Mit dem Stufentandem unterwegs in den Americas

Schlagwort: Sicherheit

Versicherungen

Bildquelle: www.finanzen.net

Zum Thema „Versicherungen“ gibt es drei Themenfelder, die man getrennt betrachten kann:

  1. Wie stellt man sicher, dass man bei der Rückkehr nach Deutschland weiterhin krankenversichert ist, auch wenn man z.B. die Tour vorzeitig abbrechen muss?
  2. Wie stellt man sicher, dass man unterwegs ausreichend gut krankenversichert ist und im Notfall gerettet, versorgt und vielleicht sogar nach Deutschland zurückgebracht wird?
  3. Wie sichert man sich gegen Schäden ab, die man unterwegs verursacht und für die man haften muss?

1. Deutsche gesetzliche Krankenversicherung

Wir sind beide in der Techniker Krankenkasse (TK) gesetzlich versichert und unsere Arbeitgeber werden während unserer Abwesenheit keine Versicherungsbeiträge leisten.

Bei einem ersten Telefonat mit der TK stellt sich heraus, dass wir bei einer Unterbrechung der Beitragszahlungen aufgrund unseren „hohen“ Alters bei der Rückkehr (wir werden beide über 55 Jahre alt sein) bereits jenseits der – Zitat – „magischen Altersgrenze“ liegen werden, oberhalb derer uns die gesetzliche Krankenversicherung nicht mehr zurücknehmen muss.

Uns bleibt daher entweder die Option, während des gesamten Jahres eine sogenannte „Anwartschaft“ zu zahlen (67,87€ pro Monat und Person), mit der wir ab dem Zeitpunkt der Rückkehr nach Deutschland sofort wieder in der TK versichert wären, oder wir zahlen einen monatlichen Mindestbeitrag (226,24€ pro Monat) für die ganz normale Versicherung einer Person (die zweite Person ist dann automatisch in der Familienversicherung mitversichert). Da wir noch einen mitversicherten studierenden Sohn haben, ergibt eine kurze Berechnung:

Option 1: Sohn (Student) 125,21€ + Viktor Anwartschaft 67,87€ + Jutta Anwartschaft 67,87€ = 260,95€ monatlich
Option 2: Freiwillige Weiterversicherung (ganze Familie mitversichert) = 226,24€ monatlich

Wir entscheiden uns also für Option 2.

2. Auslandskrankenversicherung

Envivas Angebot

Da eine gesetzliche Krankenversicherung wie die TK nur in der EU gilt (siehe hier) benötigen wir für unsere Tour eine spezielle Auslandskrankenversicherung, wenn wir das Risiko nicht komplett selbst tragen wollen. Da die TK mit der Envivas kooperiert und wir dort bereits vor Jahren eine Reisekrankenversicherung für Auslandsaufenthalte bis zu 60 Tagen abgeschlossen hatten, rufe ich dort an.

Überrascht muss ich feststellen, dass die Envivas wegen des Starts unserer Tour in den USA von uns für das gesamte Jahr die deutlich teurere Versicherung „mit USA & Kanada“ verlangt, obwohl wir die USA nach maximal 30 Tagen verlassen wollen.

Envivas, ohne USA, pro Person
Envivas, mit USA und Kanada

Eine Aufteilung der Reise in zwei Abschnitte kann mir die Envivas auch nach mehreren Telefonaten mit unterschiedlichen Beratern und Beraterinnen nicht anbieten, da der Zielort der Anreise, für uns also San Francisco, ausschlaggebend ist. Angeblich wird im Schadensfall als erstes ein Nachweis über die Anreise verlangt (Flugticket). Wenn man dann die falsche Versicherung ohne USA & Kanada abgeschlossen hat, werden die Kosten nicht übernommen, selbst wenn die Behandlung gar nicht in den USA erfolgt.

Der Anruf bei einem Reiseversicherungsmakler bestätigt dann, dass alle Versicherungen das ähnlich handhaben wie die Envivas. Der Makler gibt mir allerdings den Tipp, dass die Allianz eventuell im direkten Geschäft flexibler sein könnte. Er selbst könne uns auch nichts besseres anbieten.

Allianz Angebot

Also rufe ich in der Zentrale der Allianz an und werde an die Allianz Travel weiter verwiesen. Drei Telefonate später (denn immer wieder kommt die versprochene E-Mail mit dem Angebot und den Konditionen nicht) bietet uns die Allianz einen zeitlich gesplitteten Tarif an: 3 Monate USA (9.4. – 3.6., 56 Tage, 19€), danach 9 Monate Lateinamerika (4.6. – 31.3.25, 301 Tage, 782,60€) pro Person. Nach Überprüfung der Versicherungsbedingungen, insbesondere bezüglich Rücktransport nach Deutschland und möglicher hoher Bergungskosten vor Ort, schließen wir diese Versicherungen ab.

Bergungskosten

Die „Krankentransportkosten“ vom Unfallort bis ins Krankenhaus werden von jeder Auslandskrankenversicherung abgedeckt. „Bergungskosten“ sind alle Kosten für Bergung und Transport bis zum Rettungswagen oder Rettungshubschrauber. Die meisten Versicherungen definieren dafür einen Höchstbetrag, der normalerweise ausreicht, wenn man nicht gerade nach einem Unfall beim Klettern, Bergwandern oder Skifahren aus einer Gletscherspalte geborgen werden muss. Da wir nicht vorhaben, mit unserem Tandem in völlig unwegsamen Gelände unterwegs zu sein, besteht hier wohl eher kein Grund zur Sorge.

Rücktransport nach Deutschland

Da meine Schwester im Ambulanzflug-Geschäft arbeitet, gibt sie mir den Tipp, unbedingt darauf zu achten, dass in den Versicherungsbedingungen ein Rücktransport nach Deutschland abgedeckt ist, wenn dieser „medizinisch sinnvoll“ ist. Es ist wichtig, dass dort nicht „medizinisch notwendig“ oder „medizinisch erforderlich“ steht. Diese Formulierung in den Versicherungsbedingungen sorgt oft für Diskussionen und Enttäuschungen.

3. Haftpflichtversicherung

Unsere existierende Haftpflichtversicherung bei der ERGO ist weltweit gültig, deckt Personenschäden aber nur bis 3 Millionen Euro pro Personenschaden und bis maximal 6 Millionen Euro pro Jahr ab. Der heutige Standard bei Haftpflichtversicherungen liegt mittlerweile bei 10 Millionen Euro pro Personenschaden.

Nach einer Rückfrage bei der ERGO wird uns eine Erhöhung der Deckungssumme auf 50 Millionen Euro angeboten, die besonders für die USA ratsam sei. Außerdem wird uns bestätigt:

„Die Haftpflichtversicherung bietet eine weltweite Deckung, auch Schäden die mit dem Fahrrad verursacht werden, sind abgedeckt.

Keine Deckung besteht bei Verkehrsunfällen, die Sie mit einem Auto ö. ä. verursachen. Hier gilt die Kfz Versicherung des Fahrzeuges.”

Damit sind wir zufrieden und stocken die Versicherung entsprechend auf.

Ecuador

Januar 2024

Am 9. Januar 2024 erhalten wir den ersten unserer abonnierten Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes. Es wird darin besonders vor Reisen nach Guayaquil gewarnt. Eigentlich ist das eines unserer Zwischenziele, da wir dorthin indirekte Verbindungen zum Projekt „Musiker ohne Grenzen“ haben.

„Eigentlich“ grob geplante Rute auf der Ruta del Sol

Der Hafen von Guayaquil ist mittlerweile der größte Umschlagplatz für den Kokain-Schmuggel nach Europa (Überseehäfen in Rotterdam, Amsterdam und Hamburg) geworden. Das Kokain stammt dabei überwiegend aus Kolumbien und Ecuador und wird oft in Bananenfrachtern versteckt. Zufällig höre ich im RBB 24 Inforadio dazu einen Bericht von den Newsjunkies, der auch als Podcast verfügbar ist.

Die Sicherheitslage hat sich in den Jahren seit der Corona-Pandemie in ganz Ecuador deutlich verschlechtert. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die illegalen Einkunfts- und Arbeitsmöglichkeiten während der Lockdowns in der Pandemie fast die einzigen waren, mit denen man seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. So erzählt es mir Magdalena, eine Cousine von Jutta, die einige Jahre in Ecuador gelebt hat und mit einem Ecuadorianer verheiratet ist. Derzeit würden sie auch eher von einer Reise dorthin abraten. Zum Glück werden wir erst im September dort sein, falls wir es so weit schaffen sollten. Bis dahin kann sich hoffentlich noch viel ändern.

Wenige Tage nach dem ersten, kommt am 12.1.24 auch schon der nächste Hinweis vom Auswärtigen Amt. Am 8.1.24 ist in Ecuador für 60 Tage ein Ausnahmezustand verhängt worden und eine Einreise ist auf dem Landweg nur noch mit einem polizeilichen Führungszeugnis mit Apostille möglich. Da werden wir wohl sicherheitshalber mal schauen müssen, ob wir uns sowas besorgen können.

Nun gut, nach dem ersten Hinweis wollte ich das ganze Zeug vom Auswärtigen Amt ja schon fast wieder abbestellen, weil es uns vermutlich nur unnötige Angst macht. Aber der Hinweis zu den Einreisebestimmungen ist für uns natürlich wichtig.

Während ich das hier tippe kommt vom Auswärtigen Amt auch schon ein neuer Hinweis, diesmal für Peru. Darin geht es aber zum Glück nur um die Einreisebestimmungen nach Ecuador.

Noch am gleichen Abend beantragen wir erfolgreich online (mit Identifikation durch die AusweisApp, unsere NFC-fähigen Personalausweise und Mobiltelefone) auf der Seite des Bundesjustizamtes unsere Führungszeugnisse inklusive Apostille. Schaden kann es ja nicht, wenn wir die dabeihaben.

Da sage doch nochmal einer, wir wären mit der Digitalisierung in Deutschland noch keinen Schritt weiter gekommen. Das mit der Beantragung eines polizeilichen Führungszeugnisses hat jedenfalls relativ gut funktioniert.

Ende Januar kommen die Führungszeugnisse mit Apostille per Nachnahme (je 25€) bei uns an. Jutta erhält gleich zwei und darf dafür 50€ Nachnahme abdrücken, denn ihr erster Zahlungsversuch mit Kreditkarte war auf der Webseite des Auswärtigen Amts im elektronischen Nirwana stecken geblieben. Sicherheitshalber hatte sie dann alles nochmal eingegeben. Tja, jetzt hat sie eben zwei Führungszeugnisse. Die 25€ Nachnahme sind übrigens nur für die Apostille und man wird nicht vorgewarnt, dass jemand zuhause sein muss, um die Dokumente zu empfangen. Das Führungszeugnis kostet alleine schon 13€.

Ergänzung Ende Januar 2024

Am 19.1.2024 kommt eine weitere Warnung per Newsletter vom Auswärtigen Amt. Nun werden wir auch gebeten, uns bei ELEFAND (Elektronische Erfassung Deutscher im Ausland) zu registrieren:

„Registrieren Sie sich in der Krisenvorsorgeliste

Diese Liste wird von deutschen Botschaften und Konsulaten im Ausland genutzt, um Deutsche zu kontaktieren, die im Krisen- bzw. Katastrophenfall schnell informiert und ggf. in Krisenbewältigungsmaßnahmen einbezogen werden sollen.

Die Registrierung bei ELEFAND ist für Bikepacking-Touren nicht wirklich geeignet. Man soll exakte Daten angeben, die sich nicht überschneiden dürfen. Ebenso soll man die Regionen innerhalb der Länder angeben, in denen man sich aufhält und seine Adressen angeben. All das ist beim Bikepacking nicht sicher festzulegen. Wir wollen ja gerade flexibel unterwegs sein und spontan entscheiden können.

Ich denke, dass man unterwegs die Daten ab und zu anpassen kann. Wir werden aber sicher nicht ständig auf der ELEFAND-Seite sein und die Regionen anpassen, in denen wir uns gerade aufhalten.
Am Ende sieht mein erster Versuch so aus:

Sicherheit

Die zehn gefährlichsten Städte der Welt

Als wir unseren Familien erstmals von den Plänen erzählen, ernten wir zum Teil ungläubiges Staunen und kräftiges Kopfschütteln, hören aber auch sehr schnell die üblichen Sicherheitsbedenken. Meine Schwester schickt mir sehr früh schon einen Link zu einer Webseite mit den angeblich zehn gefährlichsten Städten der Welt, von denen einige auf unserer geplanten Route liegen sollen.

Weitere Recherchen ergeben tatsächlich, dass auf unserer Route einige der Städte mit den höchsten Kriminalitäts- und Mordraten der Welt liegen. Zu diesen zählen Tijuana und Acapulco (Mexiko), San Salvador (El Salvador), San Jose (Costa Rica), Medellin und Cali (Kolumbien), Guayaquil (Ecuador), Lima (Peru) und Santiago de Chile (Chile).

Alle Reiseberichte, die wir bisher von Radreisenden in diesen Regionen lesen konnten, sprachen zwar von gelegentlichen Demonstrationen und Straßenblockaden, aber niemand hat richtig schlimme Erfahrungen gemacht, wie etwa Raub, Schusswaffengebrauch oder ähnliches. Dagegen berichten alle von der unglaublichen lateinamerikanischen Gastfreundschaft und den vielen Begegnungen mit Menschen, die ihnen Verpflegung und Getränke zustecken, oder mit Lastwagenfahrern, die regelmäßig anbieten, sie ein Stück des Weges mitzunehmen.

Die meisten berichten eher von Problemen mit knappen Überholvorgängen (erst gestern wieder die Podschies in Argentinien) oder mit streunenden Hunden (z.B. in Ecuador).

Nach dem Studieren des aktuellen Rankings und der Feststellung, dass ein Besuch in Detroit (USA) gefährlicher sein müsste als in Tijuana (Mexiko) und in Marseille (Frankreich) gefährlicher als in San Salvador (El Salvador) schieben wir dieses „Problem“ mehr oder weniger beruhigt beiseite. Passieren kann einem überall etwas, also wozu den Kopf zerbrechen?

Wir planen lediglich, immer etwas getrenntes Bargeld dabei zu haben, das man im Zweifelsfall herausrücken kann, und unsere Kreditkarten, Geld und Handys auf verschiedene Verstecke in Gepäcktaschen und Kleidungsstücke zu verteilen.

Viele Bikepacking-Reisende empfehlen uns zur Einschätzung der Sicherheitslage und der Streckenverhältnisse neben der Befragung der Bevölkerung vor Ort außerdem die App iOverlander, die wir natürlich auf unseren Mobiltelefonen installieren werden. Dort hinterlassen Nutzer tagesaktuelle Hinweise zu verschiedenen Themen (Verpflegung, Gesundheit, Übernachtung, wildes Campen, Sicherheit, u.s.w.).

iOverlander App

Den „guten Ratschlag“, uns doch in den U.S.A. noch eine Handfeuerwaffe zu Verteidigungszwecken zuzulegen, nehmen wir lieber nicht an. Wir erwägen aber ernsthaft, uns Pfefferspray zur Verteidigung gegen streunende Hunde zuzulegen.

Drogenkartelle

Mexiko und Kolumbien bereiten uns ein wenig zusätzliche Sorgen wegen der Drogenkartelle und der sogenannten Drogenkriege. Da wir aber planen, in Mexiko zunächst bis an die Südspitze von Baja California zu fahren und von dort eine Fähre nach Mazatlán zu nehmen, werden wir uns damit wohl vor Ort noch ausreichend beschäftigen können. In Kolumbien soll sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren deutlich entspannt haben. Trotzdem soll man in der Gegend rund um Cali wohl lieber etwas vorsichtiger sein.

Jedenfalls bestellen wir uns mal die Newsletter des Auswärtigen Amtes und warten ab, ob die uns bloß Angst einjagt oder tatsächlich nützlich erscheint.

Helmpflicht

Zum Thema Sicherheit gehört natürlich auch die Helmpflicht, die auf unserer Route für Erwachsene scheinbar nur in manchen Bezirken Kaliforniens (aber welche?) und in Chile gilt. Hier gibt es dazu eine recht brauchbare Übersicht. Warnwesten sind auf unserer Route wohl nirgendwo verpflichtend.

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