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Sabbatjahr – Wie reagieren die Arbeitgeber?

Wir haben viele Fragen dazu erhalten, wie unsere Arbeitgeber reagiert haben und wie wir das finanziell stemmen können.

Jutta ist angestellte Apothekerin in unserer Wahlheimat Hohen Neuendorf (Brandenburg, Berliner Speckgürtel). Ich bin Market Access Manager (Marktzugang, Erstattung von Medizinprodukten durch die Krankenkassen) bei einem japanischen Medizintechnikunternehmen (Terumo).

Unseren Traum von einer gemeinsamen einjährigen Fahrradtour haben wir schon 25 Jahre gehegt und gepflegt (und dafür auch gespart). Nun sind die Kinder aus dem Haus, die Immobilie ist fast abgezahlt und – auch wenn der Anlass sehr traurig ist – durch eine Erbschaft sind weitere finanzielle Spielräume geschaffen worden. Wir sind mit Mitte und Ende 50 auch nicht mehr die Jüngsten, also ist nach unserem Empfinden jetzt genau der richtige Zeitpunkt gekommen.

Unsere Arbeitgeber haben wir bereits Anfang 2023 über unsere Pläne informiert und dabei ausgelotet, welche Optionen es geben könnte, die von beiden Seiten mitgetragen werden und uns nach dem Sabbatjahr eine Rückkehr in den Job ermöglichen. So hatten die Arbeitgeber genug Zeit, sich auf die Situation vorzubereiten und sich um personellen Ersatz zu kümmern. In Zeiten des Fachkräftemangels war das aber besonders für die Apotheke nicht leicht.

Da mein Arbeitgeber bisher noch keine Altersteilzeit- oder Auszeit-Programme anbietet, bei denen man Arbeitszeit-Konten nutzen kann, habe ich selbst einen Vorschlag gemacht. Das Finanzjahr startet bei uns am 1. April und daher war mein Vorschlag, dass ich vom 1.4.23 bis 31.3.24 in Vollzeit arbeite und nur 50% meines Gehaltes erhalte. Vom 1.4.24 bis 31.3.25 wollte ich dann die anderen 50% meines Gehaltes erhalten, ohne zu arbeiten. Liegt das eigene Bruttogehalt über der deutschen Beitragsbemessungsgrenze (2023: 4.987,50 Euro Monatsgehalt), so muss man beachten, dass der Arbeitgeber in den zwei Jahren mehr Sozialabgaben abführen müsste, als wenn er das komplette Gehalt in einem Jahr bezahlt. Diese Differenz wollte ich meinem Arbeitgeber erstatten, damit er keinen zusätzlichen finanziellen Schaden hat. Dieser „Plan A“ wurde aber leider abgelehnt, vor allem weil kein Präzedenzfall geschaffen werden sollte, der andere Mitarbeiter möglicherweise zu Ähnlichem ermutigen könnte.

Mein „Plan B“ war unbezahlter Urlaub oder eine unbezahlte Freistellung. Diese unbezahlte Freistellung ist es dann am Ende auch geworden. Ich habe dann selbst versucht, in 2023 möglichst 50% des Nettogehaltes beiseite zu legen, was mir aber nicht ganz gelungen ist.

Mein „Plan C“ war eine fristgerechte Kündigung und Wiederbewerbung nach der Rückkehr.

Ich hatte das große Glück, dass meine Chefin mein Vorhaben 100%-ig unterstützt hat und für mich anfangs sogar mit dem Plan A „in den Kampf gezogen“ ist.

„Plan A“ hätte den Vorteil gehabt, dass ich weiter krankenversichert geblieben wäre (gesetzlich versichert bei der TK) und mitversicherte Kinder im Studium damit ebenfalls weiterversichert wären. Bei unbezahlter Freistellung muss man sich selbst um die Krankenversicherung kümmern. Da wir bei der Rückkehr beide über 55 Jahre alt sein werden, müsste uns die TK nicht wieder „zurücknehmen“. Daher werden wir entweder den Mindestbetrag (172,01 Euro monatlich (2023)) einzahlen oder eine sogenannte Anwartschaft beantragen, da wir ja die ganze Zeit im Ausland sein werden. Auch für die Rentenversicherung planen wir, während des Jahres einen Mindestbeitrag einzuzahlen. Bei Apotheker*innen ist das Ganze noch etwas komplizierter, da sie in die Apothekerversorgung einzahlen.

Viele größere deutsche Unternehmen haben mit ihrem Betriebsrat sogenannte „Betriebsvereinbarungen“ abgeschlossen, in denen meist die Themen Altersteilzeit und vorübergehende Auszeiten gemeinsam abgehandelt werden. Meist gibt es eine „Ansparphase“ mit Gehaltsverzicht bzw. Urlaubsverzicht oder Überstundenkonten, gefolgt von einer Auszeit oder einer schrittweisen Altersteilzeit, die dieses Zeitguthaben dann verbraucht, während das Gehalt (teilweise) weitergezahlt wird. Bei VW soll es sogar die Möglichkeit geben, eine Auszeit später „nachzuarbeiten“, ohne vorher eine Ansparphase durchlaufen zu haben.

Jutta wird von ihrer Apotheke vermutlich für ein Jahr unbezahlt beurlaubt. Das bedeutet für die ersten vier Wochen ein Weiterbestehen der Krankenversicherung. Danach muss die Krankenversicherung oder Anwartschaft (siehe oben) privat fortgeführt werden. Aufgrund des Fachkräftemangels und der schwierigen Personalsuche wird sie vermutlich bis zum letzten 31.3.2024 in der Apotheke Dienst haben.

Bei alldem sollte man natürlich nicht vergessen, dass dem Arbeitgeber für eine erforderliche Vertretungslösung erhebliche Aufwände und Kosten entstehen. Unter anderem verlangen Personalvermittler (Recruiter) meist 25% eines Jahresgehaltes als Vermittlungsgebühr.
Ich habe auf Bitten meiner Chefin einen „Business Continuity Plan“ erstellt, bei dem verschiedene Optionen durchgespielt wurden (Berater, Freelancer, befristete Einstellung und Kombinationen davon). Wir sind nun dabei, eine Vertretung zu suchen, die – ganz ähnlich zu einer Elternzeit-Vertretung – befristet auf ein Jahr meinen Job übernimmt. Leicht ist das nicht, denn befristete Verträge sind natürlich unter Fachkräften nicht besonders beliebt. Und wenn sich ein neuer unbefristeter Job auftut, kann diese Vertretung auch ganz schnell wieder weg sein.

Ergänzung im Februar 2024: Da meine direkte Vorgesetzte innerhalb der Firma den Job gewechselte hatte, sah ich mich Anfang 2024 vor der Aufgabe, meine eigene Stellvertretung zu rekrutieren. Ich durfte also viele Lebensläufe sichten, einige Videotelefonate führen und „interessante“ Gehaltsvorstellungen für meinen eigenen Job prüfen. Am Ende ist es uns dann gelungen, einen passenden Kandidaten zu finden, der von Mitte März 2024 bis Mitte April 2024 (mit je zwei Wochen Übergabezeit) zur Verfügung steht. Der macht im Prinzip heute schon das, was ich gerne ab 2030 machen würde: Er sucht sich die Jobs bei den Firmen aus, die er für eine bestimmte Zeit machen möchte und die er besonders spannend findet.
Auch in der Apotheke hat sich im Februar eine Apothekerin beworben, nachdem (endlich) auch eine Anzeige bei der Apothekerkammer Brandenburg geschaltet wurde. Es scheint sich also alles ganz gut „zu finden“.

Es besteht aber immer das Risiko, dass sich während der Auszeit die Rahmenbedingungen verändern und man doch nicht in den alten Job zurückkehren kann (Stichwort: Pandemie). Dieses Risikos muss man sich unbedingt bewusst sein. Mein Arbeitsvertrag ruht zwar, er kann aber ganz normal mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. So eine Kündigung könnte natürlich auch während des Sabbatjahres eintreffen, aber das ist umgekehrt natürlich auch möglich.

Hier findet man noch einige Infos zu rechtlichen Fragen und einen Mustervertrag zum Sabbatjahr: arbeitsvertrag.org

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  1. Nathalie

    Super aufregend! Wir wünschen eine tolle Tour 🙂

  2. Stefan Overkamp

    Warum nur steht hier nix darüber, wie Juttas AG reagiert hat …?

    • Weil die Reaktion irgendwie unklar ist. Er geht wohl von „unbezahltem Urlaub“ aus (also keine unbezahlte Freistellung bei weiter gültigem, aber eben ruhendem Arbeitsvertrag, wie bei mir).
      Aber bei unbezahltem Urlaub ist die Sache mit der Krankenversicherung nicht ganz klar. Das müssen wir also noch genauer herausfinden. Schriftlich scheint Jutta wohl eh nichts zu kriegen.

      Und ich habe auch keine Genehmigung hier detaillierter zu berichten. 😉

      Heute hatte ich noch ein Diskussion mit meinem Schwager, ob man nicht auch noch Arbeitslosengeld beantragen könnte. Auf so eine Idee sind wir bei einem Sabbatjahr gar nicht gekommen. Sowas dürfte aber hoffentlich auch nicht gehen, weil man ja arbeitssuchend sein muss, was wir während des Jahres aber nicht sind.

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