Mit dem Stufentandem unterwegs in den Amerikas

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Woche 43 (20.1.25 – 26.1.25) – Panguipulli – Puerto Montt

Montag 20.1.25 – (167) – Panguipulli – Los Lagos

Gesamt: 10.554,73 km

Ein gestern Abend lange Zeit heulender Hund in der Nachbarschaft hat dann doch irgendwann Ruhe gegeben. Wir sind pünktlich um acht beim sehr netten Frühstück an einem Tisch mit SINGER-Nähmaschinen-Unterbau. Unser Hotel war hier in Panguipulli die erste Schneiderei. Der Frühstücksraum ist unter anderem mit einem alten, kohlebetriebenen Bügeleisen dekoriert. Um neun fahren wir los.

Die ersten 3,7 Kilometer gehen ziemlich steil bergauf, da ist uns trotz der morgendlichen Kühle schon sehr warm. Ab dort fahren wir durch schöne Natur auf der T-39, die vollständig asphaltiert ist, auch wenn uns die Damen in Lican Ray etwas anderes erzählt haben. Wir sind sehr froh, dass wir diesmal nicht auf „lokale Experten“ gehört haben und diese Route fahren, und nicht den über 100 Kilometer langen Umweg mit einem Teil auf der Ruta 5 Autobahn.

Da auf Schildern am Straßenrand immer wieder Verkaufsstände angekündigt werden, von denen kein einziger existiert, machen wir eine Pause in einem Bushaltestellenhäuschen. Dort vertilgen wir die letzten Weihnachtsschokoladenkugeln und Marzipankartoffeln. Nochmal lieben Gruß und Dank an die Weihnsachtsfrauen aus Deutschland!

Eine weitere steile Stelle müssen wir noch erklimmen, nachdem wir den Rio San Pedro überquert und an der Brücke am wirklich schönen Aussichtspunkt angehalten haben. Wir kommen am Parkplatz mit einer Familie ins Gespräch und wieder mal wird ein kleines Mädchen auf Juttas Stoker-Sitz fotografiert.

Nur ein paar Kilometer vor Los Lagos liegt das geöffnete SKPE (sprich: escape) an der Straße, wo es zwar keinen Kaffee, aber wenigstens ein kaltes Getränk für uns gibt.

Um kurz vor zwei kommen wir am „Hospedaje Dulce Amanecer“ (Süßes Erwachen) an, das anscheinend von Zeugen Jehovas betrieben wird, jedenfalls hängen entsprechende Flyer an der Fassade. Das war die einzige Unterkunft, die auf WhatsApp-Anfragen reagiert hat. Wir bekommen immerhin ein Zimmer mit privatem Bad. Der Boden ist ziemlich abschüssig – hoffentlich stürzt das Haus nicht in den kommenden Stunden ein. Das WIFI-Password kennt die Dame, die uns einlässt, nicht, aber später kommt die Besitzerin und wir haben tatsächlich ein funktionierndes WIFI, mit dem wir in dieser Hütte nicht gerechnet haben.

Wir gehen zuerst einmal zur Plaza de Armas, weil es dort angeblich ein Café und – laut Aussage der Hausdame – sogar „Einfach Alles“ („Hay de todo“) geben soll. Das Café gibt es zwar, aber die Kaffeemaschine funktioniert nicht. Wir werden ein paar hundert Meter weiter geschickt, zum Café Laguino. Dort funktioniert alles und sie haben sogar Banana-Split im Angebot – hier mit zwei Bananen! Das wird heute unser Mittagessen, zusammen mit einem Milchkaffee. Und da es hier sehr nett ist, sie ein funktionierendes WIFI haben und man auch noch Abendessen kann, planen wir, später noch einmal wiederzukommen.

Da unser Ständer am Tandem seit Kurzem muckt, kriecht Viktor vor dem Duschen noch unter das Rad und guckt sich den nicht mehr richtig durchgesteckten Stift an. Das Gegenstück – falls es eine gab – müssen wir wohl verloren haben, es ist auch nicht von der „Windel“ um den Ständer aufgefangen worden. Vielleicht muss der Stift aber auch nur zurück in eine Passung gedrückt werden. Das werden wir demnächst mal mit einem Hammer probieren.

Nach langer Zeit müssen wir mal wieder unsere eigenen Handtücher benutzen, denn in diesem Hospedaje erhalten wir keine, wir können unsere aber im Anschluss an einer Wäscheleine im Hinterhof aufhängen. Nach ein weinig Ruhezeit gehen wir noch einmal los. Los Lagos geht auf der anderen Flussseite noch weiter, das wollen wir erkunden. Richtig lohnenswert ist es hier ebenfalls nicht, aber in der Cervecero de Garage (Bier-Garage) setzen wir uns auf ein Getränk (dunkles Stout oder Apfelschorle). Weil uns hier die Musik zu laut ist, gehen wir zum Essen dann wirklich zum Café von heute Mittag zurück. Auf dem Weg sehen wir einen der kräftigsten Regenbögen, die wir je gesehen haben.

Kräftiger Regenbogen in Los Lagos

Im Café beginnen wir schon vor dem Essen mit dem Blogschreiben. Die Musik ist wirklich sehr dezent, dafür ist es gerade ziemlich voll, und wegen der vielen anwesenden, teilweise laut heulenden Kinder (es gibt eine Spielecke mit Bällebad) ist es auch hier nichts mit Ruhe, nur eben anders als in der Bier-Garage. Das Essen ist ganz o.K. aber Viktors „papas fritas“ sind schon kalt und die Limo (Bier gibt es hier nicht) kommt mit großer Verspätung. Als Entschuldigung gibt es einen Alfajor geschenkt, ein typisch lateinamerikanisches Gebäck mit spanisch-maurischen Wurzeln.

Und da wir in der Hauptstraße hier im Ort ein eigenartiges Schild gesehen haben, geben wir heute nach langer Zeit wieder ein Rätsel auf:

Was gibt es hier wohl zu kaufen? Wir nehmen Ideen in den Kommentaren entgegen! Auflösung morgen.

Dienstag 21.1.25 – (168) – Los Lagos – Valdivia

Gesamt: 10.605,46 km

Das Haus ist heute Nacht stehen geblieben und wir bekommen um acht Uhr ein Frühstück serviert. Auf dem Bürgersteig bepacken wir das Tandem, gegenüber im Trebol kauft Jutta schnell die Getränke, und um kurz nach neun begeben wir uns auf die Straße nach Valdivia. Auch heute beginnt der Weg erst einmal mit einem steilen Aufstieg – die Muskeln haben keine Chance, sich vorher aufzuwärmen, und die Oberschenkel brennen schon nach weniger als 5 Kilometern.

Und wie die Betreiberin der Hospedaje schon meinte: die Straße nach Valdivia hat viele Steigungen. Sie sind bis auf ein, zwei Ausnahmen alle kurz, aber steil. Wir fahren mehr oder weniger parallel zum Rio San Pedro, und die Ufer sind ziemlich hügelig.

Landschaftlich sind es heute so wie wir es mögen: grün, grüner, am grünsten, sozusagen „Fifty shades of green“, dazu noch Schweine, Rinder, Pferde, hoch über uns kreisende Geier (Condore oder nicht können wir nicht genau sagen) und immer wieder Blicke auf den Fluss.

Nach nur 16 Kilometern in Antihue ist uns schon nach einer Pause. An einem Haus mit großen Nescafé-Bannern halten wir, und obwohl der Laden noch geschlossen ist, ist die Frau bereit, uns heißes Wasser und Nescafé-Pulver zu servieren. Im Inneren entdecken wir verschiedene handwerklich hergestellte Dinge, z.B. Lampen aus Fahrradfelgen oder Spiegel in Baumscheiben. Die macht die Wirtin alle selber und ist stolz auf ihr „Recycling“, wie sie sagt.

Wir halten an einem Mirador, von dem man aber kaum etwas sehen kann, weil alles zugewachsen ist. Da war der Blick ein paar hundert Meter vorher wesentlich besser. Jutta läuft ein wenig zurück, um überhaupt ein Bild machen zu können.

Um kurz nach ein Uhr sind wir im Zentrum von Valdivia und trinken noch eine Malteada (Milchshake mit Vanilleeiskugel), bevor wir um etwa zwei Uhr zu Carlos fahren, der uns zwei Nächte bei sich aufnehmen wird (ein ehemaliger Arbeitskollege von Juttas Schwester Barbara). Bei ihm trinken wir gemeinsam Kaffee (deshalb vorher die Malteada).

Carlos ist Schiffbau-Ingenieur und hat in der Garage eine sehr gut ausgestatette Werkstatt. Viktor und er reparieren den Ständer des Tandems, während Jutta duscht. Entscheidend für den Erfolg der Reparatur ist das „Auf-die-Seite-Legen“ des Tandems und die Entdeckung zweier versteckter Madenschrauben. Carlos sei Dank! Ab heute sind Viktors zweitliebste Ingenieure nicht mehr die Agrar-Ingenieure, sondern die Schiffbau-Ingenieure 😉
Als Viktor dann ebenfalls geduscht hat, fährt Carlos mit uns (im Auto) eine große Runde mit mehreren Halten an der Küste entlang. Wir sehen Festungen der Spanier (eine können wir besichtigen), die größte komplett auf Flüssen umschiffbare Insel Südamerikas, wir machen einen Strandspaziergang und können dabei Carlos‘ Freund Martin beim Paragliding zusehen. Ein perfekter Spätnachmittag und Abend!

Nachdem Martin wieder am Boden ist, stehen wir eine ganze Zeit zu viert beisammen und unterhalten uns – wohlgemerkt auf Deutsch – und Martin spendiert ein kühles Bier. Danke Martin!

Carlos, Martin und Viktor

Als die Sonne fast schon untergeht, fahren wir die Runde weiter bzw. über einen anderen Weg zurück. Carlos bekocht uns (mit ein wenig Schnippel-Unterstützung von Jutta) Chinesisch, denn er hat für die Reederei Döhle (in Hamburg) auch dreieinhalb Jahre in China gelebt. Es wird ein für uns langer Abend, und wir kommen erst ab 23 Uhr dazu, unserer Schreibroutine nachzukommen.

Und hier noch die Auflösung von gestern:

Die Autowaschanlage war nahe dran, aber es ist eine Tankstelle 🙂

Heute haben wir wieder ein neues Verkehrsschild gesehen und fragen wieder in die Runde, was es bedeutet:

Mittwoch 22.1.25 – Valdivia

heute mal Kanu statt Fahrrad

Um halb neun sind wir bei Carlos‘ Mutter Helga zum Frühstücken eingeladen. Es gibt neben den Chilenischen Marraquetas und Hallulla – Brötchen auch Dinkelbrot aus der Panaderia „Bäckerei“ aus der Nachbarschaft sowie Eier, deren Schale bläulich-grünlich aussieht. Gentests haben ergeben, dass die Hühner, die diese Eier legen, ursprünglich aus China kommen und offenbar schon vor den Spaniern hier in Chile lebten (Gallina Mapuche oder Gallina Araucana).

Aus dem Carport laden wir ein Zweierkayak auf den Dachgepäckträger von Carlos‘ Auto, fahren zu ihm zurück und laden ein Einzelkayak dazu, packen weiteres Zubehör in den Kofferraum und fahren zu einem Anlegesteg in der Nähe (am Grundstück einer Art Studentenverbindung).

Und dann verbringen wir gute zwei/zweieinhalb Stunden auf dem Wasser, Viktor im Einzel, Jutta zusammen mit Carlos, der sich heute das erste Mal seit seinen Rippenbrüchen Ende Dezember (beim Karate) wieder traut zu paddeln. Wir fahren einmal um die Insel Teja herum, durch den Rio Valdivia, den Rio Cau-Cau und den Rio Cruces. Ein Versuch, durch die Binsen zu fahren, klappt nicht – es ist zu wenig Wasser da. Auf dem Weg, den wir statt dessen nehmen müssen, kommt ziemlicher Gegenwind auf, aber zum Glück fahren wir mit der Strömung, was beim Vorwärtskommen hilft.

Das „Tsunami“ und das „Passat“ von Carlos sind die bislang besten Kayaks, mit denen wir je gefahren sind. Wir sitzen relativ wasserdicht mit Spritzdecken, auch wenn Viktor am Ende der Tour doch so viel Wasser auf die Spritzdecke geschaufelt hat, dass sein T-Shirt und die Hose ordentlich durchnässt sind.

Nach der Tour trinken wir bei Carlos einen Kaffee, nachdem wir das erste Kayak (Tsunami) wieder in der Garage verstaut haben. Dank jahrelanger Optimierung der Logistik geht das extrem zügig und wir haben noch den ganzen Nachmittag, um Valdivia zu erkunden.

Wir machen uns zu Fuß auf den Weg in die Altstadt, besuchen den Fischmarkt und das Foucault’sche Pendel am Pier, gehen eine kleine Brauerei besuchen (nicht Kunstmann sondern El Regreso) und zum Schluß durch die historischen Straßen von Valdivia, „Gral Lagos“ und „Yungay“, wo die ältesten Häuser Valdivias stehen, die von deutschen Einwanderern gebaut wurden.

Als wir zurückkehren hat Carlos eine kleine ergonomische Hilfe produziert, mit der wir vielleicht das Schieben unseres Tandems in den extremen Steigungen optimieren können. Der Prozess-Optimierer in Carlos hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Wir probieren es ohne Gepäck in der recht steilen Garagenauffahrt und es hat tatsächlich Potential, denn es hält das Tandem beim Schieben in gerader Fahrtrichtung, ohne kraftraubende Lenkbewegungen zu erfordern. Gleichzeitig muss Viktor seinen Arm zum Schieben nicht mehr extrem weit strecken, um den rechten Handgriff am Lenker zu erreichen, sondern kann den Fahrradsattel zur Krafteinleitung nutzen. In der nächsten schweren Steigung wird das Ganze einem Praxistest unterzogen.

Wir beschließen den Tag gemeinsam mit Carlos zunächst bei einem Abendessen im Cafe Haussmann gegenüber der deutschen Schule von Valdivia und später noch bei Carlos mit einem liebevoll zubereiteten „Piscola“ auf sphärischen Eiswürfeln (also eigentlich Eiskugeln). Wir unterhalten uns den ganzen Abend intensiv über alles mögliche, tauschen Erinnerungen und Erfahrungen aus und die Gespräche sind fast so, als würden wir uns schon seit ewigen Zeiten kennen.

Irgendwann zwischen 23 Uhr und Mitternacht müssen wir diesen genialen Tag dann aber doch beschließen und in die Federn, denn für morgem haben wir über 80 Kilometer geplant.

Schon auf dem Rückweg vom Resutaurant fing es an zu nieseln und es roch sehr schön nach Sommerregen. Als wir ins Bett gehen hören wir, dass es draußen mittlerweile stärker regnet. „In Valdivia regnet es immer“ hatte Felipe uns noch erzählt. Das stimmte zum Glück nicht für unsere Tage hier in Valdivia, aber heute Nacht dann doch.

Donnerstag 23.1.25 – (169) – Valdivia – Rio Bueno

10.691,70 km

Wir packen das Tandem in der Garage fertig und fahren dann zu acht Uhr noch einmal zu Carlos‘ Mutter Helga, die uns auch heute zum Frühstück eingeladen hat. Es gibt diesmal noch Kürbisbrot, und für uns beiden zaubert sie Glückskekse auf den Tisch (Jutta wird viel Geld gewinnen, Viktor wird gut aus Verhandlungen herauskommen 🙂 ). Außerdem bekommen wir geschälte Möhren und Sandwiches von Helga und Bananen von Carlos als Proviant mit, weil es auf der Strecke nicht viel geben wird. So nett!

Schnell vorbei ist solch nettes Frühstück nicht, und so ist es fast 10 Uhr, als wir nach dem Starten noch unsere Getränke gekauft und vergeblich in einem Western Union nach Bargeld gefragt haben (morgens haben sie noch gar kein Geld).

Wir werden auf der 206 bis Paillaco und von dort auf der RN-5 bis Rio Bueno fahren. Zu Beginn ist es recht flach, aber von ungefähr Kilometer 20 bis 29 müssen wir eine lange Steigung hoch, die auf den ersten und letzen Kilometern am steilsten ist. Mit einer Bananenpause zwischendurch schaffen wir alles fahrend, was bedeutet, dass wir heute die „Schiebehilfe“ von Carlos noch nicht ausprobieren konnten bzw. mussten.

Ziemlich am höchsten Punkt gibt es eine kleine Hütte mit Gastronomie, die „La Clavela“. Wir halten für löslichen Tüten-Cappucino und Käse-Empanada, unterhalten uns nett mit der Frau (Dina Guadalupe/Arriagada Flores steht auf dem Kassenbon?), dürfen uns in ihrem Gästebuch verewigen und einen Sticker aufkleben. Sie sagt wir sollen „Memorias“, „Recuerdos“ und „Saludos“ (Erinnerungen und Grüße) hineinschreiben und fügt scherzhalber noch hinzu „y Herencias“ (und Erbschaften), damit sie sich erinnert, wen sie später beerben will ;-). Das erinnert uns plötzlich wieder einmal daran, wem wir dieses Sabattjahr eigentlich zu verdanken haben.
Unser Dank geht hinaus an Eltern und Schwiegereltern, Großeltern, Geschwister, Cousins & Cousinen, Onkel & Tanten, Kinder & Neffen und überhaupt … an die ganze Verwandschaft & Mischpoke und unseren Freundes- und Kollegenkreis, auf deren Fundament und Unterstützung wir unsere unvergessliche Reise aufbauen konnten.

Kurz nach der Weiterfahrt winken wir uns mit einem entgegenkommenden Bikepacker zu – beide Seiten fahren weiter – es ist wohl gerade zu bergig um anzuhalten und zu schwätzen.

In Paillaco fahren wir in den Ort und landen in einem Café „Nueva Estacion“. Dort verzehren wir unsere Sandwiches und Möhren zu bestellten Milchkaffees. Als wir weiterfahren ist es schon 15 Uhr, und wir haben noch 35 Kilometer Autobahn vor uns.

Der Seitenstreifen reicht heute von ganz neu und sauber über alt und holperig bis hin zu „gar nicht vorhanden“. Die Strecke führt nämlich über viele Brücken, an denen wir nach intensiven Blicken in den Rückspiegel immer wieder gefahrvoll auf die Fahrbahn wechseln müssen. Meistens haben wir das Glück, dass uns in dieser Zeit gerade keine Lastwagen oder Busse überholen, obwohl die Straße eigentlich nicht gerade leer ist. Am nervigsten sind die unerklärlichen diagonalen Asphaltstreifen die streckenweise alle 40 bis 50 Meter den Seitenstreifen „zieren“. Einen richtigen Grund (irgendwelche Leitungen?) lässt sich nicht erkennen. Sie sind aber immer höher oder niedriger als der übrige Asphalt und wir rattern mit „Tatam-tatam!“ darüber hinweg. Irgendwann flucht Viktor: „Wer auch immer für diese Dinger verantwortlich ist, der soll in der Hölle schmoren!“

Gegen 16:45 Uhr kommen wir am Hostal Caulle an. Die Rezeptionistin sagt uns, dass einige der bei GoogleMaps angezeigten Restaurants schon seit der Pandemie nicht mehr geöffnet sind, so auch das von uns anvisierte im „Club Aleman“. Dort stehen und hängen draußen sogar noch die Schilder, aber es gibt hier wohl nicht einmal mehr den Club, geschweige denn das Restaurant.

Dafür ist die Feuerwehr hier sehr Deutsch. Alles ist auf Deutsch beschriftet, sogar „Feuerwehr Stadt Rio Bueno“ und die Wehr ist Mitglied im Deutschen Feuerwehrverband. Das ist im Süden Chiles keine Seltenheit, und auch schon in Valparaiso gibt es ja von deutschen Einwanderern aufgebaute Deutsche Feuerwehren, die auch heute noch so heißen.

Wir landen am Ende am zentralen Platz im netten Café und Restaurant Murta del Dia, das auch regionale Spezialitäten anbietet. Viktor probiert den „Chupe de Jaiba„, einen Auflauf mit dem Fleisch der Blaukrabbe, und der ist wirklich gut.

Danach geht es sofort zurück ins Hostel zum Blog-Schreiben und mal wieder deutsche Nachrichten schauen – wir haben ein Smart-TV mit Youtube-Funktion im Zimmer und wollen mal schauen, was der neue U.S.-Präsident und der Bundestags-Wahlkampf in Deutschland so für Überraschungen parat haben.

Und hier kommt noch die Auflösung zu dem Verkehrsschild von vorgestern. Es zeigt an, dass über der Straße Hochspannungsleitungen verlaufen. Meist folgt kurz danach ein Schild mit einer Höhenangabe.

Freitag 24.1.25 – (170) – Rio Bueno – Puerto Octay

10.785,10 km

Wir frühstücken mit sehr leckeren Bäckerbrötchen, Jutta geht schnell zum Unimarc gegenüber, und um kurz nach neun machen wir uns auf den Weg nach Purranque (80 Kilometer Autobahn). Osorno liegt ungefähr auf halber Strecke, hat mehrere Western Union Niederlassungen und ein „Murta del Dia“, wo es uns gestern abend so gut gefallen hat, also planen wir, dort in die Stadt zu fahren und Pause zu machen.

Die kurze Strecke bis zur RN-5 geht wieder einmal ziemlich bergauf, so dass uns gleich warm ist. Dann sind wir auf dem Seitenstreifen, über den es heute sehr wenig zu meckern gibt. Die Gegend ist bestimmt von Ackerbau und Viehzucht, es gibt nichts Ungewöhnliches zu sehen, wir radeln einfach mit dem Zwischenziel Osorno.

An einem Pronto bei der einzigen Tankstelle halten wir spontan dann doch für einen kleinen Kaffee an. Wie immer schieben wir das Tandem eine Rampe hoch, stellen es auf den Ständer und erfahren dann, dass der Markt gerade geschlossen ist, weil es kein (Trink-)Wasser gibt. Der Mitarbeiter an der Tür hat uns die ganze Zeit schon bei Rangieren unseres Tandems zugesehen und kein Wort gesagt – erst, als wir bei ihm ankommen … und wir sind bei Weitem nicht die Einzigen, die erst wenige Zentimeter vor dem Erreichen der Türe gesagt bekommen, das hier gerade geschlossen ist … Unser Glück ist es, dass unser Losfahren immer etwas länger dauert (Helme wieder aufsetzen, Trinkrucksack auf den Rücken, Fahrradhandschuhe an, Handy und Geld in die Lenkertasche, Rangieren des schweren Tandems), denn in der Zwischenzeit geht die Tür auf und eine andere Mitarbeiterin gibt bekannt, dass alles wieder funktioniert.

Während unseres kleinen Kaffees ist am Nachbartisch ein Familienvater mit einem „Wacken – Winternights“ T-Shirt von 2019. Wir sprechen ihn an! Das Festival ist wegen der Pandemie ausgefallen, aber er hat das T-Shirt halt trotzdem. Er ist Brite, lebt aber in Chile.

Vor Osorno fahren wir von der Ruta 5 ab und ein ganzes Stück vom Nordosten der Stadt in den Nordwesten und von dort ins Zentrum. An der ersten Western Union Stelle zieht Jutta eine Nummer, und als diese dann endlich an der Reihe ist, erfährt sie, dass es gerade kein Bargeld gibt. Bevor wir es weiter probieren, wollen wir uns beim „Murta del Dia“ etwas stärken. Hier in Osorno gibt es leider nur eine Mitnahmefiliale ohne Sitzplätze (und ohne Toiletten), also lassen wir das. Nachdem wir noch zwei weitere Western Union vergeblich aufgesucht haben (es wird uns geraten, dort „einfach“ so lange zu warten, bis eventuell jemand zum Geldeinzahlen kommt – das kann aber mehrere Tage dauern – na toll!) geben wir das Projekt Geld abholen für heute wieder auf.

An der Plaza de Armas landen wir eher zufällig im Café „Cassis“ (wir haben keine Lust, nochmal den ganzen Platz zu überqueren, um ins Café Central zu gehen). Die Cassis-Kette kennen wir schon aus Viña del Mar. Als wir das Tandem vor dem Fenster parken, gucken zwei Männer nach draußen und gestikulieren heftig, um anzuzeigen, dass wir das Tandem unbedingt abschließen sollen. Unser schweres ABUS-Schloss war aber eine der ersten Sachen, die der Gewichtsreduktion am Anfang unserer Tour zum Opfer gefallen und in einem Paket nach Deutschland gelandet ist. Drinnen sollen wir uns zu ihnen setzen, um das Rad im Blick zu haben, weil es ja so gefährlich ist, es einfach dort stehen zu lassen. Viktor erklärt wie so oft, dass unser Tandem in ganz Lateinamerika nicht geklaut wurde, und dass das jetzt in einem so sicheren Land wie Chile bestimmt nicht passieren wird. Wir kommen ins Gespräch und stellen schnell fest, dass wir alle vier Deutsch sprechen. Rudi und Rudi 2 (Vater und Sohn) fragen, wohin wir heute fahren und raten uns von Purranque ab. Statt dessen wäre es doch viel schöner, heute nach Puerto Octay (wie wir später per WhatsApp erfahren ist das ihr Wohnort) an den Lago Llanquihue zu fahren und morgen von dort nach Puerto Montt, statt beide Tage auf der Autobahn zu verbringen. Insgesamt wäre die Strecke sogar kürzer. Rudi 2 ruft sogar im Hotel Haase in Puerto Octay an und fragt nach einem Zimmer für uns. Wir nehmen den Ratschlag von Ortskundigen an und planen spontan um, auch wenn es jetzt noch 55 km von Osorno statt vorher 40 sind.

Da war mal wieder so eine Zufallsbegegnung, wie wir sie auf dieser Tour lieben gelernt haben, inklusive spontaner Planänderung. Nachdem sich die beiden Rudis verabschiedet haben (wir tauschen noch Telefonnummern mit Rudi 2 aus), stärken wir uns mit „Bärentatzen“ (die bei uns in Deutschland Schweineohren heißen) und fahren nach unerwartet langem Aufenthalt in dieser Stadt weiter. Um 15 Uhr haben wir die Stadtgrenze erreicht und noch 50 Kilometer vor uns – da werden wir spät ankommen.

Die U-55-V führt genauso durch Ackerbau- und Rinderzucht – Gebiete, fährt sich aber dank weniger Verkehr deutlich angenehmer, auch ohne breiten Seitenstreifen. Die meiste Zeit geht es ein wenig aufwärts, nicht steil, und wir kommen gut voran. An einem Fluss ist gerade eine größere Brücken-Baustelle, an der wir ziemlich lange warten müssen, ehe unsere Fahrtrichtung freigegeben wird – es rangieren gerade mehrere Baufahrzeuge und die Strecke ist blockiert.

Kurz danach wollen wir noch eine Pause machen – Viktor hätte gerne einen „Completo“ (also den lokalen Hot Dog). Irgendwie braucht er jetzt etwas Herzhaftes. Es kommt aber leider lange keine Gelegenheit. In einem Mini-Markt gibt es immerhin eine Empanada, die er sich nur aufwärmen, aber nicht vollständig durcherhitzen lässt. Hoffentlich ist das ausreichend und hat keine schlimmen Folgen wie damals in Trujillo…!

Bald erscheint am Horizont wieder ein schneebedeckter Vulkangipfel (Vulkan Osorno) und kommt im weiteren Verlauf immer näher. In dieser Gegend stehen auf den saftigen grünen Wiesen richtig große Rinderherden – es ist genug Gras für alle da. Die schwarz-weißen Kühe vor dem schneebedeckten Vulkan sind schon ein einmaliger Anblick. Dummerweise ist das stets griffbereite Handy für die Fotos schon leer und das Zweithandy steckt tief in der Radtasche – der Tag ist zu lang.

Um kurz vor sechs kommen wir mit unserem Hase-Tandem im Hotel Haase an. Das Hotel ist 130 Jahre alt und noch ziemlich original. Im Flur stehen Waschtische (es gibt ein richtiges Gemeinschaftsbad), aber Rudi 2 hat uns ein Zimmer mit privatem Bad reserviert. Die Decken sind wahnsinnig hoch, die Wände wahnsinnig hellhörig.

Wir gehen noch eine Minirunde an den See, bevor wir im Hotelrestaurant essen gehen. Anschließend wird nur noch geduscht und Blog geschrieben – wir sind ziemlich kaputt.

Samstag 25.1.25 – (171) – Puerto Octay – Puerto Montt

10.868,34 km

Als wir um fünf nach acht in den Frühstücksraum kommen, ist dieser noch verwaist. Also wollen wir das Tandem schon einmal packen – das geht aber auch nicht, denn alle Türen und Tore sind noch verschlossen. Um zehn nach acht kommt eine Mitarbeiterin, die bestätigt, dass das Frühstück um acht Uhr beginnt, aber sie hätten schließlich lange Wege zur Arbeit zurückzulegen („es que viajamos“) … da werden wir uns definitiv nicht mehr daran gewöhnen! Jedenfalls gibt es hier heute für jeden neben Brot und Ei auch ein Stück Johannisbeerkuchen – das ist etwas Besonderes!

Der Minimarkt in unserer Straße ist auch um fast halb zehn noch geschlossen, aber am zentralen Platz ist ein weiterer, bei dem wir unsere Getränke erhalten. Dann geht es auf eine wunderschöne Strecke mit über 900 Metern Gesamtanstieg. Gleich der Beginn ist wieder sehr steil, und es vergehen kaum einmal mehrere Kilometer ohne eine Steigung, aber es geht sehr lange am Lago Llanquihue entlang. Aus verschiedenen Perspektiven blicken wir auf den Vulkan Osorno, und im Hintergrund liegen die Anden mit weiteren schneebedeckten Bergen.

Nach guten 25 Kilometern sind wir in Frutillar, wo wir an den See nach „Bajo“ fahren. Jutta hätte eigentlich gerne Erdbeeren, weil sich der Name des Ortes nach Erdbeeren anhört (und wohl wirklich daher rührt), aber wir finden nichts mit selbigen. Da an allen Bushaltestellen große Violinschlüssel hängen und über den Ort verteilt mehrere Instrumente als „Denkmäler“ stehen, denken wir erst, dass Frutillar eventuell ein Instrument sein könnte (der Ort ist bekannt für ein Musikfestival und hat die südlichst gelegene Konzerthalle der Welt – lesen wir abends). Wir machen jedenfalls eine Pause im Café Lindemann mit Blick auf den See.

Der Strand hier ist lange nicht so überfüllt wie der in Lican Ray, obwohl auch heute Wochenende ist und der Strand und der See eigentlich viel schöner sind. Vielleicht ist es hier zu weit weg von größeren Städten?

Um halb eins fahren wir mit noch 55 Restkilometern vor der Brust weiter. An einer sehr steilen Stelle müssen wir schieben und Viktor probiert es mit der Schiebehilfe von Carlos. Das hilft am Anfang recht gut, aber wir schieben so lange, dass er eigentlich gerne umgegriffen hätte, was aber mit der Schiebehilfe sehr kompliziert ist. Halb aus Ernst, halb aus Spaß, probieren wir am Ende der Steigung, ob Jutta die Schiebehilfe zum Ziehen des Tandems benutzen könnte, denn wir kommen uns am Sattel beim Schieben gegenseitig mit den Händen in die Quere und ihrem Rücken tut die gebückte Haltung beim Schieben auch nicht gut. Das Ziehen klappt erstaunlich gut und wir werden das wohl nochmal ausprobieren, wenn es wieder einmal so steil wird.

Im Ort Llanquihue wollen wir wieder eine Pause machen. Als wir an den Ortsrand kommen, herrscht ein Verkehrs- und Parkchaos, alles ist verstopft. Grund ist ein an diesem Wochenende stattfindendes „Bierfest“ – wir sehen die mit Deutschlandflaggen geschmückten Festzelte unten am See. Kurz überlegen wir, es zu besuchen, aber es ist uns zu voll. Wir fahren lieber richtig in den Ort hinein. Dort haben die Cafés anscheinend alle geschlossen (sind ja alle beim Bierfest), nur eine kleine Pasteleria ist geöffnet, in der es sogar ein Gatorade für Viktor zum Nachkaufen gibt.

Nur ca. zehn Kilometer weiter liegt das etwas größere Puerto Varas, wo Viktor doch noch auf einen Completo (Hot Dog) hofft und wir bei einer weiteren Western Union Niederlassung unser Glück versuchen wollen. Diese ist in einem Santa Isabel Supermarkt und verfügt über ausreichend Bargeld, darf dieses aber leider nicht auszahlen, denn sie sind nur zum Versenden von Geld aber nicht für Auszahlungen autorisiert. Also müssen wir jetzt bis mindestens Montag in Puerto Montt bleiben, um mit frischem Bargeld weiter in den Süden fahren zu können. Dafür entdecken wir einen Club Aleman (Deutscher Verein), in dessen Restaurant Viktor zwar keinen Completo, dafür aber eine Currywurst essen kann.

Auf dem letzten Teilstück des Tages erwarten uns am Ende einer weiteren Steigung zwei Männer in einem Pick-up, die uns gerade zum dritten Mal heute gesehen haben und uns jetzt eine Mitnahme anbieten wollen. Die lehnen wir dankend ab (es sind nur noch 15 Kilometer), nehmen aber den Beutel Kirschen als Geschenk an. Diese haben sie gerade heute selbst geerntet und auch schon gewaschen. Vielen Dank an Marcos und Javier (dieser ist Kolumbianer)! Wir unterhalten uns noch kurz über die Schönheit Chiles und Marcos freut sich darüber, das Chile gerade dabei ist, Kolumbien auf Viktors persönlicher Rangliste auf Platz 3 zu verdrängen.

Diese 15 Kilometer ziehen sich noch ganz schön hin, lange geht es durch städtisches Gebiet, und wir kommen erst nach halb sieben im ziemlich ungünstig gelegenen Hostal an. Es gibt zwar eine Feuerwehr gegenüber und eine Schule in der Nähe, aber weder Restaurants noch Einkaufsmöglichkeiten. Es muss ja einen Grund geben, weshalb es so viel günstiger ist als all die anderen Unterkünfte in Puerto Montt. Unser Zimmer ist ganz oben, recht warm und laut (der Fernseher aus dem Nachbarzimmer an einer dünnen Holzwand). Heute sind wir müde genug, dass uns das nicht so viel ausmacht, aber morgen? Zum Abendessen gibt es im einzigen geöffneten Fastfood-Laden Completos (Hot Dogs) und eine Extraportion Pommes.

Wir begegnen heute den ganzen Tag über fünf anderen Bikepackern (drei einzelne, ein Pärchen), so viele waren es noch nie, aber wir sind inzwischen ja auch wirklich nah an der Carretera Austral. Von den vielen Menschen, die uns gestern mit Fahrrädern im Auto überholt haben, sehen wir auch einige, allerdings weniger als erwartet.

Sonntag 26.1.25 – Puerto Montt

Unsere Muskeln und Gelenke brauchen Erholung. Und wir benötigen dringend Bargeld. Also entscheiden wir uns, heute einen Ruhetag einzulegen und morgen sogar noch einen dranzuhängen, damit wir notfalls den ganzen Tag bei Western Union herumhängen können, bis sie genug Bargeld eingenommen haben, das sie uns auszahlen können (sonntags sind die nämlich alle geschlossen, heute geht da gar nichts!).

Wir schlafen also ein wenig aus und erscheinen erst kurz nach 9 Uhr zum Frühstück, das hier in unserem Hostal bis 10 Uhr angeboten wird. Schon gestern piepte alle paar Sekunden der Rauchmelder im Frühstücksraum, der gleichzeitig auch die Rezeption ist. Mit sowas Nervigem kann Viktor ja garnicht umgehen und er nimmt sich vor, heute eine Batterie für das Teil zu besorgen. Bei der niedrigen Decke im Frühstücksraum ist es keine Problem, den Rauchmelder kurz abzunehmen und den Batterietyp herauszufinden – eine 9-Volt-Blockbatterie.

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg „nach unten“ ins Stadtzentrum. Es sind zwar nur 1,8 km, aber die gehen fast nur bergab (knapp 100 Höhenmeter) und wir spüren unsere Knie und Oberschenkel ganz ordentlich. Immerhin haben wir einen ganz netten Ausblick auf die Stadt und das Meer.

Je näher wir der Uferpromenade kommen, desto lauter hören wir irgendwelche Lautsprecher-Ansagen. Unter anderem werden ständig die Fußgänger davor gewarnt, die Straße zu überqueren. Hier findet heute morgen eine Radrenn-Veranstaltung statt, die letzte Etappe der dreitägigen „Vuelta de la Juventud 2025“. Überall stehen Rollen herum, auf denen sich die jungen Sportler warmfahren.

Wir schauen uns das sportliche Treiben kurz an, gehen dann aber weiter zum Denkmal „Monumento a la Colonización Alemana“, das an die ersten Siedler aus Deutschland erinnert, die hier am 28.11.1852 an Bord der „Susanne“ eintrafen.

Aufgrund des starken und erfolgreichen Widerstandes der Mapuche war die Seen-Region nördlich von Puerto Montt lange kein offizieller Teil von Chile, selbst nach der Unabhängigkeit von Spanien 1818. Im Jahr 1845 wurde in Chile ein Gesetz zur Steuerung der Immigration erlassen und es wurde mit der Bezahlung der Überfahrt, einem Stück Land und mit Steuerfreiheit geworben. Die Immigranten sollten ganz gezielt in den Gebieten der Mapuche angesiedelt werden. Allerdings ging der Plan, nur katholische Einwanderer mittlerer und höherer Bildung anzuwerben, nicht ganz auf. Heute haben ca. 500.000 der circa 20 Millionen Chilenen deutsche Wurzeln. Welchen Einfluss sie auf die Entwicklung Chiles hatten ist umstritten, denn die in Deutschland oft kritisierten „Parallelgesellschaften“ unter Einwanderern scheint es auch bei den Deutschen in Chile gegeben zu haben. Die Deutschen Schulen, Deutschen Vereine und Deutschen Feuerwehren in dieser Region sind jedenfalls auch heute noch Zeugnis davon.

Vom Denkmal gehen wir an der Uferpromenade entlang in Richtung Hafen, denn wir wollen die Gelegenheit nutzen und uns schon einmal anschauen, wo unsere Fähre nach Puerto Natales am 8. Februar ablegen wird. Wir haben uns entschieden, von hier aus eine große Runde Richtung Süden zu fahren und dabei die Isla Chiloé und einen Teil der Carretera Austral zwischen Chaitén und Puerto Montt zu befahren. Dann nehmen wir eine Fähre von Puerto Montt bis Puerto Natales und wollen von dort die restlichen 750 Kilometer bis Ushuaia mit dem Rad fahren. Den Fähranleger finden wir heute aber gar nicht, denn es stellt sich heraus, dass der fast 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt ist. Vielleicht fahren wir morgen nochmal mit einem Taxi hin, denn das recht bekannte Fischrestaurant „Kiel“, für das wir an der Strecke schon viele Werbeschilder gesehen haben, liegt ganz in der Nähe.

An der Promenade stehen einige alte Dampflokomotiven auf Gleisen, deren Spurweite Viktor extrem groß erscheint. Zum Größenvergleich legt sich Jutta extra hinein.

Tatsächlich wurden ein Teil der Promenade und die Shopping Mall Paseo Costanera dort erbaut, wo früher der Bahnhof von Puerto Montt stand. Die Lokomotiven sind sozusagen letzte Erinnerungsstücke an dieses veraltete Massentransportmittel (gell Joachim M. 😉 ).

Als wir von unserem langen Spaziergang an der Promenade zurückkehren läuft das Radrennen immer noch. Da wir uns nicht ganz klar darüber sind, welche Route wir in den nächsten Tagen über die Isla Chiloé nehmen wollen, spricht Viktor kurzerhand am Rand der Strecke die Eltern von Rennradler-Jugendlichen an, die ein „Isla Chiloé“ Trikot tragen. Und tatsächlich erhalten wir wertvolle Ratschläge über den Zustand der Straßen (Asphalt? Schotter? Steigungen? Seitenstreifen?) und Tipps, wo sich die Küstenstraße wegen der Aussichten lohnt und wo eher nicht. Und wir tauschen Telefonnummern aus und sollen uns auf jeden Fall bei Rosana und Claudio melden, wenn wir unterwegs irgendein Problem haben. Genial!

Wir ruhen uns in der Shopping-Mall noch etwas aus und kaufen Getränke im Supermarkt (und eine 9-Volt-Blockbatterie), denn es lohnt sich nicht mehr, vor dem Abendessen ins Hostal zurückzukehren. Im Foodcourt essen wir vegane Burger und bestellen uns für den Aufstieg zurück zum Hostal tatsächlich ein Uber-Taxi, denn unsere alten Knochen wollen da einfach nicht mehr hochwandern, schon gar nicht mir drei Litern Wasser in der Einkaufstasche und bei dem gerade einsetzenden starken Regen.

Zurück im Hostal stellen wir fest, dass wir im Bad ein anderes Shampoo bereitliegen haben, als das „Head & Shoulders“ von gestern.

Dieses ist speziell für welliges (Ondas) und lockiges (Rizos) Haar. Wir streiten den Rest des Abends darüber, wessen Haar dafür wohl den Ausschlag gegeben hat. 😉

Die neue 9-Volt-Batterie hat übrigens genau NICHTS bewirkt. Das Teil piept weiter wie bekloppt vor sich hin. Auch das Durchpusten in der Hoffnung, den Sensor von Staub zu befreien, war erfolglos.

Woche 42 (13.1.25 – 19.1.25) – Bulnes – Panguipulli

Montag 13.1.25 – (160) – Bulnes – Saltos del Laja

Von Elias haben wir erfahren, dass es nicht allen Mitlesenden bewusst ist, dass sie nur einmal pro Woche eine E-Mail erhalten, wir aber täglich den Blog ergänzen. Da heute Montag ist, hier also unser Hinweis: Die vergangene Woche 41 ist jetzt komplett, es kann sich also lohnen dort nochmal nachzuschauen. Auf dieser Seite hier wird (ohne weitere E-Mail-Nachricht) der Rest der Woche täglich ergänzt.

Gesamt: 10.074,57 km

Wir stehen um sechs Uhr auf und sitzen um sieben im Sattel – wir haben nichts zum Frühstücken eingekauft, und den Ostfriesentee aus dem Weihnachtspaket wollen wir ausschließlich auch nicht trinken. Nachdem es gestern Abend einfach nicht abkühlen wollte, fahren wir jetzt langärmelig los – es ist frisch.

Jutta hat heute komischerweise lange Zeit die Titelmusik von „Nils Holgersson“ im Kopf. Ob das wohl an dem Buch liegt, das im Apartment im Nachtschrank lag:

Wir werden ausschließlich auf der RN-5 fahren, da auf den Alternativen einfach zu viele unbefestigte Wege sind. Nach einigen Kilometern packt auf der anderen Straßenseite ein Bikepacker gerade seine Sachen zusammen, er scheint am Rande der Autobahn übernachtet zu haben. Wegen der Leitplanke in der Mitte bleibt es beim Zuwinken.

Nach 17 Kilometern in San Miguel wollen wir frühstücken. Es scheint zunächst alles noch geschlossen zu sein (es ist ja auch noch vor 9 Uhr), aber die „Fuente de Soda, Don Roberto“ ist dann doch geöffnet und wir bekommen Brot mit Ei und einen Becher heiße Milch, in die wir Nescafé bzw. Carocafé (heißt hier „Ecco“, „Caro“ würde auf Spanisch auch „teuer“ bedeuten) einrühren können.

Außerdem leeren „wir“ die Packung Dominosteine, bevor sie schmelzen und die Tasche beschmieren können.

Auf der Autobahn halten wir nicht so häufig an, um Bilder zu machen, auch wenn es rechts und links oft ganz nett ist, heute fahren wir auf der „Ruta del Bosque“ die ganze Zeit durch Forstgebiete, die „Rutas del Vino“ und die „Ruta de la Fruta“ liegen nun hinter uns, auch wenn wir immer wieder verunfallte Wassermelonen (und heute auch Honigmelonen, dicke Maiskolben und grüne Paprika) auf dem Standstreifen entdecken.
Weil unser Tandem ein neues Geräusch macht halten wir irgendwo am Rand noch einmal im Windschatten eines geschlossenen Restaurants an. Es scheint aber nur ein Gurt in den Speichen gewesen zu sein, also geht es weiter … gegen den viel zu früh auffrischenden Wind.

Und eventuell ist genau dieser kurze Halt unser Glück! Wir kommen an einer frischen Unfallstelle vorbei, wo sich das Auto kopfüber jenseits des Straßengrabens befindet. Es muss mit überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen sein, und es hätte uns sicher auf dem Standstreifen mitgerissen, wenn wir gerade auf der Höhe gewesen wären. Puh! Die Insassen werden schon an einen Baum lehnend versorgt, scheinen also nicht lebensgefährlich verletzt zu sein.

Das eine Schleifgeräusch am Tandem haben wir vorhin behoben, aber gestern haben wir in der Vorderachse ein deutliche Spiel bemerkt. Dort ist ein Nabendynamo der Deutschen Firma SON aus Tübingen verbaut, völlig wartungsfrei und angeblich unverwüstlich. Aber das Lagerspiel kann man nicht nachjustieren. Nach 10.000 Kilometern dürfte so ein starkes Spiel eigentlich noch nicht auftreten. Vermutlich liegen wir mit unserem Tandem auch hier wieder an den Belastunsgrenzen „normaler“ Fahrradbauteile. Wir schicken eine Telegram-Nachricht an Dan von Pankerad (er hat seinen Fahrradladen allerdings im Dezember geschlossen) und eine E-Mail an die Firma SON. Mit dem YouTube-Video-Link (unten) hoffen wir auf Ratschläge. Wir rechnen noch mit maximal 3.000 bis 4.000 Kilometern und möchten wissen, ob wir einfach so weiterfahren können.

Als etwa 12 Kilometer vor unserem Ziel links eine Shell-Tankstelle liegt, halten wir wieder an, lassen das Tandem stehen und gehen über eine Fußgängerbrücke (die es hier sehr häufig gibt, weil es viele Bushaltestellen gibt) zum „Upita“-Laden der Shell-Tankstelle.

Fußgängerrampe zur Shell-Tankestelle (unser Tandem ganz hinten unten)

Auf der RN-5 müssen wir immer wieder über Brücken, an denen der Standstreifen fehlt und wir auf die Fahrbahn hinüberwechseln müssen. Das erinnert uns stark an den Highway 101 vor Santa Barbara, auf dem ein Radfahrer an genau so einer Stelle zu Tode kam, und zwar kurz bevor wir nach Santa Barbara fuhren. Seit Santa Barbara fahren wir mit Rückspiegel, seit unserem Unfall in Argentinien mit zweien.

Die letzten Kilometer vergehen schnell, und um viertel vor eins haben wir uns die holperige Auffahrt zur Hotelrezeption hinaufgekämpft. Wir müssen uns bis zum Einchecken um 15 Uhr beschäftigen. Hier gibt es keinen richtigen Ort, die Wasserfälle sind so ein Touristenmagnet, dass es dieses Hotel, Campingplätze und Cabañas und jede Menge Souvenierläden gibt. Wir erkunden also erst einmal ein wenig das große Areal des Hotels, gehen im Hotelrestaurant, das unten an der Straße liegt, etwas trinken und anschließend reihen wir uns in die Massenwanderung zum großen Wasserfall ein. Vom Hotel aus sehen wir die obere Kante, hier laufen wir unten ziemlich nah daran. Die Gischt sprüht und kühlt, und im Wasser unten sind viele Menschen und planschen.

Es ist kurz vor 15 Uhr und wir können langsam einchecken gehen. Auf dem Weg zu Rezeption kommt uns auf der steilen Auffahrt ein Pferdekarren entgegen. Wir wundern uns, wie der überhaupt bremsen kann … und finden heraus, dass das Pferd das alles stemmen muss, denn die Bremse des Karrens ist schon lange kaputt.

Unser Zimmer hat eine Fensterfront zum Wasserfall und viel Platz, ansonsten ist hier seit den 80-er Jahren wohl nichts gemacht worden. Noch ungeduscht gehen wir erst eine weiter Runde über das großzügige Terrain: Ein paar Arbeiter errichten gerade einen kleinen Solarpark. Der Naturpool ist voller grüner Algen und hat zur Zeit eher wenig Wasser. Am „Strand“ am Fluss kann man sich im klaren aber stark strömenden Wasser erfrischen.

Der Golfplatz ist nur durch Schilder zu erkennen, das Gras steht kniehoch bzw. liegt abgemäht auf dem Platz, an einer Stelle grasen Alpakas. Es gibt ein Rotwild-Gehege und eines mit Ziegen. Dort ist wohl heute erst ein kleines Zicklein geboren worden, es müht sich noch, aufrecht zu stehen und bei der Mutter sieht es auch noch nach Geburt aus.

Zum Abendessen geht es ins Hotelrestaurant, wo es für Viktor heute Hirsch und Rotkohl gibt, auch wenn der Hirsch doch nicht vom Gelände des Hotels stammt (wegen der Hygieneauflagen beim Schlachten).

Dienstag 14.1.25 – (161) – Saltos del Laja – Mulchén

Gesamt: 10.137,83 km

Wir stehen kurz vor Sonnenaufgang um 6:15 Uhr auf und haben aus dem Hotelzimmer einen einmaligen Blick auf den mondbeschienenen Wasserfall. Hier versagen beim Einfangen der Stimmung alle unsere Handykameras gnadenlos, der Mond war viel schärfer und schöner, aber dennoch:

Und zehn Minuten später schon ist er nicht mehr zu sehen.

Beim Frühstück verbrennt sich Viktor die Fingerkuppe im heißen Teewasser der Teetasse und als er deshalb beim Abstellen der Teetasse zusammenzuckt, bleibt er am Teebeutelfaden hängen und reißt ihn samt Anhang aus der Tasse. Der Teebeutel fliegt im hohen Bogen aus der Tasse, platscht an Viktors Oberschenkel und landet auf dem Boden – es gibt eine kleine Überschwemmung und eine noch kleinere (aber für Männer extrem schmerzhafte!) Oberschenkelverbrühung.

Um acht Uhr fahren wir los, zunächst ganz langsam den steilen Weg zur Straße hinunter (wo gestern der Pferdekarren herunterfuhr), ähnlich der Abfahrt von der Fidelito Ranch in Tambor/Costa Rica. Im „Supermarkt“, in dem man an einer Theke bestellen muss, was man haben möchte (heißt aber Supermarkt) besorgen wir noch die nötigen Getränke für heute, dann geht es wieder auf die RN-5. Heute geht es die gesamte Zeit in flachen Wellen auf und ab, rechts und links varriiert es zwischen Wald, Ackerland und auch Tierhaltung.

Die einzige Stadt auf der Strecke ist Los Angeles nach etwa halber Strecke. Wir fahren von der RN-5, die dort sozusagen eine Umgehungsstraße ist, ab und auf der Ex-5 auf einem Fahrradweg durch den östlichen Stadtrand. Auf Höhe des Zentrums gibt es sogar eine Tankstelle mit Pronto-Laden, wo wir eine Kaffeepause machen können. Insgesamt sparen wir knapp 17 km Autobahn, das lohnt sich schon.

Kurz hinter dem Rio Bio-Bio der gleichnamigen Region, in der wir gerade fahren, machen wir noch eine kurze „Hinternpause“ für Viktor – das viele Auf und Ab…- und sind um kurz nach eins am Zielort Mulchén. Da es eh noch zu früh für das Hotel ist, halten wir an einer Heladeria am zentralen Platz und essen seit langer Zeit das erste selbstbezahlte Banana-Split, das auch einmal ganz gut schmeckt 😉

Eine Passantin spricht uns an, und als wir sagen, dass wir seit San Francisco unterwegs sind, setzt sie sich erst einmal zu uns und gibt uns Tipps für Thermen, die wir unbedingt besuchen sollen (die liegen aber nicht so auf unserer Strecke), dann steht sie plötzlich wieder auf und steigt in ein (Elektro-)Auto.

Beim Hotel Mulchén sollen wir das Tandem einen sehr schmalen, ziemlich zugewachsenen Weg am Haus entlang mühevoll nach hinten schieben (nachdem die Satteltaschen abgenommen sind, damit wir überhaupt duchpassen) und sehen – dort angekommen – ein großes Tor zur Seitenstraße mit der Parkplatz-Einfahrt für die Autos. Dann können wir ja morgen früh lieber den einfacheren Weg zur Straße nehmen! Und wieder einmal kommen nicht alle unsere Endgeräte über das Hotel-Wifi ins Internet, obwohl sie sich alle mit dem Netzwerk verbinden. Das haben wir in Chile häufiger schon gehabt. Aber immernoch besser, als gar kein Internet, was es auch schon manches Mal gab.

Nach dem Duschen gehen wir nochmal an den zentralen Platz (Plaza de Armas) und trinken einen Moccaccino bzw. eine Limonade, dann geht es in den Supermarkt für die Getränkeversorgung und schließlich in die Neko-Restobar, wo Viktor Sushi bestellt, das auch wirklich gut schmeckt (mit frittierter Garnele … nicht roh … und Avocado, Reis, Champignons und Palmenherzen). Der zweite Gang sind dann Zwiebelringe mit Guacamole … na ja … eine sehr gewagte Speisenfolge … und süßliche Zwiebelringe passen auch nicht so wirklich zu Guacamole … aber die Taco-Chips waren leider gerade aus. Aber das dazu gereichte „Cuello Negro“ Stout-Bier ist wirklich gut. Jutta isst ein vegetarisches Sandwich.

Der zentrale Platz von Mulchén, die Plaza de Armas, ist an den Straßen mit richtig großen Linden (spanisch Tilo) bepflanzt. Viktor spricht zwei ältere Herren auf einer Parkbank an, und fragt, ob es unter den Linden irgendwann im Laufe des Jahres richtig klebrig wird, von den Exkrementen der Blattläuse, so wie wir das in Deutschland kennen. Dieses „Problem“ kennen die beiden gar nicht und meinen, Chile sei halt nicht so „kontaminiert“ wie Deutschland. 🙂
Tja, dann kennen die hier in Chile sicher auch nicht den würzigen Lindenhonig aus dem Honigtau, den die Honigbienen sammeln, also das, was Viktor in der Imker-AG an der Grundschule gerne „Läusekacke-Bienenkotze“ nennt, weil der gesammelte Honigtau „Läusekacke“ ist und Honig erst dadurch entsteht, dass Honigbienen den gesammelten Nektar immer wieder auswürgen und von Biene zu Biene weitergeben.

Auf dem Weg zum Abendessen sehen wir mal wieder einen ganz „normalen“ Rasenmäher (na gut … ein Verbrenner … aber immerhin). Die haben wir in anz Lateinamerika bisher nicht gesehen. Dort wurde überall mit Motorsense gemäht. Erst seitdem wir in Chile sind sehen wir wieder regelmäßig Rasenmäher, wie wir sie von zuhause kennen.

Außerdem sehen wir auf einem Haus ein kleines Windrad, das uns sofort anspricht:

P.S. Aus unerfindlichem Grund und obwohl hier absolutes Rauchverbot herrscht, riecht unser Hotelzimmer heute nach kaltem Zigarettenrauch

Mittwoch 15.1.25 – (162) – Mulchén – Victoria

Gesamt: 10.213,67 km

Nach einem mittelmäßigen Frühstück ohne Rührei (huevos revueltos) für Viktor kommen wir um acht Uhr los, heute durch das große Tor statt den engen Gang von gestern. Die Zufahrt zur RN-5 ist (aufgrund der Enge des Tals?) ganz eigenartig:

Wir überqueren heute die Grenze von der Region BioBío (Region VIII) zur Region Araucania (Region IX) in Chile. Araukania wird auch die „chilenische Schweiz“ genannt und ist nach dem bekanntesten Baum benannt, der hier wächst, die Araukarie (auch Andentanne oder Chiletanne genannt).

Trotz aller Vorbereitung werden wir heute doch etwas vom Wetter überrascht. War es bis gestern nachmittags noch richtig heiß, so ist es heute bedeckt und beim Losfahren so frisch, dass wir langärmelig losfahren. Die gesamte Strecke geht heute wellenartig auf und ab, so wie gestern schon ein Teil der Strecke, und wir müssen häufiger in den leichtesten Gang. Zum Glück haben wir heute aber schiebenden Rückenwind (bis 12 Uhr – dann wechselt er die Richtung und kommt von vorne), was die Anstiege etwas erleichtert. Unter unseren Regenjacken schwitzen wir uns in den Anstiegen allerdings klitschnass. Viktor tropft es aus den Ärmeln der Regenjacke heraus auf seine Knie. Da es aber auch zu regnen beginnt – das erste Mal seit Mittelamerika fahren wir im Regen – wollen wir die Regenjacken auch nicht ausziehen.

Wir kommen heute auf insgesamt mehr als 800 Höhenmeter, obwohl wir nur zwischen 120 und 380 Meter Meereshöhe auf und ab schwanken. Das blöde an diesen Wellen ist, dass man bergauf für 3 Kilometer schon mal 20 Minuten brauchen kann (bei 9 km/h), bergab aber für die gleichen 3 Kilometer nur 6 Minuten (bei 30 km/h) braucht. Dadurch kommen einem die Steigungen natürlich elend lang vor, während die Abfahrten immer viel zu schnell wieder vorbei sind.

Die erste Pause machen wir an einer kleinen Holzhütte, deren eine Hälfte eine richtige Küche ist, und in deren anderen Hälfte Tische und mit Flickenteppichen belegte Bänke stehen. Wir sitzen im Trockenen, trinken heißen Nescafé-Moccacino und zahlen im Anschluss, auch wenn die Betreiberin ein Schild ausgehängt hat, dass Touristen bitte erst bezahlen, dann verzehren sollen. Wir sind wohl so vertrauenswürdig wie „Camioneros“ – die LKW-Fahrer.

Nach ziemlich genau der halben Strecke halten wir noch einmal (an einem richtigen Gebäude) beim „Portal del Sur“ und machen eine ausgiebigere Pause und Viktor holt das fehlende Rührei vom Früstück nach.

Kurz danach erreichen wir Collipulli und fahren über eine lange Autobahnbrücke ohne jeglichen Seitenstreifen. So eine lange Brücke hatten wir schon lange nicht mehr, und das gehört zu den gefährlichsten Fahrsituationen, die wir so erleben. Zum Glück können wir recht flott leicht bergab fahren, und es überholen uns nur wenige Laster, die alle für uns auf die Überholspur ausweichen. Direkt hinter der Brücke bleiben wir auf dem Seitenstreifen stehen, denn wir sind soeben an einem Denkmal vorbeigefahren, das wir leider keines Blickes würdigen konnten, dem Malleco-Viadukt, der zweithöchsten Eisenbahnbrücke Chiles.

Nur zwölf Kilometer vor „Victoria“ halten wir noch ein drittes Mal, diesmal an einem Rastplatz. Es gibt nichts zu kaufen, aber zwei unterschiedliche Toiletten- und Duschhäuschen: eines nur für die „Camioneros“, das andere für die „Generales“, Frauen, Kinder und Behinderte sind aufgeführt. Wir fragen einen Lastwagenfahrer, ob es in Chile Lastwagenfahrerinnen (Camioneras) gibt, und er antwortet „Sehr viele!„. Und wo diese dann Duschen oder zur Toilette gehen? „Na, da drüben!“ – und zeigt auf das andere Gebäude. Das ist doch mal Gleichberechtigung!

Viktor hat aufgrund des heutigen Zielortes den ganzen Tag einen Ohrwurm im Kopf – „Da hat das rote Pferd sich einfach umgekehrt …“. Gruß an Viktoria H.

Pünktlich um drei kommen wir am Hotel Royal in Victoria an. Das Tandem darf in einen sehr liebevoll bepflanzten Garten, wir bekommen ein Zimmer, dass mit drei Betten recht vollgestellt ist, und das mit unseren nassen Sachen. Hoffentlich trocknet alles bis morgen früh – eine Klimaanlage zur Unterstützung braucht es hier in der Gegend offenbar nicht mehr.

Nach dem Duschen gehen wir zur nahegelegenen Plaza de Armas und im Café Momento noch einen Kaffee trinken. Viktor kann auch der Cognac-Sahne-Torte nicht widerstehen. Wir gucken uns auch schon ein Italienisches Restaurant für abends aus, gehen aber erst zurück und lesen, schreiben und rechnen ein bisschen (bzw. lassen Excel rechnen).

Das „Bon Appetit“ entpuppt sich vor Ort als richtig gut, wir haben beide unterschiedliche Canelones, die man hier mit verschiedenen Bechamelsaucen verfeinert bestellen kann, z.B. mit Nussmehl oder mit dem Mehl der Kerne der Araukarie.

Abschließend noch etwas zur Tandem-Technik und unserem Problem mit dem Lagerspiel an der Vorderachse: Wir haben sowohl von Dan (ehemals PankeRad) als auch von der Firma SON sehr gute Antworten erhalten. Es handelt sich wohl wirklich um einen beginnenden Lagerschaden, mit dem man aber gefahrlos noch ein paar tausend Kilometer weiterfahren kann. Wir müssen das natürlich im Auge behalten, aber eine frühzeitige Reparatur kommt derzeit auch logistisch kaum in Frage. Wir können und wollen nicht schon wieder irgendwo eine lange Pause einlegen und auf Ersatzteile aus Deutschland warten.

Eine kurze Recherche der im SON 28 verbauten Kugellager ist erst einmal beruhigend. Die Vorderachse mit zwei SKF-Kugellagern müsste eigentlich 400 Kilogramm (statisch) aushalten. Da liegen wir mit dem vollbepackten Tandem deutlich darunter (230 – 250 kg).

Donnerstag 16.1.25 – (163) – Victoria – Temuco

Gesamt: 10.280,04 km

Beim Packen unserer Sachen hören wir vor unserem Fenster die ganze Zeit ein Deutsches Handy erzählen, nach dem Frühstück immer noch, aber eine dazugehörige Person sehen wir nicht. Die Rezeptionistin organisiert uns einige Samen der Araukarie im Hotelgarten (ziemlich groß), damit wir sie mitnehmen und in Deutschland eventuell einpflanzen können. Zwei davon sind allerdings schon gekeimt.

Piñónes der Araukarie (rechts zwei schon gekeimte)

Als wir im nahegelegenen Supermarkt unsere Getränke gekauft haben und losfahren können, ist es etwa neun Uhr und trotzdem noch recht kalt. Wir fahren beide mit langer Hose und langen Ärmeln – erstmalig, aber eventuell ab jetzt immer bzw. häufiger. Der Weg zur RN-5 ist nicht weit, und dann hat uns der Autobahn-Seitenstreifen wieder. Auch heute ist er immer wieder ordentlich verdreckt und Reifenteile mit den bei Radreisenden berüchtigten feinen Drähten liegen darauf herum. Nicht immer ist die Slalomfahrt erfolgreich.

Die Hügel halten sich heute in Grenzen, so dass wir gut vorankommen. In dieser Gegend wächst vor allem Getreide rechts und links, wir identifizieren Hafer, aber auch Raps und Dinge, die wir nicht (er-) kennen.

Die Pause (heute nur eine, einmal abgesehen von PP) machen wir nach knapp 40 Kilometern wieder einmal in einem Pronto, der zu der Zeit (halb zwölf) gerade sehr, sehr gut besucht ist – viele Familien, die heute entweder in den Urlaub fahren oder zurückzukommen scheinen.

Die Abfahrt nach Temuco liegt noch fast 15 Kilometer vor der Stadt, die Straße ist fast so befahren wie die Autobahn, hat aber einen Radweg. Kurz hinter dem Stadtrand halten wir doch noch einmal an einer Mall, weil es noch zu früh zum Einchecken scheint, und essen ein Eis.

Nur 200 m vor dem Hotel bemerken wir einen platten Reifen hinten, können aber zum Glück noch bis zum Hotel schieben. Das Einchecken ist etwas mühselig, da beide ein Online-Formular aus Corona-Zeiten ausfüllen müssen (das dann zum Unterschreiben ausgedruckt wird). Wir erhalten später auch noch eine Bestätigungsmail, in der unter anderem angekündigt wird, dass unsere Körpertemperatur bei Ankunft im Hotel gemessen wird und unsere Füße desinfiziert werden. Die Rezeptionistin ist etwas überrascht, als Viktor später am Abend nochmal hingeht und auf einer Temperaturmessung besteht.

Direkt nach der Ankunft im Hotel wechseln wir aber als Erstes auf dem Parkplatz vor dem Hotel den Schlauch, denn aufs Flicken können wir zur Zeit verzichten, da wir sehr viele Schläuche mit uns herumfahren. Bei der Reparaturarbeit liegen zeitweise Kleinigkeiten auf der Treppe zum Hoteleingang, was sofort von der etwas gestressten Rezeptionistin bemängelt wird, aber immerhin dürfen wir auf dem Grundstück die Reparatur durchführen. Grund für den Platten ist natürlich ein feiner Draht (Filament) aus einem überfahrenen Autoreifen-Fetzen.

Nach dem Duschen gehen wir eine Runde durch das Zentrum dieser uns relativ hektisch anmutenden Stadt. Temuco ist die Hauptstadt der Region Araucanía, hat über 200.000 Einwohner*innen und wurde erst sehr spät von den spanischen „Eroberern“ (oder muss man besser „Invasoren“ oder „Besatzer“ sagen?) gegründet. Die in der Region lebenden Mapuche wehrten sich über 300 Jahre lang erfolgreich gegen die Eroberung. Temuco ist aber auch wichtiges Zentrum der Deutsch-Chilenen.
In der Touristeninformation erfahren wir, dass eigentlich schon alles geschlossen ist oder gleich schließt, nur den Parque Urbano Isla Cautín könnten wir noch besuchen, in dem es von allen Chilenischen Bäumen mindestens ein Exemplar geben soll. Das lassen wir aber, statt dessen besorgen wir erst Getränke für morgen und gehen dann schon früh Abendessen.

Gleich bei uns um die Ecke ist das „vegan bike food„, da müssen wir als Radfahrende natürlich hin. Der Eingang ist im Obergeschoss eines Wohnhauses, man muss an der Tür klingeln, um eingelassen zu werden, aber ist man erst einmal drinnen ist es wirklich sehr nett.

Es ist immer noch relativ früh, also gehen wir nach dem Essen noch zur 2021 eingeweihten „Puente Treng Treng Kay Kay„, der ersten asymmetrischen Brücke Chiles, deren Name Mapuche ist.

Auch zu unserem beginnenden Lagerschaden am Vorderrad haben wir heute nochmal weitere Nachrichten erhalten. Unter anderem wird es als „mutig“ bezeichnet, mit dem Pino-Tandem auf große Tour gegangen zu sein. Na Mahlzeit! Aber wir erhalten für die Schraubenverbindung der Spannachse vorne noch einen wichtigen Tipp, den wir beherzigen werden. Die auf der Spannschraube angegeben 10 Nm Drehmoment sind wichtiger als wir gedacht haben, denn je nach „Weichheit“ der Gabel können Biege-Wechselbelastungen das Kugellager schädigen, wenn die Schraube nicht voll angezogen ist. Später erfahren wir außerdem, dass unsere Wasserdurchfahrten (z.B. Richtung Salta) das Lager ebenfalls beschädigt haben könnten. Vielleicht ist aber auch der Unfall in Argentinien die Ursache des Lagerschadens, denn das war ja auch ein sehr starker seitlicher Schlag.

Das tatsächlich verbaute SKF-Rillenkugellager – doch etwas weniger tragfähig.

Freitag 17.1.25 – (164) – Temuco – Villarrica

Gesamt: 10.362,79 km

Vor dem inkludierten kontinentalen Frühstück bepacken wir das Tandem und können so direkt im Anschluss losfahren. Viele der anderen Gäste haben ihr Gepäck im engen Frühstücksraum dabei – sehr gemütlich!

Es ist bei Abfahrt wieder ziemlich kühl, so um die 10 Grad Celsius, und wir sind wieder langärmelig und in langen Hosen unterwegs. Zu Beginn können wir längere Zeit über einen eigenständigen Radweg quer durch die Stadt fahren, bis er durch eine Baustelle unterbrochen ist, nach der wir dann auch bald auf eine Hauptstraße ohne Radweg abbiegen müssen. In diese viel befahrene Hauptstraße mündet etwas später die um Temuco herumgeführte RN-5, wir fahren „einfach“ geradeaus und sind wieder auf der Panamericana bzw. RN-5. Um ohne Schotterstrecke nach Villaricca zu kommen, fahren wir heute bis Freire noch auf der 5, ab dort dann auf der CH-199.

Kleiner Radwegschaden auf dem ersten Streckenabschnitt

Kurz vor dem Straßenwechsel auf die CH-199 liegt an der Gegenfahrbahn in Freire die einzige Tankstelle und sicher vorhersehbare Pausenmöglichkeit. Es gibt dort heute keine Fußgängerbrücke, aber eine Ausfahrt, das scheint für uns ja fast noch besser zu sein. Als wir aber an der anderen Seite ankommen, führt die Straße nur in Richtung Norden zurück auf die Autobahn – es handelt sich nur um einen „Retorno“ (Wendemöglichkeit) und ein Ausfahrt, aber es gibt keine Zufahrt zur Tankstelle. Wir nutzen die Ausfahrt regelwidrig auf dem Standstreifen als Geisterfahrer und fahren die paar Meter zur Tankstelle auf der falschen Straßenseite zurück. Niemand hupt oder schimpft!

Nach der Pause ist der Rückweg zur Fahrbahn Richtung Süden dann ganz einfach und regelkonform, denn wir können die Ausfahrt diesmal in die richtige Richtung benutzen. Kurz darauf kommt die Abfahrt nach Villarrica – es sind aber noch 52 Kilometer Landstraße bis dorthin. Wir hatten gehofft, dass unsere Ohren ab hier ein wenig Erholung bekommen, den der Verkehr auf der RN-5 war schon nervig laut auf dem linken Ohr, aber die CH-199 ist im Prinzip genauso laut wir die Autobahn. Es gibt zwar zwischendurch mal kurze Atempausen (bzw. „Ohrenpausen“) ohne Autoverkehr, dafür ist der Gegenverkehr jetzt deutlich näher an uns dran und somit lauter, denn es gibt keinen trennenden Mittelstreifen und jede Fahrtrichtung ist noch einspurig. Zum Glück ist die Straße auf dem größten Teil neu asphaltiert und hat einen schmalen, aber sehr guten Seitenstreifen.
Wenn im Gegenverkehr wieder mal ein mutiger Autofahrer überholt, ohne uns als „echten“ Gegenverkehr anzusehen, kommt er uns bei verdammt hoher Geschwindgkeit schon gefährlich nahe und wir können auf dem schmalen Standstreifen nicht weiter nach rechts ausweichen. Einmal ist es knapp genug, dass Viktor den berühmten Finger zum Gruß hebt.

Als wir um eine Kurve fahren, haben wir ganz plötzlich und unverhofft für kurze Zeit erstmals einen atemberaubenden Blick auf den Vulcan Villarrica.

Plötzlich fahren wir darauf zu – Vulkan Villarrica

25 km vor dem Ziel wollen wir noch eine Pause machen, gerne mit dem hier überall angebotenen Käse. Und zufällig liegt gerade hier das Restaurant „Hornitos de Puquereo„, das laut Aushang am Zaun auch Käse im Angebot hat. Dummerweise haben sie zur Zeit keinen da, da der lokale Hersteller im Verzug ist. Wir bleiben trotzdem, denn immerhin steht auf der Karte neben Nescafé auch Juan Valdez Café, den wir ja aus Kolumbien kennen. Als wir dann die zwei Milchkaffee serviert bekommen, sind das zwei Becher Milch und ein Glas Instantkaffee – von Juan Valdez! Damit haben wir ja überhaupt nicht gerechnet!

Um zwanzig nach vier kommen wir am reservierten Bed & Breakfast „Omi Kika“ in Villarrica an, und wie von Jutta fast vermutet, kommt der Name von „Oma Erika“ aus dem Deutschen. Oma Erika sitzt auch auf der Terrasse und begrüßt uns in Deutscher Sprache. Auch die schon etwas älteren Söhne sprechen Deutsch, aber nicht mehr ganz so fließend. Sie sind erst hier in Villarrica zur deutschen Grundschule, danach in ein deutsches Internat in Temuco gegangen. Heute geht die Schule hier bis zum Abitur, damals musste man nach der sechsten Klasse wechseln. Wir haben aus dem Zimmer vom Balkon seitwärts Blick auf den See, geradeaus auf einen Bach.

Nach dem Duschen gehen wir erst zu einem Eisenwarenhandel (Ferreteria), um einen 21-er Maulschlüssel für die Vorderradachse zu kaufen, denn ab sofort wollen wir die Schraube so fest wie möglich anziehen, weil wir den Hinweis von SON beherzigen wollen. Viktor gibt den Hinweis auch an die Pino-Community auf Facebook weiter.

Danach gehen wir weiter durch den sehr touristischen Ort spazieren und suchen ein Restaurant mit schönem Ausblick auf den See und den Vulkan. In der Vizenta Trattoria setzen wir uns zum Abendessen und werden sofort gefragt, ob wir wegen des „Tenedor Libre“ gekommen wären: heute Abend gibt es Pizza satt für einen Festpreis und nicht á la Carte, alles andere kann aber bestellt werden. Viktor nimmt das Pizzabuffet, Jutta ein Risotto. Die Bedienungen kommen immer wieder mit Pizzen nach draußen, und wenn noch etwas übrig ist, wenn sie bei uns ankommen, kann Viktor ein Stück bekommen. Das geht immerhin schneller als das Servieren der Getränke. Unser Ober muss sich mehrfach „1000-fach entschuldigen“, wie man im Spanischen sagt (mil disculpas).

Als wir wieder im Zimmer sind, hören wir von draußen sehr laut Heavy-Metal-Musik – hier ist wohl am Freitag Abend richtig was los! Am nächsten Morgen erfahren wir von unserem Wirt, dass beim Peruaner Karaoke gesungen wurde und er irgendwann die Polizei gerufen hat.

Samstag 18.1.25 – (165) – Villarrica – Lican Ray

Gesamt: 10.440,83 km

Wir bekommen unser Frühstück mit See- und Vulkanblick um kurz nach acht serviert. Heute ist cremiger Honig dabei, der an Rapshonig erinnert, von dem wir aber später erfahren, dass es Scheinulmen-Honig (Miel de Ulmo) ist. Bis wir bei einem Supermarkt Getränke gekauft haben, ist es halb zehn, ehe wir loskommen.

Für heute haben wir uns eine landschaftliche schöne Strecke am See entlang ausgesucht. Wir sind schließlich in einer der schönsten Seen-Regionen Chiles unterwegs, der Araucania Lacustre, wie es hier auch auf vielen Hinweisschildern steht. Wir wollen nach Pucón am See Villarrica entlangfahren, dort Pause machen, umkehren und dann nach Lican Ray an den nächsten See fahren. Wir hoffen während der Fahrt auf schöne Aussichten auf den See und wenig Verkehr, da uns die Ruta 5 mit ihrem Verkehrslärm schon manchmal ein wenig gestresst hat.

Tja, und dann sind wir an einem Samstagvormittag in den Sommerferien offenbar auf einer der am Wochenende meistbefahrenen Straßen unterwegs. Und die hat einen sehr schmalen, und dazu noch extrem schlechten Seitenstreifen. Außerdem sind Reflektoren links neben der Fahrbahnbegrenzung so angebracht, dass wir entweder auf dem Begrenzungsstreifen fahren müssen (mit Absturzrisiko auf den schlechten Seitenstreifen zu dem es meist eine kleine Asphaltkante gibt) oder noch weiter auf der Fahrbahn als es ohne die Refelktoren erforderlich wäre. Das ist fürs Radfahren so ziemlich das Blödeste, denn du kannst den Seitenstreifen nicht sicher befahren, ohne in riesige Schlaglöcher zu fallen oder dir einen Platten einzufahren, die Autofahrer sind aber der Meinung, dass du genau dorthin gehörst, und lassen dich das beim Überholen mit 30 cm Seitenabstand deutlich spüren. Der eine oder andere hupt natürlich auch hinter dir. Der Großteil der chilenischen Verkehrsteilnehmer ist aber sehr geduldig und bleibt hinter uns, wenn ein sicheres Überholen mit genug Seitenabstand nicht möglich ist. Trotzdem ist das natürlich recht stressig. Wenn das wenigstens mit schönen Ausblicken belohnt würde. Aber nein, die Sicht auf den See ist eigentlich immer durch Zäune, Hecken oder (kräftig mit dem „schönen Seeblick“ beworbenen) Immobilien verdeckt. Ganz selten können wir durch eine offene Grundstücks-Pforte mal einen Blick auf den See erhaschen. Oder wir fahren an einem öffentlichen Strand vorbei und sehen dort das Wasser.

In Pucón versuchen wir vergeblich, ein Café mit Seeblick zu finden – dort sind nur Kanuverleihe o.ä., für Cafés muss man ins Ortsinnere. Das relativ neu eröffnete Café Brutal öffnet zwar erst um halb zwölf, lässt uns aber schon 15 Minuten eher setzen und bestellen. Juttas „Seeds and Nuts“ kommen mit Honig, und hier bekommen wir auf Viktors Nachfrage die Tüte mit dem lokalen Ulmenhonig gezeigt. Honig in Tüten ist für uns eher ungewöhnlich. Einen Krug Zitronen-Rosmarin-Wasser gibt es hier für jeden Gast kostenlos.

Als wir nach einer guten Stunde Pause einen Großteil der Strecke bis Villarrica zurückfahren, stehen auf der Gegenfahrbahn kilometerlang die Autos im Stau, wir waren dann doch glücklicherweise vor dem großen Ansturm in Richtung Pucón unterwegs und fahren jetzt gegen den Strom.

Bevor wir an der S-853 nach Süden abbiegen, halten wir für einen Eiskaffee noch bei Onces Alemanas (Deutsche Imbisse) – für ein Bier der angeschlossenen Igel-Brauerei ist es noch zu früh. Es liegt ein Gästebuch aus und wir verewigen uns mit unserem Aufkleber – wegen des „Alemanas“ natürlich in Deutsch.

Der Weg vom einem zum nächsten See ist sehr viel hügeliger als der vorherige Weg am See entlang, wir müssen immer rauf und runter. Immerhin ist hier etwas weniger Verkehr. Wir kommen durch ein Neubaugebiet von Villarrica, sogar auf einem Radweg. Der ist dummerweise irgendwo abrupt mit „Absturzkante“ zuende (Tagesbild). Kurz darauf geht es auf die S-95-T, die Villarrica mit Lican Ray verbindet, und auf der schon wieder deutlich mehr Autos unterwegs sind.

Ohne eine weitere Pause schaffen wir es zu zwanzig vor fünf zum Hostal Playa Grande direkt am großen Strand mit schwimmenden Bädern im See. Alle Straßenränder hier sind voll mit kreuz und quer parkenden Autos, am Strand liegen die Menschen wie Ölsardinen. Es ist so ganz anders als in Villarrica oder Pucón. Unsere Hostalbetreiberinnen erzählen uns, dass von dort (und anderswo) die Menschen hierher zum Baden kommen und meist abends wieder wegfahren.

Ziemlich voll am Strand

Wir machen nur einen kleinen Rundgang – mehr lohnt sich hier nicht – und gehen beim „Rosa Mond“ Chinesisch essen, anschließend einen Pisco Sour zur Happy Hour trinken.
Viktor hat nämlich heute mit sich selbst um einen Pisco Sour gewettet, dass wir auf den letzten 33 Kilometern ab den Onces Alemanas keine weitere Pause machen werden, wenn er keine vorschlägt (denn Jutta braucht nachmittags eigentlich gar keine Pausen). Und obwohl das Auf und Ab wieder mal von der Sorte „wir brechen jetzt Deinen Willen“ ist, also teilweise ganz knapp an die Grenze der für uns gerade noch fahrbahren Steigungen herankommt, gewinnt Viktor seine Wette, denn die Stokerin spult das Nachmittagsprogramm herunter als wäre es eine kleine Landpartie.

die Happy Hour Piscos, die Viktor mehr oder weniger alleine trinkt – am nächsten Morgen hat er einen kleinen Brummschädel
Moderne Wurlitzer mit Musikvideos vor der „Happy Hour“ Kneipe

Im Hotelzimmer ist die auf der Terrasse aufgehängte Wäsche schon trocken, dem Wind und der Sonne sei Dank. Während des schönen Sonnenuntergangs lassen wir den kalten Wind noch unser heißes Zimmer abkühlen, dann geht es ans Schreiben.

Sonntag 19.1.25 – (166) – Lican Ray – Panguipulli

Gesamt: 10.496,56 km

Wir haben die netten Hotelbetreiberinnen dazu gebracht, uns statt erst ab neun schon um halb neun das liebevolle Frühstück zu servieren. Da es die ganze Nacht bis früh morgens draußen sehr laut von den vielen Partygästen hier war (wenn die Disco um 4 Uhr schließt, geht die Disco für einige Hartgesottene halt vor unserem Hotel am Strand weiter), kann man fast verstehen, warum hier niemand früh aufstehen will, aber wir wollen ja nicht zu spät loskommen.

Die ersten fliegenden Händler bauen sich auch schon wieder auf, und wir erfahren, dass sie alle illegal dort am Strand stehen (und meistens keine Chilenen sind … und wie fast immer in ganz Lateinamerika haben die Venezuelaner angeblich die wachsende Kriminalität und die Drogen im Ort zu verantworten). Unser Hostal und Restaurant ist 1965 eines der ersten hier gewesen, und seit die Händler dort am Strand stehen, ist der Restaurantbetrieb stark eingebrochen. Kein Wunder, dass die Betreiberinnen nicht gut auf die unerwünschte Konkurremz zu sprechen sind.
Wir bekommen zum Abschied noch Honig und eine Kupfertafel mit einer nur hier in der Region wachsenden (also endemischen) Pflanze, der „Copihue“ (Chilenische Wachsglocke) geschenkt. Das ist die Nationalblume Chiles und sie symbolisiert für die indigene Bevölkerung der Mapuche Glück, Tugend, Freude, Freundschaft und Dankbarkeit. Bei unserer Abfahrt gibt es noch ein paar noch ein paar Fotos, die wir später sogar per WhatsApp erhalten.

Chilenische Nationalblume: Copihue – Chilenische Wachsglocke

Der Weg aus Lican Ray heraus sieht vor, dass wir über eine gefährliche Brücke fahren bzw. schieben – es geht also schon mal gut los.

Danach gibt es noch kurz ein wenig Schotter, aber dann sind wir auf der Hauptstraße. Wir nehmen nicht den direkten Weg nach Panguipulli, sondern wollen im Uhrzeigersinn um den Lago Calafquén herumfahren. Nach nur einigen Kilometern verlassen wir die Region Araukanien und kommen in die XIV. Region „Los Rios“.

Auf der Straße um diesen See fahren längst nicht so viele Autos, und wir sehen viel häufiger den See im Vorbeifahren oder von verschiedenen „Miradores“ (Aussichtspunkten). Teilweise sind es wirklich atemberaubende Aussichten auf schneebedeckte Gipfel mit kristallklarem See im Vordergrund.
Heute begegnen wir auch wieder vielen anderen Radfahrenden, in unserer Richtung, aber auch entgegenkommend. Die Strecke hat einige starke Steigungen zu bieten und scheint deshalb auch eine beliebte Trainigsstrecke zu sein.

Nach nur knapp 20 Kilometern sind wir im einzigen größeren Ort Coñaripe und suchen etwas zum Pausieren. Die an der Hauptstraße angezeigte Seeterrasse ist noch geschlossen, aber nebenan ist eine kleine Bäckerei mit Café, die wir auswählen (leider ohne WC – dafür müssen wir zur „Feria“ zurücklaufen und dort bezahlen, und zwar passend!). Eine in Brasilien lebende Familie unterhält sich eine ganze Weile mit uns – sie sind schon 5000 km gefahren (mit dem Auto 😉 ). Sie machen ein Foto von uns und unserem Tandem mit ihrer Tochter auf dem Stoker-Sitz. Wir geben ihnen einen unserer Sticker mit. Wenn Sie das hier also lesen, schicken Sie uns doch bitte gerne das Foto per email an panamericana@themakowskis.de, dann fügen wir es hier im Blog ein.

Kurz darauf halten wir beim „Mirador Ñisoleufu“, wo wir uns mit einer Gruppe Rennradfahrenden austauschen. Ein junge Triathletin (sie trägt ein Ironman-Shirt) meint, wir würden „hacer trampa“ (Schummeln), weil wir auch Bus gefahren sind. Viktor erklärt ihr, dass man das als Triathletin gerne so sehen darf, es uns aber in diesem Sabbatjahr vor allem um „disfrutar“ geht (Vergnügen, Spaß haben) und nicht um „sufrir“ (leiden).

Und ab hier kommt die heftigste Steigung heute, mit zum Teil über 13 %. Nur im ersten Teil müssen wir einmal schieben, den Rest schaffen wir fahrend, bevor wir dann mit einer tollen Abfahrt belohnt werden. Hier haben wir den Lago Calafquén schon verlassen, fahren noch dicht an der Laguna Pullinque entlang und danach weiter in Richtung des Lago Panguipulli. Landschaftlich ist das alles sehr schön!

Etwa 15 km vor dem Ziel halten wir an einem kleinen Stand, gleichzeitig mit zwei Radfahrerinnen aus Temuco, die heute den ganzen Lago Calafquén umrunden – von Lican Ray einmal im Gegenuhrzeigersinn. Sie haben die große Steigung noch vor sich.

Wir kommen immer näher an Panguipulli heran, aber es geht immer noch überwiegend aufwärts, und wir sehen weder Wasser noch einen Ort am Horizont. Erst einen guten Kilometer vor dem Hotel erahnen wir den Ort – wir fahren wirklich von oben in ein Tal hinein. Das Hotel ist sozusagen auf halber Strecke zwischen Ortsanfang und dem Seeufer, der ganze Ort liegt am Hang. Heute ist es bei unserer Ankunft circa 15 Uhr.

Um vier können wir einen Willkommenskaffee trinken, den wir mit einem Stück Kuchen versüßen, danach gehen wir an den See, machen einen kleinen Rundgang und landen zum Essen in einem Pasta-Restaurant.

In ganz Lateinamerika sind uns immer wieder alle möglichen Dinge (Geschäfte, aber auch andere Lokalitäten) aufgefallen, die „Eben-Ezer“ heißen, was uns bislang kein Begriff war. Weil es aber immer wieder zu sehen ist, haben wir es doch einmal nachgeguckt. „Stein der Hilfe“.

In der Araukanier-Region gibt es häufig das Gewürz „Merkén“ zu kaufen (auch in Deutschland). In Lican Ray haben wir erfahren, dass es sich um geräuchertes Chilipulver handelt, das ist ein traditionelles Gewürz der Mapuche aus dieser Region und es gibt davon verschiedene Variationen.

„Merken“: „Aji ahumado“ – geräuchertes Chilipulver

Woche 41 (6.1.25 – 12.1.25) San Fernando – Bulnes

Montag 6.1.25 – (153) – San Fernando – Curicó

Gesamt: 9.682,89 km

Zunächst halten wir heute einmal fest, dass wir anscheinend schon in zu vielen unterschiedlichen Unterkünften waren. Es passiert immer häufiger, dass wir sie durcheinander bringen. Hier z.B. haben wir gestern Abend 1. an eine ältere Zimmernummer gedacht, 2. beim Türstopper im Bad hat Viktor gefragt, ob Jutta den jetzt doch umgedreht hätte, dabei war es vorgestern, als ein Zimmertürstopper falsch herum am Boden befestigt war und 3. hat Jutta den Fensterverschluss zwischen den Fenstern gesucht, obwohl es diesen auch im vorherigen Hotel gab.

Wir frühstücken pünktlich um 7:30 Uhr am bereits komplett aufgebauten Frühstücksbüffet (eine Seltenheit hier in Chile) mit extra großen Teetassen mit Spruch darauf. Vor dem Losfahren interessieren sich noch mehrere Hotelangestellte für unser Abenteuer und begleiten uns z.T. noch nach draußen zum Tandem und zur Abfahrt. Viktor hat danach einen neuen Follower auf Strava.

Wir haben uns entschieden, kreuz und quer über Landstraßen statt direkt über die Autobahn 5 zu fahren. Das sieht später dann so aus:

Es sind so viele verschiedene Straßen, dass heute die Kilometermarkierungen am Straßenrand durchgängig recht kleine Zahlen sind. Einmal ist der Seitenstreifen sehr schmal, ansonsten kann man aber gut fahren. Das ganze Gebiet ist grün und bunt: weiterhin viel Obst, Mais, bunte Blühstreifen, Sonnenblumen. Nach über 30 Kilometern steht die erste Pause an, vorher gibt es einfach keine Gelegenheit, obwohl fast überall menschliche Siedlungen sind. In Chépica finden wir die Cafeteria Kolu, eine sehr nette kleine Oase, unter Bäumen, und wir dürfen sogar unsere Brotreste verzehren.

Noch eine Stunde weiter erwartet uns die einzige nennenswerte, dafür aber recht steile, Steigung, die „Cuesta el Peral“ (Steigung der Birnbaum). Beim Rauffahren finden wir am Straßenrand eine Chilenische Flagge und klemmen sie uns hinten unter die Gurte. Mehrere Autofahrer rufen uns motivierende Worte zu, und wir schaffen den Anstieg ohne schieben zu müssen. Bei der anschließenden Abfahrt erreichen wir dank einer längeren Gerade einen neuen Geschwindigkeitsrekord: 71,4 km/h.

Nach der Abfahrt, machen wir in der „Tentacion de las Churrascas“ eine Mittagspause und Viktor probiert jetzt endlich einen Completo Italiano, viel besser als ein Hotdog, da er mit Mayonnaise, Tomate und Guacamole kommt – die Farben der Flagge Italiens.

Heute ist nach längerer Zeit wieder einmal so ein Tag, an dem wir vor dem Haus stehen, zu dem uns der Garmin mit der eingegebenen Adresse der Unterkunft schickt, und leider völlig falsch sind. Was uns an manch anderem Tag schon mal ordentlich stresst ist heute aber recht entspannt. Wir haben ja Zeit und sind scheinbar fit genug, dass die paar Kilometer nichts ausmachen.
Beim Suchen der richtigen Strecke per GoogleMaps hält eine Moped-Fahrerin neben uns an und lädt uns zu sich nach Hause ein, um eine Pause zu machen. Sehr nett, aber wir müssen ja nur noch zu unserer Unterkunft und lehnen deshalb dankend ab. Es sind noch einmal fünf Kilometer durch die Stadt, mit Radwegen, die irgendwo beginnen und plötzlich wieder im Nirwana enden – natürlich ohne abgesenkten Bordstein – wir nehmen irgendwann dann doch meist die Straße.

Die reservierte Ferienwohnung ist in einem von etlichen gleichen Mehrfamilienhäusern, der Wohnanlage „Condominio Altos Del Boldo“. Wir melden uns am Gate an und bekommen den Weg erklärt, dann muss Viktor mit etlichen WhatsApp-Nachrichten hin und her die Bezahlung (bar am Gate – wir können ja keine „Transferencia“ per App machen, weil wir keine Chilenen sind und kein Konto in Chile haben) klären und wir erhalten den Türeintrittscode, nachdem die Security am Gate die Bezahlung per Anruf bestätigt hat.

Die Wohnung ist sehr, sehr warm. Im vorhandenen Waschtrockner waschen wir schnell unsere Fahrradklamotten (statt wie sonst immer in der Dusche). Jutta will sie kurz antrocknen, aber man kann den Trockenvorgang leider nicht stoppen, also werden heute alle Sachen, inkl. Viktors Radfahrhose und unseren Kappen, maschinell getrocknet … na wenn das mal gut geht …

Wir gehen einen Kilometer zurück zu einer kleinen Mall, entscheiden uns doch gegen das Selbstkochen von lang-vermissten Nudeln mit Barilla-Pesto (es ist einfach zu warm in der Wohnung) und essen bei Papa John’s eine Familienpizza. Wieder einmal gibt es weder Oliven noch Champignons für die vegetarische Hälfte noch Cherrytomaten für die Hähnchenhälfte (und auch nur die Familiengröße – für die Kleinere haben sie keinen passenden Teig da), und heute fragt Viktor, was denn in Chile los sei: überall fehlen Sachen, und man müsste vor der Bestellung eigentlich fragen, was denn überhaupt gerade vorhanden sei, man fühle sich ja fast wie früher im kommunistischen Teil Deutschlands. Die Erklärung: Es ist Montag und sie bekommen erst morgen wieder frische Ware – am Wochenende ist alles leergekauft worden.

Wir holen uns noch ein paar kühle Getränke im Supermarkt – unter anderem ein eher weniger zu empfehlendes „Lucuma-Bier“ – und zurück im Apartment schreiben wir am Blog und planen noch ein paar mögliche Abstecher zu schönen Seen östlich der Ruta 5 und des „Valle Central“ auf unserem Weg Richtung Süden.

Dienstag 7.1.25 – (154) – Curicó – Talca

Gesamt: 9.753,41 km

Wir fahren ohne zu frühstücken los, weil wir heute den ganzen Weg auf der RN5 fahren und es nach nur zehn Kilometern eine Frühstücksmöglichkeit gibt – da müssen wir nicht extra Brot usw. kaufen. Die Autobahn nehmen wir, da wir übernachtungstechnisch bis Talca kommen müssen und alle besser zu fahrenden Strecken weit über 100 km lang wären.

Beim Herausfahren aus Curicó entdecken wir ein Wandbild, auf dem steht, dass Curicó die Hauptstadt des Radfahrens ist. Leider ist so schnell kein Foto möglich, es gibt aber viele Radwege, die auch benutzt werden, das ist uns schon aufgefallen.

Ansonsten ist ein Tag auf der (auf einigen Kilometern für Fahrräder verbotenen) Autobahn nicht sehr ereignisreich oder schön, obwohl auch heute viele Blüten und Weinberge am Straßenrand zu sehen sind.

Bei „Pronto“ an der COPEC-Tankstelle zum Frühstück schauen wir nach: „Va y Ven“ in Panamá und „Pronto“ in Chile gehören nicht zum selben Konzern, auch wenn man das vermuten könnte. Viktor befragt wieder mal die Künstliche Intelligenz „Gemini“ von Google.

Nach 40 Kilometern machen wir noch eine Pause im „Las Puertas del Paraiso“ für ein kaltes Getränk zwischendurch.

Kurz vor dem Verlassen der Autobahn halten wir noch einmal bei einer Copec, die allerdings kein großes „Pronto“ hat sondern nur ein kleines „Punto“, dann fahren wir lange über eine Umgehungsstraße um Talca herum. Dabei passieren wir ein ganzes Viertel mit gleichen, teilweise verbrannten, fast allen verlassenen Häusern – in einigen wenigen gibt es offenbar noch Bewohner.
Das letzte Stück in die Stadt führt uns dann auf einer stark befahrenen Straße über einen extrem schmalen Radweg ins Zentrum. Manchmal ist es wirklich besser, keinen Radweg zu haben.

Als wir an unserer Zieladresse ankommen, denken wir, Komoot hätte wieder etwas durcheinandergebracht, obwohl wir das Hotel Casa Azul gebucht haben und das Haus, vor dem wir stehen, auch tatsächlich blau (azul) ist. Es sieht aus wir ein Wohnhaus, ist mit Toren verrammelt, es steht nichts dran und der Rest der Straße sieht nicht nach Stadtzentrum aus, obwohl wir im Zentrum gebucht haben. Wir sind aber dennoch richtig, es ist nur niemand da. Wir fahren also ein paar Blöcke weiter und finden ein sehr nettes Café mit Fahrradladen, wo wir uns die Zeit verteiben, bis wir Nachricht erhalten, dass uns jetzt jemand erwartet.

Das Casa Azul entpuppt sich als Hostal statt wie angenommen 3-Sterne-Hotel. Der Sohn des Betreibers öffnet uns und erzählt, dass er 2016 für elf Monate in Deutschland war: in Cloppenburg, Barßel und Friesoythe, und in Wilhelmshaven war er zu einem Musikfastival auch. Lustig!

Leider funktioniert das W-LAN wieder einmal nicht. Wir verbringen den Nachmittag also mehr in einem „Salón de Té Picnic y Aventura“ und können das dortige WIFI nutzen. Es läuft italienische Musik in Dauerschleife, Adriano Celentano, Eros Ramazotti, Opern-Arien, Ricchi e Poveri (Sarà perché ti amo), etc, etc …

Als wir nach dem Abendessen in einer Restobar (die die Nudeln mit Spargel aufgrund des fehlenden Spargels und die Ingwerlimonade aufgrund des fehlenden Ingwers heute leider nicht anbieten kann…) noch ein wenig herumspazieren, fallen uns noch viel mehr verlassene und heruntergekommende Gebäude auf. Ganze Blöcke mitten in der Innenstadt, eine Schule, eine Fußgängerzone – fast ein bisschen gruselig. Wikipedia sagt aber, dass Talca in den letzten Jahren stark expandiert ist. Wir finden nicht sicher heraus, ob es noch immer die Nachwirkungen des Erdbebens am 27. Februar 2010 sind, was aber gut sein könnte.

Mittwoch 8.1.25 – (155) – Talca – Linares

Gesamt: 9.838,73 km

Natürlich gibt es auf so einer Tour auch mal Differenzen und unterschiedliche Meinungen. Immer wieder stehen wir – so wir gestern bei dem extrem schmalen Radweg – vor der Entscheidung: „Fahren wir auf diesem grottenschlechten Fahrradweg weiter oder doch lieber auf der lebensgefährlichen Straße?“ Oder: „Müssen wir jetzt unbedingt die Straße kreuzen, um auf der linken Fahrbahnseite vorschriftsmäßig diesen bescheidenen Radweg zu nutzen?“ Oder: „Wollen wir wirklich in diesen Schotterweg hineinfahren, in den uns unser Garmin-Navi gerade leiten will?“ … zu Letzterem kommen wir heute nochmal …

Nicht immer beantworten Captain und Stokerin diese Fragen gleichlautend.
Heute morgen beim Frühstück packen wir zum Beispiel unsere Mora-Marmelade (Brombeere) von Watts aus, denn zum Frühstück erhalten wir nur Schinken, Käse und Butter zum Toastbrot. Die Verpackung der Marmelade ist für so eine Radtour total praktisch, denn es ist eine Tüte mit Schraubverschluss. Zum Glück gibt es die in Chile wieder zu kaufen und wir haben im Supermarkt sofort zugeschlagen. Am Ende des Frühstücks stellt sich jedoch die Frage: „Ist es unbedingt erforderlich, das Außengewinde des Schraubverschlusses zunächst sauber abzuwischen, bevor der Verschluss wieder aufgeschraubt wird?“
Eine von uns meint, dass alle Apotheker*innen das auf jeden Fall immer tun würden. Der andere … na ja … sucht noch Apotheker*innen, die das nicht für erforderlich halten. Mitte melden! 😉

Watts-Marmeladen-Tüte mit praktischem Schraubverschluss

Wir haben uns für heute wieder entschieden, nicht der Ruta 5 (die hier auch gleichzeitig die Panamericana ist) zu folgen, sondern einen größeren Bogen nach Osten Richtung Anden zu fahren bevor wir uns südwärts zum heutigen Etappenziel Linares bewegen. Das ist zwar insgesamt eine längere Strecke, aber auf den Landstraßen fühlen wir uns wohler als auf der Ruta 5. Im täglichen Wechsel ist so auch die Ruta 5 mit ihrem starken Verkehr für jeweils einen Tag ganz erträglich.

Die ersten 10 Kilometer aus Talca heraus sind ziemlich nervig, denn wir fahren wieder auf dem extrem schmalen Radweg von gestern. Zudem steht die Sonne noch tief im Osten und blendet derartig, dass man die Schlaglöcher und Gullideckel (manche mit Längsrillen, in denen das Vorderrad steckenbleiben könnte) nicht rechtzeitig erkennen kann, um noch auszuweichen. Entsprechend langsam geht es voran und Viktor fehlt es ein wenig an der Motivation, ordentlich in die Pedale zu treten. Als wir dann auf der Landstraße unterwegs sind wird die Umgebung schon ein bisschen netter. Für San Clemente haben wir bei Kilometer 22 die erste Pause eingeplant, aber die angefahrene Tankstelle hat keine Baños (Toiletten) und man schickt uns zu den öffentlichen Toiletten neben der Touristeninformation. Die kosten 350 Pesos und sind die schlechtesten bisher in Chile. Die Pause machen wir ganz in der Nähe ohne Kaffee an Schachbrett-Tischen mit Sitzgelegenheit.

Kurz hinter San Clemente führt uns unsere Komoot/Garmin-Navi-Kombination auf die K-593, eine ziemlich untergeordnete, aber asphaltierte Straße, die uns Richtung Süden über Colbun nach Linares führen soll. Nach einigen Kilometern wird die Straße schmaler, wir fahren über einige Bäche und Flüsse und finden die Gegend eigentlich sehr schön. Aber dann verwandelt sich der Asphalt in Schotter, irgendwann müssen wir über eine am Boden liegende Stahlglieder-Kette fahren und dann taucht ein Schild auf, dass uns darauf hinweist, dass wir nun auf eine Privatgelände fahren. Dahinter liegt ein großes Gelände mit Lastwagen und schweren Baumaschinen, die alle zwischen großen Kies- und Schotterbergen herumfahren.

Wir kommen an eine kleine Hütte, in der eine Art Security-Büro eingerichtet ist. Davor sitzen drei Männer und wir fragen, ob das hier eine offizielle Straße sei. Ja, früher sei das eine Straße gewesen, aber die sei letztes Jahr vom Fluss weggespült worden. Wir könnten weiterfahren und müssten dann aber den knietiefen Fluß mit dem Fahrrad durchqueren. Da hat uns Komoot (und Open Street Maps, auf dessen Kartenmaterial Komoot zurückgreift) ja wieder einen Streich gespielt. Wir drehen um und müssen dann einen etwas größeren Bogen fahren als wir eigentlich geplant hatten.

Als wir endlich die L-11 erreichen, eine größere Landstraße, die bis nach Linares führt, beschließen wir, auf dieser zu bleiben und heute keinen weiteren Komoot-„Abkürzungen“ mehr zu folgen.

Am Stausee Machicura legen wir nochmal eine kurze Pause ein, weil wir wenigstens einen Blick auf den Stausee werfen wollen, den wir von der Straße aus einfach nicht zu sehen bekommen. Der Parkplatz des „Balnearios“ (Badestelle) ist noch relativ leer, aber ein Stand hat gerade angefangen „Mote con Huesillo“ und andere kalte Getränke zu verkaufen. Die frisch frittierten Empandadas werden leider erst gegen Ende unserer Pause angeboten und wir können nur noch ein Foto davon machen.

Die letzen 20 Kilometer nach Linares ziehen sich ziemlich hin. Es ist etwas Gegenwind aufgekommen und das Gefälle in Richtung Linares ist nicht so stark wie erwartet. Wir sind erst nach 16 Uhr am Hotel, für uns eher spät, und haben über 80 Kilometer abgespult.

Trotzdem schaffen wir es heute noch in ein ordentliches Café (La Francesa) und besorgen uns in Nachos Barbershop (Instagram) sommerliche Kurzhaarschnitte der besonders kurzen Art – zumindest für Jutta der letzte Haarschnitt unserer Reise ;-).

Wir schaffen es noch in einen Supermarkt und einmal um die „Plaza de Armas“, aber dann ist der Tag für uns auch vorbei, denn der Blog wartet ja auch noch.

Donnerstag 9.1.25 – (156) – Linares – Parral

Gesamt: 9.880,87 km

Unsere durchgewaschenen und im Zimmer aufgehängten Radfahr-Klamotten sind nach dem Aufstehen noch ziemlich feucht, obwohl die Klimaanlage die ganze Nacht durchgelaufen ist und auf 24°C eingestellt war. Wir haben wohl das feuchteste Zimmer (Nr. 10) des ganzen Hotels Real bewohnen dürfen. In der hinteren Ecke sieht man an der Wand auch deutliche Schimmelspuren. Es gibt doch nicht Schöneres, als morgens in feuchte Klamotten zu steigen und zu wissen, dass sie tagsüber am Körper trocknen werden. Besonders die Innenpolster von Radfahrhosen (Viktor) sollen eigentlich tagsüber Feuchtigkeit aufnehmen, um Haut-Irritationen zu vermeiden, aber sicher nicht Feuchtigkeit abgeben. Na ja … Luxusprobleme … wir stellen uns vor, wie das Ganze aussähe, wenn wir wirklich regelmäßig zelten würden und dann morgens Zelt und Klamotten klamm oder feucht wären.

Nach der gestrigen Erfahrung mit der Navigation trauen wir Komoot heute buchstäblich nicht „über den Weg“ und entscheiden uns wieder für eine Teilstrecke auf der Panamericana bzw. Ruta Nacional 5. Dadurch wird die Etappe heute zwar recht kurz, aber nach der gestrigen längeren Etappe stört uns das nicht sonderlich. Es fließen einfach zu viele Flüsse von den Anden (Osten) zum Pazifik (Westen) mit nur wenigen Brücken in Nord-Süd-Richtung.

Als wir auf einer richtig ländlichen Straße an der RN5 ankommen, gibt es leider nur eine Auffahrt Richtung Norden – falsche Richtung! Dank einer Fußgängerbrücke kommen wir aber auf die andere Seite und befinden uns für die nächsten 20 km wieder auf dem Seitenstreifen der Panamericana.

Irgendwann ist eine (Toiletten-) Pause fällig und eine Tankstelle am Straßenrand. Am dazugehörenden Restaurant blinkt eine Anzeige mit „Bienvenidos“ und „Abierto“, worauf Viktor kurz mal hinweist (typisch Deutsch!). Drinnen stehen zwei Damen an der verschlossenen Tür und sagen, dass sie geschlossen hätten (Öffnung erst um 10, jetzt ist es kurz nach neun – die Anzeige wird daraufhin ausgeschaltet :-)). Die Toilette für die Tankwarte kann aber benutzt werden – immerhin.

An der Diagonale L-60/L-61 verlassen wir die RN5 und können auf Landstraßen weiterfahren. Ziemlich bald kommt ein Ort, und wir finden ein Café in einer Seitenstraße. Jutta blickt auf die Feuerwehr, an deren Gebäude etwas von „Bomberos de Retiro“ steht. Wir fragen uns erst, ob es eventuell alles Rentner sein könnten (eher nicht) und kommen dann darauf, dass dieser Ort wohl „Retiro“ heißen muss (stimmt). Nach den letzten Tagen fragen wir im Café erst, was sie denn alles dahaben, und sie sind ganz verwirrt: Alles, was auf der Karte steht, haben sie natürlich auch da. Wir bestellen erst zwei Milchshakes, danach noch zwei Kaffees (ohne zusätzlichen Sirup-Geschmack, ganz unchilenisch).

Auf der Weiterfahrt kommen wir an einer Plantage vorbei, in der die Bäume auf den Zentimeter genau in einer Linie stehen. Im Vorbeifahren sieht man unter mehreren Blickwinkeln und Diagonalen alle Bäume gerade hintereinanderstehen.

Der Zielort Parral entpuppt sich als etwas hügelig, obwohl wir immer noch in einer flachen Gegend unterwegs sind. Wir sind schon um 12 Uhr am Hotel Brescia, müssen uns aber noch gedulden und gehen zunächst ins Zentrum des Ortes zur obligatorischen Plaza de Armas. In einer Straße liegen gleich mehrere Apotheken direkt nebeneinander:

Apotheken-Panorama – fünf Apotheken nebeneinander – gegenüber gibt es sogar noch mehr

Als Viktor ziemlich große Bienen (vermutlich Hummeln) entdeckt und sein Handy zückt, werden wir von der dort wohnenden Frau angesprochen. Als sie erfährt, dass wir Deutsche sind, erzählt sie von ihrer Nichte, die gerne nach Deutschland möchte (Tourismus-Branche) und bei den Formalitäten Hilfe braucht. Wir bieten diese an und tauschen Nummern aus. Später stellt sich per WhatsApp heraus, dass sie eher einen Arbeitsplatz in der Gastronomie/Hotelerie sucht. Der Lebensgefährte ist Agrar-Ingenieur, könnte also eventuell im Agrarbereich gut aufgehoben sein. Viktor schreibt von der Saisonarbeit in der Landwirtschaft. Von den Gurkenfliegern im Spreewald haben wir aber eher abgeraten, weil die Arbeit zu den härtesten gehört, die es in der Landwirtschaft gibt. Sie werden ab März wohl die Region Leipzig aufsuchen, denn dort haben sie bereits Kontakte. Wer also Jobs anzubieten hat – wir könnten den Kontakt vermitteln. Oder Ihr geht gleich auf ihren Youtube-Kanal und kontaktiert sie dort.

Beim Gang über die Plaza de Armas sehen wir ein Schild, das Radfahrenden auf dem Platz mit einem Bußgeld droht (Multa). Der Betrag ist hier in Chile auf Schildern immer in „UTM“ angegeben. Endlich können wir mal jemanden fragen, der in der Nähe auf einer Parkbank sitzt. UTM ist hier eine eigene Einheit, derzeit circa 67.000 Pesos. UTM ist automatisch inflations-korrigert und steigt daher monatlich. So müssen die Schilder nicht ständig neu produziert werden.

Im Café Cactu gibt es noch einen Kaffee und für Viktor die typisch Chilenische Mil Hojas-Torte, für die wir uns heute bei Pierre L. für die Einladung bedanken.

Wir bekommen weitere Tipps für den Süden Chiles und noch ein paar Erklärungen zu der im Café Cactu ebenfalls angebotene Kosmetik mit Kaffeesatz-Zusatz, die die Besitzerin selbst herstellt.

Dann geht es ins Hotel. Nachdem wir gestern beim Blick aus dem Fenster auf eine weiße Wand, ca. 30cm entfernt, geguckt haben, können wir heute sehr weit gucken und erblicken sogar Schnee:

die Anden sind in Chile nie so richtig weit entfernt

Während wir am Blog schreiben kommt ein WhatsApp-Anruf von Jani aus Kopenhagen und wir verquatschen uns ein wenig, bis der Hunger uns daran erinnert, dass es Zeit fürs Abendessen ist. Natürlich öffnet das Hotelrestaurant erst um 19:30 Uhr, also haben wir dann doch noch genug Zeit für einen schnellen Einkauf im Supermarkt und ein paar weitere Zeilen im Blog.

Beim Abendessen im Hotelrestaurant „Avanti“ lernen wir Enrique kennen, der mit zwei Peruanischen Kollegen am Nachbartisch sitzt. Er hat deutsche Wurzeln, hatte in der deutschen Schule in Valdivia „Deutschlandkunde“ und arbeitet 10 Monate im Jahr in peruanischen Blaubeer-Plantagen, an dennen wir im Norden Perus auch vorbeigekommen sind. Enrique gibt uns einige Tipps für die Gegend um Puerto Montt und unsere Weiterfahrt Richtung Süden. Wir haben wieder einmal richtig Glück mit unseren Zufalls-Bekanntschaften. Am liebsten würde er uns auch zu sich nach Hause einladen, aber wir werden den Süden erst erreichen, wenn er schon wieder in Peru ist.

Freitag 10.1.25 – (157) – Parral – Villa Baviera (Colonia Dignidad)

Gesamt: 9.921,32 km

Als wir die Fahrt von Parral in Richtung Süden geplant haben, ist uns aufgefallen, dass die Villa Baviera – ehemalige Colonia Dignidad – recht nah an der Route liegt, und so haben wir beschlossen, dort einen Zwischenstopp, also eine Übernachtung, einzulegen. Das bedeutet heute eine kurze Tour! Gestern Abend haben wir uns zur Vorbereitung eine Fakt-Sendung aus 2017 angeschaut.

Nach dem Frühstück schieben wir das Tandem wie so häufig wieder auf die Straße, bepacken es unter mehreren Paaren neugieriger Augen und können erst starten, nachdem verschiedene Fotos gemacht sind. Die Hotelangestellten wollen etwas bei Instagram posten .

Wir kommen gut aus Parral heraus und fahren heute die ganze Zeit durch Land- und später vor allem Forstwirtschaft – hier riecht es sehr gut nach Pinienharz. Jutta assoziiert mit diesen Geruch komischerweise plötzlich einen Ausritt mit zwei Cousinen (Michaela und Angela) in Tunesien (?) – da war sie so etwa sieben Jahre alt :-).

Wir haben eine kurze, steile Steigung nach ca. 23 Kilometern und machen direkt vorher eine kurze Trinkpause am Straßenrand. Während wir stehen, bemerken wir recht große Fluginsekten mit orangefarbenen Tupfern. Beim Fahren scheinen sie uns zu verfolgen – gerne oben auf dem Helm. Viktor beruhigt Jutta, dass sie bestimmt nicht stechen, wenn sie auch einmal auf der Haut sitzen.

Schon nach dem großen Felsen „Villa Baviera“ am Straßenrand steht links im Wald ein Verkaufswagen, die „Deutsche Ecke“, und wir hören zwei Männer Deutsch sprechen. Spontan machen wir nur wenige Kilometer vor Schluss noch eine Pause. Es gibt ein Stück Frankfurter Kranz für Viktor.

Hier erfahren wir auch, dass die Insekten Tabanos heißen, hier nur zwischen dem 20. Dezember und 20. Januar in Massen fliegen und doch stechen bzw. beißen. Es ist eine Art Bremsen und sie wollen an unser Blut.

Kurz vor dem Ziel kommt eine Kontrollstelle mit Schranke: nach Villa Baviera kann man anscheinend nicht unkontrolliert hinein. Unsere Reservierung im Hotel wird gecheckt und wir dürfen weiter. Ab hier gibt es keine befestigte Straße mehr, wir können aber langsam fahren und müssen nicht schieben. Schon um 12 Uhr sind wir am Hotel Baviera, werden aber bis 15 Uhr noch einmal weggeschickt :-(.

Wir machen einen Spaziergang durch den Ort und werden von immer mehr Tabanos angefallen, so dass wir die ganze Zeit am Herumwedeln sind. Das macht einen etwas verrückt.

Wir gehen trotzdem die große Runde, kommen irgendwo am Kartoffelkeller (den wir aber zunächst nicht finden) vorbei, an Cabañas, an der Post, an der Bäckerei… Richtig Sehenswertes ist nicht dabei, und das Museum im Kartoffelkeller macht erst um 14 Uhr wieder auf. Wir gehen also erst noch etwas Kaltes im Zippel-Haus, dem Restaurant, trinken, dann ist es nach 14 Uhr. Um halb drei ist die Museumstür allerdings immernoch verschlossen … was ist denn mit der angeblichen deutschen Pünktlichkeit passiert 😉

Langsam gehen wir zum Hotel und können endlich einchecken. Davon, dass wir als Ausländer keine Mehrwertsteuer zahlen müssen, hat die Dame an der Rezeption noch nie gehört, also müssen wir heute tiefer in die Tasche greifen. Dafür bekommen wir aber auch ein „exquisites“ Zimmer direkt unter dem Dach: sehr, sehr heiß, ohne Möglichkeit zu kühlen und praktisch ohne W-LAN Signal (das hat man nur im Flur). Immerhin erfahren wir, dass das Museum jetzt geöffnet hat. Nachdem zumindest einer von uns geduscht hat, machen wir uns also noch einmal auf den Weg.

Es erwarten uns vor allem Fotos, ausbleichende mit Tintenstrahldrucker bedruckte DIN A4-Zettel und Zeitungsausschnitte. Zuerst denkt man, alles Negative würde ausgespart, aber je weiter man hineinkommt, umso mehr werden dann doch Wahrheiten ausgestellt. In einem zweiten Raum sind Dinge aus dem Krankenhaus, zum täglichen Leben in den nach Alter und Geschlecht getrennten Wohngruppen etc. gezeigt.

Wir wundern uns hinterher, dass es anscheinend keinen Kurator gibt/gegeben hat, obwohl eine Kommission in Deutschland und Chile längst empfohlen hat, dass an diesem Ort eine Gedenkstätte errichtet werden muss, um an die gruseligen Geschehnisse und Menschenrechtsverletzungen zu erinnern – hier sind eindeutig Laien am Werk.
So sieht Erinnerungskultur aus, wenn sie ausschließlich privat von einigen Opfern vor Ort organisiert und finanziert wird. Laien tackern Zettel an die Holzwand einer alten Kartoffelscheune. Wenn man bedenkt, dass hier jahrzehntelang unkontrolliert Millionen aus der deutschen Rentenkasse hingeflossen sind, als Paul Schäfer noch sein Unwesen trieb, ist es schon ein kleines Armutszeugnis, dass jetzt weder Geld für eine Gedenkstätte noch für Opfer-Entschädigungen aus Deutschland kommt, obwohl klar ist, dass Deutschland und deutsche Diplomaten bis ins Außenministerium (jahrelang auch Genscher) zumindest aktiv weggeschaut haben, wenn nicht sogar schlimmer. Zur Gedenkstättendiskussion gibt es sogar schon ein Buch.

Im Hotel versuchen wir es im „Leseraum“ mit dem WIFI und schreiben schon ein wenig am Blog, bevor wir im Bayerischen Restaurant zu Abend essen.

Bei Bayerischer Humm-ta-ta-Musik gibt es für Viktor Leberkäs mit Spiegelei (eine richtig knusprige Haxe gibt es leider nicht … nur Eisbein … dafür aber recht guten süßen Senf, den sie hier selbst produzieren) bzw. für Jutta die Trilogie aus Sauerkraut, Rotkohl und Apfelmus plus Pfannengemüse – und das alles mitten in Chile.

Anschließend unternehmen wir einen zaghaften Versuch, eine Runde mit dem Hydrobike zu fahren (was vom Hotel auf dem kleinen Teich angeboten wird – es gäbe sogar ein Tandem), aber als dort niemand vor Ort ist und wir eine Telefonnummer anrufen müssten, lassen wir es halt. Der Teich ist eh ziemlich klein! Viktor beobachtet an einer Eiche noch eine Hummel beim sammeln von „Läusekacke“, also klebrigem Honigtau … das wird leckerer Eichenhonig, wenn Honigbienen ihn einsammeln.
Dann setzen wir uns mit dem Laptop auf die Terrasse des Restaurants, schreiben am Blog und bringen der Bedienung den Begriff „Apfelschorle“ bei – Apfelkuchen, Apfelstrudel, Apfeltasche und Apfelmus kennt sie schon.

Abends beobachten wir noch eine größere Anzahl älterer Einwohner von Villa Baviera, wie sie in das Freihaus gegenüber des Hotels zu einer Versammlung gehen. Laut Dokumentarfilm wohnte der Sektenführer Schäfer in genau diesem Haus und hat dort auch die Kinder und Jugendlichen sexuell missbraucht. Wir hören im Laufe des Abends christliche Lieder aus dem Haus zum Hotel herüberschallen.

Samstag 11.1.25 – (158) – Villa Baviera – Chillán

Gesamt: 9.991,38 km

Nach einer sehr ruhigen, aber heißen Nacht dürfen wir im Baviera Hotel „ausnahmsweise“ schon um halb neun statt normalerweise erst ab neun frühstücken. Es gibt Graubrot und sehr guten Quark (aus einer Suppenterrine mit Suppenkelle) – das wird hier immer noch alles selber gemacht, ebenso wie das in Chile einzigartige Sesambrot. Im „Dorfladen“ bekommen wir unsere Getränke, wenn auch nur eine Flasche gekühlten Wassers.

Vor der Abfahrt macht Viktor noch ein kurzes Video aus dem Gang des Hotels im zweiten Stock:

Es ist nach halb zehn, als wir den Schotterweg aus diesem skurrilen Ort wieder zurückfahren. An der „Deutschen Ecke“, nach drei Kilometern, biegen wir nach links ab und es geht mehrfach steil bergauf, zweimal geht es nicht ohne zu schieben (14% Steigung). Da waren wir nicht wirklich drauf vorbereitet! Wieder mal haben wir uns vorher das Höhenprofil der Streckenplanung nicht genau angeschaut. Nervig ist außerdem, dass wir beim Bergauf-Schieben ständig von Tabanos umflogen werden, den lästigen Blutsaugern von gestern, die es auch heute wieder auf uns abgesehen haben.
Und das Auf und Ab scheint immer weiter zu gehen. Immerhin ist es landschaftlich eine Augenweide, das tröstet ein bisschen und die Laune bleibt erstaunlich gut.

Nach ca. 17 km biegen wir auf die N-31 ab und die Steigungen haben ein Ende. Auch die Region der blutsuchenden Tabanos haben wir damit scheinbar verlassen. In Tres Esquinas machen wir eine kleine Pause an einer Bushaltestelle und peilen eine Kaffepause in San Carlos ein, wo wir heute auf die RN -5 fahren wollen – fast müssen, weil es keine durchgängig asphaltierte Straße mehr in unsere südliche Richtung gibt. In San Carlos ist die Suche nach einem Café gar nicht so einfach. Ein Herr gibt uns den Tipp, auf der anderen Seite der RN-5 zu gucken, und dort finden wir ein kleines Eiscafé mit richtiger Kaffeemaschine, wo wir dann auch länger bleiben.

Über verschiedene Einbahnstraßen kommen wir zurück zur Autobahn und wissen nicht, wie weit die Strecke wohl noch ist. Am Rand stehen auch keine Kilometerangaben nach Chillan, immer nur nach Los Angeles und Concepción. Es könnte nämlich eventuell passieren, dass wir heute die 10.000 km – Marke erreichen, ganz knapp, je nachdem wie weit es über die RN-5 bis Chillan ist.

An einer Aramco-Tankstelle machen wir noch eine „Hinternpause“, weil Viktor durch den kräftigeren Gegenwind sehr fest im Sattel sitzt und wenig Gelegenheit hat, den Hintern mal für ein paar Sekunden zu entlasten, wie das auf den Abfahrten vorher möglich war. Auf seine Frage, wie weit die Plaza de Armas von Chillán denn noch entfernt sei, antwortet der Tankwart sofort: acht Kilometer, und bestätigt das auch nach ungläubigem, mehrfachem Nachfragen immer wieder.

Derart motiviert fahren wir weiter, nur, dass nach acht Kilometern noch nicht einmal die Stadt in Sicht ist. Wieder einmal ist Viktor auf einen Tankwart hineingefallen! Am Ende sind es 16 Kilometer und wir fragen uns wieder einmal: Was haben die Tankwarte eigentlich für ein Problem? Können die nicht einfach sagen, dass sie es nicht wissen? Stattdessen greifen sie wahllos irgendeine Entfernung aus der Luft! Oder hassen sie Radfahrende derart, dass sie die mit Absicht frustrieren (oder buchstäblich in die Wüste schicken) wollen?

Schon oft hat Viktor sich vorgenommen, der entsprechenden Tankstelle mal bei Google eine 1-Sterne-Bewertung zu verpassen. Nicht, dass das irgendeinen langfristigen Effekt haben dürfte, aber irgendwie senkt es den Adrenalinspiegel.

Auf diesem letzten Teilstück kommen wir auch wieder an einigen Unfallstellen vorbei, wie wir sie während der letzten Woche in dieser landwirtschaftlichen Gegend schon häufiger sehen mussten. Nach langem Überlegen haben wir uns heute entschieden, Euch diese grausamen Bilder nicht länger vorzuenthalten. Sie gehören einfach mit zu unserer Tour und sind somit Teil der Erfahrung, die wir realistisch darstellen wollen. Außerdem wollen wir uns auch selbst daran erinnern, wo das genau war, wenn wir im nächsten Jahr täglich unseren eigenen Blog lesen. Denn eigentlich schreiben wir das hier in erster Linie für uns selbst – schließlich ist das unser Ego-Jahr – und die Tage und Monate beginnen in unserer Erinnerung schon gewaltig zu verschwimmen. Immer wieder fragen wir uns gegenseitig: „Mensch, wo war das nochmal?“

Deshalb also eine Triggerwarnung: Wer jetzt weiter herunterscrollt wird das zerfetzte Fleisch von sinnlos geschredderten Verkehrsopfern zu sehen bekommen.

Richtig! Wir befinden uns ein der Melonen-Gegend von Chile und am Straßenrand stehen alle paar Kilometer Verkaufsstände mit Wassermelonen, Honigmelonen, Erdbeeren und anderem Obst. Das hinterlässt seine Spuren auch auf der Fahrbahn und dem Standstreifen.

Für heute Nacht hat Jutta ein Business-Hotel gebucht, damit wir endlich einmal gutes W-LAN und früh angebotenes Frühstück haben. Pustekuchen! Das Internet geht heute leider nicht – es ist sogar jemand zum Reparieren gekommen, aber der Fehler konnte nicht behoben werden. Und Frühstück gibt es ab acht! Ins WIFI dürfen wir im zugehörigen Hotel gleichen Namens (nur „Express“ statt „Business“) schräg gegenüber, was wir nach dem Abendessen auch annehmen.

Dieses Abendessen nehmen wir tatsächlich in einer Shopping Mall bei Burger King ein. Die bieten immerhin mit Zuverlässigkeit vegetarische Burger an. Vorher suchen wir bei 35 °C und brüllendem Sonnenschein ein geöffnetes Restaurant in „Chill“-án, das seinem chilligen Namen nun wirklich keine Ehre macht. Wir finden aber nichts Passendes, denn nach Viktors Fleischkäse-Orgie gestern Abend soll es heute mal wieder etwas Vegetarisches werden.

Übrigens war schon 2022 jeder fünfte in Deutschland von Burger King verkaufte Whopper vegetarisch. Das hat uns dann doch überrascht. Wir hätten deutlich weniger geschätzt.

Sonntag 12.1.25 – (159) – Chillán – Bulnes

Gesamt: 10.017,63 km

Vor ein paar Tagen hat Elias in Valparaíso unerwarteterweise die zwei kleinen Päckchen von Juttas Schwestern Kathrin und Barbara erhalten, die wir zu Weihnachten erhalten sollten. Zufällig ist er mit einigen Deutschen Freiwilligen aus Santiago und Valparaíso dieses Wochenende in Richtung Süden unterwegs, und heute wollen sie extra noch den Abstecher nach Chillán machen, damit wir an unsere Weihnachtspäckchen kommen. Wir wissen nicht, wann das sein wird und ob wir danach überhaupt noch weiterfahren wollen, also erfragen wir die Optionen eines Late Check Outs oder auch einer weiteren Hotelnacht. Als vor elf Uhr die Nachricht kommt, dass die Truppe sich auf den Weg nach Chillán macht, entscheiden wir, heute noch nach Bulnes zu fahren, um wenigstens etwas weiter zu kommen und uns den Berufsverkehr in Chillán am Montagmorgen zu ersparen.

Nach dem Frühstück wollen wir uns die Mexikanische Schule angucken. Diese wurde Chillán nach dem verheerenden Erdbeben von 1939 vom Mexikanischen Staat gespendet, und in den 40-er Jahren hat der Dichter Pablo Neruda zwei Mexikanische Künstler damit beauftragt, die Geschichte Mexikos und Chiles in Wandgemälden in dieser Schule festzuhalten. Seit 2004 sind diese Wandgemälde ein Historisches Nationaldenkmal Chiles. Leider kommt man nur von Montag bis Freitag hinein – und heute ist Sonntag. Nur durch das vergitterte Eingangstor kann man zwei Gemälde im Treppenhaus erkennen.

Auf dem Rückweg kommen wir immerhin in die ebenfalls nach dem Erdbeben (1942 bis 1960) neu errichtete Kathedrale von Chillán, die architektonisch schon speziell ist (Modernismo oder Racionalismo) und uns fast neuer erscheint als ihre bald einhundert Jahre.

Inzwischen sind wir sicher, dass wir heute weiterfahren, und checken erst einmal aus, lassen das bepackte Tandem aber noch in der Tiefgarage des Hotels. Da es so aussieht, als hätten alle Einkehrmöglichkeiten in den Straßen geschlossen, gehen wir in die geöffnete Mall und setzen uns ins Starbucks. Erst als die Freiwilligen sich langsam ankündigen, verlassen wir die klimatisierte Mall, holen das Tandem und gehen damit zur Plaza de Armas, vor die Kathedrale.

Um kurz vor zwei kommen Elias und sechs weiter junge Menschen auf uns zu! Neun Deutsche gemeinsam in Chillán, das gibt es wahrscheinlich nicht so oft. Sie wollen sich schnell noch die Kathedrale anschauen, stehen aber vor verschlossener Tür, da es gerade 14 Uhr geworden ist und sie dann schließt. Dieselbe Erfahrung macht Viktor an der öffentlichen Toilette am Platz: der Kirchengong erklingt, und die Tür wird geschlossen, obwohl er mit gerade ziemlich dreckigen Fingern davorsteht und sie flehend in die Luft streckt. Wenn sie schon beim Öffnen nicht so recht pünktlich sind, die Lateinamerikaner, beim Schließen sind sie es umso genauer!

Elias übergibt uns die Päckchen, und wir neun gehen alle zusammen noch in einem Mexikanischen Restaurant etwas essen, so haben wir noch etwas gemeinsame Zeit und können unsere Eindrücke aus Villa Baviera miteinander teilen. Bevor wir dann losfahren, darf Elias auf eigenen Wunsch in der Fußgängerzone, die gerade eine riesige Baustelle ist, noch zwei Runden auf dem Tandem mitfahren.

Um kurz nach halb vier, in ziemlicher Nachmittagshitze, begeben wir uns auf die Strecke. Wir haben sie nicht einmal als Navigation im Garmin, und so muss Jutta genau aufpassen, wann wir die noch fehlenden 8,62 km bis zur 10.000 gefahren sind. Wie es der Zufall will, ist dieses genau an einer Abfahrt zu einer Shell-Tankstelle der Fall, und wir fahren eben auf den Parkplatz. Dort können wir besser stehenbleiben und Bilder machen. Ab jetzt sind wir also fünfstellig unterwegs!

Um viertel nach fünf stehen wir vor dem heute vormittag reservierten Apartmenthaus. In einem Schlüsseltresor finden wir Schlüssel für das Parkplatz- und das Eingangstor sowie die Terrassentür. Die Apartment-Tür wird per Code geöffnet. Das klappt alles hervorragend, und im Zimmer läuft sogar schon die Klimaanlage.

Wir machen als erstes die verspätete Bescherung (eine Teelicht-Weihnachtspyramide, Ostfriesentee, Weihnachtssüßigkeiten, Zahnputztabletten und nette Weihnachtspost – Vielen Dank auch noch einmal hier). Nach dem Duschen gehen wir zum Supermarkt, wo auch gerade zwei Bikepacker aus Neuseeland einkaufen, die jetzt sogar noch weiter fahren wollen. Ein richtiges geöffnetes Restaurant finden wir nicht, es gibt ein günstiges Fastfood bei El Bajón.

Woche 40 (30.12.24 – 5.1.25) Olmué – San Fernando

Montag 30.12.24 – (148) – Olmué – Viña del Mar (Valparaíso)

Gesamt: 9.328,28 km

Als wir vor dem Frühstück das Tandem packen, sind wir erstaunt, wie nebelig und kalt es draußen ist, wo es hier doch eines der besten Klimata der Erde gibt. Gretel serviert uns im Klavierzimmer ein nettes Frühstück mit Avocado, selber gemachten Alfajores etc., und anschließend fahren wir mit Jacken an in den Nebel. Die nicht lange Fahrt führt großenteils durch Siedlungen, nach Olmué kommt Limache, kurz danach Villa Alemana, Quilpue, und das geht gleich über in Viña del Mar, das mit Valparaíso quasi eine Doppelstadt am Meer bildet. Die Straßen sind ziemlich schlecht und voller Autos. Außerdem geht es ständig auf und ab. Die Gegend erinnert ein bisschen an San Francisco, baer zum Glück ist es nicht ganz so steil. Vor Villa Alemana müssen wir ein kurzes Stück auf die Autobahn – anders kommen wir nicht von Ost nach West auf asphaltierter Straße. Komoot wollte uns mal wieder über eine Schotterpiste mit 17% Steigung schicken … da fahren wir dann doch lieber eine Ausfahrt auf der Autobahn.

Eine Pause machen wir wieder einmal bei Pronto an einer Cotec-Tankstelle, die haben sich schon bewährt, und an dieser in Vila Alemana gibt es sogar eine Fahrrad-Reparatur-Station.

Wir sehen unterwegs viele Deutsche Wörter in den Straßen, wie z.B. „Verkauf“ bei einem Autohändler oder „Kaufen“ bei einem Wohnungsmakler, das ist ganz lustig.

Obwohl wir viel mit den Autos und vor allem Bussen im Stau stehen, sind wir um zwölf Uhr schon am Hotel, können das Tandem im Gepäckraum unterstellen, müssen uns aber noch bis 15 Uhr gedulden, bis wir ein Zimmer bekommen. Die aus Russland stammende Rezeptionistin empfiehlt uns das „Cassis“. Dort gibt es heute leider keine Bananen und demnach kein Banana-Split, aber Viktor isst besondere Sorten Eis (u.a. Schoko-Whisky) und Jutta einen „Streusel-Kuchen“, der wirklich so heißt, weil die Backkunst hier in Chile stark von deutschen Einwanderern beeinflusst wurde. Auf dem Rückweg auf der Promenade am Meer entlang werden wir von Sicherheitsleuten zurückgepfiffen, da alles jenseits der Straßenmitte gesperrt ist, obwohl nirgends ein Schild steht oder irgendwas abgesperrt ist – das weiss man einfach. Viktor hat zum Glück aber schon ein Panaroma-Foto gemacht (auf dem keine Menschen zu sehen sind)

Panorama an der Promenade

Anschließend gehen wir noch zur Metro-Station (auch wenn die Metro eigentlich nicht mehr Metro, sondern „Efe“ heißt), kaufen schon eine Karte und informieren uns, wie man nach Valparaíso kommt, und erst dann können wir zum Einchecken wieder ins Hotel.

Wir bekommen ein Zimmer im zehnten Stock mit Blick auf den Pazifik. Dummerweise ist auch in diesem tollen Hotel das WIFI sehr schwach, aber man kann nicht alles haben. Wir verbringen einige Zeit im Hotel, bis wir von Elias Nachricht bekommen, dass er sich gerne schon heute Abend mit uns treffen will. Also nehmen wir die Metro bis Bellavista und treffen dort ertsmals seit April jemanden aus Hohen Neuendorf. Elias macht gerade ein FSJ beim YMCA, zeigt uns dieses Gebäude zuerst, und dann gehen wir einige Straßen entlang bis zu einem Aufzug. Für 100 Pesos, 10 Cent, kann man hoch- oder runterfahren – wir fahren hoch.

Oben hat Elias das „Fauna“ für unser gemeinsames Abendessen ausgewählt. Wir müssen uns anstellen und bekommen nach einer Wartezeit zunächst einen Tisch innen. Nachdem wir schon Getränke haben und auf das Essen warten, dürfen wir uns aber sogar noch nach draußen auf die Terrasse setzen, wo wir einen tollen Blick über die Bucht und Valparíso haben.

Wir verbringen ein unterhaltsames Abendessen inklusive wieder Schokoladen-Vulkanen für die Herren. An der Metro-Station müssen wir lange warten, der Zugverkehr ist unregelmäßig, und wir bekommen erst die letzte Bahn um 22:30 Uhr. Danach müssen wir das hier noch schreiben, und immer wieder fällt das WLAN im Hotel aus – das ist recht mühsam aber kurz nach Mitternacht ist es geschafft …

Dienstag 31.12.24 -Viña del Mar (Valparaíso)

Nach einem für ein „Nobelhotel“ recht bescheidenem Frühstück nehmen wir den Efe bis Puerto, weil an der nahegelegenen Plaza Sotomayor um zehn Uhr die Tour4Tips startet. Auf einer Bühne auf dem Platz probt gerade eine Band, und es ist sehr, sehr laut. Hier wird heute Abend eine riesige Silvesterfeier stattfinden – wohl ähnlich der am Brandenburger Tor. Die drei rot-weiß gestreift gekleideten Tourguides gehen mit uns großer Gruppe erst einmal an einen etwas ruhigeren Platz, bevor wir in drei Gruppen aufgeteilt werden. Es stellt sich schnell heraus, dass sich keine spanischsprachige Gruppe lohnt, und so werden wir einfach gedrittelt.

Wir drei – denn Elias ist heute auch dabei – landen bei Camilo, mit ca. 20 anderen. Als erstes gehen wir in das älteste Viertel, das Hafenviertel. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde für das Stadtgebiet von Valparaíso über lange Zeit Land gewonnen, damit die umliegenden Hügel nicht bewohnt werden mussten, heute sind alle über zwanzig Hügel bebaut. Wir gehen in und auf die relativ neue Markthalle: die alte an gleicher Stelle wurde durch ein Erdbeben zerstört, der Neubau dauerte sieben Jahre, in denen die Händler in der Nachbarschaft auf der Straße ihre Waren feilgeboten haben, und dort handeln sie weiter, weil sie für die Nutzung der Halle eine Gebühr zahlen müssten und sich die Stammkunden an die Straße gewöhnt haben. Und so steht die eigentlich tolle, mehrstöckige Halle fast leer. Von der großen Dachterrasse haben wir einen tollen Ausblick, auch wenn die Bucht noch im Nebel liegt.

Vom Hafenviertel nehmen wir einen Micro, wie hier die relativ kleinen Busse heißen, und fahren alle hoch bis zur Avenida Alemana, die sich über mehrere Hügel schlängelt und die erste richtige, längere Straße war, durch die sich die Stadt erst entwickeln konnte. Und dort oben vom Bismarckplatz können wir eine neue Aussicht bewundern. Runter geht es vorbei am Parque Cultural (der heute leider geschlossen hat), der am ehemaligen Gefängnis entstanden ist, und an den drei alten Friedhöfen. Weiter unten an der Cumming-Straße (an der Plaza el descanso) beendet Camilo die Tour.

Elias führt uns noch ein wenig herum auf der Suche nach einem geöffneten Café, und wir fahren noch einmal mit dem Aufzug „Reina Victoria“ auf den Cerro Allegre hoch. Auf dem Weg durch die engen Gassen kommen wir an einer Stelle vorbei, wo neben einer Treppe eine Rutschbahn liegt. Die Mutigste von uns probiert sie aus und schon wir haben ein tolles „Guten Rutsch“-Video für die Familie:

Nach mehreren geschlossenen Cafés finden wir noch ein geöffnetes und verbringen dort eine gute Zeit miteinander – die drei Hohen Neuendorfer fern der Heimat. Als wir mit einem Aufzug wieder nach unten fahren wollen, beginnen gerade sämtliche Handys mit lautem Notfallalarm: ein Waldbrand.

hier funktionieren diese Notfall-Push-Nachrichten auf alle Mobiltelefone tadellos!

Mit der Überlegung, uns morgen Abend noch einmal zu treffen, verabschieden wir uns bis zum „nächsten Jahr“.

Zu Zweit fahren wir wieder nach Viña del Mar, suchen auf dem Weg zum Hotel noch einen Supermarkt, wo wir uns einen Sekt, Berliner und weitere Getränke kaufen, und ruhen uns dann etwas aus. Gegen halb sechs machen wir uns auf den Weg, um zu gucken, ob wir für heute Abend ein geöffnetes Restaurant finden, denn Heiligabend war uns eine Lehre. Auch wenn Vieles um 18 Uhr schließt, wir finden einen Mexikaner, der bis 3:30 Uhr geöffnet sein wird. Also gehen wir jetzt erst noch einen späten Kaffee bei Starbucks trinken, kaufen uns Tickets für das Riesenrad an der Promenade (das seit heute wieder fährt) für 22 Uhr und gehen dann wieder ins Zimmer.

Nach Neujahrsgrüßen mit Deutschland und Spanien (um 20 Uhr, wir haben gerade vier Stunden Zeitdifferenz) gehen wir um halb neun zu „Maria Clarita“, dem Mexikaner. Dort haben sie so gut zu tun, dass wir über eine Stunde auf unser Essen warten müssen – so kann man den langen Silvesterabend auch rumbringen. Fertig gegessen müssen wir dann sofort zum Riesenrad und kontrollieren die Rechnung nicht richtig – entweder haben die uns abgezockt oder Essengehen ist hier in Viña del Mar nochmal deutlich teuerer als in Valparaíso. Der Weg Zum Riesenrad über die Promenade ist zwar gut voll, aber nicht so überfüllt wie befürchtett. Im „La gran rueda“ drehen wir ganze drei Runden, bevor wir wieder aussteigen müssen. Im Dunkeln mit den ganzen Lichtern ist die Fahrt sicher schöner als bei Tageslicht.

Nach der Fahrt und einigem Schlendern gehen wir ins Hotelzimmer und beobachten das ganze Treiben aus dem zehnten Stock durch die Fenster. Hier fahren am Silvesterabend durchgängig sehr viele Autos durch die Straßen (und hupen zum Teil). Um kurz nach Mitternacht beginnt das berühmte Feuerwerk, allein in Viña del Mar von sieben Stellen aus – sechs auf dem Meer, eine auf dem Land. Ungefähr 20 Minuten dauert das Spektakel. Und viele scheinen es sich im Auto sitzend anzuschauen. Hinterher wird noch etwas privat geknallt und vor allem gehupt. Wir machen dies hier noch fertig und beenden dann den Tag.

Mittwoch 1.1.25 -Viña del Mar (Valparaíso)

Nach einer lauten Nacht gehen wir etwas später als sonst frühstücken, wie viele andere ebenfalls, so dass das Hotel nur schwer nachkommt, Brot, Käse etc. nachzuliefern – man muss anstehen oder sich beeilen, wenn gerade Nachschub kommt.

Vormittags überlegen wir unter Zuhilfenahme einiger Ratschläge von anderen Radreisenden, wie wir ab hier am Besten weiterfahren können und bleiben dann bei unserem Plan. Dafür müssen wir die Route über Google mymaps planen und nach Konvertierung in Komoot importieren (was etwas mühsehlig ist), weil Komoot die Autobahnen nicht für nutzbar hält (im Gegensatz zu Sand- oder Schotterpisten…). Dabei laufen hier sogar Fußgänger auf den Standstreifen der „Autobahn“.

Außerdem buchen wir noch die Bootstour von Puerto Montt nach Puerto Natales – und setzen uns damit schon wieder ein festes Datum: den 7. Februar.

Gegen Mittag fahren wir nach Valpo (so der Kurzname von Valparaíso), um vor der um 15 Uhr beginnenden Walking Tour noch ein von Onkel Rudolf explizit für Valparaíso gesponsortes Mittagessen einzunehmen. Der Neujahrstag ist auch hier ein Feiertag, und zumindest unten in Hafennähe ist alles geschlossen. Auch die Aufzüge fahren heute nicht, also gehen wir zu Fuß viele Stufen und steile Straßen weiter nach oben. Hier auf den touristischen Hügeln entdecken wir dann nach einigen Cafés das Restaurant „Rosmarino“ mit offener Tür, und wir finden dort einen Platz. Keine schlechte Wahl: der Pulpo für Viktor und die Gnocci mit Spargel für Jutta sind wirklich sehr gut. Vielen Dank, lieber Rudi!

So gestärkt geht es wieder nach unten zur Plaza Sotomayor zum Start der Tour4Tips. Heute sind es weit weniger Menschen als gestern, es gibt eine spanische und eine englische Tour. Und unsere englische wird wieder von Camilo betreut! Das Paar aus Brighton von gestern ist heute auch wieder mit dabei und erkundigt sich sogar bei uns nach „dem jungen Mann“ von gestern, Elias, der heute etwas anderes vorhat. Wir unterhalten uns ein wenig und erfahren von den beiden, dass es auf dem Schiff zwischen Puerto Montt und Puerto Natales keinen Alkohol zu trinken gibt, weil in der Vergangenheit einige alkoholisierte Fahrgäste über Bord gegangen sind oder versucht haben, in ihren Kabinen auf offenem Feuer zu grillen. Immerhin soll es alkoholfreies Bier geben und die unterschiedlichen Altergruppen an Bord kommen ohne Alkohol offenbar sogar besser miteinander ins Gespräch. Außerdem haben die beiden auch noch einige Restaurant- und Hotel-Tipps für Patagonien.

Die Highlights-Tour beginnt am Hafen, dem die Stadt ihre Entwicklung verdankt. Den Namen Valparaíso trägt sie erst, seitdem die Spanier hier ankamen und sie nach dem Valparaíso de Arriba in Spanien benannt haben, von wo der Stadtgründer stammte. Die Mapuche hatten diesen Ort bis dahin „Alimapu“ genannt (verbrannte Erde), weil es hier so viele Waldbrände gibt.

Und à prospros viele Feuer: die Feuerwehren sind hier ausschließlich freiwillig, es gibt keine Berufsfeuerwehr. Und die Standorte haben hier als Namen viele Nationalitäten, angefangen mit der Amerikanischen, aber auch der Deutschen Feuerwehr, Belgisch, Schweizerisch etc., auch wenn es heute alles Chilenen sind, die dort ihr Ehrenamt ausüben.

Wir steigen über Stufen auf den Cerro Alegre (Fröhlicher Hügel) und besuchen verschiedene „Murales“ (Wandgemälde, Graffiti und Street-Art).
An einem in schwarz-weiß gemalten großen Wandgemälde waren wir gestern zufällig schon mit Elias und erfahren heute, dass der komische Typ, den wir gestern dort mit Farbtuben und Skizzenheft gesehen haben, und der eine Art Sturmhaube oder Maske über den Kopf gezogen hatte, der konsumkritische Street-Art-Künstler ist, dessen Gesicht niemand kennt. Der ist gerade dabei, sein Werk zu erneuern, denn es wurde von anderen Graffiti-Künstlern und „Taggern“ teilweise übermalt. Bei dieser Art von „Erneuerung“ kommen meist auch neue Elemente dazu, diesmal auch eine Person, die Elon Musk sehr ähnlich sieht.

Viktor erfährt auf der Tour auch, dass eines seiner Lieblingslieder aus Lateinamerika, „Gracias a la Vida“, ursprünglich gar nicht – wie er immer dachte – von der Argentinierin Mercedes Sosa ist, sondern von der Chilenischen Künstlerin Violetta Parra, der auch eine Treppe im Viertel Cerro Alegre gewidmet ist.

Um kurz nach sechs endet die Tour. Wir sind mit Elias zum Abendessen verabredet, warten auf ihn bei den „Malas Madres“ (Rabenmütter), wo wir in der Zwischenzeit etwas trinken, und gehen dann mit ihm in ein Café, wo er uns zum Abendessen einlädt. Viktor und Elias essen Pastel de Choclo, einen chilenischen Maisauflauf, der aus Zuckermais zubereitet wird. Wir unterhalten uns viel und lange über alles mögliche (Politik, Technik, Radfahren …), haben einen sehr schönen Abend, und es wird wieder recht spät, so dass wir erst um 21:00 Uhr ganz knapp die Bahn zurück nach Viña del Mar erwischen. Der Abschied von Elias fällt daher am Bahnhof leider etwas kurz und hektisch aus.

Zurück im Hotel wird noch der letzte Berlín (Berliner) geteilt und Viktor trinkt den Rest des Sektes aus. Wir schreiben den Blogbeitrag und sind erst nach 23:00 Uhr im Bett. Oh je … und morgen sind schon wieder über 800 Höhenmeter auf dem Tandem geplant ….

Donnerstag 2.1.25 – (149) – Viña del Mar – Casablanca

Gesamt: 9.378,53 km

Wir stehen um sechs auf und sind viel zu schnell fertig – das Frühstück beginnt erst um halb acht – und als wir pünktlich um halb acht im Frühstücksraum erscheinen, fehlt noch die Hälfte. Aber es sind nicht viele Kilometer (nur einige lange Steigungen…) und morgens ist es hier recht kühl, also können wir auch gut erst um halb neun losfahren.

Nach langem Überlegen haben wir uns gegen die Küstenroute Richtung Süden entschieden. Die soll zwar schöner sein und weniger Verkehr haben, hat aber auch deutlich mehr Steigungen und ist nicht überall asphaltiert. Wir wollen lieber etwas schneller vorankommen, um im schöneren und grüneren Süden Chiles mehr Zeit zu haben.

Wir fahren durch den Stadtverkehr in Richtung Valparaíso, wo wir eigentlich links ab auf die R68 abbiegen wollen. Als Radfahrer haben wir leider keine Chance, über mehrere Spuren auf die Linksabbiegespur zu kommen und fahren lieber geradeaus. An der nächsten möglichen Stelle schieben wir über eien Ampel auf die andere Straßenseite, fahren wieder zurück und können dann über eine Rechtskurve auf die richtige mehrspurige Straße auffahren. Diese wird schnell zur Autobahn, hat aber (außer bei einigen Brücken) einen breiten Seitenstreifen. Die vielen Autos und Lastwagen sind zwar laut, dreckig und manchmal auch recht nah dran, aber wir können einigermaßen fahren.

Wenn die Straße nicht so wäre, wie sie ist, wäre es sogar richtig schön, denn rechts und links ist es sehr grün, nicht nur buschig, sondern voller Bäume. Die ersten knapp 20 km gehen größtenteils aufwärts, ab dann bleiben wir mehr oder weniger auf der erreichten Höhe. Nach zwei Stunden und der langen Steigung machen wir die Kaffeepause heute mal bei einem McDonalds, was wesentlich länger dauert als an Tankstellen – irgendwie werden alle Gäste, die nach uns gekommen sind, eher mit ihrem Essen versorgt als wir mit unserem simplen Kaffee. Und die McDrive-Kunden haben offenbar sowieso Priorität vor den Kunden im Lokal. Gut, dass wir es nicht eilig haben.

Weiter geht es etwas schneller als bisher. In Casablanca fahren wir von der Autobahn ab in den Ort und finden an der Plaza de Armas mehrere Eisläden. Bei einem lassen wir uns zu einer „Trilogie“ einladen, dieses Mal von Maria Luisa M. (Nena). Vielen Dank dafür!

Danke dafür, liebe Nena!

Obwohl es erst zwei Uhr ist und man eigentlich erst ab drei im reservierten Hotel einchecken kann, fahren wir schon hin. Im Hotel Casablanca Spa & Wine können wir das Tandem vor unserem Zimmer (dem „Pinot noir“) abstellen, wo es bald von dem Besitzer-Ehepaar entdeckt wird. Sie unterhalten sich ein wenig mit uns, geben uns einen Tipp für ein Partner-Hotel in Puerto Cisnes (weit im Süden an der Carretera Austral) und machen ein Bild für ihren Instagram-Account.

Den Nachmittag regenerieren wir auf die ein oder andere Art (Viktor nutzt den Pool und macht danach ein 2-Stunden-„Nickerchen“ 😉 ), und als es Abend wird, entscheiden wir uns gegen das Grillen auf der zum Zimmer gehörenden Terrasse (mit ummauertem Grill) und gehen lieber ins hoteleigene Restaurant. Dort gibt es auf der Karte mal wieder eine sprachliche Herausforderung, denn man kann offenbar Nudeln bestellen, die mit irgendwas verrücktem gefüllt sind (Panzotti de Locos). Leo.org liefert keine brauchbare Übersetzung, aber Wikipedia zeigt uns dann, das „Locos“ in Chile und Peru eine bestimmte Art von maritimen Schnecken (Concholepas Concholepas) sind.

Freitag 3.1.25 – (150) – Casablanca – Melipilla

Gesamt: 9.436,44 km

Das Weinhotel bietet Frühstück erst ab 8:30 Uhr an, aber wir nehmen es trotzdem ein und fahren erst um 9:15 Uhr los – für uns spät. Im Restaurant/Frühstücksraum läuft und lief auch gestern abend die ganze Zeit Weihnachts- und vor allem Wintermusik (White Christmas, Let it snow, Frosty, the Snowman und vieles mehr), dabei haben wir hier Sommer. Sommerweihnachtslieder von der Südhalbkugel sind anscheinend nicht so bekannt – oder es gibt sie erst gar nicht.

Heute müssen wir keine Autobahn fahren, die Strecke nach Melipilla geht die ganze Zeit auf der F-74-G bzw. G-74-F, einer Art Landstraße. Zu Beginn ist sie stark frequentiert, auch von LKW, aber nach dem Abzweig zur Autobahn nach Santiago bzw. San Antonio hält sich der motorisierte Verkehr sehr in Grenzen. Super! Außerdem gibt es auf fast 30 km an dieser Straße einen Radweg – aufgeteilt auf zwei Strecken. Nicht, dass hier viele Menschen leben würden, die diesen nutzen könnten – vielleicht werden sie auch deshalb nicht instand gehalten – aber die Idee ist gut :-).

Landschaftlich fahren wir vor allem durch landwirtschaftlich genutze Flächen: sowohl Mais und verschiedenes Obst als auch Rinder. In der ersten Hälfte gibt es zwei heftige Steigungen, die wir erstaunlich locker nehmen. Na gut, die Höhenmeter sind für ein Ecuador-erprobtes, durchtrainiertes Tandem wie das unsrige natürlich ein Witz 😉 . Nach dem zweiten Anstieg gibt es dann eine lange, kurvenreiche Abfahrt, bei der wir 56,5 km/h erreichen.

Höhenprofil

Nach 32 km wollen wir an einer Bushaltestelle in Maria Pinto Pause machen, und zufällig steht gegenüber ein Minimarket, bei dem wir sogar zwei Kaffee bekommen. Eine Toilette wird hier leider nicht angeboten – da soll Jutta einfach bei einem Wohnhaus in der Nähe fragen gehen, was sie aber nicht macht. Ein paar Kilometer weiter am Zusammentreffen zweier „Landstraßen“ an einer Tankstelle findet sich leichter die Möglichkeit.

Gegen halb zwei sind wir in Melipilla und halten an einer Ecke mit Café, Laden und Autowäsche, weil es dort „Mote con huesillos“ gibt und wir dies schon länger probieren wollen. Es soll sehr erfrischend sein, wir finden es ziemlich süß und verstehen eigentlich nicht, was genau der Weizen in Kombination mit karamelisiertem Pfirsichsaft und dehydriertem Pfirsich soll. Muss man einfach einmal getrunken haben, und heute lassen wir uns dazu von Maria Luisa Rosell einladen. Vielen Dank, (Schwieger-)Mama!

Von hier kündigen wir unserer Vermieterin der Ferienwohnung, die wir für heute reserviert haben, an, dass wir gerne schon vor 15 Uhr kommen würden, was gar kein Problem ist – sie erwartet uns. Als wir in der Straße noch nach der Hausnummer suchen, kommt sie schon aus der richtigen Einfahrt. Wir sind erst ihre zweiten Mieter, das kleine Häuschen an der Straße vor dem Haupthaus ist noch ganz neu. Im Kühlschrank ist alles für unser Frühstück morgen (das passt super, denn wir wollen früh los!), und auf der Terrasse können wir unsere Wäscheleine bestücken. Abends ist alles schon wieder trocken (Sonne und Wind) und kann abgenommen werden. Viktor bekommt eine Flasche Rotwein aus der Gegend geschenkt. Alles perfekt, nur das WIFI braucht ein wenig, es war wohl noch gar nicht eingeschaltet ;-).

Nach dem Duschen gehen wir ins nahegelegene Zentrum. Erst besorgen wir bei Western Union neues Bargeld, dann gehen wir über die Plaza de Armas und in die ziemlich neue Kathdrale. Beim Erdbeben 1985 wurde ein Großteil von Melipilla dem Erdboden gleichgemacht. Die meisten Gebäude, auch die Kathedrale Sankt Josef, sind also nach 1985 gebaut.

Anschließend gehen wir in einem Café/Restaurant im Einkaufszentrum früh Abendessen und nach dem anschließenden Supermarktbesuch zurück zur Ferienwohnung „Motherhome„. Dort können wir jetzt bar bezahlen und werden von der Vermieterin noch mit nach hinten genommen – sie zeigt uns das ganze Grundstück mit dem Haus ihrer Mutter, die sie lange gepflegt hat, und erklärt ihre Pläne für die Zukunft mit weiteren Fereienwohnungen.

Samstag 4.1.25 – (151) – Melipilla – Rancagua

Gesamt: 9.536,59 km

Mitten in der Nacht werden wir von heulenden Sirenen geweckt: ein Waldbrand westlich von Melipilla – wir dürfen also weiterschlafen, bis um halb sechs der Wecker klingelt. Mit „Pan Ideal“, das überall sonst „Pan Bimbo“ heißt, nur hier in Chile nicht (das Ideal-Brot wurde von Bimbo aufgekauft, aber der Name durfte bleiben), Quesillo, Marmelade, Käse und Joghurt können wir so früh schon in der FeWo frühstücken und dürfen das restliche Brot und eine Packung Mini-Brownies noch mitnehmen.

Um sieben geht es bei 12°C Außentemperatur los. Wir haben ca. 100 Kilometer vor uns und uns entschieden, möglichst wenig auf der Autobahn zu fahren. Dummerweise versagt heute die Navigation mit dem Garmin, wir müssen gestern bei der Änderung der von MyMaps importierten Datei einen Fehler gemacht haben. Auf dem Bildschirm ist zwar eine Linie, der wir folgen können, aber keinerlei Navigations-Angaben. Die G-78 geht relativ parallel und hat sozusagen die ganze Zeit einen Radweg. Manchmal hört er zwischendrin einfach auf, sehr häufig parken Autos drauf (manche Fahrer bekommen von Viktor zu hören, dass dieses in Deutschland teuer wäre), manchmal muss man die Straßenseite wechseln – jedenfalls kommen wir nicht sehr schnell voran. Aber langweilig ist es dadurch auch nicht! Und am Straßenrand blüht es heute: von zahlreichen kleinen Blumen über farbenfrohe Büsche und blühende Bäume ist alles dabei – eine wahre Freude!

In Talagante biegen wir in Richtung Südosten ab und durchqueren weitere Orte, bis wir bei Paine auf die RN5 (die Autobahn) fahren, und dort bis Peuco bleiben. Dort wollen wir eine Pause machen und fahren von der Autobahn ab. Nachdem wir netterweise zwei Sitzgelegenheiten ausgeliehen bekommen haben, können wir bei gekühlten Getränken und sitzend unsere Dinge vom Frühstück verzehren. Anschließend bleiben wir auf der lokalen Straße neben der Autobahn, allerdings nur etwa zehn Kilometer bis zu einer Tankstelle in San Francisco (Toiletten- und Wassereispause), denn dann müssen wir wieder kurz auf die RN5, um von dort über eine Rampe auf die alte 5 nach Rancagua abfahren zu können.

Heute ist Samstag, und es begegnen uns wieder sehr viele andere Menschen auf Fahrrädern, sowohl Sportler auf Renn-, als auch andere Menschen auf „normalen“ Rädern. Außerdem fahren wir an drei Geisterrädern vorbei, alle drei an recht geraden Straßen (keine Kurven oder Kreuzungen). Als Jutta eines fotografiert, klingeln zwei Radfahrer, um vorbeifahren zu können. Als wir sie wieder eingeholt haben, fragen wir sie nach ihren Klingeln, denn wir dachten schon, dass es in Chile keine Fahrradklingeln geben würde. Jedes Mal, wenn wir klingeln, reagieren die Menschen gar nicht – manche drehen sich kurz um, aber noch nie hat jemand Platz gemacht. Jetzt erfahren wir, dass es hier Fahrradklingeln gibt und sie normalerweise auch beachtet werden. Wahrscheinlich liegt es dann an unserem Klingelton, der im ganz normalen Geräuschpegel untergeht, oder an unserem fremden Aussehen und dem eigenartigen Fahrrad, dass uns die Leute keinen Platz machen…

Eines von drei Geisterrädern auf der heutigen Strecke

Unsere Strecke ist am Ende ein ganz guter Mix aus kleineren Landstraßen, die mit fahrbahnbegleitenden Radwegen ausgestattet sind, und einigen Teilstrecken auf der autobahnähnlichen RN5, wo wir auf dem Standstreifen fahren. Letzteres ist hier in Chile übrigens erlaubt. Die Radwegführung erinnert uns sehr stark an Deutschland. Die Radwege sind fast immer Zweirichtungs-Radwege, die sich auf einer Straßenseite befinden. Alerdings wechseln sie ständig von der linken auf die rechte Seite und wieder zurück. Natürlich völlig ohne Vorankündigung oder Verkehrschild. Immer wieder endet also unser Radweg, wir fahren auf der Straße weiter und sehen dann plötzlich auf der anderen Straßenseite den Radweg, der für uns unerreichbar ist, weil er mit einem gelben Bordstein von der Straße abgetrennt ist …. zu unserer Freude und zur Freude der Autofahrenden 😉 .

Auf den Autobahn-Teilstücken entwickelt Viktor die Idee für eine neue politische Partei in Deutschland, die das Potential hätte, die Grünen als meistgehasste Partei abzulösen. Die Partei „Tempolimit pro Rad“. Eine Ein-Themen-Partei, die die Freigabe aller Autobahnen für den Radverkehr fordert, denn das sind meist die kürzesten Verbindungsstrecken. Dafür würde der Standstreifen für Fahrräder freigegeben und das Tempo der KFZ zum Schutz der Radfahrenden generell auf 100 km/h begrenzt. Eventuell könnte man mit 130 km/h beginnen und über 30 Jahre gestreckt das Tempolimit auf 100 km/h reduzieren (immer minus 1 km/h pro Jahr). Wer ist bei der Parteigründung mit dabei?

Um vier Uhr kommen wir am reservierten Hotel an, nach knapp über 100 Kilometern, die wir erstaunlich locker und mit einem gar nicht mal so schlechten Schnitt von 16 km/h gefahren sind. Bis wir im Zimmer sind, dauert es aber ein bisschen. Die Rezeptionistin ist sehr besorgt, dass wir kein Schloss für das Tandem haben… (der Parkplatz ist mit einem Tor verschlossen, Außenstehende haben keinen Zugang, und wir haben bislang keine schlechte Erfahrung gemacht).

Wir kontaktieren Felipe und Katya per WhatsApp. Das sind die beiden Radreisenden und Weltenbummler, die wir in Mexiko und in Panama Stadt schon getroffen hatten. Felipe stammt aus Rancagua und wir verabreden uns zum Abendessen im Hotel.

Dabei stellt sich heraus, dass unser Hotel eine ehemalige Geburtsklinik ist, in der Felipe geboren wurde. Sie wurde später zu einem Hotel umgebaut und erweitert. Zufälle gibt es!

Wir unterhalten uns ausgiebig über unsere Erlebnisse und die Pläne für die nächsten Wochen und Monate, trinken gemeinsam den Rotwein aus, den wir gestern von unserer Vermieterin in Melipilla geschenkt bekommen haben, und es ist fast 22:00 Uhr als wir wieder auseinandergehen.

Treffen mit Katya und Felipe

Zurück im Zimmer muss der Blog noch fertiggeschrieben werden, und so wird es 23:45 Uhr ehe wir das Licht ausmachen können. Morgen ist zum Glück wieder eine eher kurze Etappe geplant.

Sonntag 5.1.25 – (152) – Rancagua – San Fernando

Gesamt: 9.598,48 km

Wir sind wieder einmal die ersten beim Frühstück, und es ist noch nicht alles bereit. Es ist hier wohl Standard, dass das Buffet zur Startzeit erst nach und nach bestückt wird. Das Tandem wurde nicht geklaut, so dass wir um viertel nach acht bei schon ziemlicher Wärme und Sonne losfahren können.

Wir fahren heute wieder kleinere Landstraßen, müssen aber zunächst aus Rancagua heraus dorthin kommen. Das geht über schlechte Straßen und über Schotter auf der linken Seite einer großen Straße. Wir haben ein wenig Sorge, dass das so weiter gehen könnte, aber nach einem kurzen Stück auf der Ex-Ruta 5 haben wir es geschafft. Wir fahren den Rest der Strecke über ländliche Straßen, z.T. wieder mit (häufig nicht nutzbaren) Radwegen. Es ist weiterhin eine Obstanbauregion, inklusive Wein, und ein Ort folgt dem anderen. Heute am Sonntag ist nicht viel los, nicht einmal der Laden an der Shell-Tankstelle ist geöffnet – also kein WC-Besuch möglich… Komischerweise treffen wir heute fast keine Radfahrer, die fahren anscheinend alle woanders.

In Rengo, nach etwa halber Strecke, halten wir an einem geöffneten Pronto Express. Ein Parkplatzeinweiser fragt uns aus und erzählt, dass er selber fünf Monate zu Fuß auf der Carretera Austral im Süden Chiles unterwegs war. Er hat sich in die Ruta 7 „verliebt“ und will demnächst wieder hin. Wir planen, einen asphaltierten Teil der Carretera Austral ab Puerto Montt zu befahren, aber wir wissen noch nicht genau, bis wohin. Wir kehren auf jeden Fall unterwegs wieder um, denn wir haben für den 7. Februar eine Schiffsfahrt von Puerto Montt nach Puerto Natales gebucht.
Und mit der Kolumbianischen Servicekraft im Laden unterhalten wir uns auch wieder ganz nett (sie war z.B. noch nie in Medellín, obwohl ihre Mutter dort lebt).

Nach der Pause überqueren wir die Autobahn und fahren auf der westlichen Seite weiter über Landstraßen Richtung San Fernando. Die letzten ca. 15 km geht es stetig aber wenig aufwärts, es ist inzwischen schon ziemlich warm, und wir werden langsamer. Heute sind die Radwege teilweise so schlecht, dass wir sie gar nicht erst nutzen – die Straßen sind nicht voll, und nur einmal will uns ein Taxifahrer auf den Radweg schicken. Soll er doch selbst mal mit dem Rad auf diesen Müllhalden fahren! Grrrr! Felipe erzählte uns gestern von vier Reifenpannen an einem Tag, als er mal mit schmalen Fahrradreifen auf solchen Wegen unterwegs war. Am Ende hatte er keine Ersatzschläuche und Flicken mehr übrig und musste per Anhalter nach Hause fahren.

Als wir eine Zeit lang parallel zur Ruta 5 unterwegs sind, hören wir über uns einen Hubschrauber. Es ist ein Löschhubschrauber, der offenbar gerade von seinem Einsatz zurückkehrt.

Gegen eins sind wir am Hotel, müssen uns aber noch eine Stunde gedulden, bis wir einchecken können. Ein paar Blöcke weiter trinken wir im „Rigoletto“ einen Eiskaffee, spazieren zur Plaza de Armas und bewundern den Springbrunnen, und nachdem wir im Tottus Supermarkt noch Getränke gekauft haben können wir ins Zimmer.

Im Süßigkeitengang der Supermärkte und an den Tankstellen-Kassen fühlt sich Vikor übrigens immer ganz wie zuhause. Überall findet man deutsche Begriffe. „Sahne-Nuss“ ist zum Beispiel ein stehender Begriff in Chile, über den niemand mehr nachdenkt. Selbst Felipe war gestern völlig überrascht, obwohl er sehr gutes Deutsch spricht. Ihm war gar nicht bewusst, dass „Sahne“ für das spanische „Crema“ steht und „Nuss“ für das spanische „Nuez“. Das Eichhörnchen auf der Verpackung sitzt sogar auf Haselnüssen. In der Schokolade sind aber gar keine Haselnüsse (Avellanas) verarbeitet, sondern ganze Mandeln (Almendras enteras).

Sonntagabend ist die Auswahl geöffneter Restaurants in San Fernando sehr beschränkt. Wir enden im Foodcourt des VIVO-Shoppingcenters und essen riesige Burritos. Danach gehen wir nochmal kurz ein Bier kaufen. Es gibt bei TOTTUS tatsächlich die peruanische Cusqueña Negra, für die sich Viktor entscheidet. Auf dem Rückweg zum Hotel versagt die Navigatorin in unserem Zweiterteam vollständig und sagt Viktor nicht genau, wo er entlangegehen soll. Prompt läuft er mit ziemlicher Wucht gegen den tiefhängenden Ast eines Straßenbaumes (wir sind da heute schon dreimal langgelaufen, und der Ast hing schon die ganze Zeit so tief – Kommentar von der Navigatorin!) und muss sich erst einmal kurz auf den Boden setzen. Es hält sogar wie auf Bestellung ein „Hospital-Taxi“ und der Fahrer bietet an, uns ins Krankenhaus zu fahren. Da Viktor diese Zeilen wenige Minuten später im Hotel bereits wieder schreiben kann, gehen wir aber davon aus, dass außer der Schramme, die von der Apothekerin in unserem Zweierteam gleich fachkundig versorgt werden wird, nichts Ernstes passiert ist. Zum Glück schleppen wir seit Monaten ein Notall-Kit über sämtliche Berge und können jetzt mal die Desinfektionstücher und das Wundgel einsetzen.

Kleiner Dachschaden

Woche 39 (23.12.24 – 29.12.24) Santiago de Chile – Olmué

Montag 23.12.24 – Santiago de Chile

Heute ist ein organisatorischer Tag geplant, da wir vor den Weihnachtsfeiertagen noch ein paar Dinge erledigen wollen. Wir wollen versuchen, unser Paket persönlich am Flughafen abzuholen, Wäsche waschen und einen Fahrradladen finden, der Service und Reparatur am Tandem auch über die Weihnachtsfeiertage durchführen kann, denn am 28. Dezember wollen wir weiterfahren Richtung Valparaíso.

Da der Flughafen nur sehr schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist – keine der sechs U-Bahn-Linien von Santiago fährt dort hin – bestellen wir uns ein UBER-Taxi und lassen uns zum Logistikzentrum am Flughafen bringen. Wir sind unserem Paket bei der Ankunft sehr nahe, wie der Apple AirTag uns anzeigt.

Nahe dran und doch unerreichbar

Dort suchen wir ein DHL-Büro, finden aber leider nichts. Das Gelände ist mit zwei Drehkreuzen – wir erinnern uns an die korrekte Bezeichnung „Personenvereinzelungsanlage“ (siehe Grenze Tijuana) – vor Besucherverkehr geschützt. Der Security-Mann vor den Drehkreuzen erblickt aber einen DHL-Mitarbeiter (Felipe), der gerade herauskommt, und der nimmt sich doch tatsächlich unseres Problems an. Wahnsinn! Er hört sich unsere Geschichte an, ruft seinen Kollegen (Ivan) an, gibt ihm unsere Tracking-Nummer durch, und Ivan verspricht, zu uns herauszukommen. Zum Glück passiert es wohl sehr selten, dass Empfänger von Paketen hier am Drehkreuz stehen, und so sind wir wohl eher eine exotische Herausforderung als ein echter Störfaktor.

Ivan erklärt uns, dass eine offizielle „Division de Bulto“ erforderlich ist, bei der das Paket geöffnet wird und alles zerstört wird, was nicht ins Land darf, weil wir die erforderlichen Zertifikate nicht beibringen können. Danach dauert es noch ein paar Tage, bis das Paket dann ins Verteilzentrum und zur Auslieferung kommt. Wir zeigen ihm unsere E-Mail vom 19.12., in der wir DHL genau darum gebeten haben, aber so einfach geht das natürlich nicht. Außerdem kostet das 50 Dollar extra. Ivan muss heute für einen andern Kunden einen ähnlichen Fall bearbeiten und will unseren Fall vorziehen und gleichzeitig bearbeiten. Er verspricht, in ein paar Minuten mit den entsprechenen Formularen wieder vor dem Drehkreuz zu erscheinen.

Nach 35 Minuten Wartezeit … setzen wir uns dann doch erstmal auf die Bank vor der Security-Kabine. Ivan versucht in der Zwischenzeit – was wir ja nicht wissen – den Zoll davon zu überzeugen, unser Paket schneller zu bearbeiten, wenn er persönlich vorbeikommt, leider erfolglos. Nach 70 Minuten kommt er wieder vor das Drehkreuz, und Viktor unterschreibt ihm eine Vollmacht, mit der er das Notwendige einleiten kann. Er ergänzt auf dem Original für den Zoll noch händisch den Ferrero-Küsschen Weihnachtsmann, den Ivan auf der Vollmacht vergessen hat.
Aber die Tage für die Bearbeitung durch den Zoll können wir nicht verkürzen – und das Paket heute schon mitnehmen natürlich auch nicht.

Mit Ivan sprechen wir noch ab, dass er uns eine WhatsApp oder E-Mail schickt, wenn das Paket ins Verteilzentrum kommt, inklusive der Adresse des Verteilzentrums, an der wir versuchen wollen, das Paket dann persönlich abzuholen. Der Mann ist einfach sensationell und wir drücken ihm einen unserer Aufkleber in die Hand. Wir hoffen, dass er es bis zu diesen Zeilen hier schafft. Danke Ivan! Und Danke Felipe!

Mit einer Mischung aus Frust und Hoffnung bestellen wir uns ein Uber-Taxi zurück zum Hotel. Viktor wollte eigentlich damit drohen, vor dem Gebäude zu zelten, bis wir das Paket in den Händen halten, aber was hätte die Drohung gegenüber dem sehr bemühten Ivan schon bewirkt?

Zurück im Hotel stellen wir unsere Wäsche zusammen und gehen gegen 12:30 Uhr in eine nahegelegene Lavanderia del Barrio. Wir erwarten eigentlich, dass wir die Wäsche erst nach Weihnachten abholen können, aber die drei netten Frauen dort wollen die Maschine sofort anwerfen und wir sollen die Wäsche um 16:00 Uhr abholen kommen. Super! 🙂

Von dort machen wir uns gleich auf den Weg ein paar Straßenecken weiter. Dort gibt es zwei Fahrrad-Werkstätten, die geöffnet sein sollen. Wie schon fast zu erwarten, trifft das nur auf eine der beiden zu.
Aber der Fahrradmechaniker bei biciboss sagt uns nach einem Blick auf ein Foto des Tandems sofort zu, dass es auch über den Weihnachtsfeiertag möglich ist, einen Service und eventuell die Reparatur am Kurbelsatz bzw. an der linken Kurbel durchzuführen. Sie sollten notfalls vielleicht auch passende Ersatzteile haben, falls wir die Kurbel doch nicht aus dem Zoll bekommen. Morgen um 9:00 Uhr sollen wir mit dem Tandem zu einer anderen Geschäftsstelle (Rosas 1239) kommen.

Biciboss Santiago de Chile

Na also, das war doch ein halbwegs erfolgreicher Vormittag, auch wenn wir unser Paket noch nicht haben. Zur Krönung gehen wir in das Café Crónica Digital an der nahegelegenen Plaza Brasil, und es werden uns zwei Banana Split zubereitet. Hier in Chile kennt man „Banana Split“ wieder, anders als in Argentinien, wo das nur eine eigenartige Eissorte mit Bananengeschmack und Cookies war. Allerdings hatte Viktor gestern Abend im Nachbar-Café (Café Literario La Canela) nach einem Banana Split gefragt und sofort eine Zusage erhalten. Heute Mittag hat Viktor die Cafés leider verwechselt.
Ein Mitarbeiter des heutigen Cafés muss allerdings erst noch zwei Bananen kaufen gehen, aber dann bekommen wir zwei ansehnliche Banana Split serviert.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Nathalie V. für diesen (Geburtstags-) Banana Split!

Danke Nathalie V.!

An der Dekoration des Cafés erkennen wir nun auch, dass wir wirklich in einem eher linken Viertel untergekommen sind, sozusagen dem „Prenzlauer Berg“ von Santiago de Chile.

Als wir nach unserem Banana Split aus dem Café heraustreten spricht uns der Mitarbeiter des Nachbarcafés von gestern Abend an und erkundigt sich, ob wir denn schon einen Banana Split gegessen hätten. Viktor muss zugeben, dass wir gerade im Nachbar-Café waren. Morgen werden wir also wohl zum Vergleich im „Cafe Literario La Canela“ einen Banana-Split-Vergleich durchführen.

Bis vier Uhr verbringen wir den Nachmittag im Zimmer, um pünktlich die saubere Wäsche abholen zu können. Anschließend kaufen wir uns eine BIP!-Karte für die Metro und bestimmte Busse und fahren drei Stationen mit der grünen Linie L3 bis zur Station „Bellas Artes„. Überraschenderweise fährt die Metro hier auf Gummireifen zwischen den Schienen, was wir bislang nur aus Montreal kannten. Von der Station Bellas Artes laufen wir noch ein ganzes Stück, denn nachdem Viktor schon in so vielen Städten „Funicular“ fahren wollte und es immer nur „Telefericos“ gegeben hat, können wir hier beides fahren. An der Funicular-Talstation angekommen erfahren wir, dass montags die Seilbahn (Teleferico) immer gewartet wird und nicht fährt, so dass wir hoch und runter mit dem Funicular fahren müssen.

Oben machen wir einen kleinen Rundgang, und als wir vor der Abfahrt noch etwas trinken wollen, haben alle Stände, die vor dem Rundgang noch geöffnet waren, inzwischen alle geschlossen. Wir fahren also durstig wieder runter und trinken sofort an der Talstation etwas in einer „Cerveceria“, die trotz ihres Namens kaum eine Biersorte am Lager hat.

Den Rückweg zum Hotel legen wir komplett zu Fuß zurück. Es ist fast sieben und nicht mehr so heiß, und so kommen wir auch noch an der Plaza de Armas vorbei. Dort steht zwar dieses Jahr ausnahmsweise nicht der große Weihnachtsbaum (wie sonst), aber er ist voller Leben, und an mindestens zwei Stellen gibt es von Menschenansammlungen umringte Redner bzw. Prediger. Dann gehen wir zu unserer Plaza Brasil zurück und gehen dort bei einem Italiener (La Martina) essen. Die weiblichen Bedienungen tragen alle pinkfarbene, hautenge Sportanzüge, die an Hooters erinnern, aber das Essen ist formidabel – wir essen beide Risotto, ganz unterschiedliche, aber beide köstlich (Viktors Google Rezension). Auch jetzt, nach 22 Uhr, sind die Straßen und Plätze noch voller Familien mit Kindern allen Alters, aber jetzt sind die Temperaturen auch angenehm.

Auf dem Rückweg zum Hotel kommen wir auf der Plaza Brasil an einer Gedenktafel für Brasilianische Flüchtlinge vorbei, die nach dem Militär-Putsch gegen Salvador Allende 1973 ermordet wurden oder spurlos verschwanden.

Dienstag 24.12.24 – Santiago de Chile

Ein völlig anderer Heiligabend als zuhause!

Nach dem Frühstück bringen wir zu neun Uhr unser Tandem zu biciboss in den Hauptladen. Sie haben zwar Einiges anderes zu tun, versprechen uns aber, bis zum 27. abends fertig zu werden. Das soll die letzte Wartung auf unserer Tour sein, und Viktor erklärt wieder einmal alle Besonderheiten unseres speziellen Tandems. Die Pedalkurbel können wir hoffentlich so rechtzeitig nachliefern, dass auch sie ausgetauscht werden kann.

Von dort laufen wir zum Museum de Bellas Artes, vor dem der Treffpunkt für Walking Tours mit „Tours4Tips“ ist, wie hier und in Valparaíso die „Free Walking Tours“ heißen. Um 10 Uhr startet die OffBeat-Tour, und neben uns sind noch zehn weitere Reisende dabei. Johann (auf seinem T-Shirt steht Wally) wird mit uns drei Märkte und den Friedhof besuchen. Das sind nicht die touristischen Highlights, sondern die Tour soll uns möglichst nah an das „wahre Leben“ der Einheimischen heranbringen. Wie schon in La Paz (Bolivien) begrüßen sich Händler und Kunden auf den Märkten gegenseitig mit dem Begriff „Casera/Casero“ und entwicklen lang anhaltende Beziehungen und Freundschaften. So ist z.B. Johanns wichtigster „Casero“ auch Taufpate eines Kindes geworden.
Wir verstehen endlich auch, warum in Lateinamerika manches Gemüse und manche Frucht anders heißt, als wir es aus Spanien gewohnt sind, z.B. die Avocado, die in Spanien und Mittelamerika „Aguacate“ heißt, hier um Süden aber „Palta“. Überall dort, wo Quechua (die Sprache der Inka) gesprochen wurde/wird, heißt sie Palta, denn das ist ein Wort, das aus der Quechua-Sprache Eingang in die spanische Sprache gefunden hat. Das gleiche trifft auf viele andere Begriffe zu, z.B „Mote“ für Weizen. Bei der Erdbeere, die in Spanien „Fresa“ heißt, hier aber „Frutilla“, kennen wir den Grund allerdings nicht.

Die Tour endet nach einer U-Bahn-Fahrt auf dem größten Friedhof von Santiago, auf dem auch Erich Honecker liegt. Allerdings erfolgte die Bestattung anonym und nur die Friedhofsverwaltung weiß offenbar, wo sein Grab und auch das von Margot Honecker liegen. Der Friedhof ist auch der zweite Friedhof weltweit und der erste in Amerika, der ein Trans-Mausoleum erhielt. Uns war auf den Straßen von Santiago de Chile schon aufgefallen, wie selbstverständlich hier Trans-Personen (z.B. mit grellem Schmuck, Schminke, Kleid und Vollbart) ganz normaler Teil des öffentlichen Lebens sind und keine „komischen Blicke“ auf sich ziehen. Da scheint selbst Berlin noch deutlich „verklemmter“ zu sein.

Vor dem Mausoleum für Salvador Allende erzählt uns Johann dann auch von seiner Deportation und Aberkennung der Chilenischen Staatsbürgerschaft nach dem Milität-Putsch von General Pinochet gegen die Allende-Regierung in 1973. Johanns Vater war Gewerkschafter, aber nie Mitglied einer Partei. Trotzdem wurde die ganz Familie als kommunistisch eingestuft und aus dem Land geworfen. Er ist in New York in der Bronx aufgewachsen und spricht deshalb perfektes US-Englisch. Lange Zeit nach dem Ende der Militätdiktatur wurde die Familie rehabilitiert und sie erhielten ihre Staatsbürgerschaft zurück, aber nur wenige Familienmitglieder sind nach Chile zurückgekehrt.

Natürlich erhalten wir auch einen Abriss der kurzen Regierungszeit von Salvador Allende aus Johanns Perspektive. Allende war der erste sozialistische Präsident eines Landes, der es durch demokratische Wahlen zur Präsidentschaft gebracht hatte und nicht durch eine Revolution mit Waffengewalt. Da er aber die Verstaatlichung der großen Minengesellschaften zum Hauptziel seiner Amtszeit gemacht hatte, hatte er entsprechend finanziell starke und international gut vernetzte Gegner. Vor Kurzem seien in den USA die Geheimakten aus der Nixon-Zeit freigegeben worden, die das ganze Ausmaß der CIA-Aktivitäten zur Destabilisierung der damaligen Situation in Chile zeigen. Auch der Deutsche Bundesnachrichtendienst scheint damals nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein und mit der deutschstämmigen Sekte Colonia Dignidad kooperiert zu haben. Wen es interessiert: Wikipedia zum Thema.

Es ist halb zwei, als die Tour am Friedhof endet. Wir fahren mit der Metro (die wirklich neben Montral die zweite auf Reifen ist, weitere gibt es nicht) zurück und gehen in das Café Literario de Canela zum Eisessen. Auch heute müssen die Bananen erst besorgt werden, aber dann bekommen wir Banana-Splits, die uns diesmal von Holger K. gesponsert wurden. Vielen Dank dafür, Holger!

Danke, Holger K.

Im Hostal ruhen wir uns ein wenig aus, bevor wir uns von einem Uber zum Saint George’s College bringen lassen. Dort findet um 17 Uhr in der Kapelle ein Weihnachstgottesdienst in Englischer Sprache statt. Die drei Deutschsprachigen Gemeinden bieten über Weihnachten nichts an und zu Heiligabend wollen wir irgendwo sein, wo wir beide dem Gottesdienst gut folgen können. Und so hören wir die Weihnachtsgeschichte heute auf Englisch und singen Weihnachtslieder auf Englisch – nur beim Abschluss „Stille Nacht“ wird als vierte Strophe eine auf Spanisch gesungen. Ganz anders ist es auch, dass während der Messe über die Hitze in der Kapelle geredet wird, und die meisten in Shorts und teilweise mit Badelatschen bekleidet sind. Und dass es nach „Stille Nacht“ draußen natürlich auch nicht dunkel ist, sondern taghell un d sonnig!

Wir rufen wieder ein Uber, lassen uns zum Hostal bringen und rufen schnell unsere Kinder an, die schon dabei sind, ins Bett zu gehen (zumindest die beiden, die nicht noch den fünften Gottesdienst heute orgeln…). Dann machen wir uns auf den Weg zur „Bierstube“, wo wir Hoffnung auf Würstchen mit Kartoffelsalat haben.

Waren am Nachmittag die Straßen alle noch sehr belebt und die Läden geöffnet, so fällt jetzt auf, dass es sehr viel leerer ist und wir an vielen geschlossenen Restaurants vorbeigehen. Und wie schon fast zu erwarten sind auch bei der Bierstube die Rolläden herunter und das Gitter davor verschlossen. Jetzt müssen wir sehen, wo wir überhaupt noch etwas zu essen bekommen! Ein geöffnetes Hotelrestaurant hat keinen Platz mehr frei, verweist zunächst noch auf die Bar, deren Tische aber auch alle belegt sind. Vor einem anderen Hotelrestaurant (das geschlossen ist) steht ein Herr, der uns nach gegenüber weist – dort könne man ganz gut essen. Und tatsächlich, das Restaurant „Como en Peru“ ist geöffnet, und wir bekommen nach kurzer Wartezeit einen Mini-Tisch draußen zugewiesen. Die vegetarische Auswahl ist sehr beschränkt, aber so isst Jutta eine Peruanische Vorspeise als Heilig-Abend-Essen, die fast Kartoffelsalat ist (was es bei uns sonst immer gibt). Viktor bestellt Nudeln mit Meeresfrüchten, mal etwas anderes…

Den langen Weg zurück laufen wir bei jetzt sehr angenehmen Temperaturen (23°C) zurück. Dabei bewundern wir in der Dämmerung an einigen Hochhäusern die Weihnachtsbeleuchtung in den Wohnungsfenstern.

Im Hostal noch schnell ein Stück Weihnachtskuchen, der schon den ganzen Tag an der Rezeption angeboten wird, und dann geht es langsam in Richtung Schlafen. Vor dem Einschlafen erreicht uns noch die Nachricht von DHL, dass unser Paket vom Zoll freigegeben wurde. Am Nachmittag hatten wir schon eine Nachricht und mussten Online den Zoll bezahlen (knapp 40 Euro). Wir wählen noch schnell eine DHL-Geschäftsstelle in der Nähe unseres Hostels für die Abholung am 26.12. aus und legen uns hoffnungsvoll schlafen.

Mittwoch 25.12.24 – Santiago de Chile

Vormittags schreiben wir noch den Blogeintrag von gestern, bis wir zu 12 Uhr in die Kathedrale gehen, um heute noch einen spanischsprachigen Weihnachtsgottesdienst zu besuchen. Hier gibt es im Gegensatz zu gestern eine Orgel, aber leider gibt es für den Gesang „nur“ einen Chor aus drei Personen (das Mikro der Sopranistin ist so ausgesteuert, dass nur sie zu hören ist – schade), und die große Gemeinde hört zu. Unser Abschlussklassiker „Stille Nacht“ kommt hier schon zur Eucharistie, und es wird ganz ernsthaft ein Weihnachtslied (Hoy Christo ha Nacido) nach der Melodie des Volksliedes „Freut euch des Lebens“ (with English Translation) gesungen, wobei wir eher eine andere Version im Kopf haben: Großmutter wird mit der Sense rasiert

Auf dem Rückweg sehen wir ein geöffnetes Starbucks, setzen uns zu einem Kaffee hin, aber die Bedienungen singen so fürchterlich Karaoke, dass wir dann doch mit unseren Frappuccinos bald weitergehen. Außerdem sind wir eh mit unseren Kindern und dem Rest von Juttas Familie verabredet, über WhatsApp-Video eine kleine Bescherung zu machen.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir mit dem Planen der bevorstehenden letzten Wochen unserer Tour im Frühstücksraum des Hostals. Es sieht so aus, als könnten wir in den kommenden Tagen dann auch schon einen Rückflug für Mitte März buchen.

Nach einem Videoanruf mit Viktors restlicher Familie wollen wir ein zeitiges Abendessen zu uns nehmen. Heute hat wieder etwas mehr als gestern geöffnet, aber bei mehreren Restaurants gehen wir wieder, weil sie alle nur digitale Speisekarten aber kein Kunden-WIFI haben – die wollen wohl keine Touristen als Kunden. Deshalb landen wir noch einmal beim gleichen Italiener wir vorgestern schon.

Im Zimmer trinkt Viktor noch ein neues Honigbier und benutzt zum Öffnen unser in Kalifornien gekauftes Feuerzeug. Das sollte eigentlich zum Feuermachen dienen, wenn wir campen. Da wir den Kocher aber schon längst zurückgeschickt haben, weil wir eh immer essen gehen, dient dieses Feuerzeug schon von Anfang an nur als Flaschenöffner. Das Kunstmann Miel ist ein Amber Ale (27 EBC) und das erste Honigbier, das auch wirklich ein Honigaroma hat und dabei trotzdem ausgewogen schmeckt. Laut Etikett ist es mit Waldhonig aus Valdivia gebraut, schmeckt aber eher so, als wäre der Honig erst nach dem Brauvorgang dazugegeben worden.

Donnerstag 26.12.24 – Santiago de Chile

Unser Plan heute ist es, vormittags in ein Museum zu gehen, um drei eine weitere Walking-Tour mitzumachen und danach zu DHL zu fahren, um das Paket abzuholen (und dieses evtl. auch noch zur Fahrradwerkstatt biciboss zu bringen).

Nach dem Frühstück gehen wir in das Museo de la Solidaridad Salvador Allende (MSSA), in dem Kunstwerke verschiedener Künstler aus der ganzen Welt ausgestellt sind, die während der Pinochet-Militärdiktatur (und auch noch danach) von den Künstlern als Solidaritätsbekundung mit dem Chilenischen Volk gespendet wurden. Ein kleiner Raum ist außerdem Hortensia Bussi gewidmet, der Ehefrau von Salvador Allende, die im Exil gegen die Militätdiktatur von Pinochet gekämpft hat.

Kurz bevor wir uns auf den Weg zum Museum machen, erhält unser Hotel einen Anruf von Ivan, dem hilfreichen DHL-Mitarbeiter von vorgestern. Wir sind zufällig gerade an der Rezeption, Viktor kann mit Ivan sprechen und erhält die Adresse des Verteilzentrums, in dem wir unser Paket heute abholen können. Ivan hat nämlich den Abholort geändert, weil er weiss, dass es sonst erst morgen in unserer ausgewählten Geschäftsstelle ankommen würde. Nach dem Museumsbesuch machen wir uns daher von dort direkt mit einem UBER-Taxi (die sollen sicherer sein) auf den Weg zu DHL. Dort angekommen zeigt uns die „Wo ist“-Funktion von Apple an, dass wir 60 Meter vom Paket entfernt sind, in dem zum Glück immernoch das Apple AirTag liegt. Leider sagen uns die beiden Mitarbeiter am Schalter, dass das Paket offiziell noch nicht bei ihnen angekommen ist. Es muss erst aus den Transportern ausgeladen und eingescannt werden, bevor es für sie offiziell zur Übergabe verfügbar ist. Und nun beginnt sie also, die laaaaaaaaange Wartezeit vor dem DHL-Schalter. Nach eineinhalb Stunden gehen wir dann erst einmal ins „Strip-Center“, Kaffee trinken (und ein Stück Lucuma-Baiser-Torte essen). Während des weiteren Wartens buchen wir tatsächlich schon mal für Mitte März unseren Rückflug von Buenos Aires nach Berlin – und haben danach immernoch keine Chance auf das Paket. Versuche, es mit der „Ton-Funktion“ des AirTags zu lokalisieren, auf die sich eine Mitarbeiterin sogar einlässt, schlagen leider fehl.

Erst als Viktor nach dreieinhalb Stunden noch einmal zu dem Café geht, weil er mal „muss“, und Jutta bei DHL bleibt, tut sich endlich etwas. Der Mitarbeiter am Schalter entdeckt unsere Nummer im System und lässt unser Paket sofort holen. Jutta geht Viktor entgegen, schnell weg aus diesem Büro. Und eine schnelle Nachricht an Julius, dass das Warten ein Ende hat!

Es ist inzwischen halb vier – die Tour um drei können wir also vergessen. Wir lassen uns vom Uber zum Fahrradladen bringen. Dort steht unser Tandem schon gereinigt und bis auf die neue Pedalkurbel vollständig gewartet. Wir verabreden eine Abholung morgen vormittag, das ist sehr beruhigend.

Wir gehen zum Palacio de la Moneda, dem Präsidentenpalast, dessen Name nichts mit Geld zu tun hat, wie man vermuten könnte (Moneda = Münze). Der Präsidentenpalast wurde in der ehemaligen Münzprägestätte eingerichtet, deren Name beibehalten wurde. Vor dem Palast steht ein großer Weihnachtsbaum und im London Coffee am Platz gehen wir noch einmal Kaffee trinken. Von dort geht es weiter zur Kirche San Franziskus, die uns auch noch empfohlen wurde.

Wir laufen zurück zum Hostal, kaufen unterwegs noch AA-Batterien, um die drei Uhren hinter der Rezeption wieder ans Laufen zu bringen (ein Weihnachtsgeschenk an das Hostal … Viktor kann die stillstehenden Uhren einfach nicht ertragen … typisch Deutsch?) und müssen dann fast schon wieder los, weil wir für 19 Uhr einen Tisch im Bocanáriz reserviert haben. Unserer Bib!-Karte hat noch so viele Fahrten, dass wir die Metro nehmen.

Viktor macht eine kleine Carmenère -Weinprobe (Chiles „National“-Rebe, die ursprünglich aus Frankreich stammt, aber dort durch die Reblaus praktisch ausgerottet und dann aus Chile wieder zurück nach Frankreich gebracht wurde) und entscheidet sich hinterher für den Besten der drei (und unsere Bedienung holt daraufhin noch einmal die Karte, weil der Ausgesuchte etwas teurer ist…). Jutta nimmt das einzige vegetarische Essen auf der Karte: Nudeln mit Algen und Champignons. Das ist leider sehr gewöhnungsbedürftig, schmeckt fast ein bisschen fischig.

Auf dem Rückweg nehmen wir wieder die Metro und sind völlig erstaunt, als die Bahn durch unsere Station einfach durchfährt und erst an der nächsten hält. So bekommen wir endlich einmal heraus, warum auf den Plänen die Stationen mal rote, mal grüne oder auch rot/grüne Punkte haben: damit die Züge zu Stoßzeiten schneller sind, halten sie innerhalb bestimmter Uhrzeiten nicht an allen Stationen, es gibt dann die grüne (hält bei uns in Cummings) und die rote Express-Linie. Wir müssen also zurück nach Santa Ana (rot/grüne Station wo alle Züge halten) und dort eine grüne Bahn nehmen. Ganz einfach!

Der Zug zurück nach Santa Ana hält dann plötzlich doch in Cummings, wo wir aussteigen wollen, weil es just 21 Uhr geworden ist und wieder überall gehalten wird. Auch wenn wir davon überrascht wurden, dieses Expresszug-System ist für Pendler sicher keine schlechte Idee.

Freitag 27.12.24 – Santiago de Chile

Vormittags gehen wir als Erstes in den Tottus-Supermarkt nebenan und decken uns mit neuen Snacks für die nächsten Radfahrtage ein, da wir ja nichts mit nach Chile nehmen durften. In der Obstabteilung sind wir wieder mal völlig verwirrt von den vielen unterschiedlichen Namen, die die Obstsorten hier haben.

Die Einkaufswagen hier blockieren angeblich, wenn man versucht, mit ihnen das Grundstück zu verlassen (wir probieren es nicht aus, denken aber an Studienzeiten, als wir den Einkauf oft im Einkaufswagen nach Hause geschoben haben).

Dann gehen wir auch schon los zu biciboss und holen unser Tandem wieder ab. Nach einem Stündchen weiterer Planung brechen wir heute rechtzeitig auf, um um 15 Uhr die Highlights -Tour4Tips mitzumachen. Auf dem Weg dorthin besorgen wir uns die letzten Zahnbürsten unserer Jahrestour und gehen das letzte Banana-Split in Santiago essen, für das wir uns heute bei Joachim M. und Dani D. bedanken – hier gibt es das Eis nach langer Zeit mal wieder in einem richtigen Eisbecher aus Glas, dafür ist die Banane aber zerstückelt statt der Länge nach halbiert :-).

Danke Joachim M. und Dani D.

Das Café ist etwas langsam, und so kommen wir erst um Punkt 15 Uhr vor dem Museo de las Bellas Artes an, unser heutiger Fremdenführer Carlos aber auch. Wir sind 25 Personen inkl. Guide, für unseren Geschmack eine etwas zu große Gruppe, aber Carlos spricht perfektes und gut verständliches Englisch, denn das hat er studiert.

Auch Carlos spricht natürlich über die politische Lage im Land. Dabei geht er vor Allem auf die neuere Geschichte ein, unter anderem auf die (Studenten-)Proteste von 2019 und 2020, von denen die Welt relativ wenig mitbekam, denn wir steckten damals alle in der Corona-Pandemie. Eine der Hauptforderungen war damals die Forderung nach einer neuen Verfassung, denn die aktuelle Verfassung wird von vielen Menschen für die soziale Ungleichheit im Land mitverantwortlich gemacht. Chile hat immernoch eine Verfassung, die auf undemokratischem Weg unter Pinochet entstanden ist. Zwei Versuche, eine neue Verfassung zu erarbeiten, schlugen aber bisher fehl, weil die Entwürfe in Volksabstimmungen abgelehnt wurden.

Wir erfahren während der Tour auch, dass Chile weltweit das Land mit dem zweithöchsten Brot-Konsum ist. Einmal dürft Ihr raten, in welchem Land das meiste Brot verzehrt wird. Beim Eiskonsum ist Chile führend in ganz Lateinamerika, weltweit liegt Neuseeland an der Spitze.

Die Tour endet im Viertel „Lastarria“ am „Centro Cultural Gabriela Mistral„, das eine sehr bewegte Geschichte hinter sich hat.

Hier im Viertel gehen wir dann auch noch einen Cocktail im „ChiPe Libre“ trinken, denn wir haben auf der Tour gelernt, dass auch die Chilenen sich für die Erfinder des Pisco Sour halten (so wie die Peruaner). Was Viktor aber besonders gefällt, ist die Tatsache, dass die Chilenen – anders als die Peruaner – Pisco auch im Fass lagern. Seine Erwartung ist, dass der gelagerte Pisco dann vielleicht einem spanischen Brandy oder einem Rum ähnlich sein könnte. Heute ist es aber noch ein wenig zu früh am Tag, um die angebotenen Verkostungen zu nutzen.

Da wir auf dem Weg zurück ins Hotel kein wirklich ansprechendes Restaurant mehr finden, um unser Abschiedsessen von Santiago de Chile einzunehmen, landen wir wieder im Vegan Dealer in der Nähe unseres Hostals. Morgen geht es auf die drei letzten Etappen des Kalenderjahres in Richtung Valparaíso, der zweitgrößten Stadt Chiles, wo wir Silvester am Pazifik verbringen wollen.

Kunstwerk im Kulturzentrum

Samstag 28.12.24 – (146) – Santiago de Chile – Huertos Familiares

Gesamt: 9.222,07 km

Morgens bepacken wir noch vor dem Frühstück das Tandem, sind die Ersten im Frühstücksraum und kommen dann bei noch kühlen Temperaturen um 8:20 Uhr los. Das Herausfahren aus dieser Achtmillionenstadt (von 22 Mio. Chilenen insgesamt) gestaltet sich wesentlich angenehmer als die Fahrt vom Busterminal zum Hostal. Komoot hat eine Strecke gefunden, die einen Großteil über Radwege geht und lange Zeit am Rio Mapocho durch verschiedene Parks führt, der um diese Zeit von vielen joggenden Menschen bevölkert ist. Hier muss man Komoot ausnahmsweise mal die gebotene Anerkennung zollen.

Um nach Valparaíso zu kommen, müssen wir in Richtung Nordwesten – sonst eigentlich nicht so unsere Himmelsrichtung. Bis nach Lampa ist die Straße noch ziemlich voll, ab dort hält sich der motorisierte Verkehr in Grenzen. Aber wir teilen die Straße mit sehr vielen anderen Radfahrenden, es ist ja Wochenende, es fühlt sich fast wie in Kolumbien an.

Wir kommen in der Nähe des Flughafens am Stadtrand von Santiago durch einige Gewerbegebiete und Jutta erblickt plötzlich das TERUMO-Logo auf einem Schild. Leider ist heute Samstag und wir sparen uns daher den Abstecher zu Viktors Arbeitgeber.

An einer Tankstelle in Lampa machen wir eine Kaffeepause und die jungen dort arbeitenden Frauen raten uns zu viel Vorsicht („mucho cuidado“) – Chile sei nicht mehr so sicher, wie es früher einmal war. Wir fragen sie lieber erst gar nicht, wen sie verantwortlich machen… Gerade erst gestern hat Carlos, der früher in Cali in Kolumbien gelebt hat, gesagt, dass die Chilenen ein sehr friedliches Volk sind.

20 Kilometer weiter benötigt Viktor eine Toilette, und ein kleiner Laden am Straßenrand kann tatsächlich weiterhelfen. Wir haben in Santiago de Chile die Anti-Parasiten-Kur-Kapseln aus Guatemala eingenommen, denn wir sind jetzt aus den Tropen heraus und fanden den Zeitpunkt über Weihnachten ganz passend. Aber so ein wenig hat das bei Viktor die Verdauung durcheinandergebracht.

Wir machen noch eine kleine Pause an der gegenüberliegenden Bushaltestelle, bevor wir kurz darauf an einer T-Kreuzung nach rechts fahren, obwohl der Weg nach Valaparaíso eigentlich links entlang geht. Bis hierher müssen wir morgen wieder zurückkommen, anders geht es übernachtungstechnisch leider nicht. Und circa zehn Kilometer vor „Huertos Familiares“ hört plötzlich der Asphalt auf: Baustelle. Hier können wir im Gegensatz zu der Großbaustelle vor Mendoza aber langsam und mit Mund- und Nasenschutz weiterfahren.

Bei unserem Hospadaje wird heute ein Geburtstag gefeiert, mit Grillen, Poolbenutzung, lauter Musik und Einiges an Kindergeschrei. Der ganze Ort hat nur nachts fließend Wasser, und da durch die Zimmervermietung tagsüber mehr Wasser verbraucht wird, als über Nacht in den Tank laufen kann, kommt ein Tankwagen und lässt Wasser in den Tank und in den Pool laufen.

Östlich von diesem Ort liegt das „Tranque Las Tórtolas„, ein riesiges Absetzbecken für die Kupfergewinnung (und auch Molybdän), von dem wir auf der heutigen Fahrt aus verschiedenen Perspektiven einen Staudamm sehen und nicht einordnen können. Auf den ersten Blick denken wir an einen Gletscher, oder ein Sommer-Skigebiet, beides verwerfen wir aber sofort. Man kann nur hoffen, dass keiner der Dämme jemals bricht (z.B. nach einem der hier recht häufigen Erdbeben), und schon gar nicht heute Nacht, denn wir schlafen in der gefährdeten Zone, die von einer Schlammlawine hinweggefegt würde.

Die Minenbetreiberfirma AngloAmerican pumpt aus einem offenen Tagebau (Los Bronces) durch eine 56 Kilometer lange Pipeline pro Stunde 2.400 Tonnen Schlamm in dieses Staubecken, das in einem natürlichen Talkessel zwischen Bergen angelegt wurde. Das Staubecken wird am Ende der Betriebszeit im Jahr 2042 insgesamt 1.900 Millionen Tonnen Schlamm enthalten. Ganze 1 Prozent dieser riesigen Menge sind die daraus resultierende Kupfer-Ausbeute.

Kupfertagebau „Los Bronces“ – Pipeline „Mineroducto“ – Stausee „LasTórtolas“
Staudamm

Bis auf einen Spaziergang zum „Happy Happy“-Supermarkt in praller Sonne verbringen wir den Nachmittag und Abend in unserem geräumigen Zimmer und wir erhalten hier sogar ein Abendessen. Das nehmen wir in einem Speisesaal ein, der voller Arbeiter mit orangen Warnwesten ist, auf denen EXCON steht. Das ist die Firma, die mit der Erhöhung der Staudämme beauftragt wurde, um die Kapazität des Stausees zu erweitern. Als wir hinterher noch kurz draußen sitzen, werden uns von der Geburtstagsgesellschaft noch Bratwürste im Brot angeboten, die wir dankend ablehnen. Um 21 Uhr wird begonnen, alles ab- und aufzuräumen, und kurz darauf wird es leise (als wir um eins ankamen, war die Feier schon voll im Gang, irgendwann muss ja auch Schluss sein).

Sonntag 29.12.24 – (147) – Huertos Familiares – Olmué

Gesamt: 9.287,01 km

Wir frühstücken gegen sieben wieder mit den Excon-Arbeitern in der Kantine und kommen um zwanzig vor acht los – es ist noch richtig kühl. Es geht zunächst fast 17 km inklusive der Schotterpiste von gestern zurück, dann aber Richtung Til-Til statt Santiago.

Wieder sehen wir viele Radfahrende, einer fährt eine Weile neben uns her (@nutribiker). In Til-Til an der Tankstelle machen wir Pause und treffen ihn dort auch wieder.

Und kurz darauf beginnt eine elf Kilometer lange Steigung, die wir recht lange langsam fahrend erklimmen. Aber nach acht Kilometern und einigen hundert Metern 11 bis 12 % Steigung müssen wir dann doch nach längerer Zeit wieder einmal absteigen und schieben.

Nach zweieinviertel Stunden aufwärts sind wir oben am Pass der Cuesta la Dormida, wo es sogar einen kleinen Stand gibt und wir kühle Getränke zu unserem Obst bekommen können. Hier ist auch die Grenze zwischen den Regionen Til-Til und Valparaíso.

Unser Aufkleber unten rechts

Die folgende, sogar noch längere Abfahrt ist so steil und hat so enge Serpentinen, dass wir uns kaum rollen lassen können und eine volle Stunde für die 15 km brauchen. Die vordere Bremse wird immer wieder so heiß, dass der Bremsdruck deutlich nachlässt und wir kurze Abkühlpausen für die Bremsflüssigkeit einlegen müssen.
Ziemlich weit unten entdecken wir am Straßenrand eine Tafel, laut der es hier Eis aus Ziegenmilch gibt, und wir halten an. Viktor probiert „Boldo“-Eis, und wir bekommen sogar die Pflanze gebracht, weil wir sie nicht kennen. Jutta probiert „Frutos del Bosque“ (Waldfrucht). Der Ziegenmilchgeschmack ist relativ moderat und das Eis ist nicht so stark gesüßt … schmeckt gut. Außerdem bekommen wir Tipps für Valparaíso und Vina del Mar von den beiden netten Damen.

Die restlichen zehn Kilometer können wir dann endlich gut radeln – zwar gegen den Wind, aber das macht gerade nicht so viel aus. Ab dem Abzweig nach Olmué gibt es viel Radweg, der aber kaum benutzbar ist: Beginn ist irgendwo, z.T. mit hohem Bordstein, zwischendurch fehlen Stellen, an manchen Stellen ist er vielleicht 30 cm breit …

Unser Novaqua Bed & Breakfast wird von Ingrid, einer Deutschstämmigen Biochemikerin, und ihrer Mutter Gretel geführt (Wurzeln in München und Baden Baden). Leider gibt es heute Probleme mit dem Router, und das Internet geht nicht. Da Viktors e-SIM hier aber funktioniert, nutzen wir heute ausnahmsweise die mobilen Daten.

Nach dem Duschen gehen wir relativ bald schon in den Ort und beim Italiener „Otra Cozza“ (von Ingrid empfohlen) unerwartet gut essen. Nachdem Viktor seine Lachs-Ravioli und die Hälfte von Juttas Pizza gegessen hat, bestellt er noch den Schokoladen-Vulkan als Dessert, aus dem die schokoladige Flüssigkeit wirklich wie die Lava aus einem Vulkan herausfließt.

Woche 38 (16.12.24 – 22.12.24) Baldecitos – Santiago de Chile

Montag 16.12.24 – (140) – Baldecitos – Huaco

Gesamt: 8.889,06 km

Es ist eine ziemlich unruhige und warme Nacht. Der Ventilator wird einer von uns beiden irgendwann am frühen Morgen dann doch zu laut und abgeschaltet. Aber danach ist es eh nicht mehr lang, bis der Wecker um 5 Uhr klingelt. Draußen ist es noch dunkel, aber wir hören bereits die ersten Esel rufen. Um 5:55 sind wir abfahrbereit und können den beginnenden Sonnenaufgang bewundern.

Die ersten 20 km rollt es recht gut, und wir frieren in den kurzen Abfahrten sogar ein wenig. Aber auch heute geht es während der ersten Tageshälfte fast ausschließlich bergauf in Richtung „Valle de la Luna“ (Tal des Mondes). Dieses soll landschaftlich besonders reizvoll sein und gehört zum UNESCO Welt-Naturerbe.

Wir fahren mit dem Sonnenaufgang im Rücken und bekommen ein paar einzelne Regentropfen ab. Und dann sehen wir links der Strecke etwas, das wir noch nie gesehen haben. In einem Regenfeld bildet sich eine Art „dreieckiger Regenbogen“, der fast aussieht wie das „Auge der Vorsehung„, das man auch von den US-Amerikanischen Dollarnoten kennt. Eigentlich dachten wir, dass sich Regenbögen nur nachmittags zeigen, aber vielleicht ist das auf der Südhalbkugel ja auch wieder anders.

Nach 26km, es ist inzwischen hell und warm und wir sind fast „oben“, machen wir an einer Leitplanke Frühstückspause.

Jetzt noch wenige Kilometer bergauf, und dann folgt eine knapp 20 Kilometer lange Abfahrt durch das Tal des Mondes, nach mehreren Tagen der Eintönigkeit eine tolle Abwechslung.

Als wir unten aus dem Tal herausfahren, haben wir ziemlich genau die Hälfte der heutigen Kilometer geschafft, und genau hier steht das einzige Gebäude des Tages (abgesehen von den Häusern im Start- und Zielort). Es ist eine Rangerstation für den Ischigualasto-Park, aber alles ist verschlossen – niemand da, außer dem Dinosaurier-Skelett (dabei wären hier die einzigen Toiletten auf über 100 km … wir „müssen“ also wieder mal in die Natur).

Ab hier geht es auch heute wieder immer geradeaus mit kleiner Steigung. Und wir haben ja noch die Hälfte unseres langen Tages vor uns. Als am Straßenrand immerhin ein paar Bäume stehen, breiten wir unter einem davon unser Groundsheet vom Zelt aus, setzen (und legen) uns und füllen unsere Energiespeicher wieder auf – noch genau 30 km zu fahren.

Kurz darauf überholt uns ein Wohnmobil und hält am Straßenrand. Der Fahrer steigt aus und hält eine Wasserflasche hoch. Die beiden Reisenden aus Chile haben uns gestern schon überholt, und als sie uns jetzt wieder gesehen haben, wollen sie uns etwas Gutes tun. Viktor lässt sich dankbar seinen Camelbak-Wasserrucksack auffüllen und nach einem kurzen Austausch geht es weiter.

Die letzten 20km geht es noch einmal heftig rauf und runter, und wir sind in der Mittagshitze ziemlich geschafft. Ohne Pause schaffen wir es nicht, also halten wir fünf Kilometer vor Schluss noch einmal kurz an.

Nach Huaco geht es rechts ab, und dann sehen wir es: schlimmster Schotter mit heftigem „Ripio“ (Waschbrettpiste) – und es sind noch über vier Kilometer! Wir werden durchgerüttelt und befürchten Reifenpannen oder schlimmeres. Daher steigen wir relativ schnell ab und schieben, Fahren geht hier mit unserem vollbepackten Tandem gar nicht!

Beim Schieben merkt man die Hitze noch viel stärker als beim Fahren – der Fahrtwind fehlt. Wir kommen um viertel vor drei an der reservierten Hosteria Huaco an und erhalten gleich eine eisgekühlte Flasche Cola. Diese Herberge hat einen großen Garten, in dem das Gemüse für die Küche angebaut wird. Es gibt einen Pool, ein Jacuzzi, einen Bach mit Brücke, mehrere Grills, einen Flaschenzug (innen hängt eine Erklärung, draußen kann man ihn „erfühlen“) – sehr nett, und auch hier sind wir in einem recht kleinen Ort. Wir konnten uns vorher schon per WhatsApp die Gerichte zum Abendessen aussuchen, und jetzt dürfen wir uns auch noch die Uhrzeit aussuchen, wann wir essen möchten. Heute brauchen wir also nicht bis 21 Uhr zu warten, sondern können um 19 Uhr ein Milanesa Napolitana bzw. eine Gemüsetarte essen. Schon zum zweiten Mal ist darin ein grünes Gemüse verarbeitet, bei dem wir uns nicht sicher sind, was es ist. Leila, die gekocht hat, kann uns weiterhelfen: Mangold (Acelga) bzw. eine runde Zucciniart – für uns eher eine Kürbisart – (wie gesagt, aus dem eigenen Garten) sind die beiden grünen Gemüsesorten.

In der verbleibenden freien Zeit schreiben wir heute den Blog-Eintrag von gestern und beginnen mit der neuen Woche (und in der kommenden sind dann schon die Weihnachtstage!).

P.S.: Wir haben innerhalb von zwei Tagen vier Einladungen zum Eis von Euch erhalten. Vielen, vielen Dank! Die ständigen Wiederholungen in unserem letzten Blog-Beitrag („ganz schön warm da draußen“) waren wirklich nur witzig gemeint und keine versteckte Aufforderung zur Eispende. Viktor hat ein wenig schlechtes Gewissen, aber freuen uns natürlich riesig darüber.

Dienstag 17.12.24 – (141) – Huaco – San Roque (Cruce RN40 mit RN150)

Gesamt: 8.933,50 km

In unserer Herberge gibt es ab acht Uhr Frühstück, und da wir heute nur 60 km fahren wollen, nehmen wir es noch mit, obwohl wir so erst um neun Uhr loskommen – die Sonne steht schon hoch am Himmel. Während des Frühstücks unterhalten wir uns noch kurz mit dem Freiwilligen, der uns die ganze Zeit versorgt, Gonzalo. Er kommt aus Buenos Aires und hat dort als Automechaniker gearbeitet, ist aber jetzt offenbar „ausgestiegen“. Ab Januar wird er sich meditierend auf den Zusammenbruch des Weltwirtschaftssystems vorbereiten und das Erscheinen eines neuen Propheten erwarten, denn am 19. November 2024 sind wir in das Zeitalter des Wassermanns eingetreten, in dem wir bis zum März 2043 leben werden. Wer erinnert sich nicht an das Musical Hair und „The Age of Aquarius„?

Kurz nach unser Abfahrt halten wir bei „Jorge“ im Laden. Dort gibt es heute leider keinerlei Obst oder Gemüse (er sollte eigentlich mehr als ein Kiosk sein, eher ein Mini-Supermarkt … aber na ja). Aber wenigstens hat er Gatorade für Viktor. Außerdem sagt Jorge uns, dass es an unserem Ziel in Niquivil genügend Restaurants geben wird und wir nichts für unser Abendessen kaufen müssen.

Wir fahren den deutlich längeren Weg aus Huaco heraus, um nicht wieder über den Schotter fahren zu müssen – und weil wir heute nicht auf jeden Kilometer achten müssen wie gestern und morgen. Dabei kommen wir am Fahrradfahrer-Denkmal vorbei, und es fällt auf, dass die Menschen im Ort hier meist auf Fahrrädern unterwegs sind – sind wir im Münster Argentiniens gelandet?

hat eindeutig schon bessere Zeiten gesehen 😉

Wir wechseln heute wieder zurück auf die RN40 (Ruta 40). Für die ersten 21 km brauchen wir über zwei Stunden – es geht wieder einmal langsam aber stetig bergauf. Als nach 26 km rechts ein Pausenplatz mit einem Schrein für die Jungfrau von Urkupiña erscheint, halten wir spontan an – so eine Gelegenheit muss genutzt werden. Wir sichten eine Bolivianische Flagge, die wir uns nicht gleich erklären können, aber Urkupiña liegt in Bolivien, wie wir später herausfinden.

Kurz nach der Pause haben wir eine von zwei längeren Abfahrten, danach geht es in einem großen Bogen um einen im Weg stehenden Berg herum – und wieder langsam bergauf. Aber wir wissen ja, dass es nach der Kreuzung mit der RN150 wieder bergab gehen wird…

Zum Ende des großen Bogens fahren wir direkt auf eine riesige Felswand zu und wir fragen uns schon, ob wir da irgendwie durch oder drüber hinweg müssen. Aber die T-Kreuzung an der wir links abbiegen müssen scheint noch vor diesem majestätisch anmutenden Brocken zu liegen.

Geradewegs auf die Felswand zu.

Kurz vor der besagten Kreuzung befindet sich an einem Kreisverkehr ein Parkplatz mit Gebäuden, die aussehen, als könne man dort einkehren. Damit hatten wir gar nicht gerechnet, aber wir nutzen diese Gelegenheit ebenfalls. Wir können zwar keinen Kaffee bekommen aber kalte Getränke, und „richtiges“ Essen (Nudeln, Schnitzel, usw.) gäbe es ebenfalls. Der Betreiber bietet Viktor dann aber sogar ein Käse-Schinken-Sandwich an. Die bietet er nicht standardmäßig an, weil seine Gäste sie zu oft nicht gemocht hätten. Es ist überraschenderweise ein großes Sandwich aus richtigem Baguettebrot … vermutlich wollen die Leute hier immer nur weißes Toastbrot.
Während des Essens kommt er noch einmal mit seinem Handy in der Hand und zeigt seinen Bildschirm, auf dem der geteilte Kontakt von Jutta zu sehen ist. Ob es sein könnte, dass Jutta „Jutta Makowski“ ist? Unsere Überraschung ist natürlich groß.
Er hat den Kontakt von der Frau bekommen, die uns heute Abend in ihren Cabañas (Campinghütten) beherbergen wollte/sollte. Die hat uns zwar heute morgen um acht noch geschrieben, als wäre alles in Ordnung, aber jetzt muss sie uns absagen, weil sie Handwerker im Haus hat. Das hat sie den anderen Gastwirten in der Umgebung, die eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe betreiben, mitgeteilt und sich nach Alternativen für uns umgehört. Jutta schaltet ihr Handy ein und findet die Bestätigung der kurzfristigen Absage in ihren WhatsApp-Nachrichten.

Jetzt haben wir ein Problem, denn wir hatten für morgen schon 135 Kilometer bis nach San Juan eingeplant. Wenn wir hier übernachten, werden das über 150 Kilometer. Wenn wir weiterfahren, müssen wir irgendwo zelten, denn es gibt keine anderen Unterkünfte mehr zwischen hier und San Juan. Nach kurzer Beratung wissen wir, wie viel uns eine Nacht im klimatisierten Zimmer im Vergleich zum Zelten wert ist … etwa 20 Kilometer zusätzliche Fahrstrecke (überwiegend bergab) sind wir bereit, für ein ordentliches Bett und eine Klimanlage auf uns zu nehmen.

Wir kommen mit dem Betreiber, Enrique, ins Gespräch – er scheint Vegetarier nicht zu mögen, denn die sollten seiner Meinung nach vom Erdball verschwinden – und er bietet uns netterweise an, beim Einkauf in der Stadt noch etwas für uns mitzubesorgen. Wir bitten ihn, uns vier Bananen als Verpflegung für die morgige Strecke mitzubringen. Wir checken kurzerhand hier im Parador „La Posta“ ein und bereiten uns seelisch und mit viel körperlicher Ruhe auf den morgigen Tag vor. Abendessen gibt es hier – wie wohl in jedem Parador oder Restaurant Argentiniens – erst ab 21:00 Uhr. Aber was wollen wir in dieser verlassenen Gegend anderes machen?

Im Gespräch mit Enrique erfahren wir auch, dass Argentinien nur 46 Millionen Einwohner hat … das war uns gar nicht so bewusst. So ein riesiges Land und nur gut halbsoviele Einwohner wie Deutschland? Von denen würden auch viel zu viele gar nicht richtig arbeiten und würden vom Staat alimentiert, ist er überzeugt, besonders als wir die einsamen Touristeninformationen in den letzten Dörfern erwähnen, durch die wir gefahren sind.

Am Nachmittag gehen wir nochmal zu einem 1,3 km entfernten Kiosko, kaufen für morgen noch Brot und Dulce de Leche, denn wir werden wieder unterwegs an einer Leitplanke oder einem Heiligenschrein frühstücken müssen. Es soll jedenfalls wieder sofort bei Sonnenaufgang auf die Strecke gehen, damit wir genug Zeit haben und nicht in die heißen Stunden am Spätnachmittag geraten. Für morgen ist aber zum Glück Bewölkung angesagt, für unseren neuen Start-Ort „San Roque“ sogar ab 9 Uhr ein Gewitter. Aber da wollen wir schon möglichst weit weg sein.

Parador La Posta

Auf dem Weg zum Kiosko scheint es uns fast, als wäre jedes zweite Haus auch ein Kiosk, denn als wir Leute am Wegesrand fragen, zeigen die auf unterschiedliche Häuser, in denen man Getränke und Kleinigkeiten kaufen kann. Leider kann man ohne zu fragen nie wissen, wer jetzt genau was im Angebot hat… Auf dem Rückweg beobachten wir die Leute vom Wasserversorger dabei, wie sie mit einem Quad von Haus zu Haus fahren, die Wasserzähler vor den Häusern ablesen und die Rechnungen (Boletos) persönlich abgeben. Auf Nachfrage teilen sie uns mit, dass sie das monatlich machen.

Mitarbeiter des Wasserversorgers

In der langen Zeit bis zum Abendessen macht Jutta sich Gedanken, wie wir morgen zeitsparend die 9.000 gefahrenen Kilometer festhalten können. Sie entscheidet sich dafür, eine ehemalige Wäscherei-Tüte, in der seitdem Sandalen transportiert werden, zu beschriften. Jetzt ist alles vorbereitet, und die Sandalen werden morgen einfach wieder mit Gurten an den Radtaschen befestigt…

Und wir stellen wieder einmal fest, dass wir ziemliches Glück hatten, heute zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein, sonst wären wir an unserem eigentlichen Zielort angekommen und hätten keine Unterkunft gehabt.

Zum Abendessen um 21:00 Uhr macht uns Enrique eine Milanesa Napolitana mit Pommes, die so groß ist, das Viktor sie nicht aufessen kann, und Bandnudeln für Jutta.
Als Viktor das Abendessen bestellen will und durch die Türe in die Küche schaut, sieht er Enrique und seinen Helfer, wie sie dabei sind, Honig zu sieben. Tatsächlich stehen hinter dem Haus zwei Magazinbeuten (also Bienen-Behausungen) und sie mussten heute einigen Wildbau (kreuz und quer gebaute Waben) mit Honig entfernen. Sie wissen gar nicht, was sie mit dem Wachs tun sollen und halten diesen zunächst für Pollen. Der Honig ist dunkel und sehr schön würzig, denn Viktor darf natürlich probieren und ein Urteil abgeben. Daraus ergibt sich ein längeres Gespräch über die Imkerei, die Enrique noch von einem Imkerfreund erlernen will. Zu den Bienen ist er per Zufall gekommen, weil er einen alten Kühlschrank hinter das Haus gestellt hatte und irgendwann ein Bienenvolk darin vorfand. Hier in dieser Gegend muss man offenbar nur eine leere Beute aufstellen und irgendwann zieht ein Schwarm Honigbienen freiwillig ein. Leider ist es schon zu dunkel, um noch einen Blick auf die Bienenvölker hinterm Haus zu werfen.

Mittwoch 18.12.24 – (142) – San Roque – San Juan (Ciudad)

Gesamt: 8.969,57 km

Manchmal kommt alles anders als man denkt!

Schon als der Wecker klingelt, hören wir draußen starken Wind wehen. Wir machen uns fertig, ziehen uns sogar Jacken an, und sind um sechs (wie geplant) abfahrbereit. Heute ist es noch richtig dunkel, man merkt die Morgendämmerung kaum.

Sobald wir losfahren, kämpfen wir gegen den Wind und müssen immer wieder gegenlenken. Die Ruta 40 ist zudem ab dieser Kreuzung in sehr viel schlechterem Zustand als alle Straßen, die wir bisher in Argentinien befahren haben. Das liegt wahrscheinlich an den vielen Schwertransporten der Minenfirmen, von denen unser Gastgeber gestern erzählt hat – für Fahrradreifen ist die Fahrbahn nicht gerade gut geeignet.

Aber wir fahren – müssen wir ja, schließlich haben wir heute einen langen Weg vor uns – auch, wenn es schwerfällt. Nach über einer Stunde sind wir erst zwölf Kilometer weit gekommen, erreichen die Polizeistelle von Niquivil, wo wir eigentlich gestern übernachten wollten, und bleiben in deren Windschatten stehen. Wenn wir in dem Tempo weiterfahren, brauchen wir 15 Stunden. Selbst wenn sich die Bedingungen verbessern sollten, ist es unrealistisch, heute 150 km zu schaffen. Dazu hätten wir besonders auf den ersten 50 km, die überwiegend bergab gehen, flüssig dahingleiten müssen. Wir sind uns einig, dass das heute nicht geht. Als der Polizist noch sagt, dass die Straße sogar noch schlechter wird, fragen wir ihn nach Pick-Up-Fahrern und Bussen. Pick-Up-Besitzer kennt er nicht, aber er schickt uns einige Meter zurück, wo „Collectivos“ Menschen (ohne Gepäck) einsammeln.

Zwei Frauen, die dort warten, bestätigen dieses und wissen, dass in San José de Jáchal am Busterminal vormittags um zehn oder halb elf ein „Collectivo“ (wie sie hier wohl alle Busse inklusive der Überlandbusse nennen) losfährt. Wir überlegen noch kurz, ob wir den Tag einfach hier aussitzen und es morgen nochmal versuchen, aber bis Weihnachten wird die Zeit immer kanpper, und wir haben für die nächsten Tage auch schon die Unterkünfte reserviert. Kurzerhand nutzen wir den starken Wind als Rückenwind und fahren die bereits gefahrene Strecke wieder zurück.
Viktor muss dabei an einen Geschäftspartner denken, der einen Unternehmens-Leitspruch von Aristoteles übernommen hat:

An unserem Hospedaje wollen wir im WIFI schnell die Strecke zum Busbahnhof suchen, denn unsere Maya-eSIM funktioniert in dieser abgelegenen Gegend nur mit 3G, und eine Internetverbindung will sich einfach nicht aufbauen. Aber das Internet ist auch im WIFI des Hospedaje gerade nicht verfügbar (zu viel Sturm?). Also geht es mit Rückenwind weiter in den Norden nach San José de Jáchal (oder auch kurz nur Jáchal), wo wir den erstbesten Menschen nach dem Weg fragen. Um kurz vor neun sind wir am Bus Terminal.

Entgegen allen Erwartungen (in Argentinien sollen die Regeln für Fahrradtransporte in Bussen viel strenger sein) gibt es überhaupt kein Problem, das Tandem (ohne Karton!) im Bus mitzunehmen. Der Busfahrer sagt sofort zu. Wir können schon beginnen, das Tandem zusammenzuschieben, bevor um 9:15 Uhr das Ticketbüro öffnet. Und hier in Argentinien sagt man uns dann auch noch erstmalig, dass es gar nicht komplett zusammengeschoben werden muss! Hauptsache es passt in den Gepäckraum. 🙂
Wir haben jetzt vor der Abfahrt um 10 Uhr sogar noch Zeit, im Terminal einen Frühstückscafé zu trinken, der wie immer zusammen mit einem Glas Wasser und hier sogar noch mit zwei Maisbrötchen serviert wird. Eigentlich wollte Viktor seit seiner Erfahrung in Trujillo ja nie wieder etwas an einem Busterminal essen … aber heute geht es gut. Die Tickets sind übrigens auf Jutta Makowski und Berlin Makowski ausgestellt. Mit den Deutschen Pässen kommen sie hier einfach nicht klar.

Die Busfahrt ist relativ kurz und ereignislos. Die Strecke landschaftlich auch nicht besonders reizvoll, denn rechts und links liegen viele Tagebau-Minen und Abraumhalden. Erst gegen Ende kommen dann die ersten Weinbau-Felder in Sicht. Wir nähern uns Mendoza, einer der bekanntesten Malbeq-Weinbauregionen Argentiniens. Viktor dokumentiert unterwegs noch kurz die Straßenqualität … als weitere Erklärung oder Entschuldigung. Der Tag fühlt sich schon so ein wenig nach einer Niederlage an … aber wir sind uns beide einig, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben.

In San Juan bauen wir um 12:20 Uhr das Tandem wieder auf die volle Größe zusammen und orientieren uns grob Richtung Stadtzentrum. Leider hat der Busbahnhof kein freies WLAN und wir können keine Routenplanung zum Hotel durchführen (auch hier in der „Großstadt“ gibt uns die eSIM nur 3G … irgendwas stimmt da doch nicht). An irgendeiner Ampel erwischt Jutta aber dann doch noch das offene WLAN eines Ladens? (DEKO) und so kann uns GoogleMaps die kurze 1,5 Kilometer-Strecke zum Ziel führen.

Nach etwas kompliziertem Checkin mit beiden Reisepässen, Registrierungs-Formularen und einer Online-Abfrage unseres Einreisedatums nach Argentinien (wir haben ja keinen Einreisestempel erhalten), wird das Tandem in der Tiefgarage verstaut, und wir lassen uns von Antje E. auf ein Eis im Eiscafé direkt neben dem Hotel einladen. Es gibt ganz neue Eissorten zu probieren, unter anderem „Membrillo“-Eis mit Quittengelee in der Eiskugel. Die Eispreise hier in Argentinien sind ziemlich heftig, 8.500 Pesos für 3 Kugeln (~ 8,50€), und das nicht nur hier in der Stadt.

Danke Antje!

Laut einer Werbung der Touristeninformation soll es abends eine Walking-Tour durch die Stadt geben. Wir versuchen uns anzumelden, bekommen aber eine Absage: heute findet keine Tour statt. Es ist halt ein paar Tage vor Weihnachten… Schade eigentlich, denn jetzt sind wir ja gar nicht so kaputt wie erwartet und hätten noch die Energie für etwas Sightseeing.

Abends ist der Eingang der Kathedrale immerhin nicht mehr verschlossen, und wir wollen uns wenigstens diesen modernen Kirchenbau noch ansehen. Es ist etwa viertel vor acht, und um acht findet eine Gottesdienst statt. Die riesige Kathedrale ist so voll, dass gerade noch Stühle herangeschafft werden, und später stehen die Gläubigen sogar noch draußen. Und das an einem Mittwoch – wahrscheinlich ist es jeden Tag so voll. So voll sind die Kirchen bei uns nicht einmal an den Festtagen

Wir gehen noch etwas durch die Stadt, unter anderem durch eine großzügige Fußgängerzone, trinken etwas im Café Gibraltar, das offenbar vor allem von Einheimischen besucht wird, und enden zum Abendessen im Rocky Bay, weil die „La Cantina del Español“ bei Google falsche Öffnungszeiten hinterlegt hat (19:00 statt 20:30). Heute haben wir die Zeit und schreiben bei GoogleMaps Korrekturen und Rezensionen. Und wo wir schon dabei sind, schicken wir auch erstmals auf dieser Tour eine Korrektur an Open Street Maps, um die Straße mit dem Waschbrett-Schotter in Huaco korrekt zu kategorisieren.
Jutta isst im Rocky Bay einen vegetarischen Burger, und wir erleben mal wieder, wie unterschiedlich einige Begriffe in Lateinamerika benutzt werden. In Chile wäre ihr „Poroto“-Burger aus „Kindern“ hergestellt, in Argentinien sind es zum Glück nur „Bohnen“.
Die Bedienung versteht Viktors Spanisch wieder einmal nur zur Hälfte und vergisst bei der Bestellung seinen Buffalo-Burger. Viktor sitzt Jutta also mit seinem Malbeq-Rotwein gegenüber und schaut ihr beim Essen des Poroto-Burgers zu. Irgendwann fragt er dann doch mal bei der Bedienung nach. Der junge Mann rennt daraufhin los, um einen zweiten vegetarischen Burger in Auftrag zu geben. Jutta hat das zum Glück irgendwie mitbekommen und verstanden … an Körpersprache, an Spanisch-Bruchstücken, woran auch immer (Jutta hat ihm einfach nur zugehört – Kommentar von ihr selber). Viktor hastet also hinterher und korrigiert die Bestellung nochmal. „Bitte keinen vegetarischen Burger bringen!“ … und Jutta hatte völlig Recht, genau das hatte der junge Mann vor … ja welche Sprache spreche ich hier eigentlich … Herrgott nochmal? Die Lieferung des Buffalo-Burgers dauert dann noch so lange, dass ein kostenloser Malbeq-Rotwein dabei herausspringt … Viktors Stimmung erreicht danach Dauer-Grinse-Status, denn das „Artesanal Ale“ Bier im Café Gibraltar war auch schon nicht schlecht. (Jutta muss die Bedienung etwas in Schutz nehmen: Jutta hat zuerst bestellt, Viktor hat danach mit einem halben Satz und leise den Buffalo-Burger und dann mehrere Minuten lang und lauter den Wein bestellt – das war schon fast vorprogrammiert, dass sein Burger da untergeht)

In den letzten Tagen haben wir es schon häufiger erlebt, besondern in den größeren Ortschaften: Pickup-Trucks fahren hupend durch die Stadt, hinten sitzen junge Menschen und feiern. Kurz vor dem Sommer haben alle möglichen Menschen einen Schul- oder Ausbildungs-Abschluss erreicht. Das ist hier auf der Südhalbkugel halt kurz vor Weihnachten der Fall und überschneidet sich (für uns) ganz eigenartig mit der Weihnachtsstimmung.

Nach einem Tag schon ist der Open Street Map Hinweis aufgenommen.

Donnerstag 19.12.24 – (143) – San Juan – Media Agua

Gesamt: 9.027,65 km

Um sieben gibt es ein gutes Frühstücksbuffet mit sehr leckerer Honigmelone, die wir schon ewig nicht mehr hatten. Viktor trägt ab heute sein neues T-Shirt, Jutta ihre neue Hose, die wir beide gestern bei Sportotal gekauft haben, um die alten zu ersetzen.

Um acht fahren wir los. Der Weg aus der Stadt ist nach einigen Kurven lange Zeit auf einem akzeptablen Radweg, danach fahren wir ebenfalls relativ lange durch eine Allee aus Eukalyptusbäumen – sowohl schön als auch schattig. Es ist ganz schön, endlich mal wieder Menschen am Straßenrand zu treffen, zu grüßen und auch zurückgegrüßt zu werden. Viele Autofahrer hupen und winken oder recken den Daumen hoch. Motorradfahrer fragen an der Ampel nach dem „Woher?“ und „Wohin?“. Das hat schon etwas Motivierendes. Aber wo viele Menschen sind, gibt es halt auch ein paar mehr Idioten. Auf diesem Teilstück kommt plötzlich von der linken Straßenseite ein faustgroßer Stein angeflogen und verfehlt uns nur knapp. Jutta kann aus den Augenwinkeln noch sehen, dass es wohl ein Erwachsener gewesen sein muss. Viktor schreibt am Nachmittag noch eine Warnung mit Ortsangabe in die WhatsApp-Gruppe der „Viajeros En Bici 🚴‍♀ Por Argentina 🇦🇷“.

Irgendwann biegen wir ab, um auf der RN40 weiterzufahren und kommen an einer YPF-Tankstelle mit „Full“-Café vorbei, wo wir spontan schon für eine Pause anhalten, wie zuvor auch eine größere Gruppe einheimischer Radfahrerinnen.

Von diesen Frauen erfahren wir auch, dass San Juan und die Region drumherum als Hauptstadt des Argentinischen Radsports gilt. Deshalb wohl auch das Denkmal am Kreisverkehr um die Ecke:

Wir sind uns eine ganze Zeit etwas unsicher, ob wir überhaupt auf der RN40 gelandet sind, weil es keine Schilder am Rand gibt wie sonst (und wir nicht im Internet nachgucken können, weil wir keinen Empfang haben), aber wir sind richtig. Bei Kilometer 30,43 haben wir die 9000-er Marke erreicht – einen Tag später als vorgestern noch gedacht … :

Kurz darauf kommen wir durch Carpinteria und denken etwas zurück an die Zeit in Santa Barbara, Kalifornien, wo einer unserer Nachbarorte ebenfalls „Carpinteria“ hieß.

Als Jutta kurz nach „Carpinteria“ mal „muss“ und es überall menschliche Ansiedlungen gibt (sind wir gar nicht mehr gewohnt), fragt sie in einem medizinischen Zentrum gegenüber von „Santa Barbara“ – die liegen auch hier nahe beieinander. Wahrscheinlich wegen der vielen Minen hier gibt es Gedenkstätten für Barbara gehäuft in dieser Gegend, denn die heilige Barbara ist auch die Schutzpatronin der Bergleute, das gilt offenbar nicht nur für den deutschsprachigen Raum (siehe Patrona de los mineros).

Ansonsten fahren wir heute bei schönem, recht heißen Wetter (es soll bis 42°C heiß werden) neben der Eukalyptus-Allee am Morgen auch zwischen vielen Wein- und Olivenplantagen und an Pappel-Reihen vorbei.

Um kurz nach zwölf halten wir (schon wieder) an einer Tankstelle und erfahren, dass das per WhatsApp angefragte Hotel Media Agua gleich ein paar Meter weiter liegt. Als wir dort ankommen und niemanden antreffen, beschließen wir spontan, beim Hotel und Restaurant neben der Tankstelle anzufragen, weil das „Media Agua“ wirklich nicht zum Bleiben einlädt. Sie haben Platz, und das Restaurant ist sehr gut besucht und liefert auch gerade sehr viel Essen aus (entweder „Essen auf Rädern“ oder wirklich sehr viele Bestellungen in diesem Kaff), muss also wohl gut sein (oder ein Monopol besitzen 😉 ). Das Zimmer und vor allem das Bad sind allerdings gar nicht mal so gut und definitiv nicht die 50.000 Pesos (ca 50 Euro) wert, was Viktor dem Personal später auch nochmal mitteilt, nachdem er die spanische Übersetzung des Wortes „Unverschämtheit“ bei Leo nachgeschaut hat. Da haben wir uns vom ansprechenden Äußeren täuschen lassen – vielleicht wäre es im „Media Agua“ ja umgekehrt gewesen, wer weiß?

Aber immerhin hat das WIFI Internet-Verbindung, so kann Jutta pünktlich den nächsten Geburtstagsanruf tätigen und wir unsere „Netz-Tätigkeiten“ erfüllen. Zum Beispiel gibt es ein Problem mit dem neuen Kurbelsatz, der schon seit Tagen in Santiago am Flughafen beim Zoll liegt: unser Sohn hat als Überraschung wohl Kräutertee, Dominosteine und einen Schokoladenhohlkörper mit in das Paket gepackt, und diese bräuchten irgendwelche Zertifikate, um importiert werden zu können. Die Chilenen sind beim Import von Nahrungsmitteln extrem scharf und wollen jetzt sämtliche Zutaten der drei Süßigkeiten erfahren. Wir benötigen also Fotos der Etiketten mit den Zutaten und müssen diese dann irgendwo hochladen (und vermutlich auch übersetzen). Dazu haben wir ein Flowchart von DHL erhalten … puh. DHL macht jetzt erstmal garnichts mehr, bis wir bestätigen, dass wir alles in die Wege geleitet haben.

Zutaten Ferrero-Küsschen Weihnachtsmann

Laut diesem YouTube-Video, das wir ebenfalls von DHL erhalten haben, können nur Chilenische Staatsbürger die erforderlichen Informationen auf der entsprechenden Webseite hochladen, weil sie eine Chilenische Identifikationsnummer angeben müssen. Es sieht nun also fast so aus als würden ein Schoko-Weihnachtsmann, ein Tee und Dominosteine unsere Weiterfahrt gefährden. Manchmal kannst Du gar nicht so blöd denken wie es am Ende kommt. Wir müssen jetzt wohl jemanden in Chile finden, der/die das für uns erledigt … oder aber DHL macht das doch noch für uns, wenn wir da jemanden ans Telefon bekommen können.

Übrigens hatte unser Sohn vorher bei DHL nachgefragt, ob diese Kleinigkeiten ein Problem werden könnten.

aus dem Video
Und tatsächlich … es geht nicht weiter im Formular … 🙁

Dabei hat Jutta gerade heute davon gesprochen, dass es Zeit wird, dass die neue Pedalkurbel ans Rad kommt. Seit dem Unfall am 27. November hatte sie nämlich immer Schmerzen am linken Knie, bis sie nach einigen Tagen den linken Schuh nicht mehr mit den Cleats im Pedal eingehakt hat. Seit heute früh schmerzt nun aber der linke Adduktorenmuskel (weil der Fuß nicht fest mit dem Pedal verbunden ist), so dass Jutta heute begonnen hat, alle paar Kilometer zu wechseln. Schuh einhaken, wenn der Adduktor schmerzt, wieder aushaken, wenn das Knie schmerzt – immer wieder, alle paar Kilometer. Die Hoffnung war und ist immer noch, noch zwei Tage durchhalten zu müssen, und danach ab Santiago ohne eiernde Pedale weiterfahren zu können.

Freitag 20.12.24 – (144) – Media Agua – Lavalle

Gesamt: 9.123,51 km

Was für ein besch..eidener Radfahrtag! Wir fahren praktisch den ganzen Tag gegen den Wind und nutzen dafür bis Kilometer 88 nur die unteren sieben Gänge unserer 14-Gang-Schaltung. Die Wetter-App sagt ständig, dass der Wind in circa zwei Stunden nachlassen wird, tatsächlich ist das aber erst ab 15:30 Uhr der Fall, aber aufhören will der Wind natürlich gar nicht.
Kombiniert man das mit schlechten Straßenverhältnissen, mörderischen Autofahrern und einem großen Streckenteil durch die Wüste (Ihr wisst, wir hassen die Wüste … ähm … wir können der Wüste nur wenig Positives abgewinnen), so hat man alle Zutaten für einen Ritt auf dem „Highway to Hell“ oder zumindest für eine Radtour durch die Vorhölle und das Fegefeuer.

Aber der Reihe nach.

Wir haben 95 Kilometer ohne große Höhenmeter vor uns und fahren schon um viertel vor sieben los, nachdem wir das schnelle Frühstück eingenommen haben. Rechnen tun wir damit, so etwa um 14 Uhr anzukommen. Leider weht schon am frühen Morgen starker Südwind, und es geht heute die ganze Zeit nach Süden. Schon früh sehen wir am Straßenrand ein Schild, das auf schlechte Straßenverhältnisse für die nächsten 20 Kilometer hinweist. Na, das ist doch mal ermutigend.

Die Spurrinnen auf den nachfolgenden Kilometern sind teilweise so tief, dass es sich anfühlt als versuchten wir unser Tandem in einer zu groß geratenen Regenrinne zu balancieren. Ist man erstmal drin, hat man keine Chance mehr, wieder herauszukommen. Was haben die hier für einen Asphalt benutzt, der unter der Last der Fahrzeuge solche Wellen wirft?

Um neun, also nach über zwei Stunden, haben wir gerade mal gute 20 Kilometer geschafft und suchen händeringend einen Pausenort im Windschatten von Irgendwas. Wir halten hinter einem Lastwagen an, den wir heute morgen schon am Hotel gesehen haben. Es ist eine Truppe, die Galsfaserkabel verlegt und im gleichen Hotel übernachtet hat wie wir. Viktor spricht sie an und fragt, ob der Wind den ganzen Tag über so kräftig bläst. Leider sind die Jungs aus Buenos Aires und wissen es selbst nicht. Einer schaut in seiner App nach, und die zeigt an, dass der Wind ab 10 Uhr nachlassen soll.

Bei km 26 steht rechts ein großer Bauwagen der Straßenmeisterei – idealer Windschatten! Nur wird dieser just als wir ankommen abtransportiert. Die Arbeiter sagen uns, dass nur zwei Kilometer weiter die Straßenmeisterei sei und wir dort Windschatten finden würden. Es sind dann doch fast sechs Kilometer, und dort gibt es angeblich sogar einen kleiner Laden (nochmal 500m weiter), wo man Kaffee und Verpflegung bekommen kann, wird uns von den gleichen Arbeitern gesagt, als wir dort endlich ankommen. Wir schieben unser Tandem noch 500 Meter und stehen leider vor verschlossener Tür. Es ist zehn Uhr, und da die Wetter-App mittlerweile sagt, dass der Wind ab zwölf abflauen soll, wollen wir eine etwas längere Pause machen.

Wir nehmen uns eine Getränkekiste und einen Metallkorb mit Brettern als Sitzgelegenheiten, setzen uns in den Windschatten einer großen Metallplatte, die sich im Wind immer wieder durchbiegt und poltert wie ein riesiger Knackfrosch, und hören einen heruntergeladenen Podcast.

Nach eineinhalb Stunden geht Viktor bei der Polizei (hier ist die Grenze der Provinzen San Juan und Mendoza) nach dem WIFI-Passwort fragen und erhält es sogar. Die App schreibt inzwischen, dass der Wind doch erst nach 14 Uhr abflaut – dann müssen wir jetzt wohl doch weiterfahren. Gegenüber der Polizei erblickt er aber das geöffnete Lokal, zu dem uns die Arbeiter geschickt haben, und wir trinken dort (ganz ohne Wind) dann noch etwas, bevor wir um zwölf weiterfahren. Wenn gar nichts mehr ginge, könnten wir auch hierher zurückgefahren kommen und hinter diesem Lokal zelten – das haben hier wohl schon einige Radreisende getan. Am Fenster befinden sich ein paar Aufkleber und die Betreiberin fragt uns nach unserem „Esticker“ … also „Sticker“ mit spanischem Akzent ausgesprochen, den wir natürlich gerne dazukleben. Das Zelten wollen wir aber tunlichst vermeiden, auch wenn das Fahren heute wirklich keine Freude macht.

Direkt nach dieser Pause fahren wir über die Provinz-Grenze von San Juan nach Mendoza. Einen Kilometer weiter werden wir an einer Kontrollstelle mit unserem Fahrrad durchgewunken, während Auto-Kofferräume intensiv kontrolliert werden. Auf einer elektronischen Anzeige werden alle aufgefordert, kein Obst einzuführen. Wir haben vier Äpfel im Gepäck, aber was willst Du machen, wenn Du durchgewunken wirst? Danach müssen wir irgendwie um eine Desinfektionsanlage herumfahren, durch die alle Kraftfahrzeuge hindurch müssen. Davor steht ein Schild, das alle auffordert, die Fenster vorher zu schließen. Von unten und von den Seiten wird ein Desinfektionsmittel gesprüht.

Hier beginnt nun eine längere Wüstenstrecke, auf der wir zwischendurch mehrfach anhalten bzw. anhalten müssen. Wir schützen unsere Atemwege und die Ohren mit unseren Argentinien-Halstüchern gegen Wind und Sand, müssen mal austreten oder sind gerade mal wieder von der Straße in den Schotter abgedrängt worden und nutzen die Gelegenheit für eine Pause. Oder eine starke Windböe hat uns auf Schrittgeschwindigkeit heruntergebremst und wir bleiben einfach genervt stehen. Es ist eine echte Geduldsprobe, die mit den langen Anstiegen in den Anden durchaus vergleichbar ist.

Immer wenn Lastwagen im Gegenverkehr auftauchen – und es tauchen heute viele auf – kann es brenzlig werden. Sieht Viktor im Rückspiegel ebenfalls große Fahrzeuge (Lastwagen oder Busse), müssen wir uns darauf einstellen, dass einer dabei ist, der keinen Bock hat, hinter uns abzubremsen und stattdessen nervös die Hupe betätigt (ganz offensichtlich nicht zum freundlichen Gruß, sondern weil es ihm zwischen dem Gegenverkehr und uns zu eng wird), um uns auf die Schotter-Standspur abzudrängen, auf die man über eine mehr oder weniger hohe Asphalt-Abbruchkante regelrecht „abstürzt“. Je nach Konsistenz des Schotters, schafft man es danach wieder auf die Fahrbahn oder man bleibt halt stecken.

Noch gefährlicher kann es allerdings bei Lastwagen-Gegenverkehr werden, wenn von hinten GAR KEIN Verkehr im Spiegel zu sehen ist. Das heißt nämlich, dass hinter den Lastwagen im Gegenverkehr die besonders risikofreudigen Autofahrer zum Überholvorgang ansetzen könnten und dabei auf unsere Spur kommen. Und sind die einmal im Überholvorgang und erblicken uns, scheren eben nicht alle wieder ein. Auch heute verlässt sich einer von ihnen wieder darauf, dass wir in den Schotter fahren, um unser Leben zu retten und hält volle Pulle frontal auf uns zu. Zum freundlichen Finger-Gruß bleibt in solchen Situationen leider keine Zeit.

Natürlich fragen wir uns gegenseitig heute – wie auch an anderen Tagen -, ob uns das Ganze denn noch Spaß macht. Heute sind wir uns einig, dass „Spaß“ im eigentlichen Sinne des Wortes wohl nicht ganz zutreffend wäre. Aber wir wissen ja, dass es nur noch diese Etappe und eine weitere bis Mendoza ist. Dann haben wir hoffentlich ein paar Tage Weihnachtspause in Santiago de Chile, wenn wir es mit dem Bus dorthin schaffen. Die gute Laune lassen wir uns aber trotzdem nicht verderben, wie dieses Video von der Wüstenstrecke vielleicht ein wenig illustriert.

Ab 15:30 beginnt der Wind dann doch langsam etwas nachzulassen und wir werden wieder schneller, wie man an den Zeiten für jeweils 5 Kilometer ab 13 x 5 km (65 km) ganz gut erkennen kann:

Zum Glück ist die Gegend nach dem Wüstenabschnitt wieder grüner, deutlich dichter bewohnt und es gibt ein paar Pausenmöglichkeiten am Straßenrand, die wir fast alle nutzen.

Wir kommen nach 18 Uhr in Lavalle an, checken im Hotel ein, duschen und gehen schnell Abendessen. Mit 11 Stunden und 41 Minuten zwischen Abfahrt und Ankunft haben wir heute nicht einmal unsere Rekorde aus Kalifornien übertroffen, die bei über 11 Stunden und 50 Minuten lagen.
Auf dem Rückweg vom Abnedessen bekommen wir noch zufällig mit, wie in einem zentralen Park ein Krippenspiel aufgeführt wird.

Samstag 21.12.24 – (145) – Lavalle – Mendoza

Gesamt: 9.159,11 km

Wir haben heute eine kurze Tour, also schlafen wir aus, frühstücken erst gegen acht und fahren gemütlich gegen neun Uhr los. In diesem Hauptortsteil von Lavalle – Tulumaya – haben wir uns schon gestern Abend ganz wohl gefühlt, und der Geräuschpegel von der Straße an einem Freitagabend war in unserem Zimmer auch nicht zu lange zu laut zu vernehmen. Jetzt bemerken wir noch positiv die vielen Straßenbäume und fahren sogar auf einem Radfahrstreifen aus dem Ort heraus. Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich sich Ortschaften „präsentieren“ können. Unser Hotel ist übrigens 2014 das erste Hotel hier am Ort gewesen.

Nach den knapp zehn Kilometern zurück bis zur Ruta 40 machen wir an der Tankstelle von gestern schon eine Kaffeepause, und das ist gut so! Nicht nur, dass wir beim Weiterfahren noch eine große Honigmelone geschenkt bekommen (von Mario aus seinem Pick-Up voller Melonen), nein, ab hier ist die 40 bis Mendoza Baustelle und schon wieder macht das Radfahren wenig Spass. Wir können nicht „durchfahren“, denn es gibt Stellen, an denen es über übelsten Schotter geht und wir schieben müssen. Wir versuchen es über eine Parallelstraße, aber auch diese wird zur Schotterpiste, so dass wir wieder wechseln.

Glücklicherweise sind es nur etwa 15 km durch diese Baustelle, bevor die Stadt beginnt und es wieder besser wird. Kurz hinter dem Flughafen von Mendoza beginnt sogar ein Radweg. Die ersten Blöcke kommen wir noch nicht drauf, weil es Durchfahrtsperren gibt, die für uns mit Gepäck zu eng sind, aber später nutzen wir den Radweg. Manchmal muss man den Kopf einziehen, weil Zweige der Bäume zu tief hängen, manchmal ist die Streckenführung aber auch einfach katastrophal:

Bemerkenswert ist, dass in Mendoza kilometerlang riesige Oleanderhecken am Straßenrand stehen, immer abwechselnd meterlang in weiß, rosa und rot. Die werden hier richtig groß und tragen so viele Blüten, da können wir in unseren heimischen Breitengraden nur von träumen.

Unser Hotel liegt sehr zentral und ist schnell gefunden. Wir dürfen auch schon das Zimmer beziehen, gehen dann aber zunächst zu Starbucks an der nächsten Straßenecke, stärken uns ein wenig und gehen dann zum Busterminal. Dort fragen wir an allen (geöffneten) Schaltern von Busgesellschaften, die nach Santiago fahren, ob sie uns morgen mit dem Rad mitnehmen würden. Und heute erfahren wir dann das, was uns schon immer vorhergesagt wurde: entweder werden Räder prinzipiell nicht mitgenommen oder zwischen November und Februar nicht (bis März können wir nicht warten ;-)), oder das Tandem müsste im Karton verpackt sein. Ein einziger Anbieter (Ahumada aus Chile) sagt, das wir eventuell am Montag mitfahren können, wenn dann noch ausreichend Platz ist. Später, beim zweiten Besuch, gibt dieser noch zu, dass auch für morgen früh bislang noch zehn Plätze frei sind, von denen er aber glaubt, sie noch loszuwerden. Wir können aber morgen früh um sieben fragen, wie es aussieht…

Eine Aufsichtsperson im Terminal sagt uns, wir könnten das Rad ja auch per Fracht schicken lassen, allerdings sehen wir dann, dass das Frachtbüro erst Montag wieder öffnet. Viktor fragt dann noch bei Taxifahrern, ob man sich von denen wenigstens bis zur Grenze bringen lassen könnte. Ein „Maletero“ (Kofferpacker) bekommt das mit und rät uns, einfach morgen früh zu ihm zu kommen, und er würde das dann schon mit den Busfahrern klären. Man sollte mit sowas auf gar keinen Fall zu den offiziellen Ticketschaltern gehen, denn die würden sowieso immer ablehnen. Man dürfte dort niemals Aussagen über das Gepäck machen, das man mitnehmen möchte, schon gar nicht bei Fahrrädern. Hier ist das Bus-Terminal riesig, fast wie ein Flughafen, und die Leute an den Schaltern sollte man mit so etwas wohl lieber erst gar nicht behelligen. Na gut, wir versuchen es morgen einfach mal!

Danach gehen wir aber erst einmal im Hotel duschen und umziehen, um gegen fünf Uhr zu einer Free Walking-Tour zu gehen. Zunächst sind wir da aber am falschen Platz, und kurze Zeit später finden wir den Guide mit der orangefarbenen Mütze am richtigen Ort leider nicht mehr – es ist schon etwas zu spät. In der nahegelegenen Touristeninformation erhalten wir einen Stadtplan mit der Empfehlung, den Parque San Martin zu besuchen.

Dorthin laufen wir eine ganze Weile bei weiterhin ziemlicher Hitze, erst in eine falsche Richtung, bis wir es bemerken und umschwenken. Im Park gibt es einen langen, schmalen See, der in der prallen Sonne liegt, aber auch andere Wege im Schatten, ebenso Radwege. Die vier Kilometer zum höhergelegenen Aussichtspunkt gehen wir lieber nicht, sondern über einen kleinen Handwerks- (Weihnachts-) Markt. Endlich kann Viktor dort einen „Pancho con Poncho“ probieren, die es in Argentinien überall zu kaufen gibt.

Pancho con Poncho, eine Art Hot-Dog mit Schinken, Käse und Kartoffelsticks

Wir gehen noch zum vier-seitigen Brunnen den Kontinente (an dem Australien und Antarktis fehlen…) und zum Eingangsportal, die uns beide ans Herz gelegt wurden und haben danach genug.

Auf dem Rückweg zum Hotel essen wir noch in einem guten Restaurant mit großer Weinkarte zu Abend. Jutta bestellt einen Chefsalat, der ihrer Meinung nach süßes Brot enthalten soll. Als er serviert wird, liegen eindeutig Fleichstücke oben darauf. Wir fragen nach und erfahren, dass „Sweetbread“ wirklich kein Brot, sondern Bries ist, was wir noch nie gehört haben. Man kann die Stücke aber gut beiseitelegen … und irgendwie hat Viktor heute auch keine große Lust, dieses „besondere“ Fleisch nach seinem Rindersteak auch noch zu vertilgen.

Auf dem Rückweg kommen wir nochmal an der Plaza Independencia vorbei wo ein weihnachtliches Rap-Konzert gut besucht ist und wir bleiben kurz stehen.

Es ist fast halb zehn, als wir im Hotel zurück sind, und wir müssen noch Melone zum Nachtisch essen (mitnehmen können wir sie morgen nicht). Drei Viertel schenken wir anschließend den Hotelmitarbeitenden, die sich freuen.

Sonntag 22.12.24 – Mendoza – Santiago de Chile (Bus)

Der Wecker klingelt um 5:20, denn wir wollen vor 7 Uhr am Busbahnhof sein und das Tandem auf Kleinstmaß zusammengeschoben haben, bevor die Ticketschalter um 7 Uhr öffnen. Wir verzichten also auf das Frühstück im Hotel, das eigentlich im Preis inbegriffen ist, packen alles aufs Tandem und radeln die 3 Kilometer zum Busbahnhof.

Dort fahren wir direkt zum Taxistand und wollen zu den Maleteros, die uns ja angeblich mit dem Tandem im Bus unterbringen können, ohne dass wir an den Ticketschaltern etwas vom Tandem erzählen. Heute morgen ist nur ein junger Maletero dort, der den in den Nachtbussen ankommenden Fahrgästen die Koffer in die Taxis packt. Viktor spricht ihn auf Spanisch an, er antwortet in relativ gutem Englisch, sagt, er habe ein paar Jahre in den U.S.A. gelebt, und wir könnten ruhig Englisch sprechen. Viktor erwidert, dass er besser Spanisch als Englisch spricht, aber das interessiert den jungen Mann nicht, und er bleibt beim Englischen. Es ergibt sich ein kurzes Gespräch, aus dem sich relativ schnell ergibt, dass dieser Maletero wohl nicht die notwendigen Kontakte zu den Busfahrern hat. Er schickt uns … na wohin? … richtig! … zu den Ticketschaltern. 🙂

Um kurz nach sieben ist Viktor also wieder am Ticketschalter von AHUMADA, einem Chilenischen Busunternehmen, und siehe da, ein anderer Mitarbeiter als der von gestern Abend hat überhaupt kein Problem damit, uns zwei Tickets zu verkaufen und die Mitnahme des Tandems (unverpackt!) sofort zuzusagen.

Für die Einreise nach Chile müssen wir online eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass wir keine Früchte, Fleisch- oder Wurstwaren, Nüsse, Samen oder andere verbotene Dinge einführen. Das erledigen wir während der Wartezeit im Busterminal auf unseren Handies, können aber nichts ausdrucken, wie es einige andere Reisende offenbar getan haben.

Die Busfahrt für die gut 350 Kilometer soll laut Ticket 8 Stunden dauern. Bis zur Grenze sind es etwa 3,5 Stunden. Wir essen in der Zeit unsere Äpfel und alle Nüsse/Rosinen/Schoko-Erdnüsse, die wir als Power-Mix immer dabeihaben.

An der Grenze wird das gesamte Gepäck (aber zum Glück nicht das Tandem) aus dem Gepäckraum geholt und auf ein Gepäckband gelegt. Wir müssen zunächst die Einreiseformalitäten (Migración) erledigen und dann unser Gepäck durch ein Röntgengerät laufen lassen. Unsere eidestattliche Erklärung schaut sich jemand nur ganz kurz auf dem Bildschirm unserer Handies an. Wir müssen lange in einer von vier Schlangen warten, um unseren Einreisestempel für Chile zu bekommen. Von Argentinien erhalten wir auch heute keinen Stempel, das Land hat sich also nicht in unseren Reispässen verewigt, aber wir werden ja noch einmal weit im Süden einreisen, vielleicht klappt es ja dann…

Nach den Grenzformalitäten stehen alle Fahrgäste mit ihrem Gepäck an den Busparkplätzen und warten, dass der Bus durch die lange Halle nach vorne gefahren kommt, um uns wieder einzusammeln. Wir kommen mit einem jüngeren und einem etwas älteren Paar ins Gespräch, die auch im Bus in unserer Nähe sitzen. Als wir von unserem Paket im Zoll erzählen, meint die jüngere Frau, dass man die „Clave Única“ innerhalb von Minuten online erhalten könne, und zwar auch als Ausländer (z.B. Argentinier), wenn man einfach seine Reisepassnummer eingibt. Es keimt wieder etwas Hoffnung auf, dass wir vielleicht doch selbst dafür sorgen können, dass das Paket durch den Zoll freigegeben wird. Abends probieren wir es im Hotel aus, und leider schaffen wir es doch nicht. Immer wieder wird die RUN verlangt, die nur Chilenen haben.

Gültige RUN erforderlich

Nach fast eineinhalb Stunden steigen alle wieder in den Bus. Die folgende Strecke geht zweimal über sehr enge und steile Serpentinen – die „Caracoles“ (Schnecken) – eine richtige Sehenswürdigkeit: alle stehen an den Busfenstern und filmen oder fotografieren.

Schräg vor uns sitzt ein Pärchen, das letzte Woche dort inklusive Gepäck herunterlaufen musste, weil der Bus einen Defekt hatte. Na danke – wir sind sogar ganz froh, dass wir nicht mit dem schweren Rad unterwegs sind … auch wenn die „Caracoles“ natürlich für jeden Radfahrende ein Traum (oder Alptraum?) sind, der Straßenbelag besteht aus schlimmsten Betonplatten mit Fugenversatz, wie wir ihn auch auf der Panamericana in Panama schon unter den Felgen hatten.

Nach einem Halt in Los Andes kommen wir um kurz nach vier am zentralen Terminal in Santiago de Chile an, wo wir aussteigen. Vielleicht wäre eine Weiterfahrt bis zum Südterminal besser gewesen, die Entfernung zu unserem Hostal ist in etwa dieselbe, denn die Radfahrt durch die Innenstadt ist ziemlich bescheiden. Die Straßen sind (sonntags, 4. Advent) überfüllt, von Autos und auch wieder mal viel Müll und Glasscherben, und auf dem zentralen Radweg, den wir entdecken und nutzen, stehen an jeder Kreuzung fliegende Händler und versperren die Weiterfahrt.

Unser Hostal Black Cat liegt aber sehr ruhig in einem etwas alternativ anmutenden Viertel. Wir werden jetzt sechs Nächte hierbleiben und hoffentlich mit repariertem und durchgechecktem Tandem weiterfahren.

Nach dem Bezug des Zimmers gehen wir schon bald früh Abendessen (hier haben die Restaurants anscheinend wieder früher geöffnet) und finden ein ganz nah gelegenes Veganes Restaurant (Vegan Dealer) mit riesiger Auswahl.

Woche 37 (9.12.24 – 15.12.24) Hualfín – Baldecitos

Montag 9.12.24 – (134) – Hualfín – Belén (Bethlehem)

Gesamt: 8.364,16 km

In unserer Herberge soll es ab acht Uhr Frühstück geben, also stehen wir entsprechend auf, müssen zunächst unsere „Verpackungen“ für die etwas ekeligen Kopfkissen von den Schaustoffschnipseln befreien, dann alles packen, und um acht stehen wir auf der Matte.

Wir bekommen nur ein spärliches Frühstück zu einem spärlichen Preis, und die Küchenfrau kann dann den 10.000 Pesos-Schein nicht wechseln. Im nur 17 km weit entfernten San Fernando gibt es ein Frühstückscafé, das wir uns sowieso schon ausgeguckt haben, dort wollen wir dann nochmal richtig frühstücken.

Gegen neun fahren wir los, sind gegen zehn vor dem Café La Candelaria in San Fernando, und die Türen sind verschlossen. Aus dem gegenüber liegenden Park rufen uns Frauen zu, dass es erst morgen wieder öffnet. Ganz super! Montags ist hier in der „Panaderia Municipal“ (Städtische Bäckerei – vermutlich auch aus den Steuergeldern der Minengesellschaft finanziert wie die Bodega gestern in Hualfín) nun mal Ruhetag. Es gibt immerhin einen Kiosk auf der anderen Seite des Platzes, der uns Joghurt und Saft verkauft. Er würde uns auch heißes Wsser machen, wenn wir einen Becher hätten. Das Campinggeschirr haben wir aber nach Hause geschickt, weil wir es nie benutzt haben. Auf dem Platz dürfen wir nicht essen, dort wird gerade geputzt, und er ist geschlossen!

Die Fahrt geht weiter durch Felsformationen und ziemliche Wüste. Neben Vögeln sehen wir heute nur einen Wüstenfuchs, eine tote Schlange und viele Insekten, dafür hören wir fast den ganzen Tag das laute Zirpen von Zikaden.

In La Ciénaga wollen wir es noch einmal mit Kaffee versuchen. Wir finden den örtlichen Kiosk, dessen Betreiber uns aber weiterschickt zu einem Hotel die Straße runter – dort gäbe es auf jeden Fall Kaffee. Im besagten Hotel bekommen wir dann gesagt, dass sie nur Übernachtungsgäste bedienen. Dazu muss gesagt werden, dass in wirklich jedem kleinen Ort eine Touristeninformation ist – sie also wohl gerne Touristen hätten. So kommt uns diese Servicewüste gar nicht vor! Wir fahren unverrichteter Dinge weiter und halten nur ca. 15 km vor dem Ziel noch einmal am Straßenrand unter einem Baum. Jedenfalls wird es ein relativ preiswerter Tag und die lokale Gastronomie verdient an uns keinen Peso, jedenfalls nicht während der Tagesetappe.

In der Quebrada de Belén stehen am Rand große Laufvögel und Jutta hofft, jetzt endlich die schon am 25. November erwarteten Emus anzutreffen. Aber weit gefehlt: heute lernen wir, dass es sich hier in Südamerika um Nandus handelt – Emus sind die Laufvögel in Australien. Das haben wir früher zwar schon einmal gelernt aber nicht mehr gewusst… Sehen tun wir allerdings auch jetzt keine lebendigen Nandus, da wir uns nicht die Zeit nehmen, hinunter zum Fluss zu klettern.

Im Zielort Belén fahren wir zuerst die Hauptstraße hinunter, um uns am Busterminal nach Bussen nach Mendoza zu erkundigen. Bevor es zum Hotel gehen soll, wollen wir dann erst noch – na was wohl – einen „richtigen“ Kaffee trinken gehen. Es gibt mehrere nett aussehende und klingende Cafés, aber leider merken wir, dass sie allesamt geschlossen sind. Eine Frau erklärt uns, dass zwischen 13 und 18 Uhr alle Mittagspause machen, und inzwischen ist es nach 13 Uhr! Also doch gleich zum Hotel!

Dort gibt man uns den Tipp für eine ganztägig geöffnete Bar mit Café, und wir gehen nach dem Geburtstagsanruf an den neunjährigen Hanno sofort und ohne zu duschen hin. Die Espressomaschine dort ist seit zwei Tagen defekt 🙁 – irgendwie ist der Wurm drin – aber sie machen Filterkaffee mit aufgeschäumter Milch für uns. Das WIFI ist besser als im Hotel, und wir bleiben lange sitzen und überlegen, wie wir die kommenden Tage gestalten, denn Unterkünfte und Verpflegungsmöglichkeiten werden an der Strecke immer seltener und … na ja …. Wüste und Steppe halt … wollen wir das wirklich? Am Ende steht fest, dass wir erst einmal weiter radeln, auch, wenn es morgen 130 km ohne einen richtigen Ort zwischendurch sein werden.

Als wir wieder am Hotel sind, sind inzwischen mehrere Motorradfahrer angekommen, die auch hier Zwischenhalt machen. Wir duschen und hängen die gewaschenen Klamotten draußen auf die kleine Terrasse, auf der auch unser Tandem steht. Auf den anderen Terrassen liegen ebenfalls Kleidungsstücke der Motorradfahrer.

Heute kommt – leider zu spät – auch per E-Mail das Angebot von der Firma Hase-Bikes. Sie sind nun doch bereit, uns einen Kurbelsatz nach Santiago de Chile zu schicken. Nun haben wir aber schon alles über unseren Sohn Julius und PankeRad in Berlin in die Wege geleitet. Viktor vermutet, dass sein kritischer Facebook-Beitrag in einer Pino-Owners-Gruppe doch noch zu einem Sinneswandel bei HASE geführt haben könnte.

Dienstag 10.12.24 – (135) – Belén – Aimogasta

Gesamt: 8.494,83 km

Wir entscheiden uns gegen ein frühe Abfahrt mit Frühstück unterwegs (in Londres, circa 12 km entfernt), weil wir den Öffnungszeiten der Cafés in GoogleMaps einfach nicht mehr vertrauen können. Das Café Estevia in Belén, wo wir gestern auch schon zu Abend gegessen haben, bietet ab 7:00 Uhr Frühstück an. Wir stehen um 6 Uhr auf, packen alles zusammen (inklusive Brot, Kekse, Äpfel, Bananen, die wir statt Frühstück von unserem Hotel am Vorabend noch erhalten haben) und sind um 6:58 Uhr vor dem Café. Die Tür steht auch schon offen, und wir können uns tatsächlich am komplett aufgebauten Buffet inklusive schwarzem Tee und Milch bedienen. Viktor kann sogar eine Portion Rührei bestellen.

Um kurz nach halb acht machen wir uns dann auf den Weg, und es geht zunächst scheinbar kreuz und quer durch Belén zur Ruta 40 und dann sanft bergab in Richtung Londres, einem Nachbarort von Belén und der letzten menschlichen Ansiedulung auf den heutigen 130 Kilometern bis Aimogasta. Wir wollen dort – nach nur 12 km – einen letzten Kaffee trinken, bevor wir uns auf die lange, einsame Etappe begeben. Wie schon fast zu erwarten, ist das Café FONTA geschlossen, da es einer „Remodelación“ (Renovierung) unterzogen wird. Gut, dass wir uns nicht darauf verlassen haben, hier frühstücken zu können. In Londres gibt es ansonsten noch eine Farmacia (Apotheke), in der man auch Kaffee bekommen könnte – die ist aber ebenfalls geschlossen. Ansonsten gibt es hier vor allem … Walnussbäume … der Ort ist für seine Walnüsse und das Walnussöl bekannt.

Wir fahren also einfach durch den Ort, und es geht zunächst wieder sanft bergauf bevor wir uns dann auf eine 17 Kilometer lange, ebenfalls eher sanfte Abfahrt freuen können. So bringen wir die ersten 30 Kilometer eigentlich relativ locker hinter uns und benötigen noch keine Pause. Die Landschaft ist auch noch relativ grün, viele Büsche und einzelne höhere Bäume, die zumindest bei einer Pause am Straßenrand Schatten spenden könnten. Wir hören viele Zikaden, teilweise ohrenbetäubend laut, so dass sie die wenigen Autos übertönen, und auch wieder viele Felsensittiche (Burrowing Parakeet).

Felsensittiche brüten am Straßenrand
Felsensittiche brüten am Straßenrand

Bei Kilometer 40 machen wir die erste von heute insgesamt vier Pausen am Straßenrand. Wir haben einen der vielen Schreine am Straßenrand entdeckt, bei dem auch Sitzplätze im Schatten vorhanden sind.

Bis auf die vielen Ameisen ist es hier ganz nett. Bis hierher sind wir fast 20 km schnurgeradeaus gefahren, kurz nach dieser Pause kommt eine leichte Kurve, bevor es noch einmal fast 30 km nur geradaus geht. In der Ferne sieht die Straße für Jutta fast aus, als würde es ganz vorne den Deich bei Café Neudeich auf Wangerooge hochgehen, wenn man den hohen Berg dahinter einmal wegdenkt.

Aus der Nähe geht es einfach nur runter und hoch sowie geradeaus weiter, natürlich ist es kein Deich…

Bei km 70 machen wir die nächste Pause, weil wir sie zwar auch brauchen, vor allem aber, weil dieses ständige Geradeausfahren etwas nervt (später wird es sogar noch mehr nerven, da kommt nämlich noch der aufgekommene Wind von vorne). Aber wir haben hier immer noch genug Energie, um ein paar „Hüpfefotos“ auf der Mittellinie zu machen. Es ist wirklich wenig Verkehr unterwegs hier.

Bei Kilometer 90 fängt Viktors Hintern so langsam an, sich zu melden. Da hilft der beste Brooks-Sattel auch nichts mehr, besonders wenn die Radfahrhose mittlerweile viel zu locker sitzt und das Sitzfleisch fehlt. Diesmal pausieren wir kurz nach dem 4.000 Kilometer Schild der Ruta 40 an einer Bushaltestelle gegenüber einer Polizeistation. Jutta entdeckt 50 Meter weiter eine Touristeninformation und ein Kiosk mit kalten Getränken … ja denkste … natürlich alles geschlossen.

Von hier sind es immer noch 40 Kilometer … puh … an manchen Tagen wäre das eine Etappe. Wir sind eigentlich darauf eingestellt, ab jetzt gemütlich sanft bergab zu rollen, so wie am Anfang des heutigen Tages (siehe Streckenprofil oben). Aber der nachmittägliche Wind hat aufgefrischt und kommt von vorne. Wenn wir aufhören zu treten, was Viktor immer mal wieder machen muss, um seinen Hintern zurechtzurücken, werden wir trotz Bergabfahrt langsamer und bleiben stehen, wenn wir nicht bald weiterstrampeln. Also nix „gemütlich“.

Zudem nimmt der Wind hier so langsam fast mexikanische Formen an. Es sind zwar noch keine 40 °C sondern nur 33 °C, aber die Luft ist so trocken, das Mund und Rachen sofort austrocknen, wenn man ein paar Atemzüge durch den Mund nimmt. Und das mittlweile lauwarme Wasser aus unseren Trinkrucksäcken ist auch keine echte Erfrischung mehr. Bei Kilometer 110 machen wir dann unsere letzte längere Pause (die kurzen Hintern-Entlastungspausen zwischen 110 und 130 zählen wir jetzt mal nicht mit) wieder an einer – diesmal ziemlich vermüllten – Bushaltestelle.

Einige Flüche von Viktor weiter („Watt iss datt für ein Mist hier, immer nur ständig geradeaus?“ „Jetzt ist aber auch mal gut mit diesem verdammten Gegenwind!“) sind wir gegen 16 Uhr auch schon am Ziel. Natürlich ist auch hier bis auf die Shell-Tankstelle alles geschlossen. Eine eisgekühlte Coca-Cola (1,5 Liter) und Sprite (500 ml) später checken wir also im Hotel Del Centro (HDC) ein und pflegen unsere geschundenen Körper bzw. bemitleiden uns gegenseitig ein wenig.

So wird es also heute mit 130 Kilometern unsere längste bisherige Tagesetappe, die längste Etappe ohne Einkehrmöglichkeit, ohne Tankstelle unterwegs, ohne Kaffee, ohne Eis, ohne Banana Split 😉 und mit der längsten Geraden.

Gegen 18 Uhr geht es in den Ort, wo wir dann doch noch einen brauchbaren Frappé bekommen und danach in einer Pizzeria wieder Kalorien auftanken können. Zum Glück haben wir für morgen eine kurze Etappe geplant, allerdings mit einigen Höhenmetern. Jedenfalls wollen wir ausschlafen.

Mittwoch 11.12.24 – (136) – Aimogasta – Anillaco

Gesamt: 8.529,86 km

Nach einer Nacht des Tiefschlafs sind wir beide erstaunt, dass unsere Muskeln nicht mehr schmerzen, zum Frühstück können wir frisch und frei die Treppe nehmen. Da wir heute „nur“ zu einem Hotel des Argentinischen Automobilclubs (ACA) in 35 km Entfernung fahren, um einen Zwischenstopp nach La Rioja zu haben (die einzige Möglichkeit, wenn man nicht zelten möchte), lassen wir uns Zeit und fahren erst um neun Uhr los.

Die Strecke über die Ruta Nacional 75 in Richtung La Rioja wählen wir auf Ratschlag des Vaters des Hotelbetreibers in Belén. So „erfahren“ wir heute wieder einmal, wie die Erfindung des Motors und des Autos die Wahrnehmung der Umgebung durch den Menschen komplett verändert hat. Die wahre Geografie einer Stecke ist dem Gaspedal-Treter eigentlich unbekannt. Wozu auch? Der persönliche Energieaufwand für das Bewältigen einer Steigung beschränkt sich auf das Durchdrücken des Gaspedals um einen weiteren Millimeter. Den Rest liefert die fossile Energie aus dem Tank. Teil des Ratschlags war: “Mas o menos plano!” … die Strecke über die RN75 sei also “mehr oder weniger flach”. Tja … 1 – 3% Steigung merkst Du als Autofahrer halt nicht … über mehr als 30 km kommen so aber 600 Höhenmeter zusammen, die Du mit einem vollbeladenen Tandem auch erstmal erstrampeln musst.

Streckenprofil

Diese Erfahrung passt zu unserer Erkenntnis, dass man sich auf Entfernungsangaben der Menschen vor Ort niemals verlassen darf. Meist werden Entfernungen sowieso in “Minuten” angegeben … gemeint sind natürlich immer Autominuten. Viktor macht sich dann meist einen Spaß daraus, grinsend auf unser Tandem zu zeigen und zu fragen “Für uns auch?”. Dann folgt meistens der Versuch einer Angabe in Kilometern, aber das sind dann Schätzwerte, die man besser nochmal per GoogleMaps nachprüft.

Es soll also auf die RN75 gehen, und Viktor hat (eigentlich) bei Komoot entsprechende Wegpunkte gesetzt. Dummerweise fahren wir erst mehrere Kilometer mühselig auf einer Sandpiste, bevor uns ein entgegenkommender Autofahrer den Tipp gibt, etwas zurück, einmal rechts und weiter auf der neuen asphaltierten Straße zu fahren. Außerdem legt er uns noch eine Burg ans Herz, für die man allerdings zehn Kilometer von der Hauptstraße abweichen müsste – das werden wir heute nicht machen, wir benötigen den Tag zum Kräfte tanken. Für morgen gibt es eine Hitze- und Unwetterwarnung, und wir wollen vor Sonnenaufgang losfahren, um am frühen Nachmittag in La Rioja zu sein.

Unwetterwarnung für La Rioja in der Wetter-App

Leider wird es auf der (gar nicht so neuen) asphaltierten Straße kaum weniger mühselig. Wie gestern geht es fast ausschließlich geradeaus, und die meiste Zeit leicht bergauf. Wir kommen nicht gut voran, nach zweieinviertel Stunden haben wir noch keine 20 km geschafft. Es ist auch schon so heiß, dass der Schweiß ordentlich läuft.

Jutta will etwas für die Motivation tun und sagt, dass wir immerhin schon über die Hälfte geschafft hätten. Und hieraus entwickelt sich ein Zeitvertreib: Viktor sagt, er hätte schon auf zwei Drittel gehofft, Jutta sagt bei zwei Dritteln Bescheid … Viktor hätte auf drei Viertel gehofft … dann 4/5, 5/6, usw…, bis wir irgendwann von der RN75 in den Zielort Anillaco abfahren können. Vorher – am Abzweig nach Los Molinos – machen wir allerdings in einer schattigen Bushaltestelle eine Verschnauf- und Snackpause.

Gegen 13 Uhr sind wir in Anillaco und halten kurz an einem Café. Da dieses allerdings nur Mittagessen und keinen Kaffee anbietet (es muss früher wohl einmal Kaffee gehabt haben, sonst dürfte es sich nicht Café nennen, erklärt uns unsere „Herbergsmutter“ später), fahren wir durch bis zur Tankstelle, an der unsere Unterkunft liegt. Der Shop der Tankstelle hat einige wenige Getränke. Wir nehmen uns zwei kalte Flaschen, beginnen zu trinken und können erst 20 Minuten später bezahlen, da der Tankwart gerade dauerhaft Tankkunden hat. Auch hier kommen die Kunden nicht nach und nach über den Tag verteilt, sondern manchmal viele fast gleichzeitig und danach lange niemand, deshalb ist der Tankwart hier ganz alleine (… so ist das mit den „Kennzahlen“ und dem „Management by Excel“ 😉 ). Wir haben es ja nicht eilig …
Zum besseren Verständnis: In Argentinien (wie in vielen anderen Ländern Lateinamerikas) ist Selbstbedienung an der Tanksäule nicht erlaubt. Es warten also alle Auto- und Motorradfahrer geduldig, bis sie an der Reihe sind und vom Tankwart bedient, betankt und abkassiert werden.

In der Unterkunft haben wir eine richtige Suite mit zwei Räumen inklusive Tisch und Stühle sowie Wohnzimmergarnitur. Kein Vergleich zu unseren anderen Tankstellenübernachtungen! Und Jutta hat zum ersten mal seit Tagen sofort warmes Wasser, als sie den entsprechenden Hahn in der Dusche aufdreht. In den letzten Tagen war sie meist bereits kalt oder lauwarm fertig-geduscht, als das Wasser endlich warm wurde … Viktor hatte als regelmäßiger Zweitduscher davon dann immer den Nutzen. Aber heute ist Luxustag! 🙂

Am späten Nachmittag machen wir uns gegen 17:00 Uhr auf einen kleinen Ortsrundgang. Es ist brüllend warm und die beiden Bodegas, die Viktor für eine mögliche Weinprobe auserkoren hat, sind verschlossen. Auch auf heftiges Klopfen (wir haben gelernt!) öffnet uns niemand. Immerhin können wir unterwegs Wasser kaufen und ein wenig Verpflegung für den morgigen Tag. Es soll jetzt wieder mehr Einkehrmöglichkeiten an der Strecke geben … sogar Tankstellen … aber wer will schon darauf vertrauen, dass es die noch gibt und dass sie geöffnet sind?

Anillaco ist übrigens der Geburtsort von Carlos Menem, der von 1989 bis 1999 Präsident von Argentinien war, bei Amtsantritt mit einer Rezession und Hyperinflation zu kämpfen hatte und das Land mit neoliberalen Reformen und einer Kopplung des Argentinischen Peso an den US-Dollar wieder auf die Beine brachte. Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder?

Den Rest des Tages verbringen wir im Hotel, schreiben am Blog (Viktor bei einem Honigbier im Hotelrestaurant), Jutta hört sich die Generalprobe von CrossOver für das Weihnachtskonzert an und um 20:00 Uhr dürfen wir – auf spezielle Nachfrage bereits eine Stunde früher als die offizielle Öffnungszeit des Hotelrestaurants um 21:00 Uhr – auf ein Abendessen im Hotel hoffen.

Aileen, dieses Honigbier hat tatsächlich mal einen Honig- bzw. Met-„Stich“ … man merkt also, dass da Honig verarbeitet wurde. Aber so richtig ist es doch nicht Viktors Fall … es müsste mal ein dunkles Stout oder Märzen mit Honig gebraut werden … am besten mit Buchweizenhonig.

Unser Sohn Julius hat gestern ein Paket mit einem neuen Kurbelsatz nach Santiago de Chile an unser Hotel geschickt, in dem wir Weihnachten verbringen werden. Vielen Dank an Julius, der trotz Krankheit von Potsdam quer durch die Stadt gefahren ist, um das Teil bei PankeRad in Pankow abzuholen und dann per DHL loszuschicken. Und Danke an Dan von PankeRad! Da Julius ein Apple AirTag in das Paket gepackt hat, wissen wir, dass es heute bereits in Madrid am Flughafen war.

Donnerstag 12.12.24 – (137) – Anillaco – La Rioja

Gesamt: 8.624,46 km

Trotz Viktors heutigem Geburtstag klingelt der Wecker um fünf, ein paar Minuten vor sechs fahren wir im Morgengrauen los. Mit 17°C ist es noch relativ kühl, und dummerweise kommt uns, als wir in Richtung Süden abbiegen, auch schon Wind entgegen.

Wir fahren, wie immer, mit Licht, aber das erste uns überholende Auto hat keines an, obwohl es noch nicht richtig hell ist. Wir fahren zwischen zwei Bergketten, und es ist sehr schön, wie die Bergspitzen im Westen nach und nach angeleuchtet werden, ohne dass die Sonne im Osten hinter den Bergen hervorgekommen ist. Irgendwann erscheint unser Schatten ganz weit weg von uns:

Wir haben noch nicht gefrühstückt, aber im nächsten Ort (Pinchas) nach knapp 20 km soll es sowohl ein Café als auch eine Tankstelle geben. Da es die ersten 25 km bergauf geht, brauchen wir schon unsere Zeit bis dorthin. Am Café fahren wir vorbei, da es sich uns nicht erkennbar zeigt und wahrscheinlich so früh ohnehin noch geschlossen ist, aber dass die Tankstelle ebenfalls verrammelt ist, finden wir nicht so lustig. Glücklicherweise ist gegenüber ein Grillplatz, und wir setzen uns dort hin. Bevor wir groß beginnen, aus unserem Vorrat zu snacken, sehen wir einen Mann, der die Tankstelle öffnet (es ist 7:18 Uhr, keine Ahnung, wann die offizielle Öffnungszeit beginnt). Wir können uns hineinsetzen und bekommen nach 20 Minuten Maschinen-Aufwärmzeit zwei Kaffee aus der Espressomaschine mit aufgeschäumter Milch und zwei „Medialunas“ (Croissants). Wahnsinn, dieses Glück gerade an Viktors Ehrentag!

Von Pinchas kämpfen wir uns noch etwa zehn Kilometer ziemlich langsam hoch, aber immerhin haben wir heute viele Kurven, und es ist nicht so langweilig, obwohl wir wenig Tiere sehen – ein paar Bergziegen und Vögel, und natürlich Insekten. Dann sind wir „oben“, es geht ganz leicht abwärts, allerdings nicht so, dass man sich rollen lassen könnte. Bei dem Gegenwind müssen wir deutlich treten. Aber als Viktor sich gerade beschwert hat, wo denn die Abfahrt nun bleibt, biegen wir um eine Kurve und haben mehrere Kilometer wunderschöne Abfahrt.

Während wir schnell rollen, sehen wir vor uns schon eine lange, lange Gerade, die langsam quer durchs Tal wieder aufwärts geht. Ungefähr in der Mitte scheint es aber irgendwas zu geben, wo man eventuell Pause machen könnte. Außerdem stehen alle zwei Kilometer Hinweisschilder auf einen Dinosaurier-Park etwas weiter weg – den merken wir uns als Back-Up. Das Gebäude auf halber Strecke entpuppt sich als eine Bodega für Wein, Öle und Nüsse – zum Pausieren nicht so das Richtige. Wir kämpfen uns also weiter geradeaus bergauf in dem Wissen, dass es ab der Kurve fast nur noch abwärts geht.

Endlich oben angekommen, halten wir die zurückgelegte Strecke noch einmal fest, bevor wir auf die Abfahrt gehen. In Villa Sanagasta fahren wir in den Ort und bekommen von einem Autofahrer gesagt, wir sollten zum „Kiosko Centro“ fahren – dort würde es Kaffee geben. Der liegt zwar nicht ganz auf unserer Strecke, aber der Umweg lohnt sich. Die Kaffeemaschine ist zwar kaputt, aber dieser Kiosk ist sehr gut sortiert, hat Sitzplätze, bietet Sandwiches an und der junge Betreiber fällt aus allen Wolken, als wir sagen, woher wir kommen und wohin wir wollen (ihm entfährt ein: „A la Mierda !?“ = „Ach Du Scheiße !?“) . Er sagt uns auch, wo es sonst noch Espressomaschinen gibt und dass wir an den Dinosauriern schon vorbeigefahren sind. Irgendwo auf der Abfahrt waren so weiße, riesige Fußspuren auf der Fahrbahn – da geht dann der Weg dorthin ab…

Sandwich am Kiosk

Auf der letzten Abfahrt Richtung La Rioja kommen wir an einem Stausee vorbei – richtig viel Wasser, nachdem die meisten Flüsse staubtrocken sind – , und als wir vom See weg um einen Felsen fahren, kommt plötzlich und unerwartet ein Tunnel.

Und kurz darauf noch ein zweiter!

Den Abzweig nach La Rioja nehmen wir so gegen 13 Uhr und sind wieder einmal überrascht, dass es keine Menschen auf den Straßen gibt, außer in Autos oder auf Motos. Es ist Siesta – alles ist geschlossen, und es ist auch wirklich heiß. Wir halten also nicht noch irgendwo, sondern fahren gleich zum Hotel Andino.

Nach dem Duschen (in einer sehr, sehr schmalen Dusche .. eineinhalb Fliesen breit) wollen wir noch einmal versuchen, ein geöffnetes Café zu finden. Keine Chance, selbst die bei GoogleMaps als geöffnet angezeigten machen Siesta. Stattdessen verbringen wir einige Zeit bei Western Union: das Geld, das Jutta von ihrem Konto an Viktors Account geschickt hat und das lange Zeit im digitalen Nirwana in Prüfung war, ist nun laut App verfügbar, bereitet den Mitarbeitenden aber ein paar Probleme wegen der unterschiedlichen Vornamen von Kontoinhaberin (Jutta) und Sender (Viktor). Letztendlich bekommen wir aber unsere nächste Million Pesos. Auf dem Rückweg finden wir eine geöffnete Eisdiele, die sogar zwei Eisbecher im Programm hat. Leider können sie diese nicht herstellen, weil sie heute weder Sahne noch Obst haben (und sie nur montags und freitags beliefert werden…). Irgendwie erinnert uns das an die gute alte DDR und Viktor entfährt auch ein etwas gefrustetes „Sagen Sie uns doch einfach, was sie noch da haben“. Und das im Turbokapitalismus von Präsident Milei? Das sind dann wohl doch eher simple Logistikprobleme.

Im Frühstücksraum des Hotels bekommen wir kostenlosen Kaffee/Tee, anschließend lassen wir uns im klimatisierten Zimmer etwas abkühlen. Um kurz vor halb sieben müssen wir uns auf den Weg machen, denn ein paar Straßenecken weiter muss Jutta die Geburtstagsüberraschung abholen, die sie vor einigen Tagen – als feststand, wo wir heute hinfahren – per WhatsApp und mit Hilfe von Google Translator bestellt hat:

Das „k“ bei Viktor hatte sie extra eingekringelt, aber das kommt bei Spanisch sprechenden Menschen einfach nicht an!

Mit der Minitorte in der Tüte gehen wir zum „Guten Tag Café„, das Viktor dann ebenfalls mit einem Tortenstück beschenkt und mit einem Ständchen feiert:

Wir benötigen einige Zeit, das alles zu vertilgen, und dann ist uns so schlecht, dass wir auf keinen Fall mehr abendessen können. Bei immer noch 38°C laufen wir langsam und mit einem kleinen Umweg zurück und wollen nur noch den vielen Zucker verdauen und uns im klimatisierten Zimmer abkühlen.

Um 22:00 Uhr beginnt dann auch draußen der per Wetterwarnung bereits angekündigte Sturm. Bei geschlossenem Fenster beginnen die Gardinen im Hotelzimmer zu flattern … sicherheitshalber lassen wir das Außen-Rollo ganz herunter.

Freitag 13.12.24 – La Rioja

Wir machen heute einen Ruhetag in La Rioja und das nicht, weil Freitag, der 13. ist und wir abergläubisch wären, sondern weil wir uns heute klar werden müssen, welche Route wir nach Mendoza fahren wollen.

Nach dem Frühstück ziehen wir aber zunächst in ein anderes Zimmer im Hotel, weil im ersten das Kondenswasser der Klimaanlage die Wand herunter- und unter den Schrank sowie über den Boden läuft. Dann gehen wir mit Laptop und Handy in das hiesige Bücherei-Café, wo wir versuchen, die Tipps der Einheimischen auf Wegen mit ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten umzusetzen. Leider finden wir bei allen drei möglichen Routen immer mindestens einen eigentlich zu großen Abstand für unseren Geschmack, entscheiden uns dann für eine Route, und dann ist auch schon der Akku des Laptops leer, die Zeit vor der Siesta ist vorbei, das Café schließt um 13 Uhr, und wir kehren ins Hotel zurück.

Während unserer Siesta buchen wir schon einmal die drei kommenden Nächte und planen, lesen, schlafen…

Um kurz nach fünf gehen wir wieder los, um vor unserer gebuchten Fahrt im Touristenbus noch etwas zu trinken. Es gibt Smoothies in der wohl einzig schon geöffneten Lokalität eines Vier-Sterne-Hotels. Um 18:15 Uhr fahren wir mit noch fünf anderen auf Sigtseeing-Tour und denken, wir werden wohl in der Stadt herumgefahren werden. Aber La Rioja hat bis auf ein paar Denkmäler und Kirchen anscheinend wirklich nicht viel Sehenswertes, denn wir fahren in die Quebrada (Flusstal, Schlucht), aus der wir gestern schon mit dem Tandem herabgefahren gekommen sind. Hierhin fahren die Menschen gerne ins Wochenende, und erst letztes Jahr hat der Wasserpark eröffnet. Die Staumauer gibt es seit 1930, und wir lernen auch etwas über die Vegetation. „Sauces“ sind Weiden , „Sauce Lloron“ ist die „Weinende Weide“, die in Deutschland „Trauerweide“ heißt. Nach dem Bau des Staudamms sind die Weiden in La Rioja abgestorben, weil sie viel Wasser benötigen. Nun wurden sie zur Erinnerung in einem Park wieder angepflanzt.

Bei der Rückfahrt aus der Quebrada bekommen wir noch gesagt, dass es hier sehr gute Aufwinde gibt unds ein bestimmter Berg weltbekannt für das Paragliding ist. Zurück in die Stadt fahren wir noch am „Stadtpark“ vorbei, an einem anderen Park, der die Stadt mit dem Stadtpark verbindet, am relativ neuen Busterminal (wohlgemerkt eine Sehenswürdigkeit…) und an weiteren, teilweise etwas gigantomanen Denkmälern.

Nach knapp zwei Stunden ist die Fahrt vorbei. Leider öffnet das Restaurant „El Nuevo Corral“, das Viktor sich für sein nachgeholtes Geburtstagsessen ausgesucht hat, erst um 21 Uhr, und wir müssen die Zeit noch herumbekommen. Das machen wir bei einem Getränk in einem Café. Um kurz vor neun stehen wir am besagten Restaurant – vor noch verschlossener Tür. Als um viertel nach immer noch geschlossen ist, geht Viktor fragen und erfährt, dass sie schon seit einem Jahr erst um 21:30 Uhr öffnen. Sowohl an der Tür als auch im Internet steht noch die alte Zeit! Wir sind ziemlich sauer und gehen! Obwohl das Fleisch auf dem offenen Holzgrill wirklich verführerisch duftet, will Viktor hier keinen einzigen Peso lassen und verfasst noch eine 1-Stern-Rezension auf GoogleMaps. Auf der anderen Seite des alten Bahnhofs ist noch ein Restaurant – alle Tische stehen draußen, und es ist eine Tango-Tanzveranstaltung im Aufbau.

Wir essen dort nicht gerade ein Geburtstagsessen, kommen dafür aber noch in den „Genuss“ der ersten Aufführung der erst vor einem Jahr gegründeten Städtischen Tangoschule. Es wird ziemlich spät für unsere Verhältnisse, und morgen früh wollen wir eigentlich wieder zeitig los, um nicht in die größte Hitze zu kommen.

Samstag 14.12.24 – (138) – La Rioja – Patquía

Gesamt: 8.697,19 km

Da es auf der Strecke heute wieder keine Gelegenheit geben wird, nehmen wir das Hotelfrühstück um sieben Uhr noch mit und fahren „erst“ um viertel vor acht los. Den Weg aus La Rioja heraus zu planen war gar nicht so leicht, aber wir finden ganz schnell auf eine große Straße mit Radweg in der Mitte, auf dem wir mehrere Kilometer fahren können, bis wir dann auf die RN 38 fahren müssen, die uns heute ziemlich genau in Richtung Süden führen wird.

Rechts und links ist es recht grün: neben dem Schotter-Seitenstreifen einige Meter hohe Gräser, dann Büsche und Bäume. Eigentlich ganz schön, aber es ändert sich da heute rein gar nichts. Die paar Vögel oder heute vor allem toten Tiere sind fast die einzige Abwechslung. Nach der kurzen Nacht gestern und mit der Hitze heute dazu drohen Jutta mehrfach die Augen zuzufallen, und so manches Mal fragt sie sich, ob sie überhaupt noch tritt. Glücklicherweise ist das aber nach acht Monaten ein Automatismus!

Im Gegensatz zu den letzten Wochen ist hier heute sehr viel motorisierter Verkehr mit uns unterwegs, und das am Samstag! Neben Motos und Autos auch viele Busse und vor allem LKW! Dabei ist diese Straße laut Kartenmaterial eine eher untergeordnete – wir sind also überrascht! Das scheint auch heute kein Einzelfall zu sein, denn am Straßenrand liegen unheimlich viele kaputte Reifen. Einige Exemplare als Beispiel:

Bei genau der halben Strecke (36 km in beide Richtungen) entdecken wir gegenüber von einer Polizeikontrollstelle eine kleine Kapelle und ein pinkfarbenes Haus mit der Aufschrift „Despensa San Nicolas – Bar y Comedor“, außerdem einige Tische und Sitzgelegenheiten (Stühle wäre zu viel gesagt). Wir machen eine Pause und bekommen immerhin zwei kalte Getränke in dem Laden. Dazu gibt es überreife Bananen im Brot (Viktor) und Haferkekse.

Weiter geht es, immer geradeaus und immer gleich. Immerhin erblicken wir zwischendurch Vögel am Himmel, die ohne Flügelschlag im Aufwind segeln. Wir sind uns nicht sicher, aber vermuten Condore, denn wir kamen heute unter anderem an einer „Estancia El Condor“ vorbei.

In Patquía sind wir um 12:30 Uhr und halten zuerst an der YPF-Tankstelle am Ortseingang. Wir gönnen uns kalte Getränke und ein Wassereis (Frutilla-Orange), dass eigentlich nur kühlt aber kaum schmeckt.

Ein kurzes Stück hinter der Tankstelle liegt unser Hotel „Raquelito“. Wir haben ein Zimmer mit funktionierender Klimanlage, Kühlschrank und brüllend heißem Wasser aus dem Warm- und Kaltwasserhahn. Das hatten wir schon einige Male und liegt daran, dass heißes Wasser in den Kaltwasserkreislauf gedrückt wird, wenn zuviel heißes Wasser produziert wird (meist bei Solarthermie-Anlagen). Viktor weiß damit umzugehen und nachdem der Kaltwasserhahn lange genug gelaufen ist, normalisiert sich die Temperatur und man kann duschen, ohne sich zu verbrühen.

Das Kondenswasser der Klimaanlagen läuft hier übrigens nicht – so wie gestern – innen an der Wand herunter und verteilt sich auf dem Boden des Zimmers, sondern es wird außen in Wasserflaschen gesammelt und später als „Agua sin Gas“ teuer an Touristen verkauft ….. 😉 …. Scherz!

Draußen ist es ordentlich warm. Viktors Notration Schokolade gegen den gefährlichen „Hungerast“ befindet sich immer in der Rückenlehnentasche im Schatten von Jutta bzw. Juttas Wasserrucksack (je nach Sonnenstand und Fahrtrichtung), aber heute hatte die Schokolade einfach keine Chance.

Draußen ist es ordentlich warm – hatten wir das schon erwähnt ? – also geht es noch vor dem Duschen in die Grido-Eisdiele um die Ecke. Heute muss man GoogleMaps mal loben, denn im Vorbeifahren hätten wir das niemals als Eisdiele erkannt. Sie kommt ziemlich inkognito daher.

Da wir in Argentinien keine Banana-Split bekommen, lassen wir uns von den edlen Spender*innen, die hier im Blog auf den „Buy us an Icecream“-Button klicken, jetzt auch wieder zu ganz „normalem“ Eis einladen, denn Ihr seid einfach zu viele und wir kommen sonst nicht mehr nach. 🙂
Heute geht unser herzlicher Dank und unser breites Eis-Grinsen an Ulrike P.. Gracias Amiga!

Dann wird geduscht, die Radfahrklamotten dabei unter der Dusche durchgewaschen und – mittlerweile standard Prozedere – im Zimmer zum Trocknen aufgehängt. Unsere gelbe Wäscheleine wird dabei meist zwischen Gardinenstanden, Kleiderschrank-Stangen, Fernsehhalterungen, Fenstergriffen, Türscharnieren oder – wenn wir es mal besonders luxuriös haben – zwischen den Bettpfosten des Himmelbetts aufgespannt.

Dann wird am Blog geschrieben, denn Patquía hat so ziemlich nix zu bieten, was sich anzuschauen lohnt. Und es ist sowieso unangenehm warm draußen – hatten wir das schon erwähnt?

Um 17:40 Uhr geht es in das benachbarte „Café Griselda“, das erstaunlich modern daherkommt und eine Espressomaschine besitzt. Wir trinken zwei „Lagrimas“, aber so langsam wird klar, dass das sehr viel Milch mit nur ganz wenig Espresso ist, also ein Latte Macchiato mit noch mehr Milch. Einen Caffé Latte (50:50 Milch:Espresso) kriegt man hier in Argentinien eher, wenn man einen „Café con Leche“ bestellt. Nur, wie man sicherstellt, dass der nicht aus gebrühtem Filterkaffee angemischt wird, das müssen wir noch herausbekommen.

Und um 20:00 Uhr können wir uns zum Abendessen zwischen unserem Hotel und dem benachbarten „Parador Oasis“ entscheiden, der recht gute Rezensionen bei GoogleMaps erhalten hat, die uns beim Lesen der Google-übersetzten Texte ein wenig zum Lachen bringen. Wir müssen das Wort „Apotheotisch“ nachschlagen und entdecken dabei eine tolle neue Internetseite: Sprachnudel sagt uns, dass dieses Wort auf Position 110.054 in der Häufigkeitsverteilung der deutschen Sprache liegt.

Wir gehen tatsächlich im Parador Oasis essen. Um 20:15 Uhr öffnet uns der Gärtner, jedenfalls stellt er sich uns als „Jardinero“ vor, der uns aber gerne schon mal die Getränke bringt. Kurze Zeit später kommt ein älterer Herr, der Betreiber des Paradors (?), in einem Bagger angefahren, nimmt unsere Bestellung entgegen (Locro gibt es leider nur im Winter) und gibt diese an den Koch in der Küche weiter …. der ist übrigens der Gärtner von gerade eben …. 🙂
Dann fährt der ältere Herr mit dem Bagger wieder weg. Egal, das Essen ist o.K. und sättigt. Wir sind froh, dass wir nicht bis 21:00 Uhr warten mussten, denn das wäre die normale Öffnungszeit gewesen. Daran werden wir uns in Argentinien so schnell nicht gewöhnen, denn wir wollen morgens früh starten, um der nachmittäglichen Hitze aus dem Weg zu gehen (hatten wir das eigentlich schon …. 😉 )

Bevor es ins Bett geht stolpert Viktor noch dreimal über die Stufe zum Badezimmer. Das kann heute Nacht noch gefährlich werden.

Gefährliche Stufe zum Bad – weiß der Teufel warum.

Sonntag 15.12.24 – (139) – Patquía – Baldecitos

Gesamt: 8.785,25 km

Die Karaoke-singende Männergesellschaft im Nebenhaus, die gestern Mittag um 14 Uhr begonnen hat, hält noch bis nach Mitternacht feucht fröhlich durch. Als die Herren sich dann verabschieden, hören wir nur noch viele Kinderstimmen von draußen. Unsere Nachtruhe ist also zumindest in der ersten Hälfte eine Nachtunruhe.

Bevor es um sieben zum Frühstücken geht, packen wir das Tandem fertig. Und nachdem dann noch geklärt ist, dass das Hotel gestern bei der Bezahlung einen Fehler zu unseren Ungunsten gemacht hat (Ausländer zahlen in Hotels eigentlich keine Mehrwertsteuer), steigen wir um viertel vor acht Uhr aufs Rad. Irgendwie war es beim Packen eine Stunde früher noch deutlich kühler…

Das Hotel liegt am Anfang der RN150, und auf dieser werden wir die kommenden zwei Tage verbringen. Wir fahren aus dem Ort heraus und haben eine sehr lange Straße vor uns im Blick, die wieder schnurgeradeaus geht und langsam, aber stetig ansteigt. Bis zur ersten Kurve fahren wir gute 38km, immer etwas aufwärts und ohne Abwechslung bei der Vegetation rechts und links. Das wird heute den ganzen Tag so sein … immer leicht bergauf.

Nach gut 20km brauchen wir die erste Pause. Heute sind nicht einmal Sitzgelegenheiten am Straßenrand, wir pausieren also im Stehen unter einem Baum (zu den Ameisen und ggfs. Schlangen auf dem Boden setzen wir uns lieber nicht).

Heute müssen wir die Straße wieder nur sehr vereinzelt mit Kraftfahrzeugen teilen. Das immerhin tut nach gestern gut! Auch die zweite Pause machen wir am Straßenrand unter einem Baum. Viktor will sich etwas hinlegen: im Sand sind viele Kleinsttiere, aber der Asphalt ist zum Hinlegen zu heiß.

Nach 75 km bei der Sehenswürdigkeit „El Chiflon“ soll es ein Restaurant geben, und wir brauchen dringend etwas Kaltes zu Trinken – das Wasser von heute Morgen ist inzwischen ziemlich warm. Die Tür ist verschlossen, aber hinten bekommt Viktor den Inhaber zu sprechen: es ist Nebensaison und deshalb hat er kein Geld, um Getränke zu kaufen. Aber nur drei Kilometer weiter soll es eine Bar geben…

Etwas genervt fahren wir also noch einmal drei Kilometer weiter, und tatsächlich hat die Bar „Ruta 150“ geöffnet und sogar gerade eine Mütter-Kinder-Gruppe als Gäste. Wir können drinnen im Schatten sitzen und essen (Viktor ein Käse-Schinken-Sandwich) und trinken.

Als wir weiterfahren wollen, steigen gerade alle sieben weiteren Gäste in einen Kleinwagen, wir können leider nicht mehr sehen, wie sie sich dort hineinstapeln. Dafür sehen wir im Vorbeifahren die Sehenswürdigkeit „El Chiflon“:

Neben den „Gauchito Gil“-Schreinen kommen wir heute auch an „Difunta Correa„-Schreinen (verstorbene Correa) vorbei, an denen sich gefüllte Wasserflaschen türmen. Auch diese sind Teil des Argentinischen Volksglaubens. Einer Legende nach ist die Frau im Jahr 1841 in der Wüste auf der Suche nach ihrem Mann verdurstet, ihr Kind hat aber dank ihrer Muttermilch überlebt. Als man sie tot auffand, lag das Baby lebend an der Brust der Mutter.

Besonders viel gespendetes Wasser für „Difunta Correa“

Auf den restlichen ca. 15 km müssen wir noch über eine ziemlich steile, kurvige Straße über einen Hügel, und danach geht es wieder nur geradeaus.

Es ist nach vier Uhr, als wir beim Hospedaje Benjamin ankommen und alles verlassen vorfinden. Irgendwann guckt eine Frau aus einem Fenster und sagt uns, dass die Besitzerin in der Touristeninformation arbeitet, sie aber deren Sohn dorthin schickt. Dieser fährt kurz darauf mit dem Moped weg, und als er wiederkommt, können wir ins Zimmer. Da der Deckenventilator nicht richtig funktioniert, bekommen wir gleich einen Standventilator. Das WIFI geht leider nicht ohne Bezahlung, aber die Bezahlung per Kreditkarte funktioniert auch nicht – wir müssen also ohne auskommen – und ein Mobilfunknetz gibt es in dieser gottverlassenen Gegend ebenfalls nicht. Dafür haben wir Warmwasser, und ab 21 Uhr können wir auch etwas zu Essen bekommen.

Wir gehen ein bisschen spazieren und finden neben einem Kiosk, an dem wir schon einmal Getränke kaufen, auch Ecken mit freiem W-LAN und den Arbeitsplatz unserer Vermieterin, die Touristeninformation. Dieses Dorf hat nur wenige, weit auseinanderliegende Häuser, aber eine am Sonntagabend geöffnete Touristeninformation, die wahrscheinlich sehr, sehr wenige Besucher hat, und die von Steuergeldern finanziert wird. Da könnte man doch sicher etwas einsparen … vermutlich ist da Präsident Milei aber schon dran.

Unsere Gastgeberin erklärt uns, dass das WIFI in der Unterkunft auch ohne Bezahlung funktioniert, allerdings nur für WhatsApp-Textnachrichten, für mehr nicht. Also können wir heute nichts hoch- oder auch herunterladen. Der Blog muss also warten. Auch das tägliche Senden des Standorts an unseren Jüngsten gestaltet sich schwierig: wir hängen das Motorola Defy hinter dem Haus an einen Nagel in Empfangsrichtung des Satelliten. Aber Viktor bekommt die Kommunikation nicht gestartet. Der Satelliten-Link funktioniert nicht. Na super! Das ist eigentlich unsere Notfall-Lösung für einen Notruf, wenn wir in wirklich abgelegenen Gegenden sind … also zum Beispiel hier. Das ist ja sehr beruhigend! Nach einer Stunde will Viktor das Motorola-Teil wieder ins Zimmer holen, aber es ist verschwunden. Niemand der gerade im Hospedaje Anwesenden will es gesehen haben, aber der gerade nicht anwesende Sohn des Hauses, Benjamin, nach dem auch das Hospedaje benannt ist, gibt später zu, dass er es aufgehoben und eingesteckt hat, weil es angeblich vom Nagel gefallen war.

Vor dem Abendessen schaffen wir es noch, uns in ein offenes WLAN einzuwählen, das von der „Escuela Armada Argentina“ ausgeht, aber wir schaffen es nicht einmal, einen Satz in den Blog hochzuladen, um den regelmäßigen Lesern mitzuteilen, dass es uns gut geht. Immerhin landet aber das Tagesbild mit den Kilometern bei Viktors Facebook.

Um 21 Uhr dürfen wir in den Comedor kommen und essen Hähnchenschnitzel mit Salat. Hinterher will uns die Betreiberin noch allerhand verkaufen, weil sie meint, dass auf der morgigen, mehr als 100 km langen Tour nur ein einziges Haus „hinter dem sechsten Tunnel“ liegt, bei dem es aber nichts zu Kaufen gibt. Na das kennen wir inzwischen leider schon, und wir kaufen ordentlich Wasser und einen Extrabecher „Dulce de Leche“ für unser Frühstück unterwegs, denn wir wollen bei Sonnenaufgang ohne Frühstück losfahren.

Bei sehr lautem Ventilator versuchen wir zu schlafen.

Woche 36 (2.12.24 – 8.12.24) Salta – Hualfín

Montag 2.12.24 – Salta

Da Jutta seit einigen Wochen das Gefühl hat, nicht richtig tief einatmen zu können und man es inzwischen nicht mehr auf die dünne Luft in der Höhe der Anden schieben kann, wollen wir die Großstadt Salta nutzen und es abklären lassen. Deshalb finden wir uns gleich um kurz nach acht an einer Privatklinik (Tres Cerritos) ein. Viktor will nach langjähriger Tätigkeit in der Gynäkologie als Erstes einmal ein aufs Zwerchfell drückendes Myom ausgeschlossen haben – also ein Gyn-Ultraschall machen lassen. An der Anmeldung muss erst in bar bezahlt werden, sonst läuft hier gar nichts. Also läuft Viktor zurück zum Hotel, um die letzten Bargeldreserven zu holen. Das Unterleibs-Ultraschall können wir schon einmal bezahlen, und dann kommen wir auch sehr bald an die Reihe. Da der Gynäkologe vom Unterleib her kein Problem entdecken kann, dafür aber einen Leistenbruch vermutet, macht er noch ein Weichteil-Ultraschall, zum Ausschluss einer Hernie (Leistenbruch), ebenfalls ohne etwas zu finden. Um diese zweite Ultraschalluntersuchung im Anschluss zahlen zu können, muss Viktor noch einmal los, dieses Mal, um U.S.Dollar zu tauschen. An der dritten Anlaufstelle klappt es (zu keinem besonders guten Kurs, weil wir nur 20$-Scheine haben, keine 100$). Jetzt können wir auch noch den Allgemeinmediziner bezahlen, der Jutta untersucht und meint, es wäre wahrscheinlich eine Atemwegs- oder Lungen-Infektion. Er hört aber auch besorgniserregende Darmbewegungen und erwähnt irgendwas von Salmonellen-Infektionen, die hier recht häufig seinen. Sie soll drei Tage einen Protonenpumpenhemmer und ein Spasmolytikum schlucken (fragt sich allerdings, warum) und sowohl zur Blutabnahme als auch zum Thorax-Röntgen. Das Blut wird mit Terumo-Nadeln von Viktors Arbeitgeber mühelos abgenommen, zum Röntgen müssen wir woanders hin. Dort kommt Jutta auch sehr schnell dran – die Bilder sollen wir nach kurzer Zeit selber digital abrufen können und dem Allgemeinmediziner schicken. Dummerweise hat die Röntgenpraxis die Passnummer, die ja aus einer Buchstaben/Zahlen-Kombination besteht, zur Identifikation genutzt, und das Online-Formular zum Abrufen der Bilder akzeptiert nur Ziffern. Es dauert also eine ganze Zeit, ehe dieses Problem gelöst ist. Über eine WhatsApp-Gruppe mit beiden Ärzten erhalten wir irgendwann einen QR-Code, der die Passnummer gleich in die URL einbaut und uns endlich Zugang zu den Röntgenbildern gibt. Auf den Röntgenbildern bestätigt sich die Vermutung einer verschleppten Influenza-B- oder COVID-19-Infektion. Nun müssen noch die Laborwerte morgen abgewartet werden.

Inzwischen ist es so spät, dass wir eigentlich im Hotel auschecken müssten, stattdessen verlängern wir eine Nacht und wollen danach einen neuen Bargeld-Versuch mit Western Union starten und unsere Wäsche abholen. An der ersten WU-Stelle können sie uns eine Million Pesos in 1000-er Scheinen (entspricht 1€) anbieten, das wäre eine gesamte Radtasche voll Geldscheinen. An der zweiten haben sie größere 10.000-Pesos-Scheine (entspricht 10€ … größere Scheine existieren in Argentinien derzeit wohl nicht). Wir wollen im Bixi-Coffee-House gegenüber eine Kaffeepause machen und dort die passende Geldüberweisung per WU-App tätigen. Der Überweisungs-Versuch von Jutta am vergangenen Freitag in der Stadt Jujuy scheint aufgrund des nicht übereinstimmenden Namens (Kontoinhaberin Jutta Makowski, WU-App-Login Viktor Makowski) fehlgeschlagen zu sein, also wird Viktor heute eine Sofortüberweisung von seinem Konto versuchen.

Während er am Kämpfen ist – immer wieder muss er sich mit Fotos des Personalausweises identifizieren – kommt eine Deutsche an unseren Tisch: sie fragt, ob wir eine Lösung hätten, hier in Argentinien an Bargeld zu kommen. Und schon haben wir ein Thema! Sie (Kinderärztin aus München) und ihr Mann waren schon in Chile, wo sie leicht an Geld gekommen sind, und seit drei Tagen in Argentinien haben sie Probleme und die Hoffnung, hier in Salta erfolgreich zu sein. Während Viktor immer wieder versucht, das Geld in der App flüssig zu bekommen, holt Jutta sowohl Viktors Pass aus dem Hotel (wird mit zusätzlicher Passkopie benötigt, um das Geld bei WU ausgezahlt zu bekommen) als auch die Wäsche aus der Wäscherei ab.

Irgendwann gegen 15 Uhr gehen wir genervt ins Hotel zurück, um die Zeit anderweitig zu nutzen. Die WU-App will einfach keinen grünen „Verfügbar“-Punkt anzeigen.


Auf dem Platz vor dem Hotel sehen wir noch einmal das Münchener Paar und können noch keinen Bargeld-Erfolg melden. Als Kinderärztin berührt sie Juttas Arm, erfühlt eine erhöhte Temperatur und verordnet einige Tage Ruhe (inwischen haben wir auch die Nachricht vom Arzt, dass es nach einer Infektion in der Lunge aussieht). Viktor geht mit dem Paar noch kurz ins Parkhaus und zeigt ihnen unser Tandem, für das sie sich interessiert hatten.

Im Hotelzimmer angekommen dauert es jetzt nicht mehr lange, bis das Geld bei Western Union dann doch verfügbar ist, und so gehen wir wieder in die Niederlassung, werden schlagartig zu Pesos-Millionären und haben jetzt endlich Bargeld für mehr als nur ein paar Tage.

Ich wär so gerne Millionär …

Am weiteren Nachmittag besuchen wir noch die San Francisco Kirche und die Kathedrale Basilika (beim vierten Anlauf klappt es – kein Gottesdienst und nicht geschlossen) und suchen einen Laden, wo wir Juttas in irgend einer Wäsche verloren gegangenes Unter-Funktionsshirt ersetzen können – erfolgreich! Viktor geht noch kurz in eine Apotheke, um seine Blutdruck-Messung der Smartwatch neu zu kalibrieren und hochdosiertes Vitamin C für Jutta zu kaufen.

Nach einer kurzen Erholungszeit im Hotel geht es zum Patio de San Francisco zum Abendessen. Hinter dem Tresen steht ein Franziskaner Weissbier neben einem Franziskaner-Mönch auf dem Regal. Viktor bekommt sie sogar heruntergeholt für ein Foto.

Dienstag 3.12.24 – Salta

Wir schlafen aus und verbringen dann den Vormittag mit Ergänzungen am Blog und an unserer Routendokumentation bei Google MyMaps. Im Beitrag der vergangenen Woche sind jetzt noch ein paar Videos hinzugekommen, es könnte sich also lohnen, nochmal reinzuschauen.

Zu halb eins gehen wir noch einmal zu den „Tres Cerritos“, die Blutwerte und deren Auswertung abholen. Der Arzt von gestern ist erst Donnerstag wieder da, aber wir können auf einen anderen warten. Dieses Warten dauert eineinhalb Stunden, dabei sind nur zwei Patienten vor Jutta dran. Die Ärzte hier scheinen sich nicht kaputt zu arbeiten… . Die gestern prognostitierte Entzündung wird von dem Arzt heute nicht bestätigt, er geht von Luft über dem Zwerchfell aus, die der Lunge nicht ausreichend Platz lässt. Zwei Ärzte, zwei Meinungen! Aber da Jutta sich ja auch nicht krank fühlt, glauben wir mal diese Diagnose und fahren morgen weiter.

Es ist fast halb drei, als wir auf dem Rückweg im Café Martinez Kaffee trinken, wo es für Radfahrende 10% Rabatt gibt. Es scheint eine Argentinische Kette zu sein, die beim Nachschauen allerdings nur in einigen Gegenden verbreitet ist, nicht so flächendeckend wir z.B. Juan Valdez in Kolumbien.

Den weiteren Nachmittag nutzen wir im Salon sitzend zum Schneiden von Videos, was richtig Zeit braucht. Abends gehen wir schräg gegenüber noch einmal ganz nett essen – Jutta hat gefüllten Butternut-Kürbis, der von einem Paar aus den Niederlanden bewundert wird und fast wie zuhause schmeckt. Anschließend packen wir schon einmal wieder die Taschen, um morgen früh zeitig wegzukommen.

Mittwoch 4.12.24 – (129) – Salta – La Viña (Parador Posta de Las Cabras)

Gesamt: 8.019,61 km

Wir stehen das erste Mal wieder früh auf und sind um 6:15 Uhr die ersten beim Frühstück. Die Frühstücksfrau bekommt eine Flasche Wasser von uns geschenkt, denn wir haben gestern Abend wieder einmal versehentlich Sprudelwasser gekauft. Um sieben sitzen wir auf dem Tandem. Es geht sehr schnell auf die Straße, die als RN68 aus Salta Richtung Süden herausgeht. An einer Tankstelle besorgen wir stilles Wasser und Gatorade, und weiter geht es. Die Straße (immer noch innerorts) ist ziemlich schlecht, so dass wir langsam vorankommen, obwohl der Verkehr sich in Grenzen hält.

Die städtische Gegend hört erst nach 20 Kilometern auf, und da haben wir auch schon den ersten „Berg“ geschafft. Die Straße wird besser, die Natur schöner. Heute fahren wir an etlichen Tabakfelden vorbei, später auch an Wein, es ist nicht spektakulär, aber ganz nett. Die Straße liegt leider die ganze Zeit in der Sonne, aber heiß wird es erst nachmittags.

Nach 38 km sind wir in El Carril und halten an der YPF Tankstelle. In deren Café FULL bekommen wir guten Kaffee und Gebäck von netten Damen dort. Gut gestärkt fahren wir weiter, immer Richtung Süden. Und es fällt auf, dass uns sämtliche LKW-, Bus- und Autofahrer mit sehr großem Abstand überholen, und wenn die Gegenfahrbahn nicht frei ist, hinter uns abbremsen, bis sie überholen können. Das tut so gut nach dem Spießrutenfahren in Peru!

Kurz vor Coronel Moldes, wir haben 65 km hinter uns, liegt rechts an einem kleinen Bach der Comedor El Osmeño. Zwei Schwestern, die unserer Meinung nach eigentlich in die Schule gehörten, bedienen die Gäste – wir bekommen 1,5l Cola, deren Rest wir einer vierköpfigen Familie weitergeben.

Nach 79,99 km halten wir schon wieder, um unsere 8000 gefahrenen Gesamtkilometer auf Fotos festzuhalten.

Die Stelle wimmelt von (Tiger-?) Mücken und ist in der prallen Sonne, deshalb fahren wir sofort weiter und halten noch einmal an einer Tankstelle in La Viña, nur ca. 10 km vor unserer reservierten Unterkunft in Talapampa, weil es noch so zeitig ist und wir uns erst ab drei Uhr angemeldet haben. Während wir dort ein Eis schlecken, bekommt Viktor von der Hospedaje eine WhatsApp-Nachricht, dass sie ein Problem mit den Wasserleitungen haben und heute keine Zimmer vermieten können. Super, wir haben extra vorher angefragt, weil es in dieser Gegend keine wirklichen Alternativen gibt! Ein paar Kilometer weiter, in Alemania, gibt es einen Platz zum Campen, allerdings ohne Sanitäranlagen, außer einem nahegelegenen Fluss… . Die Tankstellenshop-Bedienung weiß von einem Ort, an dem früher eine Freundin gearbeitet hat, wo es ein Zimmer geben soll. Sie kontaktiert ihre Freundin und bekommt die Bestätigung für das Zimmer. Leider können wir uns nicht dort anmelden, denn die neuen Betreiber haben auch eine neue Telefonnummer.

Okay, wir wollen bis dorthin fahren, und wenn das nicht klappt, notfalls in Alemania wild campen. Nach 99,6 gefahrenen Kilometern kommen wir am Parador de Las Cabras an und haben Glück: vor einem Monat haben neue Betreiber diesen Parador sehr heruntergekommen übernommen, und im rustikalen Zimmer oben am Hügel finden sich keine Mäuse o.ä., wie wir in Rezensionen aus Dezember 2023 auf iOverlander gelesen haben. Einige Männer bauen gerade etwas, das wie ein Haus aussieht, aber ein riesiger Grill werden soll.

kleiner Argentinischer Grill

Im Parador an der Straße können wir im WIFI am Blog schreiben und abends auch essen.

Als wir zum Abendessen ins Haupthaus hinübergehen herrscht draußen eine einmalige Geräuschkulisse:

Viktor isst „Cabrito“ (Zicklein mit Reis) und Jutta Bandnudeln mit Tomatensoße. Beides ist erstaunlich gut gelungen. In Rezensionen hatten wir gelesen, dass die hier nur Empanadas „können“. Die neuen Besitzer haben auch hier offenbar einen Qualitätssprung erreicht. Viktor gönnt sich zum Nachtisch noch eine regionale Spezialität: Ziegenkäse mit Kürbismarmelade, Walnüssen und Zuckerrohrsirup. Dieser Käse hat heute wenigstens mal ein bisschen Aroma und geht nicht völlig in der Kürbismarmelade und dem Zuckerrohrsirup unter, wie die Varianten die Viktor bisher in der Region gekostet hat. Der sonst in der Provinz Salta übliche frische Käse (Quesillo) aus langweiliger Kuhmilch hat da einfach keine Chance.

Donnerstag 5.12.24 – (130) – La Viña (Parador Posta de Las Cabras) – Cafayate

Gesamt: 8.109,71km 1124m bergauf

Da wir auf der Strecke heute nicht viel Verpflegungsmöglichkeiten erwarten, entscheiden wir uns für das Frühstück im Parador. Es ist sogar inkludiert, besteht aber nur aus einem Tee und zwei kleinen Croissants.

Der junge Betreiber des Restaurants und der Herberge hatte uns gestern Abend erklärt, dass die Grillen und Zikaden nach nur einer lauten Nacht sterben und morgens auf der Wiese liegen. Es seien auch nur so 20 – 30 Stück, die diesen Radau zustande bekommen. Bevor wir abfahren, schauen wir uns auf der Wiese um, finden aber nichts. Da ruft uns der junge Mann heran und zeigt uns ein paar. Ein Coyuyo lebt sogar noch (Facebook-Link):

Coyuyo

Das Streckenprofil hat es heute in sich. Wir müssen über 1.000 Höhenmeter bewältigen und genau 90 Kilometer schaffen. Auf den ersten 20 Kilometern ist Viktor schon richtig genervt. Die Landschaft ist zwar wirklich schön, aber der erwartete gleichmäßige Anstieg stellt sich als Wunschvorstellung heraus. Ständig geht es entweder im 1. -4. Gang bergauf oder im 10. – 14. Gang bergab. Leichte Anstiege gibt es kaum, Viktor schaltet sich die Seele aus dem Leib. Wenn wir heute mit Kettenschaltung unterwegs gewesen wären statt mit unser Rohloff Speedhub … vermutlich wäre das Tandem schon früh wütend in den Straßengraben geworfen worden (lieben Gruß an Kathrin).

Am wirklich schönen Bahnhofsrestaurant von Alemania fahren wir vorbei, weil es einfach zu zeitig ist. Danach nehmen wir alle Möglichkeiten zum Einkehren wahr, die es gibt: 1. auf dem Peak kurz hinter km 20 bei einem älteren Herren, der noch eine Cola, eine Sprite und sonst Fanta anzubieten hat, 2. an dem „Rachen des Teufels“ genannten Aussichtspunkt, an dem wir ein Deutsch/Schweizerisches Paar treffen und uns mit denen etwas austauschen, 3. an einem Parador nach gut 50 km, der ausschließlich Cola hat, 4. an einem kleinen Laden, wo wir Brot und Ziegenkäse sowie Pomelowasser bekommen können – endlich! und dann kurz vor dem Ziel 5. an einer Tankstelle schon in Cafayate, wo wir uns im klimatisierten Geschäftsraum einmal abkühlen können.

Bis etwa 15km vor Cafayate fahren wir den gesamten Tag auf der szenischen Straße durch die Quebrada de las Conchas. So schön es hier auch ist – wieder einmal ist das Fahrrad ein etwas zu langsames Verkehrsmittel – zumindest in den Steigungen. Jutta meint irgendwann, dass man die Schönheiten an der heutigen Strecke auch gut in der halben Zeit hätte genießen können. Viktors Antwort: “Kein Problem … dann müssen wir nur doppelt so schnell fahren.” 😉

Wir kommen kurz nach vier im Hotel an. Nach dem Duschen geht Viktor, obwohl wir beide ziemlich platt sind, noch in eine Bodega (Nanni) fast nebenan zur Führung und Weinprobe. Die Weine hier in der Region Cafayate gelten als die kräftigsten in Argentinien, weil sie eine sehr dicke Schale entwickeln und dadurch viele Tannine enthalten. Das kommt Viktor sehr entgegen und die Weinprobe ist tatsächlich ganz nach seinem Geschmack.

Die Bodega Nanni betreibt auch ein Restaurant, in dem wir dann später auch zu Abend essen. Viktor isst ein Getreiderisotto mit Pilzen und Malbeq-Rotweinsauce. Sehr interessant.

Freitag 6.12.24 – (131) – Cafayate – Santa Maria de Yocavil

Gesamt: 8.188,25 km

Heute gibt es ein Frühstücksbuffet und Viktor kann ausreichend Kohlenhydrate für den Radfahrtag zu sich nehmen – das rationierte Frühstück gestern war wohl ein entscheidender Grund, warum es ihm gestern so schwer fiel. Während des Frühstücks fliegt eine Libelle immer weider von innen gegen die Fenster. Mithilfe einer Mitarbeiterin des Hotels, die sie einfach bei den Flügeln packt, retten wir sie nach draußen und sie fliegt munter davon.

Im Innenhof des Hotels hat ein Künstler „Los Duendes del Capac Yac“ (Capac Yac = Cafayate) dargestellt, die nach einer Legende hier in den Bergen leben. Je nach Übersetzung handelt es sich um Butzemänner, Heinzelmännchen, Wichtel, Irrwische, Kobolde oder Gespenster.

Um acht Uhr kommen wir los, und die Stadt ist fast sofort schon wieder zu Ende, der Weinanbau und die Bodegas ziehen sich aber noch lange hin.

An einer Bodega sitzen zwei Bikepacker, die gerade ihr Frühstück beendet haben. Wir fahren eine ganze Weile mit ihnen zusammen weiter: Marta aus Barcelona fährt schon seit Januar durch Südamerika und wird z.Z. begleitet von Kuky, den sie in einem Hostel in La Rioja kennengelernt hat und der dort Paragliding-Kurse anbietet.

Marta rät uns, doch lieber von Mendoza nach Santiago de Chile zu radeln, denn der Rest der Strecke von hier bis Mendoza sei nicht mehr so toll. Außerdem seien einige längere Wüstenabschnitte dabei. Oh Gott! Wüste! Da hat sie genau das richtige Wort fallengelassen.

Auch für den letzten Abschnitt unserer Tour hat Marta einen Ratschlag parat. Wir sollen lieber nicht – wie derzeit geplant – von Valparaiso nach Puerto Montt radeln. Stattdessen rät sie uns zum ersten (asphaltierten) Teil der Carretera de Austral ab Puerto Montt. Die sei landschaftlich viel schöner.

Kurz nach einer weiteren gemeinsamen Pause im Schatten trennen sich unsere Wege, denn Marta und Kuky verlassen die Ruta 40.

Nach 25 km wechseln wir von der Provinz Salta in die Provinz Tucuman, nach 62 km dann nach Catamarca – drei Provinzen an einem Tag.

Nach ca. 30 km machen wir eine Trinkpause – obwohl der Laden von Frühstück bis Abendessen alles anbietet, gibt es hier keinen Kaffee. Also wieder mal Gaseosas – Cola, Fanta, Sprite und Co. Gegenüber werden an einer Grundschule gerade lauthals die Fünftklässler in die weiterführende Schule verabschiedet, incl. Nationalhymne.

Kurz darauf bemerkt Viktor, dass er seinen Geldgürtel im Hotelzimmer vergessen hat – mit Reisepass und Kreditkarten. Zurückfahren kommt nicht in Frage, das wären knapp 70 Extrakilometer. Also beschließen wir, das Hotel zu bitten, uns die Riñonera (Nierengurt) an ein zukünftiges Hotel (in Mendoza) zu schicken, wozu sie sich auch sofort bereit erklären. Der Reisepass taucht dann doch noch in einer anderen Tasche auf – es fehlt uns also bis Mendoza nur eine Kreditkarte.

Heute hat der Hersteller unseres Tandems, die Firma HASE-Bikes, endgültig per E-Mail abgesagt und es abgelehnt, uns einen neuen Kurbelsatz nach Santiago de Chile zu senden. Alle Gespräche, die Viktor vor dem Kauf des Tandems mit einem Mitarbeiter von HASE geführt hatte, in denen uns jegliche Unterstützung zugesagt wurde, stellen sich nun als vergebene Liebesmüh heraus. Im Ernstfall müssen wir selbst eine Lösung finden, wie wir die Ersatzteile nach Südamerika bekommen. Oder wir müssen es wagen, mit dem verbogenen Pedal und dem zurechtgebogenen Kettenblatt weiterzufahren. Unter Last macht die Kette bergauf aber schon einige unschöne Knack- und Ratter-Geräusche, so dass wir das eigentlich auf alle Fälle vermeiden wollen.

Unser Zielort Santa Maria ist ein eher verschlafenes Örtchen, aber immerhin gibt es einen Supermarkt (Valhalla). In unserem Hotel hat laut Registrationsliste letztmals am 2.12. jemand eingecheckt.
Wir sind immer noch so kaputt von gestern, dass wir für morgen nur knappe 35 Kilometer planen und irgendwo im Nirgendwo in einem Parador ohne Restaurant übernachten werden, um nicht 120 km an einem Tag fahren zu müssen. Wir kaufen erstmals größere Mengen Wasser, Toastbrot und Thunfischsalat in Dosen, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein.

Samstag 7.12.24 – (132) – Santa Maria de Yocavil – Punta de Balasto

Gesamt: 8.221,24 km

Unser Hotel befindet sich noch im absoluten Vorsaison-Modus (oder Post-Pandemie-Modus) und ist auch schon etwas in die Jahre gekommen. Als es gebaut wurde, war diese hochmoderne Po-Dusche sicher ein Luxus.

Im Frühstücksraum entdeckt Viktor sofort die alten Flipper und Arcade-Konsolen. Eine davon funktioniert sogar noch und Viktor muss sie natürlich ausprobieren.

Zum Frühstück um 8 Uhr gibt es zwar kein Rührei, aber mit Toast, Croissant und bunten Kellogs-Fruit-Loops kriegen wir Viktors Kohlenhydratspeicher heute morgen trotzdem wieder aufgefüllt.

Wir frühstücken spät (aber für dieses Hotel trotzdem frühestmöglich), da wir nur eine kurze Etappe geplant haben, um die morgigen 117 Kilometer auf erträgliche 80 zu reduzieren.

Um neun fahren wir los, heute mit großen Wasservorräten zusätzlich in den Taschen. Das verschlafene Örtchen Santa Maria zieht sich noch recht lange hin, anschließend beginnt gleich San José. Städtisch ist hier aber gar nichts: alle paar Meter steht ein kleines Haus, ansonsten gibt es nichts, was eine menschliche Siedlung sonst so ausmacht.

Nachdem wir vorgestern den ganzen Tag Zikaden, Grillen und Frösche/Kröten hören konnten, sind es gestern und auch heute eher viele Vögel. Die meisten können wir wirklich nur hören, seltener auch sehen.

Außerdem krabbeln ganz lustige schwarze Käfer über die Straße, die fast aufrecht zu gehen scheinen. Vor zwei, drei Tagen waren es eher Zentipoden, die zu Tausenden die Straße queren wollten.

Auch heute fahren wir durch viele „Badenes“ (Furten), vor deren Durchfahrt bei steigendem Pegel gewarnt wird. Bei der jetztigen Trockenheit kann man sich kaum vorstellen, dass dort (manchmal alle paar Meter) überall Wasser durchfließt, aber als wir in „Casa de Piedra“ eine Pause machen, wird uns genau das bestätigt. Wenn es regnet – und sie warten gerade sehnsüchtig auf die Regenzeit – kommt mit Steinen und Erde gemischtes Wasser dort heruntergerauscht, da könnten wir mit einem Rad dann nicht durchfahren. Beim letzten Regen ist ein Mann verunglückt, der seinen Lieferwagen aus den Fluten retten wollte.

Die Pause machen wir an einem Haus, an dem „Reposteria“ und „Dulceria“ auf einem kleinen Zettel angeschlagen ist. Die Dame ist bereit, uns zwei Kaffee und einen kleinen Kuchen zu servieren. Wir warten draußen mehr als eine halbe Stunde und beschäftigen uns etwas mit der Tochter „Lupe“ (Guadalupe) und dem Hund, bevor sie uns ins Haus bittet: sie hat in der Zwischenzeit eine „kleine“ Kiwitarte frisch gemacht und zwei große Tassen mit Kaffee, die wir an deren Esstisch verzehren dürfen. Und bezahlen sollen wir dann nur die Tarte (3.000 Pesos = 3 €, richtig wenig), den Kaffee will sie uns schenken.

Von dort sind es nur noch 12 km bis zu unserer Unterkunft, die wir schon um kurz nach eins erreichen.

Die Betreiberin steckt den Stecker des Wasserboilers der Gemeinschaftsdusche ein und Jutta duscht eine Stunde später – kalt – denn die letzten Gäste haben offenbar den Netzschalter des Boilers ausgeschaltet. Das macht die Betreiberin nie. Als Viktor an der Reihe ist, kontrolliert er nochmal alles und findet den Netzschalter unter dem Boiler.

Den Rest des Tages verbringen wir mit Regeneration, Lesen, Blog-Schreiben, WhatsApp mit der Familie, u.a. zur Ersatzteilorganisation, und mit der Unterkunftssuche für die nächsten Tage.

Ein Restaurant gibt es hier nirgendwo, also werden wir uns Toastbrot mit Käse und Mortadella aus dem Kiosk der Betreiberin zum Abendbrot essen … und zum Frühstück wohl auch.

Am späten Nachmittag wird es ziemlich stürmisch und wir denken zunächst, dass Nebel aufzieht, tatsächlich ist es aber Sandstaub, der in der Luft liegt. Bei so einem Wetter möchten wir auch nicht mit dem Tandem unterwegs sein. Also wollen wir morgen richtig früh aus den Federn, um vor dem nachmittäglichen Wind am Ziel zu sein.

Abends um halb acht ist auch hier einmal wieder Stromausfall. Die Sonne ist gerade untergegangen, und so ist es dunkel, wir haben kein WIFI und unsere Elektrogeräte werden nicht geladen. Gehen wir also früh in unseren ziemlich schmalen Betten schlafen.

Sonntag 8.12.24 – (133) – Punta de Balasto – Hualfín

Gesamt: 8.301,86 km

Um fünf – es ist noch dunkel – klingelt der Wecker. Mit Handy-Taschenlampe suchen wir das Bad auf, so schwarz ist die Nacht noch. Der Sandsturm gestern hat alles mit einer feinen Schicht Sand überzogen, selbst alles in unserem Zimmer (das aufliegende Wellblechdach lässt viele kleine Lücken…).

Feinster Sand all-überall (hier auf dem Brillen-Etui) – da freut sich die Fahrradkette

In der kleinen Küche können wir uns Tee kochen und Brot mit dem Aufschnitt von gestern essen. Viktors Gatorade-Flaschen sind zu Eisblöcken gefroren, sie lagen ganz oben im Kühlschrank.

Bis wir loskommen, ist es sieben Uhr. Erst fahren wir zwischen zwei Bergketten, die nach vorne auszulaufen scheinen. Dann geht es auf eine Hochebene hinauf, auf der wir sehr lange und sehr geradeaus fahren. Es ist schon so eine Art Wüste, allerdings mit etwas bodennahem Bewuchs, was im Vergleich zu ausschließlich Sand viel netter ist. Und hier liegt ja auch kein Müll am Straßenrand, was noch einmal netter ist! Jedenfalls finden wir es weniger schlimm als die Wüsten in Peru. Es mag auch daran liegen, dass uns hier keine agressiven Autofahrer überholen oder anhupen. Es ist Sonntag und es ist kaum Verkehr. Hier ist das aber vermutlich an jedem Wochentag so.

Auf den 80 Kilometern auf der Ruta 40 kommen uns heute insgesamt nur 33 Autos entgegen, und nur elf überholen uns (das hängt sicher damit zusammen, dass wir selber soooo schnell fahren ;-)). Na ja, sieben von denen sind Motorradfahrer, keine Autos, und zwei LKW! Da brauchen wir heute wenig acht darauf zu geben und können sie sogar zählen! Umso mehr können wir auf die unzähligen Schafe, Ziegen, Esel, Rinder und Vögel in der Umgebung achten und uns daran erfreuen.

Nach gut 25 km denken wir an die erste Pause, wollen aber einen geeigneten Ort abwarten. Bei km 38 steht ein Baum, den wir uns schon aus der Ferne ausgeguckt haben, und dort steht auch ein Gebäude mit der Aufschrift „Kiosko“. Leider ist dieser Kiosk ziemlich verlassen. Immerhin gibt es ein Mäuerchen zum Hinsetzen, und wir machen eine Obst- und Nusspause aus dem Vorrat.

Gegen Ende der Hochebene haben wir noch angenehmen Rückenwind, der uns ein wenig schiebt. Für kurze Zeit sind wir so schnell wie eine Wolke:

Nach der Hochebene geht es eine Weile schön bergab. Schon um elf beginnt leider wieder ein starker Gegenwind, und so fahren wir in Nacimiento in den Ort ab, weil es dort (ebenfalls) einen Kiosko geben soll, um eventuell einen Kaffee zu bekommen. Am besagten Haus ist ein Fenster mit einem „Abierto“-Schild und ein Cola-Plakat, wir halten also und sprechen den Herrn an, der gerade von hinten kommt. Er lacht und sagt, dass hier schon lange kein Kiosk mehr sei. Aber schräg gegenüber wäre einer. Wir lassen das Tandem dort stehen und gehen nach schräg gegenüber – ein Haus ohne jegliche Beschriftung.

Dort kommt ebenfalls ein Herr von hinten, der uns auf unsere Nachfrage bestätigt, dass sie ein Kiosk seien und auch Kaffee hätten. Allerdings verneint das dann die dazugeholte Frau, die wohl für den Kaffee zuständig wäre – sie hätte nur Gaseosas! Die wollen wir nicht, aber wir dürfen uns dennoch auf den Palettensitzen in die Sonne setzen. Diesmal gibt es Brot mit Erdnussbutter bzw. Cracker zum Snacken.

Unser sonniger Pausenplatz am „Kiosk“

Von hier sind es nur noch knappe 15 km bis Hulafín. Um in den Ort zu kommen, müssen wir irgendwo zwischen Felsen links abbiegen, auf einer tadellosen T-Kreuzung. Und ein paar Meter weiter endet der Asphalt, weiter geht es auf schlechtem Schotter und Sandpiste. Und das ist die alte Ruta 40, es stehen sogar noch entsprechende Schilder am Straßenrand. Erst als irgendwann die Bebauung beginnt, wird die Straße wieder besser.

Schon um 13 Uhr kommen wir an der Städtischen Hosteria an und bekommen sofort unser Zimmer. Auch hier gab es einen Stromausfall, und das Internet funktioniert schon den ganzen Tag nicht. So müssen wir nach dem Duschen und einem leichten Mittagessen für Viktor (Gnocchis in der Herberge) ohne GoogleMaps den Weg zur hiesigen Bodega – einer der wenigen Sehenswürdigkeiten – finden … ganz ungewohnt.

Aber trotz mehrfach notwendigen Abbiegens und nachdem wir durch das ziemliche breite, ausgetrocknete Flussbett gelaufen sind, das den Ort in zwei Teile trennt (der Sand landet wahrscheinlich irgendwann an der Nordsee, so sieht er zumindest aus 😉 ) finden wir die Bodega Hualfín. Wie es sich herausstellt, ist diese Weinkellerei wie unsere Herberge auch in städtischem Besitz. Finanziert wurden beide aus den Steuereinnahmen der Minengesellschaft, an deren Flugplatz wir heute vorbeigefahren sind. Hier gibt es mehrere kleine Weinbauern, die ihre Trauben hier in der städtischen Kellerei verarbeiten lassen können. Wir bekommen eine kleine Tour und Viktor macht auch eine Weinprobe der vier verschiedenen angebotenen Weine.

Nach der Rückkehr in die Herberge ist das Internet wieder da und wir beschäftigen uns mit dem Blog und anderen Dingen, bis es endlich 20 Uhr ist und das Abendessen in der Herberge beginnt. Als wir vorne am Restaurant ankommen, hängt ein Zettel am Kühlschrank, der uns mitteilt, dass es heute kein Abendessen gibt 🙁 . Viktors halbe Flasche Bier von heute Mittag ist auch hinter einem Schloss am Kühlschrank unerreichbar. Wir fragen an der Rezeption, die nichts von der Schließung weiss. Restaurant und Herberge sind voneinander unabhängig. Immerhin kommen die Restaurantbetreiber und schließen den Kühlschrank zum halben Bier auf, aber Essen kochen werden sie heute nicht mehr (davon war am frühen Nachmittag noch keine Rede … aber wir mögen es ja spontan 😉 ).

Daraufhin landen wir zwei Straßenblöcke entfernt im Comedor Valentina, wo die Rezeptionistin von heute Mittag abends hobbymäßig arbeitet, und essen dort Milanesa Napolitana bzw. Pommes mit Salat. Es ist fast 22 Uhr, als wir von dort zurück sind. Wir hoffen nun, dass das Frühstück um 8 Uhr nicht ebenfalls einer spontanen Eingebung zum Opfer fällt, denn eine Alternative wird sich in diesem Örtchen nur schwer finden lassen und unterwegs gibt es morgen nach genau 16,2 km ein Café … falls das noch existiert und geöffnet hat … danach bis zum Etappenziel wieder keine weiteren Verpflegungsmöglichkeiten.

Woche 35 (25.11.24 – 1.12.24) Salar de Uyuni – Salta

Montag 25.11.24 – Uyuni – La Quiaca (Argentinien)

Nach einem sehr schönen Frühstücksbuffet ist unser Tandem schon wie von Geisterhand hinten auf einen Pick-Up geladen. Wir haben zu viertel nach acht einen Transport nach Uyuni bestellt, und obwohl es erst acht ist, hat der Taxifahrer schon ganz eifrig die Fahrt vorbereitet. Wir lassen uns mit dem Auto fahren, weil wir den blöden Weg von gestern nicht noch einmal fahren wollen, und weil wir schon um zehn Uhr den Bus nach Villazon nehmen wollen. Eine weitere Nachtfahrt mit wening bzw. gar keinem Schlaf wollen wir uns lieber ersparen und der zweite Bus des Tages nach Villazon fährt erst um 20:00 Uhr und kommt um 3:00 Uhr morgens an. Der Fahrer des Pick-Up hält in Uyuni noch am Büro von Todo Turismo, wo wir unsere restlichen Taschen einladen, und bringt uns dann zum Busterminal, genau an die Haltebucht, in der unser Bus halten wird.

Wir kaufen uns zwei Tickets und haben noch eine Stunde bis zur Abfahrt. Etwa fünf Minuten vor der geplanten Zeit kommt der Italienische Bikepacker von gestern und will den gleichen Bus nehmen. Heute fragen wir ihn dann auch nach seinem Namen: Matteo. Der Bus ist immer noch nicht da, aber immerhin kommt er um kurz nach zehn. Matteos Rad kann mit dem nur leichten Gepäck komplett in den Gepäckraum (und später noch woanders hin…). Auch unser Tandem und die Taschen werden gut verstaut, und wir müssen nicht einmal etwas zahlen.

Dann beginnt die Fahrt im sehr stickigen, heißen Bus. Die Lüftung funktioniert leider gar nicht, von einer Klimaanlage ganz zu schweigen. Es geht durch beeindruckende Landschaften, über viele Pässe oberhalb von 4.000m Höhe. Laut einem Verkehrsschild sollen in der Gegend Emus herumlaufen, aber leider sehen wir nichts in der Richtung. Die Ankunftszeit in Villazon soll 15 Uhr sein, aber während der Fahrt merken wir schon, dass das wohl nichts wird. Schließlich sind wir um 15:15 Uhr in Tupiza, ca. 100km vor Villazon. Dort wird uns gesagt, wir müssten jetzt in einen kleinen Van umsteigen – der Bus führe nicht weiter. So war es nicht geplant, aber unser Busfahrer ist krank – er sieht auch sehr schlecht aus – die bläulich-grünen Lippen könnten an Sauerstoffmangel liegen oder an den vielen Kokablättern. Jedenfalls gibt keinen Ersatzfahrer. Wir können wahrscheinlich froh sein, dass wir heile bis hierher gekommen sind.

Wir sind hin- und hergerissen, ob wir wirklich das Tandem oben auf dem Dach des Vans transportieren wollen, aber als das Rad von Matteo (inklusive dem Gepäck) oben drauf steht, lässt auch Viktor sich überzeugen. Letzten Endes sind beide Räder aneinandergelehnt, und dazwischen liegen noch einige unserer Radtaschen. Alles wird festgezurrt, und los geht es. Der Van ist brechend voll, ganz vorne neben dem Fahrer sitzen der kleine Sohn und seine Frau. Wir sitzen direkt dahinter und können sehen, wie der Sohn den Vater immer wieder ablenkt (bis er irgendwann einschläft … also zum Glück der Sohn 😉 ), und wie der Fahrer, der schon beim Losfahren eine dicke Backe hat, sich alle paar Minuten neue Kokablätter in den Mund schiebt. So richtig glücklich sind wir mit dieser Art des Transportes nicht, aber es sind ja nur noch 100 km.

Kurz vor Villazon jammert der Fahrer, dass sein Tank fast leer ist – er schafft es noch, fährt aber nicht bis zum Busbahnhof. Irgendwo am Straßenrand, schon nahe der Grenze nach Argentinien, werden wir rausgelassen. Mit dem Gepäck auf dem Dach ist tatsächlich alles gut gegangen.

Matteo schließt sich uns für den Grenzübergang an. Bei der Bolivianischen Migration bekommen wir keinen Ausreisestempel, nur ein Stück Papier. Bei den Argentiniern dauert es etwas länger. Juttas Grenzbeamter hat seine Backentasche auch voll mit Kokablättern – wahrscheinlich muss er schon sehr, sehr lange arbeiten, sehr eifrig scheint er trotzdem nicht. Aber auch hier bekommen wir keinen Stempel – unsere Einreise ist nur digital aufgenommen. Wir haben 90 Tage, aber nichts, was unser Einreisedatum nachweist, das ist etwas dumm. Matteo kann einfach an der Gepäckkontrolle weiterfahren, wir müssen unsere gerade erst festgemachten Taschen alle durch ein Röntgengerät laufen lassen und anschließend noch einmal aufs Rad packen.

Nach insgesamt nur ca. zwei km Fahrt sind wir am Hotel in La Quiaca angekommen. Der Preis des Hotels liegt hier in Argentinien wieder im vierstelligen Bereich (mehrere 1.000 Pesos), das hatten wir schon länger nicht mehr. Auch die Steckdosen sehen ganz fremd aus, mit diagonal stehenden Schlitzen. Wir bekommen an der Rezeption einen Adapter und einen Elektroladen genannt. Auch, wenn alle immer sagen, man solle hier in Argentinien auf dem Schwarzmarkt Dollar in Pesos tauschen, wollen wir den ehrlichen Weg versuchen und Geld am Automaten abheben. Bei strömendem Regen laufen wir zu einer Bank und bekommen nach vielen Versuchen mit höheren Beträgen nur 50.000 Pesos (ca. 50€) ausgespuckt, und das für über 10.000 Pesos Gebühr (über 20 %). Okay, das machen wir heute einmal, um Dinge zahlen zu können, aber das ist keine Lösung für die Zeit hier in Argentinien.

Wir gehen in ein von Viktor gesichtetes Restaurant um die Ecke. Die Bedienung sagt, dass die Chefin und Köchin in zehn Minuten wiederkäme, sie selber noch neu sei und nicht kochen würde. Während wir warten, bekommen wir mit, dass sie auf die mindestens drei Kinder der Chefin aufpassen muss, während sie im Restaurant die Stellung hält und ziemlich sauer ist. Sie fragt dann auch doch, was wir möchten, und geht selber in die Küche. Viktor bekommt eine Pizza, Jutta eine Kartoffeltortilla. Jutta muss ziemlich viel Schinken aus ihrem Essen heraussuchen, aber dann schmeckt es einigermaßen. Viktor sagt kurz vor Beendigung der Pizza: „Wenn der Teig kalt wird, schmeckt er noch schlechter“. Und, dass die Oliven ganz gut waren. Na ja, die richtige Köchin war ja nicht da, sie kommt aber gut gelaunt und von der Bedienung und den Kindern herbeigesehnt um 21 Uhr ins Restaurant marschiert.

Der Regen hat aufgehört, und wir gehen noch zum Elektroladen. Dort sehen wir, dass das angebotene Ladegerät ziemlich so aussieht, als würde es in unsere Schuko-Steckdosen passen. Wir kaufen erst einmal nichts und graben den Deutschen Stecker wieder aus. Den haben wir zwar in Peru mal ganz kurz benutzt (ganz im Norden), sonst aber noch gar nicht, aber er passt tatsächlich in die hiesigen Steckdosen. Wahrscheinlich passen in diese Steckdosen ganz viele verschiedene Stecker. Und wir kommen mit unseren Geräten auch hier zurecht.

Dienstag 26.11.24 – (124) – La Quiaca – Abra Pampa

Gesamt: 7.599,87 km

Morgens vor dem Frühstück telefonieren wir mit unserem Sohn Julius: im seit Langem laufenden Prozess gegen Viktor und ihn wegen Urheberrechtsverletzung (ein BitTorrent-Unfall) ist Viktor entgegen aller Erwartungen, selbst der des eigenen Anwalts, tatsächlich freigesprochen worden. Und das Urteil ist so formuliert, das auch eine Folgeklage gegen Julius wenig Erfolg versprechend ist. Das ist eine sehr gute Nachricht am frühen Morgen (und in Deutschland ist es nur noch vier Stunden später – kaum zu glauben!). Seit gestern sind wir in der Argentinischen Zeitzone, die sich offenbar an Buenos Aires orientiert.

Wir frühstücken gleichzeitig mit einigen Motorradreisenden aus Brasilien, die uns u.a. Tipps zum Geldwechseln geben können. Als wir das Tandem beladen, kommt Matteo gerade vorbei, um sich zu verabschieden: er will schnell Richtung Süden und heute schon den nächsten Bus nehmen. Vielleicht kann er uns dann berichten, ob man hier wirklich das Rad immer in einen Karton packen muss, oder ob es auch ohne geht.

Zuerst fahren wir zur einzigen Sehenswürdigkeit von La Quiaca: dem „Cartel La Quiaca“: wir sind hier im nördlichsten Ort von Argentinien und Ushuaia ist der südlichste, und deshalb gibt es hier diese Tafel. Unser Hotel bietet auch Pässe für die Ruta 40 an, die hier beginnt und nicht ganz bis Ushuaia geht. Viele Reisende (Auto, Moto, Rad) kaufen sich so einen und lassen sich in den Städten auf der Strecke Stempel geben. Wir haben uns diesen Pass gespart. Nach einem Supermarktbesuch fahren wir dann richtig los, es ist schon fast halb zehn.

Die heutige Strecke führt ohne auch nur einmal abzubiegen auf ziemlich gerader Strecke Richtung Süden. Es gibt keinen Seitenstreifen. Der ist aber auch nicht nötig, denn der Verkehr hält sich sehr in Grenzen. Meistens ist vor oder hinter uns kein motorisiertes Fahrzeug zu sehen, und nur manchmal sind es mehrere auf einmal.

Noch ziemlich zu Anfang hält uns ein Motorradfahrer aus Peru an: Daniel, genannt xx. Er ist aus Arequipa, seinerzeit auf die Deutsche Schule gegangen und war zum Schüleraustausch einmal in Osnabrück. Heute morgen ist er aus Abra Pampa gekommen, und er erzählt von seinem Hotel dort. Außerdem macht er uns mit der App xxx bekannt, mit der man leicht Routen berechnen lassen kann, und bei der man auch Karteninformationen hat, wenn das Handy offline ist. Unsere Maya-eSIM scheint hier nicht zu funktionieren, daher ist dieser Tipp sicher ganz hilfreich.

Die Landschaft variiert nicht sehr, aber rechts und links weiden viele Lamas und weniger Schafe, und auf beiden Seiten in der Ferne ziehen sich Bergketten entlang – wir fahren auf einer Hochebene – es gefällt uns ganz gut. Allerdings kommen wir auf den fast 75 Kilometern nur durch zwei winzige Ortschaften (Pumahuasi und Puesto del Marquez), in denen es weder Einkehrmöglichkeiten noch Läden gibt. In beiden Orten gibt es aber Sitzplätze im Schatten, und wir haben uns heute im Supermarkt wieder mit Snacks eingedeckt.

Unterwegs sind die Kilometerschilder am Straßenrand gerade die 19-Hunderter. Wir halten bei 1965, Viktors Jahrgang, und machen ein Foto. Später wollen wir eine Gruß an Viktors Mutter fotografieren, verpassen aber irgendwie die 1940 (oder fehlte das Schild?). So machen wir also ein Bild bei 1939 und senden einen Gruß an Maria-Luisa, aber natürlich auch an Günter, Hille und Thom.

In Abra Pampa finden wir ein Eisschild an einer Tür und wollen uns ein Eis gönnen, bevor wir uns eine Unterkunft suchen. Eiscafé kann man das hier nicht nennen, hinter einem kleinen „Verkaufstisch“ ist alles dunkel, und wir können nicht sehen, woher die Dame das Kugeleis holt – es dauert ziemlich lange, bevor sie erst die eine Waffel, dann die zweite zu uns herausbringt.

Einen Block weiter befindet sich das Hotel, in dem Daniel gestern war, und wir checken jetzt auch dort ein. Die Zimmertür bleibt nur geschlossen, wenn man zweimal abschließt, aber wir haben heißes Wasser, gutes WIFI und der Besitzer ist bereit, uns US-Dollar zu einem akzeptable Kurs (1:1.000) in Argentinische Pesos umzutauschen.

Den weiteren Nachmittag nutzen wir für den Blog und weitere Aufarbeitungen. Während wir um Zimmer am Blog schreiben wird es draußen kurzzeitig richtig stürmisch, man hört ein paar Donner und … der Strom fällt aus. Der kommt auch bis 21:00 nicht zurück, so dass wir in der Dämmerung in einem Restaurant am nahegelegenen Bus-Terminal essen und im Stockdunkeln Getränke für morgen kaufen, bevor wir uns im dunklen Hotelzimmer ins Bett begeben.

Irgendwann nachts kommt der Strom wieder – von draußen strahlt ein Flutlicht durch die halb geöffnete Gardine – aber es sind nicht alle elektronischen Geräte aufgeladen (der Garmin z.B. nicht).

Mittwoch 27.11.24 – (125) – Abra Pampa – Humahuaca

Gesamt: 7.685,56 km

Das hätte heute unser perfekter Radfahrtag werden können, wenn nicht unsere Schutzengel ganze Arbeit hätten leisten müssen. Aber von Anfang an:

Wir gehen um sieben im Hotel frühstücken und bekommen, obwohl wir auf die Frage Kaffee oder Tee mit „Tee“ geantwortet haben, Kaffee serviert. Immerhin richtigen, weder aus Pulver noch aus Konzentrat. Um acht machen wir uns auf die über 80 km lange Strecke. Die ersten gut 25 km geht es stetig etwas bergauf, es geht aber so gemächlich hoch (Gänge 5 – 9 der 14-Gang-Schaltung) und die Landschaft ist so schön, dass es uns ganz gut aus den Beinen geht – trotz der Höhe.

Kurz nach dem höchsten Punkt der heutigen Strecke (3.780 m) liegt links der Ort Tres Cruzes. Es soll tatsächlich eine Art Cafeteria dort geben, wird uns auf Nachfrage bei der Polizei an der Straße gesagt, also fahren wir ab. Neben der Kirche gibt es eine Hospedaje mit einer Tafel davor, die auf Sandwiches und anderes hinweist. Wir haben Glück, und bekommen neben Sandwiches und Kaffee auch noch Tipps von der Besitzerin Rosa sowie einen Blick aus dem oberen Zimmer (fast ein Mirador). Letzte Nacht hatte sie zwei Franzosen als Gäste, von denen immer einer Rad fährt, der andere läuft. Sie sind heute ebenfalls nach Humahuaca unterwegs – vielleicht sehen wir sie ja nachher.

Aus dem Café sendet Viktor noch eine Nachricht an die WhatsApp Gruppe „Cycling South America“, denn wir sind wirklich froh, dass wir den Ratschlag von Paul Bergmann (Pedalen-Paul), einem der Aktivposten in der Gruppe (wohnt übrigens in Berlin) angenommen haben, und nun hier im Norden Argentiniens unterwegs sind.

Pauls Anwort

Hier im Ort werden große Kunststoffflaschen weiter verwendet als Grundstücksumrandungen und als Schutz für Neuanpflanzungen – etwas skurril.

Nach ausgiebiger Pause dort haben wir noch weitere 56 km ohne jegliche Ortschaft vor uns – Rosa spricht aber von einer Art Kiosk auf etwa halber Strecke, wo man etwas zu Trinken kaufen könne.

Größtenteils leicht oder auch steiler bergab kommen wir sehr gut voran und staunen immer wieder über die verschiedenen Felsen auf der linken Seite – rechts ist weiter Pampa mit weidenden Lamas. Nach einer drei Kilometer langen Steigung nach gut halber verbleibender Strecke kommt am Rand eine rote Hütte, und wir vermuten den angekündigten Kiosk. Es stehen auch schon zwei Motorräder dort. In der Hütte scheint jemand zu wohnen, aber wir unterhalten uns ganz nett mit den beiden Argentinischen Motorradfahren, bevor wir weiterfahren.

Als nach einigen Kilometern links wieder ein Gebäude erscheint, neben dem wir Tische und Stühle zu erkennen meinen, erwarten wir dort diesen ominösen Kiosk. Aus der Nähe sehen wir zwar, dass dort keine Menschenssele ist, aber wir wollen uns trotzdem dort in den Schatten setzen. Und obwohl Viktor die ganze Zeit immer in den kleinen Rückspiegel geguckt hat und ihn heute immer wieder in die richtige Position drehen musste, weil der starke Fahrtwind ihn in den Abfahrten umgeschwenkt hat – diesmal guckt er nicht hinein. Und obwohl so wenig Verkehr ist – jetzt gerade kommt ein Auto von hinten, das man wegen des Windes nicht hören kann.

Wir schwenken nach links rüber genau im Moment, in dem der Autofahrer nach links fährt, um uns zu überholen. Der Fahrer reagiert ganz schnell und erwischt nur die vordere Spitze des Tandems. Wir kippen weder um noch bekommen wir irgendetwas an unseren Körpern ab. Selbst Juttas Fuß ist in der richtigen Position, dass er nicht einmal gestreift wird, obwohl die Pedalkurbel und das Kettenblatt vorne ziemlich verbogen sind, und die Schuhe mit den Cleats ja fest mit den Pedalen verbunden sind. Da müssen unsere Schutzengel eingegriffen haben – es hätte so viel mehr passieren können!

Trotzdem bricht für uns zunächst einmal die Welt zusammen – wir sehen schon das Ende unserer Tour. Erst durch das Sichten der geringer als erwarteten Schäden kommt ganz langsam die Gewissheit, dass es weitergehen kann. Wir haben zwar kein Ersatzkettenblatt für die Stokerkette mehr (das haben wir wohl zurückgeschickt…), aber das etwas größere für den Captain scheint erst einmal zu funktionieren, auch wenn es natürlich etwas eiert wegen der verbogenen Pedalkurbel.

Der Autofahrer ist übrigens ziemlich schnell wieder aufgebrochen, ohne Telfonnummern auszutauschen (Versicherung?) und auch nicht bereit, aus dem nächsten Ort Hilfe zu schicken, die uns einsammelt. Wir können zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass wir weiterfahren können.

Genau das tun wir aber schon eine gute Dreiviertelstunde nach dem Unfall. Es sind noch knapp 25 km, immer noch viel bergab, und wir wollen versuchen, wie es klappt. Da die Stokerkette nicht abspringt, kann Jutta sogar weiterhin in die Landschaft schauen, die jetzt hier viele Säulenkakteen zu bieten hat.

In Humahuaca suchen wir erst unser Hostal, wo wir das Tandem in das Wohnzimmer der Besitzerfamilie stellen dürfen. Viktor bemerkt, dass seine Trinkflasche nicht mehr da ist und vermutet, sie am Unfallort vergessen zu haben, nachdem er sie dort noch einmal aufgefüllt hat. Er lässt sich von einem Taxi dorthin zurückfahren – leider vergeblich! Jetzt ist auch „Juttas“ Flasche weg, nachdem „Viktors“ ja schon bei der Tunneldurchquerung verlorengegangen war.

In der Ferreteria Lucas kaufen wir nach 18 Uhr (da machen die Läden hier wieder auf) Unterlegscheiben, mit denen Viktor das Eiern beheben möchte, und gehen anschließend im Restaurant Pachamanka Abendessen. Dieses entpuppt sich als außergewöhnlich gute Wahl, was nach dem Nachmittag heute sehr gut tut. Während des Essens beginnt ein heftiges Gewitter (gestern hatten sie hier das erste Mal einen kleinen Tornado). In den Straßen fließt das Wasser.

Wir bleiben ziemlich lange, aber irgendwann müssen wir aufbrechen. Es sind nur drei Blöcke zu laufen. Zuerst gelingt es uns trockenen Fußes, auch wenn wir dafür immer ein Stück in die Querstraße laufen müssen, um über eine schmale Stelle des „Flusses“ springen zu können. Die Straße und Kreuzung vor unserem Hostal ist allerdings komplett überschwemmt, so dass dann doch Schuhe und Socken durchnässt sind. Mal schauen, ob sie bis morgen trocknen.

Mit den Unterlegscheiben lässt sich am Eiern des Kettenblattes leider nichts optimieren. Es bleibt also erstmal bei der behelfsmäßigen Reparatur vom Nachmittag.

Donnerstag 28.11.24 – (126) – Humahuaca – Purmamarca

Gesamt: 7.756,39 km

Das hätte heute unser perfekter Radfahrtag werden können, wenn nicht …

Das Frühstück im Hostal gibt es erst ab acht, also können wir etwas länger schlafen und dann ein liebevoll zubereitetes Frühstück genießen. Leider sind die gestern Abend nassgewordenen Kleidungsstücke und v.a. Schuhe nicht über Nacht getrocknet. Jutta muss nasse Socken und nasse Schuhe anziehen, Viktors nasse Sandalen hängen wir hinten am Tandem an unser Gepäck.

Auf der immer noch sehr pfützenreichen Straße packen wir alles ans Tandem und fahren gegen neun Uhr los – zunächst ein wenig den Weg von gestern durch Humahuaca zurück, in der Hoffnung, die hiesige Sehenswürdigkeit (die Serrania de Hornocal) noch zu erhaschen. Leider spielen die Lichtverhältnisse da nicht mit und wir sehen nur Dunst.

Das ist tatsächlich gar nicht schlimm, auf der heutigen Strecke fahren wir stundenlang an farbigen Felsen vorbei – man könnte alle paar Minuten für ein Foto anhalten. Die Gegend ist wirklich atemberaubend schön und hat es am dritten Tag bereits unter Viktors Top 3 unserer Tour geschafft (Costa Rica, Kolumbien, Argentinien).

Leider wird der Autoverkehr immer stärker, je weiter wir in den Süden kommen, und es gibt weiterhin keinen befestigten Seitenstreifen. Manchmal wird es etwas heikel, wenn gerade Fahrzeuge von hinten und vorne gleichzeitig an uns vorbeifahren müssen. Aber Viktor schaut heute besonders häufig in den Rückspiegel, gerade wenn Lastwagen-Gegenverkehr auf uns zukommt, denn dann könnte es von hinten knapp werden, wenn Lastwagen oder Busse keine Lust haben, hinter uns abzubremsen.

An einem sehr nett aussehenden Café am Straßenrand fahren wir heute tatsächlich einmal vorbei, da wir erst etwas über elf km gefahren sind und wissen, dass noch weitere Einkehr-Möglichkeiten kommen (deshalb auch der zunehmende Verkehr 😉 ). Nach knapp 30 km halten wir an einem sehr schönen Hotel in Huacalera und bekommen Milchkaffee und Applecrumble zu Europäischen Preisen. Jutta legt ihre immer noch sehr nassen Socken und Schuhe draußen in die Sonne und kann sie nach der Stunde Pause trocken wieder anziehen.

Und ab hier beginnt dann schon der stärkste Wind, den wir auf dieser Tour bisher hatten: ein heftiger Gegenwind an der Nordseeküste ist nichts gegen den Wind hier und heute, auch wenn dieser wohl nichts gegen den Wind in Patagonien ist, der uns auch noch erwartet. Selbst in den Abfahrten müssen wir kräftig in die Pedale treten – rollen lassen funktioniert nicht. Das Tal ist immer enger geworden, und der Venturi-Effekt schlägt zu. Ohne diesen Gegenwind wäre der Tag wirklich perfekt!

In Tilcara kommen wir an einem Bahnhof vorbei, an dem ein ziemlich neuer, zwei Wagen langer Personenzug steht. Am Bahnübergang können wir lesen, dass die Strecke bis nach Volcan geht, das wären knapp 42 Kilometer. Aber es ist (außer der Bahn nach Machu Piccu und Metro oder Straßenbahnen) der erste Personenzug, den wir sehen. Und später sehen wir sogar zwei Züge in Fahrt.

An der heutigen Strecke gibt es überhaupt keine Viehhaltung, es ist eher Ackerbau-Gebiet – und auch der erste Wein ist dabei. Und statt Lamas und Schafen sind es heute (weit weniger) Esel und Pferde, die wir passieren.

Am Mirador El Monolito in Maimara, der auf der linken Straßenseite liegt, halten wir heute am rechten Straßenrand und gehen zu Fuß über die Straße. Sicher ist sicher! Oben ist es sehr, sehr stürmisch, aber wir setzen uns kurz zum Pausieren. Einen Monolithen gibt es hier gar nicht, die Gemeinde hat den Aussichtspunkt einfach so genannt, erzählt uns der Herr eines Souvenierstandes dort. Trotzdem ist die Aussicht sehr schön – nach uns hält sogar ein Van mit Touristen mit einem Guide.

Um nach Purmamarca zu kommen, müssen wir von der Nationalstraße 9 (in der Schlucht des Rio Grande) gute dreieinhalb Kilometer in die Schlucht des Flusses Purmamarca fahren – es geht stetig bergauf, aber dafür ist der Wind fast verschwunden. Im Ort halten wir erst an einem Aussichtspunkt (sieben Farben), danach noch zu einem Kaffee, bevor wir zum Hotel fahren, das direkt an den Felsen liegt.

Nach Dusche und kurzer Pause laufen wir noch zum Mirador Cerro El Porito, sparen uns aber die 45-Minuten pro Weg dauernde Wanderung zu einem weiteren Aussichtspunkt. Stattdessen gehen wir zeitig essen und können danach in aller Ruhe am Blog schreiben, ein Hotel in Santiago de Chile buchen (an das Hase-Bikes unsere Ersatzteile schicken kann), die morgige Tour planen etc..

Der Hotelbetreiber schaut Viktor bei der Kettenpflege am Tandem zu und sie kommen ins Gespräch. Die großen Autotransporter, die uns heute auf der relativ kleinen Straße aus Pumamarca entgegen kamen, kommen aus Chile aus einem Überseehafen und fahren nach Paraguay. Es sind meistens Japanische oder Chinesische Fahrzeuge, die in Argentinien aufgrund von Strafzöllen extrem teuer sind. Die großen Europäischen und Amerikanischen Hersteller (VW, Renault, Peugeot, Fiat, Ford) haben eigene Fabriken in Argentinien und sind von diesen Zöllen nicht betroffen. Wir hatten uns schon gewundert, dass wir seit der Argentinischen Grenze so viele Europäische Fahrzeuge auf der Straße sehen. Jetzt haben wir die Erklärung.

Freitag 29.11.24 – (127) – Purmamarca – San Salvador de Jujuy

Gesamt: 7.820,93 km

Das hätte heute unser perfekter Radfahrtag werden können, wenn nicht …

Wir frühstücken mit Butter-Weihnachtsplätzchen und anderen Kleinigkeiten und dürfen uns zwei Bananen für die Fahrt mitnehmen. An HASE-Bikes schicken wir heute morgen noch die Adresse unseres Hotels, das wir für den 24.12. bis 28.12. in Santiago de Chile gebucht haben. Ein neuer Kurbelsatz inklusive Kettenrad soll per DHL-Express dort hingeschickt werden. Bis dahin muss unsere provisorische Reparatur durchhalten.
Als wir losfahren wollen, werden wir von anderen Hotelgästen angesprochen (Elena und Susana aus Buenes Aires). Während wir mit ihnen reden, gesellen sich noch weitere Gäste dazu, und schon haben mehrere Argentinier aus Interesse an unserer Tour und dem einzigartigen Tandem den Link zu diesem Blog.

Es geht nicht nur die ersten gut dreieinhalb Kilometer zurück zur Ruta 9 bergab. Auch im weiteren Verlauf fahren wir von etwa 2.300 m.ü.N.N. auf etwa 1.300 m.ü.N.N. herunter. Und da wir früh genug unterwegs sind, ist der Gegenwind noch nicht so stark.

Gleich zu Beginn auf der RN9 sehen wir an einem Käsestand einen Bikepacker (César), der mit seinem Husky (Tulia) im Anhänger unterwegs nach Ushuaia ist. Während wir uns kurz austauschen, wird Jutta von Tulia besprungen und beleckt – eine gänzlich andere Erfahrung als die vielen bellenden und uns verfolgenden Hunde. Die beiden haben heute das gleiche Ziel wie wir und wir sind gespannt, ob wir uns unterwegs wieder treffen. Da aber jeder sein eigenes Tempo fährt, fahren wir lieber getrennt voneinander weiter.

Es geht weiterhin sowohl am Rio Grande als auch an der Bahnstrecke entlang, vorbei an vielen farbigen Felsformationen. Nach 20 km sind wir in Volcan und haben nicht das Gefühl, schon eine Pause zu brauchen, aber dann liegt der nagelneue Bahnhof inklusive Café/Restaurant am Straßenrand, und wir können nicht widerstehen, da wir ja auch in Tilcara schon diesen Personenzug bewundert haben. Heute lernen wir noch, dass es sich bei dieser Strecke um den zweiten Solarzug der Welt, den ersten der Amerikas handelt, und dass der Betrieb erst im Juni diesen Jahres aufgenommen wurde.

Als wir weiterfahren, geht es eine Weile ziemlich aufwärts und wir sind froh, die frühe Pause gemacht zu haben. Wir haben uns beide das Höhenprofil von heute vorher nicht angeschaut und sind danach völlig überrascht von der über zehn Kilometer langen Abfahrt in schönen langgezogenen Serpentinen. Und während der Abfahrt hält sich auch der Verkehr gerade in Grenzen. Es ist herrlich, der Fahrtwind bläst uns um die Ohren, und wir können uns großenteils rollen lassen.

Und hatten wir vor der Abfahrt noch Felsen und karge Vegetation ringsum uns, so sind wir jetzt wie in einer anderen Welt: hier in der „neuen“ Höhe ist alles saftig grün, richtig saftiges Gras, Wälder, fast wie am Amazonas. Plötzlich hören wir auch wieder Grillen, Frösche und etliche Vögel. So ein schneller Wechsel mit einem langsamen Verkehrmittel, wie es ein Fahrrad ist, das ist schon der Wahnsinn!

Nach ca. 50 gefahrenen Kilometern erreichen wir die erste Shell-Tankstelle in Argentinien – wir haben uns in den letzten Tagen etwas gewundert, überhaupt keine Tankstellen an der Nationalstraße zu sehen – und wir halten noch einmal an, um uns ein Eis am Stiel zu gönnen. Und diese Pause wird dann leider sehr lang und ist der Grund, warum der Radfahrtag doch nicht so perfekt ist: schon zum zweiten Mal heute können wir nicht mit der Kreditkarte bezahlen, und jetzt findet Viktor im Mail-Postfach auch den Grund. Unsere gebührenfreie Haupt-Kreditkarte ist gesperrt worden. Viktor ruft die DKB-Hotline an und erfährt, dass es eine „Massensperrung“ gegeben hat und eine neue Karte an unsere Heimatadresse geschickt wird. Massensperrungen passieren ganz automatisch immer dann, wenn ein Händler ein Datenleck meldet, bei dem die Kreditkarten-Daten in falsche Hände geraten sein könnten. Wir müssen also irgendwo mal mit der Kreditkarte gezahlt haben, wo jetzt ein Datenleck entdeckt wurde.

Die neue Kreditkarte nutzt uns jedoch wenig, wenn sie nach Hohen Neuendorf geschickt wird. Um einen Versand nach Südamerika zu organisieren, verbringen wir fast 60 Minuten in Warteschleifen (und warten tausende „kurze Augenblicke“ bei wundervoller Warteschleifen-Musik), bevor wir gefrustet aufgeben. Es gibt zwar Notfallkarten, die per Kurier an Reisende geschickt werden, bei denen aber die kontaktlose NFC-Funktion und der Chip nicht aktiviert sind. Nur der Magnetstreifen funktioniert für Kartenzahlungen und eine Bargeldabhebung am Automaten ist ebenfalls nicht möglich. Ja super! Warum nicht gleich ausschließlich die alte „Ritsch-Ratsch-Technik“ nutzen?

Als wir Nachmittags im Hotel dann nochmals mit der DKB-Hotline telefonieren, entspannt sich die Situation zum Glück schon wieder deutlich. Denn die neue Karte landet zwar per Post in Hohen Neuendorf, oder aber auch in Hannover (per aktivem Nachsendeantrag – der Mitarbeiter kann uns partout nicht sagen, ob auf dem Briefumschlag „Nicht Nachsenden“ steht 🙁 ), aber in der DKB-App ist die Karte tatsächlich schon freigeschaltet und kann in ApplePay und GooglePay übernommen werden. Das heißt, wir können schon am gleichen Abend über diesen Umweg mit der neuen Karte bezahlen, obwohl wir sie noch gar nicht physisch in Händen halten. Nur überall da, wo der dreistellige CVC-Sicherheits-Code benötigt wird (z.B. im Profil bei Booking.com), da kommen wir nicht weiter und müssen eine andere Kreditkarte hinterlegen, bei der wir höhere Auslands-Gebühren zahlen müssen.

Die letzten Kilometer des Tages bleiben wir auf der Ruta 9 (RN9), obwohl Komoot die Planung auf diesem Teil nicht zugelassen hat. Die Straße ist ab hier in San Pablo de Reyes als Autobahn deklariert, wir sind aber nicht die einzigen Radfahrer, und sie ist sowohl zweispurig als auch mit einem (recht sauberem) Seitenstreifen ausgestattet. Ohne uns zu verfahren kommen wir ins Stadtzentrum von S.S. de Jujuy und finden um Punkt 14 Uhr unser Hotel.

Das Zimmer ist riesig (mit hohen Decken), und wir können das Tandem darin unterstellen.

Nach dem Duschen brechen wir recht schnell wieder auf: wir wollen das erste Mal Bargeld über Western Union (WU) besorgen und einen Fahrradladen finden, der eventuell unsere verbogenen Fahrrad-Teile wieder richten kann. Die Idee ist sogar, sie so zu „richten“, dass sie das Eiern aus der verbogenen Pedalkurbel korrigieren können.

Wir experimentieren seit ein paar Tagen (eigentlich nur als Option B) mit der Western Union App, da sie von vielen Bikepackern in Argentinien empfohlen wird, um halbwegs kostengünstig an Bargeld zu kommen. Die Geldautomaten kassieren hier ja 20% Gebühr (und mehr) und spucken nur kleinste Geldmengen aus. Bei Western Union überweist man einen Geldbetrag und erhält dafür innerhalb weniger Minuten einen Code, mit dem man das Geld an jeder WU-Stelle ausgezahlt bekommt. Allerdings muss dafür genug Bargeld in der WU-Stelle vorrätig sein, was in ländlichen Gebieten ein großes Problem sein kann, denn Teilsummen werden von WU nicht ausgezahlt. Die dritte oder vierte WU-Stelle in der Stadt sagt uns, wir könnten in einer Stunde wiederkommen, dann hätten sie genug Bargeld für uns zusammen. In der Zwischenzeit gehen wir Kaffee trinken und suchen einen Radladen auf. Dieser bietet keine Reparaturen an, gibt uns aber einen Tipp für eine Werkstatt – und einen Tipp, wie wir morgen am Besten über Radwege aus der Stadt herausfahren können. Wir gehen zwar noch zu der Werkstatt, und der Besitzer meint auch, er könne das Gewünschte machen, am Ende vertagen wir das Ganze dann aber auf eine andere Stadt, weil es inzwischen schon Abend wird.

Zurück in der WU-Stelle müssen wir feststellen, dass wir bei der Überweisung an Western Union einen entscheidenden Fehler gemacht haben. Wir haben den Haken bei „Sofortüberweisung“ nicht gesetzt. Nun wartet Western Union auf den Eingang des Geldes und wir können mit unserem Code nichts anfangen. Vermutlich dauert es jetzt bis Montag … und da werden wir wieder in eher ländlichen Gebieten unterwegs sein. Nun denn … da werden wir wohl weiter unsere Not-Dollar-Reserven auf dem Schwarzmarkt umtauschen müssen.

Nach etwas Zeit im Hotel brechen wir gegen acht zum Essen im Vegetarischen Restaurant auf, das um acht Uhr öffnen soll. Die Köchin kommt aber erst „so zwischen acht und halb neun“ – es wird am Ende kurz nach halb neun. Das Essen ist aber gut, und wir sitzen trotz abendlichem Regen draußen trocken unter einem Vordach und fühlen uns fast wie in Berlin im Sommer.

Samstag 30.11.24 – (128) – San Salvador de Jujuy – Salta

Gesamt: 7.920,01 km 1399m bergauf

Der abendliche Regen hat sich gestern zu einem Starkregen entwickelt, der die gesamte Nacht andauert. Auch morgens beim Aufstehen kommt es noch nass runter. Und das, wo wir heute knappe 100 km mit vielen Höhenmetern vor uns haben. Das kann ja heiter werden! Wird es auch – also das Wetter …

Um acht sitzen wir im Sattel – Jutta mit Regenhose und Schuh-Überziehern, Viktor ohne jegliche Regenkleidung. Der Regen hört kurz nach dem Losfahren komplett auf. Dank der Wegbescheibung des Herrn aus dem Fahrradladen gestern, fahren wir auf einem Radweg am Fluss entlang und von dort auf einem weiteren Radweg aus der Stadt heraus. Auf dem noch fehlenden Stück bis zur RN9 fahren kaum Autos, also können wir über den Stadtverkehr in San Salvador de Jujuy wirklich nicht klagen (höchstens über die Straßenqualität 😉 ). Geht also auch!

Am Ende des ersten Viertels der heutigen Etappe hat Jutta plötzlich folgendes Lied im Kopf: „Dort, wo die Wogen branden – schreiend die Möwe zieht, – singen aus fernen Landen – Wellen ihr rauschend Lie – ie – ie – ied. Ameland ……“. Da dieses Lied aus früheren Kinderferienlagern seit über 35 Jahren nicht mehr in ihrer Erinnerung war, muss das Unterbewusstsein diese flache, grüne Gegend mit schreienden Vögeln irgendwie mit Ameland assoziiert und dieses Lied ausgegraben haben. Schon lustig!

Nach 28 km sind wir in El Carmen und halten nach einer Pausenmöglichkeit Ausschau. Gegenüber von der Touristen-Information entdecken wir ein sehr nettes Café, dessen Besitzer uns noch einmal bestätigt, dass es im weiteren Verlauf der RN9 bis La Caldera (nach 45 km mit sehr viel Steigung) überhaupt nichts gibt zum Pausieren. Na toll!

Nach El Carmen beginnt erst eine gut zehn Kilometer lange Steigung mit kurzer anschließender Abfahrt und danach ein in Serpentinen aufwärts gehender Anstieg bis etwa km 60. Durch den Starkregen fließt sehr viel Wasser von den höheren in tiefere Lagen, auch quer über die Straße. Teilweise sind es reißende „Flüsse“, durch die wir mit dem Tandem fahren müssen. Wenigstens werden die Felgen dabei vom Salz aus dem Salar freigewaschen, und Viktor wäscht auch seine Schuhe an einer solchen Stelle.

Die RN9 ist viel schmaler und weniger befahren, als von uns erwartet. Busse und LKW dürfen sie nicht benutzen, und das macht sich ganz schön bemerkbar. Sie schlängelt sich durch sehr dichten, feuchten, grünen Wald, mit tiefhängenden Wolken oben drüber. Wir hören viel Vögel, Frösche und Kröten, Grillenzirpen und andere nicht identifizierbare Tiergeräusche. Es fühlt sich ein bisschen so an wie in Costa Rica oder am Amazonas, auch, wenn es hier kein tropischer Regenwald mehr sein kann.

Viele Auto- oder Motorradfahrer winken uns grüßend zu, und trotz der schmalen Straße werden wir nicht eng überholt. Und die Natur ist wieder einmal so schön, dass die Fahrt trotz der Länge und der vielen Steigungen wirklich Spass macht und gar nicht lange genug dauern kann. An der Grenze von der Provinz Jujuy zur Provinz Salta gibt es einen Picknick-Platz zum Pausieren. Dort breitet sich zwar gerade eine Familie aus, aber wir bleiben trotzdem stehen und machen die Pause am Straßenrand nahe einer Pfütze mit Kaulquappen.

Auf dem Weg nach La Caldera hält ein Autofahrer am Straßenrand und filmt uns. Wir halten an, unterhalten uns ein wenig mit Walter und bitten ihn, uns sein Video per WhatsApp zu schicken. Er rät uns zu einer Pause in La Caldera mit Besuch der Christo-Figur.

In La Caldera fahren wir über die Brücke in den Ort, da Walter erzählt hat, wie schön es dort sei und dass es auch ein Café gäbe. Wir folgen dem Wegweiser zu einem Café, irren aber eher durch den Ort, ohne etwas zu finden. Das gesuchte Café ist geschlossen, wir setzen uns an den Straßenrand vor einer Tienda und werden angesprochen: das Paar aus Pamplona, das wir vorgestern am Mirador in Purmamarca getroffen haben, hat uns heute schon mit dem Auto überholt (und gewunken) und ist jetzt ebenfalls gerade in La Caldera. Möglicherweise sehen wir uns heute Abend nochmal in Salta.

Von La Caldera geht es fast nur noch bergab, und dann fahren wir ziemlich lange durch die Stadt Salta – teilweise auf der Autobahn mit Fahrradverbot – bevor es ins Zentrum und in Richtung unseres Hotels geht. Wir legen uns für den Fall, dass wir von der Polizei angehalten werden, schon mal die Argumentation zurecht: „Wir sind kein Fahrrad, wir sind ein Motorrad.“
Viele Beobachter halten unsere Rohloff-Gangschaltung im Hinterrad für einen Motor – sie können einfach nicht glauben, dass wir ohne elektrische Unterstützung unterwegs sind – da soll uns die Polizei doch mal nachweisen, dass das kein Motor ist 😉 .

Bei der Einfahrt in die Stadt Salta stellen wir wieder fest, das die Straßen in den Ortschaften immer schlechter sind als die Verbindungssstraßen zwischen den Orten. Viktor formuliert daraufhin erstmals seine Gesetze zur Straßenqualität:

Makowski’sche Gesetze der Straßenqualität

  1. Gesetz der Straßenqualität

Unabhängig von Gesellschaftssystem und Staatsform haben Straßen innerorts grundsätzlich eine schlechtere Qualität als die Verbindungssstraßen zwischen den Orten.

  1. Gesetz der Straßenqualität

An den Übergängen von innerörtlichen Straßen zu Verbindungsstraßen an Ortsrändern ist die Qualität aufgrund von Zuständigkeitsunstimmigkeiten besonders schlecht.

Das Hotel Colonial liegt direkt am Platz des 9. Juli, ist 1943 eröffnet worden, und wir müssen für das Abstellen des Tandems im benachbarten Parkhaus knappe 16€ bezahlen (für zwei Nächte). Kostenfrei hätten wir es eine ziemlich steile Treppe hochtragen und dann woanders ein paar Stufen wieder runtertragen müssen, da nehmen wir dann doch den Parkplatz. Dummerweise sind die Steckdosen hier im Hotel wohl auch schon älter: es ist das erste Mal in Argentinien, dass unsere Stecker nicht passen, da es nur drei Schlitze sind. Da müssen wir wohl Adapter kaufen gehen.

Am Ende ist es ein rundum gelungener Radfahr-Tag, der Regen hat morgens pünktlich für uns aufgehört, wir haben 99 km mit über 1.300 Höhenmetern recht locker geschafft, die Strecke war einmalig schön und abwechslungsreich mit ein paar ungewöhnlichen Herausforderungen wie den Wasserfurten, wir hatten unterwegs ein paar nette Begegnungen. Radlerherz, was willst Du mehr?

Nach dem Duschen ist es schon fast halb sechs, und wir bringen erst einmal unsere Wäsche in eine Wäscherei. Auf dem Weg dorthin finden wir einen Radladen mit Werkstatt, der bereit ist, das verbogene Kettenblatt und die Schutzscheibe zu richten, also fährt Viktor im Anschluss mit dem Tandem dorthin, und sie bekommen es mit viel Feingefühl so hingebogen, dass vorne jetzt wieder das richtige (alte) Kettenblatt eingebaut ist.

Zum Abendessen gehen wir „nur“ in eine Pulperia hier am Platz (dort gibt es keinen Tintenfisch – überhaupt keinen Fisch – aber alles andere). Inzwischen sind die Wege und Straßen richtig voll, überall wollen Kinder etwas verkaufen, es wird Musik gespielt und Weihnachtseinkäufe werden getätigt.

Sonntag 1.12.24 – Salta

Wir haben einen Ruhetag in Salta und wollen gerne die Stadt mit einer Walking-Tour kennenlernen. Leider werden diese sonntags gar nicht angeboten – auch auf Anfrage nach einer „persönlichen“ klappt es nicht. Statt dessen versuchen wir es nach dem Frühstück auf eigene Faust mit Hilfe einer Tourbeschreibung auf einer Internet-Seite. Diese schickt uns von einem Museum zum nächsten. Das einzige, das wir uns anschauen wollen (das MAAM) öffnet erst um 11 Uhr, alle anderen laufen wir nur ab. Und wir wollen weder Souvenirs kaufen noch Empanadas essen – das sind ebenfalls Stationen bei dieser vorgeschlagenen Tour.

Bevor wir dann in das Museo de Arqueología de Alta Montaña gehen, machen wir im Van Gogh-Café eine Kaffeepause. Das Museum ist fokussiert auf den Fund von drei Kindermumien, die 1999 oben auf dem Vulkan Llullaillaco gefunden wurden. Es wird immer eines der drei Kinder in einer Kältekapsel gezeigt – heute ist es der Junge.

Dieses Museum ist wirklich faszinierend und vollständig auf das Thema der Opferungen in großer Höhe (so nahe wie möglich am Sonnengott Inti) durch die Inka fokussiert und auf die Konservierung der Mumien, die hier ausgestellt werden. Man kann sich natürlich mit Recht fragen, ob die öffentliche Zurschaustellung dieser menschlichen Überreste richtig ist, denn eine Zustimmung durch diese Individuen konnte ja nicht erfolgen, aber hier wird ganz offensichtlich mit einem gewissen Erfolg versucht, das mit dem größtmöglichen Respekt vor der Inka-Kultur und den jungen Opfern zu tun.

Empfehlung: Untertitel einschalten und Automatische Übersetzung in Deine Sprache wählen!

Weitere interessante Videos aus der Ausstellungfinden sich hier: https://www.youtube.com/@maammuseodearqueologiadeal1314

Anschließend gehen wir einen längeren Weg (in ziemlicher Hitze) zur Talstation der Seilbahn zum San Bernado. Ganz anders als in Medellin oder La Paz geht diese Seilbahn nicht über Wohngebiete oder zu Wohngebieten, sondern einen grünen Berg hoch. Oben ist eine gute Aussicht, ein künstlicher Wasserfall, ein Restaurant, ein Souvenir- und ein Weinladen und sogar Sportgeräte. Am Besten ist eigentlich, dass am Nachbarberg gerade drei Paraglider starten und sich wir Condore in der guten Thermik hochschrauben. Dann fahren wir mit der schon älteren Gondel Schweizer Bauart wieder nach unten.

Da wir in einer größeren Stadt sind, wollen wir jetzt versuchen, ein Eiscafé mit Banana-Split zu finden. Auf der Strecke zurück in die Innenstadt liegen einige Heladerias, aber keine bietet das Gewünschte an. Ein Eis der Sorte Banana-Split (Bananengeschmack mit Dulce de Leche) reicht uns nicht… Schon wieder an unserem Platz des 9. Juli angekommen probieren wir als Letztes das Lucciano’s Eiscafé, aber auch dort ist es unbekannt. Argentinien scheint diesen Klassiker nicht zu kennen – als erstes Land unserer Reise (obwohl wir glauben, es in Honduras gar nicht probiert zu haben). Sie portionieren hier das Eis nicht in Kugeln, sondern streichen es in Becher, wie seinerzeit Eis-Hennig in Berlin – auf so eines lassen wir uns heute von der Familie Rühle einladen. Vielen Dank dafür!

Leckeres Eis dank Familie Rühle!

Inzwischen ist es späterer Nachmittag, und wir setzen uns mit dem Laptop in den Salon des Hotels, denn: nachdem wir über unser WhatsApp-Gruppen und andere Kontakte zu Radreisenden (auch von Paul Bergmann bzw. Pedalen-Paul, s.o.) mehrfach den Tipp erhalten haben, dass es auf der Ruta 40 landschaftlich viel schöner ist und man sich Cafayate keinesfalls entgehen lassen sollte, planen wir die Route bis Mendoza nochmal um. So sollten wir außerdem mit weniger Verkehr zu kämpfen haben und die Strecke ist sogar ein Stückchen kürzer. Allerdings könnte es bedeuten, dass wir ab und zu mal im Zelt übernachten müssen.

Abends gehen wir in die Balcarce Straße in der Gegend des Alten Bahnhofs, wo es viele Peñas gibt. Wir schauen uns noch den heutigen Bahnhof von Salta an, an dem Werbung für den Tren de las Nubes steht, an dem aber expliziet nur Arbeiter und Studierende in den Zug steigen dürfen… Dann gehen wir im 802 sehr gut Abendessen – Viktor bestellt ein 400g Stück Rind!

Woche 34 (18.11.24 – 24.11.24) Cusco – Salar de Uyuni

Montag 18.11.24 – Machu Picchu (Zug – Bus)

Der Wecker klingelt um 4:10 Uhr, denn heute geht es um 5:00 zu unserem letzten großen Ausflug von Cusco nach Machu Picchu. Um 4:55 geben wir an der Rezeption nochmal einen Wäschesack ab und stehen pünktlich vor der Türe des Hotels. Trotzdem muss Viktor erstmal mehrere WhatsApps von der Agentur, dem Fahrer und dem heutigen Fremdenführer beantworten. Alle bitten darum, dass wir unsere „Ubicación” (Standort) schicken, weil der Fahrer uns nicht finden kann. Als er uns dann endlich findet, fährt er uns einen knappen Kilometer zum nahegelegenen Bahnhof Wanchaq. Na toll … das hätten wir schneller zu Fuß geschafft (es ist ber immer noch drei nach sechs, als wir ins Auto steigen – also kein langwieriges Drama!).

Am Bahnhof warten wir in einem Warteraum mit Livemusik (Saxophon) und Teestation bis 5:45 Uhr.

Dann werden die individuellen Tickets und Reisepässe kontrolliert und wir steigen am BAHNhof in einen …. BUS. Der fährt uns durch die Stadt Cusco in die Berge hinauf zum Bahnhof Poroy, an dem die Bahnlinie Richtung Machu Picchu beginnt. Dort wird um 6:10 wieder mit der Ticketkontrolle und Sortierung nach Waggons begonnen und wir warten weiter. Um 6:40 sitzen wir im hintersten Waggon G des PeruRail-Zuges, der nach Machu Picchu HINABfährt. Richtig gelesen! Viktor war vorher gar nicht bewusst, dass Machu Picchu tiefer liegt als die Stadt Cusco und bereits tropisches Bergklima besitzt. Hier regnet es viel mehr, es ist wärmer und man befindet sich bereits am Rand des Amazonas-Regenwaldes in der Region der Nebel-Bergwälder. Aus diesem Grund werden die Touristen von zahlreichen Mücken attackiert. Unser mitgebrachtes Repellent hilft auch einem anderen, dessen Beine schon ganz zerstochen sind. Hier herrscht ideales Klima für den Anbau von Coca (in Peru in kleinen Mengen erlaubt), aber auch Kartoffeln (auf den oberen Terrassen) und Mais (untere Terassen).

Die 92 km lange Zugfahrt dauert gute 3,5 Stunden und führt durch das Tal (und die Schlucht) des Urubamba, einem Zufluss des Amazonas (mündet nach 750 km in den Ucayali und danach in den Amazonas). Der Zug hat oben zusätzliche Panoramafenster, so dass wir auch in der Schlucht die Hänge und Steilwände hinaufschauen können. Es gibt atemberaubende Aussichten zu bewundern, und immer wieder gibt es Ansagen auf Spanisch und Englisch. So z.B. an der „Zig-Zag-Zone“, wo der Zug zweimal seine Fahrtrichtung ändern muss, um auf kurzer Strecke ein steiles Gefälle überwinden zu können.

Auf der anderen Seite des Ganges sitzt ein Familie mit einem circa 3-4-jährigen Jungen, die schon seit 14 Monaten in einem Volkswagen T4 (Allrad) durch die Amerikas unterwegs sind. Sie arbeiten zwischendurch immer wieder und wollen knapp zwei Jahre unterwegs sein.

Gegen Ende der Fahrt sehen wir an einer Steilwand ziemlich weit oben vier eigenartige Bauten. Die Zugbegleiterin in unserem Waggon erklärt uns, dass das „hängende Hotels“ sind, die man sich erwandern und über Metall-Leitern erklettern muss. Eine Nacht kostet ca. 1.000 Euro.

Um 10:30 Uhr kommen wir schließlich in Aguas Calientes (Machu Picchu Pueblo) an, und die Passagiere des Zuges ergießen sich an den Warteräumen und Toiletten vorbei auf den Vorplatz, der ein riesiger Souvenir-Markt zu sein scheint. Wir werden bereits von einer Fremdenführerin erwartet, die uns über das weitere Prozedere informiert und uns erklärt, dass es auf jeden Fall am Nachmittag in Machu Picchu regnen wird, weil auf dem von hier entgegengesetzten Berg Wolken hängen und das immer so sei.

Wir haben dann eine knappe Stunde Zeit (Stärkung im Peru Café), bis wir uns in eine Schlange stellen müssen für den Bus hinauf zur eigentlichen Besichtigung der Ruinen. Dort verharren wir in praller Sonne eine ganze Stunde, nur unterbrochen durch zwei Ticketkontrollen ;-), bis die ganze Schlange die Straße etwas weiter gehen darf, um dort etappenweise auf Busse verteilt zu werden. Dieses ganze Prozedere mutet wirklich wie Massentourismus an, aber wir wollen Machu Picchu ja auch unbedingt sehen… .

Nach ca. 25 Minuten Serpentinenfahrt nach oben (nur drei km) haben wir das Ziel erreicht und werden dort schon von Christian erwartet, der uns über die Anlage führen wird. Laut unserem Ticket haben wir „nur“ Zugang zum Rundgang 3, der nicht hoch zum Panorama geht. Das ist für einen von uns perfekt, aber wir dachten bislang, dass Jutta wohl nach ganz oben gehen dürfte. Christian zeigt und erklärt uns zwei Stunden lang viel und bietet immer wieder an, uns zu fotografieren, eigentlich zwingt er uns sogar regelrecht, und so haben wir heute einmal viele Bilder mit uns beiden.

Unter anderem erklärt uns Christian, dass Teile der Anlage, die früher noch betreten werden konnten, heute nicht mehr zugänglich sind, weil die vielen Touristen die Stufen und Mauern abgenutzt oder beschädgt haben. So ist eine Pyramide, die früher noch besteigen werden konnte, aufgrund neu entstandener Risse heute nicht mehr begehbar. Dies werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vermutlich so weitergehen, so dass wir heute vielleicht noch etwas besichtigen könnten, was in ein paar Jahren nicht mehr zu besichtigen sein wird.

Wir sehen auf einer großen Fläche ein grünes Zelt stehen und Viktor fragt, ob dort weitere Ausgrabungen stattfinden. Tatsächlich wir dort ein eine Art Obelisk untersucht, der 1978 noch aufrecht stand und für den Besuch des spanischen Königs Juan Carlos auf Befehl des damaligen Bolivianischen Präsidenten umgelegt wurde, damit der Hubschrauber des Königs dort landen konnte. Der Obelisk soll wieder aufgerichtet werden, hat aber wohl neue Risse, die zunächst untersucht werden müssen, damit er beim Wiederaufrichten nicht komplett auseinanderfällt.

Nach der Führung können wir noch selbstständig etwas bleiben und auch die anderen Besucherrouten auf dem Gelände nutzen, bevor wir mit dem Bus wieder nach Aguas Calientes fahren. Der erwartete Regen bleibt glücklicherweise aus! Im Dorf gehen wir zunächst etwas trinken. Viktors anvisiertes 7 Vidas -Oxapampa honey ale hat das Restaurant leider nicht gekühlt, als Entschädigung bekommt er dann einen kleinen Pisco Sour zum alternativ ausgesuchten Coca-Bier. Anschließend gehen wir im Green House ein spätes vegetarisches Mittag/frühes Abendessen mit viel Quinoa für beide essen und müssen dann wieder zum Bahnhof.

Auf der Rückfahrt fährt unser Zug (wie auch alle Züge) nur zwei Stunden bis Ollantaytambo, wo diejenigen, die nicht in dieser ebenfalls touristischen Stadt bleiben wollen, von Perurail mit Bussen zurück nach Cusco gefahren werden. Wir spekulieren, dass die vollen Züge es nicht aufwärts nach Cusco schaffen oder dass abends so viele Touristen weggeschafft werden müssen, dass die Züge schneller wieder am Bahnhof von Machu Picchu sein müssen. Jedenfalls sitzen wir dann noch zweieinviertel Stunden im Bus, bevor dann um viertel vor elf abends mehrere Busse am BAHNHOF Wanchaq ankommen. Am Ausgang warten zahlreiche Taxifahrer, die dieses Vorgehen zu kennen scheinen, aber wir laufen den kurzen Weg zum Hotel lieber zurück, wo wir aber müde ins Bett fallen.

Dienstag 19.11.24 – Cusco

Viktor schläft heute mal ein wenig länger, wenn auch nicht so richtig gut. Der Vogel, den Viktor heute morgen mit der neuen App bestimmten wollte und der uns die ganzen Tage in Cusco morgens vor Sonnenaufgang bereits mit seinem Geträller beglückt hat, schweigt heute morgen natürlich beharrlich. Dafür hupt irgendwann frühmorgens wieder mal ein Auto direkt vor dem Hotel, wahrscheinlich eine Touristen-Abholung, kurz nach dem Hupen hören wir auch die Türklingel des Hotels. So ist das nun mal in den Hotels hier … man hört eigentlich fast alles mit, was im Haus so geschieht. Jutta nutzt die frühe Stunde zum Blog-Schreiben des gestrigen Tages, weil wir das abends nicht mehr geschafft haben.

Heute wollen wir nur noch ein paar Museen besuchen, Dollar am Geldautomaten abheben (denn Bolivien und Argentinien sind dafür bekannt, dass man am Geldautomaten nur wenig oder gar kein Bargeld bekommt), unsere Haare mal wieder schneiden lassen und nochmal Multivitamine nachkaufen, die wir uns täglich selbst verabreichen.

Auf dem Weg zum Geldautomaten gehen wir ganz spontan noch in einem Kunsthandwerksmarkt einige Peru-Souvenirs kaufen, mit denen wir sofort zur Post gehen und sie nach Hohen Neuendorf schicken. In einer Wechselstube sagt man uns, dass die Bolivianische Währung dort gar nicht so gern gesehen wird – eher Peruanische Soles oder noch besser US-Dollar. Wir sehen daher erst einmal von einem Umtausch ab, auch, wenn wir übermorgen gleich nach der Ankunft des Busses in Copacabana Geld benötigen werden.

Jetzt soll es aber zum Piura-Geldautomaten gehen! Dort zieht Viktor leider nur mit der einen Karte Dollar, wie sich später herausstellen wird. Anschließend halten wir an einem Friseur, wo wir beide gleichzeitig bedient werden und entsprechend schnell (und günstig) wieder entlasssen werden.

Von dort gehen wir in das Museum für regionale Geschichte, das in unserem Touristenticket enthalten und für uns ohne längere Taxifahrt erreichbar ist. Das Gebäude ist recht schön, und die regionale Geschichte ist natürlich wieder stark Inka-geprägt. Der Rundgang ist ganz interessant und bringt tatsächlich noch neue Informationen.

Als wir dort durch sind, gehen wir zum Tap-Room der Brauerei 7 Vidas, damit Viktor heute am letzten Tag vielleicht doch noch ein gekühltes Honig-Ale trinken kann. Mittag ist schon vorbei, und wir teilen uns dort noch eine Portion Patatas Bravas. Das Honig-Ale ist zwar keine Enttäuschung, aber es schmeckt mehr oder weniger wie ein ganz normales Ale, eine Honig-Note ist auch beim besten Hobby-Imker-Willen von Viktor nicht herauszuschmecken.

Am Geldautomaten der Scotiabank macht Viktor dann erstmals eine jener Erfahrungen, vor denen es einem Reisenden immer graut, vor allem wenn man länger unterwegs ist. Die Kreditkarte wird vom Geldautomaten nicht mehr rausgerückt, nachdem Viktor den Vorgang abbricht, weil ihm die Gebühren für maximal 160$ Bargeld zu hoch sind. Den Abbruch nimmt der Automat offenbar übel und behält die Kreditkarte ein. Ein Vorsprechen bei der Filialleiterin in der Bank bringt gar nichts. Sie hat keinen Zugang zum Automaten. Verschluckte Karten werden automatisch gesperrt, in einer kleinen Schublade im Automaten aufbewahrt und bei der nächsten wöchentlichen Auffüllung dann zerstört. Zum Glück war es nicht unsere Hauptkreditkarte, mit der wir bislang fast alles zahlen konnten. Aber ärgerlich ist es trotzdem. Und so ganz sicher sind wir uns auch nicht, ob wir die Karte jetzt nicht lieber selbst sperren sollten, denn sie ist auch bei ApplePay und GooglePay hinterlegt, so dass wir sie eigentlich noch so lange verwenden können, bis sie von der Scotiabank gesperrt wird. Aber können wir darauf vertrauen, dass sie nicht doch noch in falsche Hände gerät?

Nach dieser Aktion haben wir noch ca. eine Stunde im Inkamuseum, bevor es schließt. Hier müssen wir zwar extra zahlen, aber es wurde uns von vielen anderen empfohlen.

Von halb fünf bis sechs ruhen wir uns im Hotel aus und packen alles für die Busfahrt heute Nacht. Dann gehen wir ein letztes Mal ins Peru-Café für ein leichtes Abendessen mit Sandwiches. Jutta bestellt einen Pfefferminztee, bekommt aber beim ersten Versuch Anis. Den darf sie behalten, bekommt im zweiten Anlauf dann die Minze.

Um kurz nach acht verlassen wir das Hotel nach inniger Verabschiedung von der Betreiberin, die selber auch noch Fotos von uns dreien macht. Den kurzen Weg zum Peru-Hop-Terminal schieben wir, und obwohl wir so früh sind, sitzen schon mehrere andere dort und warten. Unser Bus nach Puno, der um 21.30 Uhr fahren soll, wird erst verspätet hier eintreffen, sagt man uns, also können wir dieses hier noch wartend schreiben. Und dann verlangt man plötzlich von uns, dass das Tandem in einen Karton verpackt wird. Das hatten wir bislang nur im Flieger, und Peru-Hop hatte uns zugesichert, dass es ohne gehen wird (auf den letzten Fahrten war es auch so).

Am Ende können wir das Tandem aber so wie es ist im Laderaum unterbringen und die Nachtfahrt nach Puno kann beginnen. Wir sitzen im Doppelstockbus ganz vorne rechts und haben einen guten Blick auf die Straße. Viktor schafft es tatsächlich zwischendurch ein paar Stunden zu schlafen, Jutta eher nicht. Es ist kalt, holperig, ungemütlich und laut, wie soll man da schlafen?

Mittwoch 20.11.24 – Puno (Busfahrt und Full-Day-Tour Titicaca-See)

Während gefühlt alle anderen im Bus außer dem Fahrer schlafen, hat Jutta aufgrund des Fahrtziels stundenlang die Fuge aus der Geographie im Kopf, allerdings nur bis „Mexiko, Mexiko, Mexiko“. So vergeht zwar die Zeit, aber nicht die Müdigkeit. Das wird also ein langer, langer Tag…

Wir kommen um fünf Uhr morgens in Puno an und steigen am Stadion aus. Die meisten Fahrgäste werden nun mit ihrem Gepäck per Van zu einem von zwei Frühstückslokalen gebracht. Da wir eine Nacht in Puno bleiben werden, müssen wir zum Lucky Your House Hostel, wo auch unser Tandem und das Gepäck gelagert werden soll, während wir eine Ganztagestour auf dem Titicacasee mitmachen. Da das Tandem nicht in den Van passt schieben wir die 600 Meter bis zum Hostel und packen alles Gepäck in den Gepäckraum. Das Tandem verbringt den Tag im Frühstücksraum, nachdem alle Tagestourteilnehmer dort gefrühstückt haben.

Um 7 Uhr holt uns ein Van ab und fährt uns den knappen Kilometer zum Hafen von Puno. Wir fragen uns immer wieder, warum diese kurzen Strecken alle mit Shuttle-Vans absolviert werden. Nun gut … als wir abends bei strömenden Regen von der Tagestour zurückkehren, sind wir ziemlich dankbar dafür.

Der erste Stopp der Tagestour ist auf einer der schwimmenden Uros-Inseln. Diese sind aus Schilf gebaut, und aus diesem werden auch die Häuser und die Boote gebaut. Der weiße, untere Teil des Schilfs wird auch als Banane (allerdings geschmacklos) gegessen und zum Zähneputzen benutzt (enthält viel Calcium). Auf der von uns besuchten Insel leben sechs Familien – 25 Menschen. Wenn sie sich zerstreiten, wird die Insel einfach mit eine Machete geteilt, wird uns erzählt. Der immer für ein Jahr bestimmte Präsident begrüßt uns und erklärt uns den Bau und Erhalt der Inseln. Seine Frau zeigt uns das Innere ihres Hauses. Die Frauen handarbeiten sehr viel und verdienen sich durch den Verkauf an Touristen etwas Geld. Da wir kein zusätzliches Gewicht kaufen wollen, machen wir dann wenigstens noch die Bootsfahrt im Schilfboot mit, die zum wachsenden Schilf führt, in dem auch die Latrinen für die Inselbewohner sind, d.h. wenn sie mal „müssen“, müssen sie erst mit dem Boot ins Schilf fahren.

Nach einer weiteren Bootsfahrt landen wir an der Amantani-Island an. Dort haben wir die Wahl, eine Einstundenwanderung zu machen oder aber nach zehn Minuten mit dem Boot zum anderen Hafen zu fahren und dort z.B. zu meditieren, baden o.ä.. Wir machen die längere Wanderung. Zunächst geht es ziemlich bergauf, und auf diesem Teil sind manche schneller als andere. Wir sind mit zwei jungen Reisenden die Vorhut. Als wir an einem Platz ankommen und eine Tienda entdecken, halten wir zwei dort (glücklicherweise) an, die beiden anderen gehen weiter (leider den falschen Weg). Die Nachhut mit dem Guide Angel , der lieber mit den Langsamen läuft, um niemanden zu verlieren (einmal ist ihm jemand bewusstlos geworden und er hat das vorne nicht mitbekommen), kommt etwas später an, und erst jetzt erklärt Angel des weiteren Weg – es geht eigentlich sofort wieder abwärts. Unten am Boot fehlen dann Iris aus Spanien und Bert aus Belgien. Wir warten eine halbe Stunde, aber dann fahren wir ohne die zwei weiter. Angel telefoniert wie wild, sofern er Netz hat (denn mitten auf dem See geht da gar nichts), um zu organisieren, dass die beiden von der Insel wegkommen.

Infos Comunidad de Llachón

Die ländliche Quechua-Gemeinde Llachón liegt 74 km nordöstlich von Puno an der Spitze der Halbinsel Capachica am Ufer des Titicacasees. Die Bewohner der etwa 3.820 Meter hoch liegenden Siedlung haben die von den Vorfahren überlieferten Bräuche und Gewohnheiten (u.a. Kleidung, Tänze, Zeremonien, rituelle Handlungen) bis in die heutige Zeit bewahrt. Hauptverdienstquellen der Indigenas sind Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei und Kunsthandwerk sowie seit der Jahrhundertwende der Ökotourismus. Etwa 1.500 Meter nördlich von Llachón findet man archäologische Fundstätten, u.a. eine große Zitadelle der Tiwanaku-Zivilisation mit einer etwa 10 Hektar großen Nekropole.

Wir fahren zur LLachon-Halbinsel, wo wir ein spätes Mittagessen bekommen (Forelle oder Gemüseomelette mit Anistee), bevor wir fast drei Stunden wieder zurück nach Puno fahren. Heute morgen war der See noch sehr ruhig, jetzt ist es ziemlich windig und dementsprechend wellig, und wir kommen nur immer wieder kreuzend und ziemlich langsam voran. Schon während der Fahrt beginnt es zu regnen, als wir dann im Dunkeln zurück in Puno sind, schüttet es regelrecht.

Ein Van fährt uns zum Lucky Your House, wir verabschieden uns von den anderen aus der Gruppe und schieben das Tandem mit dem Gepäck zu unserem Hotel Maya Inn, nur ein paar Querstraßen weiter. Dort dürfen wir das Tandem in einen kleinen Saal hinten im Hotel stellen. Nachdem wir das Zimmer bezogen haben, gehen wir – nass, wie wir sind – auf die Suche nach einer Abendessensmöglichkeit. Auf der Simon Bolivar Straße gibt es eine Polleria neben der anderen, aber danach steht uns nicht so der Sinn. Schließlich finden wir eine Chifa, wo wir sehr günstig Riesenportionen bekommen, von denen wir die Hälfte liegenlassen müssen. Auf dem Rückweg zum Hotel – der Regen hat sich beruhigt – erstehen wir noch Wasser und ein paar Snacks für den morgigen Tag und gehen dann bald schlafen.

Donnerstag 21.11.24 – Puno – La Paz über Copacabana (Bus)

Schon vor dem Aufstehen um halb sechs hört man von der Straße (und es ist eine schmale Nebenstraße) recht viele Stimmen. Als wir dann die Vorhänge öffnen, klärt sich das auf: die ganze Straße ist übersäht mit Schuhhändlern, die auf einer blauen Plastikfolie immer nur einzelne Schuhe in der Auslage und den zweiten in großen Säcken hinter sich haben. Dieser Schuhmarkt geht sogar noch um die Straßenencke weiter, wie wir später sehen.

Straßen-Schuhmarkt vor dem Hotel

Nach dem Frühstück schieben wir zu ca. 7:15 Uhr das Tandem zum mit Peru Hop verabredeten Parkplatz, wo wir um acht aufbrechen sollen nach La Paz. Drei Personen bestätigen uns, dass hier der Bus hält, aber als um acht immer noch nichts in Sicht ist, werden wir etwas nervös.

Viktor ruft Peru Hop an und muss eine Viertelstunde in der Leitung bleiben – das kostet wahrscheinlich mehr als das ganze Busticket (denn für Telefonate haben wir keine nationale SIM-Karte, nur eine eSIM für Daten). Deshalb telefonieren wir eigentlich immer über WhatsApp und nur in einem Notfall wie heute direkt über Mobilfunk.
Und natürlich ist wieder etwas schief gegangen und wir wurden nicht rechtzeitig informiert (trotz eMail und WhatsApp Kontaktdaten). Der Nachtbus aus Cusco hatte wohl eine Panne, und der eingesetzte Ersatzbus fährt heute zwei Blöcke entfernt ab (am Stadion, wo wir gestern auch angekommen sind). Eigentlich kein Thema, wenn wir es gewusst hätten. Aber mit dem kleinstmöglich zusammengeschobenen Tandem und den losen Gepäcktaschen können wir nicht dorthin laufen, da wir das Tandem so nicht mehr schieben oder lenken können. Die 15 – 20 Minuten, die wir benötigen, um alles wieder fahrfähig zu machen, wollen die Leute von PeruHop auch nicht mehr warten, denn sie sind ja schon zu spät dran. Also müssen wir von einem Van abgeholt und zum Bus gebracht werden, und das Tandem kommt irgendwie in den Mittelgang. Natürlich sind wir jetzt die letzten im Bus, finden aber noch zwei Plätze nebeneinander und um halb neun fährt der Bus Richtung Bolivianische Grenze.

Dieser Ersatzbus darf nicht nach Bolivien fahren, denn die notwendigen Papiere (vermutlich Zollpapiere) fehlen. Also gehen an der Peruanischen Migration zunächst alle Passagiere „gepäcklos“ den Ausreisestempel holen, wir richten das Tandem so her, dass es geschoben werden kann, alle gehen zu Fuß über die Grenze, wo der Bolivia Hop Bus wartet, wir machen das Tandem wieder klein, es wird hinten quer hinter die Heckklappe gestellt (und passt glücklicherweise hinein), und dann gehen wir als letzte zur Bolivianischen Migration. Dort wird kein Wort gesprochen, wir bekommen einfach den Einreisestempel – leichter geht es kaum. Im Bus sind dann nur noch Plätze in der letzten Reihe frei, aber die Fahrt nach Copacabana dauert nur etwa 20 Minuten.

Im Hotel Gloria müssen alle Fahrgäste, die später nach La Paz weiterreisen (also auch wir), ihr Gepäck zwischenlagern, weil der Bus zwischendurch andere Fahrgäste zur Peruanischen Grenze bringen wird. Wir dürfen unser Tandem und das Gepäck als Einzige im Bus lassen. Jetzt haben wir 50 Minuten Zeit, im Taipi Uta Café die aus dem Bus vorbestellten Sandwiches zu essen, bevor es auf die Bootstour zur Isla del Sol geht.

Ganz gemächlich fahren wir bei Regen eine Stunde mit dem Boot, wo wir uns mit zwei in Australien lebenden Pärchen unterhalten (eines aus Brisbane).
Auf der Isla del Sol soll der Legende nach der erste Inka-König „Manqu Qhapaq“ als Sohn der Sonne (Sonnengott) geschaffen worden sein. Mit seiner ebenfalls dort geschaffenen Frau „Mama Ocllo“ soll er später die Stadt Cusco dort gegründet haben, wo das goldene Zepter des Sonnengottes im fruchtbaren Boden stecken blieb. Diese Insel im Titicaca-See ist also der Geburtsort der Inka-Kultur.
Wir zahlen zehn Bolivianos Eintritt und machen dann eine kleine Wanderung incl. Besichtigung des Sonnentempels/Pinkokaina. Oben am Aussichtspunkt trinken wir etwas, laufen dann zu einem anderen Anleger nach unten zurück. Auf der Insel leben etwa 3000 Menschen, der Hauptort sieht wirklich nett aus. Die Wege und Naturtreppen laden zu keiner Fortbewegung mit irgend etwas ein, das Räder oder Reifen hat, hier muss alles zu Fuß oder auch mit Eseln gemacht werden. Der Regen hat auf der Insel schnell aufgehört, wie von Viktor aufgrund des Inselnamens schon prophezeit.

Nach einstündiger Bootsfahrt sind wir zurück in Copacabana. Alle laufen wieder zum Hotel Gloria, und bald kommt der Bus. Da unser Gepäck ja noch im Bus ist, können wir dieses Mal früher einsteigen und bekommen Plätze weiter vorne. Pünktlich um 18 Uhr – wobei in Bolivien die Uhr eine Stunde vorgestellt werden musste – verlassen wir Copacabana schon wieder.

auf dem Weg vom Hafen zum Hotel

Der Weg nach La Paz geht über eine Wasserstraße: der Bus wird auf einer nicht sehr vertrauenswürdig aussehenden „Fähre“ über die Straße von Tiquina gefahren, wir Menschen auf ziemlich kleinen Motorbooten (ohne Schwimmwesten). Viktor ist der letzte auf einem davon, Jutta kommt auf das nächste. Wir verabschieden uns am Steg schon einmal voneinander und vom Tandem, aber es geht alles gut.

Manchmal muss man hier anscheinend länger auf die Überfahrt warten, heute abend ist nicht viel los. Trotzdem dauert dieser Spass eine Stunde. Am anderen Ufer wird gerade ein Mann vom Fernsehsender Uno interviewt – es geht um den Bau einer Brücke an dieser Stelle.

Es sind ab San Pablo de Tiquina noch ca. zwei Stunden Fahrt bis La Paz. Dort werden wir direkt vor unserem Hotel herausgelassen und haben sogar Hilfe mit dem Gepäck von einem Hotelpagen.

Freitag 22.11.24 – La Paz

Für heute mussten wir uns ausnahmsweise mal keinen Wecker stellen und wir schlafen bis gegen 7 Uhr bzw. bleiben zumindest so lange liegen. Der Geräuschpegel in unserer Seitenstraße ist heute morgen vergleichsweise erträglich, vermutlich auch, weil es hier das erste Mal seit unserem Abflug in Deutschland doppelt verglaste Schallschutzfenster gibt.

Nach dem Frühstück am recht gut bestückten Frühstücksbüffet (inklusive knusprigem Müsli) aktualisieren wir noch ein paar Blogeinträge der letzten paar Tage (gerne nochmal nachschauen 😉 ) und machen uns dann auf den Weg zum nahegelegenen Büro von BoliviaHop/PeruHop. Das Touri-Busticket von Lima bis La Paz haben wir ja nun „abgefahren“, aber sie bieten auch Hilfe für die Weiterfahrt nach Uyuni an. Deshalb wollen wir zunächst mal schauen, was die uns anbieten können, bevor wir wieder auf „gut Glück“ zum Busbahnhof fahren und darauf hoffen, dass irgendein Busunternehmen uns mit unserem Tandem schon mitnehmen wird.

Tatsächlich sitzt in dem Büro in La Paz auch eine Mitarbeiterin, die sich in den vergangenen Tagen schon häufiger mit uns beschäftigen musste, weil unser Tandem ja eine echte Herausforderung war. Sie habe sogar mehrmals mit einem der Firmengründer an unserem „Fall“ gesessen. Sie hofft daher auf eine gute Bewertung bei TripAdvisor und Google, was wir ihr auch zusagen können, denn PeruHop/BoliviaHop hat uns mit ein paar kleinen Adrenalinschüben insgesamt ja sehr gut nach La Paz gebracht und alle Versprechen eingehalten. Wir fragen sie daher auch, ob wir in den Radler-WhatsApp-Gruppen und hier im Blog eine Empfehlung für andere Reisende mit Fahrrad oder sogar Tandem aussprechen sollen. Wir möchten das nur tun, wenn sie auch weiter bereit sind, solche Problemfälle wie uns zu transportieren. Letzteres will sie erst mit dem Chef besprechen, bevor sie uns eine Antwort gibt.

Für die nächtliche Busfahrt nach Uyuni machen sie uns ein gutes Angebot. Morgen Abend um 21:00 Uhr vom Busbahnhof La Paz mit kostenloser Mitnahme des Tandems sowie Abendessen und Frühstück an Bord. Etwas teurer als bei den klassischen Busunternehmen aber dafür mit weniger Adrenalin … hoffentlich. Außerdem können wir in Uyuni den Großteil unseres Gepäcks für einen Tag beim Busunternehmen direkt am Busbahnhof einlagern und den Salzsee „Salar de Uyuni“ dann mit leichtem Gepäck befahren. Also schlagen wir sofort zu und buchen über Booking.com auch gleich ein Hotel im Salzsee, wo wir einen Sonnenuntergang und einen nächtlichen Sternenhimmel erleben wollen.

Für 10 Uhr haben wir uns für eine Walking Tour angemeldet, die am Platz „Plaza Sucre“ (offiziell) oder „San Pedro Plaza“ (inoffiziell von der Bevölkerung so genannt) startet. Unsere Fremdenführerin Amara beginnt mit einer längeren Einführung zum Platz und insbesondere zu dem am Platz gelegenen Gefängnis San Pedro, in dem es eine Art Selbstverwaltung gibt. Die Insassen zahlen Miete, haben Jobs, leben zum Teil mit ihrer ganzen Familie dort und der ganze Straßenblock ist quasi ein rechtsfreier Raum, in dem die Insassen ihr eigenes Rechtssystem aufgebaut haben. Der Australische Journalist und Schriftsteller Rusty Joung hat aus eigenem Antrieb – nicht verurteilt – eine Zeit lang dort gelebt und darüber ein Buch geschrieben.

Die Walking Tour führt uns dann weiter über den wichtigsten Markt der Stadt, den San Pedro – oder Rodriguez-Market. Die dort arbeitenden Marktfrauen sind viel mehr als Verkäuferinnen. Man sucht sich eine vertrauenswürdige „Casera“ aus, deren loyaler Kunde man wird. Sie gibt einem dann nicht nur immer die beste Ware und noch kleine Zugaben, sondern nimmt an deinem Leben teil, will alles erfahren, gibt psychologische Ratschläge etc.. Weil die Menschen hier alles bekommen, gibt es in der Stadt kaum einen Supermarkt, die werden nicht benötigt.Von dort geht es zum und über den „Mercado de las Brujas“ (Witch market, Hexenmarkt). 65% der Bevölkerung Boliviens bringen mindestens einmal jährlich ein Opfer an Pachamama, die „Mutter Erde“, dar. Diese Opfergabe wird Challa genannt. Dazu suchen sie eine Chiflera auf, die ihnen genau sagt, welches Opfer angemessen ist, um einen bestimmten Wunsch zu erfüllen. Je nach Größe des Wunsches muss das Opfer entsprechend groß sein. Bei kleinen Wünschen reicht ein mumifizierter Lama-Fötus, bei großen Wünschen ein mumifiziertes Lama und bei sehr großen Wünschen gibt es auch heute noch – einer urbanen Legende folgend – Menschenopfer. In den Fundamenten von Großbaustellen sollen bereits einige Obdachlose verschwunden sein. Auch dazu gibt es überraschenderweise eine Buchempfehlung von Amara: „Borracho estaba pero me acuerdo“ (Ich war betrunken aber erinnere mich) von Victor Hugo Viscarra, der einen solchen Opferungs-Versuch überlebt haben soll.

Die Tour endet nach einem Halt vor der San Franciscus Kathedrale und Erklärungen zur typisch lateinamerikanischen „mixed baroque“ Fassade schließlich an der Plaza de las Armas (Murillo Square), wo wir etwas lange Ausführungen zur politischen Lage der letzten 20 Jahre hören, in denen Ex-Präsident Evo Morales eine Hauptrolle spielt. Wir lernen die bunt-karierte Multi-Kulti-Fahne kennen, die er gegen Ende seiner Amtszeit noch einführte, um den „plurinationalen Staat Bolivien“ zu repräsentieren.

Nach einem weiteren Besuch im PeruHop/BoliviaHop-Büro, wo wir die Buchung für die Fahrt nach Uyuni klarmachen, gehen wir noch an einen Geldautomaten, um uns mit etwas Bargeld einzudecken. Im Cafe del Mundo nehmen wir dann völlig ungeplant unsere heutige Hauptmahlzeit ein, denn die Portion Churros mit (unechter) Nutella und die Brownie-Bombe sind riesig. Und das Ganze auf „Ko-Fi“-Einladung von Uwe und Sabine, bei denen wir uns ganz herzlich für die Spende über den „Buy us an Icecream“-Button auf dieser Seite bedanken.

Herzlichen Dank an Uwe und Sabine von Glorypedalling

Die dünne Luft hier in 3.650 Metern Höhe macht uns erstaunlicherweise doch zu schaffen. Wir haben zwar keine Kopfschmerzen oder Übelkeit, aber wir ermüden schnell und unsere Lippen und Ohrläppchen haben einen bläulichen Farbstich. Und das, obwohl wir ja nun schon häufiger in diesen Höhen unterwegs waren und auch in Arequipa, Cusco und Puno in gleicher Höhe waren. Unser Tour-Guide erklärt das heute mit der besonderen Trockenheit der Luft von La Paz, aber auch mit der schlechten Luftqualität. Viktor greift jedenfalls zwischendurch immer mal wieder zu den Cocablättern. Dia müssen eh weg, denn nach Argentinien können wir sie nicht mitnehmen. Der Konsum ist nur in Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien legal. Nachtrag: Im Coca-Museum erfahren wir morgen, dass im Norden von Argentinien ebenfalls viele Cocablätter konsumiert werden und man sie auf dem Landweg gefahrlos ins Land bringen kann.

Jutta liest über den öffentlichen Nahverkehr hier, dass es zwar über 200 verschiedene (Klein-)Busse hier gibt, aber schon mehrfach vergeblich versucht wurde, feste Haltestellen zu etablieren. Diese gibt es aber natürlich bei den zehn Seilbahnen (vom Schweizerischen Unternehmen Doppelmayr gebaut). Die Linien haben keine Nummern, sondern Farben, und sowohl die Stationen als auch die Gondeln haben diese Farbe.

Den späten Nachmitttag und Abend verbringen wir daher zur Erholung entspannt im Hotel, holen einiges an Blog-Einträgen nach und überlegen uns, wie wir den morgigen Tag in La Paz gestalten wollen, bevor wir abends in den Bus nach Uyuni steigen. Auf jeden Fall werden wir nochmal ausschlafen ….

Samstag 23.11.24 – La Paz

Nach dem Frühstück packen wir alles und dürfen die Taschen für den heutigen Tag zum Tandem in den Gepäckraum stellen – so können wir auschecken, bevor wir noch einmal „in die Stadt“ gehen. Wir laufen zur Station Obelisco der lila Linie der Teleferico und kaufen für umgerechnet zwei Euro Fahrten für zwei Personen mit zweimal Umsteigen.

Die Seilbahn fährt steil den Hang hinauf nach El Alto, ähnlich der Seilbahn in Medellin. La Paz und El Alto sind im Prinzip eine große Stadt, La Paz im Tal, El Alto auf der Hochebene (Altiplano). Die eine Station, die wir nur fahren, dauert acht Minuten. Die Häuser werden immer ärmlicher, je weiter wir nach oben kommen, und sind zum Teil bis an die Felsen oder fast integriert in die Felsen gebaut. Am Faro Murillo steigen wir um in die graue Linie, die quasi quer über El Alto zur Station 16 de Julio fährt (wieder acht Minuten). Der zweite Umstieg erfolgt in die rote Linie, die uns unerwarteterweise wieder nach La Paz herunterbringt (zehneinhalb Minuten) und mit der wir den Friedhof überqueren, zu dem hier extra Touren angeboten werden. Die Station Central ist am früheren Bahnhof – der Bahnverkehr wurde hier eingestellt. Ein paar herumstehende Waggons sind zum Café oder Restaurant umgebaut.

Als wir uns nach dem richtigen Weg aus dem Bahnhof umschauen, werden wir von einem älteren Herrn angesprochen, ob wir Euopäer wären. Als wir uns als Deutsche vorstellen, beginnt er Deutsch zu sprechen. Er ist aus Bosnien, war als Kriegsgefangener 19 Monate in Zirndorf bei Nürnberg im Lager. Die UN hat ihn vor die Wahl gestellt, nach Australien oder nach Südamerika „geschickt“ zu werden. Seit 26 Jahren lebt er jetzt in Bolivien, hat durch die Heirat mit einer Bolivianerin die Staatsbürgerschaft. Er erzählt von seinen Corona-Impfschäden und dass ihm das Geld ausgegangen ist, hier im billigsten Hostal zu übernachten – die ärztliche Behandlung hier in La Paz ist kostenfrei. Beim Verabschieden spendieren wir ihm eine Übernachtung.

Durch ziemlich verstopfte Straßen, auf denen überall Obst, Gemüse und andere Sachen zwischen dem Autoverkehr und den Fußgängern verkauft werden, laufen wir zu einem Restaurant/Café, das wir gestern gesehen haben und für das wir einen Rabattgutschein haben, das „The Carrot Tree“, ein richtiges Backpacker-Restaurant. Nach einem Avocado-Toast bzw. Crèpe mit Erdnussbutter und Banane gehen wir gestärkt zum Coca-Museum.

Es liegt sehr versteckt in einem Hinterhaus. Wir bekommen beide Mappen mit Deutscher Übersetzung aller Texte in der Ausstellung und erfahren vieles über die Geschichte und die Anwendungsmöglichkeiten der Koka-Blätter. Unter anderem erfährt Viktor, dass der Konsum im Norden Argentiniens weit verbreitet ist und man Koka-Blätter auf dem Landweg mitbringen darf. Die richtige Wirkung entfalten Koka-Blätter nur, wenn sie gemeinsam mit einem Katalysator konsumiert werden, der Lejía genannt wird und aus gepresster Asche besteht. Viktor kauft in einem Laden in der Nähe ein kleines Stück für zwei Bolivianos.

Wir verbringen noch einige Zeit in der Hotellobby (Blogschreiben, Tee trinken), bevor wir zu einem frühen Abendessen ins Lucky Llama gehen, das höchstgelegene Irische Restaurant und Pub der Welt. Unser Ober versteht Juttas Bestellung von „Agua sin gas“ nicht und etwas später auch nicht unsere Essenswünsche. Es ist heute sein erster Tag, und er ist ein gebürtiger Ire, der zehn Jahre in Brisbane/Australien gelebt hat, acht Monate gereist ist und nun hier gelandet ist. Auf jeden Fall im richtigen Restaurant!

Als wir zum Hotel zurückgehen, regnet es schon etwas – aber noch erträglich. Die gesamte Hotellobby ist voll mit Koffern und einer Asiatischen Reisegruppe. Na toll, unsere Taschen und das Tandem sind ganz hinten durch, das wird ein Spass! Wir schleichen uns durch die Wartenden und ziehen uns erst einmal beide für die nächtliche Busfahrt um – warm und gemütlich. Inzwischen hat sich die Menge aufgelöst, und wir bekommen das Rad und die Taschen nach vorne zur Tür. Der gerade noch leichte Regen ist jetzt leider ziemlich stark, aber es hilft nichts – wir schieben das bepackte Tandem den einen Kilometer durch verstopfte und teilweise überschwemmte Straßen.

Das Büro von „Todo Turismo“, wo wir vorstellig werden sollen, finden wir im ersten Anlauf nicht. Es ist nicht im Busterminal, sondern an der Straße davor, allerdings im ersten Stock eines Gebäudes. Das dort oben angebrachte Schild sehen wir nicht. Auf Nachfrage werden wir ins Busterminal geschickt, wo wir immerhin von der Touristeninformation erfahren, wo wir hinmüssen. Wir sollen eigentlich das Tandem inklusive Gepäck nach oben in deren Büro tragen, um es wieder auf die Straße zu tragen, wenn der Bus kommt. Das sparen wir uns trotz des Regens und warten lieber draußen, es wird sogar irgendwann wieder trocken. So stehen wir über eine Stunde im Dunkeln an einer potentiellen Haltestelle des Busses, trauen uns aber noch nicht, den Lenker schon wieder herunterzuklappen. Tatsächlich hält der Bus dann auch nicht dort, und wir können das Tandem noch die paar Meter zur richtigen Stelle schieben. Alles wird eingepackt, bevor überhaupt die anderen Reisenden aus dem Büro kommen – das ist gut organisiert.

Unsere Plätze sind wieder oben, ganz vorne. Und das Besondere in diesem Bus: es fährt ein Reiseleiter mit, und es gibt Abendessen und Frühstück. Wir haben ja eigentlich schon gegessen, aber als so gegen halb zehn das Abendessen kommt, nehmen wir es trotzdem, und es ist sogar recht gut. Hinterher gibt es einen heißen Tee und ein Stück Schokolade – und das im Reisebus! Die Nachtfahrt ist trotz allem wieder eine Tortur – Jutta gelingt es einfach nicht zu schlafen, obwohl man heute die Sitze sogar sehr weit nach hinten machen kann. Diesmal hat sie keinen Spechkanon im Kopf und die Zeit vergeht noch langsamer. Aber wir sind beide warm genug angezogen – zumindest das haben wir gerlernt!

Sonntag 24.11.24 – (123) – Uyuni – Salar de Uyuni

Gesamt: 7.525,75 km

Kurz nach Sonnenaufgang gegen halb sechs halten wir an einem Ausichtspunkt zum Bilder machen, bevor es nach Uyuni geht. Dort ist wegen Reparaturarbeiten heute bis nachmittags Stromausfall, so dass das „Todo Turismo“-Büro uns weder Heißgetränke noch WIFI anbieten kann. Wir können aber alles Gepäck, was wir für eine Nacht nicht brauchen, bis morgen dort unterstellen und uns so ganz unbeschwert endlich wieder aufs Fahrrad begeben.

Als erstes fahren wir zum Busterminal von Uyuni, um uns zu erkundigen, wann man zur Argentinischen Grenze nach Villazon fahren kann. Die einzige diese Strecke anbietende Gesellschaft fährt immer um 10 Uhr morgens und um 20 Uhr abends (mit Ankunft um drei Uhr nachts). Das müssen wir noch ausdiskutieren! Ebenfalls am Terminal kaufen wir Getränke an einem Kiosk, weil die geöffneten Geschäfte alle anderes als Lebensmittel verkaufen. Als wir dann noch den Ständer des Tandems etwas justiert haben, weil er seit heute am Hinterrad scheuert, können wir endlich richtig los.

Erst geht es zehn Kilometer „zurück“ (hier waren wir schon mit dem Bus) bis Colchani, wo eine Straße in den Salar de Uyuni abgeht. Jutta hofft, dort eine Toilette zu finden – vergeblich. Auch im ersten Hotel, an dem wir vorbeikommen, gibt es nur die privaten Toiletten in den Zimmern und keine Chance für jemanden von außen. An anderen Stellen hängen an allen Häusern Schilder mit „Baños“, hier gibt es gar nichts.

Als die Salzwüste anfängt, sind wir zunächst einmal erstaunt, dass der Boden nicht weiß, sondern eher rosafarben ist. Wir fahren zunächst auf einer nagelneuen, breiten, asphaltierten Straße, die hier fast etwas fehl am Platz scheint. Alle anderen Wege, wenn man sie überhaupt so nennen kann, kann man eher erahnen – auf manchen sind schon so viele Autos gefahren, dass zwei dunkle Spuren vom Reifenabrieb sichtbar sind.

Wir halten am Palacio de Sal, in dem wir vergeblich versucht hatten, ein Zimmer zu reservieren, um nach 30 Kilometern eine Pause zu machen. An der Rezeption sagt man uns, dass wir an der Bar etwas bekommen können. Dort schicken sie uns – aufgrund des Stromausfalls – in den Frühstücksraum, wo wir zurück in die Bar geschickt werden. In der Lobby steht für Gäste Tee und Kaffee bereit – wir bedienen uns jetzt einfach dort. Und das soll ein Vier-Sterne-Hotel sein?

Kurz vor dem Weiterfahren bietet man uns noch an, ab 13 Uhr dort zum Essen zu kommen. Wir wollen jetzt erst einmal weiter und überlegen tatsächlich, später noch einmal wiederzukommen.

Das Zwischenziel ist eigentlich die Plaza de las Banderas. Da auf der von Komoot beschriebenen Strecke Wasser ist und wir deshalb einen anderen Weg nehmen, kommen wir erst an eine Stelle mit vielen Menschen und Vans und halten dort ebenfalls. Es ist ein Fotostop, an dem viele mit irgendwelchen Tieren, Autos, Spielzeugen aus Kunststoff Bilder machen. Das liegt uns nicht so, aber Bilder machen wir trotzdem.

Der nächste Halt ist dann aber am Fahnenplatz. Zu unserem Glück steht dort gerade ein Mann mit einer Drohne, der auch bereit ist, uns zu filmen. Während er das Video schickt (was ewas dauert) kommen wir ins Gespräch. Er ist Kolumbianer und inzwischen seit 15 Tagen hier. Während des Gesprächs mit ihm und seiner Frau kommt ein Bikepacker angefahren. Er ist einmal durch die Salzwüste geradelt, auch durch einen See, und sowohl er als auch sein Rad sind salzverkrustet. Er ist Römer, in Bogota gestartet, nimmt auch ab und an einen Bus und will ebenfalls nach Ushuaia. Als wir weiterfahren, fällt uns auf, dass wir keinen der Beiden nach ihrem Namen gefragt haben, also bleiben sie anonym.

Obwohl wir von hier geplant haben umzukehren, lassen wir uns überzeugen, noch sechs Kilometer in eine andere Richtung zu fahren, wo es Salzskulpturen geben soll. Wir können eh erst ab 15 Uhr in unser Hotel, also machen wir uns dorthin auf den Weg. Die sechs Kilometer sind dann eher zehn (und wir müssen von dort wieder zurück), aber auf dem Areal gibt es neben ziemlich vielen Skulpturen auch ein großes Labyrinth aus Salz. Wie von uns vermutet, müssen wir einen kleinen Eintritt zahlen. Da es gerade sehr warm geworden ist und wir immer noch die warmen Sachen aus dem Bus tragen, machen wir nur ein paar Bilder und lassen das Labyrinth lieber bleiben.

Über die Hypotenuse eines großen Dreiecks fahren wir zurück in Richtung Colchani. Der Abzweig zum Luna Salada Hotel führt dann verdammte fast sechs Kilometer über unbefestigte Schlaglöcher. Wir sind mit den Kräften am Ende, und dieser Weg gibt uns den Rest. Das gebuchte Hotel macht schnell alles wieder gut: es gibt einen Spa-Bereich, und nach der Benutzung von Jakuzzi (mit Sicht nach draußen) und Dampfbad gönnt Viktor sich noch eine Rücken-Massage. Und später sitzen wir über eine Stunde in einem von mehreren Räumen an der Westseite und bestaunen einen tollen Sonnenuntergang und viele Blitze und Wetterleuchten. Die dafür ebenfalls vorgesehene Sitzecke mit Kamin im Außenbereich des Hotels bleibt heute wegen Regens leer.

Im hoteleigenen Restaurant gibt es glücklicherweise Abendessen, denn noch einmal auf den Weg machen wollen wir uns nicht. Viktor nimmt das Buffet, Jutta kann sich aus der Karte kaum aus den zahlreichen Vegetarischen Angeboten etwas aussuchen. Am Nachbartisch sitzen vier Russen, die untereinander viel Spaß haben, aber den Ober sehr geringschätzig und unfreundlich behandeln. Viktor fällt ein Zitat von Mohammed Ali ein:

https://www.goodreads.com/quotes/9576302-i-don-t-trust-anyone-who-s-nice-to-me-but-rude

Beim Blick aus dem Fenster können wir im dunklen Himmel weiter viele, viele Blitze sehen. Es ist richtig schön!

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