss geht. Keine gute Idee, denn der ist tiefer als die Gummistiefel hoch sind. Um halb eins sind wir wieder an der Rangerstation und bekommen Reis, Sandwiches, Obst und Kekse zum Mittagessen. Anschließend bietet Cäsar noch eine kürzere Wanderung in die andere Richtung an, und da das Wetter gerade trocken ist, gehen wir sogar ohne unsere Regenjacke mit. Allerdings macht Jutta jetzt beim Gehen komische Geräusche.

Ohne den Regen hören wir gleich verschiedenste Vögel, sehen aber leider keine. Außerdem sehen wir mehrere Klammer- und Brüllaffen, sogar gleichzeitig, z.T. auf dem selben Baum. Leider fängt es bald aber doch wieder an zu regnen. Irgendwo in einer Pfütze entdeckt Cäsar Tapirkot, und wir gehen nochmals auf Tapirsuche. Stattdessen stossen wir auf eine Rotte von Weißbart-Pekari, die zu den Nabelschweinen gehören und vom Aussterben bedroht sind. Das ist auch für Cäsar eine kleine Sensation, die sieht man wohl deutlich seltener als Tapire, Pumas, Faultiere oder was auch immer wir heute nicht sehen. Um sie nicht zu stören, beobachten wir sie nur durch das mitgenommene Fernrohr aus sicherer Entfernung und gehen auch nicht an ihnen vorbei sondern kehren um. Sie haben Nachwuchs dabei und können dann für Menschen tatsächlich gefährlich werden. Angeblich hat die Mafia diese Tiere schon genutzt, um Leichen vollständig zu entsorgen.

Weissbart-Pekari (Nabelschweine)

Wir sammeln uns wieder, und um viertel vor drei geht unsere Gruppe wieder an Bord, dieses Mal dürfen wir weiter hinten an der Seite sitzen. Mit den Wellen ist die Fahrt nicht ganz so holperig. Nach dem Einbiegen in den Fluss machen wir noch einen Abstecher in einen Flussarm, an dessen Rand häufiger Faultiere zu finden sind. Heute hören wir dort nur einen Tucan, sehen aber nichts. Außerdem fahren wir noch durch einen Mangrovenwald, der ganz anders ist als der, den wir in La Paz in Baja California gesehen haben. Und wir erfahren auch noch Fakten darüber, u.a. das einige Mangrovenarten über semipermeable Membranen in der Rinde verfügen, die für Wasser durchlässig sind, aber nicht für Salz. So erzeugen Mangroven sich ihr eigenes Süsswasser.

Sonntag 7.7.24 – Sierpe – Rio Claro

Gesamt: 4015,80 km

Heute wollen wir die 4000 Kilometer knacken, deshalb rechnet Jutta morgens aus, bei welchem Streckenkilometer dieses sein wird. Nachdem uns die Hotelbetreiberin gestern auf Anfrage erklärt hat, dass die von Komoot vorgeschlagene Strecke zurück zur Costa Nera-Strecke ein früherer Weg für Pferdekarren war und man dort unter keinen Umständen fahren kann, nehmen wir den Weg zurück nach Palma Sur/Norte. Vorgestern haben wir ja durch den Starkregen nichts sehen können, da nehmen wir diesen kleinen Umweg heute doch gerne in Kauf. Beim Losfahren um sechs ist noch alles im Nebel, aber schnell verspricht es, ein sonniger Tag zu werden.

Kurz hinter Palma ist ein geöffnetes Restaurant, und wir frühstücken sicherheitshalber schon. Sie haben als Dekoration einen kleinen Ochsenkarren zu stehen, können auf Nachfrage aber nicht bestätigen, dass diese hier eine Rolle spielen oder gespielt haben – sollen eher aus Guanacaste kommen. Dort waren wir schon, ohne sie gesehen zu haben. Außerdem sind die Toilettenräume sehenswert angemalt:

Als wir dort weiterfahren, knallt die Sonne schon ganz schön. Vielleicht sollten wir uns heute doch einmal wieder mit Sonnenschutz eincremen. Die letzten Tage, fast Wochen, ist das kaum einmal nötig gewesen. Dafür halten wir an einem Mini Super, wo Viktor sich auch endlich ein Elektrolytgetränk kaufen kann.

Wir sehen heute im Vorbeifahren mehrmals Aras fliegen, einmal sogar elf auf einen Streich. Versuche, sie einmal im Kurvenflug zu filmen, bei dem die Farben besonders leuchtend hervortreten, schlagen leider fehl. Einen toten Nasenbären sehen wir auch am Straßenrand. Und für einen Sonntag sind auch viele LKW unterwegs, sowohl aus Costa Rica, als auch aus Panama.

Nach knapp 50 Kilometern halten wir, weil nichts anderes verfügbar ist, an einer Tankstelle und durchforsten den Minimarkt nach 4000 Colones Preisschildern. Vergeblich, es gibt viele 3000-er, aber keines mit glatt 4000. Egal, weiter geht`s, um bei 61,69 Kilometerstand anzuhalten. Es sind dann leider 10 Meter zu viel auf dem Garmin, weil Jutta ihn aus der Halterung nimmt, um das Foto zu machen, aber wir haben die 4000 Kilometer geknackt! Da sind wir noch gut gelaunt!

Kurz darauf meldet Viktor aber, dass die Schaltung nicht mehr will 🙁 . Die Stimmung sinkt! An einem Schattenplatz halten wir an und suchen kurz nach einer Ursache. Viktor ruft sogar Dan von Panke-Rad an, der bestätigt, dass es wohl die Schaltzüge sind, die halten so knapp 3.500 bis 4.000 km, je nachdem wie viel man schaltet, und irgendwann streiken sie dann, wenn genug Einzeldrähte gereissen sind. „Wie jetzt? Die muss man dann ja häufiger wechseln als die Kette“ entfährt es Viktor während des kurzen Telefonates. Na toll! Im ersten Gang fahren wir die letzten knapp 10 Kilometer, Viktor tritt alleine, nur bergauf darf Jutta mittreten, bergab lassen wir uns rollen.

Unser Ferienhaus liegt kurz hinter Rio Claro, im Zentrum halten wir aber nochmal kurz und gehen nach Befragung eines Passanten ins Chinesische Restaurant, eigentlich, um das von Larissa ausgegebene Eis zu essen. Es werden dann zwei Naturales mit Milch, sozusagen Milchshakes, vielen Dank, liebe Larissa, diese Motivation können wir gut gebrauchen.

Danke Larissa! Motivation nach fast 10 km im ersten Gang.

Das Ferienhaus ist dann schnell gefunden, bis kurz davor ist die Straße auch asphaltiert, nur die letzten 150m müssen wir über Schottersteine schieben. Und dann beginnen wir, die Rohloff-Nabenschaltung zu reparieren. Wir können uns glücklich schätzen, heute hier vor unserem Ferienhaus, in der Sonne (den ganzen Tag kein Tropfen Regen), mit geliehenem Seitenschneider und Massband des Vermieters arbeiten zu können, reden wir uns die Situation schön. Mit Hilfe zweier Rohloff-Videos (Schaltzugwechel am GriffSchaltzugmontage an der Schaltbox) schaffen wir es mit viel Mühe, die alten Schaltzüge herauszuziehen (der eine ist oben am Griff und unten an der Schaltbox völlig zerfranst und aufgedröselt) und anschließend das neue Paar, das wir genau einmal als Ersatz dabeihaben (!), einzuziehen.

Dabei stellt sich heraus, dass das Leatherman-Mehrzweckwerkzeug einen bescheidenen Saitenschneider besitzt. Mit dem Teil hätten wir die Reparatur nicht geschafft, weil des Ablängen der Schaltzüge unmöglich gewesen wäre. Viktor testet das zum Glück vorher am alten Schaltzug und leiht sich dann das Werkezug vom Vermieter. Wir hätten die wertvollen Ersatzteile vermutlich sofort zerfranst und potentiell zerstört. Demnächst wird also in einer Ferreteria ein ordentlicher Saitenschneider gekauft (oder vielleicht sogar ein Knipex)

Ausgefranster Schaltzug, der alles blockiert hat.

Leider haben wir jetzt keine weiteren Ersatzzüge dabei, werden sie aber auf jeden Fall irgendwann wieder tauschen müssen (bei Kilometer 7000?). Und die extralangen 3-Meter-Züge, die wir für unser Tandem benötigen, gibt es in keinem Radladen mal eben so zu kaufen. Dummerweise stellen wir nach der Fertigstellung fest, dass die Reihenfolge der Gänge sich umgekehrt hat, der 14. Gang am Schaltgriff ist jetzt der Leichteste, der 1. Gang jetzt der Schwerste. Da haben wir bei der Reparatur wohl irgendwann einen Fehler gemacht (vermutlich oben am Schaltgriff) oder bei unserem Tandem ist das Ganze anders montiert, als in den Standard-Videos von Rohloff dargestellt. Das werden wir jedenfalls erst einmal so lassen müssen, da ein Tausch nicht möglich ist, ohne dass der Schaltzug wieder zerfranst, also wird sich der Captain beim Schalten umgewöhnen müssen.

Zwischendrin versucht Jutta auch noch, mit der halbautomatischen Waschmaschine hier unsere Wäsche richtig zu waschen. Das ist auch etwas Neues, mit manuell einzufüllendem Wasser (nur kaltes) und manuell zu startendem Abpumpen. Danach Umfüllen in eine Schleuder in mehreren Etappen. Aber es funktioniert. Mal schauen, ob die Sachen morgen früh einigermaßen trocken sein werden.

Halbautomatische Waschmaschine

Wir machen eine Testfahrt in die Stadt und gehen beim gleichen Chinesen von heute Mittag auch Abendessen: immerhin mal ein geschlossenes, klimatisiertes Restaurant, und wir hatten heute schon ausreichend stechwütige Purrujas und/oder beißwütige Ameisen. Viktor fällt heute das erste Mal auf, dass eine Bedienung den Kugelschreiber in ihre Haare steckt, wenn er nicht gebraucht wird. Jutta hat das schon in ganz Mittelamerika häufiger gesehen, aber sie guckt auch immer eher herum, während Viktor meistens auf sein Handy schaut 😉 . Er fragt die Bedienung, ob er ein Bild von ihr hochladen darf, und sie erlaubt es:

Bedienung Marilyn mit Kugelschreiber im Haar (Restaurant Victoria, Rio Claro)

Morgen haben wir noch 35 Kilometer bis zur Grenze nach Panama, d.h. heute ist unsere letzte Nacht in Costa Rica:

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